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+* text=auto
+*.txt text
+*.md text
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+*** START OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK 44366 ***
+
+Anmerkungen zur Transkription:
+
+Schreibweise und Interpunktion des Originaltextes wurden übernommen;
+lediglich offensichtliche Druckfehler wurden korrigiert. Eine Liste
+der vorgenommenen Änderungen findet sich am Ende des Textes. Folgende
+Zeichen sind für die verschiedene Schriftformen benutzt:
+
+ _Kleinschrift_
+ =fett gedruckter Text=
+ +kursiv gedruckter Text+
+ ~gesperrt gedruckter Text~
+ ^{hochgestellter Text}
+
+
+
+
+ Das Abendmahl
+
+ im
+
+ Zusammenhang mit dem Leben Jesu
+
+ und der
+
+ Geschichte des Urchristentums
+
+ von
+
+ Lic. Dr. Albert Schweitzer
+
+ in Strassburg i. E.
+
+
+ Erstes Heft.
+
+ Das Abendmahlsproblem
+
+ auf Grund
+ der wissenschaftlichen Forschung des 19. Jahrhunderts
+ und der historischen Berichte.
+
+ [Illustration]
+
+ =Tübingen= und =Leipzig=.
+ Verlag von ~J. C. B. Mohr~ (Paul Siebeck).
+ 1901.
+
+
+
+
+ +Das Recht der Uebersetzung in fremde Sprachen behält sich die
+ Verlagsbuchhandlung vor.+
+
+
+ C. A. Wagner's Universitätsbuchdruckerei in Freiburg i. B.
+
+
+
+
+ Seinem Lehrer
+
+ Herrn Prof. D. Dr. =H. J. Holtzmann=
+
+ gewidmet
+
+ in aufrichtiger Verehrung und treuer Anhänglichkeit
+
+ von seinem dankbaren Schüler
+
+ =Albert Schweitzer=.
+
+
+
+
+=~Vorrede~ zu einer neuen Untersuchung über das Abendmahl.=
+
+
+Der Anstoss zu der vorliegenden Arbeit ging von SCHLEIERMACHER aus.
+Im Jahre 1897 erhielt ich nämlich als Thema für meine schriftliche
+Examensarbeit folgende Aufgabe gestellt: Die Abendmahlslehre
+SCHLEIERMACHER's soll dargestellt und mit den im neuen Testament und in
+den Bekenntnisschriften niedergelegten Auffassungen verglichen werden.
+
+Ich hatte mich bis dahin mit der Abendmahlsfrage gar nicht beschäftigt
+und war über die neuesten Forschungen in keiner Weise orientiert,
+hatte auch keine Zeit dies nachzuholen, weil die Arbeit innerhalb acht
+Wochen abgeliefert werden musste. So war ich einzig auf die Texte und
+die bekenntnismässigen Formulierungen der verschiedenen Konfessionen
+angewiesen.
+
+Die SCHLEIERMACHER'sche Dialektik ersetzte mir aber alles. Sie
+zergliedert nämlich das Problem so, dass es als Ganzes und zugleich in
+allen Details vor einem steht. Man braucht nur geschichtlich Ernst zu
+machen mit dem dialektischen Spiel, das er mit vollendeter Kunst zur
+Beruhigung und Versöhnung der Geister und zugleich zu seinem eigenen
+ästhetischen Ergötzen aufführt, dann ist man genau auf dem Standpunkt
+der modernen historischen Forschung angekommen.
+
+Ein Satz besonders ist hier entscheidend. In § 139 _3_ der
+Glaubenslehre redet er vom äusseren Verlauf unserer Feier und
+zeigt, wie wir uns bei der Reproduktion der historischen Umstände
+naturgemäss auf das Wesentliche beschränken müssen. Wollte man z.
+B. einen bedeutenden Nachdruck auf den Zusammenhang, in welchem das
+historische Mahl mit dem Passahmahl stand, legen, so würde man alsbald
+zur Folgerung gedrängt werden, »dass das Abendmahl jetzt nicht mehr
+das sein könne, als was es Christus gestiftet habe und also auch
+wohl nicht könne von ihm als eine selbständige und immer dauernde
+Institution für die Kirche verordnet sein«. »Dieses Bedenken«, so fährt
+er dann fort, »liegt so nahe, ~dass es sich leicht in der evangelischen
+Kirche lautbarer machen kann, als bisher der Fall gewesen~, und
+veranlasst natürlich die Frage, worauf unser Glaube in dieser Sache
+eigentlich beruhe. Schwerlich wird sich behaupten lassen, dass aus
+den uns aufbewahrten Worten Christi ~diese Absicht ganz bestimmt
+hervorgehe.~ Vielmehr enthalten einige unserer Erzählungen gar ~keinen
+solchen Befehl~ (Markus und Matthäus), und in den andern ist er nur
+unbestimmt ausgedrückt (Lukas und Paulus); und da die Apostel aus den
+Worten Christi beim Fusswaschen keinen solchen Befehl entnommen haben,
+so ~hätten sie auch Recht gehabt, aus dem Abendmahl ebensowenig eine
+bestimmte und allgemeine Institution zu machen!~ Da nun aber offenbar
+ist, dass sie das eine gethan haben und das andere nicht, so können
+wir uns an das halten, ~was sie eingerichtet haben,~, ohne dass wir
+zu entscheiden brauchten, ob Christus ihnen über das Abendmahl noch
+andere ausdrückliche Anweisungen gegeben, oder ob sie dieselben aus
+seinen Worten gefolgert oder nur durch den unmittelbaren Eindruck der
+Sache und durch die begleitenden Umstände anders bestimmt worden sind
+in Bezug auf das Abendmahl als in Bezug auf das Fusswaschen. In dem
+letzten Fall würden wir dann das Abendmahl nur nicht ganz in demselben
+Sinn als eine unmittelbare Einsetzung Christi ansehen können, immer
+aber doch glauben müssen, dass sie in seinem Sinn gehandelt haben, wenn
+wir nicht auch in ihrem ~engsten Berufskreise ihr kanonisches Ansehen
+aufgeben wollen~«.
+
+Unsere Abendmahlsfeier beruht in letzter Linie nicht auf einer
+ausdrücklichen Verordnung Jesu! GRAFE ist also ganz unschuldig! Was er
+als ehrlicher Historiker in der Nachfolge anderer Historiker, von der
+Wucht der Thatsachen gedrängt, bedächtig und schonungsvoll aussprach,
+das hat SCHLEIERMACHER in seiner Glaubenslehre keck hingeworfen.
+Während man aber dem eleganten Spiel des Dialektikers verständnisvoll
+zunickte, nahm man es dem ehrsamen Historiker gar übel, als er ungefähr
+dasselbe zu sagen wagte. Vielleicht auch haben die temperamentvollen
+Gegner GRAFE's diese Seite in ihrem SCHLEIERMACHER überschlagen oder
+sie hielten dafür, dass der betreffende Abschnitt, weil er zeitlich
+schon einige gute Jahrzehnte zurückliegt, auch in zweideutigen Dingen
+als rechtgläubig passieren dürfe. Es ist merkwürdig: In der Theologie
+darf heutzutage einer fast alles sagen, was er will, wenn er es nur
+vornehm und geistreich mit einem gewissen eleganten Skeptizismus thut.
+Für den ehrlichen Menschen, der redet, weil sein Gewissen ihn zwingt,
+ist man aber unnachsichtlich.
+
+Die Behauptung, die SCHLEIERMACHER zum erstenmal vollständig klar
+ausgesprochen hat, die dann aber für Jahrzehnte ganz unter den
+Tisch fiel, ist dazu angethan, einen im kantischen Sinn »aus dem
+dogmatischen Schlummer zu wecken«. Sie zeigt nämlich, dass nicht
+nur die kirchlichen, sondern geradesogut die wissenschaftlichen
+Abendmahlsauffassungen dem wirklichen Thatbestand nicht gerecht werden.
+Die kirchlichen Auffassungen setzen voraus, dass Jesus die Feier zur
+Wiederholung bestimmt habe, können aber nicht nachweisen, dass er es
+wirklich angeordnet hat, da der betreffende Befehl bei den ältesten
+Zeugen fehlt. Eine Reihe wissenschaftlicher Auffassungen gehen davon
+aus, dass die Feier nicht zur Wiederholung bestimmt war, können aber
+dann nicht erklären, warum sie doch schon in der allerersten Gemeinde
+aufkam — und das ist doch auch eine unbedingt feststehende Thatsache.
+
+Der Zusammenhang zwischen den beiden Feiern, der historischen und der
+Gemeindefeier, bleibt also gleich unbegreiflich, ob man sie durch den
+Wiederholungsbefehl direkt kausal miteinander verbindet oder ob man
+sich mit der Konstatierung der reinen zeitlichen Aufeinanderfolge
+begnügt und die Kausalität dahingestellt sein lässt. ~SCHLEIERMACHER
+ist der Hume der Kausalitätsfrage im Abendmahlsproblem.~
+
+Der Vergleich der verschiedensten und zeitlich so weit
+auseinanderliegenden Abendmahlslehren mit der SCHLEIERMACHER'schen
+Ansicht führte mich vor die Frage, was denn das Beharrende bei diesem
+steten Wechsel der Auffassungen sei. Ist es nicht denkbar, dass alle
+Phasen, in denen sich das Abendmahlsproblem auswirkt, durch dieselben
+Gesetze beherrscht sind und dass also an diesen Gesetzen die wahre
+historische Auffassung sich zu erproben hat?
+
+Nachdem ich daher meine Examensarbeit zu Ende geführt und die mir
+in Umrissen schon vorschwebende neue Auffassung in allgemeinen
+Strichen angedeutet hatte, machte ich mich daran, alle Epochen
+der Abendmahlsfrage — die altchristliche, die mittelalterliche,
+die reformatorische und die moderne — gründlich zu studieren,
+fest entschlossen, nicht eher mit der neuen Auffassung an die
+Oeffentlichkeit zu treten, als bis ich sie für alle Epochen
+durchgeführt hätte und so die Gewissheit besässe, dass sie die ganze
+Geschichte des Abendmahls von der historischen Feier bis in die
+neueste Zeit erklärt. Zu dieser Arbeit habe ich vier Jahre gebraucht.
+Darum veröffentliche ich, was mir schon im Herbst 1897, ~unabhängig
+von der modernen Forschung, feststand~, erst im Herbst 1901, im
+Zusammenhang mit der Darstellung und Beurteilung der historischen
+Abendmahlsforschung im 19. Jahrhundert.
+
+Ich habe die Stellung des Problems an der wissenschaftlichen
+Abendmahlsforschung im 19. Jahrhundert entwickelt, weil uns diese
+Periode am nächsten liegt. Man hätte aber geradesogut jede andere Phase
+dazu benutzen können, da die Gesetze in allen dieselben sind.
+
+Die Absicht dieser Arbeit geht weiter als auf die Aufstellung einer
+neuen historischen Abendmahlsauffassung. Sie verfolgt den praktischen
+Zweck, ~die historische Grundlage unserer modernen Abendmahlsfeier
+abzugeben und das Bestehende geschichtlich zu rechtfertigen.~ Es ist
+nämlich nicht zu leugnen, dass unsere Gemeindefeier, nach dem jetzigen
+Stand der Wissenschaft, in der Luft hängt. Wenn der Wiederholungsbefehl
+historisch nicht fundiert ist, was soll dann unsere Wiederholung
+bedeuten?
+
+Den Gläubigen zwar ficht diese Sorge vorerst wenig an und soll ihn
+wenig berühren. Es ist nicht die Sache der Leute, welche über die
+Brücke gehen, sich ängstlich darum zu kümmern, ob durch die Fluten die
+Fundamente nicht langsam unterwaschen worden sind, sondern das liegt
+den Architekten ob. Diese müssen, wenn sie eine Senkung auch nur von
+einem Millimeter wahrnehmen, unverzüglich einer eventuellen Katastrophe
+entgegenarbeiten, sogar wenn den Passanten die Sache vorerst ganz
+belanglos scheint. So muss auch die theologische Wissenschaft auf
+das Fundament des Glaubens sehen und darauf achten, ob nicht die
+historische Grundlage der Institution, welche gleichsam die Brücke vom
+Vergänglichen zum Unvergänglichen bildet, durch den Strom der Zeit
+unterwaschen ist und ob nicht durch die historische Weltanschauung eine
+ganz andere Fundierung unserer Abendmahlsfeier notwendig wird als
+bisher.
+
+SCHLEIERMACHER hat gesagt, dass das Bedenken, die Berechtigung der
+Wiederholung betreffend, sich leicht in der evangelischen Kirche
+lautbarer machen könnte, als bisher der Fall gewesen. Und wenn dies
+nun eintritt, was dann? Solange das Problem der Berechtigung und
+Notwendigkeit unserer Abendmahlsfeier wissenschaftlich nicht gelöst
+ist, kann durch den geringfügigsten Umstand eine die öffentliche
+Meinung aufs äusserste aufregende und unerquickliche dogmatische
+Erörterung dieser Frage eintreten, zu der der Fall GRAFE nur ein kurzes
+idyllisches Vorspiel wäre.
+
+Das Schlimmste dabei wäre, dass diese Erörterung, einmal in die
+Oeffentlichkeit gezerrt, notwendig resultatlos bliebe. Denn der
+wissenschaftlich denkende Mensch wird diese Frage immer wieder
+aufwerfen müssen, während derjenige, der sich mehr auf den Standpunkt
+des kirchlichen Glaubens stellt, sie notwendig niederschlagen wird,
+in dem richtigen Empfinden, dass solche theoretische Bedenken eine
+so heilige und erhebende und durch den urchristlichen Usus in
+ihrer Art wieder so geschichtlich fundierte Feier nicht gefährden
+dürfen. Der Verteidiger wird sogar eigentlich die Geschichte auf
+seiner Seite haben. Denn, wenn das Abendmahl von Anfang an in der
+christlichen Gemeinde gefeiert worden ist, so ist doch diese Thatsache,
+vollständig objektiv betrachtet, viel entscheidender als das Fehlen
+des Wiederholungsbefehls in zwei alten Berichten. Wir haben es eben
+mit einer ganz unerklärlichen Antinomie zu thun, bei der man sich sehr
+hüten muss, irgend welche Folgerungen gegen unsere Feier zu ziehen,
+besonders wenn man bedenkt, dass man damit ein Stück des ältesten
+und heiligsten Bestandes des christlichen Glaubens angreift. Nehmen
+wir vorerst lieber an, dass uns der Schlüssel zur Erklärung der
+historischen und der urchristlichen Feier und zum Verständnis ihres
+Zusammenhangs fehlt.
+
+Es ist die Aufgabe der Wissenschaft, gefährliche Fragen in Angriff zu
+nehmen, ehe sie die öffentliche urteilslose Meinung in Unruhe bringen,
+den Zündstoff zu beseitigen und in der Stille segensreiche Arbeit zu
+thun.
+
+Als SCHLEIERMACHER in seiner Glaubenslehre die damals nur in seiner
+dialektischen Phantasie existierenden Parteien vor sich beschied,
+mutete er ihnen zu, sich auf »die Anerkennung des kanonischen Ansehens
+der Apostel in ihrem engsten Berufskreise« zu vergleichen. Auf diesen
+Vergleich kann man aber im Ernst nicht eingehen. Das Sprüchlein bannt
+das Gespenst nicht. Wir wollen den Aposteln die gebührende Ehrfurcht
+sicher gern erweisen, aber unsere Abendmahlsfeier auf ihr kanonisches
+Ansehen allein gründen, das dürfen wir nicht.
+
+Rücken wir die Frage ins rechte Licht. Unsere Abendmahlsfeier
+entspringt dem Vorgehen der ersten Gemeinde, zu der die Apostel
+gehören. In die Geschichte übersetzt, lautet die Frage nach dem
+»kanonischen Ansehen der Apostel in ihrem engsten Berufskreise« also
+folgendermassen: Welches waren die Motive, durch welche die erste
+Gemeinde bestimmt wurde, eine derartige im Zusammenhang mit dem letzten
+Mahl Jesu stehende Feier zu begehen? War das Willkür oder Notwendigkeit?
+
+Daran schliesst sich eine zweite Frage, die SCHLEIERMACHER
+unberücksichtigt gelassen hat. Wenn die erste Gemeinde aus bestimmten
+Gründen die Feier wiederholt hat, gelten diese auch noch für uns?
+Besteht in der historischen Feier als solcher auch für uns eine direkte
+Notwendigkeit, dass wir daraus irgendwie eine Feier ableiten, oder
+handelt es sich nur um etwas Ueberkommenes?
+
+Darauf lautet die Antwort der Geschichte: es war eine absolute
+Notwendigkeit, dass das Abendmahl trotz des Fehlens des
+Wiederholungsbefehls bei der ersten Gemeinde in Aufnahme kam, und
+diese Notwendigkeit besteht auch noch für uns zu Recht. Unsere Feier
+gründet sich nicht auf die geschichtliche Ueberlieferung oder auf die
+unkontrollierbare Autorität bestimmter Persönlichkeiten, sondern direkt
+auf die historische Feier. So ist unser Abendmahl berechtigt, geboten
+und notwendig von sich selbst aus.
+
+Die neue geschichtliche Erkenntnis führt aber nicht nur die Versöhnung
+hinsichtlich der Berechtigungsfrage herbei, sondern auch hinsichtlich
+der Frage nach der Bedeutung der Feier.
+
+Niemand kann sich der Einsicht verschliessen, dass unsere Feier
+eigentlich sehr dürftig und unlebendig ist, wenn sie nur auf die
+Darstellung eines Doppelgleichnisses durch die Reproduktion einer
+historischen Situation geht, wo der Pfarrer die Stelle Jesu und die
+Gläubigen die Stelle der Jünger einnehmen. Andererseits stellen die
+konfessionellen Auffassungen Zumutungen an ernste Christen, die sie
+entweder zur Gedankenlosigkeit oder zur Gewissenlosigkeit erziehen und
+den Zweifel und Spott geradezu herausfordern.
+
+Könnten beide Auffassungen aus ihrer Sprache heraustreten, dann
+würden sie darin übereinkommen, dass der Sinn der Feier etwas
+Geheimnisvolles ist, wo der Einzelne mit der feiernden Gemeinschaft
+und der Persönlichkeit unseres Herrn in ein besonders heiliges
+Verhältnis tritt. Nun zwingen aber die unglücklichen Einsetzungsworte
+den Einen durch die rein symbolische Deutung hinter diesem Geheimnis
+zurückzubleiben, den Andern durch die wörtliche Deutung über dieses
+Geheimnis hinauszugehen und das Unfassbare zu behaupten. Die
+Vermittlungsversuche sind am schlimmsten daran. In der Sache und dem
+religiösen Gehalt nach mögen sie richtig sein, aber in der Deutung
+der Gleichnisse sind sie gequetscht und gekünstelt, dass ein Mensch
+mit ehrlichem Verstand sie nicht zu ertragen vermag. So wie die
+»Einsetzungsworte« liegen und nach der Rolle, die man ihnen bisher
+in der Feier zuwies, sind nur die rein symbolische oder die krass
+realistische Deutung zulässig. Was dazwischen ist, ist vom Uebel.
+
+Auch hier bringt die wahre geschichtliche Erkenntnis die Befreiung
+von der unnatürlichen Alternative, indem sie zeigt, dass die
+Stellung, die man den Gleichnissen in dem Ganzen der Feier anwies,
+geschichtlich falsch ist. Die urchristliche Feier beruht nicht auf
+den »Einsetzungsworten« — dies ist mein Leib, dies ist mein Blut —
+obwohl diese Worte bei der historischen Feier gesprochen worden sind.
+Also ist auch unsere Auffassung unabhängig von diesen rätselhaften
+Gleichnisworten.
+
+Diese kurzen Andeutungen mögen zeigen, dass diese Arbeit in einem
+praktisch aufbauenden und versöhnenden Geiste geschrieben ist.
+Zwar wird man, von den gewohnten Auffassungen herkommend, zunächst
+mannigfach an dieser Untersuchung Anstoss nehmen, da sie die Versöhnung
+nicht durch eine neue Vermengung oder Verdunkelung, sondern einzig
+und allein durch geschichtliche Wahrhaftigkeit und Unbefangenheit
+herbeiführen will. ~Wir müssen an die Geschichte glauben~, d.
+h. wir müssen der Zuversicht sein, dass mit dem Fortschritt der
+geschichtlichen Erkenntnis zugleich die Vertiefung und Einigung im
+Glauben notwendig verbunden ist, obwohl es manchmal vorerst nicht den
+Anschein hat. In diesem Glauben habe ich diese Untersuchung begonnen
+und zu Ende geführt.
+
+Diese Arbeit erscheint in drei Heften. ~Das erste~ behandelt das
+Problem, wie es sich aus der Forschung des 19. Jahrhunderts und aus den
+Berichten ergibt. ~Das zweite~ sucht die Grundlage der historischen
+Feier in dem Leben und in den Gedanken Jesu. Es stellt sich dar als die
+Skizze einer neuen Auffassung des Lebens Jesu. Das ~dritte~ behandelt
+das Abendmahl in der urchristlichen und in der altchristlichen Epoche
+und zeigt, wie sich daraus die römische Messe und das griechische
+Mysterium mit gleicher Berechtigung und Notwendigkeit entwickelt haben.
+Das erste und das zweite Heft erscheinen miteinander. Das dritte wird
+denselben in thunlichster Bälde folgen.
+
+Zum Schluss fühle ich mich gedrungen, allen meinen Freunden, die mir
+bei dieser Arbeit behülflich gewesen sind, den Herrn Pfarrern A. ERNST
+und R. WILL zu Strassburg, A. HUCK und ED. UNSINGER zu Schiltigheim und
+dem Herrn Vikar ALFRED ERICHSON in Strassburg, meinen tiefgefühlten
+Dank auszusprechen.
+
+ ~Strassburg~, im August 1901.
+
+
+
+
+=Inhaltsangabe des ersten Heftes.=
+
+
+ Seite
+
+ ~Vorrede zu einer neuen Untersuchung über das Abendmahl~ V-XII
+
+
+ =Erster Teil.=
+
+ =Das Abendmahlsproblem auf Grund der wissenschaftlichen Forschung des
+ 19. Jahrhunderts= 1-44
+
+
+ +Erstes Kapitel+ 1-5
+
+ =Einleitung.=
+
+ 1. Der Skeptizismus in der Abendmahlsforschung 1-2
+
+ 2. Der Ansatzpunkt 2-3
+
+ 3. Die Einzelfragen 3-5
+
+ 4. Die vier Typen der Abendmahlsauffassungen 5
+
+
+ +Zweites Kapitel+ 5-7
+
+ =Das Vorspiel. Zwingli und Calvin.=
+
+
+ +Drittes Kapitel+ 7-10
+
+ =Die doppelseitigen Auffassungen mit Zugrundelegung des
+ Darstellungsmoments und abgeleiteter Geltendmachung des Genussmoments.=
+
+ 1. Die erste Hälfte des 19. Jahrhunderts. DE WETTE, EBRARD und RÜCKERT
+ 7-8
+
+ 2. Die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts. TH. KEIM, K. V. WEIZSÄCKER,
+ WILLIBALD BEYSCHLAG, H. HOLTZMANN, PAUL LOBSTEIN, W. SCHMIEDEL
+ 8-10
+
+
+ +Viertes Kapitel+ 10
+
+ =Ueberblick über die Auffassungen mit Zugrundelegung des
+ Genussmoments.=
+
+
+ +Fünftes Kapitel+ 11-21
+
+ =Die Auffassungen mit einseitiger Herausarbeitung des Genussmoments.=
+
+ 1. Die Vorperiode. FR. STRAUSS, BRUNO BAUER, E. RENAN 11-13
+
+ 2. Die modernen Versuche. W. BRANDT, FR. SPITTA, A. EICHHORN 13-14
+
+ 3. W. BRANDT 14-15
+
+ 4. FR. SPITTA 15-16
+
+ 5. Kritik der Auffassung SPITTA's 16-18
+
+ 6. A. EICHHORN 18-19
+
+ 7. Die neue »Thatsache« 19-20
+
+ 8. Die Skepsis in der Folge der einseitigen Herausarbeitung des
+ Genussmoments 20
+
+ 9. Der logische Grund der Skepsis 20-21
+
+
+ +Sechstes Kapitel+ 21-26
+
+ =Die doppelseitigen Auffassungen mit Zugrundelegung des Genussmoments
+ und abgeleiteter Geltendmachung des Darstellungsmoments.=
+
+ AD. HARNACK, ERICH HAUPT, FR. SCHULTZEN, R. A. HOFFMANN.
+
+ 1. Allgemeines 21-22
+
+ 2. AD. HARNACK 22-23
+
+ 3. ERICH HAUPT 23-24
+
+ 4. FR. SCHULTZEN 24-25
+
+ 5. R. A. HOFFMANN 25-26
+
+
+ +Siebentes Kapitel+ 26-31
+
+ =Der gesetzmässige Zusammenhang zwischen den Einzelfragen.=
+
+ 1. Der Wiederholungsbefehl 26-27
+
+ 2. Das Abendmahl und die urchristliche Gemeindemahlzeit 27-30
+
+ 3. Die Antinomie zwischen der historischen und der urchristlichen Feier
+ 30-31
+
+
+ +Achtes Kapitel+ 31-37
+
+ =Die Auffassungen mit einseitiger Geltendmachung des
+ Darstellungsmoments.=
+
+ 1. Das Gefechtsfeld 31-32
+
+ 2. Der Verteidigungsplan. P. W. SCHMIEDEL 32-34
+
+ 3. Die Offensive. ADOLF JÜLICHER 34-36
+
+ 4. Die Skepsis in den Auffassungen mit einseitiger Geltendmachung des
+ Darstellungsmoments 36-37
+
+
+ +Neuntes Kapitel+ 37-44
+
+ =Die neue Problemstellung.=
+
+ 1. Das Ergebnis der Untersuchung 37-40
+
+ 2. Der neue Weg 40-44
+
+
+ =Zweiter Teil.=
+
+ =Das Abendmahlsproblem auf Grund der historischen Berichte= 45-62
+
+
+ +Zehntes Kapitel+ 45-48
+
+ =Die textkritischen Fragen.=
+
+ 1. Cod. D. Die textkritische Hauptfrage 45-46
+
+ 2. Abweichende Lesarten 47
+
+ 3. Das Ergebnis der Textkritik 47-48
+
+
+ +Elftes Kapitel+ 48-50
+
+ =Die Eigenart des Markusberichts= (Mk 14 _22-26_).
+
+
+ +Zwölftes Kapitel+ 50-56
+
+ =Der Vergleich der Berichte.=
+
+ 1. Das Prinzip der Gleichbildung 50
+
+ 2. Der matthäische Bericht (Mt 26 _26-29_) 50-51
+
+ 3. Der paulinische Bericht (I Kor 11 _23-26_) 51-53
+
+ 4. Der lukanische Bericht (Lk 22 _14-20_) 53-55
+
+ 5. Der justinische Bericht (I Apol 66) 55-56
+
+
+ +Dreizehntes Kapitel+ 56-62
+
+ =Die Authentie des Markusberichts.=
+
+ 1. Der Beweis 56-60
+
+ 2. Die Folgerungen aus der Authentie des Markusberichts 60
+
+ 3. Das Messianitäts- und Leidensgeheimnis im Abendmahl 60-62
+
+
+
+
+=Erster Teil.=
+
+=Das Abendmahlsproblem auf Grund der wissenschaftlichen Forschung des
+19. Jahrhunderts.=
+
+
+Erstes Kapitel.
+
+=Einleitung.=
+
+
+=1. Der Skeptizismus in der Abendmahlsforschung.=
+
+Es gibt Fragen, welche in dem Denken der Menschheit auftauchen, das
+volle geistige Interesse einer Epoche in Anspruch nehmen und dann
+wieder zurücktreten, ohne ihre Lösung gefunden zu haben und ohne dass
+es klar ist, wie sie ungelöst an Interesse verlieren konnten.
+
+Jahrhunderte gehen darüber hin. Dann, durch eine Wendung in der
+Geschichte, wird dieselbe Frage wieder in den Vordergrund geschoben und
+das Spiel wiederholt sich.
+
+Zu diesen intermittierenden Vulkanen gehört die ~Abendmahlsfrage.~
+Drei Aktionsperioden sind bis jetzt zu verzeichnen. Die erste ist die
+längste. Sie dauert ungefähr zehn Jahrhunderte. Mit der Dauer steht die
+Intensität im umgekehrten Verhältnis. Wir haben keinen feuerspeienden
+Berg, sondern einen Krater mit langsamem Lavaausfluss. Einige Erdstösse
+— die fränkischen Abendmahlskontroversen — bezeichnen den Schluss der
+Aktionsperiode.
+
+Die Art, wie die Frage in der Reformationszeit neu auftaucht, ist
+in höchstem Grade überraschend. Man sollte meinen, dass, in dem
+gemeinsamen Gegensatz aller reformatorischen Auffassungen zur römischen
+Theorie, die innerprotestantischen Gegensätze gerade in dieser
+Frage Aussicht hatten, bis auf weiteres latent zu bleiben. Statt
+dessen wird gerade die Abendmahlsfrage der Pol, nach dem sich die
+Gedanken orientieren. Diese zweite, dogmatische Periode, war in ihrem
+eigentlichen Verlauf ebenso kurz wie heftig. Sie umfasst kaum drei
+Jahrzehnte. Dann wird die Abendmahlsfrage für die Dogmatik eine Frage
+neben andern. SCHLEIERMACHER's Glaubenslehre, die wissenschaftliche
+Begründung der Vermittlungsversuche, behandelt sie fast anhangsweise.
+
+Die dritte Periode wird durch die historisch-kritische Forschung
+heraufgeführt. Wir stehen mitten darin, so aber, dass die Mittagszeit
+bereits hinter uns liegt. Schon kündigt sich nämlich die Erschöpfung
+an. Nachdem eine Reihe der letzterschienenen Abhandlungen die
+Zuversicht, das Problem durch die historische Kritik lösen zu können,
+nicht mehr so entschieden zur Geltung kommen liessen, wie dies früher
+der Fall war, greift jetzt eine ausgesprochen skeptische Stimmung
+Platz, deren Sprache man in dem Aufsatz EICHHORNS's[1] vernehmen kann.
+
+An diesem Skeptizismus ist etwas unbedingt Berechtigtes. Er geht
+nämlich von der Thatsache aus, dass durch die ganze Forschung des 19.
+Jahrhunderts die Lösung des Problems ferner gerückt ist als je. Die
+Schwierigkeiten sind gerade durch die historisch-kritische Methode in
+viel stärkerem Masse hervorgetreten, als man früher jemals ahnen konnte.
+
+Unberechtigt daran ist aber die Art, der historischen gewissenhaften
+Kritik gegenüber vornehm zu thun und aus der Thatsache, dass sie bis
+jetzt in dem Problem nicht zum Ziele geführt hat, ihre Inferiorität
+einer excentrischen überkritischen Unkritik gegenüber zu proklamieren.
+Statt dessen sollte man eher nach den Gründen forschen, warum die
+historische Kritik die Lösung dieser Frage bisher nicht herbeiführen
+konnte.
+
+
+=2. Der Ansatzpunkt.=
+
+Das Abendmahlsproblem setzt sich aus einer Reihe von Einzelfragen
+zusammen, die in den verschiedenen Auffassungen verschieden beantwortet
+und verschieden mit einander in Zusammenhang gebracht werden.
+Gewöhnlich dreht sich nun die Kritik um diese Einzelfragen. Man
+untersucht, ob die Fassung der Einsetzungsworte haltbar ist, ob die
+Exegese der Gleichnisse richtig ist, wie die betreffende Abhandlung
+sich zur chronologischen Frage stellt, auf welche Art sie den
+behaupteten oder verneinten Zusammenhang zwischen Abendmahl und Passah
+begründet und dergleichen.
+
+~Der folgenden Untersuchung kommt es mehr auf die Gesamtauffassung
+an und auf den Zusammenhang, in welchem die Einzelfragen unter
+einander stehen.~ Wächst eine Abendmahlsanschauung aus einer Reihe von
+selbständigen Entscheidungen über die schwebenden Einzelfragen heraus,
+oder sind nicht diese Einzelfragen durch einen inneren verborgenen
+Mechanismus so mit einander verbunden, dass mit der einen zugleich über
+die andern entschieden wird? Welches sind die Gesetze, nach denen sich
+die Einzelfragen im Abendmahlsproblem gegenseitig bedingen? Das ist
+die Frage, welche uns beschäftigt. Nur sie kann uns darüber Aufschluss
+geben, warum die historisch-kritische Methode nicht zum Ziele führen
+konnte.
+
+
+=3. Die Einzelfragen.=
+
+Liegt die Bedeutung der Gleichnisse darin, dass Jesus das Brot bricht
+und den Wein im Kelch herumreicht? Oder beruht sie darin, dass die
+Jünger dieses Brot essen und diesen Wein trinken?
+
+Hat er die Worte über Brot und Wein als Gleichnisse gemeint, oder will
+er damit andeuten, dass die Jünger seinen Leib und sein Blut durch den
+Genuss sich irgendwie aneignen?
+
+Fand das Mahl im Zusammenhang mit dem Passahmahl statt, sodass für die
+Worte Jesu und ihr Verständnis Passahgedanken vorausgesetzt werden
+dürfen?
+
+Erlaubt es die Chronologie der Evangelien, Jesum noch am Passahabend im
+Kreise seiner Jünger zu sehen?
+
+Hat er den Jüngern befohlen, die Feier zu wiederholen?
+
+Was hat er ihnen zu wiederholen geboten?
+
+Ist es möglich, dass der »Stifter« ihnen zumutet, seine eigenen Worte
+zu wiederholen, die nur in seinem Munde und in jenem historischen
+Momente einen Sinn haben?
+
+Angenommen, der Wiederholungsbefehl ist nicht historisch, wie kommen
+denn die Jünger dazu, die Feier dennoch zu wiederholen?
+
+Wie ist es möglich, dass im Urchristentum Paulus die Wiederholung als
+auf den Herrn zurückgehend in die Darstellung der historischen Feier
+einträgt?
+
+Wie erklärt sich das Fehlen des historischen Berichts im vierten
+Evangelium, da doch Kap. 6 die Feier voraussetzt?
+
+Steht es im allgemeinen nicht so, dass mit der Annahme des
+Wiederholungsbefehls das psychologische Verständnis der historischen
+Feier unmöglich wird, während unter Voraussetzung seines Fehlens die
+Wiederholung in der ersten Gemeinde ganz unbegreiflich ist?
+
+Hat sich das Abendmahl an ein Passahmahl angeschlossen, wie ist
+dann, mit oder ohne Wiederholungsbefehl, die ~tägliche Feier~ in der
+urchristlichen Zeit begreiflich?
+
+Waren Agape und Herrenmahl getrennt, standen sie in irgend einem
+Zusammenhang, oder waren sie identisch?
+
+Wie verlief überhaupt die Herrenmahlsfeier im Urchristentum? Wie
+sind die Angaben der Didache mit den paulinischen Schilderungen und
+Forderungen in I Kor 11 zu vereinigen?
+
+In welchem Verhältnis stehen die Kunde und die Auffassung der
+historischen Feier, welche die Didache und Paulus voraussetzen, zu dem
+Bilde der historischen Feier in den Synoptikern?
+
+Wie erklärt sich das gänzliche Zurücktreten des Leidensgedankens und
+der Situation der historischen Feier in der Didache?
+
+Welche Bedeutung kam dem eschatologischen Moment in der urchristlichen
+Abendmahlsfeier zu?
+
+In welchem Zusammenhang steht das eschatologische Schlusswort Jesu von
+dem Neutrinken im Reich des Vaters mit dem Verlauf der historischen
+Feier?
+
+Wie lassen sich die Abweichungen der synoptischen Berichte erklären?
+
+Die paulinische Darstellung ist die chronologisch älteste; der
+Lukastext nach Cod. D der kürzeste; der Markustext steht im
+Zusammenhang mit der einfachsten und glaubwürdigsten evangelischen
+Geschichtsdarstellung, und der justinische Bericht ist möglicherweise
+unabhängig von unseren Evangelien. Welchem der vier grundverschiedenen
+Texte gebührt der Vorzug?
+
+In welche Verbindung stellte das Urchristentum die Teilnahme am
+Herrenmahl mit der Vorstellung von der Erlösung?
+
+Wir nehmen an, die Reproduktion der Herrenworte bei der urchristlichen
+Feier ist eine freie gewesen; die Bedeutung dieser Worte konnte aber
+nur eine einzige sein. Wie ist es erklärlich, dass wir aus der ganzen
+urchristlichen Zeit, ja eigentlich bis ins beginnende Mittelalter
+hinein keine Kunde von Auseinandersetzungen über den Sinn dieser Worte
+haben? Die Einsicht, dass die Vorstellungen im Urchristentum noch
+einen gewissen Grad der Flüssigkeit aufweisen, reicht zur Erklärung der
+obigen Thatsache nicht aus.
+
+
+=4. Die vier Typen der Abendmahlsauffassungen.=
+
+Bei der Darstellung der wissenschaftlichen Abendmahlsdebatte
+unterscheiden wir zunächst zwei Hauptströmungen. Wir teilen die
+Abhandlungen danach ein, ob sie für ihre Auffassung das ~Darstellungs-~
+oder das ~Genussmoment~ zu Grunde legen. ~Unter dem Darstellungsmoment
+verstehen wir das Handeln und Reden Jesu während der historischen
+Feier; unter dem Genussmoment die Bedeutung des Essens und Trinkens
+der Teilnehmer, wie sie sich aus dem Wesen der Feier ergeben soll.~
+Neben den Darstellungen, die eines dieser beiden Momente mit
+Ausserachtlassung des andern einseitig herausarbeiten, gibt es noch
+andere, doppelseitige, die eines der Momente zu Grunde legen, dabei
+aber dem zweiten nebensächliche Geltung zugestehen. Wir haben also im
+ganzen vier Haupttypen, zwischen denen die mannigfachsten Vermittlungen
+möglich sind.
+
+ 1. ~Auffassungen mit einseitiger Herausarbeitung des
+ Darstellungsmoments.~
+
+ 2. ~Doppelseitige Auffassungen mit Zugrundelegung des
+ Darstellungsmoments und abgeleiteter Geltendmachung des
+ Genussmoments.~
+
+ 3. ~Auffassungen mit einseitiger Herausarbeitung des Genussmoments.~
+
+ 4. ~Doppelseitige Auffassungen mit Zugrundelegung des Genussmoments
+ und abgeleiteter Geltendmachung des Darstellungsmoments.~
+
+Im folgenden werden diese Auffassungen dargestellt in der Ordnung, wie
+sie geschichtlich in die Erscheinung getreten sind.
+
+
+Fussnoten:
+
+[1] »Das Abendmahl im Neuen Testament« von ALBERT EICHHORN, (Leipzig
+1898), Hefte zur »Christlichen Welt« No. 36.
+
+
+
+
+Zweites Kapitel.
+
+=Das Vorspiel. Zwingli und Calvin.=
+
+
+Das Verdienst, das Abendmahlsproblem zuerst wissenschaftlich behandelt
+zu haben, gebührt ZWINGLI. Die Bedeutung der historischen Feier beruht
+nach ihm auf dem symbolischen Handeln Jesu. Durch das Brechen des
+Brotes und das Darbieten des Weines kündigt der Herr seinen Tod an.
+Er verordnet die Wiederholung der Feier, damit die Christen bei dem
+gebrochenen Brot und dem vergossenen Wein seines Todes gedenken.
+
+Die Schwäche dieser Auffassung liegt darin, dass ZWINGLI den
+Hauptnachdruck allein auf das Handeln Jesu legt. Er kann die
+historische Feier erklären, — ~aber nicht die Wiederholung~, bei
+welcher notwendig der Nachdruck nicht auf dem Handeln Jesu, sondern
+auf dem der Teilnehmer, dem Genuss des Brotes und des Weines,
+ruht. Es gelingt nicht begreiflich zu machen, warum die Jünger
+die Gleichniselemente genossen und noch viel weniger, warum auch
+spätere Geschlechter bei der Wiederholung noch essen und trinken und
+nicht bloss ~anschauen~, um sich an dem erzählten und dargestellten
+Abendmahlshandeln Jesu zu erbauen. Dass ZWINGLI's Lehre dogmatisch
+nicht befriedigen konnte, lag in letzter Linie an der Einseitigkeit
+seiner wissenschaftlichen Exegese.
+
+So musste seine Auffassung auch wissenschaftlich durch diejenige
+verdrängt werden, welche dem Genuss der Teilnehmer einen Platz neben
+dem darstellenden Abendmahlshandeln Jesu anweisen konnte. Dies leistete
+die Abendmahlslehre CALVIN's.
+
+Bei ihm liegt die Symbolik zu gleichen Teilen in dem begründet, was
+Jesus mit den Elementen vornimmt (Brechen des Brotes und Ausgiessen
+des Weines), und in dem, was die Teilnehmer mit den Elementen beginnen
+(Essen des Brotes und Trinken des Weines). In dieser Betonung der
+Darbietung und der Aneignung als der beiden Grundmomente des Abendmahls
+beruht die wissenschaftliche Stärke der calvinischen Abendmahlslehre.
+Die historische Feier kann er weniger gut erklären, als es ZWINGLI
+gethan; dafür ist es ihm aber möglich, ihre Wiederholung als notwendig
+darzuthun, indem die ~Wertung des Genusses~, nicht allein ~der Befehl
+Jesu~, den Zusammenhang zwischen der historischen und der wiederholten
+Feier aufrecht erhält.
+
+Es waren also nicht nur ~dogmatische~, sondern auch ~wissenschaftliche~
+Interessen, welche den Sieg der calvinischen Abendmahlsauffassung
+über die zwinglische bedingten. Die zum Teil auf wissenschaftlicher
+Grundlage beruhende Auseinandersetzung zwischen diesen beiden
+Ansichten bildete ein kurzes Vorspiel zu der grossen historischen
+Abendmahlsdebatte im 19. Jahrhundert.
+
+Da die doppelseitige Auffassung durch den Sieg CALVIN's über
+ZWINGLI allgemein verbreitet war, setzte die historische Forschung
+die Doppelseitigkeit voraus. Sie betonte hauptsächlich das
+Darstellungsmoment, weil die exegetische Anschaulichkeit dafür sprach.
+So wurden zunächst die doppelseitigen Auffassungen mit Zugrundelegung
+des Darstellungsmoments wissenschaftlich ausgeprägt.
+
+
+
+
+Drittes Kapitel.
+
+=Die doppelseitigen Auffassungen mit Zugrundelegung des
+Darstellungsmoments und abgeleiteter Geltendmachung des Genussmoments.=
+
+
+=1. Die erste Hälfte des 19. Jahrhunderts. De Wette, Ebrard und
+Rückert.=
+
+DE WETTE vertritt die doppelseitige Auffassung in seinen
+Kommentaren.[2] Das Brechen und das Essen des Brotes, das Ausgiessen
+und das Trinken des Weins bedingen zusammen die Bedeutung der Elemente
+bei der Feier. Der Hauptnachdruck liegt aber auf dem Brechen, dem
+darstellenden Moment. Die Betonung des Genussmoments ist mehr
+nebensächlicher Art.
+
+Von AUGUST EBRARD[3] wird auf den Genuss der gleiche Wert gelegt wie
+auf das Brechen und Ausgiessen. Beide Momente gehören zusammen und
+bedingen sich gegenseitig. Jesus reicht das gebrochene Brot zum Essen
+und den ausgegossenen Wein zum Trinken dar.[4]
+
+Bei EBRARD ist die energische Betonung des Genussmoments durch seinen
+Zusammenhang mit der reformiert-calvinischen Auffassung begreiflich.
+Aus rein wissenschaftlichen Gründen findet sich das stärkere
+Herausarbeiten desselben Moments bei IMMANUEL RÜCKERT.[5] Seine
+klassische Schrift fasst den ganzen Ertrag der wissenschaftlichen
+Diskussion der Abendmahlsfrage in der ersten Hälfte des 19.
+Jahrhunderts zusammen. Die Handlung Jesu und der Genuss von seiten
+der Teilnehmer werden in gleicher Weise betont. In jedem dieser beiden
+Momente liegt eine besondere Symbolik. Jesus bricht das Brot und gibt
+es zum Essen, er giesst den Wein ein und bietet ihn zum Trinken dar.[6]
+
+
+=2. Die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts. Th. Keim, K. v. Weizsäcker,
+W. Beyschlag, H. Holtzmann, P. Lobstein, W. Schmiedel.=
+
+In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts lässt sich eine breite und
+ruhige Strömung verfolgen, welche beide Momente mit sich führt, jedoch
+so, dass das Darstellungsmoment die Grundströmung, das Genussmoment die
+Oberströmung bildet. Folgende Aussprüche geben die Richtung des Stromes
+an.
+
+ TH. KEIM. ~Geschichte Jesu von Nazara.~ 1872 Bd. III S. 232 bis 290
+ (Das Nachtmahl Jesu).
+
+»Man hat den Eindruck, dass es sich für Jesus doch um etwas mehr
+handelte, als nur um ein sprechendes Sinnbild seines irgendwie zum
+Heil der Jünger zu brechenden und zu tötenden Leibes vor den Gästen
+aufzustellen, man hat den Eindruck einer Gabe; diese Gabe liegt
+erstlich darin, dass er in nachdrücklicher, in endgültiger Weise als
+den Zweck seines bevorstehenden Todes das Heil der Jünger nennt,
+sodann, dass er im Zusammenhang damit die Sinnbilder dieses Heils den
+Erben dieses Heils nicht nur zum ~Anschauen~, sondern ~geradezu zum
+Nehmen und Geniessen~ übergibt, das Besitztum des Heilstodes und seine
+Früchte in ihre Hände deponiert.« S. 272.
+
+ KARL V. WEIZSÄCKER. ~Apostolisches Zeitalter.~ 1886 S. 596 bis 602.
+
+WEIZSÄCKER vertritt eine interessante Differenzierung in der Symbolik
+der beiden Akte. Das Brot ist das Sinnbild der ~Gegenwart Christi~ in
+der Gemeinde, der Wein aber das Sinnbild ~seines Todes~, durch welchen
+er das neue Passahopfer geworden ist. S. 598.
+
+ W. BEYSCHLAG. ~Das Leben Jesu.~ 1893 Bd. II S. 434-442.
+
+»Der Sinn der Abendmahlsstiftung ist vollkommen klar: Sein Leib,
+der für uns gebrochen, sein Blut, das für uns vergossen wird, ist
+sein Leben, das er für uns in den Tod gibt, — für uns dahingibt,
+damit es in uns wirksam werde; damit es, vom inwendigen Menschen
+~angeeignet~, wie der äussere Mensch Speise und Trank in sich aufnimmt,
+ihm Speise und Trank ewigen Lebens werde, und so die in Ihm gekommene
+Erlösung, den in Ihm gekommenen neuen Bund der Gottgemeinschaft in uns
+vollziehe.« S. 439.
+
+ H. HOLTZMANN. ~Biblische Theologie.~ 1897 Bd. I S. 296-304.
+
+»Geschichtliche Voraussetzung und übereinstimmendes Resultat der
+letzten Forschungen ist, dass Jesus seinen Jüngern Brot und Wein zum
+Genusse dargereicht und dabei mit Beziehung auf das gebrochene Brot von
+seinem Leib, mit Beziehung auf den ausgegossenen Wein von seinem Blut
+gesprochen, letzteres insonderheit zugleich als Bundesblut bezeichnet
+hat.« S. 296.
+
+ PAUL LOBSTEIN. ~La doctrine de la sainte cène.~ Lausanne 1899.
+
+»Ceci est mon corps«, dit Jésus en rompant le pain qu'il distribue à
+ses disciples; »cette coupe est la nouvelle alliance dans mon sang
+versé pour vous«, leur dit-il en faisant circuler la coupe. S. 46. Le
+pain que Jésus rompt pour les disciples et qu'il leur distribue, ils
+doivent s'en nourrir: »De même que je vous convie à manger de ce pain,
+ainsi vous êtes appelés à vous assimiler le fruit de ma mort, les
+effets salutaires de ce don de moi-même, de ce corps brisé et livré
+pour vous.« S. 47.
+
+ WILHELM SCHMIEDEL. ~Die neuesten Ansichten über den Ursprung des
+ Abendmahls.~ Protestantische Monatshefte, III. Jahrgang Heft 4 1899.
+
+»Das Bedeutsame ist in erster Linie im ~Brechen des Brotes und
+Ausgiessen~ des Weines aus dem Krug in den Becher zu sehen. Die
+Austeilung dieser Speisen zum Genuss schliesst sich als etwas zweites
+an. ~Um der Hauptsache willen wäre es nicht nötig gewesen: aber da man
+einmal beim Mahle sass, war es naturgemäss.~« S. 147.
+
+Die gemeinsamen Grundzüge dieser Darstellungen sind also folgende:
+Brot und Wein sind Leib und Blut Christi, weil er an ihnen seinen
+Tod und dessen Heilswert versinnbildlicht hat. Dabei fordert er die
+Jünger zum Genuss auf; das soll bedeuten, dass ihnen die Wohlthaten
+seines Leidens zu gute kommen, wenn sie verstehen, sich dieselben
+anzueignen. Die Wiederholung ist erfolgt zum Teil, weil der religiöse
+Wert dieser Handlung von den Teilnehmern eingesehen wurde, zum Teil,
+weil Jesus durch einen Befehl oder eine Andeutung dazu aufforderte. Auf
+den Zusammenhang mit dem Passah wird Wert gelegt, ohne dass er jedoch
+für die Auffassung als absolut notwendig erklärt würde. Ueberhaupt
+haben diese Darstellungen etwas Schwankendes. Sie vereinigen die
+mannigfachsten Gesichtspunkte mit einander, sodass es fast unmöglich
+ist, sie in kurzen Sätzen präcis wiederzugeben.
+
+Deshalb ist es auch nicht ratsam von ihnen auszugehen, um die Gesetze
+des Zusammenhangs zwischen den Einzelfragen aufzustellen. Die Krisis in
+diesem Zustand wurde erst durch die Auffassungen mit Zugrundelegung des
+Genussmoments heraufgeführt.
+
+
+Fussnoten:
+
+[2] Vgl. DE WETTE's Commentar zu Matthäus (1836) und zu Johannes (1837).
+
+[3] »Das Dogma vom heiligen Abendmahl und seine Geschichte« von Dr.
+AUGUST EBRARD. 2 Bde., 1845.
+
+[4] Vgl. Bd. I S. 79-120.
+
+[5] »Das Abendmahl, sein Wesen und seine Geschichte in der alten
+Kirche« von Dr. LEOPOLD IMMANUEL RÜCKERT, Professor in Jena, 1856.
+
+[6] Vgl. Bd. I S. 61-131.
+
+
+
+
+Viertes Kapitel.
+
+=Ueberblick über die Auffassungen mit Zugrundelegung des Genussmoments.=
+
+
+Greift man aus der Geschichte der wissenschaftlichen
+Abendmahlsuntersuchung die Werke heraus, welche in allgemeiner Weise
+das Genussmoment zu Grunde legen, so fügen sich folgende Namen in
+bunter, zusammenhangsloser Reihe aneinander: DAVID FR. STRAUSS, BRUNO
+BAUER, E. RENAN, ADOLF HARNACK, FR. SPITTA, W. BRANDT, ERICH HAUPT,
+FRIEDRICH SCHULTZEN, RICH. AD. HOFFMANN und ALBERT EICHHORN. In dieser
+Reihe haben wir keine natürliche Kontinuität, wie in der vorher
+betrachteten. Bei näherem Zusehen ergeben sich zwei Epochen. Die erste
+fällt in die Mitte des Jahrhunderts (FR. STRAUSS, BRUNO BAUER, E.
+RENAN). Die zweite beginnt am Anfang der neunziger Jahre (HARNACK und
+SPITTA) und kommt noch vor Ablauf des Jahrzehnts zu ihrem naturgemässen
+Abschluss (A. EICHHORN).
+
+STRAUSS, BRUNO BAUER, E. RENAN, W. BRANDT, SPITTA und EICHHORN bieten
+~Auffassungen mit einseitiger Herausarbeitung des Genussmoments.~ ADOLF
+HARNACK, ERICH HAUPT, FRIEDRICH SCHULTZEN und R. A. HOFFMANN vertreten
+die ~doppelseitigen Darstellungen~ mit Zugrundelegung des Genussmoments
+und abgeleiteter Geltendmachung des Darstellungsmoments.
+
+
+
+
+Fünftes Kapitel.
+
+=Die Auffassungen mit einseitiger Herausarbeitung des Genussmoments.=
+
+
+=1. Die Vorperiode. Fr. Strauss, Bruno Bauer, E. Renan.=
+
+Für die Auffassungen mit einseitiger Herausarbeitung des Genussmoments
+gibt es zwei Perioden. Die erste liegt gegen die Mitte des 19.
+Jahrhunderts zu, die zweite gegen das Ende. FRIEDRICH STRAUSS
+bezeichnet die erste, FRIEDRICH SPITTA die zweite.
+
+STRAUSS[7] führt aus, dass die Uebersetzung »dies bedeutet«, wenn
+sie sich auf das, was Jesus mit den Elementen thut, beziehen soll,
+bei weitem nicht ausreicht, ja gar nicht im Sinne der Verfasser der
+Evangelien gelegen haben kann. »Den Schreibern unserer Evangelien ~war~
+das Brot im Abendmahl der Leib Christi ... hätte man geschlossen,
+dass das Brot den Leib bloss ~bedeute~, so würden sie sich dadurch
+nicht befriedigt haben« (S. 436 ff.). Es ist kritisch nicht zulässig,
+dass Jesus seinen gewaltsamen Tod mit Bestimmtheit vor sich gesehen
+habe. Daher kann sich für ihn die Symbolik bei der letzten Mahlzeit
+mit den Jüngern gar nicht auf seinen Tod beziehen. Ebenso ist der
+Wiederholungsbefehl für unhistorisch zu halten; dafür spricht das
+Schweigen der beiden ersten Evangelien und die Erwägung, dass
+überhaupt eine Gedächtnisfeier natürlicher aus dem Bedürfnis der
+Zurückbleibenden, als aus dem Plan des Scheidenden hervorgeht. Ein
+Passahmahl war diese letzte Mahlzeit mit den Jüngern auch nicht.
+Das eigentlich Historische an der ganzen Ueberlieferung ist das
+eschatologische Schlusswort beim Becher: ich werde davon nicht mehr
+trinken, bis ich ihn neu trinken werde mit euch in meines Vaters Reich.
+In Jesu Gedanken bezieht es sich auf den nächsten Passahwein, nicht
+allgemein auf das Essen und Trinken. Von Mahlzeiten im messianischen
+Reich sprach er, gemäss den Vorstellungen seiner Zeit, öfters, und so
+mag er erwartet haben, das in demselben namentlich das Passahmahl mit
+besonderer Feierlichkeit werde begangen werden. Wenn er nun versichert,
+dieses Mahl nicht mehr in ~diesem~, sondern erst in ~jenem~ Aeon zu
+geniessen, so muss, nach seiner Erwartung, bis zur Feier des Passah
+das messianische Reich eintreten. Es ist dabei nicht nötig, dass Jesus
+das Erscheinen des Reiches an seinen Tod geknüpft dachte. Die ganze
+urchristliche Abendmahlsauffassung erklärt sich daraus, dass statt des
+messianischen Reiches und seiner Passahfeier — ~der Tod Jesu eintrat.~
+
+Die Gemeinde feierte das Passah. Es war natürlich, dass sich der
+Versuch darbieten musste, demselben durch die Beziehung auf den Tod
+und das letzte Mahl Jesu (welches kein Passahmahl gewesen) eine
+~christliche~ Deutung zu geben. So erklärt sich das Eindringen des
+Leidensgedankens und der Leidensweissagung in die historischen
+Abendmahlsberichte. Die Elemente erhielten eine Beziehung auf den
+Leib und auf das Blut Christi; dabei wurde das Wort Jesu, den Genuss
+des Passahweines betreffend, allgemein auf das Essen und das Trinken
+bezogen und mit Brot und Wein als seinem Leib und Blut in Verbindung
+gebracht. So entstand die Vorstellung von dem Wiederholungsbefehl.
+Die Neigung, das Gedächtnismahl vom Passah loszulösen und öfters zu
+begehen, erklärt das Aufkommen eines derartigen Wortes.
+
+Diese geniale Auffassung von FR. STRAUSS enthält bereits alle
+Faktoren, welche die späteren, das Genussmoment einseitig betonenden
+Abendmahlsdarstellungen kennzeichnen. Vor allem kommen hier in
+Betracht die Loslösung der historischen Feier vom Passahmahl, das
+Ausscheiden der Leidensanspielungen aus den Worten Jesu, die Erklärung
+der Wiederholung der Feier ohne Annahme des Wiederholungsbefehles
+und die Notwendigkeit, alle als unhistorisch erkannten Züge in
+den neutestamentlichen Abendmahlsdarstellungen (Anschluss an das
+Passahfest, Beziehung auf den Tod Christi und Wiederholungsbefehl) aus
+der Entwicklung der urchristlichen Feier in einem Zeitraum von nicht
+einmal zwei Jahrzehnten zu erklären.
+
+Will man diese Rückbildung nicht durch eine gewagte
+Geschichtskonstruktion erweisen, so bleibt nur wissenschaftliche
+Skepsis in irgend einer Form übrig. Diesen Weg hat BRUNO BAUER[8]
+betreten. Er setzt voraus, dass die Berichte besagen wollen: ~der
+Herr reichte seinen Jüngern seinen Leib und sein Blut zum Genuss
+dar.~ Der Wiederholungsbefehl ist eine Zuthat aus späterer Zeit mit
+abschwächender Tendenz. Man fühlte, dass man für die historische
+Feier den Genuss so nicht aufrecht erhalten könne. Darum hob man
+die Beziehung auf die Zukunft, die der Formel an sich zu Grunde
+liegt, hervor. Jesus kann seinen Jüngern nicht sein Fleisch und Blut
+dargereicht haben,[9] damit sie es assen; also ist der Bericht des
+Markus Phantasie, und alle andern Berichte sind Nachbildungen dieser
+Erfindung.
+
+Wie sehr gerade die Vollziehung des Genusses Voraussetzung der
+BAUER'schen Auffassung ist, zeigt sich darin, dass er dem Matthäus
+vorwirft, er habe das bei Markus konstatierte Faktum des Trinkens von
+seiten der Jünger eigenmächtig in einen Befehl Jesu umgesetzt, was
+schon eine Milderung bedeute. Das eschatologische Schlusswort lässt
+er unbeachtet und schneidet sich so den Weg ab, der STRAUSS aus den
+Schwierigkeiten, welche die einseitige Betonung des Genussmomentes nach
+sich zieht, herausführte.
+
+Nach E. RENAN[10] hat Jesus am letzten Abend die gewöhnliche gemeinsame
+Mahlzeit mit dem Brotbrechen im Kreise seiner Jünger gefeiert. »Dans
+ce repas, ainsi que dans beaucoup d'autres, Jésus pratique son rite
+mystérieux de la fraction du pain.« Das eschatologische Schlusswort
+ist für RENAN zweifelhaft und ohne Bedeutung. Die synoptischen
+Abendmahlsberichte erklären sich nur aus der Entwicklung der späteren
+Anschauungen, für welche das letzte Mahl ein Passahmahl war; dadurch
+drangen der Leidensgedanke, die Beziehung der Elemente auf den Leib
+Jesu und die Anordnung der Wiederholung in die Darstellung des letzten
+Mahles ein.
+
+
+=2. Die modernen Versuche. W. Brandt, Fr. Spitta, A. Eichhorn.=
+
+ Vergleiche zum Folgenden den verhängnisvollen Vortrag von E. GRAFE
+ (Die neuesten Forschungen über die ursprüngliche Abendmahlsfeier.
+ Zeitschrift für Theologie und Kirche 1895) und die klare
+ Zusammenfassung von RUD. SCHÄFER (Das Herrenmahl nach Ursprung und
+ Bedeutung 1897).
+
+Erst das letzte Jahrzehnt des 19. Jahrhunderts bietet eine Abhandlung,
+in der die bei STRAUSS, BAUER und RENAN angedeuteten Gedanken
+sich in voller Schärfe und Konsequenz zu einem einheitlichen Bilde
+entwickeln. Es ist die epochemachende Arbeit SPITTA's. Die Werke von
+AD. HARNACK und W. BRANDT gehen ihr zeitlich in der Hervorhebung des
+ausschliesslichen Mahlzeitscharakters der historischen Feier voraus.
+Da jedoch HARNACK schon mehr zu den doppelseitigen Darstellungen
+mit Zugrundelegung des Genussmoments überleitet, ist es rätlich,
+ihn erst dort zu behandeln. Zudem hat er in der 3. Auflage seiner
+Dogmengeschichte (Bd. I S. 64) zu dem Lösungsversuch SPITTA's Stellung
+genommen und seine eigene Ansicht daraufhin neu formuliert.
+
+
+=3. W. Brandt.=
+
+ Die evangelische Geschichte und der Ursprung des Christentums.
+ Leipzig 1893 S. 283 ff.
+
+Die Hauptbedeutung der historischen Feier liegt in dem
+~gemeinschaftlichen Genuss.~ Durch das Gleichnis beim Abendmahl hat
+Jesus die gemeinsamen Mahlzeiten zum ~Symbol der Gemeinschaft~ gemacht.
+In der Bedeutung dieses Symbols ist der Grund der Wiederholung zu
+sehen. Eine Anspielung auf den Tod ist, wenn sie sich in dem Wort,
+welches das Brotbrechen begleitete, findet, für das Wesen der Feier
+bedeutungslos.
+
+Die Aufnahme des Leidensgedankens und die Eintragung des
+Wiederholungsbefehls in unsere Berichte gehen auf eine Verschiebung
+in der urchristlichen Feier zurück. Diese ist dadurch bedingt, dass
+nach dem Jahre 70 wegen des Fehlens des Lammes Brot und Becher
+die vornehmsten Ingredienzen des jüdischen Passahmahls bildeten;
+dadurch wurde eine Gleichgestaltung desselben mit der urchristlichen
+Herrenmahlsfeier angebahnt. So erklärt es sich, dass die letztere durch
+das erstere im äusserlichen Verlauf und im Gedankengehalt beeinflusst
+wurde.
+
+In dieser ansprechenden Skizze finden wir die schon bei STRAUSS
+bemerkten Eigentümlichkeiten der das Genussmoment ausschliesslich
+betonenden Auffassungen wieder. Der Wiederholungsbefehl fehlt, und
+es kommt darauf an, den Leidenshinweis in unseren Berichten auf die
+Einwirkung späterer Gemeindevorstellungen zurückzuführen. Ob der von
+dem Verfasser angezeigte Weg wirklich zum Ziele führt, ist fraglich.
+Sicher ist, dass er eine grosse Schwierigkeit nicht berücksichtigt hat.
+Wie konnten die Jünger die Worte des Meisters in dem oben gebotenen
+Sinn verstehen? Wie konnten sie überhaupt begreifen, dass er bei der
+Darreichung von Brot und Wein sie aufforderte, seinen Leib und sein
+Blut zu geniessen?
+
+Es ist das unschätzbare Verdienst SPITTA's, diese Frage in den
+Vordergrund geschoben zu haben.
+
+
+=4. Fr. Spitta.=
+
+ Die urchristlichen Traditionen über Ursprung und Sinn des
+ Abendmahls (zur Geschichte und Litteratur des Urchristentums). 1893
+ S. 207 bis 337.
+
+Der Sinn der Worte Jesu liegt einzig und allein in der Aufforderung zum
+Genuss. Das Genossene ist nach seinen Worten sein Leib und sein Blut,
+gerade ~dadurch, dass es genossen wird~! Das Brechen und Ausgiessen als
+die darstellende Handlung, welche den Elementen eine veranschaulichende
+Beziehung auf seinen Tod geben soll, lag seinen Gedanken fern. Die
+historische Feier war eine ~Mahlzeit~, bei welcher nach dem gemeinsamen
+Inhalt aller Berichte die Jünger auf seine Aufforderung hin die
+dargereichte Speise als seinen Leib essen und den eingegossenen Wein
+als sein Blut trinken sollten und dies auch thaten.
+
+STRAUSS und BRUNO BAUER hatten denselben Thatbestand als von den
+Quellen geboten konstatiert, wurden aber von hier aus gezwungen, die
+historische Thatsächlichkeit des geschilderten Vorganges in Frage zu
+stellen und das Zustandekommen der Berichte sei es aus der Geschichte
+des Urchristentums (STRAUSS), sei es aus der Geschichte der Entstehung
+der christlichen Ueberlieferung überhaupt (BRUNO BAUER) zu erklären.
+Dass die Jünger auf die Aufforderung Jesu hin damals seinen Leib und
+sein Blut genossen haben sollen, ist für sie eine unvollziehbare
+Vorstellung.
+
+SPITTA kann den Vorgang als historisch aufrecht erhalten durch
+Zuhülfenahme ~eschatologischer Gedankengänge.~ Anknüpfend
+an die Vorstellung des messianischen Bundes, hat Jesus, wie
+die übereinstimmenden Züge aller Berichte zeigen, bei den
+»Einsetzungsworten« an das Essen und Trinken beim messianischen
+Mahl gedacht. In der prophetischen und in der apokalyptischen, in
+der Sapientia- und in der rabbinischen Litteratur stellt sich die
+Vollendung des Reiches in dem messianischen Mahl dar, ~wobei die
+genossene Speise der Messias selbst ist~! Auf Grund dieser Vorstellung
+konnte Jesus voraussetzen, dass die Jünger ihn verstehen würden, wenn
+er sie aufforderte, beim Essen ihn selbst zu geniessen. Was er ihnen
+bietet, ist eine Vorwegnahme des grossen messianischen Mahles der
+Endzeit. In diesem Gedanken konnten sie den Leib des Messias essen und
+ihn in seinem Blut, dem Saft der Trauben, trinken.
+
+Das letzte Mahl war kein Passahmahl, der Leidensgedanke kam für die
+Symbolik der Elemente nicht in Betracht, und der Wiederholungsbefehl
+ist unhistorisch. Diese Anschauungen sind späterer Art und nur dadurch
+verständlich, dass infolge des inzwischen eingetretenen Todes Jesu
+die Auffassung seiner Worte bei der letzten Mahlzeit sich notwendig
+ändern musste. Die Feier wurde in Analogie zu dem Passahmahl gesetzt,
+weil jetzt die Deutung der Worte vom Leib und Blut auf seine Leiden
+unabweislich war. Damit drang die Vorstellung einer Stiftung notwendig
+mit ein.
+
+Bei Paulus halten sich die ursprüngliche und die auf das Leiden
+bezogene Auffassung noch das Gleichgewicht. I Kor 10 _1_ ff. und I
+Kor 10 _14_ ff. kennen den Leidensgedanken noch nicht und betonen das
+Genussmoment. I Kor 11 _23_ ff. tritt das neue Moment in Sicht, welches
+Paulus bei der Bekämpfung der korinthischen Agapenskandale in die Feier
+einträgt: ~die Feier hat es mit dem Tode Jesu zu thun.~
+
+Das Neue ist also bei SPITTA die Heranziehung eigentümlich
+eschatologischer Gedankengänge, durch welche er eine Feier als
+historisch aufrecht erhält, bei der der Meister den zu Tische Liegenden
+Brot und Wein reichte mit der Aufforderung, seinen Leib zu essen und
+sein Blut zu trinken. In dem Wesen dieser Feier lag es begründet, dass
+sie ohne ausgesprochenen Wiederholungsbefehl Aufnahme in der ersten
+Gemeinde fand. Von hier aus scheint es dann nicht unmöglich, in der nun
+folgenden Entwicklung das Eintreten der Faktoren begreiflich zu machen,
+welche die neuen Züge in der Auffassung und Wertung der Feier bedingten.
+
+
+=5. Kritik der Auffassung Spitta's.=
+
+Die grosse Bedeutung der Untersuchung SPITTA's beruht darin, dass er
+die Abendmahlsfrage nach einem einheitlichen Gesichtspunkt aufgefasst
+und zu lösen unternommen hat. Alle Einzelfragen stehen bei ihm in
+einer gegenseitigen, engen Wechselverbindung. Seine Abhandlung bildet
+eine geschlossene Kette, bei der jedes Glied nur im Zusammenhang mit
+den andern in Betracht kommt. Darin besteht der grosse Fortschritt in
+seiner Untersuchung den früheren gegenüber. Die textkritischen und die
+exegetischen Erörterungen sind bei ihm sowohl ~Grundlage~ als auch
+~Folge~ der Gesamtauffassung.
+
+Man hat seine Auffassung eine ~eschatologische~ genannt, weil er, wie
+FR. STRAUSS, den Gedanken der Mahlzeit im messianischen Reich zu Hülfe
+nimmt, um die historische Feier verständlich zu machen. STRAUSS ging
+dabei vom synoptisch-eschatologischen Schlusswort aus, in welchem
+Jesus die Jünger auf das grosse Mahl der Endzeit verweist, wo er
+wieder mit ihnen vereint sein wird. Der eschatologische Charakter
+der SPITTA'schen Auffassung aber beruht nicht auf dem synoptischen
+Wort, ~sondern auf einer eschatologischen Vorstellung vom Endmahl,
+welche aus den Apokryphen und der Weisheitslitteratur zusammengetragen
+ist.~ Dabei ergeben sich eine Reihe schwerer Widersprüche mit dem
+synoptisch-eschatologischen Schlusswort.
+
+Nach ~Spitta~ bietet sich der Messias beim Mahle der Endzeit den Seinen
+zur Speise und zum Trank an. Nach den Synoptikern weist Jesus auf das
+Endmahl hin, wo er mit ihnen vom Gewächs des Weinstocks geniesst.
+Bei SPITTA will er also ~Speise und Trank~, bei den Synoptikern
+~mitgeniessender Tischgenosse sein~!
+
+Bei SPITTA wird der eschatologische Hinweis sowohl ~für die Speise als
+für den Trank vorausgesetzt.~ Historisch ist aber das eschatologische
+Schlusswort ~nur beim Becher~!
+
+SPITTA's Eschatologie bezieht sich auf die ~Aufforderung zum Genuss~
+des Leibes und Blutes. Das synoptisch-eschatologische Wort steht damit
+in keinem Zusammenhang, ~sondern folgt erst auf den Genuss.~
+
+SPITTA's Auffassung ist also ganz unabhängig vom
+synoptisch-eschatologischen Schlusswort. Es figuriert auch nicht in
+seiner kürzesten Form der Einsetzungsworte, sondern diese lauten
+einfach:
+
+»Nehmet, esset, das ist mein Leib.«
+
+»Trinket alle daraus. Das ist das Blut meines Bundes, das für viele
+vergossen wird.«
+
+Diese Worte konstituieren die Feier, denn »in der Gemeinde wurde immer
+daran gedacht, wie er damals darauf hingewiesen, ~er sei jetzt und in
+alle Ewigkeit~ die rechte Speise und Erquickung ihrer Seele« (S. 289).
+So wird das synoptisch-eschatologische Schlusswort zum ~wehmütigen
+Abschiedswort~, welches von dem Jubelklang der eschatologisch
+siegesgewissen Stimmung zum Todesgang überleitet.
+
+~Christus die rechte Seelenspeise:~ dieser Gedanke ist modern.
+Die Eschatologie SPITTA's zielt dahin, diesen Gedanken durch eine
+Zusammenstellung von alttestamentlichen und apokryphischen Sprüchen in
+künstlich-antikem Licht spielen zu lassen, damit er die Aufforderung
+Jesu zum Genuss seines Leibes und Blutes für die historische Situation
+erkläre. Verzichtet man auf dieses künstliche Licht, dann bleibt nur
+das skeptische Dunkel. Das ist bei EICHHORN der Fall.
+
+
+=6. A. Eichhorn.=
+
+ Das Abendmahl im Neuen Testament. Hefte zur christlichen Welt No.
+ 36. 1898.
+
+»Wenn wir unseren Berichten trauen dürfen«, hat Jesus das erste
+Abendmahl mit seinen Jüngern so gehalten, dass er ihnen Brot und Wein
+ausgeteilt und sie seinen Leib und sein Blut gegessen und getrunken
+haben. Aller Nachdruck fällt auf den Genuss. Eine auf Jesu Handeln sich
+gründende Symbolik kann bei der Betonung des Genusses nicht bestehen.
+~Man darf nicht sagen, dass das Brechen des Brotes auf das Zerbrechen
+des Leibes und das Trinken des Weins auf das Vergiessen des Bluts~
+hindeutet. Die Handlung, die in Wirklichkeit vorgenommen wird, ist
+einfach das Essen und Trinken.
+
+Ist dies nun der durch die Quellen gebotene Sachverhalt, so gibt es
+vorläufig keine Möglichkeit, die historische Feier und das Aufkommen
+ihrer Wiederholung zu verstehen. Was auch Jesus gesagt und gethan haben
+mag an jenem Abend, ~das Kultmahl der Gemeinde mit dem sakramentalen
+Essen und Trinken des Leibes und Blutes Christi~, wie es in der
+ältesten Christenheit ziemlich von Anfang an sich ausgebildet hat,
+~ist von da aus nicht zu verstehen.~ So wird EICHHORN, weil er bei
+der eingestandenen Bedeutung des Genussmomentes von der Heranziehung
+eschatologischer oder moderner Anschauungen absieht, notwendig zur
+Skepsis gedrängt.
+
+Sie besteht in dem ausgesprochenen Verzicht, auf Grund der vorhandenen
+Berichte die historische und die wiederholte Feier in ihrem
+Zusammenhang zu begreifen, wenn nicht eine neue, von unseren Berichten
+unabhängige Thatsache ein Datum liefert, welches den Ausgangspunkt
+der uns unverständlichen Entwicklung kenntlich macht. — Gelingt es
+nicht, in der gnostischen Gedankenwelt ein ~sakramentales Essen~,
+welches das Vorbild des Abendmahls abgeben könnte, nachzuweisen,
+sodass für die älteste Christenheit nicht das supranaturale Essen
+und Trinken als solches, sondern nur die Ersetzung einer andern
+übernatürlichen Substanz durch Christi Leib und Blut neu ist, ~dann
+muss auf ein Verständnis der historischen Feier und ihrer Entwicklung
+zur Gemeindefeier endgültig verzichtet werden.~
+
+
+=7. Die neue »Thatsache«.=
+
+Um dem Skeptizismus zu entgehen, postuliert EICHHORN eine neue, über
+den Bestand unserer Quellen hinausgehende Thatsache. Seine Vorgänger,
+die mit ihm die ausschliessliche Betonung des Genusses gemein haben,
+ersetzen dieses Postulat durch eine ~angenommene~ Thatsache.
+
+D. FR. STRAUSS erklärt das Aufkommen der Abendmahlsfeier im
+Urchristentum, und damit die Entstehung unserer Berichte, durch das
+Missverständnis eines von Jesu bei dem letzten Mahl gesprochenen
+eschatologischen Wortes von seiten der Jünger.
+
+BRUNO BAUER verlegt die ganze Entwicklung, da er sie anders nicht
+erklären kann, in die Phantasie des Urevangelisten. RENAN behilft
+sich mit der Annahme eines schon früher von Jesu geübten, den Jüngern
+bekannten geheimnisvollen Ritus des Brotbrechens. SPITTA bringt
+eine eigenartige, im Grunde moderne eschatologische Vorstellung
+an die synoptischen Berichte heran, welche mit dem dort gebotenen
+eschatologischen Schlusswort in gar keiner Beziehung steht.
+
+W. BRANDT überträgt moderne Anschauungsweisen in die Gedankenwelt Jesu
+und seiner Jünger, ohne diese Uebertragung aus den Berichten begründen
+zu können.
+
+So bildet die Untersuchung EICHHORN's den natürlichen Schlusspunkt der
+scheinbar so zusammenhangslosen Reihe der Auffassungen mit einseitiger
+Herausarbeitung des Genussmoments. Durch die dialektische Behandlung
+des Problems entzieht er jeder künftigen Darstellung von vornherein
+die Berechtigung, wenn sie nicht eine neue geschichtliche Thatsache
+aufbringen kann, die erklärt, wie die Anschauung aufkam, dass Jesus den
+Jüngern zumutete, seinen Leib und sein Blut zu essen und zu trinken.
+
+
+=8. Die Skepsis in der Folge der einseitigen Herausarbeitung des
+Genussmoments.=
+
+EICHHORN's ~Postulat~ trägt auch nicht weiter als die behaupteten
+Thatsachen seiner Vorgänger. Er verlangt, dass die Vorstellung
+des supranaturalen Essens und Trinkens in einer schon vorhandenen
+religiösen Gedankenwelt nachgewiesen werde. Die nähere Kenntnis des
+»Gnostizismus« könnte nach seiner Ansicht dazu führen.
+
+Zugegeben, dass ein solches supranaturales Essen und Trinken schon
+existiert hätte, so müsste dargethan werden, wie man im Urchristentum
+dazu kam, diesen Gedanken ins Abendmahl ~herüberzunehmen.~ Inwiefern
+gab die historische Feier Ansatzpunkte dazu? Die von EICHHORN
+vorgeschlagene Operation hängt ganz in der Luft, denn unsere Berichte
+stehen einem solchen Beginnen vollständig fremd und ablehnend gegenüber.
+
+Nun wäre die Umsetzung seines Postulats in eine dementsprechende
+historische Thatsache der einzige Ausweg aus der Skepsis. Gleich beim
+ersten Schritt zeigt sich aber, dass er völlig aussichtslos ist. Also
+muss eine Darstellung, welche von der Voraussetzung ausgeht, Jesus
+habe die Seinen bei Brot und Wein zum Genuss seines Leibes und Blutes
+aufgefordert, ~von vornherein, unter allen Umständen auf die Lösung des
+Problems verzichten! Die konsequente Herausarbeitung des Genussmoments
+führt notwendig zur Skepsis: das ist der Ertrag dieser Darstellungen.~
+
+
+=9. Der logische Grund der Skepsis.=
+
+Wenn in der wissenschaftlichen Behandlung einer Frage die Skepsis sich
+einstellt, so liegt dies immer daran, dass ~sich in den Voraussetzungen
+eine unbegründete Behauptung versteckt hat~, welche von da aus das
+menschliche Denken neckt und in die Irre führt. Die Wissenschaft an
+sich kann nie zur Skepsis führen. Mit der Aufdeckung der ~unerwiesenen
+Voraussetzungsbehauptung~ ist die Skepsis gehoben.
+
+Worin besteht diese nun in den obigen Abhandlungen? Der Fehler kann
+nicht in der ausschliesslichen Geltendmachung des Genussmoments
+beruhen. Dass das Abendmahl von der urchristlichen Gemeinde als
+~Mahlzeit~ übernommen und gefeiert wurde, dass die Handlung, welche
+die urchristliche mit der historischen Feier verbindet, nicht in dem
+symbolischen ~Handeln des »Stifters«~, sondern in der ~Handlung der
+Teilnehmer~, dem Essen und Trinken besteht: diese Thatsachen werden
+durch die Quellen geboten und durch das Urchristentum bestätigt.
+
+Nicht in der ~Thatsache~, sondern in der ~Art~ der Wertung des
+Genussmoments ist der Fehler zu suchen. Sämtliche obige Darstellungen
+formulieren sie dahin, dass Jesus die Jünger bei der Darreichung von
+Brot und Wein ~aufgefordert~ habe, seinen Leib zu essen und sein
+Blut zu trinken. ~Die Skepsis beruht also in der Verbindung des
+Mahlzeitcharakters der Feier mit den Gleichnisworten~, denn damit ist
+eine Aussage gegeben, in der Subjekt und Objekt identisch sind: der
+Darbietende ist zugleich der Genossene. Hier hört das Denken auf. ~Das
+üppige Schlinggewächs historischer und exegetischer Einfälle ist keine
+Brücke über den Abgrund des Selbstwiderspruchs!~
+
+Statt also von der Konstatierung auszugehen, dass Jesus den Seinen
+seinen Leib und sein Blut zum Genuss dargereicht habe, muss man damit
+beginnen, diese Voraussetzung selbst zu prüfen. Ist es wirklich eine
+aus der urchristlichen Feier und aus den Berichten unumstösslich
+feststehende Thatsache, dass Jesus ihnen dies in irgend einer Form
+zugemutet hat? Wenn ja, dann ist die Lösung der Abendmahlsfrage
+unmöglich, da wir dabei das »wie« aus unseren Texten nie erklären
+können und jede freie Deutung bei unseren Berichten ohne Rückhalt
+bleibt.
+
+
+Fussnoten:
+
+[7] DAVID FR. STRAUSS, Das Leben Jesu. 1. Ausgabe, Tübingen 1836. Bd.
+I, S. 396-442: Das Abendmahl.
+
+[8] BRUNO BAUER, Kritik der evangelischen Geschichte, 1842. Kritik der
+Evangelien, 1850, Bd. III S. 191-213.
+
+[9] Kritik der evangelischen Geschichte, Bd. III S. 241: »Ein Mensch,
+der leiblich und individuell dasitzt, kann nicht auf den Gedanken
+kommen andern seinen Leib und sein Blut zum Genuss anzubieten.«
+
+[10] E. RENAN, La vie de Jésus 1863, S. 385 ff.
+
+
+
+
+Sechstes Kapitel.
+
+=Die doppelseitigen Auffassungen mit Zugrundelegung des Genussmoments
+und abgeleiteter Geltendmachung des Darstellungsmoments.=
+
+AD. HARNACK, ERICH HAUPT, FR. SCHULTZEN, R. A. HOFFMANN.
+
+
+=1. Allgemeines.=
+
+Diese doppelseitige Reihe steht unter dem Einfluss der Auffassungen mit
+einseitiger Herausarbeitung des Genussmoments. Während die Richtung,
+die durch die Namen RÜCKERT, LOBSTEIN und HOLTZMANN gekennzeichnet
+wird, von dem Handeln Jesu ausgehend den Genuss der Teilnehmer zu
+erklären versuchte, verfahren die neuen doppelseitigen Auffassungen
+umgekehrt. Sie stellen den Genuss in den Vordergrund und suchen dieses
+Moment nun so zu formulieren und so zur Geltung zu bringen, dass auch
+das auf den Tod hinweisende Handeln Jesu damit in irgend einer Weise
+vereinbar ist und daraus seine Erklärung empfangt. Das Schwergewicht
+hat sich also von der einen auf die andere Seite verschoben.
+
+In letzter Linie sind es exegetische Bedenken, welche die betreffenden
+Verfasser dazu führen, auch dem Leidensgedanken und dem Handeln Jesu
+Rechnung zu tragen. »~Die Worte sind mir zu mächtig~«, sagt HARNACK bei
+der Würdigung der Auffassung SPITTA's, deren Grundgedanke ihm zusagt,
+während die Exegese ihn nicht befriedigt. Es ist das Motto auch der
+übrigen doppelseitigen Darstellungen.
+
+
+=2. Ad. Harnack.=
+
+ Brot und Wasser: die eucharistischen Elemente bei JUSTIN (Texte
+ und Untersuchungen Bd. VII S. 117 ff. 1891). Theologische
+ Litteraturzeitung 1892 S. 373-378. Dogmengeschichte (3. Aufl.) Bd.
+ I S. 64.
+
+Durch eine Untersuchung, ob Wasser oder ob Wein das eucharistische
+Genusselement in der alten Kirche waren, kam HARNACK im Jahre 1891
+dazu, in entschiedener Weise zu betonen, dass in jener älteren Zeit
+die Symbolik sich nicht auf das Wesen der Elemente habe beziehen
+können, sondern dass die ganze Bedeutung der historischen und der
+urchristlichen Feier ~auf der Mahlzeit als solcher~ beruht habe.
+
+Das Abendmahl muss eine wirkliche Mahlzeit gewesen sein; die in Frage
+kommende Handlung ist das Essen und Trinken. Jesu Worte beziehen sich
+auf den Genuss. »Die wichtigste Funktion des natürlichen Lebens hat
+der Herr geheiligt, indem er die Nahrung als seinen Leib und sein
+Blut bezeichnet hat. So hat er sich für die Seinen ~auf immer~ mitten
+hineingestellt in ihr natürliches Leben und sie angewiesen, die
+Erhaltung und das Wachstum dieses natürlichen Lebens zur Kraft des
+Wachstums des geistigen Lebens zu machen.«
+
+Mit diesem Moment sucht nun HARNACK noch ein anderes in Beziehung zu
+setzen und dadurch diese allgemeine religiöse Wertung des Genusses
+zu spezifizieren. »Der Herr hat ein Gedächtnismahl seines Todes
+eingesetzt, ~oder vielmehr~, er hat die leibliche Nahrung als sein
+Fleisch und sein Blut, d. h. als die Nahrung der Seele, bezeichnet
+(durch die Sündenvergebung), ~wenn~ sie mit Danksagung in Erinnerung
+seines Todes genossen wird.«
+
+Dieser Satz ist für HARNACK's Auffassung entscheidend. »Oder vielmehr«,
+»d. h.« und »wenn« sind die Rangiergeleise, auf denen man von dem
+allgemeinen, wunderbar tiefen Gedanken herkommend, »dass der Herr die
+wichtigste Funktion des natürlichen Lebens geheiligt habe«, umsetzt,
+um die Einfahrt zur historischen Feier, mit dem dort ausgedrückten
+Leidensgedanken, zu gewinnen. Der allgemeine Mahlzeitcharakter seiner
+Auffassung wird also näher bestimmt durch folgende Sätze:
+
+ 1. Es handelt sich um eine Stiftung.
+
+ 2. Der Wiederholungsbefehl ist irgendwie in der historischen
+ Situation enthalten.
+
+ 3. Die Feier hat eine Beziehung auf den Tod des Stifters.
+
+
+=3. Erich Haupt.=
+
+ Ueber die ursprüngliche Form und Bedeutung der Abendmahlsworte.
+ Halle, Universitätsprogramm 1894.
+
+Indem Jesus die zu Tische liegenden Jünger bei der Darreichung
+des Brotes und des Weines auffordert, seinen Leib und sein Blut
+zu geniessen, will er sagen: »Meine Person ist Träger der Kräfte
+eines höheren Lebens, welches so angeeignet werden und so zu einem
+Bestandteil eurer Personen werden will, wie dies bei der irdischen
+Nahrung der Fall ist. Dies gilt aber ~ganz besonders~ von meinem
+bevorstehenden Tode; gerade die Dahingabe meiner ~Persönlichkeit~ wird
+euch die in ihr beschlossenen Lebens- und Heilskräfte in vollstem Masse
+erschliessen und zu gute kommen lassen.« Dieser Grundgedanke deckt sich
+vollständig mit dem SPITTA's. Während aber letzterer ihm im Munde Jesu
+eine eschatologische Wendung gab, überträgt HAUPT diesen durch den
+Ausdruck »Persönlichkeit« als modern gekennzeichneten Gedankengang auf
+die historische Feier durch Zuhülfenahme des Leidensgedankens.
+
+Die Eschatologie tritt dabei ganz zurück. Jesus hatte bei dem letzten
+Mahle auch von dem grossen Mahl der Vollendung gesprochen. Indem nun
+das ganze Mahl nachgebildet wurde, fanden auch diese eschatologischen
+Gedanken ihre Stelle. So ist bei HAUPT das eschatologische Moment
+nicht zur Erklärung der Wiederholung benutzt, sondern erst aus der
+Wiederholung selbst verständlich.
+
+Durch die nebenhergehende Geltendmachung des Todesgedankens für die
+Erklärung der Feier ist die Beibehaltung des Wiederholungsbefehls
+gegeben. In der Nacht des Verrats hat der Herr das ganze Mahl unter den
+Gesichtspunkt eines Abschiedsmahls gestellt. Er will sein ~Gedächtnis
+für die Zeit der Trennung~ wachhalten. »Somit ist nicht nur kein
+Gegengrund dagegen, dass Jesus die Wiederholung der Handlung seinen
+Jüngern anbefohlen hat, sondern ein dahin zielendes Wort ist sogar
+aus inneren Gründen ~höchst wahrscheinlich.~« Diese vorsichtige und
+zurückhaltende Begründung der Beibehaltung des Wiederholungsbefehls
+gibt den genauen Gradmesser ab für die Beeinflussung des zu Grunde
+gelegten Genussmoments durch das Darstellungsmoment und den
+Leidensgedanken.
+
+Mit derselben Vorsicht äussert HAUPT sich auch über das Verhältnis
+zwischen dem wiederholten Herrenmahl und der Agape. »Nicht zwei Teile
+sollen diese gemeinsamen Mahlzeiten haben, einen profanen, welcher der
+äusseren Sättigung dient, und einen religiösen, welcher der Erinnerung
+an Christi Tod gewidmet ist, sondern ihre ganze Zusammenkunft soll
+religiösen Charakter tragen, und das Herrenmahl ~im engeren Sinne~ ist
+nur der ~Höhepunkt des Ganzen.~«
+
+
+=4. Fr. Schultzen.=
+
+ Das Abendmahl im Neuen Testament. Göttingen 1895.
+
+In dieser Darstellung ist die Hervorhebung des Leidensgedankens und
+damit die Bedeutung des darstellenden Moments im Handeln Jesu aus der
+Nebenstellung fast bis zur Gleichstellung mit dem Genussmoment gerückt,
+wobei aber letzteres immer noch den Ausgangspunkt bildet. »Es spricht
+nichts dafür, dass etwa Jesus nur auf das Essen Gewicht gelegt habe und
+die Beziehung auf seinen Tod späterer Zusatz sei. Umgekehrt ist es aber
+auch nicht wahrscheinlich, dass Jesus nur eine symbolische Handlung bei
+jenem letzten Mahl vorgenommen hat, und dass die Verbindung mit dem
+Mahle nur durch den äusseren Anlass entstanden ist.« Auch das Brot ist
+nicht blosses Symbol, sondern auf ~Grund des Symbols~ zum wenigsten
+~Repräsentant und Vermittler~ des Leibes Jesu.
+
+Das Genussmoment und das darstellende Moment werden durch den Begriff
+~des Opfermahls~ zusammengehalten. Den Jüngern waren Jesu Gedanken
+aus der religiösen Vorstellungswelt Israels bekannt und fasslich. In
+dem Begriff des Opfermahls war die Wiederholung unmittelbar gegeben
+und ebenso der Empfang der in ihm gespendeten Gabe. So hat, trotz des
+Fehlens des Wiederholungsbefehls, Jesus auch nach dem Bericht des
+Markus an eine Wiederholung gedacht, weil er eine Gabe spendet, die
+auch für ~die fernsten~ Zeiten Wert hat.
+
+Wie bei ERICH HAUPT vermögen die eschatologischen Gedanken auch
+bei FR. SCHULTZEN sich nur anhangsweise Geltung zu verschaffen,
+nachdem die Wiederholung der Feier schon anderweitig feststeht. »Die
+Parousiegedanken bei dieser Feier erklären sich bei der lebhaften
+Sehnsucht der Gemeinde nach der Parousie leicht, da das Abendmahl auch
+nach I Kor 11 _26_ eine Feier ist, die in der Wiederkunft Christi ihr
+Ziel erreicht hat.«
+
+Die Trennung von Mahlzeit und Abendmahl wird bereits für die Urgemeinde
+vorausgesetzt. Paulus prägt schon Vorhandenes schärfer aus. Die später
+erfolgte Abtrennung der »Eucharistie« von dem Mahle erklärt sich viel
+einfacher, wenn sie bereits ein besonderer Teil derselben war, als wenn
+man das ihr besonders Eigentümliche gar nicht erkennen konnte.
+
+
+=5. R. A. Hoffmann.=
+
+ Die Abendmahlsgedanken Jesu Christi. Königsberg 1896.
+
+Bei HOFFMANN tritt das Darstellungsmoment noch stärker hervor als
+bei SCHULTZEN. Es wird geradezu eine zweifache Art von Teilnehmern
+vorausgesetzt. Das darstellende Handeln geht auf die einen, der Genuss
+ist für die andern bestimmt. »~Vergossen~ wurde sein Blut für ~das
+ungläubige Volk~, zu ~trinken~ gab er es den ~Seinen.~«
+
+Mit letzterem will er sagen, dass, da das ~Blut die Seele ist~, seine
+Seele in sie übergehen werde, um ihnen zu ihrer bevorstehenden hohen
+Mission Kraft zu geben, sie zu stärken, damit auch sie, wenn der Fall
+an sie herantritt, imstande seien, ihrerseits ihre Seele als Lösegeld
+für andere dahinzugeben. Nicht seinen Leichnam reicht er ihnen dar,
+sondern seinen lebendigen Leib als den Träger des ihm innewohnenden
+göttlichen Geistes.
+
+»In der urchristlichen Feier kommt, neben dem Essen und Trinken,
+auch dem, was Jesus gethan hat, dem Brechen und Danken — ~in
+entsprechender Wiederholung~ — Bedeutung zu.« Dies war der Standpunkt
+von SCHULTZEN. HOFFMANN geht noch weiter. »~Das Wesentliche der ersten
+Mahlzeit war ohne weiteres nicht zu wiederholen~, eben die Handlung des
+Herrn, wie sich in ihr seine überragende Geistesgrösse, seine Kraft und
+Leben ausströmende Gegenwart noch zum letztenmal ihnen dokumentiert
+hatte« (S. 106).
+
+Eine Wiederholung ohne Wiederholungsbefehl ist also ~undenkbar.~ Der
+Wiederholungsbefehl muss sich vor allem auf den Genuss bezogen haben,
+da Jesus zur Erinnerung an ihn ein ~Mahl~ eingesetzt hat. Es lässt sich
+nicht mehr ausmachen, wie sich in der ersten Zeit das Abendmahl des
+näheren zur Gemeindemahlzeit verhalten habe. Für Paulus jedenfalls war
+die feierliche Gemeindemahlzeit mit dem Abendmahl untrennbar verbunden.
+
+Der Eschatologie kommt in der Darstellung HOFFMANN's keine Bedeutung zu.
+
+
+
+
+Siebentes Kapitel.
+
+=Der gesetzmässige Zusammenhang zwischen den Einzelfragen.=
+
+
+=1. Der Wiederholungsbefehl.=
+
+Die historische Feier ist eine Mahlzeit: darin liegt ihre Wiederholung
+von selbst begründet. Wenn Jesus dem Essen und dem Trinken im
+gemeinsamen Kreis der Seinigen eine besondere, irgendwie segensreiche
+Bedeutung verleiht, so ist hiermit ohne weiteres die Wiederholung
+gefordert. Er braucht das nicht in einem Befehl ausgesprochen zu haben.
+
+Dies ist der Standpunkt der das Genussmoment ausschliesslich betonenden
+Darstellungen. Auch die doppelseitigen Auffassungen, welche das
+Genussmoment zu Grunde legen, stimmen damit überein. Wenn die Jünger
+Jesum verstanden haben, mussten sie von selbst diese Feier wiederholen.
+Sofern hingegen das ~Darstellungsmoment~ nebenbei betont wird, ist nun
+aber die Wiederholung gar nicht selbstverständlich. Was Jesus gethan,
+das kann eigentlich nicht wiederholt werden.
+
+So gehen diese doppelseitigen Darstellungen von dem Gedanken aus, dass
+der Wiederholungsbefehl eigentlich überflüssig ist, kommen aber dann
+dazu, ihn doch irgendwie als möglich oder notwendig anzunehmen.
+
+Die Frage bleibt für sie also in der Schwebe. Je stärker der
+Leidensgedanke und das Darstellungsmoment für die historische Feier
+geltend gemacht werden, mit desto grösserer Entschiedenheit wird zur
+Erklärung der eingetretenen Wiederholung eine darauf hinzielende
+Anweisung gefordert.
+
+
+=2. Das Abendmahl und die urchristliche Gemeindemahlzeit.=
+
+In der Gemeindefeier steckt ein Doppeltes. Wiederholt wird eine
+gemeinsame Mahlzeit. Dabei soll aber in irgend welchem Masse ein
+historischer, an sich einzigartiger Moment reproduziert werden.
+In welchem Verhältnis steht das wiederholte »Herrenmahl« zu den
+gemeinsamen religiösen Mahlzeiten des Urchristentums?
+
+Nach den Auffassungen mit einseitiger Herausarbeitung des Genussmoments
+sind beide ~identisch~, denn für sie besteht ja auch die historische
+Feier nur in der Mahlzeit als solcher. Die doppelseitigen Darstellungen
+aber kommen hier in dasselbe Gedränge, wie mit dem Wiederholungsbefehl.
+Auch sie, sofern sie den Mahlzeitcharakter zu Grunde legen, sollten
+eigentlich die Identität proklamieren. Nun betonen sie aber daneben
+auch das Darstellungsmoment. Dann wird aber die Gemeindefeier zur
+Wiederholung einer bestimmten ~historischen Situation~, welche nicht
+mehr durch die ~gemeinsame Mahlzeit als solche reproduziert wird.~ Das
+wiederholte Herrenmahl soll also jetzt von der gemeinsamen religiösen
+Mahlzeit irgendwie ~abheben~, jedoch nur soweit, dass die letzthinige
+Einheit beider festgehalten wird. Die Schwierigkeit wächst mit der
+stärkeren Betonung des Darstellungsmoments. Man erhält folgende
+Stufenleiter:
+
+W. BRANDT: Jesus macht die gemeinsamen Mahlzeiten zum Symbol der
+Gemeinschaft. Als nach seinem Tode der Glaube an ihn neu auflebte,
+wurde natürlich das vom Herrn selbst gegebene Symbol der Gemeinschaft
+besonders gepflegt. Gemeindemahlzeit und »Herrenmahl« sind identisch.
+
+FR. SPITTA: »Es wurde bei Brot und Wein immer daran gedacht, wie
+er damals darauf hingewiesen, dass er jetzt und in alle Ewigkeit
+die rechte Speise und Erquickung ihrer Seele sei.« Die Didache
+repräsentiert die urchristliche Feier. Herrenmahl und Agape
+waren danach identisch. Es ist verfehlt, Didache 9 und 10 als
+Einleitungsgebete zur »eigentlichen Abendmahlsfeier« auffassen zu
+wollen.
+
+AD. HARNACK: Hier beginnt die Differenzierung. Sie ist in dem
+klassischen Satz mit den Rangiergeleisen enthalten. »Der Herr hat
+ein Gedächtnismahl seines Todes eingesetzt, ~oder vielmehr~, er hat
+die leibliche Nahrung als sein Fleisch und sein Blut, d. h. als die
+Nahrung der Seele bezeichnet (durch die Sündenvergebung), ~wenn~ sie
+mit Danksagung in Erinnerung seines Todes genossen wird. So haben
+die Apostel seine Stiftung verstanden.« Eine Feier, bei der alle
+diese näheren Bestimmungen zum Ausdruck kommen sollen, ist aber keine
+einfache gemeinsame Mahlzeit mehr, sondern eine ~Ceremonie.~ »Jesus
+verhiess ihnen, dass er mit der Kraft seiner Sündenvergebung bei jeder
+Mahlzeit sein werde, die sie zu seinem ~Gedächtnis~ halten würden.« Wie
+wurde aber die gemeinsame Mahlzeit als »Gedächtnismahl« gekennzeichnet?
+Durch welche Akte, durch welche Reden? Wie wurde die Situation des
+historischen Mahls reproduziert, wo doch auch das »Abendmahl« nur ein
+besonderer Augenblick im Verlauf der letzten gemeinsamen Mahlzeit
+gewesen war?
+
+ERICH HAUPT: »Die ganze Zusammenkunft soll religiösen Charakter tragen,
+und das Herrenmahl ~in engerem Sinn~ ist nur der ~Höhepunkt des
+Ganzen.~« Weil HAUPT das Darstellungsmoment stärker betont als HARNACK,
+kann er Gemeindemahl und »Abendmahl« nicht irgendwie in einander
+übergehen lassen, sondern er muss das Abendmahl als eine besondere
+Situation auffassen, die den Höhepunkt der ganzen Mahlvereinigung
+repräsentiert. Er kann nicht darum herumkommen, die auf Grund der
+Stiftung »wiederholte Handlung« von der religiösen Mahlzeit sich
+abheben zu lassen und doch wieder die letzthinige Einheit beider
+festzuhalten. So bleibt ihm nur das Verhältnis der Steigerung.
+
+SPITTA und HARNACK bestreiten, dass in Didache 10 _6_ »wenn einer
+heilig ist, trete er herzu« eine besondere Feier beginnt. HAUPT muss
+seine Steigerung auch hier wiederfinden und nimmt an, dass diese Worte
+die eigentliche Abendmahlsfeier einleiten. Das »Herr, komme doch«
+bezieht sich auf die Gegenwart des Herrn im »Sakrament«.
+
+FR. SCHULTZEN: Durch den Begriff des »Opfermahls« hält er die beiden
+auseinanderstrebenden Teile der Feier zusammen. Er kann sie aber nicht
+mehr, wie ERICH HAUPT, in das Verhältnis der Steigerung setzen — dazu
+ist die Betonung des Darstellungsmoments bei ihm schon viel zu stark
+— sondern er muss die Trennung konstatieren. »In dem Begriff des
+Opfermahls ist die Wiederholung der Mahlzeit unmittelbar gegeben und
+ebenso der stetige Empfang der gespendeten Gabe« (S. 74). Wiederholt
+wird aber zweitens die Handlung des Veranstalters der Opfermahlzeit,
+als Voraussetzung des Empfangs und des Genusses der Teilnehmer. »Die
+Gabe, die er ihnen zuwandte, sollte den Erfolg haben und hat ihn auch
+wirklich gehabt, ~dass sie wiederholten, was er gethan~, und damit auch
+ferner an dem Segen seines Opfertods Anteil erhielten« (S. 96).
+
+Wie soll man sich aber vorstellen, dass die Jünger beim gemeinsamen
+Mahl »wiederholten, was er gethan?« Das bedeutet nichts anderes, als
+dass das Gemeindemahl und das Abendmahl auf die Trennung angelegt
+waren. In I Kor 11 macht Paulus die schon vor ihm angebahnte Scheidung
+nur stärker geltend. Dass nachher die Eucharistie vom Mahle gänzlich
+losgelöst wurde, »ist nur die geschichtliche Vollendung des schon in
+der Stiftung enthaltenen Prozesses«.
+
+R. A. HOFFMANN: Das Darstellungsmoment tritt so stark hervor, dass
+HOFFMANN auf die Lösung des Problems verzichtet. »Das Wesentliche
+der ersten Abendmahlsfeier war ohne weiteres nicht zu wiederholen,
+~eben die Handlung des Herrn~« (S. 106). Auf den von Jesus selbst
+vorgenommenen Akt kann der Wiederholungsbefehl nicht gehen. Ihn auf
+die Handlung der Teilnehmer, das Essen und Trinken zu beziehen, ist
+zwar grammatikalisch sozusagen unmöglich. Da aber nichts anderes übrig
+bleibt, müssen wir eben annehmen, Jesus habe zum Mittel der Erinnerung
+an ihn »ein Mahl eingesetzt«.
+
+Wie er das verstanden haben wollte, ist nicht klar. Es ist stark mit
+der Möglichkeit zu rechnen, »dass dasjenige, was uns von den Worten
+Jesu bei der Einsetzung seines Mahles überliefert worden ist, nicht
+alles repräsentiert, was er wirklich zur Aufklärung über seine uns
+heutzutage so schwer verständliche Handlung gesprochen hat« (S. 115).
+
+Wie man es mit der Feier im Urchristentum gehalten hat, darüber ist
+keine vollständige Klarheit zu gewinnen. Wir wissen nur, »dass das
+Abendmahl in der Urgemeinde eine wirkliche Mahlzeit war, wobei sehr
+wahrscheinlich ist, dass das Brotbrechen zugleich Herrenmahl war« (S.
+137).
+
+~Zusammenfassung.~ Die Untersuchung ergibt folgenden Satz: ~Bei
+ausschliesslicher Geltendmachung des Genussmoments sind die
+Gemeindemahlzeit und das Abendmahl identisch. Mit der nebenhergehenden
+Betonung des Darstellungsmoments wird die Differenzierung
+zwischen beiden in steigendem Masse notwendig, bis zuletzt beide
+auseinanderfallen.~
+
+
+=3. Die Antinomie zwischen der historischen und der urchristlichen
+Feier.=
+
+Es ist wohl nicht das geringste Verdienst der grossartigen Abhandlung
+SPITTA's, in voller Schärfe das Prinzip proklamiert zu haben, dass
+eine Abendmahlsauffassung nur dann Wert hat, wenn sie das Wesen der
+urchristlichen Feier, wie es uns besonders in der Didache begegnet,
+erklärt. Dementsprechend bildet die urchristliche Feier auch den
+Hauptstützpunkt seiner Darstellung. Er wird ihr vollkommen gerecht,
+da seiner Auffassung zufolge das Abendmahl eine Freudenmahlzeit war.
+Indem er von einem Wiederholungsbefehl und von einer Abhebung des
+»Abendmahls« von der Gemeindemahlzeit absieht, stimmt er vollständig
+mit der urchristlichen Ueberlieferung überein; diese weiss ja auch
+nichts davon, dass die Feier eine auf den Befehl Jesu erfolgende
+ausgesprochene Reproduktion jener historischen Situation sein soll.
+
+Während SPITTA so die urchristliche Feier vollkommen erklärt, vermag
+er aber der historischen in keiner Weise auch nur annähernd gerecht zu
+werden. Das teilt er mit allen Auffassungen, welche das Genussmoment
+einseitig herausarbeiten. Inwiefern die Jünger Jesum verstehen mussten
+und verstanden haben, als er sie aufforderte, seinen Leib und sein Blut
+zu geniessen: das vermögen sie, ohne unerlaubte Kunstgriffe, in keiner
+Weise deutlich zu machen. ~Für die historische Situation bleibt ihnen
+nur der Skeptizismus übrig~, wobei sie sich trösten dürfen, wenigstens
+der urchristlichen Feier gerecht zu werden.
+
+Mit den doppelseitigen Auffassungen steht es folgendermassen:
+Je mehr sie das Darstellungsmoment betonen, desto besser und
+ansprechender können sie die ~historische Feier~ erklären, da sie
+nun den Leidensgedanken und die Symbolik des Handelns Jesu für die
+Deutung der Gleichnisse verwerten können. In demselben Masse aber
+werden sie ~unfähig, die urchristliche Feier zu erklären.~ Mit dem
+Darstellungsmoment ist ja der Wiederholungsbefehl, die Bedeutung
+des Leidensgedankens für die Feier und die Differenzierung zwischen
+Abendmahl und Gemeindemahlzeit gegeben. Das alles läuft aber der
+urchristlichen Ueberlieferung schnurstracks zuwider. Diese weiss nichts
+davon, sondern sie beschränkt sich merkwürdigerweise auf den Satz: Das
+Abendmahl ist ein Freudenmahl, bei dem das darstellende Handeln Jesu in
+keiner Weise irgendwie reproduziert wird.
+
+Die Antinomie ist also unlösbar. ~Eine doppelseitige Auffassung erklärt
+die historische Feier nur in dem Masse, als sie die urchristliche
+nicht erklärt und umgekehrt.~ Dieser Satz enthält das Grundresultat
+der Untersuchung über die doppelseitigen Darstellungen. Infolge dessen
+müssen sie auf die Lösung des Problems verzichten, da keine von ihnen,
+und wäre sie noch so geistreich, über diese Antinomie hinauskommen kann.
+
+Letztere liegt eben in der bisherigen Problemstellung selbst begründet,
+welche die urchristliche Feier als eine ~entsprechende Wiederholung~
+der historischen auffassen will. Nun ist aber das Wiederholte
+der Geschichte zufolge dem Ursprünglichen gar nicht ähnlich. Die
+historische Feier ist eine ~Ceremonie~ im Verlauf einer Mahlzeit, die
+urchristliche ist nur eine ~gemeinsame Mahlzeit~ ohne entsprechende
+Wiederholung der Ceremonie. Damit ist Antinomie unabweisbar gegeben.
+
+Nun steht aber fest, dass die urchristliche auf die historische
+Feier zurückgeht. Also ist das Problem erst dann gelöst, wenn der
+Zusammenhang beider erklärt wird, ohne dass deshalb die Gemeindefeier
+irgendwie eine entsprechende Nachbildung der historischen ist. ~Die
+urchristliche Abendmahlsfeier ist etwas Selbständiges.~
+
+
+
+
+Achtes Kapitel.
+
+=Die Auffassungen mit einseitiger Geltendmachung des
+Darstellungsmoments.=
+
+
+=1. Das Gefechtsfeld.=
+
+Die Darstellungen mit ausschliesslicher Betonung des Genussmoments
+bedeuteten einen kühnen Vorstoss gegen die allgemein verbreitete
+Auffassung, welche durch die Namen RÜCKERT, HOLTZMANN und LOBSTEIN
+vertreten ist. Es konnte einen Augenblick scheinen, als hätte die
+hergebrachte Ansicht durch diesen unerwarteten, geschlossenen Angriff
+gegen die Deutung der Gleichnisse aus dem Handeln Jesu alle ihre
+Positionen verloren. Jetzt aber, wo die Lage sich langsam klärt, zeigt
+sich, dass dies nicht der Fall ist.
+
+Wohl mussten einige exponierte Stellungen von dem angegriffenen
+Teil aufgegeben werden. Dafür hat er sich aber in eine Position
+zurückgezogen, die als unüberwindbar gelten darf. Die Sache steht so,
+dass der Angreifer darauf verzichten muss, ~diese befestigte Stellung
+jemals zu erobern~, der Angegriffene aber auf absehbare Zeit nicht an
+eine ~Aktion im freien Felde~ denken kann.
+
+Zu den aufgegebenen Positionen gehört vor allem die Stellung zur
+Frage des Passahmahls. Während bis in die 70er und 80er Jahre das
+letzte Mahl den Synoptikern entsprechend fast allgemein als Passahmahl
+aufgefasst wurde, sucht man jetzt diese Frage aus dem Zusammenhang
+mit der Gesamtauffassung herauszurücken. Man begnügt sich mit einer
+vorsichtigen chronologischen Erwägung, ob das synoptische Datum
+wahrscheinlich sei oder nicht.
+
+Aehnlich steht es mit dem Wiederholungsbefehl. Auch die Auffassungen
+mit Zugrundelegung des Darstellungsmoments suchen sich von der
+Notwendigkeit eines auf die Wiederholung hinweisenden Wortes frei zu
+machen.
+
+Zugleich wird das Genussmoment im ganzen doch entschiedener
+hervorgehoben als es bisher der Fall war. Es bleibt jedoch immer in
+Abhängigkeit vom Darstellungsmoment und wird erst durch dasselbe
+verständlich.
+
+Diese Verschiebungen in der Position kann man am besten in den
+successiven Kundgebungen LOBSTEIN's und HOLTZMANN's verfolgen, soweit
+sie die Abendmahlsfrage betreffen. Sie haben die Verteidigungsstellung
+eingerichtet.
+
+
+=2. Der Verteidigungsplan. P. W. Schmiedel.=
+
+ Protestantische Monatshefte 1899: Die neuesten Ansichten über den
+ Ursprung des Abendmahls.
+
+Dem etwas forschen Vorgehen EICHHORN's gegenüber unternahm es SCHMIEDEL
+darzuthun, wie die Sachen eigentlich liegen. Er zeigt zunächst, dass
+die chronologischen Gründe gegen die Möglichkeit, dass das letzte Mahl
+ein Passahmahl war, zusammengenommen allerdings einen grossen Eindruck
+machen. Betrachtet man sie aber einen nach dem andern, so verlieren sie
+bedeutend an Energie. Die Annahme, dass Jesus das gesetzliche Passah
+feierte, ist also nicht von der Hand zu weisen, da die entschiedenen
+Aussagen der Synoptiker den chronologischen Einwürfen wohl das
+Gleichgewicht halten können.
+
+Ueberdies lässt sich der Passahgedanke in ansprechender Weise zur
+Erklärung der historischen Feier heranziehen, wobei mit der Möglichkeit
+zu rechnen ist, dass in Jesu Seele Passah- und Bundesgedanken
+zusammenflossen.
+
+Was die Handlung betrifft, die er vorgenommen haben soll, ist
+anzunehmen, dass das ~Bedeutsame~ mindestens in erster Linie das
+Brechen des Brotes und ~das Ausgiessen des Weines aus dem Krug in den
+Becher~ sei. Das Austeilen dieser Speisen zum Genuss schliesst sich
+als etwas ~Zweites~ an. »~Um der Hauptsache willen wäre es nicht nötig
+gewesen; aber da man einmal beim Mahle sass, war es naturgemäss.~« Es
+dient demselben Zwecke wie das einem Bundesopfer oder dem Passahopfer
+nachfolgende Mahl überhaupt, der gemeinsamen Aneignung und Pflege des
+in dem Opfer vorkommenden Gedankens.
+
+Die Frage, ob der Wiederholungsbefehl historisch ist oder nicht,
+bleibt hier in der Schwebe. Wäre er sicher überliefert, so wäre er
+verständlich. Aber ebenso begreiflich ist es, dass Jesus an eine
+Wiederholung nicht dachte.
+
+Der genialen Unbesonnenheit gegenüber ist ruhiges Abwägen absolut
+notwendig. S. 148: »Wir müssen noch darauf aufmerksam machen, wie
+dringend es sich empfiehlt, auf jeden dem unsrigen ähnlichen Versuch
+wohlwollend einzugehen, wenn man nicht in ~unlösbare Schwierigkeiten~
+kommen will.« Der hohe Wert dieser Stellung beruht nämlich in der
+Stütze, die sie in einer natürlichen Exegese unserer neutestamentlichen
+Abendmahlsberichte findet. Durch seine Geltendmachung des
+Darstellungsmoments kann SCHMIEDEL jeden einzelnen Zug der historischen
+Situation, jeden durch die Exegese angedeuteten Nebengedanken in seiner
+Gesamtauffassung unterbringen. Es ist gelungen, ~»die Möglichkeit,
+dass Jesus eine der Beschreibung ungefähr entsprechende Feier wirklich
+gehalten habe«, auf einen sehr hohen Grad der Wahrscheinlichkeit
+zu bringen.~ Die Herleitung der Berichte aus der späteren
+Gemeindetheologie, etwa gar mit Benutzung ausserchristlicher Analogien,
+wird von selbst gegenstandslos. Jede derartige Konstruktion muss zuerst
+den Nachweis erbringen, dass die von ihr behauptete Umbildung sich in
+so kurzer Zeit nach Jesu Tod habe einbürgern können.
+
+~Damit erschöpft sich aber~ der Wert dieser Verteidigungsstellung:
+sie verfügt über sicher schiessende, gut placierte Geschütze, die
+aber nicht sehr weit tragen, sodass vor den Augen der Belagerten die
+Reiterschwärme der Belagerer sich auf dem unbestrichenen Terrain
+vergnügt und unbehelligt tummeln. Es ist nämlich unmöglich, dass jemals
+eine mit der SCHMIEDEL'schen verwandte Auffassung erklären könne, wie
+die von ihnen ~bis ins einzelne verstandene historische Feier~ im
+Urchristentum, etwa noch gar ohne Annahme eines dahinzielenden Befehls
+Jesu, ~wiederholt worden ist.~ Denn das Schwergewicht liegt ja für sie
+in dem Handeln Jesu. Nun ist dieses Handeln Jesu in der urchristlichen
+Feier gar nicht wiederholt worden, weil dies unmöglich ist. Der
+Leidensgedanke fehlt ihr ja vollständig. Sie ist eine Mahlzeit, bei
+welcher, so viel wir wissen, die Ceremonie der historischen Feier in
+keiner Weise reproduziert wurde. Das Nebensächliche, das Essen, ist
+also Hauptsache geworden und die Hauptsache ist in der wiederholten
+Feier ganz zurückgetreten.
+
+Ausserhalb des schmalen, von den Festungsgeschützen beherrschten
+Terrainstreifens ist also der geringste Reitertrupp des Angreifers
+gegen die wohlbewaffnete, aber schwerfällige Besatzung im Vorteil, wenn
+sie einen Ausfall wagen sollte. Jede kecke Konstruktion, von STRAUSS
+bis auf EICHHORN, kann das Aufkommen und das Wesen der urchristlichen
+Feier besser erklären, als die exegetisch gewissenhafte, aus den
+Berichten destillierte Auffassung SCHMIEDEL's. Nur halte die erstere
+sich ausser Bereich des exegetischen Verteidigungsfeuers, wenn sie
+nicht durch den ersten Schuss ausser Gefecht gesetzt sein will. Fürwahr
+ein merkwürdiger Kampf, wo es einen nicht Wunder nimmt, dass jeder als
+Sieger thut, obwohl der andere unbesiegt ist.
+
+
+=3. Die Offensive. Adolf Jülicher.=
+
+ Zur Geschichte der Abendmahlsfeier in der ältesten Kirche. 1892.
+ (Theologische Abhandlungen, K. v. WEITZSÄCKER gewidmet.)
+
+JÜLICHER berührt sich am nächsten mit ZWINGLI, dessen Auffassung er
+ins Moderne übersetzt, indem er auf die gegenwärtige Form der Fragen
+Rücksicht nimmt. Es handelt sich um die einseitige Geltendmachung des
+Darstellungsmoments.
+
+~Alle auf dem Genussmoment beruhenden Auffassungen legen Jesu moderne
+Gedanken unter.~ Was er bei jenem Mahle zuletzt so besonders feierlich
+sagte, muss für jeden Anwesenden unmittelbar verständlich gewesen
+sein. Der Vergleichspunkt muss also in dem liegen, was er vor den
+Augen der Jünger mit den Genusselementen vornimmt: in dem Brechen des
+Brots und in dem Ausgiessen des Weins. Der Sinn der begleitenden Worte
+bezieht sich auf den bevorstehenden Tod. »So wie dieser Wein alsbald
+verschwunden sein wird, so wird alsbald mein Blut vergossen sein,
+denn mein Tod ist eine beschlossene Sache; aber«, fügt er tröstend
+hinzu, »es wird nicht umsonst vergossen, sondern »für viele« und —
+ein bildlicher Ausdruck, der in dem Gedankenkreis des Passahtages lag
+— als ein Bundesblut.« Nur den Gegenstand des Geniessens vergleicht
+Jesus hier und dort mit seinem Leibe, ~auf das Geniessen reflektiert er
+gar nicht.~ Höchstens insofern das Genussmoment aus dem vorhergehenden
+darstellenden Moment irgend eine Bedeutung empfängt, kann man ihm
+problematische Geltung zugestehen. So hatte die Feier ursprünglich
+einen wehmütig schmerzlichen Charakter, welcher nur aus der Situation
+begriffen werden kann.
+
+Nun lässt die älteste Ueberlieferung Jesum durch nichts andeuten,
+dass er jene sinnvolle Handlung auch künftighin von seinen Gläubigen
+vollzogen sehen möchte. Wie hat man aber dann in der Urkirche aus
+dieser historischen Feier so schnell eine zu steter Wiederholung
+bestimmte Handlung machen können? Zuerst war es wohl ein inneres
+Bedürfnis. Passahgedanken und Abschiedserinnerungen wirkten mit. Bald
+fand die Wiederholung im Zusammenhang mit jedem Mahle statt und es kam
+die Vorstellung eines ausdrücklichen darauf hinzielenden Gebotes Jesu
+auf. »~So weit es irgend ging, wollte man die Situation von ehedem
+reproduzieren, nur dass man jetzt auf das zurückblickte, was damals
+angekündigt werden sollte~« (S. 247). Diese Feier wurde nach dem ersten
+Akt kurz das Brotbrechen genannt. Bei der Austeilung der sakramentalen
+Elemente hat man wohl nicht von jeher die Deutungs- respektive
+Einsetzungsworte des Herrn verbotenus wiederholt, denn sonst würde
+deren Ueberlieferung nicht so viele Differenzen aufweisen. Nach I Kor
+11 _26_ hat man dabei nie versäumt, den Tod des Herrn zu verkünden,
+also immer wieder das erschütternde Ereignis sich vor Augen zu stellen
+und seine Notwendigkeit, wie seine segensreichen Wirkungen zu erörtern;
+~aber das geschah in freien Formen.~
+
+
+=4. Die Skepsis in den Auffassungen mit einseitiger Geltendmachung des
+Darstellungsmoments.=
+
+Die Darstellung JÜLICHER's bedeutet für die Abendmahlsauffassungen
+mit konsequenter Zugrundelegung des Darstellungsmomentes das,
+was die Abhandlung EICHHORN's für die das Genussmoment zu Grunde
+legenden Auffassungen war. Beide zeigen durch die Konsequenz ihres
+Gedankenaufbaus, dass die alleinige Betonung des von ihnen zu Grunde
+gelegten Moments notwendig zum Skeptizismus führt. Dies tritt bei
+EICHHORN darin zu Tage, dass er die historische Feier, von der
+urchristlichen Gemeindefeier aus betrachtet, nicht zu erklären vermag.
+JÜLICHER kann die Gemeindefeier von der historischen Feier aus nicht
+erklären.
+
+Er hat ganz Recht, wenn er sagt, dass die Zugrundelegung des
+Genussmoments die Zuhülfenahme moderner Gedanken zur Erklärung der
+historischen Worte Jesu fordere. Heisst es aber nicht ebenso sehr
+moderne Gedanken auf vergangene Zeiten übertragen, ~wenn man sich die
+urchristliche Feier als gewollte, möglichst genaue Reproduktion der
+Situation von ehedem begreiflich machen will~? JÜLICHER's Auffassung
+könnte die zwinglische Gemeindefeier erklären — und da fehlte ihm noch
+der Wiederholungsbefehl — aber niemals die urchristliche religiöse
+~Gemeindemahlzeit.~
+
+Die Schwierigkeiten werden gerade durch seine scharfe und
+logisch einheitliche Gesamtauffassung mit absoluter Deutlichkeit
+herausgearbeitet. Er erlaubt sich nicht zwischen dem Abendmahl im
+eigentlichen Sinne und der Gemeindemahlzeit zu unterscheiden. Mit
+diesem Spielraum hatten die doppelseitigen Darstellungen aller
+Schattierungen operiert und damit die grössten Schwierigkeiten
+überwunden. ~Die ganze Gemeindefeier ist »Herrenmahlzeit«~ — so sagt
+JÜLICHER und stimmt dabei mit niemand so vollkommen überein als mit
+SPITTA und EICHHORN.
+
+Damit ist aber die Antinomie, welche zum Skeptizismus führt, notwendig
+gegeben. Die Gemeindefeier, auf die JÜLICHER von seiner Auffassung
+der historischen Feier aus kommt, ist eine Fiktion, welche der
+wirklichen urchristlichen Mahlfeier geradezu widerspricht, da die
+letztere »keine Reproduktion der Situation von ehedem« war. Wie die
+Wiederholung aufgekommen, vermag er in keiner Weise darzuthun. »Dass
+es zunächst wohl ein inneres Bedürfnis war, bei dem Passahgedanken und
+Abschiedserinnerungen mitwirkten«: diese problematische und gewundene
+Annahme erklärt für die Wiederholung gar nichts.
+
+Nun könnte JÜLICHER durch den Wiederholungsbefehl um die Schwierigkeit
+herumkommen. Das erlaubt ihm aber sein exegetisches Gewissen nicht.
+Obwohl er ihn absolut notwendig brauchte, verzichtet er darauf,
+weil er durch die beiden ältesten Synoptiker nicht bezeugt ist.
+Seine ansprechende Auffassung ist aus der exegetischen Betrachtung
+der Berichte erwachsen. Gerade die Exegese beraubt ihn aber der
+einzigen Möglichkeit, die Wiederholung der von ihm geschilderten
+Feier im Urchristentum auch nur einigermassen begreiflich zu machen.
+Die urchristliche Feier als Reproduktion der historischen Situation
+ohne Wiederholungsbefehl ist einfach undenkbar. Also stehen wir
+hier vor einer vollständigen Selbstauflösung. Um das Aufkommen der
+urchristlichen Feier zu erklären, müsste JÜLICHER eine unabhängig von
+den Berichten gegebene Thatsache postulieren — wie EICHHORN es thut,
+um das Aufkommen des historischen Berichts fasslich zu machen.
+
+Die konsequente Geltendmachung des Darstellungsmoments führt also zu
+derselben Skepsis, wie die einseitige Herausarbeitung des Genussmoments.
+
+
+
+
+Neuntes Kapitel.
+
+=Die neue Problemstellung.=
+
+
+=1. Das Ergebnis der Untersuchung.=
+
+Die Auffassungen mit einseitiger Betonung des Genussmoments können nur
+die ~urchristliche~, nie die ~historische~ Feier erklären.
+
+Die Auffassungen mit einseitiger Betonung des Darstellungsmoments
+können nur die ~historische~, nie die ~urchristliche~ Feier erklären.
+
+Die doppelseitigen Auffassungen können die ~historische~ Feier nur in
+dem Masse erklären als sie die ~urchristliche~ nicht erklären, und
+umgekehrt.
+
+Also vermag keine dieser Auffassungen das Abendmahlsproblem zu lösen,
+da dieses gerade verlangt, ~dass beide Feiern in ihrem gegenseitigen
+Zusammenhang begriffen werden!~
+
+Durch diese Sätze werden nicht bloss die hier besonders analysierten
+Auffassungen betroffen. Diese sind nur Typen für so und so viele
+andere, die schon veröffentlicht worden sind oder noch im Zeitenschosse
+schlummern. Vergangen oder zukünftig: alle werden sie durch die obigen
+drei Sätze schon im Vorverfahren abgethan. Ehe sie überhaupt gehört
+werden können, müssen sie zuerst nachweisen, dass sie etwas anderes
+sind als eine neue Kombination von Darstellungs- und Genussmoment.
+Können sie das nicht, so sind sie von vornherein abgewiesen, denn
+dann vermögen sie das Problem nicht zu lösen. Es kommt ja nicht auf
+ihr bestimmtes Gepräge oder auf die Art, wie sie sich historisch und
+exegetisch darstellen, an, ~sondern nur auf das Verhältnis, in dem das
+Darstellungs- und das Genussmoment darin zu einander stehen.~ Alles
+andere ist Beiwerk.
+
+Jede Auffassung ist durch die Formel bedingt, welche das von
+ihr angenommene Verhältnis des Darstellungs- zum Genussmoment
+ausdrückt. Damit ist ja ihre Stellung zu den Einzelfragen — dem
+Wiederholungsbefehl, der Deutung der Gleichnisse, der Form der
+angenommenen urchristlichen Feier u.s.w. — entschieden. ~Man kann
+sie danach geradezu ausrechnen.~ Was die Verfasser dann noch von dem
+Ihrigen an geistreichen Einfällen, exegetischen Funden und genialen
+Inkonsequenzen hinzuthun, das ist alles ohne Belang. Ohne dass sie es
+wissen, folgen sie ja einem inneren Zwang. Weil sie ~müssen~, nehmen
+sie die schwersten exegetischen Hindernisse! Weil sie ~nicht anders
+können~, übersehen sie schwerwiegende historische Fragen! Weil sie die
+Verschnörkelungen am Erker nach freiem Bedünken entwerfen dürfen, sind
+sie — und die andern mit ihnen — geneigt zu vergessen, dass ihnen der
+Grundriss des Baues aufgegeben ist.
+
+Unter den gegebenen Voraussetzungen gibt es keine neuen
+Abendmahlsauffassungen mehr. Ob auch eine aus einer exegetischen
+oder historischen Beobachtung hervorwächst, kann sie im Grunde doch
+nichts anderes sein, ~als die Wiederholung oder Modifizierung einer
+schon vorhandenen, nämlich der, mit welcher sie die Formel über das
+Verhältnis der beiden Momente gemein hat.~ Wollte man sich die Mühe
+geben, den Stammbaum der vorhandenen Auffassungen aufzustellen, so
+würde es nicht schwer halten, jeder ihre Vorfahren zu entdecken.
+
+Die Darstellungen mit einseitiger Herausarbeitung des Genussmoments
+sind nur die wissenschaftlich-historische Reproduktion der
+altgriechischen Auffassung.
+
+ZWINGLI hat die römische Theorie rationalisiert und ist von JÜLICHER
+ins modern-geschichtliche übertragen worden.
+
+Die doppelseitigen Auffassungen geben die Vermittlungsversuche
+zwischen der Messe und dem griechischen Mysterium und diejenigen der
+Reformationszeit in historischer Form wieder. Man kann also ruhig
+sagen, dass alle möglichen Kombinationen der beiden Momente schon
+erschöpft sind.
+
+Mit »neuen Auffassungen« ist also nichts gethan; neu daran ist immer
+nur der Einfall, nie die Formel — ~und auf letztere kommt es allein
+an.~ Darum führt die Detailauseinandersetzung mit einer solchen neuen
+Auffassung zu gar nichts. Das für »richtig« und das für »falsch«
+Befundene hängen ja gesetzmässig zusammen: eins ist nur insofern
+richtig, als das andere falsch ist.
+
+Daran liegt es, dass Arbeiten in der Art, wie sie RUD. SCHÄFER,
+CLEMEN[11] und SCHMIEDEL zu den neuesten Aufstellungen geliefert haben,
+trotz aller abwägenden Gewissenhaftigkeit die Forschung nicht in dem
+Masse des aufgewandten Scharfsinns vorwärts bringen. Aus dem, was sie
+anerkennen, lässt sich keine neue Auffassung zusammenbauen, und das,
+was sie auszusetzen haben, reicht nicht hin, die andere zu verwerfen,
+wenn man nichts Besseres an die Stelle zu setzen hat.
+
+Diejenigen, welche unter den gegebenen Verhältnissen neue
+Abendmahlsauffassungen aufstellen, rechnen ein Exempel, das bisher nie
+hat wollen aufgehen, zum so und sovielten Male durch. Ihre Kritiker
+rechnen das Exempel zum so und sovielten Male nach. Auf geht es aber
+darum doch nicht.
+
+~Es kann nie aufgehen.~ Darum nützt es nichts, immer mit Eifer und
+Sammlung von vorn anzufangen. Man muss den Fehler nicht in der
+Rechnung, sondern im Ansatz suchen. Die bisherigen Auffassungen
+bringen es nicht über dialektische Behauptungen hinaus, welche als
+Ganzes aus den geschichtlichen Thatsachen weder zu beweisen noch zu
+widerlegen sind.
+
+~Es gilt also sich von der bisherigen Problemstellung loszumachen.~
+
+~Wo liegt der Grund des Metaphysischen in der Abendmahlsfrage?~
+
+
+=2. Der neue Weg.=
+
+Bisher galt der Satz: Um das Abendmahl zu erklären, muss man von der
+Deutung der Gleichnisse ~ausgehen~, denn diese konstituieren das Wesen
+der Feier. So suchte man sie aus dem Genuss, oder aus dem Handeln, oder
+aus beiden zusammen zu deuten — und, wenn man eine plausible Erklärung
+gefunden hatte, glaubte man den Schlüssel zum Abendmahl zu besitzen.
+
+Nun gilt es aber zwei Thüren zu öffnen: der betreffende Schlüssel passt
+aber jedesmal nur zu einer. Angenommen SPITTA und die andern deuten die
+Gleichnisse richtig auf das Urchristentum: der historischen Situation
+entspricht aber ihre Erklärung nicht. Angenommen JÜLICHER und die
+andern deuten sie richtig aus der historischen Situation: im Sinne des
+Urchristentums ist aber ihre Erklärung nicht, denn dort kommt in keiner
+Weise zum Ausdruck, dass die Handlung Jesu den Tod versinnbildlichte.
+
+Man hat aber allen Grund zu fragen, ob die Gleichnisse aus der sie
+begleitenden Handlung ~so ohne weiteres~ deutbar sind. Alle Erklärungen
+werden ja auf Umwegen erreicht! Wieso soll das Brechen des Brots die
+Kreuzigung des Leibes anzeigen? Ist diese Erklärung etwa deswegen
+einleuchtender, weil es die einzige ist, welche die begleitende
+Handlung offen lässt? Wer sagt uns, dass es die Jünger so verstanden
+haben können? In der urchristlichen und altchristlichen Epoche, ja
+eigentlich bis auf ZWINGLI weiss kein Mensch etwas von dieser Deutung.
+
+Mit dem Wort über dem Kelch steht es noch schlimmer. Hier muss man
+nämlich, um dem Gleichnis einen Sinn abzugewinnen, den Vergleichspunkt
+zur Handlung ~geradezu hinzuerfinden.~ Berichtet ist nur das
+~Herumreichen~ des Kelches. Dieses ist aber für das »~Vergiessen
+des Blutes~« nicht charakteristisch. Das einzig Erträgliche wäre
+das »~Ausgiessen in den Kelch~«. ~Obwohl nun diese Handlung in
+keinem Berichte erwähnt ist~, haben es alle exegetischen Deutungen,
+welche auf dem Darstellungsmoment beruhen, mit dem »~Ausgiessen~«
+des Weines in den Kelch zu thun. Aus der inneren Zwangslage heraus
+schaffen sie frei ein ~Analogon zum Brotbrechen~, ohne sich darüber zu
+rechtfertigen, wie sie dazu kommen, die Situation in unerlaubter Weise
+zu bereichern.
+
+Wo steht denn geschrieben, dass Jesus den Wein in den Kelch vor den
+Augen der Jünger bedeutungsvoll eingoss, wie er das Brot brach?
+Nirgends! Also beruht die exegetische Deutung des zweiten Gleichnisses
+~auf reiner Erfindung.~
+
+Gestehen wir es offen ein: es fehlt uns jegliche Anleitung zu einer
+natürlichen Deutung der Gleichnisse. Ueber Künstelei haben wir es
+dabei nicht hinausgebracht. Unser Schlüssel ist nur ein schlechter
+Nachschlüssel: er passt zur Not in das eine Schloss, aber nicht in
+beide. ~Und aus dieser Notdeutung der Gleichnisse wollen wir die ganze
+historische und urchristliche Mahlfeier erklären!~
+
+Wenn man in dieser Notlage einmal den noch einzig möglichen Ausweg ins
+Auge fasste! Es geht nicht an, ~die Feier durch die Gleichnisse zu
+erklären.~ Versuchen wir es mit dem umgekehrten Verfahren, nämlich ~die
+Gleichnisse aus der Feier zu erklären~!
+
+Freilich, am Anfang scheint das nur das letzte verzweifelte Rütteln an
+der verschlossenen Thür. Aber überlegen wir die Sache einmal ruhig.
+
+Beim Abendmahl handelt es sich um die Austeilung von Seiten Jesu, um
+den Genuss von Seiten der Jünger und um zwei Gleichnisse, welche mit
+dem Vorgang ~zusammenfallen.~ Ich sage ~zusammenfallen~! In einer
+~Situation~ können Handlungen und Reden zeitlich zusammenfallen,
+während sie in dem Bericht nur in zeitlicher Folge geschildert
+werden können, weil die Worte jedes Nebeneinander notwendig in eine
+Aufeinanderfolge auseinanderlegen.
+
+So halten unsere Berichte die Reihenfolge: Austeilung, Gleichnis,
+Genuss inne, als hätte Jesus zuerst symbolisch gehandelt, dann
+ausgeteilt, dann das erklärende Gleichnis gesprochen, worauf zuletzt
+die Jünger verständnisvoll gegessen hätten.
+
+Versucht man es aber einmal, sich den berichteten Vorgang als Scene
+vorzustellen, so merkt man bald, ~dass die säuberliche chronologische
+Folge stark illusorisch wird.~ Man denke sich die 12 Menschen,
+die wie auf eine innere Verabredung hin mit dem Essen des ihnen
+zugeteilten Stückes warten, bis Jesus das Gleichniswort gesprochen! Wie
+unnatürlich, ja unmöglich diese Scene in der gedachten chronologischen
+Folge der Handlungen ist, kann man in Oberammergau sehen, wenn sie ins
+Leben übersetzt wird! Es lässt sich kaum etwas Unnatürlicheres und
+Geschraubteres denken.
+
+Für den, welcher eine berichtete Situation mit dem Blick des Malers in
+der Wirklichkeit zu schauen vermag, bleiben nur zwei Möglichkeiten.
+Entweder hat Jesus jedem Einzelnen das Brot zugeteilt und dabei
+für jeden Einzelnen das Gleichniswort wiederholt: dann ist die
+chronologische Folge so haltbar. Oder aber, wie feststeht, er hat allen
+zusammen Brot ausgeteilt und das Gleichniswort nur einmal gesprochen:
+dann ist die chronologische Folge, mit der wir bisher operierten,
+illusorisch geworden. Sie besagt dann nur, dass Jesus im Verlauf der
+Austeilung des Brotes und während des Herumreichens des Bechers die
+Gleichnisworte vom Leib und vom Blut gesprochen! ~Ob zu Anfang, in der
+Mitte oder zu Ende, ob vor, während oder nach dem Essen und Trinken:
+das ist nicht auszumachen.~ Unsere Berichte geben uns darüber keinen
+Aufschluss.
+
+Aus der angenommenen ~chronologischen~ Folge haben die bisherigen
+Auffassungen ohne weiteres eine ~causale~ gemacht. Man sagte: Die
+Austeilung und das dabei vorkommende Brechen und Ausgiessen begründet
+das Gleichnis, das Gleichnis soll den Jüngern die Bedeutung des
+Genusses erklären, und die Bedeutung des Genusses macht das Wesen der
+Feier aus.
+
+Aus einer angenommenen zeitlichen Folge eine causale zu machen, das ist
+ein Fehler, den das menschliche Denken trotz aller Warnungen immer und
+immer wieder macht und sich dadurch die grössten Probleme schafft.
+
+~Nun zeigt die Geschichte, dass gerade diese angenommene causale Folge
+das Abendmahlsproblem unlösbar macht.~ Andererseits beschränkt sich
+unsere Kenntnis von der Situation darauf, dass Jesus im Verlauf der
+Austeilung die Gleichnisse gesprochen hat. Also machen wir uns von dem
+Vorurteil los, als ob die Gleichnisse die Feier konstituierten, und
+fassen das Problem so, ~dass die Feier die Gleichnisse erklärt.~ Anders
+ausgedrückt: Man meinte bisher, dass Jesus die Jünger aufforderte, das
+dargereichte Brot und den herumgereichten Wein zu geniessen, ~weil er
+sie als seinen Leib und sein Blut bezeichnet hatte~ (wobei freilich
+niemand sagen kann, in welchem Sinne sie mit Brot und Wein seinen Leib
+und sein Blut assen und tranken).
+
+Wir aber gehen jetzt davon aus, dass Jesus von dem Brot und dem Wein,
+die seine Jünger auf seine Darreichung hin genossen, sagt, sie wären
+sein Leib und sein Blut, ~gerade im Hinblick darauf, dass sie es auf
+seine Darreichung hin geniessen~! Sie essen also nicht seinen Leib und
+trinken nicht sein Blut, sondern, ~weil sie jenes Brot essen und jenen
+Wein trinken~, sagt er, es ~sei sein Leib und sein Blut~! Das Gleichnis
+konstituiert also die Feier nicht, sondern es erwächst aus ihr!
+
+Die Feier ist selbständig! Sie besteht darin, dass Jesus unter
+Danksagung seinen Jüngern das Brot bricht und den Kelch herumreicht und
+sie davon geniessen. Zum Wesen der Feier gehören die Gleichnisse nicht,
+sondern Jesus spricht in diesen geheimnisvollen Worten die Bedeutung
+aus, welche die Feier für ~ihn~ hat!
+
+Diese zweite Eventualität liegt gerade so gut in den Berichten wie
+die erste. Nur ging man immer an ihr vorüber, weil die chronologische
+Folge der Handlungen in der schriftstellerischen Darstellung die
+Aufmerksamkeit ganz für die erste gefangen nahm.
+
+Nun ist aber logisch festgestellt, dass die bisherige Annahme das
+Problem vollständig unlösbar macht. Also muss man es notgedrungen mit
+der zweiten probieren.
+
+Ueberdies spricht die Geschichte gerade für die zweite. Es steht fest,
+dass die Leidensgleichnisse in der urchristlichen Feier ~keine Rolle~
+spielten. Sie wurden im Verlauf der Feier in keiner Weise reproduziert!
+Dafür sprechen Didache und Paulus, denn wenn sie aus dem alltäglichen
+Verlauf der Feier bekannt gewesen wären, bliebe I Kor 11 _23_
+unverständlich, da hier dann etwas Bekanntes in geheimnisthuerischer
+Weise wiederholt würde! Es stand also im Urchristentum so: Man wusste
+wohl, dass diese Gleichnisse bei der historischen Feier gesprochen
+worden waren, die Gemeindefeier leitete sich von dieser historischen
+Feier ab: ~aber doch fühlte man kein Bedürfnis, die historischen
+Gleichnisse Jesu dabei irgendwie zu reproduzieren. Also war die
+historische Feier, sofern sie sich in der Gemeindefeier fortsetzte,
+von den Gleichnissen unabhängig~, da man sonst auch die Gleichnisse
+wiederholt hätte. Das ist durch die Geschichte bezeugt.
+
+Darum hat es das Abendmahlsproblem gar nicht mehr mit den beiden
+unmöglichen Fragen zu thun, wieso Jesus seinen Jüngern seinen Leib zu
+essen und sein Blut zu trinken gegeben habe und wie sie diese Feier
+später in entsprechender Weise reproduzierten, sondern das Problem
+selbst ist ein ganz anderes. Es heisst nicht mehr: ~Was bedeuten die
+Gleichnisse~, damit wir die Feier erklären können? sondern: ~Was
+bedeutete die Feier~, damit wir die ~Gleichnisse~ erklären können.
+
+~In welchem Sinne war die Austeilung von Brot und Wein beim letzten
+Mahl ein so überaus feierlicher Akt, der sich auf Jesu Tod bezog?~ —
+von dieser Frage hat die Untersuchung auszugehen, indem sie die
+Gleichnisse vorerst ganz bei Seite lässt. Es ist der einzige Weg zur
+Lösung des Problems.
+
+
+Fussnoten:
+
+[11] Der Ursprung des heil. Abendmahls von Lic. Dr. KARL CLEMEN. 1898.
+Hefte zur christl. Welt No. 37.
+
+
+
+
+Zweiter Teil.
+
+=Das Abendmahlsproblem auf Grund der historischen Berichte.=
+
+
+
+
+Zehntes Kapitel.
+
+=Die textkritischen Fragen.=
+
+
+=1. Cod. D. Die textkritische Hauptfrage.=
+
+Es handelt sich um den Lukasbericht (Lk 22 _15-20_). In der
+gewöhnlichen Fassung zeigt er ein eigentümliches Gepräge. Er bietet
+zunächst ein Wort über den Passahgenuss in dem zukünftigen Reiche.
+Darauf folgt ein ähnliches Wort, den Becher betreffend, welches mit
+dem synoptisch-eschatologischen Schlusswort nach Markus und Matthäus
+übereinstimmt. Nachdem so gleichsam ein erster Redegang über das Essen
+und Trinken abgeschlossen ist, kommt das Wort über dem gebrochenen
+Brot und über dem Wein als Bundesblut; bei letzterem fehlt dann das
+bei den beiden älteren Synoptikern den zweiten Akt beschliessende
+eschatologische Schlusswort.
+
+Wir haben also eine merkwürdige Doppelheit: zwei Worte das Essen, und
+zwei den Kelch betreffend. Von den beiden auf das Essen bezogenen
+Worten handelt nur das zweite von dem Genuss des Brots, während das
+erste vom Passah allgemein redet. Die Doppelheit ist also hier nicht so
+auffällig, wie in den beiden das Trinken betreffenden Worten, welche
+sich beide auf den Kelch beziehen. Das zweite nimmt sich wie ein
+Nachtrag zum ersten aus, da es ohne das eschatologische Schlusswort
+steht, die Aufforderung zum Genuss nicht enthält und überhaupt in
+dieser Form der Feier keinen abrundenden Abschluss gibt, wie es das
+altsynoptische Kelchwort thut.
+
+Als daher diese eigentümliche Doppelheit in dem Lukasbericht auffiel,
+war die natürlichste Korrektur schon gegeben: das zweite Kelchwort,
+da die Aufforderung zum Genuss schon im ersten enthalten schien,
+zu streichen, dagegen das zweite Wort über dem Brot, das in seiner
+spezifischen Eigenschaft vorher nicht erwähnt war, zu belassen, weil
+es die Aufforderung zum Genuss enthält. Es ist die Korrektur von Cod.
+D.[12] Er schliesst mit den Worten: τοῦτό ἐστι τὸ σῶμά μου (V. _19ª_).
+
+Entschliesst man sich einmal zu diesem so natürlichen Abstrich, so
+liegt gar kein Grund mehr vor, das Kelchwort mit seiner Aufforderung
+zum Trinken sich zwischen die beiden auf das Essen bezogenen Aussagen
+eindrängen zu lassen und sie unnatürlich auseinanderzureissen; man
+moduliert nach der ursprünglichen synoptischen Harmonie zurück, sodass
+das eschatologische Schlusswort beim Kelch wieder ans Ende kommt. Tritt
+dementsprechend V. _17_ und _18_ hinter _19ª_, so erhält man einen
+Bericht, der sich von dem gewöhnlichen nur dadurch unterscheidet,
+dass er vor dem Brotwort ein Wort über das Passah bringt, welches dem
+eschatologischen Schlusswort über dem Kelch nachgebildet ist. Dieses
+Verfahren findet sich bei b c.[13]
+
+~Die Entstehung des Abendmahlsberichtes des Cod. D. beruht auf
+Reflexion.~ Ueberhaupt bricht sich die Ueberzeugung immer mehr
+Bahn, dass seine Abweichungen durchweg diesen Charakter tragen.
+Eine originelle Vorstellung der historischen Feier schwebt dieser
+Berichtform gar nicht vor. Daher betrifft die Grundfrage der Textform
+des Lukas gar nicht Cod. D, sondern die gewöhnliche Lesart. Wie kommt
+Lukas dazu, den Bericht ~so ins Doppelte sich spiegeln zu lassen~,
+dass der Versuch, diese Doppelheit als auf ein Versehen zurückgehend
+zu korrigieren, sich in Cod. D notwendig einstellen musste? Diese
+Frage ist aber gar keine textkritische mehr, sondern sie hängt mit
+der Entwicklung der Feier im Urchristentum und der damit gegebenen
+Verschiebung des Bildes des historischen Mahles zusammen.[14]
+
+
+=2. Abweichende Lesarten.=
+
+Die Frage, ob in den einzelnen Fällen εὐλογήσας oder εὐχαριστήσας
+zu lesen ist, hat keine Bedeutung. Die beiden älteren Synoptiker
+gebrauchen den ersteren, Paulus, Lukas und Justin den letzteren
+Ausdruck.
+
+Der Grund der verschiedenen Lesarten in Mt 26 _26_ ist leicht
+einzusehen. Partizipien und erzählende Verben häufen sich in einer
+Weise, dass man in keinem Falle eine schwerfällige und ungriechische
+Konstruktion vermeiden kann. Ob man nun liest: λαβὼν ὁ Ἰησοῦς ἄρτον καὶ
+εὐλογήσας ἔκλασεν καὶ δοὺς τοῖς μαθηταῖς καὶ εἶπεν,[15] oder ob man
+eines der Partizipien auflöst und die Lesart erhält: λαβὼν ὁ Ἰησοῦς
+ἄρτον καὶ εὐλογήσας ἔκλασεν καὶ ἐδίδου τοῖς μαθηταῖς καὶ εἶπεν[16]
+bleibt sich gleich. Der Satz ist in jedem Falle formlos, weil er eine
+Häufung von Handlungen auf einen Moment enthält, deren zeitlicher und
+logischer Zusammenhang sich sprachlich gar nicht wiedergeben lässt. Die
+Varianten beruhen auf der empfundenen darstellerischen Schwierigkeit,
+die jeder auf eine andere Weise zu überwinden suchte.
+
+Bei Markus treten die stilistischen Schwierigkeiten nicht so sehr
+hervor. Er vermeidet nämlich die namentliche Nennung des Spenders
+und der Empfänger, wodurch die matthäische Konstruktion so besonders
+ungelenk wird.
+
+Der paulinische und der justinische Bericht sind von dieser
+Schwierigkeit befreit: sie vereinfachen die Situation, indem sie die
+Darreichung (ἔδωκεν) und die Aufforderung zum Genuss (λάβετε) auslassen.
+
+Das φάγετε in Mk 14 _22_[17] ist naive matthäische Nachbildung. Die
+alten Zeugen bieten nur λάβετε.
+
+Der Zusatz καινῆς, den einige Lesarten bei dem Wort über dem Becher in
+Mk 14 _24_[18] bieten, beruht auf naiver Nachbildung der paulinischen
+Version.
+
+
+=3. Das Ergebnis der Textkritik.=
+
+Die Verschiedenheit der Lesarten ist nicht darin begründet, dass
+die eine mit ihren Wurzeln historisch höher hinaufreicht als die
+andere. Sie gehen zum Teil aus der Schwierigkeit hervor, welche die
+betreffenden Auffassungen haben, sich ~stilistisch darzustellen.~
+Zum Teil entspringen sie der Tendenz, die Berichte einander
+~gleichzubilden.~ Dazu war es aber schon zu spät: die verschiedenen
+Typen hatten schon eine zu scharfe historische Ausprägung erhalten,
+als dass es den nachbessernden Versuchen hätte gelingen können, den
+Einheitstypus herzustellen, an dem die vorhergehende geschichtliche
+Epoche sich vergebens abgearbeitet hatte.
+
+Den letzten Versuch dieser Gleichbildung bietet der textus receptus,
+sofern er den ersten Akt bei Paulus nach Analogie mit dem matthäischen
+darstellt und dadurch eine Aufforderung zum Genuss einträgt (nehmet,
+esset), die in I Kor 11 _24_ ursprünglich fehlt.
+
+Die Aufgabe der Textkritik in der Abendmahlsfrage besteht darin, dass
+sie jeden der Berichte in seiner charakteristischen Eigentümlichkeit
+darstellt, indem sie ihn von den Spuren der versuchten litterarischen
+Gleichbildung mit andern befreit. Diese Aufgabe, so bescheiden sie
+scheint, ist von eminenter Tragweite. ~Hätte sich die Gleichbildung der
+Berichte wirklich durchgesetzt, so wäre das Abendmahlsproblem unlösbar.~
+
+
+Fussnoten:
+
+[12] D, a, ff². Die Ausgabe von WESTCOTT und HORT hat diese Lesart
+adoptiert.
+
+[13] In derselben Absicht lässt syr^{cu} Vers _20_ aus und setzt dafür
+Vers _17_ und _18_ ein.
+
+[14] Eine eingehende Darlegung der Textfragen, welche den Lukasbericht
+betreffen, findet sich in der Abhandlung von ERICH HAUPT.
+
+[15] So א (sed δούς ex ἐδίδου korrigiert ab אª) BDLZ.
+
+[16] ΑϹΓΔ.
+
+[17] Mk 14 _22_: zu λάβετε zugesetzt φάγετε (EFHM²).
+
+[18] Mk 14 _24_: τῆς διαθήκης (אBCDL).
+
+
+
+
+Elftes Kapitel.
+
+=Die Eigenart des Markusberichts= (Mk 14 _22-26_).
+
+
+Der erste Akt besteht einzig darin, dass Jesus unter Gebet das Brot
+bricht und es herumreicht; zugleich spricht er das Gleichniswort von
+seinem Leib. Es fehlt, wie bei Matthäus, das uns aus Paulus gewohnte
+ὑπὲρ ὑμῶν und über Matthäus hinaus das φάγετε.
+
+Ist so im ersten Akt die ~Aufforderung zum Genuss~ in Hinsicht auf das
+Gleichnis nicht ausdrücklich ausgesprochen, ~so fehlt sie im zweiten
+vollständig.~ Es wird zuerst berichtet, dass Jesus allen den Kelch nach
+dem Gebetswort herumgereicht habe und alle daraus getrunken haben (Mk
+14 _23_). ~Darauf erst~ spricht er das Gleichniswort von dem für viele
+vergossenen Blut (Mk 14 24).
+
+BRUNO BAUER war meines Wissens der erste, der darauf hingewiesen, dass
+Markus statt der Aufforderung zum Trinken die ~Konstatierung~ bietet,
+dass alle getrunken haben. Er sieht darin nur eine Abschwächung gegen
+Matthäus, da Markus sich scheue, die Aufforderung Jesu in vollem Umfang
+aufrecht zu erhalten.
+
+Dabei hat aber BRUNO BAUER nicht bemerkt, dass mit dieser Konstatierung
+auch die gewöhnliche chronologische Folge vom Gleichnis zum Genuss
+sich verschiebt, wodurch zugleich das uns geläufige kausale Verhältnis
+zwischen Gleichnis und Genuss aufgehoben wird. Diesem Bericht zufolge
+ist es unmöglich, dass Jesus oder die Jünger die Bedeutung des Trinkens
+~aus dem Gleichnis herleiten~, weil dieses ja erst ~auf das Trinken
+folgt~!
+
+Zu beachten ist ferner, wie das weihevoll (ἀμήν) und nachdrücklich
+gesprochene eschatologische Schlusswort von dem Neutrinken in dem Reich
+des Vaters sich eng an das Gleichniswort anschliesst! Es bildet den
+Höhepunkt der Feier (V. _25_), worauf alsbald der Aufbruch erfolgt.
+
+~Diese eigenartigen Züge des Markusberichts sind bisher nicht
+herausgearbeitet worden.~ Man hat ihn einfach nach den andern gedeutet.
+Alle Berichte, so nahm man ohne weiteres an, bieten dieselbe Thatsache.
+Beim letzten Mahl hat Jesus den Jüngern Brot und Wein so dargereicht,
+dass sie die Elemente irgendwie als seinen Leib und sein Blut assen und
+tranken. Das Fehlen des φάγετε bei Markus erklärte man daraus, dass
+es sich von selbst verstehe. Die Eigentümlichkeit des zweiten Akts hob
+man nicht einmal hervor, weil man sie — ohne sich davon Rechenschaft
+zu geben — nach Matthäus und den andern interpretierte.
+
+Diese Annahme, dass der Markusbericht im Grunde dasselbe besage wie
+die andern, ist ~eine der unbewiesenen Voraussetzungen~, mit denen die
+bisherigen Abendmahlsauffassungen operierten. Wenn wir nämlich nur den
+Markusbericht hätten, käme niemand auf den Gedanken, dass Jesus seinen
+Jüngern Brot und Wein als seinen Leib und sein Blut ausgeteilt und sie
+zum Genuss in diesem Sinne aufgefordert habe. Man würde die zeitliche
+Folge im ersten Akt nach der des zweiten auffassen und als Thatbestand
+feststellen, dass Jesus ~im Verlauf der Austeilung des Brotes das
+Gleichnis von seinem Leib und =nach= der Herumreichung des Bechers
+das Gleichnis von seinem Blut gesprochen habe.~ Wenn wir aber einen
+Bericht haben, wo Jesus dem strikten Wortlaut zufolge weder seinen
+Leib noch sein Blut zum Genuss ausgeteilt hat, so dürfen wir ihn nicht,
+als handle es sich um eine gewisse Nachlässigkeit und Sparsamkeit im
+Ausdruck, nach den andern auslegen, sondern wir müssen ihn mit ihnen
+vergleichen und eine Auseinandersetzung herbeiführen. Daraus ergibt
+sich dann die Tragweite der Abweichungen. Entweder handelt es sich
+um eine absolut ~unverständliche Schilderung~, die man, weil sie mit
+dem feststehenden Thatbestand absolut keine Verwandtschaft hat, als
+Kuriosum nicht weiter zu beachten braucht, oder — ~wir haben den
+authentischen Bericht vor uns, von dem die Untersuchung ausgehen muss.~
+Diese Alternative ist nicht zu umgehen, sobald man sich die Eigenart
+des Markusberichts klar gemacht hat.
+
+
+
+
+Zwölftes Kapitel.
+
+=Der Vergleich der Berichte.=
+
+
+=1. Das Prinzip der Gleichbildung.=
+
+Aeusserlich betrachtet zeigt sich die Eigenart des Markusberichts
+darin, dass die beiden Akte an Umfang und Gesichtspunkten verschieden
+sind. Der erste ist ganz kurz; er beschränkt sich auf das Gebetswort,
+das Brechen zum Austeilen und die Gleichnisrede; der zweite enthält
+das Gebetswort, die Austeilung, die Erwähnung des Genusses, die
+Gleichnisrede, den Hinweis auf die Heilsbedeutung des Todes und
+das eschatologische Schlusswort. Der Vergleich zeigt, dass bei
+den andern Berichten die beiden Akte in steigendem Masse einander
+~gleichgebildet werden~, sowohl dem Umfang nach, als auch hinsichtlich
+der Gesichtspunkte, die sie enthalten. Wir erhalten zwei Parallelakte,
+indem die Handlungen und Worte beim Wein genau denen beim Brot
+entsprechen.
+
+Diese Gleichbildung erfolgt entweder so, dass die Momente des zweiten
+Akts in den ersten eingetragen werden (Matthäus, Paulus, Lukas), oder
+so, dass der zweite Akt nach Analogie des ersten zusammengezogen wird
+(Justin).
+
+
+=2. Der matthäische Bericht= (Mt 26 _26-29_).
+
+Matthäus befindet sich auf dem Wege zur Gleichbildung. Durch das φάγετε
+ist die ausdrückliche Erwähnung des Genussmoments in den ersten Akt
+aufgenommen. Da im zweiten an Stelle der Konstatierung ebenfalls die
+Aufforderung zum Genuss getreten ist, so entsprechen sich beide Akte
+in diesem Punkte vollkommen. λάβετε, φάγετε· τοῦτό ἐστιν τὸ σῶμά μου.
+πίετε ἐξ αὐτοῦ πάντες· τοῦτο γάρ ἐστιν τὸ αἷμά μου. Die Gleichbildung
+ist aber noch nicht vollständig vollzogen. Dem ersten Akt fehlt ein dem
+Wort über die Bedeutung des vergossenen Bluts entsprechender Hinweis
+(τὸ περὶ πολλῶν). Auch das eschatologische Wort, welches das Gleichnis
+über dem Wein beschliesst, ist beim Brot noch nicht vertreten.
+
+Zudem zeigt das im zweiten Akt stehen gebliebene πάντες, dass hier
+eine Konstatierung in eine Aufforderung umgesetzt worden ist. Bei
+der Konstatierung muss ja notwendig erwähnt werden, dass sie alle
+davon getrunken haben. Bei der Aufforderung aber ist das πάντες
+selbstverständlich, oder — wenn es die Weihe der Aufforderung
+nachdrücklich hervorheben soll — wie kann es dann beim Brot fehlen?
+Hier wäre es wirklich gefordert, da Jesus nicht ohne weiteres annehmen
+kann, dass alle das Stückchen Brot, das er ihnen darbietet, auch
+wirklich essen, während er dem Herumgehen des Kelches mit dem Auge
+folgt. Bei Paulus, Lukas und Justin ist dann das πάντες, als nicht mehr
+von Belang, auch wirklich ausgefallen.
+
+Die Verbindung des eschatologischen Schlussworts mit dem Kelchwort nach
+rückwärts, dem Aufbruch zum Leidensweg nach vorwärts ist bei Matthäus
+noch gewahrt. Jedoch ist es mit dem Kelchwort nicht mehr durch das
+gewaltige ἀμήν in Steigerung verbunden, so dass es, wie bei Markus, den
+~Höhepunkt~ der ganzen Feier bildet, sondern es ist nur mehr eine mit
+δέ ~beigeordnete Schlussbemerkung~ (Markus ἀμήν λέγω ὑμῖν, Matthäus
+λέγω δέ ὑμῖν).
+
+So befindet sich die Gleichbildung bei Matthäus noch im Fluss. Bei
+Paulus ist sie schon viel weiter fortgeschritten.
+
+
+=3. Der paulinische Bericht= (I Kor 11 _23-26_).
+
+Hinter jedem Akt ist abschliessend angefügt: τοῦτο ποιεῖτε εἰς τὴν
+ἐμὴν ἀνάμνησιν. Durch Uebernahme eines auf die Bedeutung des Todes
+hinweisenden Worts (τὸ ὑπὲρ ὑμῶν) gleicht sich der erste Akt dem
+zweiten an. Nur das ἔκλασεν hat keine Parallele.
+
+Bei Markus und Matthäus beschloss das Wort von der Wiedervereinigung
+beim Mahl im zukünftigen Reich den Spruch über dem Becher. Nur
+scheinbar ist es bei Paulus ausgefallen. Er setzt es vielmehr als
+Abschluss ~bei beiden Akten voraus:~ ὁσάκις γὰρ ἐὰν ἐσθίητε τόν ἄρτον
+τοῦτον καὶ τὸ ποτήριον πίνητε, τὸν θάνατον τοῦ κυρίου καταγγέλλετε,
+ἄχρι οὗ ἔλθῃ (V. _26_).
+
+~Bis dass er kommt~ — darin liegt die Erwartung des Kommens des Herrn
+und des Anbruchs des Reiches. Dies darf man für die Erklärung des τοῦτο
+ποιεῖτε εἰς τὴν ἐμὴν ἀνάμνησιν nicht ausser Acht lassen. Danach ist
+die ἀνάμνησις doppelseitig: nach rückwärts eine Erinnerung an den Tod
+Jesu, nach vorwärts ein Gedenken an seine Parusie. Die Feier gilt dem
+Gekreuzigten, der als Messias bei seiner Ankunft offenbart werden wird,
+als welcher er schon jetzt durch die Auferstehung zur Rechten Gottes
+erhöht ist.
+
+Bedenkt man nun, dass die historische Relation des eschatologischen
+Schlussworts im zweiten Akt abgefallen ist, dass aber nach der
+Vorstellung Pauli beide Akte mit der Erwartung der Parusie in
+Zusammenhang stehen, so liegt es nahe, in dem τοῦτο ποιεῖτε, als
+Konstatierung oder als Wiederholungsbefehl gefasst, ~die paulinische
+Form des beiden Akten beigesetzten eschatologischen Schlussworts zu
+sehen.~
+
+Für den ersten Akt ist dies eine künstliche Angliederung, da historisch
+dieser Hinweis nur mit dem Kelchwort in Beziehung steht, wo der
+Genuss konstatiert ist; der erste Akt mit seinem ἔκλασεν ist gar
+nicht darauf angelegt. Daraus entsteht bei Paulus eine unerträgliche
+grammatikalische Verwirrung. Die Parallele zu dem ὁσάκις ἐὰν πίνητε,
+das erwartete ὁσάκις ἐὰν ἐσθίητε, fehlt in der Form des τοῦτο ποιεῖτε
+von V. _24_. Unter dem ποιεῖν kann also für den ersten Akt nur das
+erwähnte ~Brechen~ verstanden sein. Aus V. _25_ und _26_ geht aber
+hervor, dass, dem ποιεῖν des zweiten Akts entsprechend, der Genuss,
+nämlich das Essen, darunter verstanden werden muss. Grammatikalisch
+allein berechtigt wäre: so oft ihr dieses Brot brechet und diesen Kelch
+trinket; thatsächlich aber soll es bedeuten: so oft ihr dieses Brot
+esset. So ist auch das γάρ zu verstehen, welches V. _26_ mit V. _24_
+und _25_ zugleich verbindet, sofern es als Wiederholung der dort von
+Jesu gemeinten Handlung das Essen und Trinken voraussetzt.
+
+Die Gleichbildung ist also trotz des latenten Widerstandes des ersten
+Aktes erreicht. An beide Gleichnisse schliesst sich das Wort von der
+Heilsbedeutung des Todes und der eschatologische Hinweis an.
+
+Dabei entgeht Paulus durch die Form, in der er diesen Hinweis bietet,
+einer grossen Schwierigkeit. Dieses Wort ist in der ursprünglichen
+Gestalt ein ~Schlusswort.~ Fügt man es in dieser Form dem ersten Akt
+an, so wird die Handlung in der Mitte auseinander gerissen, da dann
+Jesus schon beim Brot die Feier beschliesst. Diese Schwierigkeit hat
+Lukas gefühlt, als er die paulinische Vorstellung in den synoptischen
+Bericht zu übertragen unternahm.
+
+
+=4. Der lukanische Bericht= (Lk 22 _14-20_).
+
+Lukas bringt zuerst das eschatologische Schlusswort in direkter Rede
+für beide Akte. Für das Kelchwort lag die Form der älteren Synoptiker
+vor. Er nimmt die Matthäusform, weil er die Aufforderung zum Genuss,
+welche Paulus nicht bietet, voraussetzt. Durch die Auslassung des
+Wortes vom Blut wird folgendes Kelchwort hergestellt Lk 22 _17_ u.
+_18_: καὶ δεξάμενος ποτήριον εὐχαριστήσας εἶπεν· λάβετε τοῦτο καὶ
+διαμερίσατε εἰς ἑαυτούς· λέγω γὰρ ὑμῖν ὅτι οὐ μὴ πίω ἀπὸ τοῦ νῦν ἀπὸ
+τοῦ γενήματος τῆς ἀμπέλου ἕως ὅτου ἡ βασιλεία τοῦ θεοῦ ἔλθῃ.
+
+Der Versuch nimmt sich gut aus; das διαμερίσατε hat zugesetzt werden
+müssen, damit man die später folgende Darreichung des Kelches (V.
+_20_) nicht vorwegnehme; das eingefügte γάρ stellt in Verbindung mit
+dem διαμερίσατε zur Not einen logischen Gedankenzusammenhang her;
+das καινόν (vgl. Mt 26 _29_) blieb besser weg, weil dieses Adjektiv
+nachher als erklärender Zusatz zu διαθήκη figuriert; der Farbenton der
+eschatologischen Aussage ist etwas verblasst (Matthäus ἕως τῆς ἡμέρας
+ἐκείνης ὅταν αὐτὸ πίνω μεθ' ὑμῶν καινὸν ἐν τῇ βασιλείᾳ τοῦ πατρός μου·
+Lukas ἕως ὅτου ἡ βασιλεία τοῦ θεοῦ ἔλθῃ).
+
+Schwieriger war die Formulierung des eschatologischen Schlussworts für
+den ersten Akt, da hier kein behauenes Material vorlag und das Wort
+über dem Brot seinen Widerstand gegen die aufgezwungene Verbindung mit
+irgend einem eschatologischen Hinweis schon bei Paulus hinreichend
+bekundet hatte. Ein einziger Ausweg bot sich dar: das eschatologische
+Schlusswort, da es einmal für die Handlung des Essens gefordert war,
+auf die ganze Mahlzeit zu beziehen. Dieser Fassung kam der Gedanke
+zu Hülfe, dass möglicherweise die historische Feier ein Passahmahl
+gewesen; das neukonstruierte eschatologische Schlusswort für das Essen
+bezieht sich bei Lukas also auf das Passahmahl, das Jesus mit den
+Seinen feiert. _15_ καὶ εἶπεν πρὸς αὐτούς· ἐπιθυμίᾳ ἐπεθύμησα τοῦτο τὸ
+πάσχα φαγεῖν μεθ' ὑμῶν πρὸ τοῦ με παθεῖν· _16_ λέγω γὰρ ὑμῖν ὅτι οὐ μὴ
+φάγω αὐτὸ ἕως ὅτου πληρωθῇ ἐν τῇ βασιλείᾳ τοῦ θεοῦ.
+
+Die Benutzung des Passahgedankens ermöglicht Lukas, eine Mahlfeier
+darzustellen, ~bei der sowohl das Essen als das Trinken einen
+eschatologischen Hinweis erhalten.~ Dabei wird aber die historische
+Feier auseinandergerissen! Zuerst kommen die beiden eschatologischen
+Worte; sie werden in den Verlauf der Passahmahlzeit gerückt. Das erste
+bildet zugleich eine stimmungsvolle Einleitung. Von dem Wort über dem
+Brot wird dadurch nichts vorausgenommen: nur mit dem Wort über dem
+Becher hat es seine Schwierigkeit. Um das Kelchwort, welches dann bei
+der eigentlichen historischen Feier eintritt, von dem vorhergehenden,
+welches im Rahmen des Passahmahls verlief, genau abzuheben, wird es
+in der paulinischen Form berichtet: τὸ ποτήριον μετὰ τὸ δειπνῆσαι
+λέγων· τοῦτο τὸ ποτήριον ἡ καινὴ διαθήκη ἐν τῷ αἵματί μου: soweit
+geht die Uebereinstimmung. Nun ist aber der eschatologische Hinweis
+nach Paulus (I Kor 11 _24_ u. _25_ τοῦτο ποιεῖτε etc.) schon beim
+ersten Passah-Kelchwort verbraucht; deswegen wird hier nach Matthäus
+zurückmoduliert und τὸ ὑπὲρ ὑμῶν ἐκχυννόμενον eingesetzt; aus diesem
+Grunde war schon an Stelle des paulinischen ἐν τῷ ἐμῷ αἵματι das
+altsynoptische ἐν τῷ αἵματί μου eingetreten.
+
+Der erste Akt wird nach Paulus beschrieben; aus den Synoptikern ist die
+ausdrückliche Erwähnung der Darbietung (ἔδωκεν-διδόμενον) eingedrungen.
+Das τοῦτο ποιεῖτε ist stehen geblieben, weil das eschatologische Wort
+hinsichtlich des Essens sich auf das Passahmahl allgemein bezieht.
+
+Der Bericht des Lukas erklärt sich litterarisch einfach als ein
+Versuch, die bei Paulus erreichte Gleichbildung der beiden Akte
+unter Zuhülfenahme des Zusammenhangs der historischen Feier mit dem
+Passahmahl in die synoptische Geschichtserzählung zurückzutragen.
+Daraus resultiert dann folgender Verlauf der Feier: Jesus weist zu
+Anfang des Passahmahls darauf hin, dass er es erst im Gottesreiche
+wieder mit den Jüngern feiern wird. Solches wiederholt er beim ersten
+Herumreichen des Kelches. Bei einer Brotdarreichung im Verlaufe der
+Feier spricht er das Gleichnis von seinem Leibe, desgleichen beim Kelch
+das Gleichnis von seinem Blute. Beide Akte sind absolut gleich durch
+die Geltendmachung des Heilswertes der Dahingabe (V. _19_ τὸ ὑπὲρ
+ὑμῶν διδόμενον, V. _20_ τὸ ὑπὲρ ὑμῶν ἐκχυννόμενων). Auch bei dieser
+Gleichbildung geht es ohne stilistische Härte nicht ab, sofern nämlich
+im zweiten Akt von einem vergossenen Kelch die Rede ist, während das
+Blut gemeint ist.
+
+Wie bei Paulus werden beide Akte durch das τοῦτο ποιεῖτε abgeschlossen.
+Wir haben also eine bis auf den gemessenen Rythmus in der Sprache sich
+erstreckende Gleichbildung. Freilich ist dabei der Schluss der Feier
+verloren gegangen. Das stolze Wort von dem Wiedertrinken in des Vaters
+Reich ist schon für den Anfang der Passahfeier verbraucht, statt dass
+es, wie bei Markus und Matthäus, zum Aufbruch überleitet. Dafür finden
+hier die Episoden von der Bezeichnung des Verräters, dem Rangstreit
+und der Verwarnung des Petrus ihren Platz (Lk 22 _21-38_), wobei die
+Schilderung des feierlichen Aufbruchs nach dem Lobgesang (Mk 14 _26_
+= Mt 26 _30_) unterbleibt. »Er ging nach seiner Gewohnheit an den
+Oelberg« (Lk 22 _39_: καὶ ἐξελθὼν ἐπορεύθη κατὰ τὸ ἔθος εἰς τὸ ὄρος τῶν
+ἐλαιῶν).
+
+Eine originelle Auffassung von dem Wesen der historischen Feier liegt
+dieser Darstellung nicht zu Grunde. In keinem Falle ist sie aus dem
+Bestreben hervorgegangen, die Trennung des »Abendmahls« von der
+gemeinsamen religiösen Mahlzeit, welche bei Paulus angebahnt sein
+soll, historisch zu begründen! Dieser formlose Bericht ist nur aus dem
+Prinzip παρηκολουθηκότι ἄνωθεν πᾶσιν ἀκριβῶς καθεξῆς γράψαι(Lk 1 3) zu
+erklären.
+
+Es ist daher nicht zu erwarten, dass durch Streichung oder
+Versversetzung aus der lukanischen Darstellung sich ein Bericht
+gewinnen lässt, der auf eine originelle ältere Vorstellung der
+historischen Feier zurückgeht. Mehr als durch solche Versuche wird
+man dem Wert der lukanischen Darstellung gerecht, wenn man das
+schriftstellerische Geschick, das ästhetische Feingefühl und den
+liturgischen Schwung würdigt, von denen diese Schilderung Zeugnis gibt.
+
+
+=5. Der justinische Bericht= (I Apol. 66).
+
+Hier vollzieht sich die Gleichbildung durch Verkürzung des zweiten Akts
+nach Analogie des ersten. Die berichtete Feier beschränkt sich auf zwei
+rätselhafte Worte Jesu. Nach einem Dankgebet über dem Brot spricht er:
+»dies ist mein Leib«, desgleichen beim Kelch: »dies ist mein Blut«
+(τὸν Ἰησοῦν λαβόντα ἄρτον εὐχαριστήσαντα εἰπεῖν· τοῦτο ποιεῖτε εἰς τὴν
+ἀνάμνησίν μου, τοῦτό ἐστι τὸ σῶμά μου. καὶ τὸ ποτήριον ὁμοίως λαβόντα
+καὶ εὐχαριστήσαντα εἰπεῖν· τοῦτό ἐστι τὸ αἷμά μου).
+
+Es fehlt das Brechen des Brots, der Hinweis auf den Wert der Dahingabe
+und die Hervorhebung des erwarteten oder erfolgten Genusses im zweiten
+Akt. Auch das eschatologische Schlusswort ist ausgefallen. Nur beim
+ersten Akt findet sich das τοῦτο ποιεῖτε in der paulinischen Form,
+wobei aus τὴν ἐμὴν ἀνάμνησίν (I Kor 11 _24_) τὴν ἀνάμνησίν μου geworden
+ist.
+
+Hier steigert sich aber der Widerstand des ersten Akts gegen einen
+derartigen Eintrag bis zur Unerträglichkeit. Worauf soll sich das
+ποιεῖν beziehen? Auf das vorausgehende Gebetswort? Das Brechen ist
+nicht erwähnt, der Genuss vorausgesetzt, aber nicht hervorgehoben. So
+ist das τοῦτο ποιεῖτε hier für die grammatikalische Auslegung sinnlos
+und die Erwähnung desselben ~bei dem ersten Akt allein~ unverständlich.
+
+Bei dieser verkürzten Darstellung ist die ganze historische Situation
+interesselos geworden. Zwar erwähnt Justin Dial. 41, 70 und 117, dass
+in der Gemeindefeier auch die Erinnerung an Jesu Tod mit hereinspielt.
+In seinem Bericht aber fehlt jede Andeutung, dass dieses Mahl in der
+Nacht vor dem Tod stattgefunden hat.
+
+Aus dem »justinischen Bericht« allein wüssten wir also nur, dass Jesus
+bei einem Mahle, nachdem er das Dankgebet über dem Brot gesprochen,
+seinen Jüngern geboten habe, diesen Brauch zur Erinnerung an ihn
+festzuhalten; danach habe er fortfahrend das gesegnete Brot als seinen
+Leib und den gesegneten Kelch als sein Blut bezeichnet.
+
+
+
+
+Dreizehntes Kapitel.
+
+=Die Authentie des Markusberichts.=
+
+
+=1. Der Beweis.=
+
+Authentisch ist ein Bericht, ~welcher in keiner Weise durch die
+Vorstellung von der Gemeindefeier beeinflusst ist.~ Der Markusbericht
+ist authentisch, weil sich dieser Nachweis für ihn führen lässt.
+
+Worauf beruht die ~Gleichbildung der beiden Akte~, welche alle
+andern Berichte, wenn auch der Art und dem Grad nach verschieden,
+im Unterschied zu Markus aufweisen? Auf dem Einfluss, welchen die
+altchristliche Feier auf die Vorstellung der historischen ausübt. Die
+Gemeindefeier war eine Mahlzeit, bei der dem Essen dieselbe Bedeutung
+zukam wie dem Trinken. Ganz natürlich übertrug sich dies auf die
+historische Feier. Man wusste also nicht anders, als dass Jesus beim
+Brot und beim Wein in genau entsprechender Weise gehandelt und geredet
+haben musste, sofern in der abgeleiteten Feier die gleiche Wertung des
+Essens wie des Trinkens konstatiert wurde. So war die Gleichbildung der
+beiden Akte für die historische Feier von der urchristlichen gefordert.
+
+Besässen wir nun den Markusbericht nicht, so würden wir an der
+Gleichheit der beiden Akte nichts Besonderes finden, da dies auch
+unserem Empfinden als das Natürlichste erscheint. Alle modernen
+Rekonstruktionsversuche der »ursprünglichen Einsetzungsworte« vertreten
+die Gleichbildung ebenfalls. Wir sind also auch geneigt, die Gleichheit
+der beiden Akte ohne weiteres für selbstverständlich zu halten.
+
+Nun zeigt aber der Markusbericht, dass die Gleichheit der beiden
+Akte nicht selbstverständlich ist. Also muss man entweder für die
+Ungleichheit derselben bei ihm oder für die Gleichheit bei den andern
+eine Erklärung suchen. Dabei ergibt sich, dass man wohl die andern
+aus dem Markusbericht ableiten kann, ~nicht aber umgekehrt.~ Matthäus
+und Paulus — der Lukasbericht ist ein rein litterarisches Produkt
+— stellen die Feier nach dem zweiten Akt des Markus dar, Justin
+nach dem ersten. Bringt man bei jedem die Gleichbildung der beiden
+Akte entsprechend in Abrechnung, wozu die grammatikalischen Härten
+und Unmöglichkeiten Anweisung geben, ~so erhält man jedesmal den
+Markusbericht.~
+
+Dabei zeigt sich in der Gleichbildung der beiden Akte noch eine
+gewisse Entwicklung. Dass sie bei Matthäus noch nicht vollständig
+durchgeführt ist, lässt erkennen, dass die Gleichheit der Akte nicht
+das Ursprüngliche ist. Also muss sie ihren Grund in der historischen
+Anschauung der alten Zeit haben, welche diese Berichte ~formuliert~
+hat. Da dieser allein in dem Mahlzeitcharakter der Essen und Trinken
+gleichwertenden Gemeindefeier gegeben sein kann, steht fest, ~dass
+diese Berichte durch das Medium der altchristlichen Auffassung der
+Gemeindefeier hindurchgegangen sind. Markus steht ausserhalb dieses
+Prozesses, weil er die Gleichbildung nicht aufweist; also ist er
+authentisch.~
+
+Dass die Vorstellung der historischen Feier bei Paulus und Justin
+in einem sehr hohen Masse durch die Auffassung der Gemeindefeier
+bedingt ist, liegt auf der Hand. Der historische Bericht ist bei ihnen
+ja nur Mittel zum Zweck. Er soll eine bestimmte Anschauung von der
+Gemeindefeier vertreten. Die Art, wie sie beide in Verbindung setzen,
+geht weit über unsere Begriffe hinaus. Wir verstehen die Gemeindefeier
+immer nur als eine entsprechende ~Wiederholung~ der historischen,
+sofern sie aus der letzteren begründet wird. Paulus und Justin setzen
+beide gleich, indem sie die Gemeindefeier mit der historischen Feier
+gegeben sein lassen. Dabei entstehen dann Gedankengänge, die für uns
+ganz überraschend sind.
+
+Es handelt sich um I Kor 11 _26_. In V. _24_ und _25_ vollzieht Jesus
+die Einsetzung. Wer redet in V. _26_? Das γάρ, sofern es sich zum
+Vorhergehenden begründend verhält, schliesst den Subjektswechsel aus.
+Der Ausdruck τὸν θάνατον τοῦ κυρίου zeigt aber an, dass die historische
+Situation verlassen ist und Paulus von der Gemeindefeier redet. Dazu
+passt aber das γάρ nicht, denn was für die Gemeindefeier gilt, ist
+nicht eine ~Begründung~ zu den Worten Jesu, sondern eine ~Folgerung~
+aus dem historischen Spruch. In diesem Satz vollzieht also Paulus den
+Uebergang von der historischen Feier zur Gemeindefeier so, dass er
+beide für einen Augenblick gleichsam zusammenschiebt.
+
+Darum schmilzt er zwei Sätze, von denen der erste der historischen
+Situation, der zweite der Darlegung über die Gemeindefeier angehört,
+ineinander.
+
+ 1. Jesus zu den Jüngern im Anschluss an die Gleichnisse: »denn
+ (γάρ) so oft ihr von diesem Brot esset und von diesem Wein
+ trinket, verkündet ihr meinen Tod, bis dass ich komme.«
+
+ 2. Paulus der Gemeinde das Wesen ihrer Feier aus der historischen
+ erklärend: »Darum (ὥστε), so oft ihr von diesem Brot esset und
+ von diesem Wein trinket, verkündet ihr des Herrn Tod, bis dass er
+ komme.«
+
+Justin bietet ein Seitenstück zu diesem schillernden Uebergang. Er
+fasst in der berühmten Darlegung I Apol. 65 und 66 die historische
+Feier und die Gemeindefeier in einem gemeinsamen Ausdruck zusammen,
+indem er sie bezeichnet als: ἡ δι' εὐχῆς λόγου τοῦ παρ' αὐτοῦ (sc.
+Jesu) εὐχαριστηθεῖσα τροφή. Dieser Ausdruck bekundet eine Gleichsetzung
+der beiden Feiern, die weit über unseren Begriff der entsprechenden
+Wiederholung hinausgeht. Die Speise bei der Gemeindefeier ist, wie bei
+der historischen, durch Jesu Gebetswort geheiligt. Ein Unterschied
+besteht also nicht.
+
+Was die Gleichbildung der beiden Akte anzeigt, wird durch die
+Argumentierung, mit welcher Paulus und Justin die Gemeindefeier mit
+der historischen Feier verbinden, bestätigt: Sie sehen die historische
+Feier nur in der Beleuchtung der Gemeindefeier.
+
+Solange die Textvergleichung ausschliesslich auf die Entdeckung der
+wahrscheinlichsten und ansprechendsten Form der ~Einsetzungsworte~
+ausging, bestand die Vorstellung der Möglichkeit einer paulinischen
+oder justinischen Sondertradition zu Recht, da beide »die
+Einsetzungsworte« in sowohl unter sich unabhängigen als von den beiden
+älteren Synoptikern grundverschiedenen Fassungen boten. Prüft man aber
+die ~Berichte als Berichte~, frägt man sie, ohne den verlockenden
+Anpreisungen ihrer »Einsetzungsworte« Gehör zu geben, was sie von
+dem Verlauf und dem Wesen des gesamten historischen Vorgangs, bei
+welchem diese Gleichnisse geredet wurden, wissen, dann ist es mit der
+Scheinoriginalität aus. Es zeigt sich, dass sie sich die historische
+Feier der ihnen geläufigen Gemeindefeier entsprechend vorstellen,
+nur dass Jesus dabei Speise und Trank austeilt und die bekannten
+Gleichnisse redet. Also geht auch ihre Fassung »der Einsetzungsworte«
+nicht auf eine paulinische oder justinische Sondertradition zurück,
+sondern sie ist geschichtlich aus der vorausgesetzten Gemeindefeier zu
+erklären. Paulus und Justin differieren in ihren »Einsetzungsworten«,
+weil und insofern die justinische von der paulinischen Gemeindefeier
+differiert. Zwischen beiden muss in der Auffassung der Feier eine
+Wandlung eingetreten sein.
+
+So führt die neue Problemstellung eine neue Auffassung der Authentie
+mit sich, welche sich nicht mehr auf ~Meinungen, sondern auf Gesetze~
+gründet. Als authentisch gilt nicht mehr die kürzeste oder scheinbar
+klarste Relation »der Einsetzungsworte«, ~sondern die Darstellung des
+gesamten historischen~ Vorgangs, für welche eine Beeinflussung durch
+die Gemeindefeier nicht nachgewiesen werden kann, ob uns nun die
+betreffende »Einsetzungsformel« zusagt oder nicht.
+
+Bisher galt es für interessant, mit einer gewissen skeptischen
+Nonchalance die Behauptung hinzuwerfen, dass wir über die Authentie
+der Berichte niemals etwas wissen können. Selbst wenn unter unseren
+Berichten ein authentischer sich befände, so hätten wir doch kein
+Mittel, ihn unter den andern herauszufinden. Durch die neue Auffassung
+der Authentie ist diese Skepsis abgethan. Wir besitzen einen
+authentischen Bericht. Wer es bestreiten will, muss nachweisen, dass
+der Markusbericht ein durch die andern Darstellungen desavouiertes
+Phantasieprodukt ist. Authentisch oder sinnlos: das ist die einzig
+offene Alternative.
+
+
+=2. Die Folgerungen aus der Authentie des Markusberichts.=
+
+Die neue Auffassung der Authentie bezeichnet den ersten Erfolg der
+neuen Problemstellung. Er öffnet dem neuen Lösungsversuch den Weg.
+Jesus forderte die Jünger auf, seinen Leib zu essen und sein Blut zu
+trinken: dieser angenommene gemeinsame Thatbestand aller Berichte
+schien den Weg zu versperren. Durch die Authentie des Markusberichts
+wird aber dieser Scheinthatbestand ausser Kraft gesetzt. Es ist
+historisch bestätigt, was aus der Kritik der modernen Auffassungen
+geschlossen wurde: Jesus hat seine Jünger nicht aufgefordert, seinen
+Leib und sein Blut zu geniessen, sondern er hat die Gleichnisworte im
+Verlauf, nicht vor dem Genuss gesprochen. Das Kelchwort kommt erst,
+nachdem alle getrunken haben!
+
+Also haben wir einen Bericht, bei dem das Wesen der Feier nicht auf den
+Gleichnissen, sondern auf dem feierlichen Vorgang beruht. Das hatte die
+neue Problemstellung gefordert. Nun ist es Thatsache geworden. ~Also
+ist das Abendmahlsproblem für die historische Kritik lösbar.~
+
+
+=3. Das Messianitäts- und Leidensgeheimnis im Abendmahl.=
+
+Die Bedeutung der Darreichung der Genusselemente bleibt vorerst
+rätselhaft. Nur das Negative ist klar, dass nämlich die Gleichnisse
+nicht aus der symbolischen Handlung des Brechens und aus dem
+vorausgesetzten Ausgiessen des Weins an sich erklärt werden dürfen.
+Das darstellende Moment spielt in den Berichten keine Rolle und
+verschwindet zuletzt ganz, wie der justinische Text zeigt, wo das
+Brechen nicht einmal mehr erwähnt wird.
+
+Wollte man die Gleichnisse nach dem authentischen Markustext deuten, so
+müsste man das erste aus dem Brechen, das zweite aus der Thatsache,
+dass alle Jünger getrunken haben, erklären. Man bekäme also zwei ganz
+verschieden geartete Gleichnisse.
+
+Die Gleichnisse vom Leib und Blut müssen aber irgendwie den
+Leidensgedanken enthalten. Dass Jesus damit das Geheimnis seines
+Leidens zum letztenmal ausgesprochen hat, ist in den Umständen dieses
+letzten Zusammenseins gegeben. Wenn wir also die Gleichnisse nicht
+richtig zu verstehen vermögen, kann dies nur daran liegen, dass wir das
+~Geheimnis des Leidensgedankens~ falsch auffassen.
+
+Nun ist es die Eigentümlichkeit aller modern-historischen
+Abendmahlsauffassungen, dass sie in der Feier ~den eschatologischen
+Gedanken~ nicht zur Geltung bringen. Sie verwenden das Wort von dem
+Neutrinken in des Vaters Reich nicht als eine das Wesen jenes letzten
+Mahls mitkonstituierende Aussage, sondern machen daraus bestenfalls ein
+Anhangswort.
+
+Im Markustext nimmt es aber eine Hauptstellung ein. Es ist das mit
+erhobener Stimme feierlich und eindringlich gesprochene Schlusswort
+der Feier. Dabei hängt es mit dem Wort vom vergossenen Blut eng und
+unzertrennlich zusammen, so dass es mit ihm einen einzigen Gedanken
+zu bilden scheint. ~Diese enge Verbindung zwischen dem Todes- und
+Wiederkunftsgedanken ist charakteristisch für den zweiten Akt der
+Situation bei Markus.~
+
+Demselben Zusammenhang begegnen wir aber auch bei Paulus und zwar in
+beiden Akten. Nach ihm — und er beruft sich dabei ausdrücklich auf den
+historischen Hergang — besteht die Bedeutung des Essens und Trinkens
+irgendwie in der Verkündigung des Todes des Herrn zugleich mit der
+Erwartung seiner Parusie. »So oft ihr dieses Brot esset und diesen Wein
+trinket, verkündigt ihr den Tod des Herrn, bis dass er komme.«
+
+In der authentischen Relation der historischen Feier und in der
+ältesten Relation der Gemeindefeier haben wir also beidemal
+eine organische Verbindung zwischen dem Leidensgedanken und der
+eschatologischen Erwartung. Es ist daher falsch, das Wesen der Feier
+in der letzten Aussprache des Todesgedankens allein zu finden.
+~Nicht von seinem Tod, sondern von seinem Tod und der baldigen
+Wiedervereinigung mit ihnen beim Mahle im neuen Reich~ hat Jesus zu
+den Seinen geredet. Das Geheimnis seines Todes, welches bei dieser
+Feier in der ergreifendsten und erhebendsten Weise zum letztenmal
+von Jesus ausgesprochen wurde, enthält den Leidensgedanken im engsten
+Zusammenhang mit der eschatologischen Erwartung.
+
+Die modern-historischen Abendmahlsauffassungen sind also unhistorisch,
+weil der Leidensgedanke, mit dem sie operieren, keinen Zusammenhang
+mit der Eschatologie aufweist. Darum können sie den wesentlichen
+Grundzug der historischen Feier und der ältesten Gemeindefeier nicht
+zum Ausdruck bringen. Um das Wesen des letzten Mahles zu begreifen,
+bedarf es daher eines Einblicks in den eschatologischen Charakter des
+Leidensgeheimnisses Jesu. Diesen kann man nicht aus der Feier selbst
+gewinnen, da Jesus dort das Geheimnis im Gleichnis ausspricht. Das
+Gleichnis aber vermögen wir nicht zu deuten.
+
+~Beim letzten Mahl handelt Jesus als Messias, und zwar als leidender
+Messias.~ Wenn wir sein Handeln nicht verstehen, so liegt dies mithin
+daran, dass wir sein Messianitäts- und Leidensgeheimnis falsch
+verstehen. Das Abendmahl kann nur aus dem Zusammenhang des Lebens Jesu
+begriffen werden. Unsere Abendmahlsauffassungen sind falsch — ~also
+ist die Auffassung des Lebens Jesu, welche uns dazu geführt hat, auch
+falsch.~
+
+Das Abendmahlsproblem ist das Problem des Lebens Jesu! Eine neue
+Abendmahlsauffassung kann nur aus einer neuen Auffassung des Lebens
+Jesu hervorwachsen, welche das Messianitäts- und Leidensgeheimnis so
+enthält, dass sein feierliches Handeln beim letzten Mahle begreiflich
+und verständlich wird. ~Ein neues Leben Jesu:~ das ist der einzige Weg
+zur Lösung des Abendmahlsproblems.
+
+
+
+
+Anmerkungen zur Transkription:
+
+Die erste Zeile entspricht dem Original, die zweite Zeile enthält die
+Korrektur.
+
+
+S. XV:
+
+ 3. Das Ergebnis des Textkritik
+ 3. Das Ergebnis der Textkritik
+
+S. 13:
+
+ Vergleiche zum folgenden den verhängnisvollen Vortrag
+ Vergleiche zum Folgenden den verhängnisvollen Vortrag
+
+S. 17:
+
+ sondern auf einer eschatologichen Vorstellung vom Endmahl
+ sondern auf einer eschatologischen Vorstellung vom Endmahl
+
+S. 25:
+
+ wenn der Fall an sie herantritt, im stande seien, ihrerseits ihre Seele
+ wenn der Fall an sie herantritt, imstande seien, ihrerseits ihre Seele
+
+S. 54:
+
+ τοῦτο τὸ ποτήριον ἡ καινὴ διαδήκη ἐν τῷ αἵματί μου
+ τοῦτο τὸ ποτήριον ἡ καινὴ διαθήκη ἐν τῷ αἵματί μου
+
+
+
+
+
+End of the Project Gutenberg EBook of Das Abendmahl im Zusammenhang mit dem
+Leben Jesu und der Geschichte des Urc, by Albert Schweitzer
+
+*** END OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK 44366 ***
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+<div>*** START OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK 44366 ***</div>
+
+<div class="transnote">
+<h3>Anmerkungen zur Transkription:</h3>
+
+<p>Schreibweise und Interpunktion des Originaltextes wurden übernommen;
+lediglich offensichtliche Druckfehler wurden korrigiert. Eine <a href="#Anmerkungen_zur_Transkription">Liste</a> der
+vorgenommenen Änderungen findet sich am Ende des Textes.</p>
+</div>
+<hr class="full" />
+
+<div class="title">
+<h1>
+Das Abendmahl<br />
+<br />
+<small>im</small><br />
+<br />
+Zusammenhang mit dem Leben Jesu<br />
+<br />
+<small>und der</small><br />
+<br />
+Geschichte des Urchristentums</h1>
+<p class="center p2">
+<small>von</small><br />
+<br />
+<b>Lic. Dr. Albert Schweitzer</b><br />
+<br />
+<small>in Strassburg i. E.</small></p>
+<hr class="tb" />
+<p class="center p2">
+Erstes Heft.<br />
+<br />
+<big><b>Das Abendmahlsproblem</b></big><br />
+<br />
+auf Grund<br />
+der wissenschaftlichen Forschung des 19. Jahrhunderts<br />
+und der historischen Berichte.</p>
+<div class="figcenter">
+<img src="images/image.jpg" width="100" height="123" alt="illustration" />
+
+</div>
+
+<p class="center p4">
+<b>Tübingen</b> und <b>Leipzig</b>.</p>
+<p class="center">
+Verlag von <em class="gesperrt">J. C. B. Mohr</em> (Paul Siebeck).</p>
+<p class="center">1901.
+</p>
+</div>
+
+<hr class="full" />
+<div class="frontpage">
+<hr class="tb" />
+<p class="center">
+<i>Das Recht der Uebersetzung in fremde Sprachen behält sich<br />
+die Verlagsbuchhandlung vor.</i></p>
+<hr class="tb" />
+<p class="p6 center">
+C. A. Wagner's Universitätsbuchdruckerei in Freiburg i. B.
+</p>
+</div>
+
+<hr class="full" />
+<div class="frontpage">
+<p class="center">
+Seinem Lehrer</p>
+<p class="center">
+Herrn Prof. D. Dr. <b>H. J. Holtzmann</b><br />
+<br />
+<small>gewidmet</small><br />
+<br />
+in aufrichtiger Verehrung und treuer Anhänglichkeit<br />
+<br />
+von seinem dankbaren Schüler<br />
+<br />
+<b>Albert Schweitzer</b>.
+</p>
+</div>
+<hr class="full" />
+<div class="chapter">
+<p><span class="pagenum"><a name="Seite_v" id="Seite_v">V</a></span></p>
+
+<h2><strong><em class="gesperrt">Vorrede</em> zu einer neuen Untersuchung über das Abendmahl.</strong></h2>
+
+<p class="p2">Der Anstoss zu der vorliegenden Arbeit ging von <span class="smcap">Schleiermacher</span>
+aus. Im Jahre 1897 erhielt ich nämlich als Thema für
+meine schriftliche Examensarbeit folgende Aufgabe gestellt: Die
+Abendmahlslehre <span class="smcap">Schleiermacher</span>'s soll dargestellt und mit
+den im neuen Testament und in den Bekenntnisschriften niedergelegten
+Auffassungen verglichen werden.</p>
+
+<p>Ich hatte mich bis dahin mit der Abendmahlsfrage gar nicht
+beschäftigt und war über die neuesten Forschungen in keiner
+Weise orientiert, hatte auch keine Zeit dies nachzuholen, weil die
+Arbeit innerhalb acht Wochen abgeliefert werden musste. So
+war ich einzig auf die Texte und die bekenntnismässigen Formulierungen
+der verschiedenen Konfessionen angewiesen.</p>
+
+<p>Die <span class="smcap">Schleiermacher</span>'sche Dialektik ersetzte mir aber alles.
+Sie zergliedert nämlich das Problem so, dass es als Ganzes und
+zugleich in allen Details vor einem steht. Man braucht nur geschichtlich
+Ernst zu machen mit dem dialektischen Spiel, das er
+mit vollendeter Kunst zur Beruhigung und Versöhnung der
+Geister und zugleich zu seinem eigenen ästhetischen Ergötzen
+aufführt, dann ist man genau auf dem Standpunkt der modernen
+historischen Forschung angekommen.</p>
+
+<p>Ein Satz besonders ist hier entscheidend. In § 139 <span
+class="antiqua">3</span> der Glaubenslehre redet er vom äusseren
+Verlauf unserer Feier und zeigt, wie wir uns bei der Reproduktion der
+historischen Umstände naturgemäss auf das Wesentliche beschränken
+müssen. Wollte man z. B. einen bedeutenden Nachdruck auf den
+Zusammenhang, in welchem das historische Mahl mit dem Passahmahl
+stand, legen, so würde man alsbald zur Folgerung gedrängt werden,
+&bdquo;dass das Abendmahl jetzt nicht mehr das sein könne,
+als was es Christus
+<span class="pagenum"><a name="Seite_vi" id="Seite_vi">VI</a></span> gestiftet habe und also auch wohl nicht
+könne von ihm als eine selbständige und immer dauernde Institution für
+die Kirche verordnet sein&ldquo;. &bdquo;Dieses Bedenken&ldquo;, so
+fährt er dann fort, &bdquo;liegt so nahe, <em class="gesperrt">dass
+es sich leicht in der evangelischen Kirche lautbarer machen kann, als
+bisher der Fall gewesen</em>, und veranlasst natürlich die Frage,
+worauf unser Glaube in dieser Sache eigentlich beruhe. Schwerlich wird
+sich behaupten lassen, dass aus den uns aufbewahrten Worten Christi <em
+class="gesperrt">diese Absicht ganz bestimmt hervorgehe.</em> Vielmehr
+enthalten einige unserer Erzählungen gar <em class="gesperrt">keinen
+solchen Befehl</em> (Markus und Matthäus), und in den andern ist er nur
+unbestimmt ausgedrückt (Lukas und Paulus); und da die Apostel aus den
+Worten Christi beim Fusswaschen keinen solchen Befehl entnommen haben,
+so <em class="gesperrt">hätten sie auch Recht gehabt, aus dem Abendmahl
+ebensowenig eine bestimmte und allgemeine Institution zu machen!</em>
+Da nun aber offenbar ist, dass sie das eine gethan haben und das andere
+nicht, so können wir uns an das halten, <em class="gesperrt">was sie
+eingerichtet haben,</em>, ohne dass wir zu entscheiden brauchten, ob
+Christus ihnen über das Abendmahl noch andere ausdrückliche Anweisungen
+gegeben, oder ob sie dieselben aus seinen Worten gefolgert oder nur
+durch den unmittelbaren Eindruck der Sache und durch die begleitenden
+Umstände anders bestimmt worden sind in Bezug auf das Abendmahl als
+in Bezug auf das Fusswaschen. In dem letzten Fall würden wir dann
+das Abendmahl nur nicht ganz in demselben Sinn als eine unmittelbare
+Einsetzung Christi ansehen können, immer aber doch glauben müssen, dass
+sie in seinem Sinn gehandelt haben, wenn wir nicht auch in ihrem <em
+class="gesperrt">engsten Berufskreise ihr kanonisches Ansehen aufgeben
+wollen</em>&ldquo;.</p>
+
+<p>Unsere Abendmahlsfeier beruht in letzter Linie nicht auf einer
+ausdrücklichen Verordnung Jesu! <span class="smcap">Grafe</span>
+ist also ganz unschuldig! Was er als ehrlicher Historiker in
+der Nachfolge anderer Historiker, von der Wucht der Thatsachen
+gedrängt, bedächtig und schonungsvoll aussprach, das hat <span
+class="smcap">Schleiermacher</span> in seiner Glaubenslehre keck
+hingeworfen. Während man aber dem eleganten Spiel des Dialektikers
+verständnisvoll zunickte, nahm man es dem ehrsamen Historiker gar
+übel, als er ungefähr dasselbe zu sagen wagte. Vielleicht auch haben
+die temperamentvollen Gegner <span class="smcap">Grafe</span>'s diese
+Seite in ihrem <span class="smcap">Schleiermacher</span> überschlagen
+oder sie hielten dafür, dass der betreffende Abschnitt,<span
+class="pagenum"><a name="Seite_vii" id="Seite_vii">VII</a></span>
+weil er zeitlich schon einige gute Jahrzehnte zurückliegt, auch
+in zweideutigen Dingen als rechtgläubig passieren dürfe. Es ist
+merkwürdig: In der Theologie darf heutzutage einer fast alles sagen,
+was er will, wenn er es nur vornehm und geistreich mit einem gewissen
+eleganten Skeptizismus thut. Für den ehrlichen Menschen, der redet,
+weil sein Gewissen ihn zwingt, ist man aber unnachsichtlich.</p>
+
+<p>Die Behauptung, die <span class="smcap">Schleiermacher</span> zum erstenmal vollständig
+klar ausgesprochen hat, die dann aber für Jahrzehnte
+ganz unter den Tisch fiel, ist dazu angethan, einen im kantischen
+Sinn &bdquo;aus dem dogmatischen Schlummer zu wecken.&ldquo; Sie zeigt
+nämlich, dass nicht nur die kirchlichen, sondern geradesogut die
+wissenschaftlichen Abendmahlsauffassungen dem wirklichen Thatbestand
+nicht gerecht werden. Die kirchlichen Auffassungen
+setzen voraus, dass Jesus die Feier zur Wiederholung bestimmt
+habe, können aber nicht nachweisen, dass er es wirklich angeordnet
+hat, da der betreffende Befehl bei den ältesten Zeugen fehlt.
+Eine Reihe wissenschaftlicher Auffassungen gehen davon aus,
+dass die Feier nicht zur Wiederholung bestimmt war, können
+aber dann nicht erklären, warum sie doch schon in der allerersten
+Gemeinde aufkam &mdash; und das ist doch auch eine unbedingt feststehende
+Thatsache.</p>
+
+<p>Der Zusammenhang zwischen den beiden Feiern, der historischen
+und der Gemeindefeier, bleibt also gleich unbegreiflich,
+ob man sie durch den Wiederholungsbefehl direkt kausal miteinander
+verbindet oder ob man sich mit der Konstatierung der
+reinen zeitlichen Aufeinanderfolge begnügt und die Kausalität
+dahingestellt sein lässt. <em class="gesperrt">
+<span class="smcap">Schleiermacher</span> ist der Hume der
+Kausalitätsfrage im Abendmahlsproblem.</em></p>
+
+<p>Der Vergleich der verschiedensten und zeitlich so weit auseinanderliegenden
+Abendmahlslehren mit der <span class="smcap">Schleiermacher</span>'schen
+Ansicht führte mich vor die Frage, was denn das Beharrende
+bei diesem steten Wechsel der Auffassungen sei. Ist es nicht
+denkbar, dass alle Phasen, in denen sich das Abendmahlsproblem
+auswirkt, durch dieselben Gesetze beherrscht sind und dass also
+an diesen Gesetzen die wahre historische Auffassung sich zu erproben
+hat?</p>
+
+<p>Nachdem ich daher meine Examensarbeit zu Ende geführt
+und die mir in Umrissen schon vorschwebende neue Auffassung
+in allgemeinen Strichen angedeutet hatte, machte ich mich daran,
+<span class="pagenum"><a name="Seite_viii" id="Seite_viii">VIII</a></span>
+alle Epochen der Abendmahlsfrage &mdash; die altchristliche, die
+mittelalterliche, die reformatorische und die moderne &mdash; gründlich
+zu studieren, fest entschlossen, nicht eher mit der neuen
+Auffassung an die Oeffentlichkeit zu treten, als bis ich sie für alle
+Epochen durchgeführt hätte und so die Gewissheit besässe, dass
+sie die ganze Geschichte des Abendmahls von der historischen
+Feier bis in die neueste Zeit erklärt. Zu dieser Arbeit habe ich
+vier Jahre gebraucht. Darum veröffentliche ich, was mir schon im
+Herbst 1897, <em class="gesperrt">unabhängig von der modernen Forschung,
+feststand</em>, erst im Herbst 1901, im Zusammenhang mit der Darstellung
+und Beurteilung der historischen Abendmahlsforschung
+im 19. Jahrhundert.</p>
+
+<p>Ich habe die Stellung des Problems an der wissenschaftlichen
+Abendmahlsforschung im 19. Jahrhundert entwickelt, weil uns
+diese Periode am nächsten liegt. Man hätte aber geradesogut
+jede andere Phase dazu benutzen können, da die Gesetze in allen
+dieselben sind.</p>
+
+<p>Die Absicht dieser Arbeit geht weiter als auf die Aufstellung
+einer neuen historischen Abendmahlsauffassung. Sie verfolgt den
+praktischen Zweck, <em class="gesperrt">die historische Grundlage unserer
+modernen Abendmahlsfeier abzugeben und das Bestehende
+geschichtlich zu rechtfertigen.</em> Es ist nämlich
+nicht zu leugnen, dass unsere Gemeindefeier, nach dem jetzigen
+Stand der Wissenschaft, in der Luft hängt. Wenn der Wiederholungsbefehl
+historisch nicht fundiert ist, was soll dann unsere
+Wiederholung bedeuten?</p>
+
+<p>Den Gläubigen zwar ficht diese Sorge vorerst wenig an und
+soll ihn wenig berühren. Es ist nicht die Sache der Leute, welche
+über die Brücke gehen, sich ängstlich darum zu kümmern, ob
+durch die Fluten die Fundamente nicht langsam unterwaschen
+worden sind, sondern das liegt den Architekten ob. Diese
+müssen, wenn sie eine Senkung auch nur von einem Millimeter
+wahrnehmen, unverzüglich einer eventuellen Katastrophe entgegenarbeiten,
+sogar wenn den Passanten die Sache vorerst
+ganz belanglos scheint. So muss auch die theologische Wissenschaft
+auf das Fundament des Glaubens sehen und darauf
+achten, ob nicht die historische Grundlage der Institution,
+welche gleichsam die Brücke vom Vergänglichen zum Unvergänglichen
+bildet, durch den Strom der Zeit unterwaschen ist
+und ob nicht durch die historische Weltanschauung eine ganz
+<span class="pagenum"><a name="Seite_ix" id="Seite_ix">IX</a></span>
+andere Fundierung unserer Abendmahlsfeier notwendig wird als
+bisher.</p>
+
+<p><span class="smcap">Schleiermacher</span> hat gesagt, dass das Bedenken, die Berechtigung
+der Wiederholung betreffend, sich leicht in der evangelischen
+Kirche lautbarer machen könnte, als bisher der Fall
+gewesen. Und wenn dies nun eintritt, was dann? Solange das
+Problem der Berechtigung und Notwendigkeit unserer Abendmahlsfeier
+wissenschaftlich nicht gelöst ist, kann durch den geringfügigsten
+Umstand eine die öffentliche Meinung aufs äusserste
+aufregende und unerquickliche dogmatische Erörterung dieser
+Frage eintreten, zu der der Fall <span class="smcap">Grafe</span> nur ein kurzes idyllisches
+Vorspiel wäre.</p>
+
+<p>Das Schlimmste dabei wäre, dass diese Erörterung, einmal
+in die Oeffentlichkeit gezerrt, notwendig resultatlos bliebe. Denn
+der wissenschaftlich denkende Mensch wird diese Frage immer
+wieder aufwerfen müssen, während derjenige, der sich mehr auf
+den Standpunkt des kirchlichen Glaubens stellt, sie notwendig
+niederschlagen wird, in dem richtigen Empfinden, dass solche
+theoretische Bedenken eine so heilige und erhebende und durch
+den urchristlichen Usus in ihrer Art wieder so geschichtlich fundierte
+Feier nicht gefährden dürfen. Der Verteidiger wird sogar
+eigentlich die Geschichte auf seiner Seite haben. Denn, wenn
+das Abendmahl von Anfang an in der christlichen Gemeinde gefeiert
+worden ist, so ist doch diese Thatsache, vollständig objektiv
+betrachtet, viel entscheidender als das Fehlen des Wiederholungsbefehls
+in zwei alten Berichten. Wir haben es eben mit einer
+ganz unerklärlichen Antinomie zu thun, bei der man sich sehr
+hüten muss, irgend welche Folgerungen gegen unsere Feier zu
+ziehen, besonders wenn man bedenkt, dass man damit ein Stück
+des ältesten und heiligsten Bestandes des christlichen Glaubens
+angreift. Nehmen wir vorerst lieber an, dass uns der Schlüssel
+zur Erklärung der historischen und der urchristlichen Feier und
+zum Verständnis ihres Zusammenhangs fehlt.</p>
+
+<p>Es ist die Aufgabe der Wissenschaft, gefährliche Fragen in
+Angriff zu nehmen, ehe sie die öffentliche urteilslose Meinung in
+Unruhe bringen, den Zündstoff zu beseitigen und in der Stille
+segensreiche Arbeit zu thun.</p>
+
+<p>Als <span class="smcap">Schleiermacher</span> in seiner Glaubenslehre die damals
+nur in seiner dialektischen Phantasie existierenden Parteien vor
+sich beschied, mutete er ihnen zu, sich auf &bdquo;die Anerkennung des
+<span class="pagenum"><a name="Seite_x" id="Seite_x">X</a></span>
+kanonischen Ansehens der Apostel in ihrem engsten Berufskreise&ldquo;
+zu vergleichen. Auf diesen Vergleich kann man aber im
+Ernst nicht eingehen. Das Sprüchlein bannt das Gespenst nicht.
+Wir wollen den Aposteln die gebührende Ehrfurcht sicher gern
+erweisen, aber unsere Abendmahlsfeier auf ihr kanonisches Ansehen
+allein gründen, das dürfen wir nicht.</p>
+
+<p>Rücken wir die Frage ins rechte Licht. Unsere Abendmahlsfeier
+entspringt dem Vorgehen der ersten Gemeinde, zu
+der die Apostel gehören. In die Geschichte übersetzt, lautet die
+Frage nach dem &bdquo;kanonischen Ansehen der Apostel in ihrem engsten
+Berufskreise&ldquo; also folgendermassen: Welches waren die Motive,
+durch welche die erste Gemeinde bestimmt wurde, eine derartige
+im Zusammenhang mit dem letzten Mahl Jesu stehende
+Feier zu begehen? War das Willkür oder Notwendigkeit?</p>
+
+<p>Daran schliesst sich eine zweite Frage, die <span class="smcap">Schleiermacher</span>
+unberücksichtigt gelassen hat. Wenn die erste Gemeinde aus
+bestimmten Gründen die Feier wiederholt hat, gelten diese auch
+noch für uns? Besteht in der historischen Feier als solcher auch
+für uns eine direkte Notwendigkeit, dass wir daraus irgendwie
+eine Feier ableiten, oder handelt es sich nur um etwas Ueberkommenes?</p>
+
+<p>Darauf lautet die Antwort der Geschichte: es war eine absolute
+Notwendigkeit, dass das Abendmahl trotz des Fehlens des
+Wiederholungsbefehls bei der ersten Gemeinde in Aufnahme
+kam, und diese Notwendigkeit besteht auch noch für uns zu Recht.
+Unsere Feier gründet sich nicht auf die geschichtliche Ueberlieferung
+oder auf die unkontrollierbare Autorität bestimmter
+Persönlichkeiten, sondern direkt auf die historische Feier. So
+ist unser Abendmahl berechtigt, geboten und notwendig von sich
+selbst aus.</p>
+
+<p>Die neue geschichtliche Erkenntnis führt aber nicht nur die
+Versöhnung hinsichtlich der Berechtigungsfrage herbei, sondern
+auch hinsichtlich der Frage nach der Bedeutung der Feier.</p>
+
+<p>Niemand kann sich der Einsicht verschliessen, dass unsere
+Feier eigentlich sehr dürftig und unlebendig ist, wenn sie nur auf
+die Darstellung eines Doppelgleichnisses durch die Reproduktion
+einer historischen Situation geht, wo der Pfarrer die Stelle Jesu
+und die Gläubigen die Stelle der Jünger einnehmen. Andererseits
+stellen die konfessionellen Auffassungen Zumutungen an
+ernste Christen, die sie entweder zur Gedankenlosigkeit oder zur
+<span class="pagenum"><a name="Seite_xi" id="Seite_xi">XI</a></span>
+Gewissenlosigkeit erziehen und den Zweifel und Spott geradezu
+herausfordern.</p>
+
+<p>Könnten beide Auffassungen aus ihrer Sprache heraustreten,
+dann würden sie darin übereinkommen, dass der Sinn der Feier
+etwas Geheimnisvolles ist, wo der Einzelne mit der feiernden Gemeinschaft
+und der Persönlichkeit unseres Herrn in ein besonders
+heiliges Verhältnis tritt. Nun zwingen aber die unglücklichen
+Einsetzungsworte den Einen durch die rein symbolische Deutung
+hinter diesem Geheimnis zurückzubleiben, den Andern durch die
+wörtliche Deutung über dieses Geheimnis hinauszugehen und das
+Unfassbare zu behaupten. Die Vermittlungsversuche sind am
+schlimmsten daran. In der Sache und dem religiösen Gehalt
+nach mögen sie richtig sein, aber in der Deutung der Gleichnisse
+sind sie gequetscht und gekünstelt, dass ein Mensch mit
+ehrlichem Verstand sie nicht zu ertragen vermag. So wie die
+&bdquo;Einsetzungsworte&ldquo; liegen und nach der Rolle, die man ihnen
+bisher in der Feier zuwies, sind nur die rein symbolische oder
+die krass realistische Deutung zulässig. Was dazwischen ist, ist
+vom Uebel.</p>
+
+<p>Auch hier bringt die wahre geschichtliche Erkenntnis die
+Befreiung von der unnatürlichen Alternative, indem sie zeigt,
+dass die Stellung, die man den Gleichnissen in dem Ganzen der
+Feier anwies, geschichtlich falsch ist. Die urchristliche Feier
+beruht nicht auf den &bdquo;Einsetzungsworten&ldquo; &mdash; dies ist mein Leib,
+dies ist mein Blut &mdash; obwohl diese Worte bei der historischen
+Feier gesprochen worden sind. Also ist auch unsere Auffassung
+unabhängig von diesen rätselhaften Gleichnisworten.</p>
+
+<p>Diese kurzen Andeutungen mögen zeigen, dass diese Arbeit
+in einem praktisch aufbauenden und versöhnenden Geiste geschrieben
+ist. Zwar wird man, von den gewohnten Auffassungen
+herkommend, zunächst mannigfach an dieser Untersuchung Anstoss
+nehmen, da sie die Versöhnung nicht durch eine neue Vermengung
+oder Verdunkelung, sondern einzig und allein durch
+geschichtliche Wahrhaftigkeit und Unbefangenheit herbeiführen
+will. <em class="gesperrt">Wir müssen an die Geschichte glauben</em>, d. h. wir
+müssen der Zuversicht sein, dass mit dem Fortschritt der geschichtlichen
+Erkenntnis zugleich die Vertiefung und Einigung
+im Glauben notwendig verbunden ist, obwohl es manchmal vorerst
+nicht den Anschein hat. In diesem Glauben habe ich diese
+Untersuchung begonnen und zu Ende geführt.</p>
+
+<p><span class="pagenum"><a name="Seite_xii" id="Seite_xii">XII</a></span>
+
+Diese Arbeit erscheint in drei Heften. <em class="gesperrt">Das erste</em> behandelt
+das Problem, wie es sich aus der Forschung des 19. Jahrhunderts
+und aus den Berichten ergibt. <em class="gesperrt">Das zweite</em> sucht die
+Grundlage der historischen Feier in dem Leben und in den Gedanken
+Jesu. Es stellt sich dar als die Skizze einer neuen Auffassung
+des Lebens Jesu. Das <em class="gesperrt">dritte</em> behandelt das Abendmahl
+in der urchristlichen und in der altchristlichen Epoche und zeigt,
+wie sich daraus die römische Messe und das griechische Mysterium
+mit gleicher Berechtigung und Notwendigkeit entwickelt
+haben. Das erste und das zweite Heft erscheinen miteinander.
+Das dritte wird denselben in thunlichster Bälde folgen.</p>
+
+<p>Zum Schluss fühle ich mich gedrungen, allen meinen Freunden, die
+mir bei dieser Arbeit behülflich gewesen sind, den Herrn Pfarrern
+<span class="smcap">A. Ernst</span> und <span class="smcap">R.
+Will</span> zu Strassburg, <span class="smcap">A. Huck</span> und
+<span class="smcap">Ed. Unsinger</span> zu Schiltigheim und dem Herrn
+Vikar <span class="smcap">Alfred Erichson</span> in Strassburg, meinen
+tiefgefühlten Dank auszusprechen.</p>
+
+<blockquote>
+
+<p><em class="gesperrt">Strassburg</em>, im August 1901.</p></blockquote>
+</div>
+<hr class="full" />
+<div class="chapter">
+<p><span class="pagenum"><a name="Seite_xiii" id="Seite_xiii">XIII</a></span></p>
+
+<h2><b>Inhaltsangabe des ersten Heftes.</b></h2>
+
+<table summary="inhalt">
+<tr><td>&nbsp;</td><td>Seite</td></tr>
+<tr>
+<td><em class="gesperrt">Vorrede zu einer neuen Untersuchung über das Abendmahl</em></td>
+
+ <td class="tdcw"><a href="#Seite_v">V</a>-<a href="#Seite_xiii">XII</a></td>
+</tr>
+<tr>
+<td colspan="2" class="tdc"><b>Erster Teil.</b></td></tr>
+<tr>
+<td><b>Das Abendmahlsproblem auf Grund der wissenschaftlichen
+Forschung des 19. Jahrhunderts</b></td>
+<td class="tdc"><a href="#Seite_1">1</a>-<a href="#Seite_44">44</a></td></tr>
+
+<tr><td class="tdc"><i>Erstes Kapitel</i></td>
+<td class="tdc"><a href="#Seite_1">1</a>-<a href="#Seite_5">5</a></td></tr>
+<tr>
+
+<td colspan="2" class="tdc"><b>Einleitung.</b></td></tr>
+<tr>
+<td>1. Der Skeptizismus in der Abendmahlsforschung</td>
+<td class="tdc"><a href="#Seite_1">1</a>-<a href="#Seite_2">2</a> </td>
+</tr>
+
+<tr><td>2. Der Ansatzpunkt</td>
+<td class="tdc"><a href="#Seite_2">2</a>-<a href="#Seite_3">3</a></td></tr>
+<tr>
+
+<td>3. Die Einzelfragen</td>
+<td class="tdc"><a href="#Seite_3">3</a>-<a href="#Seite_5">5</a></td>
+</tr>
+
+<tr><td>4. Die vier Typen der Abendmahlsauffassungen</td>
+<td class="tdc"><a href="#Seite_5">5</a></td></tr>
+<tr>
+
+<td class="tdc"><i>Zweites Kapitel</i></td>
+<td class="tdc"><a href="#Seite_5">5</a>-<a href="#Seite_7">7</a></td></tr>
+
+<tr>
+<td colspan="2" class="tdc"><b>Das Vorspiel. Zwingli und Calvin.</b></td>
+</tr>
+
+<tr><td class="tdc"><i>Drittes Kapitel</i></td>
+<td class="tdc"><a href="#Seite_7">7</a>-<a href="#Seite_10">10</a></td></tr>
+
+<tr>
+<td colspan="2" class="tdc"><b>Die doppelseitigen Auffassungen mit Zugrundelegung
+des Darstellungsmoments und abgeleiteter Geltendmachung
+des Genussmoments.</b></td>
+ </tr>
+
+<tr><td>1. Die erste Hälfte des 19. Jahrhunderts. <span class="smcap">De Wette</span>,
+<span class="smcap">Ebrard</span> und <span class="smcap">Rückert</span></td>
+<td class="tdc"><a href="#Seite_7">7</a>-<a href="#Seite_8">8</a></td>
+</tr>
+
+<tr>
+<td>2. Die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts. <span class="smcap">Th. Keim</span>, <span class="smcap">K.
+v. Weizsäcker</span>, <span class="smcap">Willibald Beyschlag</span>, <span class="smcap">H. Holtzmann</span>, <span class="smcap">Paul
+Lobstein</span>, <span class="smcap">W. Schmiedel</span></td>
+<td class="tdc"><a href="#Seite_8">8</a>-<a href="#Seite_10">10</a></td> </tr>
+
+<tr>
+<td class="tdc"><i>Viertes Kapitel</i></td>
+<td class="tdc"><a href="#Seite_10">10</a></td></tr>
+
+<tr>
+<td colspan="2" class="tdc"><b>Ueberblick über die Auffassungen mit Zugrundelegung
+<span class="pagenum"><a name="Seite_xiv" id="Seite_xiv">XIV</a></span>des Genussmoments.</b>
+</td></tr>
+<tr><td class="tdc"><i>Fünftes Kapitel</i></td>
+<td class="tdc"><a href="#Seite_11">11</a>-<a href="#Seite_21">21</a></td> </tr>
+
+<tr>
+<td colspan="2" class="tdc"><b>Die Auffassungen mit einseitiger Herausarbeitung des
+Genussmoments.</b></td></tr>
+
+<tr>
+<td>1. Die Vorperiode. <span class="smcap">Fr. Strauss</span>, <span class="smcap">Bruno Bauer</span>, <span class="smcap">E. Renan</span>
+</td>
+<td class="tdc"><a href="#Seite_11">11</a>-<a href="#Seite_13">13</a></td>
+</tr>
+
+<tr><td>2. Die modernen Versuche. <span class="smcap">W. Brandt</span>, <span class="smcap">Fr. Spitta</span>,
+<span class="smcap">A. Eichhorn</span></td>
+<td class="tdc"><a href="#Seite_13">13</a>-<a href="#Seite_14">14</a></td> </tr>
+
+<tr>
+<td>3. <span class="smcap">W. Brandt</span></td>
+ <td class="tdc"><a href="#Seite_14">14</a>-<a href="#Seite_15">15</a></td></tr>
+
+<tr>
+<td>4. <span class="smcap">Fr. Spitta</span></td>
+ <td class="tdc"><a href="#Seite_15">15</a>-<a href="#Seite_16">16</a></td></tr>
+
+<tr>
+<td>5. Kritik der Auffassung <span class="smcap">Spitta</span>'s</td>
+
+ <td class="tdc"><a href="#Seite_16">16</a>-<a href="#Seite_18">18</a></td>
+</tr>
+
+<tr><td>6. <span class="smcap">A. Eichhorn</span></td>
+ <td class="tdc"><a href="#Seite_18">18</a>-<a href="#Seite_19">19</a></td></tr>
+
+<tr><td>7. Die neue &bdquo;Thatsache&ldquo;</td>
+<td class="tdc"><a href="#Seite_19">19</a>-<a href="#Seite_20">20</a></td></tr>
+
+<tr>
+<td>8. Die Skepsis in der Folge der einseitigen Herausarbeitung
+des Genussmoments</td>
+<td class="tdc"><a href="#Seite_20">20</a></td></tr>
+
+<tr>
+<td>9. Der logische Grund der Skepsis</td>
+ <td class="tdc"><a href="#Seite_20">20</a>-<a href="#Seite_21">21</a></td>
+</tr>
+<tr><td class="tdc"><i>Sechstes Kapitel</i></td>
+<td class="tdc"><a href="#Seite_21">21</a>-<a href="#Seite_26">26</a></td></tr>
+<tr>
+<td colspan="2" class="tdc"><b>Die doppelseitigen Auffassungen mit Zugrundelegung
+des Genussmoments und abgeleiteter Geltendmachung
+des Darstellungsmoments.</b></td>
+</tr>
+
+<tr>
+<td colspan="2" class="tdc"><span class="smcap">Ad. Harnack</span>, <span class="smcap">Erich Haupt</span>, <span class="smcap">Fr. Schultzen</span>, <span class="smcap">R. A. Hoffmann</span>.
+</td></tr>
+
+<tr><td>1. Allgemeines</td>
+<td class="tdc"><a href="#Seite_21">21</a>-<a href="#Seite_22">22</a></td></tr>
+
+<tr>
+<td>2. <span class="smcap">Ad. Harnack</span></td>
+ <td class="tdc"><a href="#Seite_22">22</a>-<a href="#Seite_23">23</a></td></tr>
+<tr>
+<td>3. <span class="smcap">Erich Haupt</span></td>
+ <td class="tdc"><a href="#Seite_23">23</a>-<a href="#Seite_24">24</a></td>
+</tr>
+<tr><td>4. <span class="smcap">Fr. Schultzen</span></td>
+ <td class="tdc"><a href="#Seite_24">24</a>-<a href="#Seite_25">25</a></td></tr>
+<tr>
+<td>5. <span class="smcap">R. A. Hoffmann</span></td>
+ <td class="tdc"><a href="#Seite_25">25</a>-<a href="#Seite_26">26</a></td></tr>
+
+<tr><td class="tdc"><i>Siebentes Kapitel</i></td>
+ <td class="tdc"><a href="#Seite_26">26</a>-<a href="#Seite_31">31</a></td></tr>
+
+<tr><td colspan="2" class="tdc"><b>Der gesetzmässige Zusammenhang zwischen den
+Einzelfragen.</b></td></tr>
+
+<tr><td>1. Der Wiederholungsbefehl</td>
+ <td class="tdc"><a href="#Seite_26">26</a>-<a href="#Seite_27">27</a></td></tr>
+
+<tr><td>2. Das Abendmahl und die urchristliche Gemeindemahlzeit</td>
+<td class="tdc"><a href="#Seite_27">27</a>-<a href="#Seite_30">30</a></td></tr>
+
+<tr><td>3. Die Antinomie zwischen der historischen und der urchristlichen
+Feier</td>
+<td class="tdc"><a href="#Seite_30">30</a>-<a href="#Seite_31">31</a></td></tr>
+
+<tr>
+<td class="tdc"><i>Achtes Kapitel</i> </td>
+<td class="tdc"><a href="#Seite_31">31</a>-<a href="#Seite_37">37</a></td>
+</tr>
+
+<tr><td colspan="2" class="tdc"><b>Die Auffassungen mit einseitiger Geltendmachung des
+Darstellungsmoments.</b></td></tr>
+
+ <tr>
+<td>1. Das Gefechtsfeld</td>
+<td class="tdc"><a href="#Seite_31">31</a>-<a href="#Seite_32">32</a></td></tr>
+
+<tr>
+<td>2. Der Verteidigungsplan. <span class="smcap">P. W. Schmiedel</span></td>
+ <td class="tdc"><a href="#Seite_32">32</a>-<a href="#Seite_34">34</a></td> </tr>
+
+<tr><td>3. Die Offensive. <span class="smcap">Adolf Jülicher</span></td>
+ <td class="tdc"><a href="#Seite_34">34</a>-<a href="#Seite_36">36</a></td></tr>
+
+<tr><td>4. Die Skepsis in den Auffassungen mit einseitiger Geltendmachung
+<span class="pagenum"><a name="Seite_xv" id="Seite_xv">XV</a></span>des Darstellungsmoments
+</td>
+<td class="tdc"><a href="#Seite_36">36</a>-<a href="#Seite_37">37</a></td></tr>
+<tr>
+<td class="tdc"><i>Neuntes Kapitel</i></td>
+<td class="tdc"><a href="#Seite_37">37</a>-<a href="#Seite_44">44</a></td></tr>
+<tr>
+<td colspan="2" class="tdc"><b>Die neue Problemstellung.</b></td></tr>
+<tr>
+<td>1. Das Ergebnis der Untersuchung</td>
+<td class="tdc"><a href="#Seite_37">37</a>-<a href="#Seite_40">40</a></td> </tr>
+<tr><td>2. Der neue Weg</td>
+<td class="tdc"><a href="#Seite_40">40</a>-<a href="#Seite_44">44</a></td></tr>
+ <tr>
+<td colspan="2" class="tdc"><b>Zweiter Teil.</b> </td></tr>
+<tr>
+<td class="tdc"><b>Das Abendmahlsproblem auf Grund der
+historischen Berichte</b></td>
+<td class="tdc"><a href="#Seite_45">45</a>-<a href="#Seite_62">62</a></td></tr>
+
+ <tr>
+<td class="tdc"><i>Zehntes Kapitel</i></td>
+<td class="tdc"><a href="#Seite_45">45</a>-<a href="#Seite_48">48</a></td></tr>
+<tr>
+<td colspan="2" class="tdc"><b>Die textkritischen Fragen.</b></td>
+</tr>
+<tr>
+<td>1. Cod. D. Die textkritische Hauptfrage</td>
+<td class="tdc"><a href="#Seite_45">45</a>-<a href="#Seite_46">46</a></td> </tr>
+<tr>
+<td>2. Abweichende Lesarten</td>
+<td class="tdc"><a href="#Seite_47">47</a></td></tr>
+<tr>
+<td>3. Das Ergebnis <span class="err" title="original: des">der</span> Textkritik</td>
+<td class="tdc"><a href="#Seite_47">47</a>-<a href="#Seite_48">48</a></td></tr>
+<tr>
+<td class="tdc"><i>Elftes Kapitel</i></td>
+<td class="tdc"><a href="#Seite_48">48</a>-<a href="#Seite_50">50</a></td></tr>
+<tr>
+<td colspan="2" class="tdc"><b>Die Eigenart des Markusberichts</b> (Mk 14 <span class="antiqua">22-26</span>).</td></tr>
+<tr>
+<td class="tdc"><i>Zwölftes Kapitel</i></td>
+<td class="tdc"><a href="#Seite_50">50</a>-<a href="#Seite_56">56</a></td></tr>
+<tr>
+<td colspan="2" class="tdc"><b>Der Vergleich der Berichte.</b></td>
+</tr>
+
+<tr><td>1. Das Prinzip der Gleichbildung</td>
+<td class="tdc"><a href="#Seite_50">50</a></td> </tr>
+<tr>
+<td>2. Der matthäische Bericht (Mt 26 <span class="antiqua">26-29</span>)</td>
+<td class="tdc"><a href="#Seite_50">50</a>-<a href="#Seite_51">51</a></td></tr>
+<tr>
+<td>3. Der paulinische Bericht (I Kor 11 <span class="antiqua">23-26</span>)</td>
+<td class="tdc"><a href="#Seite_51">51</a>-<a href="#Seite_53">53</a></td></tr>
+<tr>
+<td>4. Der lukanische Bericht (Lk 22 <span class="antiqua">14-20</span>)</td>
+<td class="tdc"><a href="#Seite_53">53</a>-<a href="#Seite_55">55</a></td></tr>
+<tr>
+<td>5. Der justinische Bericht (I Apol 66)</td>
+<td class="tdc"><a href="#Seite_55">55</a>-<a href="#Seite_56">56</a></td> </tr>
+
+<tr>
+<td class="tdc"><i>Dreizehntes Kapitel</i> </td>
+<td class="tdc"><a href="#Seite_56">56</a>-<a href="#Seite_62">62</a></td></tr>
+<tr>
+<td colspan="2" class="tdc"><b>Die Authentie des Markusberichts.</b></td></tr>
+<tr>
+<td>1. Der Beweis</td>
+<td class="tdc"><a href="#Seite_56">56</a>-<a href="#Seite_60">60</a></td> </tr>
+<tr>
+<td>2. Die Folgerungen aus der Authentie des Markusberichts</td>
+<td class="tdc"><a href="#Seite_60">60</a></td></tr>
+<tr>
+<td>3. Das Messianitäts- und Leidensgeheimnis im Abendmahl</td>
+<td class="tdc"><a href="#Seite_60">60</a>-<a href="#Seite_62">62</a></td></tr>
+</table>
+</div>
+<hr class="full" />
+<div class="chapter">
+<p class="pseudotitle"><span class="pagenum"><a name="Seite_1" id="Seite_1">1</a></span>
+
+<big><b>Erster Teil.</b></big></p>
+
+<p class="center"><big><b>Das Abendmahlsproblem auf Grund der wissenschaftlichen
+Forschung des 19. Jahrhunderts.</b></big></p>
+
+<h2>Erstes Kapitel.</h2>
+
+<p class="pseudotitle"><b>Einleitung.</b></p>
+
+<h3><strong>1. Der Skeptizismus in der Abendmahlsforschung.</strong></h3>
+
+<p>Es gibt Fragen, welche in dem Denken der Menschheit auftauchen,
+das volle geistige Interesse einer Epoche in Anspruch
+nehmen und dann wieder zurücktreten, ohne ihre Lösung gefunden
+zu haben und ohne dass es klar ist, wie sie ungelöst an
+Interesse verlieren konnten.</p>
+
+<p>Jahrhunderte gehen darüber hin. Dann, durch eine Wendung
+in der Geschichte, wird dieselbe Frage wieder in den Vordergrund
+geschoben und das Spiel wiederholt sich.</p>
+
+<p>Zu diesen intermittierenden Vulkanen gehört die <em class="gesperrt">Abendmahlsfrage.</em>
+Drei Aktionsperioden sind bis jetzt zu verzeichnen.
+Die erste ist die längste. Sie dauert ungefähr zehn Jahrhunderte.
+Mit der Dauer steht die Intensität im umgekehrten Verhältnis.
+Wir haben keinen feuerspeienden Berg, sondern einen Krater mit
+langsamem Lavaausfluss. Einige Erdstösse &mdash; die fränkischen
+Abendmahlskontroversen &mdash; bezeichnen den Schluss der Aktionsperiode.</p>
+
+<p>Die Art, wie die Frage in der Reformationszeit neu auftaucht,
+ist in höchstem Grade überraschend. Man sollte meinen,
+dass, in dem gemeinsamen Gegensatz aller reformatorischen Auffassungen
+zur römischen Theorie, die innerprotestantischen Gegensätze
+gerade in dieser Frage Aussicht hatten, bis auf weiteres latent
+zu bleiben. Statt dessen wird gerade die Abendmahlsfrage
+der Pol, nach dem sich die Gedanken orientieren. Diese zweite,
+dogmatische Periode, war in ihrem eigentlichen Verlauf ebenso
+<span class="pagenum"><a name="Seite_2" id="Seite_2">2</a></span>
+kurz wie heftig. Sie umfasst kaum drei Jahrzehnte. Dann
+wird die Abendmahlsfrage für die Dogmatik eine Frage neben
+andern. <span class="smcap">Schleiermacher</span>'s Glaubenslehre, die wissenschaftliche
+Begründung der Vermittlungsversuche, behandelt sie fast anhangsweise.</p>
+
+<p>Die dritte Periode wird durch die historisch-kritische Forschung
+heraufgeführt. Wir stehen mitten darin, so aber, dass
+die Mittagszeit bereits hinter uns liegt. Schon kündigt sich nämlich
+die Erschöpfung an. Nachdem eine Reihe der letzterschienenen
+Abhandlungen die Zuversicht, das Problem durch die
+historische Kritik lösen zu können, nicht mehr so entschieden zur
+Geltung kommen liessen, wie dies früher der Fall war, greift jetzt
+eine ausgesprochen skeptische Stimmung Platz, deren Sprache
+man in dem Aufsatz <span class="smcap">Eichhorns</span>'s<a name="FNAnker_1_1" id="FNAnker_1_1"></a><a href="#Fussnote_1_1" class="fnanchor">[1]</a> vernehmen kann.</p>
+
+<p>An diesem Skeptizismus ist etwas unbedingt Berechtigtes.
+Er geht nämlich von der Thatsache aus, dass durch die ganze
+Forschung des 19. Jahrhunderts die Lösung des Problems ferner
+gerückt ist als je. Die Schwierigkeiten sind gerade durch die
+historisch-kritische Methode in viel stärkerem Masse hervorgetreten,
+als man früher jemals ahnen konnte.</p>
+
+<p>Unberechtigt daran ist aber die Art, der historischen gewissenhaften
+Kritik gegenüber vornehm zu thun und aus der
+Thatsache, dass sie bis jetzt in dem Problem nicht zum Ziele geführt
+hat, ihre Inferiorität einer excentrischen überkritischen Unkritik
+gegenüber zu proklamieren. Statt dessen sollte man eher
+nach den Gründen forschen, warum die historische Kritik die
+Lösung dieser Frage bisher nicht herbeiführen konnte.</p>
+
+<h3><strong>2. Der Ansatzpunkt.</strong></h3>
+
+<p>Das Abendmahlsproblem setzt sich aus einer Reihe von
+Einzelfragen zusammen, die in den verschiedenen Auffassungen
+verschieden beantwortet und verschieden mit einander in Zusammenhang
+gebracht werden. Gewöhnlich dreht sich nun die
+Kritik um diese Einzelfragen. Man untersucht, ob die Fassung
+der Einsetzungsworte haltbar ist, ob die Exegese der Gleichnisse
+richtig ist, wie die betreffende Abhandlung sich zur chronologischen
+Frage stellt, auf welche Art sie den behaupteten oder
+<span class="pagenum"><a name="Seite_3" id="Seite_3">3</a></span>
+verneinten Zusammenhang zwischen Abendmahl und Passah begründet
+und dergleichen.</p>
+
+<p><em class="gesperrt">Der folgenden Untersuchung kommt es mehr auf
+die Gesamtauffassung an und auf den Zusammenhang,
+in welchem die Einzelfragen unter einander stehen.</em>
+Wächst eine Abendmahlsanschauung aus einer Reihe von selbständigen
+Entscheidungen über die schwebenden Einzelfragen
+heraus, oder sind nicht diese Einzelfragen durch einen inneren
+verborgenen Mechanismus so mit einander verbunden, dass mit
+der einen zugleich über die andern entschieden wird? Welches
+sind die Gesetze, nach denen sich die Einzelfragen im Abendmahlsproblem
+gegenseitig bedingen? Das ist die Frage, welche uns
+beschäftigt. Nur sie kann uns darüber Aufschluss geben, warum
+die historisch-kritische Methode nicht zum Ziele führen konnte.</p>
+
+<h3><strong>3. Die Einzelfragen.</strong></h3>
+
+<p>Liegt die Bedeutung der Gleichnisse darin, dass Jesus das
+Brot bricht und den Wein im Kelch herumreicht? Oder beruht sie
+darin, dass die Jünger dieses Brot essen und diesen Wein trinken?</p>
+
+<p>Hat er die Worte über Brot und Wein als Gleichnisse gemeint,
+oder will er damit andeuten, dass die Jünger seinen Leib
+und sein Blut durch den Genuss sich irgendwie aneignen?</p>
+
+<p>Fand das Mahl im Zusammenhang mit dem Passahmahl statt,
+sodass für die Worte Jesu und ihr Verständnis Passahgedanken
+vorausgesetzt werden dürfen?</p>
+
+<p>Erlaubt es die Chronologie der Evangelien, Jesum noch am
+Passahabend im Kreise seiner Jünger zu sehen?</p>
+
+<p>Hat er den Jüngern befohlen, die Feier zu wiederholen?</p>
+
+<p>Was hat er ihnen zu wiederholen geboten?</p>
+
+<p>Ist es möglich, dass der &bdquo;Stifter&ldquo; ihnen zumutet, seine
+eigenen Worte zu wiederholen, die nur in seinem Munde und
+in jenem historischen Momente einen Sinn haben?</p>
+
+<p>Angenommen, der Wiederholungsbefehl ist nicht historisch,
+wie kommen denn die Jünger dazu, die Feier dennoch zu wiederholen?</p>
+
+<p>Wie ist es möglich, dass im Urchristentum Paulus die
+Wiederholung als auf den Herrn zurückgehend in die Darstellung
+der historischen Feier einträgt?</p>
+
+<p>Wie erklärt sich das Fehlen des historischen Berichts im
+vierten Evangelium, da doch Kap. 6 die Feier voraussetzt?</p>
+
+<p><span class="pagenum"><a name="Seite_4" id="Seite_4">4</a></span>
+
+Steht es im allgemeinen nicht so, dass mit der Annahme
+des Wiederholungsbefehls das psychologische Verständnis der
+historischen Feier unmöglich wird, während unter Voraussetzung
+seines Fehlens die Wiederholung in der ersten Gemeinde ganz
+unbegreiflich ist?</p>
+
+<p>Hat sich das Abendmahl an ein Passahmahl angeschlossen,
+wie ist dann, mit oder ohne Wiederholungsbefehl, die <em class="gesperrt">tägliche
+Feier</em> in der urchristlichen Zeit begreiflich?</p>
+
+<p>Waren Agape und Herrenmahl getrennt, standen sie in
+irgend einem Zusammenhang, oder waren sie identisch?</p>
+
+<p>Wie verlief überhaupt die Herrenmahlsfeier im Urchristentum?
+Wie sind die Angaben der Didache mit den paulinischen
+Schilderungen und Forderungen in I Kor 11 zu vereinigen?</p>
+
+<p>In welchem Verhältnis stehen die Kunde und die Auffassung
+der historischen Feier, welche die Didache und Paulus voraussetzen,
+zu dem Bilde der historischen Feier in den Synoptikern?</p>
+
+<p>Wie erklärt sich das gänzliche Zurücktreten des Leidensgedankens
+und der Situation der historischen Feier in der
+Didache?</p>
+
+<p>Welche Bedeutung kam dem eschatologischen Moment in
+der urchristlichen Abendmahlsfeier zu?</p>
+
+<p>In welchem Zusammenhang steht das eschatologische
+Schlusswort Jesu von dem Neutrinken im Reich des Vaters mit
+dem Verlauf der historischen Feier?</p>
+
+<p>Wie lassen sich die Abweichungen der synoptischen Berichte
+erklären?</p>
+
+<p>Die paulinische Darstellung ist die chronologisch älteste;
+der Lukastext nach Cod. D der kürzeste; der Markustext steht
+im Zusammenhang mit der einfachsten und glaubwürdigsten
+evangelischen Geschichtsdarstellung, und der justinische Bericht
+ist möglicherweise unabhängig von unseren Evangelien. Welchem
+der vier grundverschiedenen Texte gebührt der Vorzug?</p>
+
+<p>In welche Verbindung stellte das Urchristentum die Teilnahme
+am Herrenmahl mit der Vorstellung von der Erlösung?</p>
+
+<p>Wir nehmen an, die Reproduktion der Herrenworte bei der
+urchristlichen Feier ist eine freie gewesen; die Bedeutung dieser
+Worte konnte aber nur eine einzige sein. Wie ist es erklärlich,
+dass wir aus der ganzen urchristlichen Zeit, ja eigentlich bis ins
+beginnende Mittelalter hinein keine Kunde von Auseinandersetzungen
+über den Sinn dieser Worte haben? Die Einsicht,
+<span class="pagenum"><a name="Seite_5" id="Seite_5">5</a></span>
+dass die Vorstellungen im Urchristentum noch einen gewissen
+Grad der Flüssigkeit aufweisen, reicht zur Erklärung der obigen
+Thatsache nicht aus.</p>
+
+<h3><strong>4. Die vier Typen der Abendmahlsauffassungen.</strong></h3>
+
+<p>Bei der Darstellung der wissenschaftlichen Abendmahlsdebatte
+unterscheiden wir zunächst zwei Hauptströmungen. Wir
+teilen die Abhandlungen danach ein, ob sie für ihre Auffassung
+das <em class="gesperrt">Darstellungs-</em> oder das <em class="gesperrt">Genussmoment</em> zu Grunde
+legen. <em class="gesperrt">Unter dem Darstellungsmoment verstehen wir
+das Handeln und Reden Jesu während der historischen
+Feier; unter dem Genussmoment die Bedeutung des
+Essens und Trinkens der Teilnehmer, wie sie sich aus
+dem Wesen der Feier ergeben soll.</em> Neben den Darstellungen,
+die eines dieser beiden Momente mit Ausserachtlassung des
+andern einseitig herausarbeiten, gibt es noch andere, doppelseitige,
+die eines der Momente zu Grunde legen, dabei aber dem
+zweiten nebensächliche Geltung zugestehen. Wir haben also im
+ganzen vier Haupttypen, zwischen denen die mannigfachsten Vermittlungen
+möglich sind.</p>
+
+<ul class="hang">
+
+<li>1. <em class="gesperrt">Auffassungen mit einseitiger Herausarbeitung des
+Darstellungsmoments.</em></li>
+
+<li>2. <em class="gesperrt">Doppelseitige Auffassungen mit Zugrundelegung
+des Darstellungsmoments und abgeleiteter Geltendmachung
+des Genussmoments.</em></li>
+
+<li>3. <em class="gesperrt">Auffassungen mit einseitiger Herausarbeitung
+des Genussmoments.</em></li>
+
+<li>4. <em class="gesperrt">Doppelseitige Auffassungen mit Zugrundelegung
+des Genussmoments und abgeleiteter Geltendmachung
+des Darstellungsmoments.</em></li></ul>
+
+<p>Im folgenden werden diese Auffassungen dargestellt in
+der Ordnung, wie sie geschichtlich in die Erscheinung getreten
+sind.</p>
+
+<div class="footnotes"><h3>Fussnoten:</h3>
+
+<div class="footnote">
+
+<p><a name="Fussnote_1_1" id="Fussnote_1_1"></a><a href="#FNAnker_1_1"><span class="label">[1]</span></a> &bdquo;Das Abendmahl im Neuen Testament&ldquo; von <span class="smcap">Albert Eichhorn</span>,
+(Leipzig 1898), Hefte zur &bdquo;Christlichen Welt&ldquo; No. 36.</p></div></div>
+<hr class="chap" />
+
+<h2>Zweites Kapitel.</h2>
+
+<p class="pseudotitle"><b>Das Vorspiel. Zwingli und Calvin.</b></p>
+
+<p>Das Verdienst, das Abendmahlsproblem zuerst wissenschaftlich
+behandelt zu haben, gebührt <span class="smcap">Zwingli</span>. Die Bedeutung der
+historischen Feier beruht nach ihm auf dem symbolischen Handeln
+Jesu. Durch das Brechen des Brotes und das Darbieten
+<span class="pagenum"><a name="Seite_6" id="Seite_6">6</a></span>
+des Weines kündigt der Herr seinen Tod an. Er verordnet die
+Wiederholung der Feier, damit die Christen bei dem gebrochenen
+Brot und dem vergossenen Wein seines Todes gedenken.</p>
+
+<p>Die Schwäche dieser Auffassung liegt darin, dass <span class="smcap">Zwingli</span>
+den Hauptnachdruck allein auf das Handeln Jesu legt. Er kann
+die historische Feier erklären, &mdash; <em class="gesperrt">aber nicht die Wiederholung</em>,
+bei welcher notwendig der Nachdruck nicht auf dem
+Handeln Jesu, sondern auf dem der Teilnehmer, dem Genuss des
+Brotes und des Weines, ruht. Es gelingt nicht begreiflich zu
+machen, warum die Jünger die Gleichniselemente genossen und
+noch viel weniger, warum auch spätere Geschlechter bei der
+Wiederholung noch essen und trinken und nicht bloss <em class="gesperrt">anschauen</em>,
+um sich an dem erzählten und dargestellten Abendmahlshandeln
+Jesu zu erbauen. Dass <span class="smcap">Zwingli</span>'s Lehre dogmatisch nicht befriedigen
+konnte, lag in letzter Linie an der Einseitigkeit seiner
+wissenschaftlichen Exegese.</p>
+
+<p>So musste seine Auffassung auch wissenschaftlich durch diejenige
+verdrängt werden, welche dem Genuss der Teilnehmer einen
+Platz neben dem darstellenden Abendmahlshandeln Jesu anweisen
+konnte. Dies leistete die Abendmahlslehre <span class="smcap">Calvin</span>'s.</p>
+
+<p>Bei ihm liegt die Symbolik zu gleichen Teilen in dem begründet,
+was Jesus mit den Elementen vornimmt (Brechen des
+Brotes und Ausgiessen des Weines), und in dem, was die Teilnehmer
+mit den Elementen beginnen (Essen des Brotes und Trinken
+des Weines). In dieser Betonung der Darbietung und der
+Aneignung als der beiden Grundmomente des Abendmahls beruht
+die wissenschaftliche Stärke der calvinischen Abendmahlslehre.
+Die historische Feier kann er weniger gut erklären, als es
+<span class="smcap">Zwingli</span> gethan; dafür ist es ihm aber möglich, ihre Wiederholung
+als notwendig darzuthun, indem die <em class="gesperrt">Wertung des
+Genusses</em>, nicht allein <em class="gesperrt">der Befehl Jesu</em>, den Zusammenhang
+zwischen der historischen und der wiederholten Feier
+aufrecht erhält.</p>
+
+<p>Es waren also nicht nur <em class="gesperrt">dogmatische</em>, sondern auch
+<em class="gesperrt">wissenschaftliche</em> Interessen, welche den Sieg der calvinischen
+Abendmahlsauffassung über die zwinglische bedingten. Die zum
+Teil auf wissenschaftlicher Grundlage beruhende Auseinandersetzung
+zwischen diesen beiden Ansichten bildete ein kurzes Vorspiel
+zu der grossen historischen Abendmahlsdebatte im 19. Jahrhundert.</p>
+
+<p><span class="pagenum"><a name="Seite_7" id="Seite_7">7</a></span>
+
+Da die doppelseitige Auffassung durch den Sieg <span class="smcap">Calvin</span>'s
+über <span class="smcap">Zwingli</span> allgemein verbreitet war, setzte die historische
+Forschung die Doppelseitigkeit voraus. Sie betonte hauptsächlich
+das Darstellungsmoment, weil die exegetische Anschaulichkeit
+dafür sprach. So wurden zunächst die doppelseitigen Auffassungen
+mit Zugrundelegung des Darstellungsmoments wissenschaftlich
+ausgeprägt.</p>
+<hr class="chap" />
+
+<h2>Drittes Kapitel.</h2>
+
+<p class="pseudotitle"><b>Die doppelseitigen Auffassungen mit Zugrundelegung des
+Darstellungsmoments und abgeleiteter Geltendmachung
+des Genussmoments.</b></p>
+
+<h3><strong>1. Die erste Hälfte des 19. Jahrhunderts.
+De Wette, Ebrard und Rückert.</strong></h3>
+
+<p><span class="smcap">De Wette</span> vertritt die doppelseitige Auffassung in seinen
+Kommentaren.<a name="FNAnker_2_2" id="FNAnker_2_2"></a><a href="#Fussnote_2_2" class="fnanchor">[2]</a> Das Brechen und das Essen des Brotes, das
+Ausgiessen und das Trinken des Weins bedingen zusammen die
+Bedeutung der Elemente bei der Feier. Der Hauptnachdruck
+liegt aber auf dem Brechen, dem darstellenden Moment. Die
+Betonung des Genussmoments ist mehr nebensächlicher Art.</p>
+
+<p>Von <span class="smcap">August Ebrard</span><a name="FNAnker_3_3" id="FNAnker_3_3"></a><a href="#Fussnote_3_3" class="fnanchor">[3]</a> wird auf den Genuss der gleiche
+Wert gelegt wie auf das Brechen und Ausgiessen. Beide Momente
+gehören zusammen und bedingen sich gegenseitig. Jesus
+reicht das gebrochene Brot zum Essen und den ausgegossenen
+Wein zum Trinken dar.<a name="FNAnker_4_4" id="FNAnker_4_4"></a><a href="#Fussnote_4_4" class="fnanchor">[4]</a></p>
+
+<p>Bei <span class="smcap">Ebrard</span> ist die energische Betonung des Genussmoments
+durch seinen Zusammenhang mit der reformiert-calvinischen Auffassung
+begreiflich. Aus rein wissenschaftlichen Gründen findet
+sich das stärkere Herausarbeiten desselben Moments bei <span class="smcap">Immanuel
+Rückert</span>.<a name="FNAnker_5_5" id="FNAnker_5_5"></a><a href="#Fussnote_5_5" class="fnanchor">[5]</a> Seine klassische Schrift fasst den ganzen Ertrag
+der wissenschaftlichen Diskussion der Abendmahlsfrage in
+der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts zusammen. Die Handlung
+
+<span class="pagenum"><a name="Seite_8" id="Seite_8">8</a></span>
+
+Jesu und der Genuss von seiten der Teilnehmer werden in gleicher
+Weise betont. In jedem dieser beiden Momente liegt eine
+besondere Symbolik. Jesus bricht das Brot und gibt es zum
+Essen, er giesst den Wein ein und bietet ihn zum Trinken dar.<a name="FNAnker_6_6" id="FNAnker_6_6"></a><a href="#Fussnote_6_6" class="fnanchor">[6]</a></p>
+
+<h3><strong>2. Die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts.
+Th. Keim, K. v. Weizsäcker, W. Beyschlag, H. Holtzmann,
+P. Lobstein, W. Schmiedel.</strong></h3>
+
+<p>In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts lässt sich eine
+breite und ruhige Strömung verfolgen, welche beide Momente
+mit sich führt, jedoch so, dass das Darstellungsmoment die Grundströmung,
+das Genussmoment die Oberströmung bildet. Folgende
+Aussprüche geben die Richtung des Stromes an.</p>
+
+<blockquote>
+
+<p><span class="smcap">Th. Keim.</span> <em class="gesperrt">Geschichte Jesu von Nazara.</em> 1872 Bd. III S. 232
+bis 290 (Das Nachtmahl Jesu).</p></blockquote>
+
+<p>&bdquo;Man hat den Eindruck, dass es sich für Jesus doch um
+etwas mehr handelte, als nur um ein sprechendes Sinnbild seines
+irgendwie zum Heil der Jünger zu brechenden und zu tötenden
+Leibes vor den Gästen aufzustellen, man hat den Eindruck einer
+Gabe; diese Gabe liegt erstlich darin, dass er in nachdrücklicher,
+in endgültiger Weise als den Zweck seines bevorstehenden Todes
+das Heil der Jünger nennt, sodann, dass er im Zusammenhang
+damit die Sinnbilder dieses Heils den Erben dieses Heils nicht
+nur zum <em class="gesperrt">Anschauen</em>, sondern <em class="gesperrt">geradezu zum Nehmen und
+Geniessen</em> übergibt, das Besitztum des Heilstodes und seine
+Früchte in ihre Hände deponiert.&ldquo; S. 272.</p>
+
+<blockquote>
+
+<p><span class="smcap">Karl v. Weizsäcker.</span> <em class="gesperrt">Apostolisches Zeitalter.</em> 1886 S. 596
+bis 602.</p></blockquote>
+
+<p><span class="smcap">Weizsäcker</span> vertritt eine interessante Differenzierung in der
+Symbolik der beiden Akte. Das Brot ist das Sinnbild der <em class="gesperrt">Gegenwart
+Christi</em> in der Gemeinde, der Wein aber das Sinnbild
+<em class="gesperrt">seines Todes</em>, durch welchen er das neue Passahopfer geworden
+ist. S. 598.</p>
+
+<blockquote>
+
+<p>
+<span class="smcap">W. Beyschlag.</span> <em class="gesperrt">Das Leben Jesu.</em> 1893 Bd. II S. 434-442.</p>
+</blockquote>
+
+<p>&bdquo;Der Sinn der Abendmahlsstiftung ist vollkommen klar:
+Sein Leib, der für uns gebrochen, sein Blut, das für uns vergossen
+wird, ist sein Leben, das er für uns in den Tod gibt, &mdash;
+<span class="pagenum"><a name="Seite_9" id="Seite_9">9</a></span>für uns dahingibt, damit es in uns wirksam werde; damit es, vom
+inwendigen Menschen <em class="gesperrt">angeeignet</em>, wie der äussere Mensch
+Speise und Trank in sich aufnimmt, ihm Speise und Trank ewigen
+Lebens werde, und so die in Ihm gekommene Erlösung, den in
+Ihm gekommenen neuen Bund der Gottgemeinschaft in uns vollziehe.&ldquo;
+S. 439.</p>
+
+<blockquote>
+
+<p><span class="smcap">H. Holtzmann.</span> <em class="gesperrt">Biblische Theologie.</em> 1897 Bd. I S. 296-304.</p></blockquote>
+
+<p>&bdquo;Geschichtliche Voraussetzung und übereinstimmendes Resultat
+der letzten Forschungen ist, dass Jesus seinen Jüngern
+Brot und Wein zum Genusse dargereicht und dabei mit Beziehung
+auf das gebrochene Brot von seinem Leib, mit Beziehung
+auf den ausgegossenen Wein von seinem Blut gesprochen, letzteres
+insonderheit zugleich als Bundesblut bezeichnet hat.&ldquo; S. 296.</p>
+
+<blockquote>
+
+<p><span class="smcap">Paul Lobstein.</span> <em class="gesperrt">La doctrine de la sainte cène.</em> Lausanne
+1899.</p></blockquote>
+
+<p>&bdquo;Ceci est mon corps&ldquo;, dit Jésus en rompant le pain qu'il
+distribue à ses disciples; &bdquo;cette coupe est la nouvelle alliance
+dans mon sang versé pour vous&ldquo;, leur dit-il en faisant circuler la
+coupe. S. 46. Le pain que Jésus rompt pour les disciples et
+qu'il leur distribue, ils doivent s'en nourrir: &bdquo;De même que je
+vous convie à manger de ce pain, ainsi vous êtes appelés à vous
+assimiler le fruit de ma mort, les effets salutaires de ce don de
+moi-même, de ce corps brisé et livré pour vous.&ldquo; S. 47.</p>
+
+<blockquote>
+
+<p><span class="smcap">Wilhelm Schmiedel.</span> <em class="gesperrt">Die neuesten Ansichten über den Ursprung
+des Abendmahls.</em> Protestantische Monatshefte, III. Jahrgang
+Heft 4 1899.</p></blockquote>
+
+<p>&bdquo;Das Bedeutsame ist in erster Linie im <em class="gesperrt">Brechen des
+Brotes und Ausgiessen</em> des Weines aus dem Krug in den
+Becher zu sehen. Die Austeilung dieser Speisen zum Genuss
+schliesst sich als etwas zweites an. <em class="gesperrt">Um der Hauptsache
+willen wäre es nicht nötig gewesen: aber da man einmal
+beim Mahle sass, war es naturgemäss.</em>&ldquo; S. 147.</p>
+
+<p>Die gemeinsamen Grundzüge dieser Darstellungen sind also
+folgende: Brot und Wein sind Leib und Blut Christi, weil er an
+ihnen seinen Tod und dessen Heilswert versinnbildlicht hat. Dabei
+fordert er die Jünger zum Genuss auf; das soll bedeuten,
+dass ihnen die Wohlthaten seines Leidens zu gute kommen, wenn
+sie verstehen, sich dieselben anzueignen. Die Wiederholung ist
+erfolgt zum Teil, weil der religiöse Wert dieser Handlung von<span class="pagenum"><a name="Seite_10" id="Seite_10">10</a></span>
+den Teilnehmern eingesehen wurde, zum Teil, weil Jesus durch
+einen Befehl oder eine Andeutung dazu aufforderte. Auf den
+Zusammenhang mit dem Passah wird Wert gelegt, ohne dass er
+jedoch für die Auffassung als absolut notwendig erklärt würde.
+Ueberhaupt haben diese Darstellungen etwas Schwankendes.
+Sie vereinigen die mannigfachsten Gesichtspunkte mit einander,
+sodass es fast unmöglich ist, sie in kurzen Sätzen präcis wiederzugeben.</p>
+
+<p>Deshalb ist es auch nicht ratsam von ihnen auszugehen, um
+die Gesetze des Zusammenhangs zwischen den Einzelfragen aufzustellen.
+Die Krisis in diesem Zustand wurde erst durch die
+Auffassungen mit Zugrundelegung des Genussmoments heraufgeführt.</p>
+
+<div class="footnotes"><h3>Fussnoten:</h3>
+
+<div class="footnote">
+
+<p><a name="Fussnote_2_2" id="Fussnote_2_2"></a><a href="#FNAnker_2_2"><span class="label">[2]</span></a> Vgl. <span class="smcap">De Wette</span>'s Commentar zu Matthäus (1836) und zu Johannes
+(1837).</p></div>
+
+<div class="footnote">
+
+<p><a name="Fussnote_3_3" id="Fussnote_3_3"></a><a href="#FNAnker_3_3"><span class="label">[3]</span></a> &bdquo;Das Dogma vom heiligen Abendmahl und seine Geschichte&ldquo; von
+Dr. <span class="smcap">August Ebrard</span>. 2 Bde., 1845.</p></div>
+
+<div class="footnote">
+
+<p><a name="Fussnote_4_4" id="Fussnote_4_4"></a><a href="#FNAnker_4_4"><span class="label">[4]</span></a> Vgl. Bd. I S. 79-120.</p></div>
+
+<div class="footnote">
+
+<p><a name="Fussnote_5_5" id="Fussnote_5_5"></a><a href="#FNAnker_5_5"><span class="label">[5]</span></a> &bdquo;Das Abendmahl, sein Wesen und seine Geschichte in der alten
+Kirche&ldquo; von Dr. <span class="smcap">Leopold Immanuel Rückert</span>, Professor in Jena, 1856.</p></div>
+
+<div class="footnote">
+
+<p><a name="Fussnote_6_6" id="Fussnote_6_6"></a><a href="#FNAnker_6_6"><span class="label">[6]</span></a> Vgl. Bd. I S. 61-131.</p></div></div>
+
+<hr class="chap" />
+<h2>Viertes Kapitel.</h2>
+
+<p class="pseudotitle"><strong>Ueberblick über die Auffassungen mit Zugrundelegung
+des Genussmoments.</strong></p>
+
+<p>Greift man aus der Geschichte der wissenschaftlichen Abendmahlsuntersuchung
+die Werke heraus, welche in allgemeiner Weise
+das Genussmoment zu Grunde legen, so fügen sich folgende Namen
+in bunter, zusammenhangsloser Reihe aneinander: <span class="smcap">David
+Fr. Strauss</span>, <span class="smcap">Bruno Bauer</span>, <span class="smcap">E. Renan</span>, <span class="smcap">Adolf Harnack</span>, <span class="smcap">Fr.
+Spitta</span>, <span class="smcap">W. Brandt</span>, <span class="smcap">Erich Haupt</span>, <span class="smcap">Friedrich Schultzen</span>,
+<span class="smcap">Rich. Ad. Hoffmann</span> und <span class="smcap">Albert Eichhorn</span>. In dieser Reihe
+haben wir keine natürliche Kontinuität, wie in der vorher betrachteten.
+Bei näherem Zusehen ergeben sich zwei Epochen.
+Die erste fällt in die Mitte des Jahrhunderts (<span class="smcap">Fr. Strauss</span>,
+<span class="smcap">Bruno Bauer</span>, <span class="smcap">E. Renan</span>). Die zweite beginnt am Anfang der
+neunziger Jahre (<span class="smcap">Harnack</span> und <span class="smcap">Spitta</span>) und kommt noch vor
+Ablauf des Jahrzehnts zu ihrem naturgemässen Abschluss (<span class="smcap">A.
+Eichhorn</span>).</p>
+
+<p><span class="smcap">Strauss</span>, <span class="smcap">Bruno Bauer</span>, <span class="smcap">E. Renan</span>, <span class="smcap">W. Brandt</span>, <span class="smcap">Spitta</span>
+und <span class="smcap">Eichhorn</span> bieten <em class="gesperrt">Auffassungen mit einseitiger Herausarbeitung
+des Genussmoments.</em> <span class="smcap">Adolf Harnack</span>,
+<span class="smcap">Erich Haupt</span>, <span class="smcap">Friedrich Schultzen</span> und <span class="smcap">R. A. Hoffmann</span> vertreten
+die <em class="gesperrt">doppelseitigen Darstellungen</em> mit Zugrundelegung
+des Genussmoments und abgeleiteter Geltendmachung des Darstellungsmoments.</p>
+
+<hr class="chap" />
+
+<h2>Fünftes Kapitel.</h2>
+
+<p class="pseudotitle">
+<span class="pagenum"><a name="Seite_11" id="Seite_11">11</a></span>
+<b>Die Auffassungen mit einseitiger Herausarbeitung des
+Genussmoments.</b></p>
+
+<h3><strong>1. Die Vorperiode. Fr. Strauss, Bruno Bauer, E. Renan.</strong></h3>
+
+<p>Für die Auffassungen mit einseitiger Herausarbeitung des
+Genussmoments gibt es zwei Perioden. Die erste liegt gegen die
+Mitte des 19. Jahrhunderts zu, die zweite gegen das Ende. <span class="smcap">Friedrich
+Strauss</span> bezeichnet die erste, <span class="smcap">Friedrich Spitta</span> die zweite.</p>
+
+<p><span class="smcap">Strauss</span><a name="FNAnker_7_7" id="FNAnker_7_7"></a><a href="#Fussnote_7_7" class="fnanchor">[7]</a> führt aus, dass die Uebersetzung &bdquo;dies bedeutet&ldquo;,
+wenn sie sich auf das, was Jesus mit den Elementen thut, beziehen
+soll, bei weitem nicht ausreicht, ja gar nicht im Sinne der
+Verfasser der Evangelien gelegen haben kann. &bdquo;Den Schreibern
+unserer Evangelien <em class="gesperrt">war</em> das Brot im Abendmahl der Leib
+Christi ... hätte man geschlossen, dass das Brot den Leib bloss
+<em class="gesperrt">bedeute</em>, so würden sie sich dadurch nicht befriedigt haben&ldquo;
+(S. 436 ff.). Es ist kritisch nicht zulässig, dass Jesus seinen gewaltsamen
+Tod mit Bestimmtheit vor sich gesehen habe. Daher
+kann sich für ihn die Symbolik bei der letzten Mahlzeit mit den
+Jüngern gar nicht auf seinen Tod beziehen. Ebenso ist der
+Wiederholungsbefehl für unhistorisch zu halten; dafür spricht
+das Schweigen der beiden ersten Evangelien und die Erwägung,
+dass überhaupt eine Gedächtnisfeier natürlicher aus dem Bedürfnis
+der Zurückbleibenden, als aus dem Plan des Scheidenden hervorgeht.
+Ein Passahmahl war diese letzte Mahlzeit mit den Jüngern
+auch nicht. Das eigentlich Historische an der ganzen Ueberlieferung
+ist das eschatologische Schlusswort beim Becher: ich werde
+davon nicht mehr trinken, bis ich ihn neu trinken werde mit euch
+in meines Vaters Reich. In Jesu Gedanken bezieht es sich auf
+den nächsten Passahwein, nicht allgemein auf das Essen und
+Trinken. Von Mahlzeiten im messianischen Reich sprach er, gemäss
+den Vorstellungen seiner Zeit, öfters, und so mag er erwartet
+haben, das in demselben namentlich das Passahmahl mit besonderer
+Feierlichkeit werde begangen werden. Wenn er nun versichert,
+dieses Mahl nicht mehr in <em class="gesperrt">diesem</em>, sondern erst in <em class="gesperrt">jenem</em> Aeon
+zu geniessen, so muss, nach seiner Erwartung, bis zur Feier des
+<span class="pagenum"><a name="Seite_12" id="Seite_12">12</a></span>Passah das messianische Reich eintreten. Es ist dabei nicht nötig,
+dass Jesus das Erscheinen des Reiches an seinen Tod geknüpft
+dachte. Die ganze urchristliche Abendmahlsauffassung erklärt
+sich daraus, dass statt des messianischen Reiches und seiner
+Passahfeier &mdash; <em class="gesperrt">der Tod Jesu eintrat.</em></p>
+
+<p>Die Gemeinde feierte das Passah. Es war natürlich, dass
+sich der Versuch darbieten musste, demselben durch die Beziehung
+auf den Tod und das letzte Mahl Jesu (welches kein Passahmahl
+gewesen) eine <em class="gesperrt">christliche</em> Deutung zu geben. So erklärt
+sich das Eindringen des Leidensgedankens und der Leidensweissagung
+in die historischen Abendmahlsberichte. Die Elemente erhielten
+eine Beziehung auf den Leib und auf das Blut Christi;
+dabei wurde das Wort Jesu, den Genuss des Passahweines betreffend,
+allgemein auf das Essen und das Trinken bezogen
+und mit Brot und Wein als seinem Leib und Blut in Verbindung
+gebracht. So entstand die Vorstellung von dem Wiederholungsbefehl.
+Die Neigung, das Gedächtnismahl vom Passah loszulösen
+und öfters zu begehen, erklärt das Aufkommen eines derartigen
+Wortes.</p>
+
+<p>Diese geniale Auffassung von <span class="smcap">Fr. Strauss</span> enthält bereits
+alle Faktoren, welche die späteren, das Genussmoment einseitig
+betonenden Abendmahlsdarstellungen kennzeichnen. Vor allem
+kommen hier in Betracht die Loslösung der historischen Feier vom
+Passahmahl, das Ausscheiden der Leidensanspielungen aus den
+Worten Jesu, die Erklärung der Wiederholung der Feier ohne
+Annahme des Wiederholungsbefehles und die Notwendigkeit, alle
+als unhistorisch erkannten Züge in den neutestamentlichen Abendmahlsdarstellungen
+(Anschluss an das Passahfest, Beziehung auf
+den Tod Christi und Wiederholungsbefehl) aus der Entwicklung
+der urchristlichen Feier in einem Zeitraum von nicht einmal zwei
+Jahrzehnten zu erklären.</p>
+
+<p>Will man diese Rückbildung nicht durch eine gewagte Geschichtskonstruktion
+erweisen, so bleibt nur wissenschaftliche
+Skepsis in irgend einer Form übrig. Diesen Weg hat <span class="smcap">Bruno
+Bauer</span><a name="FNAnker_8_8" id="FNAnker_8_8"></a><a href="#Fussnote_8_8" class="fnanchor">[8]</a> betreten. Er setzt voraus, dass die Berichte besagen
+wollen: <em class="gesperrt">der Herr reichte seinen Jüngern seinen Leib und
+sein Blut zum Genuss dar.</em> Der Wiederholungsbefehl ist eine
+<span class="pagenum"><a name="Seite_13" id="Seite_13">13</a></span>Zuthat aus späterer Zeit mit abschwächender Tendenz. Man
+fühlte, dass man für die historische Feier den Genuss so nicht
+aufrecht erhalten könne. Darum hob man die Beziehung auf die
+Zukunft, die der Formel an sich zu Grunde liegt, hervor. Jesus
+kann seinen Jüngern nicht sein Fleisch und Blut dargereicht
+haben,<a name="FNAnker_9_9" id="FNAnker_9_9"></a><a href="#Fussnote_9_9" class="fnanchor">[9]</a> damit sie es assen; also ist der Bericht des Markus Phantasie,
+und alle andern Berichte sind Nachbildungen dieser Erfindung.</p>
+
+<p>Wie sehr gerade die Vollziehung des Genusses Voraussetzung
+der <span class="smcap">Bauer</span>'schen Auffassung ist, zeigt sich darin, dass er
+dem Matthäus vorwirft, er habe das bei Markus konstatierte Faktum
+des Trinkens von seiten der Jünger eigenmächtig in einen
+Befehl Jesu umgesetzt, was schon eine Milderung bedeute. Das
+eschatologische Schlusswort lässt er unbeachtet und schneidet sich
+so den Weg ab, der <span class="smcap">Strauss</span> aus den Schwierigkeiten, welche die
+einseitige Betonung des Genussmomentes nach sich zieht, herausführte.</p>
+
+<p>Nach <span class="smcap">E. Renan</span><a name="FNAnker_10_10" id="FNAnker_10_10"></a><a href="#Fussnote_10_10" class="fnanchor">[10]</a> hat Jesus am letzten Abend die gewöhnliche
+gemeinsame Mahlzeit mit dem Brotbrechen im Kreise seiner
+Jünger gefeiert. &bdquo;Dans ce repas, ainsi que dans beaucoup d'autres,
+Jésus pratique son rite mystérieux de la fraction du pain.&ldquo; Das
+eschatologische Schlusswort ist für <span class="smcap">Renan</span> zweifelhaft und ohne
+Bedeutung. Die synoptischen Abendmahlsberichte erklären sich
+nur aus der Entwicklung der späteren Anschauungen, für welche
+das letzte Mahl ein Passahmahl war; dadurch drangen der
+Leidensgedanke, die Beziehung der Elemente auf den Leib Jesu
+und die Anordnung der Wiederholung in die Darstellung des
+letzten Mahles ein.</p>
+
+<h3><strong>2. Die modernen Versuche. W. Brandt, Fr. Spitta,
+A. Eichhorn.</strong></h3>
+
+<blockquote>
+
+<p>Vergleiche zum <span class="err" title="original: folgenden">Folgenden</span> den verhängnisvollen Vortrag von <span class="smcap">E. Grafe</span>
+(Die neuesten Forschungen über die ursprüngliche Abendmahlsfeier. Zeitschrift
+für Theologie und Kirche 1895) und die klare Zusammenfassung von
+<span class="smcap">Rud. Schäfer</span> (Das Herrenmahl nach Ursprung und Bedeutung 1897).</p></blockquote>
+
+<p>Erst das letzte Jahrzehnt des 19. Jahrhunderts bietet eine
+Abhandlung, in der die bei <span class="smcap">Strauss</span>, <span class="smcap">Bauer</span> und <span class="smcap">Renan</span> angedeuteten<span class="pagenum"><a name="Seite_14" id="Seite_14">14</a></span>
+Gedanken sich in voller Schärfe und Konsequenz zu einem
+einheitlichen Bilde entwickeln. Es ist die epochemachende Arbeit
+<span class="smcap">Spitta</span>'s. Die Werke von <span class="smcap">Ad. Harnack</span> und <span class="smcap">W. Brandt</span>
+gehen ihr zeitlich in der Hervorhebung des ausschliesslichen
+Mahlzeitscharakters der historischen Feier voraus. Da jedoch
+<span class="smcap">Harnack</span> schon mehr zu den doppelseitigen Darstellungen mit
+Zugrundelegung des Genussmoments überleitet, ist es rätlich,
+ihn erst dort zu behandeln. Zudem hat er in der 3. Auflage
+seiner Dogmengeschichte (Bd. I S. 64) zu dem Lösungsversuch
+<span class="smcap">Spitta</span>'s Stellung genommen und seine eigene Ansicht daraufhin
+neu formuliert.</p>
+
+<h3><strong>3. W. Brandt.</strong></h3>
+
+<blockquote>
+
+<p>Die evangelische Geschichte und der Ursprung des Christentums. Leipzig
+1893 S. 283 ff.</p></blockquote>
+
+<p>Die Hauptbedeutung der historischen Feier liegt in dem <em class="gesperrt">gemeinschaftlichen
+Genuss.</em> Durch das Gleichnis beim Abendmahl
+hat Jesus die gemeinsamen Mahlzeiten zum <em class="gesperrt">Symbol der
+Gemeinschaft</em> gemacht. In der Bedeutung dieses Symbols ist
+der Grund der Wiederholung zu sehen. Eine Anspielung auf
+den Tod ist, wenn sie sich in dem Wort, welches das Brotbrechen
+begleitete, findet, für das Wesen der Feier bedeutungslos.</p>
+
+<p>Die Aufnahme des Leidensgedankens und die Eintragung
+des Wiederholungsbefehls in unsere Berichte gehen auf eine Verschiebung
+in der urchristlichen Feier zurück. Diese ist dadurch
+bedingt, dass nach dem Jahre 70 wegen des Fehlens des Lammes
+Brot und Becher die vornehmsten Ingredienzen des jüdischen
+Passahmahls bildeten; dadurch wurde eine Gleichgestaltung desselben
+mit der urchristlichen Herrenmahlsfeier angebahnt. So
+erklärt es sich, dass die letztere durch das erstere im äusserlichen
+Verlauf und im Gedankengehalt beeinflusst wurde.</p>
+
+<p>In dieser ansprechenden Skizze finden wir die schon bei
+<span class="smcap">Strauss</span> bemerkten Eigentümlichkeiten der das Genussmoment
+ausschliesslich betonenden Auffassungen wieder. Der Wiederholungsbefehl
+fehlt, und es kommt darauf an, den Leidenshinweis
+in unseren Berichten auf die Einwirkung späterer Gemeindevorstellungen
+zurückzuführen. Ob der von dem Verfasser angezeigte
+Weg wirklich zum Ziele führt, ist fraglich. Sicher ist, dass er
+eine grosse Schwierigkeit nicht berücksichtigt hat. Wie konnten
+die Jünger die Worte des Meisters in dem oben gebotenen Sinn<span class="pagenum"><a name="Seite_15" id="Seite_15">15</a></span>
+verstehen? Wie konnten sie überhaupt begreifen, dass er bei
+der Darreichung von Brot und Wein sie aufforderte, seinen
+Leib und sein Blut zu geniessen?</p>
+
+<p>Es ist das unschätzbare Verdienst <span class="smcap">Spitta</span>'s, diese Frage in
+den Vordergrund geschoben zu haben.</p>
+
+<h3><strong>4. Fr. Spitta.</strong></h3>
+
+<blockquote>
+
+<p>Die urchristlichen Traditionen über Ursprung und Sinn des Abendmahls
+(zur Geschichte und Litteratur des Urchristentums). 1893 S. 207
+bis 337.</p></blockquote>
+
+<p>Der Sinn der Worte Jesu liegt einzig und allein in der Aufforderung
+zum Genuss. Das Genossene ist nach seinen Worten
+sein Leib und sein Blut, gerade <em class="gesperrt">dadurch, dass es genossen
+wird</em>! Das Brechen und Ausgiessen als die darstellende Handlung,
+welche den Elementen eine veranschaulichende Beziehung
+auf seinen Tod geben soll, lag seinen Gedanken fern. Die historische
+Feier war eine <em class="gesperrt">Mahlzeit</em>, bei welcher nach dem gemeinsamen
+Inhalt aller Berichte die Jünger auf seine Aufforderung
+hin die dargereichte Speise als seinen Leib essen und den eingegossenen
+Wein als sein Blut trinken sollten und dies auch
+thaten.</p>
+
+<p><span class="smcap">Strauss</span> und <span class="smcap">Bruno Bauer</span> hatten denselben Thatbestand
+als von den Quellen geboten konstatiert, wurden aber von hier
+aus gezwungen, die historische Thatsächlichkeit des geschilderten
+Vorganges in Frage zu stellen und das Zustandekommen der
+Berichte sei es aus der Geschichte des Urchristentums (<span class="smcap">Strauss</span>),
+sei es aus der Geschichte der Entstehung der christlichen Ueberlieferung
+überhaupt (<span class="smcap">Bruno Bauer</span>) zu erklären. Dass die Jünger
+auf die Aufforderung Jesu hin damals seinen Leib und sein Blut
+genossen haben sollen, ist für sie eine unvollziehbare Vorstellung.</p>
+
+<p><span class="smcap">Spitta</span> kann den Vorgang als historisch aufrecht erhalten
+durch Zuhülfenahme <em class="gesperrt">eschatologischer Gedankengänge.</em>
+Anknüpfend an die Vorstellung des messianischen Bundes, hat
+Jesus, wie die übereinstimmenden Züge aller Berichte zeigen, bei
+den &bdquo;Einsetzungsworten&ldquo; an das Essen und Trinken beim messianischen
+Mahl gedacht. In der prophetischen und in der apokalyptischen,
+in der Sapientia- und in der rabbinischen Litteratur
+stellt sich die Vollendung des Reiches in dem messianischen Mahl
+dar, <em class="gesperrt">wobei die genossene Speise der Messias selbst ist</em>!<span class="pagenum"><a name="Seite_16" id="Seite_16">16</a></span>
+Auf Grund dieser Vorstellung konnte Jesus voraussetzen, dass
+die Jünger ihn verstehen würden, wenn er sie aufforderte, beim
+Essen ihn selbst zu geniessen. Was er ihnen bietet, ist eine Vorwegnahme
+des grossen messianischen Mahles der Endzeit. In
+diesem Gedanken konnten sie den Leib des Messias essen und
+ihn in seinem Blut, dem Saft der Trauben, trinken.</p>
+
+<p>Das letzte Mahl war kein Passahmahl, der Leidensgedanke
+kam für die Symbolik der Elemente nicht in Betracht, und der
+Wiederholungsbefehl ist unhistorisch. Diese Anschauungen sind
+späterer Art und nur dadurch verständlich, dass infolge des inzwischen
+eingetretenen Todes Jesu die Auffassung seiner Worte
+bei der letzten Mahlzeit sich notwendig ändern musste. Die Feier
+wurde in Analogie zu dem Passahmahl gesetzt, weil jetzt die
+Deutung der Worte vom Leib und Blut auf seine Leiden unabweislich
+war. Damit drang die Vorstellung einer Stiftung notwendig
+mit ein.</p>
+
+<p>Bei Paulus halten sich die ursprüngliche und die auf das
+Leiden bezogene Auffassung noch das Gleichgewicht. I Kor
+10 <span class="antiqua">1</span> ff. und I Kor 10 <span class="antiqua">14</span> ff. kennen den Leidensgedanken noch
+nicht und betonen das Genussmoment. I Kor 11 <span class="antiqua">23</span> ff. tritt das
+neue Moment in Sicht, welches Paulus bei der Bekämpfung der
+korinthischen Agapenskandale in die Feier einträgt: <em class="gesperrt">die Feier
+hat es mit dem Tode Jesu zu thun.</em></p>
+
+<p>Das Neue ist also bei <span class="smcap">Spitta</span> die Heranziehung eigentümlich
+eschatologischer Gedankengänge, durch welche er eine Feier
+als historisch aufrecht erhält, bei der der Meister den zu Tische
+Liegenden Brot und Wein reichte mit der Aufforderung, seinen
+Leib zu essen und sein Blut zu trinken. In dem Wesen dieser
+Feier lag es begründet, dass sie ohne ausgesprochenen Wiederholungsbefehl
+Aufnahme in der ersten Gemeinde fand. Von hier
+aus scheint es dann nicht unmöglich, in der nun folgenden Entwicklung
+das Eintreten der Faktoren begreiflich zu machen,
+welche die neuen Züge in der Auffassung und Wertung der Feier
+bedingten.</p>
+
+<h3><strong>5. Kritik der Auffassung Spitta's.</strong></h3>
+
+<p>Die grosse Bedeutung der Untersuchung <span class="smcap">Spitta</span>'s beruht
+darin, dass er die Abendmahlsfrage nach einem einheitlichen Gesichtspunkt
+aufgefasst und zu lösen unternommen hat. Alle
+Einzelfragen stehen bei ihm in einer gegenseitigen, engen Wechsel<span class="pagenum"><a name="Seite_17" id="Seite_17">17</a></span>verbindung.
+Seine Abhandlung bildet eine geschlossene Kette,
+bei der jedes Glied nur im Zusammenhang mit den andern in
+Betracht kommt. Darin besteht der grosse Fortschritt in seiner
+Untersuchung den früheren gegenüber. Die textkritischen und
+die exegetischen Erörterungen sind bei ihm sowohl <em class="gesperrt">Grundlage</em>
+als auch <em class="gesperrt">Folge</em> der Gesamtauffassung.</p>
+
+<p>Man hat seine Auffassung eine <em class="gesperrt">eschatologische</em> genannt,
+weil er, wie <span class="smcap">Fr. Strauss</span>, den Gedanken der Mahlzeit im messianischen
+Reich zu Hülfe nimmt, um die historische Feier verständlich
+zu machen. <span class="smcap">Strauss</span> ging dabei vom synoptisch-eschatologischen
+Schlusswort aus, in welchem Jesus die Jünger auf
+das grosse Mahl der Endzeit verweist, wo er wieder mit ihnen
+vereint sein wird. Der eschatologische Charakter der <span class="smcap">Spitta</span>'schen
+Auffassung aber beruht nicht auf dem synoptischen Wort, <em class="gesperrt">sondern
+auf einer <span class="err" title="original: eschatologichen">eschatologischen</span> Vorstellung vom Endmahl,
+welche aus den Apokryphen und der Weisheitslitteratur
+zusammengetragen ist.</em> Dabei ergeben sich eine
+Reihe schwerer Widersprüche mit dem synoptisch-eschatologischen
+Schlusswort.</p>
+
+<p>Nach <em class="gesperrt">Spitta</em> bietet sich der Messias beim Mahle der Endzeit
+den Seinen zur Speise und zum Trank an. Nach den Synoptikern
+weist Jesus auf das Endmahl hin, wo er mit ihnen vom
+Gewächs des Weinstocks geniesst. Bei <span class="smcap">Spitta</span> will er also
+<em class="gesperrt">Speise und Trank</em>, bei den Synoptikern <em class="gesperrt">mitgeniessender
+Tischgenosse sein</em>!</p>
+
+<p>Bei <span class="smcap">Spitta</span> wird der eschatologische Hinweis sowohl <em class="gesperrt">für
+die Speise als für den Trank vorausgesetzt.</em> Historisch
+ist aber das eschatologische Schlusswort <em class="gesperrt">nur beim Becher</em>!</p>
+
+<p><span class="smcap">Spitta</span>'s Eschatologie bezieht sich auf die <em class="gesperrt">Aufforderung
+zum Genuss</em> des Leibes und Blutes. Das synoptisch-eschatologische
+Wort steht damit in keinem Zusammenhang, <em class="gesperrt">sondern
+folgt erst auf den Genuss.</em></p>
+
+<p><span class="smcap">Spitta</span>'s Auffassung ist also ganz unabhängig vom synoptisch-eschatologischen
+Schlusswort. Es figuriert auch nicht in seiner kürzesten
+Form der Einsetzungsworte, sondern diese lauten einfach:</p>
+
+<p>&bdquo;Nehmet, esset, das ist mein Leib.&ldquo;</p>
+
+<p>&bdquo;Trinket alle daraus. Das ist das Blut meines Bundes, das
+für viele vergossen wird.&ldquo;</p>
+
+<p>Diese Worte konstituieren die Feier, denn &bdquo;in der Gemeinde
+wurde immer daran gedacht, wie er damals darauf hingewiesen,<span class="pagenum"><a name="Seite_18" id="Seite_18">18</a></span>
+<em class="gesperrt">er sei jetzt und in alle Ewigkeit</em> die rechte Speise
+und Erquickung ihrer Seele&ldquo; (S. 289). So wird das synoptisch-eschatologische
+Schlusswort zum <em class="gesperrt">wehmütigen Abschiedswort</em>,
+welches von dem Jubelklang der eschatologisch siegesgewissen
+Stimmung zum Todesgang überleitet.</p>
+
+<p><em class="gesperrt">Christus die rechte Seelenspeise:</em> dieser Gedanke ist
+modern. Die Eschatologie <span class="smcap">Spitta</span>'s zielt dahin, diesen Gedanken
+durch eine Zusammenstellung von alttestamentlichen und apokryphischen
+Sprüchen in künstlich-antikem Licht spielen zu lassen,
+damit er die Aufforderung Jesu zum Genuss seines Leibes und
+Blutes für die historische Situation erkläre. Verzichtet man auf
+dieses künstliche Licht, dann bleibt nur das skeptische Dunkel.
+Das ist bei <span class="smcap">Eichhorn</span> der Fall.</p>
+
+<h3><strong>6. A. Eichhorn.</strong></h3>
+
+<blockquote>
+
+<p>Das Abendmahl im Neuen Testament. Hefte zur christlichen Welt
+No. 36. 1898.</p></blockquote>
+
+<p>&bdquo;Wenn wir unseren Berichten trauen dürfen&ldquo;, hat Jesus das
+erste Abendmahl mit seinen Jüngern so gehalten, dass er ihnen
+Brot und Wein ausgeteilt und sie seinen Leib und sein Blut gegessen
+und getrunken haben. Aller Nachdruck fällt auf den Genuss.
+Eine auf Jesu Handeln sich gründende Symbolik kann bei
+der Betonung des Genusses nicht bestehen. <em class="gesperrt">Man darf nicht
+sagen, dass das Brechen des Brotes auf das Zerbrechen
+des Leibes und das Trinken des Weins auf das Vergiessen
+des Bluts</em> hindeutet. Die Handlung, die in Wirklichkeit
+vorgenommen wird, ist einfach das Essen und Trinken.</p>
+
+<p>Ist dies nun der durch die Quellen gebotene Sachverhalt, so
+gibt es vorläufig keine Möglichkeit, die historische Feier und das
+Aufkommen ihrer Wiederholung zu verstehen. Was auch Jesus
+gesagt und gethan haben mag an jenem Abend, <em class="gesperrt">das Kultmahl
+der Gemeinde mit dem sakramentalen Essen und
+Trinken des Leibes und Blutes Christi</em>, wie es in der
+ältesten Christenheit ziemlich von Anfang an sich ausgebildet hat,
+<em class="gesperrt">ist von da aus nicht zu verstehen.</em> So wird <span class="smcap">Eichhorn</span>, weil
+er bei der eingestandenen Bedeutung des Genussmomentes von
+der Heranziehung eschatologischer oder moderner Anschauungen
+absieht, notwendig zur Skepsis gedrängt.</p>
+
+<p>Sie besteht in dem ausgesprochenen Verzicht, auf Grund der
+vorhandenen Berichte die historische und die wiederholte Feier<span class="pagenum"><a name="Seite_19" id="Seite_19">19</a></span>
+in ihrem Zusammenhang zu begreifen, wenn nicht eine neue, von
+unseren Berichten unabhängige Thatsache ein Datum liefert,
+welches den Ausgangspunkt der uns unverständlichen Entwicklung
+kenntlich macht. &mdash; Gelingt es nicht, in der gnostischen Gedankenwelt
+ein <em class="gesperrt">sakramentales Essen</em>, welches das Vorbild
+des Abendmahls abgeben könnte, nachzuweisen, sodass für die
+älteste Christenheit nicht das supranaturale Essen und Trinken
+als solches, sondern nur die Ersetzung einer andern übernatürlichen
+Substanz durch Christi Leib und Blut neu ist, <em class="gesperrt">dann muss
+auf ein Verständnis der historischen Feier und ihrer
+Entwicklung zur Gemeindefeier endgültig verzichtet
+werden.</em></p>
+
+<h3><strong>7. Die neue &bdquo;Thatsache&ldquo;.</strong></h3>
+
+<p>Um dem Skeptizismus zu entgehen, postuliert <span class="smcap">Eichhorn</span>
+eine neue, über den Bestand unserer Quellen hinausgehende Thatsache.
+Seine Vorgänger, die mit ihm die ausschliessliche Betonung
+des Genusses gemein haben, ersetzen dieses Postulat
+durch eine <em class="gesperrt">angenommene</em> Thatsache.</p>
+
+<p>D. <span class="smcap">Fr. Strauss</span> erklärt das Aufkommen der Abendmahlsfeier
+im Urchristentum, und damit die Entstehung unserer Berichte,
+durch das Missverständnis eines von Jesu bei dem letzten
+Mahl gesprochenen eschatologischen Wortes von seiten der
+Jünger.</p>
+
+<p><span class="smcap">Bruno Bauer</span> verlegt die ganze Entwicklung, da er sie anders
+nicht erklären kann, in die Phantasie des Urevangelisten.
+<span class="smcap">Renan</span> behilft sich mit der Annahme eines schon früher von Jesu
+geübten, den Jüngern bekannten geheimnisvollen Ritus des Brotbrechens.
+<span class="smcap">Spitta</span> bringt eine eigenartige, im Grunde moderne
+eschatologische Vorstellung an die synoptischen Berichte heran,
+welche mit dem dort gebotenen eschatologischen Schlusswort in
+gar keiner Beziehung steht.</p>
+
+<p><span class="smcap">W. Brandt</span> überträgt moderne Anschauungsweisen in die
+Gedankenwelt Jesu und seiner Jünger, ohne diese Uebertragung
+aus den Berichten begründen zu können.</p>
+
+<p>So bildet die Untersuchung <span class="smcap">Eichhorn</span>'s den natürlichen
+Schlusspunkt der scheinbar so zusammenhangslosen Reihe der
+Auffassungen mit einseitiger Herausarbeitung des Genussmoments.
+Durch die dialektische Behandlung des Problems entzieht er jeder
+künftigen Darstellung von vornherein die Berechtigung, wenn sie<span class="pagenum"><a name="Seite_20" id="Seite_20">20</a></span>
+nicht eine neue geschichtliche Thatsache aufbringen kann, die
+erklärt, wie die Anschauung aufkam, dass Jesus den Jüngern
+zumutete, seinen Leib und sein Blut zu essen und zu trinken.</p>
+
+<h3><strong>8. Die Skepsis in der Folge der einseitigen Herausarbeitung
+des Genussmoments.</strong></h3>
+
+<p><span class="smcap">Eichhorn</span>'s <em class="gesperrt">Postulat</em> trägt auch nicht weiter als die behaupteten
+Thatsachen seiner Vorgänger. Er verlangt, dass die
+Vorstellung des supranaturalen Essens und Trinkens in einer
+schon vorhandenen religiösen Gedankenwelt nachgewiesen werde.
+Die nähere Kenntnis des &bdquo;Gnostizismus&ldquo; könnte nach seiner
+Ansicht dazu führen.</p>
+
+<p>Zugegeben, dass ein solches supranaturales Essen und
+Trinken schon existiert hätte, so müsste dargethan werden, wie
+man im Urchristentum dazu kam, diesen Gedanken ins Abendmahl
+<em class="gesperrt">herüberzunehmen.</em> Inwiefern gab die historische Feier
+Ansatzpunkte dazu? Die von <span class="smcap">Eichhorn</span> vorgeschlagene Operation
+hängt ganz in der Luft, denn unsere Berichte stehen einem
+solchen Beginnen vollständig fremd und ablehnend gegenüber.</p>
+
+<p>Nun wäre die Umsetzung seines Postulats in eine dementsprechende
+historische Thatsache der einzige Ausweg aus der
+Skepsis. Gleich beim ersten Schritt zeigt sich aber, dass er völlig
+aussichtslos ist. Also muss eine Darstellung, welche von der
+Voraussetzung ausgeht, Jesus habe die Seinen bei Brot und
+Wein zum Genuss seines Leibes und Blutes aufgefordert, <em class="gesperrt">von
+vornherein, unter allen Umständen auf die Lösung des
+Problems verzichten! Die konsequente Herausarbeitung
+des Genussmoments führt notwendig zur Skepsis:
+das ist der Ertrag dieser Darstellungen.</em></p>
+
+<h3><strong>9. Der logische Grund der Skepsis.</strong></h3>
+
+<p>Wenn in der wissenschaftlichen Behandlung einer Frage die
+Skepsis sich einstellt, so liegt dies immer daran, dass <em class="gesperrt">sich in
+den Voraussetzungen eine unbegründete Behauptung
+versteckt hat</em>, welche von da aus das menschliche Denken
+neckt und in die Irre führt. Die Wissenschaft an sich kann nie
+zur Skepsis führen. Mit der Aufdeckung der <em class="gesperrt">unerwiesenen
+Voraussetzungsbehauptung</em> ist die Skepsis gehoben.</p>
+
+<p>Worin besteht diese nun in den obigen Abhandlungen? Der
+Fehler kann nicht in der ausschliesslichen Geltendmachung des<span class="pagenum"><a name="Seite_21" id="Seite_21">21</a></span>
+Genussmoments beruhen. Dass das Abendmahl von der urchristlichen
+Gemeinde als <em class="gesperrt">Mahlzeit</em> übernommen und gefeiert wurde,
+dass die Handlung, welche die urchristliche mit der historischen
+Feier verbindet, nicht in dem symbolischen <em class="gesperrt">Handeln des
+&bdquo;Stifters&ldquo;</em>, sondern in der <em class="gesperrt">Handlung der Teilnehmer</em>, dem
+Essen und Trinken besteht: diese Thatsachen werden durch die
+Quellen geboten und durch das Urchristentum bestätigt.</p>
+
+<p>Nicht in der <em class="gesperrt">Thatsache</em>, sondern in der <em class="gesperrt">Art</em> der Wertung
+des Genussmoments ist der Fehler zu suchen. Sämtliche obige
+Darstellungen formulieren sie dahin, dass Jesus die Jünger bei
+der Darreichung von Brot und Wein <em class="gesperrt">aufgefordert</em> habe, seinen
+Leib zu essen und sein Blut zu trinken. <em class="gesperrt">Die Skepsis beruht
+also in der Verbindung des Mahlzeitcharakters der
+Feier mit den Gleichnisworten</em>, denn damit ist eine Aussage
+gegeben, in der Subjekt und Objekt identisch sind: der Darbietende
+ist zugleich der Genossene. Hier hört das Denken auf. <em class="gesperrt">Das
+üppige Schlinggewächs historischer und exegetischer
+Einfälle ist keine Brücke über den Abgrund des Selbstwiderspruchs!</em></p>
+
+<p>Statt also von der Konstatierung auszugehen, dass Jesus
+den Seinen seinen Leib und sein Blut zum Genuss dargereicht habe,
+muss man damit beginnen, diese Voraussetzung selbst zu prüfen.
+Ist es wirklich eine aus der urchristlichen Feier und aus den Berichten
+unumstösslich feststehende Thatsache, dass Jesus ihnen
+dies in irgend einer Form zugemutet hat? Wenn ja, dann ist die
+Lösung der Abendmahlsfrage unmöglich, da wir dabei das &bdquo;wie&ldquo;
+aus unseren Texten nie erklären können und jede freie Deutung
+bei unseren Berichten ohne Rückhalt bleibt.</p>
+
+<div class="footnotes"><h3>Fussnoten:</h3>
+
+<div class="footnote">
+
+<p><a name="Fussnote_7_7" id="Fussnote_7_7"></a><a href="#FNAnker_7_7"><span class="label">[7]</span></a> <span class="smcap">David Fr. Strauss</span>, Das Leben Jesu. 1. Ausgabe, Tübingen 1836.
+Bd. I, S. 396-442: Das Abendmahl.</p></div>
+
+<div class="footnote">
+
+<p><a name="Fussnote_8_8" id="Fussnote_8_8"></a><a href="#FNAnker_8_8"><span class="label">[8]</span></a> <span class="smcap">Bruno Bauer</span>, Kritik der evangelischen Geschichte, 1842. Kritik
+der Evangelien, 1850, Bd. III S. 191-213.</p></div>
+
+<div class="footnote">
+
+<p><a name="Fussnote_9_9" id="Fussnote_9_9"></a><a href="#FNAnker_9_9"><span class="label">[9]</span></a> Kritik der evangelischen Geschichte, Bd. III S. 241: &bdquo;Ein Mensch,
+der leiblich und individuell dasitzt, kann nicht auf den Gedanken kommen
+andern seinen Leib und sein Blut zum Genuss anzubieten.&ldquo;</p></div>
+
+<div class="footnote">
+
+<p><a name="Fussnote_10_10" id="Fussnote_10_10"></a><a href="#FNAnker_10_10"><span class="label">[10]</span></a> <span class="smcap">E. Renan</span>, La vie de Jésus 1863, S. 385 ff.</p></div></div>
+
+<hr class="chap" />
+
+<h2>Sechstes Kapitel.</h2>
+
+<p class="pseudotitle"><b>Die doppelseitigen Auffassungen mit Zugrundelegung des
+Genussmoments und abgeleiteter Geltendmachung
+des Darstellungsmoments.</b></p>
+
+<p class="center"><span class="smcap">Ad. Harnack</span>, <span class="smcap">Erich Haupt</span>, <span class="smcap">Fr. Schultzen</span>, <span class="smcap">R. A. Hoffmann</span>.</p>
+
+<h3><strong>1. Allgemeines.</strong></h3>
+
+<p>Diese doppelseitige Reihe steht unter dem Einfluss der Auffassungen
+mit einseitiger Herausarbeitung des Genussmoments.
+Während die Richtung, die durch die Namen <span class="smcap">Rückert</span>, <span class="smcap">Lobstein<span class="pagenum"><a name="Seite_22" id="Seite_22">22</a></span></span>
+und <span class="smcap">Holtzmann</span> gekennzeichnet wird, von dem Handeln
+Jesu ausgehend den Genuss der Teilnehmer zu erklären versuchte,
+verfahren die neuen doppelseitigen Auffassungen umgekehrt.
+Sie stellen den Genuss in den Vordergrund und suchen
+dieses Moment nun so zu formulieren und so zur Geltung zu
+bringen, dass auch das auf den Tod hinweisende Handeln Jesu
+damit in irgend einer Weise vereinbar ist und daraus seine Erklärung
+empfangt. Das Schwergewicht hat sich also von der
+einen auf die andere Seite verschoben.</p>
+
+<p>In letzter Linie sind es exegetische Bedenken, welche die
+betreffenden Verfasser dazu führen, auch dem Leidensgedanken
+und dem Handeln Jesu Rechnung zu tragen. &bdquo;<em class="gesperrt">Die Worte sind
+mir zu mächtig</em>&ldquo;, sagt <span class="smcap">Harnack</span> bei der Würdigung der Auffassung
+<span class="smcap">Spitta</span>'s, deren Grundgedanke ihm zusagt, während die
+Exegese ihn nicht befriedigt. Es ist das Motto auch der übrigen
+doppelseitigen Darstellungen.</p>
+
+<h3><strong>2. Ad. Harnack.</strong></h3>
+
+<blockquote>
+
+<p>Brot und Wasser: die eucharistischen Elemente bei <span class="smcap">Justin</span> (Texte und
+Untersuchungen Bd. VII S. 117 ff. 1891). Theologische Litteraturzeitung
+1892 S. 373-378. Dogmengeschichte (3. Aufl.) Bd. I S. 64.</p></blockquote>
+
+<p>Durch eine Untersuchung, ob Wasser oder ob Wein das
+eucharistische Genusselement in der alten Kirche waren, kam
+<span class="smcap">Harnack</span> im Jahre 1891 dazu, in entschiedener Weise zu betonen,
+dass in jener älteren Zeit die Symbolik sich nicht auf das
+Wesen der Elemente habe beziehen können, sondern dass die
+ganze Bedeutung der historischen und der urchristlichen Feier
+<em class="gesperrt">auf der Mahlzeit als solcher</em> beruht habe.</p>
+
+<p>Das Abendmahl muss eine wirkliche Mahlzeit gewesen sein;
+die in Frage kommende Handlung ist das Essen und Trinken.
+Jesu Worte beziehen sich auf den Genuss. &bdquo;Die wichtigste Funktion
+des natürlichen Lebens hat der Herr geheiligt, indem er die
+Nahrung als seinen Leib und sein Blut bezeichnet hat. So hat er
+sich für die Seinen <em class="gesperrt">auf immer</em> mitten hineingestellt in ihr natürliches
+Leben und sie angewiesen, die Erhaltung und das Wachstum
+dieses natürlichen Lebens zur Kraft des Wachstums des
+geistigen Lebens zu machen.&ldquo;</p>
+
+<p>Mit diesem Moment sucht nun <span class="smcap">Harnack</span>
+noch ein anderes in Beziehung zu setzen und dadurch diese
+allgemeine religiöse <span class="pagenum"><a name="Seite_23"
+id="Seite_23">23</a></span>Wertung des Genusses zu spezifizieren.
+&bdquo;Der Herr hat ein Gedächtnismahl seines Todes eingesetzt, <em class="gesperrt">oder
+vielmehr</em>, er hat die leibliche Nahrung als sein
+Fleisch und sein Blut, d. h. als die Nahrung der Seele, bezeichnet
+(durch die Sündenvergebung), <em class="gesperrt">wenn</em> sie mit
+Danksagung in Erinnerung seines Todes genossen wird.&ldquo;</p>
+
+<p>Dieser Satz ist für <span class="smcap">Harnack</span>'s Auffassung entscheidend.
+&bdquo;Oder vielmehr&ldquo;, &bdquo;d. h.&ldquo; und &bdquo;wenn&ldquo; sind die Rangiergeleise,
+auf denen man von dem allgemeinen, wunderbar tiefen Gedanken
+herkommend, &bdquo;dass der Herr die wichtigste Funktion des natürlichen
+Lebens geheiligt habe&ldquo;, umsetzt, um die Einfahrt zur historischen
+Feier, mit dem dort ausgedrückten Leidensgedanken,
+zu gewinnen. Der allgemeine Mahlzeitcharakter seiner Auffassung
+wird also näher bestimmt durch folgende Sätze:</p>
+
+<ul>
+<li>1. Es handelt sich um eine Stiftung.</li>
+
+<li>2. Der Wiederholungsbefehl ist irgendwie in der historischen
+Situation enthalten.</li>
+
+<li>3. Die Feier hat eine Beziehung auf den Tod des Stifters.</li></ul>
+
+<h3><strong>3. Erich Haupt.</strong></h3>
+
+<blockquote>
+
+<p>Ueber die ursprüngliche Form und Bedeutung der Abendmahlsworte.
+Halle, Universitätsprogramm 1894.</p></blockquote>
+
+<p>Indem Jesus die zu Tische liegenden Jünger bei der Darreichung
+des Brotes und des Weines auffordert, seinen Leib und
+sein Blut zu geniessen, will er sagen: &bdquo;Meine Person ist Träger
+der Kräfte eines höheren Lebens, welches so angeeignet werden
+und so zu einem Bestandteil eurer Personen werden will, wie dies
+bei der irdischen Nahrung der Fall ist. Dies gilt aber <em class="gesperrt">ganz besonders</em>
+von meinem bevorstehenden Tode; gerade die Dahingabe
+meiner <em class="gesperrt">Persönlichkeit</em> wird euch die in ihr beschlossenen
+Lebens- und Heilskräfte in vollstem Masse erschliessen und zu
+gute kommen lassen.&ldquo; Dieser Grundgedanke deckt sich vollständig
+mit dem <span class="smcap">Spitta</span>'s. Während aber letzterer ihm im
+Munde Jesu eine eschatologische Wendung gab, überträgt
+<span class="smcap">Haupt</span> diesen durch den Ausdruck &bdquo;Persönlichkeit&ldquo; als modern
+gekennzeichneten Gedankengang auf die historische Feier durch
+Zuhülfenahme des Leidensgedankens.</p>
+
+<p>Die Eschatologie tritt dabei ganz zurück. Jesus hatte bei
+dem letzten Mahle auch von dem grossen Mahl der Vollendung
+gesprochen. Indem nun das ganze Mahl nachgebildet wurde,
+fanden auch diese eschatologischen Gedanken ihre Stelle. So ist<span class="pagenum"><a name="Seite_24" id="Seite_24">24</a></span>
+bei <span class="smcap">Haupt</span> das eschatologische Moment nicht zur Erklärung der
+Wiederholung benutzt, sondern erst aus der Wiederholung selbst
+verständlich.</p>
+
+<p>Durch die nebenhergehende Geltendmachung des Todesgedankens
+für die Erklärung der Feier ist die Beibehaltung des
+Wiederholungsbefehls gegeben. In der Nacht des Verrats hat
+der Herr das ganze Mahl unter den Gesichtspunkt eines Abschiedsmahls
+gestellt. Er will sein <em class="gesperrt">Gedächtnis für die Zeit
+der Trennung</em> wachhalten. &bdquo;Somit ist nicht nur kein Gegengrund
+dagegen, dass Jesus die Wiederholung der Handlung
+seinen Jüngern anbefohlen hat, sondern ein dahin zielendes Wort
+ist sogar aus inneren Gründen <em class="gesperrt">höchst wahrscheinlich.</em>&ldquo; Diese
+vorsichtige und zurückhaltende Begründung der Beibehaltung
+des Wiederholungsbefehls gibt den genauen Gradmesser ab für
+die Beeinflussung des zu Grunde gelegten Genussmoments durch
+das Darstellungsmoment und den Leidensgedanken.</p>
+
+<p>Mit derselben Vorsicht äussert <span class="smcap">Haupt</span> sich auch über das Verhältnis
+zwischen dem wiederholten Herrenmahl und der Agape.
+&bdquo;Nicht zwei Teile sollen diese gemeinsamen Mahlzeiten haben,
+einen profanen, welcher der äusseren Sättigung dient, und einen
+religiösen, welcher der Erinnerung an Christi Tod gewidmet ist,
+sondern ihre ganze Zusammenkunft soll religiösen Charakter
+tragen, und das Herrenmahl <em class="gesperrt">im engeren Sinne</em> ist nur der
+<em class="gesperrt">Höhepunkt des Ganzen.</em>&ldquo;</p>
+
+<h3><strong>4. Fr. Schultzen.</strong></h3>
+
+<blockquote>
+
+<p>Das Abendmahl im Neuen Testament. Göttingen 1895.</p></blockquote>
+
+<p>In dieser Darstellung ist die Hervorhebung des Leidensgedankens
+und damit die Bedeutung des darstellenden Moments
+im Handeln Jesu aus der Nebenstellung fast bis zur Gleichstellung
+mit dem Genussmoment gerückt, wobei aber letzteres
+immer noch den Ausgangspunkt bildet. &bdquo;Es spricht nichts dafür,
+dass etwa Jesus nur auf das Essen Gewicht gelegt habe und die
+Beziehung auf seinen Tod späterer Zusatz sei. Umgekehrt ist
+es aber auch nicht wahrscheinlich, dass Jesus nur eine symbolische
+Handlung bei jenem letzten Mahl vorgenommen hat, und
+dass die Verbindung mit dem Mahle nur durch den äusseren Anlass
+entstanden ist.&ldquo; Auch das Brot ist nicht blosses Symbol,
+sondern auf <em class="gesperrt">Grund des Symbols</em> zum wenigsten <em class="gesperrt">Repräsentant
+und Vermittler</em> des Leibes Jesu.</p>
+
+<p><span class="pagenum"><a name="Seite_25" id="Seite_25">25</a></span>
+
+Das Genussmoment und das darstellende Moment werden
+durch den Begriff <em class="gesperrt">des Opfermahls</em> zusammengehalten. Den
+Jüngern waren Jesu Gedanken aus der religiösen Vorstellungswelt
+Israels bekannt und fasslich. In dem Begriff des Opfermahls
+war die Wiederholung unmittelbar gegeben und ebenso der
+Empfang der in ihm gespendeten Gabe. So hat, trotz des Fehlens
+des Wiederholungsbefehls, Jesus auch nach dem Bericht des
+Markus an eine Wiederholung gedacht, weil er eine Gabe spendet,
+die auch für <em class="gesperrt">die fernsten</em> Zeiten Wert hat.</p>
+
+<p>Wie bei <span class="smcap">Erich Haupt</span> vermögen die eschatologischen Gedanken
+auch bei <span class="smcap">Fr. Schultzen</span> sich nur anhangsweise Geltung
+zu verschaffen, nachdem die Wiederholung der Feier schon
+anderweitig feststeht. &bdquo;Die Parousiegedanken bei dieser Feier
+erklären sich bei der lebhaften Sehnsucht der Gemeinde nach
+der Parousie leicht, da das Abendmahl auch nach I Kor 11 <span class="antiqua">26</span> eine
+Feier ist, die in der Wiederkunft Christi ihr Ziel erreicht hat.&ldquo;</p>
+
+<p>Die Trennung von Mahlzeit und Abendmahl wird bereits für
+die Urgemeinde vorausgesetzt. Paulus prägt schon Vorhandenes
+schärfer aus. Die später erfolgte Abtrennung der &bdquo;Eucharistie&ldquo; von
+dem Mahle erklärt sich viel einfacher, wenn sie bereits ein besonderer
+Teil derselben war, als wenn man das ihr besonders
+Eigentümliche gar nicht erkennen konnte.</p>
+
+<h3><strong>5. R. A. Hoffmann.</strong></h3>
+
+<blockquote>
+
+<p>Die Abendmahlsgedanken Jesu Christi. Königsberg 1896.</p></blockquote>
+
+<p>Bei <span class="smcap">Hoffmann</span> tritt das Darstellungsmoment noch stärker
+hervor als bei <span class="smcap">Schultzen</span>. Es wird geradezu eine zweifache Art
+von Teilnehmern vorausgesetzt. Das darstellende Handeln geht
+auf die einen, der Genuss ist für die andern bestimmt. &bdquo;<em class="gesperrt">Vergossen</em>
+wurde sein Blut für <em class="gesperrt">das ungläubige Volk</em>, zu <em class="gesperrt">trinken</em>
+gab er es den <em class="gesperrt">Seinen.</em>&ldquo;</p>
+
+<p>Mit letzterem will er sagen, dass, da das <em class="gesperrt">Blut die Seele
+ist</em>, seine Seele in sie übergehen werde, um ihnen zu ihrer bevorstehenden
+hohen Mission Kraft zu geben, sie zu stärken, damit
+auch sie, wenn der Fall an sie herantritt, <span class="err" title="original: im stande">imstande</span> seien, ihrerseits
+ihre Seele als Lösegeld für andere dahinzugeben. Nicht
+seinen Leichnam reicht er ihnen dar, sondern seinen lebendigen
+Leib als den Träger des ihm innewohnenden göttlichen Geistes.</p>
+
+<p>&bdquo;In der urchristlichen Feier kommt, neben dem Essen und
+Trinken, auch dem, was Jesus gethan hat, dem Brechen und<span class="pagenum"><a name="Seite_26" id="Seite_26">26</a></span>
+Danken &mdash; <em class="gesperrt">in entsprechender Wiederholung</em> &mdash; Bedeutung
+zu.&ldquo; Dies war der Standpunkt von <span class="smcap">Schultzen</span>. <span class="smcap">Hoffmann</span> geht
+noch weiter. &bdquo;<em class="gesperrt">Das Wesentliche der ersten Mahlzeit war
+ohne weiteres nicht zu wiederholen</em>, eben die Handlung
+des Herrn, wie sich in ihr seine überragende Geistesgrösse, seine
+Kraft und Leben ausströmende Gegenwart noch zum letztenmal
+ihnen dokumentiert hatte&ldquo; (S. 106).</p>
+
+<p>Eine Wiederholung ohne Wiederholungsbefehl ist also <em class="gesperrt">undenkbar.</em>
+Der Wiederholungsbefehl muss sich vor allem auf den
+Genuss bezogen haben, da Jesus zur Erinnerung an ihn ein
+<em class="gesperrt">Mahl</em> eingesetzt hat. Es lässt sich nicht mehr ausmachen, wie
+sich in der ersten Zeit das Abendmahl des näheren zur Gemeindemahlzeit
+verhalten habe. Für Paulus jedenfalls war die feierliche
+Gemeindemahlzeit mit dem Abendmahl untrennbar verbunden.</p>
+
+<p>Der Eschatologie kommt in der Darstellung <span class="smcap">Hoffmann</span>'s
+keine Bedeutung zu.</p>
+
+<hr class="chap" />
+<h2>Siebentes Kapitel.</h2>
+
+<p class="pseudotitle"><b>Der gesetzmässige Zusammenhang zwischen den Einzelfragen.</b></p>
+
+<h3><strong>1. Der Wiederholungsbefehl.</strong></h3>
+
+<p>Die historische Feier ist eine Mahlzeit: darin liegt ihre
+Wiederholung von selbst begründet. Wenn Jesus dem Essen
+und dem Trinken im gemeinsamen Kreis der Seinigen eine besondere,
+irgendwie segensreiche Bedeutung verleiht, so ist hiermit
+ohne weiteres die Wiederholung gefordert. Er braucht das nicht
+in einem Befehl ausgesprochen zu haben.</p>
+
+<p>Dies ist der Standpunkt der das Genussmoment ausschliesslich
+betonenden Darstellungen. Auch die doppelseitigen Auffassungen,
+welche das Genussmoment zu Grunde legen, stimmen
+damit überein. Wenn die Jünger Jesum verstanden haben,
+mussten sie von selbst diese Feier wiederholen. Sofern hingegen
+das <em class="gesperrt">Darstellungsmoment</em> nebenbei betont wird, ist nun aber
+die Wiederholung gar nicht selbstverständlich. Was Jesus gethan,
+das kann eigentlich nicht wiederholt werden.</p>
+
+<p>So gehen diese doppelseitigen Darstellungen von dem Gedanken
+aus, dass der Wiederholungsbefehl eigentlich überflüssig
+ist, kommen aber dann dazu, ihn doch irgendwie als möglich oder
+notwendig anzunehmen.</p>
+
+<p><span class="pagenum"><a name="Seite_27" id="Seite_27">27</a></span>
+
+Die Frage bleibt für sie also in der Schwebe. Je stärker
+der Leidensgedanke und das Darstellungsmoment für die historische
+Feier geltend gemacht werden, mit desto grösserer Entschiedenheit
+wird zur Erklärung der eingetretenen Wiederholung
+eine darauf hinzielende Anweisung gefordert.</p>
+
+<h3><strong>2. Das Abendmahl und die urchristliche Gemeindemahlzeit.</strong></h3>
+
+<p>In der Gemeindefeier steckt ein Doppeltes. Wiederholt wird
+eine gemeinsame Mahlzeit. Dabei soll aber in irgend welchem
+Masse ein historischer, an sich einzigartiger Moment reproduziert
+werden. In welchem Verhältnis steht das wiederholte
+&bdquo;Herrenmahl&ldquo; zu den gemeinsamen religiösen Mahlzeiten des Urchristentums?</p>
+
+<p>Nach den Auffassungen mit einseitiger Herausarbeitung des
+Genussmoments sind beide <em class="gesperrt">identisch</em>, denn für sie besteht ja
+auch die historische Feier nur in der Mahlzeit als solcher. Die
+doppelseitigen Darstellungen aber kommen hier in dasselbe Gedränge,
+wie mit dem Wiederholungsbefehl. Auch sie, sofern sie
+den Mahlzeitcharakter zu Grunde legen, sollten eigentlich die
+Identität proklamieren. Nun betonen sie aber daneben auch das
+Darstellungsmoment. Dann wird aber die Gemeindefeier zur
+Wiederholung einer bestimmten <em class="gesperrt">historischen Situation</em>,
+welche nicht mehr durch die <em class="gesperrt">gemeinsame Mahlzeit als solche
+reproduziert wird.</em> Das wiederholte Herrenmahl soll also jetzt
+von der gemeinsamen religiösen Mahlzeit irgendwie <em class="gesperrt">abheben</em>,
+jedoch nur soweit, dass die letzthinige Einheit beider festgehalten
+wird. Die Schwierigkeit wächst mit der stärkeren Betonung des
+Darstellungsmoments. Man erhält folgende Stufenleiter:</p>
+
+<p><span class="smcap">W. Brandt</span>: Jesus macht die gemeinsamen Mahlzeiten
+zum Symbol der Gemeinschaft. Als nach seinem Tode der
+Glaube an ihn neu auflebte, wurde natürlich das vom Herrn
+selbst gegebene Symbol der Gemeinschaft besonders gepflegt.
+Gemeindemahlzeit und &bdquo;Herrenmahl&ldquo; sind identisch.</p>
+
+<p><span class="smcap">Fr. Spitta</span>: &bdquo;Es wurde bei Brot und Wein immer daran
+gedacht, wie er damals darauf hingewiesen, dass er jetzt und in
+alle Ewigkeit die rechte Speise und Erquickung ihrer Seele sei.&ldquo;
+Die Didache repräsentiert die urchristliche Feier. Herrenmahl
+und Agape waren danach identisch. Es ist verfehlt, Didache
+9 und 10 als Einleitungsgebete zur &bdquo;eigentlichen Abendmahlsfeier&ldquo;
+auffassen zu wollen.</p>
+
+<p><span class="pagenum"><a name="Seite_28" id="Seite_28">28</a></span>
+
+<span class="smcap">Ad. Harnack</span>: Hier beginnt die Differenzierung. Sie ist in
+dem klassischen Satz mit den Rangiergeleisen enthalten. &bdquo;Der
+Herr hat ein Gedächtnismahl seines Todes eingesetzt, <em class="gesperrt">oder
+vielmehr</em>, er hat die leibliche Nahrung als sein Fleisch und sein
+Blut, d. h. als die Nahrung der Seele bezeichnet (durch die
+Sündenvergebung), <em class="gesperrt">wenn</em> sie mit Danksagung in Erinnerung
+seines Todes genossen wird. So haben die Apostel seine Stiftung
+verstanden.&ldquo; Eine Feier, bei der alle diese näheren Bestimmungen
+zum Ausdruck kommen sollen, ist aber keine einfache
+gemeinsame Mahlzeit mehr, sondern eine <em class="gesperrt">Ceremonie.</em> &bdquo;Jesus
+verhiess ihnen, dass er mit der Kraft seiner Sündenvergebung bei
+jeder Mahlzeit sein werde, die sie zu seinem <em class="gesperrt">Gedächtnis</em> halten
+würden.&ldquo; Wie wurde aber die gemeinsame Mahlzeit als &bdquo;Gedächtnismahl&ldquo;
+gekennzeichnet? Durch welche Akte, durch welche
+Reden? Wie wurde die Situation des historischen Mahls reproduziert,
+wo doch auch das &bdquo;Abendmahl&ldquo; nur ein besonderer
+Augenblick im Verlauf der letzten gemeinsamen Mahlzeit gewesen
+war?</p>
+
+<p><span class="smcap">Erich Haupt</span>: &bdquo;Die ganze Zusammenkunft soll religiösen
+Charakter tragen, und das Herrenmahl <em class="gesperrt">in engerem Sinn</em> ist
+nur der <em class="gesperrt">Höhepunkt des Ganzen.</em>&ldquo; Weil <span class="smcap">Haupt</span> das Darstellungsmoment
+stärker betont als <span class="smcap">Harnack</span>, kann er Gemeindemahl
+und &bdquo;Abendmahl&ldquo; nicht irgendwie in einander übergehen
+lassen, sondern er muss das Abendmahl als eine besondere Situation
+auffassen, die den Höhepunkt der ganzen Mahlvereinigung
+repräsentiert. Er kann nicht darum herumkommen, die auf
+Grund der Stiftung &bdquo;wiederholte Handlung&ldquo; von der religiösen
+Mahlzeit sich abheben zu lassen und doch wieder die letzthinige
+Einheit beider festzuhalten. So bleibt ihm nur das Verhältnis
+der Steigerung.</p>
+
+<p><span class="smcap">Spitta</span> und <span class="smcap">Harnack</span> bestreiten, dass in Didache 10 <span class="antiqua">6</span> &bdquo;wenn
+einer heilig ist, trete er herzu&ldquo; eine besondere Feier beginnt.
+<span class="smcap">Haupt</span> muss seine Steigerung auch hier wiederfinden und nimmt
+an, dass diese Worte die eigentliche Abendmahlsfeier einleiten.
+Das &bdquo;Herr, komme doch&ldquo; bezieht sich auf die Gegenwart des
+Herrn im &bdquo;Sakrament&ldquo;.</p>
+
+<p><span class="smcap">Fr. Schultzen</span>: Durch den Begriff des &bdquo;Opfermahls&ldquo; hält
+er die beiden auseinanderstrebenden Teile der Feier zusammen.
+Er kann sie aber nicht mehr, wie <span class="smcap">Erich Haupt</span>, in das Verhältnis
+<span class="pagenum"><a name="Seite_29" id="Seite_29">29</a></span>der Steigerung setzen &mdash; dazu ist die Betonung des Darstellungsmoments
+bei ihm schon viel zu stark &mdash; sondern er muss
+die Trennung konstatieren. &bdquo;In dem Begriff des Opfermahls ist
+die Wiederholung der Mahlzeit unmittelbar gegeben und ebenso
+der stetige Empfang der gespendeten Gabe&ldquo; (S. 74). Wiederholt
+wird aber zweitens die Handlung des Veranstalters der Opfermahlzeit,
+als Voraussetzung des Empfangs und des Genusses der
+Teilnehmer. &bdquo;Die Gabe, die er ihnen zuwandte, sollte den Erfolg
+haben und hat ihn auch wirklich gehabt, <em class="gesperrt">dass sie wiederholten,
+was er gethan</em>, und damit auch ferner an dem Segen
+seines Opfertods Anteil erhielten&ldquo; (S. 96).</p>
+
+<p>Wie soll man sich aber vorstellen, dass die Jünger beim gemeinsamen
+Mahl &bdquo;wiederholten, was er gethan?&ldquo; Das bedeutet
+nichts anderes, als dass das Gemeindemahl und das Abendmahl
+auf die Trennung angelegt waren. In I Kor 11 macht Paulus
+die schon vor ihm angebahnte Scheidung nur stärker geltend.
+Dass nachher die Eucharistie vom Mahle gänzlich losgelöst
+wurde, &bdquo;ist nur die geschichtliche Vollendung des schon in der
+Stiftung enthaltenen Prozesses&ldquo;.</p>
+
+<p><span class="smcap">R. A. Hoffmann</span>: Das Darstellungsmoment tritt so stark
+hervor, dass <span class="smcap">Hoffmann</span> auf die Lösung des Problems verzichtet.
+&bdquo;Das Wesentliche der ersten Abendmahlsfeier war ohne weiteres
+nicht zu wiederholen, <em class="gesperrt">eben die Handlung des Herrn</em>&ldquo; (S. 106).
+Auf den von Jesus selbst vorgenommenen Akt kann der Wiederholungsbefehl
+nicht gehen. Ihn auf die Handlung der Teilnehmer,
+das Essen und Trinken zu beziehen, ist zwar grammatikalisch
+sozusagen unmöglich. Da aber nichts anderes übrig
+bleibt, müssen wir eben annehmen, Jesus habe zum Mittel der
+Erinnerung an ihn &bdquo;ein Mahl eingesetzt&ldquo;.</p>
+
+<p>Wie er das verstanden haben wollte, ist nicht klar. Es ist
+stark mit der Möglichkeit zu rechnen, &bdquo;dass dasjenige, was uns
+von den Worten Jesu bei der Einsetzung seines Mahles überliefert
+worden ist, nicht alles repräsentiert, was er wirklich zur
+Aufklärung über seine uns heutzutage so schwer verständliche
+Handlung gesprochen hat&ldquo; (S. 115).</p>
+
+<p>Wie man es mit der Feier im Urchristentum gehalten hat,
+darüber ist keine vollständige Klarheit zu gewinnen. Wir wissen
+nur, &bdquo;dass das Abendmahl in der Urgemeinde eine wirkliche
+Mahlzeit war, wobei sehr wahrscheinlich ist, dass das Brotbrechen
+zugleich Herrenmahl war&ldquo; (S. 137).</p>
+
+<p><em class="gesperrt">Zusammenfassung.</em> Die Untersuchung ergibt folgenden<span class="pagenum"><a name="Seite_30" id="Seite_30">30</a></span>
+Satz: <em class="gesperrt">Bei ausschliesslicher Geltendmachung des Genussmoments
+sind die Gemeindemahlzeit und das
+Abendmahl identisch. Mit der nebenhergehenden Betonung
+des Darstellungsmoments wird die Differenzierung
+zwischen beiden in steigendem Masse notwendig,
+bis zuletzt beide auseinanderfallen.</em></p>
+
+<h3><strong>3. Die Antinomie zwischen der historischen und der urchristlichen
+Feier.</strong></h3>
+
+<p>Es ist wohl nicht das geringste Verdienst der grossartigen
+Abhandlung <span class="smcap">Spitta</span>'s, in voller Schärfe das Prinzip proklamiert
+zu haben, dass eine Abendmahlsauffassung nur dann Wert hat,
+wenn sie das Wesen der urchristlichen Feier, wie es uns besonders
+in der Didache begegnet, erklärt. Dementsprechend
+bildet die urchristliche Feier auch den Hauptstützpunkt seiner
+Darstellung. Er wird ihr vollkommen gerecht, da seiner Auffassung
+zufolge das Abendmahl eine Freudenmahlzeit war. Indem er
+von einem Wiederholungsbefehl und von einer Abhebung des
+&bdquo;Abendmahls&ldquo; von der Gemeindemahlzeit absieht, stimmt er
+vollständig mit der urchristlichen Ueberlieferung überein; diese
+weiss ja auch nichts davon, dass die Feier eine auf den Befehl
+Jesu erfolgende ausgesprochene Reproduktion jener historischen
+Situation sein soll.</p>
+
+<p>Während <span class="smcap">Spitta</span> so die urchristliche Feier vollkommen erklärt,
+vermag er aber der historischen in keiner Weise auch nur annähernd
+gerecht zu werden. Das teilt er mit allen Auffassungen,
+welche das Genussmoment einseitig herausarbeiten. Inwiefern
+die Jünger Jesum verstehen mussten und verstanden haben, als
+er sie aufforderte, seinen Leib und sein Blut zu geniessen: das
+vermögen sie, ohne unerlaubte Kunstgriffe, in keiner Weise deutlich
+zu machen. <em class="gesperrt">Für die historische Situation bleibt ihnen
+nur der Skeptizismus übrig</em>, wobei sie sich trösten dürfen,
+wenigstens der urchristlichen Feier gerecht zu werden.</p>
+
+<p>Mit den doppelseitigen Auffassungen steht es folgendermassen:
+Je mehr sie das Darstellungsmoment betonen, desto
+besser und ansprechender können sie die <em class="gesperrt">historische Feier</em>
+erklären, da sie nun den Leidensgedanken und die Symbolik des
+Handelns Jesu für die Deutung der Gleichnisse verwerten können.
+In demselben Masse aber werden sie <em class="gesperrt">unfähig, die urchristliche
+Feier zu erklären.</em> Mit dem Darstellungsmoment ist ja<span class="pagenum"><a name="Seite_31" id="Seite_31">31</a></span>
+der Wiederholungsbefehl, die Bedeutung des Leidensgedankens
+für die Feier und die Differenzierung zwischen Abendmahl und
+Gemeindemahlzeit gegeben. Das alles läuft aber der urchristlichen
+Ueberlieferung schnurstracks zuwider. Diese weiss nichts
+davon, sondern sie beschränkt sich merkwürdigerweise auf den
+Satz: Das Abendmahl ist ein Freudenmahl, bei dem das darstellende
+Handeln Jesu in keiner Weise irgendwie reproduziert
+wird.</p>
+
+<p>Die Antinomie ist also unlösbar. <em class="gesperrt">Eine doppelseitige
+Auffassung erklärt die historische Feier nur in dem
+Masse, als sie die urchristliche nicht erklärt und umgekehrt.</em>
+Dieser Satz enthält das Grundresultat der Untersuchung
+über die doppelseitigen Darstellungen. Infolge dessen
+müssen sie auf die Lösung des Problems verzichten, da keine von
+ihnen, und wäre sie noch so geistreich, über diese Antinomie
+hinauskommen kann.</p>
+
+<p>Letztere liegt eben in der bisherigen Problemstellung selbst
+begründet, welche die urchristliche Feier als eine <em class="gesperrt">entsprechende
+Wiederholung</em> der historischen auffassen will. Nun ist aber
+das Wiederholte der Geschichte zufolge dem Ursprünglichen gar
+nicht ähnlich. Die historische Feier ist eine <em class="gesperrt">Ceremonie</em> im
+Verlauf einer Mahlzeit, die urchristliche ist nur eine <em class="gesperrt">gemeinsame
+Mahlzeit</em> ohne entsprechende Wiederholung der Ceremonie.
+Damit ist Antinomie unabweisbar gegeben.</p>
+
+<p>Nun steht aber fest, dass die urchristliche auf die historische
+Feier zurückgeht. Also ist das Problem erst dann gelöst, wenn
+der Zusammenhang beider erklärt wird, ohne dass deshalb die
+Gemeindefeier irgendwie eine entsprechende Nachbildung der
+historischen ist. <em class="gesperrt">Die urchristliche Abendmahlsfeier ist
+etwas Selbständiges.</em></p>
+
+<hr class="chap" />
+
+<h2>Achtes Kapitel.</h2>
+
+<p class="pseudotitle"><b>Die Auffassungen mit einseitiger Geltendmachung des
+Darstellungsmoments.</b></p>
+
+<h3><strong>1. Das Gefechtsfeld.</strong></h3>
+
+<p>Die Darstellungen mit ausschliesslicher Betonung des
+Genussmoments bedeuteten einen kühnen Vorstoss gegen die
+allgemein verbreitete Auffassung, welche durch die Namen <span
+class="smcap">Rückert</span>, <span class="pagenum"><a name="Seite_32"
+id="Seite_32">32</a></span><span class="smcap">Holtzmann</span> und
+<span class="smcap">Lobstein</span> vertreten ist. Es konnte einen
+Augenblick scheinen, als hätte die hergebrachte Ansicht durch diesen
+unerwarteten, geschlossenen Angriff gegen die Deutung der Gleichnisse
+aus dem Handeln Jesu alle ihre Positionen verloren. Jetzt aber, wo die
+Lage sich langsam klärt, zeigt sich, dass dies nicht der Fall ist.</p>
+
+<p>Wohl mussten einige exponierte Stellungen von dem angegriffenen
+Teil aufgegeben werden. Dafür hat er sich aber in
+eine Position zurückgezogen, die als unüberwindbar gelten darf.
+Die Sache steht so, dass der Angreifer darauf verzichten muss,
+<em class="gesperrt">diese befestigte Stellung jemals zu erobern</em>, der Angegriffene
+aber auf absehbare Zeit nicht an eine <em class="gesperrt">Aktion im freien
+Felde</em> denken kann.</p>
+
+<p>Zu den aufgegebenen Positionen gehört vor allem die Stellung
+zur Frage des Passahmahls. Während bis in die 70er und
+80er Jahre das letzte Mahl den Synoptikern entsprechend fast
+allgemein als Passahmahl aufgefasst wurde, sucht man jetzt diese
+Frage aus dem Zusammenhang mit der Gesamtauffassung herauszurücken.
+Man begnügt sich mit einer vorsichtigen chronologischen
+Erwägung, ob das synoptische Datum wahrscheinlich sei
+oder nicht.</p>
+
+<p>Aehnlich steht es mit dem Wiederholungsbefehl. Auch die
+Auffassungen mit Zugrundelegung des Darstellungsmoments
+suchen sich von der Notwendigkeit eines auf die Wiederholung
+hinweisenden Wortes frei zu machen.</p>
+
+<p>Zugleich wird das Genussmoment im ganzen doch entschiedener
+hervorgehoben als es bisher der Fall war. Es bleibt
+jedoch immer in Abhängigkeit vom Darstellungsmoment und
+wird erst durch dasselbe verständlich.</p>
+
+<p>Diese Verschiebungen in der Position kann man am besten
+in den successiven Kundgebungen <span class="smcap">Lobstein</span>'s und <span class="smcap">Holtzmann</span>'s
+verfolgen, soweit sie die Abendmahlsfrage betreffen. Sie haben
+die Verteidigungsstellung eingerichtet.</p>
+
+<h3><strong>2. Der Verteidigungsplan. P. W. Schmiedel.</strong></h3>
+
+<blockquote>
+
+<p>Protestantische Monatshefte 1899: Die neuesten Ansichten über den
+Ursprung des Abendmahls.</p></blockquote>
+
+<p>Dem etwas forschen Vorgehen <span class="smcap">Eichhorn</span>'s gegenüber
+unternahm es <span class="smcap">Schmiedel</span> darzuthun, wie die Sachen eigentlich
+liegen. Er zeigt zunächst, dass die chronologischen Gründe
+gegen die Möglichkeit, dass das letzte Mahl ein Passahmahl war,<span class="pagenum"><a name="Seite_33" id="Seite_33">33</a></span>
+zusammengenommen allerdings einen grossen Eindruck machen.
+Betrachtet man sie aber einen nach dem andern, so verlieren sie
+bedeutend an Energie. Die Annahme, dass Jesus das gesetzliche
+Passah feierte, ist also nicht von der Hand zu weisen, da die
+entschiedenen Aussagen der Synoptiker den chronologischen
+Einwürfen wohl das Gleichgewicht halten können.</p>
+
+<p>Ueberdies lässt sich der Passahgedanke in ansprechender
+Weise zur Erklärung der historischen Feier heranziehen, wobei
+mit der Möglichkeit zu rechnen ist, dass in Jesu Seele Passah- und
+Bundesgedanken zusammenflossen.</p>
+
+<p>Was die Handlung betrifft, die er vorgenommen haben soll,
+ist anzunehmen, dass das <em class="gesperrt">Bedeutsame</em> mindestens in erster
+Linie das Brechen des Brotes und <em class="gesperrt">das Ausgiessen des
+Weines aus dem Krug in den Becher</em> sei. Das Austeilen
+dieser Speisen zum Genuss schliesst sich als etwas <em class="gesperrt">Zweites</em> an.
+&bdquo;<em class="gesperrt">Um der Hauptsache willen wäre es nicht nötig gewesen;
+aber da man einmal beim Mahle sass, war es
+naturgemäss.</em>&ldquo; Es dient demselben Zwecke wie das einem
+Bundesopfer oder dem Passahopfer nachfolgende Mahl überhaupt,
+der gemeinsamen Aneignung und Pflege des in dem Opfer
+vorkommenden Gedankens.</p>
+
+<p>Die Frage, ob der Wiederholungsbefehl historisch ist oder
+nicht, bleibt hier in der Schwebe. Wäre er sicher überliefert, so
+wäre er verständlich. Aber ebenso begreiflich ist es, dass Jesus
+an eine Wiederholung nicht dachte.</p>
+
+<p>Der genialen Unbesonnenheit gegenüber ist ruhiges Abwägen
+absolut notwendig. S. 148: &bdquo;Wir müssen noch darauf aufmerksam
+machen, wie dringend es sich empfiehlt, auf jeden dem
+unsrigen ähnlichen Versuch wohlwollend einzugehen, wenn man
+nicht in <em class="gesperrt">unlösbare Schwierigkeiten</em> kommen will.&ldquo; Der
+hohe Wert dieser Stellung beruht nämlich in der Stütze, die sie
+in einer natürlichen Exegese unserer neutestamentlichen Abendmahlsberichte
+findet. Durch seine Geltendmachung des Darstellungsmoments
+kann <span class="smcap">Schmiedel</span> jeden einzelnen Zug der
+historischen Situation, jeden durch die Exegese angedeuteten
+Nebengedanken in seiner Gesamtauffassung unterbringen. Es
+ist gelungen, <em class="gesperrt">&bdquo;die Möglichkeit, dass Jesus eine der
+Beschreibung ungefähr entsprechende Feier wirklich
+gehalten habe&ldquo;, auf einen sehr hohen Grad der Wahrscheinlichkeit
+zu bringen.</em> Die Herleitung der Berichte aus<span class="pagenum"><a name="Seite_34" id="Seite_34">34</a></span>
+der späteren Gemeindetheologie, etwa gar mit Benutzung ausserchristlicher
+Analogien, wird von selbst gegenstandslos. Jede derartige
+Konstruktion muss zuerst den Nachweis erbringen, dass
+die von ihr behauptete Umbildung sich in so kurzer Zeit nach
+Jesu Tod habe einbürgern können.</p>
+
+<p><em class="gesperrt">Damit erschöpft sich aber</em> der Wert dieser Verteidigungsstellung:
+sie verfügt über sicher schiessende, gut placierte
+Geschütze, die aber nicht sehr weit tragen, sodass vor den Augen
+der Belagerten die Reiterschwärme der Belagerer sich auf dem
+unbestrichenen Terrain vergnügt und unbehelligt tummeln. Es
+ist nämlich unmöglich, dass jemals eine mit der <span class="smcap">Schmiedel</span>'schen
+verwandte Auffassung erklären könne, wie die von ihnen <em class="gesperrt">bis ins
+einzelne verstandene historische Feier</em> im Urchristentum,
+etwa noch gar ohne Annahme eines dahinzielenden Befehls
+Jesu, <em class="gesperrt">wiederholt worden ist.</em> Denn das Schwergewicht liegt
+ja für sie in dem Handeln Jesu. Nun ist dieses Handeln Jesu
+in der urchristlichen Feier gar nicht wiederholt worden, weil dies
+unmöglich ist. Der Leidensgedanke fehlt ihr ja vollständig. Sie
+ist eine Mahlzeit, bei welcher, so viel wir wissen, die Ceremonie
+der historischen Feier in keiner Weise reproduziert wurde. Das
+Nebensächliche, das Essen, ist also Hauptsache geworden und die
+Hauptsache ist in der wiederholten Feier ganz zurückgetreten.</p>
+
+<p>Ausserhalb des schmalen, von den Festungsgeschützen beherrschten
+Terrainstreifens ist also der geringste Reitertrupp
+des Angreifers gegen die wohlbewaffnete, aber schwerfällige Besatzung
+im Vorteil, wenn sie einen Ausfall wagen sollte. Jede
+kecke Konstruktion, von <span class="smcap">Strauss</span> bis auf <span class="smcap">Eichhorn</span>, kann das
+Aufkommen und das Wesen der urchristlichen Feier besser erklären,
+als die exegetisch gewissenhafte, aus den Berichten destillierte
+Auffassung <span class="smcap">Schmiedel</span>'s. Nur halte die erstere sich ausser
+Bereich des exegetischen Verteidigungsfeuers, wenn sie nicht
+durch den ersten Schuss ausser Gefecht gesetzt sein will. Fürwahr
+ein merkwürdiger Kampf, wo es einen nicht Wunder nimmt,
+dass jeder als Sieger thut, obwohl der andere unbesiegt ist.</p>
+
+<h3><strong>3. Die Offensive. Adolf Jülicher.</strong></h3>
+
+<blockquote>
+
+<p>Zur Geschichte der Abendmahlsfeier in der ältesten Kirche. 1892.
+(Theologische Abhandlungen, K. v. <span class="smcap">Weitzsäcker</span> gewidmet.)</p></blockquote>
+
+<p><span class="smcap">Jülicher</span> berührt sich am nächsten mit <span class="smcap">Zwingli</span>, dessen
+Auffassung er ins Moderne übersetzt, indem er auf die gegenwärtige<span class="pagenum"><a name="Seite_35" id="Seite_35">35</a></span>
+Form der Fragen Rücksicht nimmt. Es handelt sich um
+die einseitige Geltendmachung des Darstellungsmoments.</p>
+
+<p><em class="gesperrt">Alle auf dem Genussmoment beruhenden Auffassungen
+legen Jesu moderne Gedanken unter.</em> Was
+er bei jenem Mahle zuletzt so besonders feierlich sagte, muss für
+jeden Anwesenden unmittelbar verständlich gewesen sein. Der
+Vergleichspunkt muss also in dem liegen, was er vor den Augen
+der Jünger mit den Genusselementen vornimmt: in dem Brechen
+des Brots und in dem Ausgiessen des Weins. Der Sinn der begleitenden
+Worte bezieht sich auf den bevorstehenden Tod. &bdquo;So
+wie dieser Wein alsbald verschwunden sein wird, so wird alsbald
+mein Blut vergossen sein, denn mein Tod ist eine beschlossene
+Sache; aber&ldquo;, fügt er tröstend hinzu, &bdquo;es wird nicht umsonst vergossen,
+sondern &bdquo;für viele&ldquo; und &mdash; ein bildlicher Ausdruck, der
+in dem Gedankenkreis des Passahtages lag &mdash; als ein Bundesblut.&ldquo;
+Nur den Gegenstand des Geniessens vergleicht Jesus hier
+und dort mit seinem Leibe, <em class="gesperrt">auf das Geniessen reflektiert
+er gar nicht.</em> Höchstens insofern das Genussmoment aus dem
+vorhergehenden darstellenden Moment irgend eine Bedeutung
+empfängt, kann man ihm problematische Geltung zugestehen.
+So hatte die Feier ursprünglich einen wehmütig schmerzlichen
+Charakter, welcher nur aus der Situation begriffen werden kann.</p>
+
+<p>Nun lässt die älteste Ueberlieferung Jesum durch nichts andeuten,
+dass er jene sinnvolle Handlung auch künftighin von
+seinen Gläubigen vollzogen sehen möchte. Wie hat man aber dann
+in der Urkirche aus dieser historischen Feier so schnell eine zu
+steter Wiederholung bestimmte Handlung machen können? Zuerst
+war es wohl ein inneres Bedürfnis. Passahgedanken und Abschiedserinnerungen
+wirkten mit. Bald fand die Wiederholung im
+Zusammenhang mit jedem Mahle statt und es kam die Vorstellung
+eines ausdrücklichen darauf hinzielenden Gebotes Jesu auf.
+&bdquo;<em class="gesperrt">So weit es irgend ging, wollte man die Situation
+von ehedem reproduzieren, nur dass man jetzt auf
+das zurückblickte, was damals angekündigt werden
+sollte</em>&ldquo; (S. 247). Diese Feier wurde nach dem ersten Akt kurz
+das Brotbrechen genannt. Bei der Austeilung der sakramentalen
+Elemente hat man wohl nicht von jeher die Deutungs- respektive
+Einsetzungsworte des Herrn verbotenus wiederholt, denn sonst
+würde deren Ueberlieferung nicht so viele Differenzen aufweisen.
+Nach I Kor 11 <span class="antiqua">26</span> hat man dabei nie versäumt, den Tod des<span class="pagenum"><a name="Seite_36" id="Seite_36">36</a></span>
+Herrn zu verkünden, also immer wieder das erschütternde Ereignis
+sich vor Augen zu stellen und seine Notwendigkeit, wie seine
+segensreichen Wirkungen zu erörtern; <em class="gesperrt">aber das geschah in
+freien Formen.</em></p>
+
+<h3><strong>4. Die Skepsis in den Auffassungen mit einseitiger Geltendmachung
+des Darstellungsmoments.</strong></h3>
+
+<p>Die Darstellung <span class="smcap">Jülicher</span>'s bedeutet für die Abendmahlsauffassungen
+mit konsequenter Zugrundelegung des Darstellungsmomentes
+das, was die Abhandlung <span class="smcap">Eichhorn</span>'s für die das Genussmoment
+zu Grunde legenden Auffassungen war. Beide zeigen
+durch die Konsequenz ihres Gedankenaufbaus, dass die alleinige
+Betonung des von ihnen zu Grunde gelegten Moments notwendig
+zum Skeptizismus führt. Dies tritt bei <span class="smcap">Eichhorn</span> darin zu Tage,
+dass er die historische Feier, von der urchristlichen Gemeindefeier
+aus betrachtet, nicht zu erklären vermag. <span class="smcap">Jülicher</span> kann die
+Gemeindefeier von der historischen Feier aus nicht erklären.</p>
+
+<p>Er hat ganz Recht, wenn er sagt, dass die Zugrundelegung
+des Genussmoments die Zuhülfenahme moderner Gedanken zur
+Erklärung der historischen Worte Jesu fordere. Heisst es aber
+nicht ebenso sehr moderne Gedanken auf vergangene Zeiten übertragen,
+<em class="gesperrt">wenn man sich die urchristliche Feier als gewollte,
+möglichst genaue Reproduktion der Situation
+von ehedem begreiflich machen will</em>? <span class="smcap">Jülicher</span>'s Auffassung
+könnte die zwinglische Gemeindefeier erklären &mdash; und
+da fehlte ihm noch der Wiederholungsbefehl &mdash; aber niemals die
+urchristliche religiöse <em class="gesperrt">Gemeindemahlzeit.</em></p>
+
+<p>Die Schwierigkeiten werden gerade durch seine scharfe und
+logisch einheitliche Gesamtauffassung mit absoluter Deutlichkeit
+herausgearbeitet. Er erlaubt sich nicht zwischen dem Abendmahl
+im eigentlichen Sinne und der Gemeindemahlzeit zu unterscheiden.
+Mit diesem Spielraum hatten die doppelseitigen Darstellungen
+aller Schattierungen operiert und damit die grössten Schwierigkeiten
+überwunden. <em class="gesperrt">Die ganze Gemeindefeier ist &bdquo;Herrenmahlzeit&ldquo;</em>
+&mdash; so sagt <span class="smcap">Jülicher</span> und stimmt dabei mit niemand
+so vollkommen überein als mit <span class="smcap">Spitta</span> und <span class="smcap">Eichhorn</span>.</p>
+
+<p>Damit ist aber die Antinomie, welche zum Skeptizismus
+führt, notwendig gegeben. Die Gemeindefeier, auf die <span class="smcap">Jülicher</span>
+von seiner Auffassung der historischen Feier aus kommt, ist eine
+Fiktion, welche der wirklichen urchristlichen Mahlfeier geradezu<span class="pagenum"><a name="Seite_37" id="Seite_37">37</a></span>
+widerspricht, da die letztere &bdquo;keine Reproduktion der Situation
+von ehedem&ldquo; war. Wie die Wiederholung aufgekommen, vermag
+er in keiner Weise darzuthun. &bdquo;Dass es zunächst wohl ein
+inneres Bedürfnis war, bei dem Passahgedanken und Abschiedserinnerungen
+mitwirkten&ldquo;: diese problematische und gewundene
+Annahme erklärt für die Wiederholung gar nichts.</p>
+
+<p>Nun könnte <span class="smcap">Jülicher</span> durch den Wiederholungsbefehl um
+die Schwierigkeit herumkommen. Das erlaubt ihm aber sein
+exegetisches Gewissen nicht. Obwohl er ihn absolut notwendig
+brauchte, verzichtet er darauf, weil er durch die beiden ältesten
+Synoptiker nicht bezeugt ist. Seine ansprechende Auffassung ist
+aus der exegetischen Betrachtung der Berichte erwachsen. Gerade
+die Exegese beraubt ihn aber der einzigen Möglichkeit, die
+Wiederholung der von ihm geschilderten Feier im Urchristentum
+auch nur einigermassen begreiflich zu machen. Die urchristliche
+Feier als Reproduktion der historischen Situation ohne Wiederholungsbefehl
+ist einfach undenkbar. Also stehen wir hier vor
+einer vollständigen Selbstauflösung. Um das Aufkommen der
+urchristlichen Feier zu erklären, müsste <span class="smcap">Jülicher</span> eine unabhängig
+von den Berichten gegebene Thatsache postulieren &mdash;
+wie <span class="smcap">Eichhorn</span> es thut, um das Aufkommen des historischen Berichts
+fasslich zu machen.</p>
+
+<p>Die konsequente Geltendmachung des Darstellungsmoments
+führt also zu derselben Skepsis, wie die einseitige Herausarbeitung
+des Genussmoments.</p>
+
+<hr class="chap" />
+<h2>Neuntes Kapitel.</h2>
+
+<p class="pseudotitle"><b>Die neue Problemstellung.</b></p>
+
+<h3><strong>1. Das Ergebnis der Untersuchung.</strong></h3>
+
+<p>Die Auffassungen mit einseitiger Betonung des Genussmoments
+können nur die <em class="gesperrt">urchristliche</em>, nie die <em class="gesperrt">historische</em>
+Feier erklären.</p>
+
+<p>Die Auffassungen mit einseitiger Betonung des Darstellungsmoments
+können nur die <em class="gesperrt">historische</em>, nie die <em class="gesperrt">urchristliche</em>
+Feier erklären.</p>
+
+<p>Die doppelseitigen Auffassungen können die <em class="gesperrt">historische</em>
+Feier nur in dem Masse erklären als sie die <em class="gesperrt">urchristliche</em> nicht
+erklären, und umgekehrt.</p>
+
+<p><span class="pagenum"><a name="Seite_38" id="Seite_38">38</a></span></p>
+
+<p>Also vermag keine dieser Auffassungen das Abendmahlsproblem
+zu lösen, da dieses gerade verlangt, <em class="gesperrt">dass beide
+Feiern in ihrem gegenseitigen Zusammenhang begriffen
+werden!</em></p>
+
+<p>Durch diese Sätze werden nicht bloss die hier besonders
+analysierten Auffassungen betroffen. Diese sind nur Typen für
+so und so viele andere, die schon veröffentlicht worden sind oder
+noch im Zeitenschosse schlummern. Vergangen oder zukünftig:
+alle werden sie durch die obigen drei Sätze schon im Vorverfahren
+abgethan. Ehe sie überhaupt gehört werden können,
+müssen sie zuerst nachweisen, dass sie etwas anderes sind als
+eine neue Kombination von Darstellungs- und Genussmoment.
+Können sie das nicht, so sind sie von vornherein abgewiesen,
+denn dann vermögen sie das Problem nicht zu lösen. Es kommt ja
+nicht auf ihr bestimmtes Gepräge oder auf die Art, wie sie sich
+historisch und exegetisch darstellen, an, <em class="gesperrt">sondern nur auf das
+Verhältnis, in dem das Darstellungs- und das Genussmoment
+darin zu einander stehen.</em> Alles andere ist Beiwerk.</p>
+
+<p>Jede Auffassung ist durch die Formel bedingt, welche das
+von ihr angenommene Verhältnis des Darstellungs- zum Genussmoment
+ausdrückt. Damit ist ja ihre Stellung zu den Einzelfragen
+&mdash; dem Wiederholungsbefehl, der Deutung der Gleichnisse,
+der Form der angenommenen urchristlichen Feier u.s.w. &mdash;
+entschieden. <em class="gesperrt">Man kann sie danach geradezu ausrechnen.</em>
+Was die Verfasser dann noch von dem Ihrigen an geistreichen
+Einfällen, exegetischen Funden und genialen Inkonsequenzen hinzuthun,
+das ist alles ohne Belang. Ohne dass sie es wissen, folgen
+sie ja einem inneren Zwang. Weil sie <em class="gesperrt">müssen</em>, nehmen sie die
+schwersten exegetischen Hindernisse! Weil sie <em class="gesperrt">nicht anders
+können</em>, übersehen sie schwerwiegende historische Fragen!
+Weil sie die Verschnörkelungen am Erker nach freiem Bedünken
+entwerfen dürfen, sind sie &mdash; und die andern mit ihnen &mdash; geneigt
+zu vergessen, dass ihnen der Grundriss des Baues aufgegeben
+ist.</p>
+
+<p>Unter den gegebenen Voraussetzungen gibt es keine neuen
+Abendmahlsauffassungen mehr. Ob auch eine aus einer exegetischen
+oder historischen Beobachtung hervorwächst, kann sie im
+Grunde doch nichts anderes sein, <em class="gesperrt">als die Wiederholung
+oder Modifizierung einer schon vorhandenen, nämlich<span class="pagenum"><a name="Seite_39" id="Seite_39">39</a></span>
+der, mit welcher sie die Formel über das Verhältnis
+der beiden Momente gemein hat.</em> Wollte man sich die
+Mühe geben, den Stammbaum der vorhandenen Auffassungen
+aufzustellen, so würde es nicht schwer halten, jeder ihre Vorfahren
+zu entdecken.</p>
+
+<p>Die Darstellungen mit einseitiger Herausarbeitung des Genussmoments
+sind nur die wissenschaftlich-historische Reproduktion
+der altgriechischen Auffassung.</p>
+
+<p><span class="smcap">Zwingli</span> hat die römische Theorie rationalisiert und ist von
+<span class="smcap">Jülicher</span> ins modern-geschichtliche übertragen worden.</p>
+
+<p>Die doppelseitigen Auffassungen geben die Vermittlungsversuche
+zwischen der Messe und dem griechischen Mysterium
+und diejenigen der Reformationszeit in historischer Form wieder.
+Man kann also ruhig sagen, dass alle möglichen Kombinationen
+der beiden Momente schon erschöpft sind.</p>
+
+<p>Mit &bdquo;neuen Auffassungen&ldquo; ist also nichts gethan; neu daran
+ist immer nur der Einfall, nie die Formel &mdash; <em class="gesperrt">und auf letztere
+kommt es allein an.</em> Darum führt die Detailauseinandersetzung
+mit einer solchen neuen Auffassung zu gar nichts. Das für
+&bdquo;richtig&ldquo; und das für &bdquo;falsch&ldquo; Befundene hängen ja gesetzmässig
+zusammen: eins ist nur insofern richtig, als das andere falsch ist.</p>
+
+<p>Daran liegt es, dass Arbeiten in der Art, wie sie <span class="smcap">Rud.
+Schäfer</span>, <span class="smcap">Clemen</span><a name="FNAnker_11_11" id="FNAnker_11_11"></a><a href="#Fussnote_11_11" class="fnanchor">[11]</a> und <span class="smcap">Schmiedel</span> zu den neuesten Aufstellungen
+geliefert haben, trotz aller abwägenden Gewissenhaftigkeit die
+Forschung nicht in dem Masse des aufgewandten Scharfsinns vorwärts
+bringen. Aus dem, was sie anerkennen, lässt sich keine neue
+Auffassung zusammenbauen, und das, was sie auszusetzen haben,
+reicht nicht hin, die andere zu verwerfen, wenn man nichts Besseres
+an die Stelle zu setzen hat.</p>
+
+<p>Diejenigen, welche unter den gegebenen Verhältnissen neue
+Abendmahlsauffassungen aufstellen, rechnen ein Exempel, das
+bisher nie hat wollen aufgehen, zum so und sovielten Male durch.
+Ihre Kritiker rechnen das Exempel zum so und sovielten Male
+nach. Auf geht es aber darum doch nicht.</p>
+
+<p><em class="gesperrt">Es kann nie aufgehen.</em> Darum nützt es nichts, immer
+mit Eifer und Sammlung von vorn anzufangen. Man muss den
+Fehler nicht in der Rechnung, sondern im Ansatz suchen. Die</p>
+<p><span class="pagenum"><a name="Seite_40" id="Seite_40">40</a></span></p>
+<p>bisherigen Auffassungen bringen es nicht über dialektische Behauptungen
+hinaus, welche als Ganzes aus den geschichtlichen
+Thatsachen weder zu beweisen noch zu widerlegen sind.</p>
+
+<p><em class="gesperrt">Es gilt also sich von der bisherigen Problemstellung
+loszumachen.</em></p>
+
+<p><em class="gesperrt">Wo liegt der Grund des Metaphysischen in der
+Abendmahlsfrage?</em></p>
+
+<h3><strong>2. Der neue Weg.</strong></h3>
+
+<p>Bisher galt der Satz: Um das Abendmahl zu erklären, muss
+man von der Deutung der Gleichnisse <em class="gesperrt">ausgehen</em>, denn diese
+konstituieren das Wesen der Feier. So suchte man sie aus dem
+Genuss, oder aus dem Handeln, oder aus beiden zusammen zu
+deuten &mdash; und, wenn man eine plausible Erklärung gefunden
+hatte, glaubte man den Schlüssel zum Abendmahl zu besitzen.</p>
+
+<p>Nun gilt es aber zwei Thüren zu öffnen: der betreffende
+Schlüssel passt aber jedesmal nur zu einer. Angenommen <span class="smcap">Spitta</span>
+und die andern deuten die Gleichnisse richtig auf das Urchristentum:
+der historischen Situation entspricht aber ihre Erklärung
+nicht. Angenommen <span class="smcap">Jülicher</span> und die andern deuten sie richtig
+aus der historischen Situation: im Sinne des Urchristentums ist
+aber ihre Erklärung nicht, denn dort kommt in keiner Weise zum
+Ausdruck, dass die Handlung Jesu den Tod versinnbildlichte.</p>
+
+<p>Man hat aber allen Grund zu fragen, ob die Gleichnisse
+aus der sie begleitenden Handlung <em class="gesperrt">so ohne weiteres</em> deutbar
+sind. Alle Erklärungen werden ja auf Umwegen erreicht! Wieso
+soll das Brechen des Brots die Kreuzigung des Leibes anzeigen?
+Ist diese Erklärung etwa deswegen einleuchtender, weil
+es die einzige ist, welche die begleitende Handlung offen lässt?
+Wer sagt uns, dass es die Jünger so verstanden haben können?
+In der urchristlichen und altchristlichen Epoche, ja eigentlich
+bis auf <span class="smcap">Zwingli</span> weiss kein Mensch etwas von dieser Deutung.</p>
+
+<p>Mit dem Wort über dem Kelch steht es noch schlimmer.
+Hier muss man nämlich, um dem Gleichnis einen Sinn abzugewinnen,
+den Vergleichspunkt zur Handlung <em class="gesperrt">geradezu hinzuerfinden.</em>
+Berichtet ist nur das <em class="gesperrt">Herumreichen</em> des Kelches.
+Dieses ist aber für das &bdquo;<em class="gesperrt">Vergiessen des Blutes</em>&ldquo; nicht charakteristisch.
+Das einzig Erträgliche wäre das &bdquo;<em class="gesperrt">Ausgiessen in
+den Kelch</em>&ldquo;. <em class="gesperrt">Obwohl nun diese Handlung in keinem
+Berichte erwähnt ist</em>, haben es alle exegetischen Deutungen,<span class="pagenum"><a name="Seite_41" id="Seite_41">41</a></span>
+welche auf dem Darstellungsmoment beruhen, mit dem &bdquo;<em class="gesperrt">Ausgiessen</em>&ldquo;
+des Weines in den Kelch zu thun. Aus der inneren
+Zwangslage heraus schaffen sie frei ein <em class="gesperrt">Analogon zum Brotbrechen</em>,
+ohne sich darüber zu rechtfertigen, wie sie dazu kommen,
+die Situation in unerlaubter Weise zu bereichern.</p>
+
+<p>Wo steht denn geschrieben, dass Jesus den Wein in den
+Kelch vor den Augen der Jünger bedeutungsvoll eingoss, wie
+er das Brot brach? Nirgends! Also beruht die exegetische Deutung
+des zweiten Gleichnisses <em class="gesperrt">auf reiner Erfindung.</em></p>
+
+<p>Gestehen wir es offen ein: es fehlt uns jegliche Anleitung
+zu einer natürlichen Deutung der Gleichnisse. Ueber Künstelei
+haben wir es dabei nicht hinausgebracht. Unser Schlüssel ist
+nur ein schlechter Nachschlüssel: er passt zur Not in das eine
+Schloss, aber nicht in beide. <em class="gesperrt">Und aus dieser Notdeutung
+der Gleichnisse wollen wir die ganze historische und
+urchristliche Mahlfeier erklären!</em></p>
+
+<p>Wenn man in dieser Notlage einmal den noch einzig möglichen
+Ausweg ins Auge fasste! Es geht nicht an, <em class="gesperrt">die Feier durch
+die Gleichnisse zu erklären.</em> Versuchen wir es mit dem
+umgekehrten Verfahren, nämlich <em class="gesperrt">die Gleichnisse aus der
+Feier zu erklären</em>!</p>
+
+<p>Freilich, am Anfang scheint das nur das letzte verzweifelte
+Rütteln an der verschlossenen Thür. Aber überlegen wir die Sache
+einmal ruhig.</p>
+
+<p>Beim Abendmahl handelt es sich um die Austeilung von
+Seiten Jesu, um den Genuss von Seiten der Jünger und um zwei
+Gleichnisse, welche mit dem Vorgang <em class="gesperrt">zusammenfallen.</em> Ich
+sage <em class="gesperrt">zusammenfallen</em>! In einer <em class="gesperrt">Situation</em> können Handlungen
+und Reden zeitlich zusammenfallen, während sie in dem
+Bericht nur in zeitlicher Folge geschildert werden können, weil
+die Worte jedes Nebeneinander notwendig in eine Aufeinanderfolge
+auseinanderlegen.</p>
+
+<p>So halten unsere Berichte die Reihenfolge: Austeilung,
+Gleichnis, Genuss inne, als hätte Jesus zuerst symbolisch gehandelt,
+dann ausgeteilt, dann das erklärende Gleichnis gesprochen,
+worauf zuletzt die Jünger verständnisvoll gegessen
+hätten.</p>
+
+<p>Versucht man es aber einmal, sich den berichteten Vorgang
+als Scene vorzustellen, so merkt man bald, <em class="gesperrt">dass die säuberliche
+chronologische Folge stark illusorisch wird.</em> Man denke<span class="pagenum"><a name="Seite_42" id="Seite_42">42</a></span>
+sich die 12 Menschen, die wie auf eine innere Verabredung hin
+mit dem Essen des ihnen zugeteilten Stückes warten, bis Jesus
+das Gleichniswort gesprochen! Wie unnatürlich, ja unmöglich
+diese Scene in der gedachten chronologischen Folge der Handlungen
+ist, kann man in Oberammergau sehen, wenn sie ins Leben
+übersetzt wird! Es lässt sich kaum etwas Unnatürlicheres und
+Geschraubteres denken.</p>
+
+<p>Für den, welcher eine berichtete Situation mit dem Blick des
+Malers in der Wirklichkeit zu schauen vermag, bleiben nur zwei
+Möglichkeiten. Entweder hat Jesus jedem Einzelnen das Brot
+zugeteilt und dabei für jeden Einzelnen das Gleichniswort wiederholt:
+dann ist die chronologische Folge so haltbar. Oder aber, wie
+feststeht, er hat allen zusammen Brot ausgeteilt und das Gleichniswort
+nur einmal gesprochen: dann ist die chronologische Folge,
+mit der wir bisher operierten, illusorisch geworden. Sie besagt
+dann nur, dass Jesus im Verlauf der Austeilung des Brotes und
+während des Herumreichens des Bechers die Gleichnisworte vom
+Leib und vom Blut gesprochen! <em class="gesperrt">Ob zu Anfang, in der Mitte
+oder zu Ende, ob vor, während oder nach dem Essen und
+Trinken: das ist nicht auszumachen.</em> Unsere Berichte geben
+uns darüber keinen Aufschluss.</p>
+
+<p>Aus der angenommenen <em class="gesperrt">chronologischen</em> Folge haben die
+bisherigen Auffassungen ohne weiteres eine <em class="gesperrt">causale</em> gemacht.
+Man sagte: Die Austeilung und das dabei vorkommende Brechen
+und Ausgiessen begründet das Gleichnis, das Gleichnis soll den
+Jüngern die Bedeutung des Genusses erklären, und die Bedeutung
+des Genusses macht das Wesen der Feier aus.</p>
+
+<p>Aus einer angenommenen zeitlichen Folge eine causale zu
+machen, das ist ein Fehler, den das menschliche Denken trotz
+aller Warnungen immer und immer wieder macht und sich dadurch
+die grössten Probleme schafft.</p>
+
+<p><em class="gesperrt">Nun zeigt die Geschichte, dass gerade diese angenommene
+causale Folge das Abendmahlsproblem unlösbar
+macht.</em> Andererseits beschränkt sich unsere Kenntnis von
+der Situation darauf, dass Jesus im Verlauf der Austeilung die
+Gleichnisse gesprochen hat. Also machen wir uns von dem Vorurteil
+los, als ob die Gleichnisse die Feier konstituierten, und
+fassen das Problem so, <em class="gesperrt">dass die Feier die Gleichnisse erklärt.</em>
+Anders ausgedrückt: Man meinte bisher, dass Jesus die
+Jünger aufforderte, das dargereichte Brot und den herumgereichten<span class="pagenum"><a name="Seite_43" id="Seite_43">43</a></span>
+Wein zu geniessen, <em class="gesperrt">weil er sie als seinen Leib und sein
+Blut bezeichnet hatte</em> (wobei freilich niemand sagen kann,
+in welchem Sinne sie mit Brot und Wein seinen Leib und sein
+Blut assen und tranken).</p>
+
+<p>Wir aber gehen jetzt davon aus, dass Jesus von dem Brot
+und dem Wein, die seine Jünger auf seine Darreichung hin genossen,
+sagt, sie wären sein Leib und sein Blut, <em class="gesperrt">gerade im Hinblick
+darauf, dass sie es auf seine Darreichung hin geniessen</em>!
+Sie essen also nicht seinen Leib und trinken nicht sein
+Blut, sondern, <em class="gesperrt">weil sie jenes Brot essen und jenen Wein
+trinken</em>, sagt er, es <em class="gesperrt">sei sein Leib und sein Blut</em>! Das Gleichnis
+konstituiert also die Feier nicht, sondern es erwächst aus ihr!</p>
+
+<p>Die Feier ist selbständig! Sie besteht darin, dass Jesus
+unter Danksagung seinen Jüngern das Brot bricht und den Kelch
+herumreicht und sie davon geniessen. Zum Wesen der Feier gehören
+die Gleichnisse nicht, sondern Jesus spricht in diesen geheimnisvollen
+Worten die Bedeutung aus, welche die Feier für
+<em class="gesperrt">ihn</em> hat!</p>
+
+<p>Diese zweite Eventualität liegt gerade so gut in den Berichten
+wie die erste. Nur ging man immer an ihr vorüber, weil
+die chronologische Folge der Handlungen in der schriftstellerischen
+Darstellung die Aufmerksamkeit ganz für die erste gefangen
+nahm.</p>
+
+<p>Nun ist aber logisch festgestellt, dass die bisherige Annahme
+das Problem vollständig unlösbar macht. Also muss man es
+notgedrungen mit der zweiten probieren.</p>
+
+<p>Ueberdies spricht die Geschichte gerade für die zweite. Es
+steht fest, dass die Leidensgleichnisse in der urchristlichen Feier
+<em class="gesperrt">keine Rolle</em> spielten. Sie wurden im Verlauf der Feier in keiner
+Weise reproduziert! Dafür sprechen Didache und Paulus, denn
+wenn sie aus dem alltäglichen Verlauf der Feier bekannt gewesen
+wären, bliebe I Kor 11 <span class="antiqua">23</span> unverständlich, da hier dann etwas Bekanntes
+in geheimnisthuerischer Weise wiederholt würde! Es
+stand also im Urchristentum so: Man wusste wohl, dass diese
+Gleichnisse bei der historischen Feier gesprochen worden waren,
+die Gemeindefeier leitete sich von dieser historischen Feier ab:
+<em class="gesperrt">aber doch fühlte man kein Bedürfnis, die historischen
+Gleichnisse Jesu dabei irgendwie zu reproduzieren.
+Also war die historische Feier, sofern sie sich in der
+<span class="pagenum"><a name="Seite_44" id="Seite_44">44</a></span>Gemeindefeier fortsetzte, von den Gleichnissen unabhängig</em>,
+da man sonst auch die Gleichnisse wiederholt hätte.
+Das ist durch die Geschichte bezeugt.</p>
+
+<p>Darum hat es das Abendmahlsproblem gar nicht mehr mit
+den beiden unmöglichen Fragen zu thun, wieso Jesus seinen
+Jüngern seinen Leib zu essen und sein Blut zu trinken gegeben
+habe und wie sie diese Feier später in entsprechender Weise reproduzierten,
+sondern das Problem selbst ist ein ganz anderes.
+Es heisst nicht mehr: <em class="gesperrt">Was bedeuten die Gleichnisse</em>, damit
+wir die Feier erklären können? sondern: <em class="gesperrt">Was bedeutete
+die Feier</em>, damit wir die <em class="gesperrt">Gleichnisse</em> erklären können.</p>
+
+<p><em class="gesperrt">In welchem Sinne war die Austeilung von Brot
+und Wein beim letzten Mahl ein so überaus feierlicher
+Akt, der sich auf Jesu Tod bezog?</em> &mdash; von dieser
+Frage hat die Untersuchung auszugehen, indem sie die Gleichnisse
+vorerst ganz bei Seite lässt. Es ist der einzige Weg zur
+Lösung des Problems.</p>
+
+<div class="footnotes"><h3>Fussnoten:</h3>
+
+<div class="footnote">
+
+<p><a name="Fussnote_11_11" id="Fussnote_11_11"></a><a href="#FNAnker_11_11"><span class="label">[11]</span></a> Der Ursprung des heil. Abendmahls von Lic. Dr. <span class="smcap">Karl Clemen</span>.
+1898. Hefte zur christl. Welt No. 37.</p></div></div>
+</div>
+<hr class="full" />
+<div class="chapter">
+<p class="pseudotitle"><big><b>Zweiter Teil.</b></big>
+<span class="pagenum"><a name="Seite_45" id="Seite_45">45</a></span></p>
+
+<p class="pseudotitle"><big><b>Das Abendmahlsproblem auf Grund der historischen
+Berichte.</b></big></p>
+<hr class="tb" />
+<h2>Zehntes Kapitel.</h2>
+
+<p class="pseudotitle"><b>Die textkritischen Fragen.</b></p>
+
+<h3><strong>1. Cod. D. Die textkritische Hauptfrage.</strong></h3>
+
+<p>Es handelt sich um den Lukasbericht (Lk 22 <span class="antiqua">15-20</span>). In
+der gewöhnlichen Fassung zeigt er ein eigentümliches Gepräge.
+Er bietet zunächst ein Wort über den Passahgenuss in dem zukünftigen
+Reiche. Darauf folgt ein ähnliches Wort, den Becher
+betreffend, welches mit dem synoptisch-eschatologischen Schlusswort
+nach Markus und Matthäus übereinstimmt. Nachdem so
+gleichsam ein erster Redegang über das Essen und Trinken abgeschlossen
+ist, kommt das Wort über dem gebrochenen Brot
+und über dem Wein als Bundesblut; bei letzterem fehlt dann das
+bei den beiden älteren Synoptikern den zweiten Akt beschliessende
+eschatologische Schlusswort.</p>
+
+<p>Wir haben also eine merkwürdige Doppelheit: zwei Worte
+das Essen, und zwei den Kelch betreffend. Von den beiden auf
+das Essen bezogenen Worten handelt nur das zweite von dem
+Genuss des Brots, während das erste vom Passah allgemein redet.
+Die Doppelheit ist also hier nicht so auffällig, wie in den beiden
+das Trinken betreffenden Worten, welche sich beide auf den Kelch
+beziehen. Das zweite nimmt sich wie ein Nachtrag zum ersten aus,
+da es ohne das eschatologische Schlusswort steht, die Aufforderung
+zum Genuss nicht enthält und überhaupt in dieser Form der
+Feier keinen abrundenden Abschluss gibt, wie es das altsynoptische
+Kelchwort thut.</p>
+
+<p>Als daher diese eigentümliche Doppelheit in dem Lukasbericht
+auffiel, war die natürlichste Korrektur schon gegeben:<span
+class="pagenum"><a name="Seite_46" id="Seite_46">46</a></span> das
+zweite Kelchwort, da die Aufforderung zum Genuss schon im ersten
+enthalten schien, zu streichen, dagegen das zweite Wort über dem Brot,
+das in seiner spezifischen Eigenschaft vorher nicht erwähnt war, zu
+belassen, weil es die Aufforderung zum Genuss enthält. Es ist die
+Korrektur von Cod. D.<a name="FNAnker_12_12" id="FNAnker_12_12"></a><a
+href="#Fussnote_12_12" class="fnanchor">[12]</a> Er schliesst mit
+den Worten: <span lang="el" title="touto esti to sôma mou">τοῦτό
+ἐστι τὸ σῶμά μου</span> (<span class="smcap">V.</span> <span
+class="antiqua">19ª</span>).</p>
+
+<p>Entschliesst man sich einmal zu diesem so natürlichen Abstrich,
+so liegt gar kein Grund mehr vor, das Kelchwort mit
+seiner Aufforderung zum Trinken sich zwischen die beiden auf
+das Essen bezogenen Aussagen eindrängen zu lassen und sie unnatürlich
+auseinanderzureissen; man moduliert nach der ursprünglichen
+synoptischen Harmonie zurück, sodass das eschatologische
+Schlusswort beim Kelch wieder ans Ende kommt. Tritt dementsprechend
+<span class="smcap">V.</span> <span class="antiqua">17</span> und <span class="antiqua">18</span> hinter <span class="antiqua">19ª</span>, so erhält man einen Bericht, der
+sich von dem gewöhnlichen nur dadurch unterscheidet, dass er
+vor dem Brotwort ein Wort über das Passah bringt, welches dem
+eschatologischen Schlusswort über dem Kelch nachgebildet ist.
+Dieses Verfahren findet sich bei b c.<a name="FNAnker_13_13" id="FNAnker_13_13"></a><a href="#Fussnote_13_13" class="fnanchor">[13]</a></p>
+
+<p><em class="gesperrt">Die Entstehung des Abendmahlsberichtes des
+Cod. D. beruht auf Reflexion.</em> Ueberhaupt bricht sich die
+Ueberzeugung immer mehr Bahn, dass seine Abweichungen durchweg
+diesen Charakter tragen. Eine originelle Vorstellung der
+historischen Feier schwebt dieser Berichtform gar nicht vor. Daher
+betrifft die Grundfrage der Textform des Lukas gar nicht
+Cod. D, sondern die gewöhnliche Lesart. Wie kommt Lukas
+dazu, den Bericht <em class="gesperrt">so ins Doppelte sich spiegeln zu lassen</em>,
+dass der Versuch, diese Doppelheit als auf ein Versehen zurückgehend
+zu korrigieren, sich in Cod. D notwendig einstellen musste?
+Diese Frage ist aber gar keine textkritische mehr, sondern sie
+hängt mit der Entwicklung der Feier im Urchristentum und der
+damit gegebenen Verschiebung des Bildes des historischen Mahles
+zusammen.<a name="FNAnker_14_14" id="FNAnker_14_14"></a><a href="#Fussnote_14_14" class="fnanchor">[14]</a></p>
+
+<p><span class="pagenum"><a name="Seite_47" id="Seite_47">47</a></span></p>
+<h3><strong>2. Abweichende Lesarten.</strong></h3>
+
+<p>Die Frage, ob in den einzelnen Fällen <span lang="el" title="eulogêsas">εὐλογήσας</span> oder
+<span lang="el" title="eucharistêsas">εὐχαριστήσας</span> zu lesen ist, hat keine Bedeutung.
+Die beiden älteren Synoptiker gebrauchen den ersteren, Paulus, Lukas
+und Justin den letzteren Ausdruck.</p>
+
+<p>Der Grund der verschiedenen Lesarten in Mt 26 <span
+class="antiqua">26</span> ist leicht einzusehen. Partizipien und
+erzählende Verben häufen sich in einer Weise, dass man in keinem
+Falle eine schwerfällige und ungriechische Konstruktion vermeiden
+kann. Ob man nun liest: <span lang="el" title="labôn ho Iêsous arton
+kai eulogêsas eklasen kai dous tois mathêtais eipen">λαβὼν ὁ Ἰησοῦς
+ἄρτον καὶ εὐλογήσας ἔκλασεν καὶ δοὺς τοῖς μαθηταῖς καὶ εἶπεν</span>,<a
+name="FNAnker_15_15" id="FNAnker_15_15"></a><a href="#Fussnote_15_15"
+class="fnanchor">[15]</a> oder ob man eines der Partizipien auflöst
+und die Lesart erhält: <span lang="el" title="labôn ho Iêsous arton kai eulogêsas
+eklasen kai edidou tois mathêtais kai eipen">λαβὼν ὁ Ἰησοῦς
+ἄρτον καὶ εὐλογήσας ἔκλασεν καὶ ἐδίδου τοῖς μαθηταῖς καὶ εἶπεν</span><a
+name="FNAnker_16_16" id="FNAnker_16_16"></a><a href="#Fussnote_16_16"
+class="fnanchor">[16]</a> bleibt sich gleich. Der Satz ist in jedem
+Falle formlos, weil er eine Häufung von Handlungen auf einen Moment
+enthält, deren zeitlicher und logischer Zusammenhang sich sprachlich
+gar nicht wiedergeben lässt. Die Varianten beruhen auf der empfundenen
+darstellerischen Schwierigkeit, die jeder auf eine andere Weise zu
+überwinden suchte.</p>
+
+<p>Bei Markus treten die stilistischen Schwierigkeiten nicht so
+sehr hervor. Er vermeidet nämlich die namentliche Nennung des
+Spenders und der Empfänger, wodurch die matthäische Konstruktion
+so besonders ungelenk wird.</p>
+
+<p>Der paulinische und der justinische Bericht sind von dieser
+Schwierigkeit befreit: sie vereinfachen die Situation, indem sie die
+Darreichung (<span lang="el" title="edôken">ἔδωκεν</span>) und die Aufforderung zum Genuss
+(<span lang="el" title="labete">λάβετε</span>) auslassen.</p>
+
+<p>Das <span lang="el" title="phagete">φάγετε</span> in Mk 14 <span class="antiqua">22</span><a name="FNAnker_17_17" id="FNAnker_17_17"></a><a href="#Fussnote_17_17" class="fnanchor">[17]</a> ist naive
+matthäische Nachbildung. Die alten Zeugen bieten nur <span lang="el" title="labete">λάβετε</span>.</p>
+
+<p>Der Zusatz <span lang="el" title="kainês">καινῆς</span>, den einige Lesarten bei dem Wort über
+dem Becher in Mk 14 <span class="antiqua">24</span><a name="FNAnker_18_18" id="FNAnker_18_18"></a><a href="#Fussnote_18_18" class="fnanchor">[18]</a> bieten, beruht auf naiver Nachbildung
+der paulinischen Version.</p>
+
+<h3><strong>3. Das Ergebnis der Textkritik.</strong></h3>
+
+<p>Die Verschiedenheit der Lesarten ist nicht darin begründet,
+dass die eine mit ihren Wurzeln historisch höher hinaufreicht als
+<span class="pagenum"><a name="Seite_48" id="Seite_48">48</a></span>
+
+die andere. Sie gehen zum Teil aus der Schwierigkeit hervor,
+welche die betreffenden Auffassungen haben, sich <em class="gesperrt">stilistisch
+darzustellen.</em> Zum Teil entspringen sie der Tendenz, die Berichte
+einander <em class="gesperrt">gleichzubilden.</em> Dazu war es aber schon zu
+spät: die verschiedenen Typen hatten schon eine zu scharfe historische
+Ausprägung erhalten, als dass es den nachbessernden
+Versuchen hätte gelingen können, den Einheitstypus herzustellen,
+an dem die vorhergehende geschichtliche Epoche sich vergebens
+abgearbeitet hatte.</p>
+
+<p>Den letzten Versuch dieser Gleichbildung bietet der textus
+receptus, sofern er den ersten Akt bei Paulus nach Analogie mit
+dem matthäischen darstellt und dadurch eine Aufforderung zum
+Genuss einträgt (nehmet, esset), die in I Kor 11 <span class="antiqua">24</span> ursprünglich
+fehlt.</p>
+
+<p>Die Aufgabe der Textkritik in der Abendmahlsfrage besteht
+darin, dass sie jeden der Berichte in seiner charakteristischen
+Eigentümlichkeit darstellt, indem sie ihn von den Spuren der
+versuchten litterarischen Gleichbildung mit andern befreit. Diese
+Aufgabe, so bescheiden sie scheint, ist von eminenter Tragweite.
+<em class="gesperrt">Hätte sich die Gleichbildung der Berichte wirklich
+durchgesetzt, so wäre das Abendmahlsproblem unlösbar.</em></p>
+
+<div class="footnotes"><h3>Fussnoten:</h3>
+
+<div class="footnote">
+
+<p><a name="Fussnote_12_12" id="Fussnote_12_12"></a><a href="#FNAnker_12_12"><span class="label">[12]</span></a> D, a, ff². Die Ausgabe von <span class="smcap">Westcott</span> und <span class="smcap">Hort</span> hat diese Lesart
+adoptiert.</p></div>
+
+<div class="footnote">
+
+<p><a name="Fussnote_13_13" id="Fussnote_13_13"></a><a href="#FNAnker_13_13"><span class="label">[13]</span></a> In derselben Absicht lässt syr<sup>cu</sup> Vers <span class="antiqua">20</span> aus und setzt dafür Vers
+<span class="antiqua">17</span> und <span class="antiqua">18</span> ein.</p></div>
+
+<div class="footnote">
+
+<p><a name="Fussnote_14_14" id="Fussnote_14_14"></a><a href="#FNAnker_14_14"><span class="label">[14]</span></a> Eine eingehende Darlegung der Textfragen, welche den Lukasbericht
+betreffen, findet sich in der Abhandlung von <span class="smcap">Erich Haupt</span>.</p></div>
+
+<div class="footnote">
+
+<p><a name="Fussnote_15_15" id="Fussnote_15_15"></a><a href="#FNAnker_15_15"><span class="label">[15]</span></a> So <span lang="he" title="Aleph">א</span>
+(sed <span lang="el" title="dous">δούς</span> ex <span lang="el" title="edidou">ἐδίδου</span> korrigiert ab <span lang="he" title="Aleph">א</span>ª) BDLZ.</p></div>
+
+<div class="footnote">
+
+<p><a name="Fussnote_16_16" id="Fussnote_16_16"></a><a href="#FNAnker_16_16"><span class="label">[16]</span></a> <span lang="el" title="ACGD">ΑϹΓΔ</span>.</p></div>
+
+<div class="footnote">
+
+<p><a name="Fussnote_17_17" id="Fussnote_17_17"></a><a href="#FNAnker_17_17"><span class="label">[17]</span></a> Mk 14 <span class="antiqua">22</span>:
+zu <span lang="el" title="labete">λάβετε</span> zugesetzt <span lang="el" title="phagete">φάγετε</span> (EFHM²).</p></div>
+
+<div class="footnote">
+
+<p><a name="Fussnote_18_18" id="Fussnote_18_18"></a><a href="#FNAnker_18_18"><span class="label">[18]</span></a> Mk 14 <span class="antiqua">24</span>:
+<span lang="el" title="tês diathêkês">τῆς διαθήκης</span> (<span lang="he" title="Aleph">א</span>BCDL).</p></div></div>
+
+<hr class="chap" />
+
+<h2>Elftes Kapitel.</h2>
+
+<p class="pseudotitle"><b>Die Eigenart des Markusberichts</b> (Mk 14 <span class="antiqua">22-26</span>).</p>
+
+<p>Der erste Akt besteht einzig darin, dass Jesus unter Gebet
+das Brot bricht und es herumreicht; zugleich spricht er das
+Gleichniswort von seinem Leib. Es fehlt, wie bei Matthäus, das
+uns aus Paulus gewohnte <span lang="el" title="hyper hymôn">ὑπὲρ ὑμῶν</span> und über Matthäus hinaus
+das <span lang="el" title="phagete">φάγετε</span>.</p>
+
+<p>Ist so im ersten Akt die <em class="gesperrt">Aufforderung zum Genuss</em> in
+Hinsicht auf das Gleichnis nicht ausdrücklich ausgesprochen, <em class="gesperrt">so
+fehlt sie im zweiten vollständig.</em> Es wird zuerst berichtet,
+dass Jesus allen den Kelch nach dem Gebetswort herumgereicht
+habe und alle daraus getrunken haben (Mk 14 <span class="antiqua">23</span>). <em class="gesperrt">Darauf erst</em>
+spricht er das Gleichniswort von dem für viele vergossenen Blut
+(Mk 14 24).</p>
+
+<p><span class="smcap">Bruno Bauer</span> war meines Wissens der erste, der darauf hingewiesen,
+dass Markus statt der Aufforderung zum Trinken die
+<em class="gesperrt">Konstatierung</em> bietet, dass alle getrunken haben. Er sieht<span class="pagenum"><a name="Seite_49" id="Seite_49">49</a></span>
+darin nur eine Abschwächung gegen Matthäus, da Markus sich
+scheue, die Aufforderung Jesu in vollem Umfang aufrecht zu erhalten.</p>
+
+<p>Dabei hat aber <span class="smcap">Bruno Bauer</span> nicht bemerkt,
+dass mit dieser Konstatierung auch die gewöhnliche chronologische
+Folge vom Gleichnis zum Genuss sich verschiebt, wodurch zugleich
+das uns geläufige kausale Verhältnis zwischen Gleichnis und Genuss
+aufgehoben wird. Diesem Bericht zufolge ist es unmöglich, dass Jesus
+oder die Jünger die Bedeutung des Trinkens <em class="gesperrt">aus dem
+Gleichnis herleiten</em>, weil dieses ja erst <em class="gesperrt">auf
+das Trinken folgt</em>!</p>
+
+<p>Zu beachten ist ferner, wie das weihevoll (<span lang="el"
+title="amên">ἀμήν</span>) und nachdrücklich gesprochene eschatologische
+Schlusswort von dem Neutrinken in dem Reich des Vaters sich eng an das
+Gleichniswort anschliesst! Es bildet den Höhepunkt der Feier (<span
+class="smcap">V.</span> <span class="antiqua">25</span>), worauf
+alsbald der Aufbruch erfolgt.</p>
+
+<p><em class="gesperrt">Diese eigenartigen Züge des Markusberichts sind
+bisher nicht herausgearbeitet worden.</em> Man hat ihn einfach nach den
+andern gedeutet. Alle Berichte, so nahm man ohne weiteres an, bieten
+dieselbe Thatsache. Beim letzten Mahl hat Jesus den Jüngern Brot und
+Wein so dargereicht, dass sie die Elemente irgendwie als seinen Leib
+und sein Blut assen und tranken. Das Fehlen des <span lang="el" title="phagete">φάγετε</span>
+bei Markus erklärte man daraus, dass es sich von selbst verstehe. Die
+Eigentümlichkeit des zweiten Akts hob man nicht einmal hervor, weil man
+sie &mdash; ohne sich davon Rechenschaft zu geben &mdash; nach Matthäus
+und den andern interpretierte.</p>
+
+<p>Diese Annahme, dass der Markusbericht im Grunde dasselbe
+besage wie die andern, ist <em class="gesperrt">eine der unbewiesenen
+Voraussetzungen</em>, mit denen die bisherigen Abendmahlsauffassungen
+operierten. Wenn wir nämlich nur den Markusbericht
+hätten, käme niemand auf den Gedanken, dass Jesus
+seinen Jüngern Brot und Wein als seinen Leib und sein Blut
+ausgeteilt und sie zum Genuss in diesem Sinne aufgefordert habe.
+Man würde die zeitliche Folge im ersten Akt nach der des zweiten
+auffassen und als Thatbestand feststellen, dass Jesus <em class="gesperrt">im Verlauf
+der Austeilung des Brotes das Gleichnis von
+seinem Leib und <b>nach</b> der Herumreichung des Bechers
+das Gleichnis von seinem Blut gesprochen
+habe.</em> Wenn wir aber einen Bericht haben, wo Jesus dem<span class="pagenum"><a name="Seite_50" id="Seite_50">50</a></span>
+strikten Wortlaut zufolge weder seinen Leib noch sein Blut
+zum Genuss ausgeteilt hat, so dürfen wir ihn nicht, als handle es
+sich um eine gewisse Nachlässigkeit und Sparsamkeit im Ausdruck,
+nach den andern auslegen, sondern wir müssen ihn mit
+ihnen vergleichen und eine Auseinandersetzung herbeiführen.
+Daraus ergibt sich dann die Tragweite der Abweichungen. Entweder
+handelt es sich um eine absolut <em class="gesperrt">unverständliche
+Schilderung</em>, die man, weil sie mit dem feststehenden Thatbestand
+absolut keine Verwandtschaft hat, als Kuriosum nicht
+weiter zu beachten braucht, oder &mdash; <em class="gesperrt">wir haben den authentischen
+Bericht vor uns, von dem die Untersuchung
+ausgehen muss.</em> Diese Alternative ist nicht zu umgehen, sobald
+man sich die Eigenart des Markusberichts klar gemacht hat.</p>
+
+<hr class="chap" />
+
+<h2>Zwölftes Kapitel.</h2>
+
+<p class="pseudotitle"><b>Der Vergleich der Berichte.</b></p>
+
+<h3><strong>1. Das Prinzip der Gleichbildung.</strong></h3>
+
+<p>Aeusserlich betrachtet zeigt sich die Eigenart des Markusberichts
+darin, dass die beiden Akte an Umfang und Gesichtspunkten
+verschieden sind. Der erste ist ganz kurz; er beschränkt
+sich auf das Gebetswort, das Brechen zum Austeilen und die Gleichnisrede;
+der zweite enthält das Gebetswort, die Austeilung, die
+Erwähnung des Genusses, die Gleichnisrede, den Hinweis auf
+die Heilsbedeutung des Todes und das eschatologische Schlusswort.
+Der Vergleich zeigt, dass bei den andern Berichten die
+beiden Akte in steigendem Masse einander <em class="gesperrt">gleichgebildet
+werden</em>, sowohl dem Umfang nach, als auch hinsichtlich der Gesichtspunkte,
+die sie enthalten. Wir erhalten zwei Parallelakte,
+indem die Handlungen und Worte beim Wein genau denen beim
+Brot entsprechen.</p>
+
+<p>Diese Gleichbildung erfolgt entweder so, dass die Momente
+des zweiten Akts in den ersten eingetragen werden (Matthäus,
+Paulus, Lukas), oder so, dass der zweite Akt nach Analogie des
+ersten zusammengezogen wird (Justin).</p>
+
+<h3><strong>2. Der matthäische Bericht</strong> (Mt 26 <span class="antiqua">26-29</span>).</h3>
+
+<p>Matthäus befindet sich auf dem Wege zur Gleichbildung. Durch das
+<span lang="el" title="phagete">φάγετε</span> ist die ausdrückliche
+Erwähnung des Genussmoments in den ersten Akt aufgenommen.
+
+Da im zweiten an <span class="pagenum"><a name="Seite_51" id="Seite_51">51</a></span>Stelle der Konstatierung ebenfalls die
+Aufforderung zum Genuss getreten ist, so entsprechen sich beide Akte in
+diesem Punkte vollkommen. <span lang="el" title="labete, phagete· touto
+estin to sôma mou. piete ex autou pantes· touto gar estin to haima
+mou">λάβετε, φάγετε· τοῦτό ἐστιν τὸ σῶμά μου. πίετε ἐξ αὐτοῦ πάντες·
+τοῦτο γάρ ἐστιν τὸ αἷμά μου</span>. Die Gleichbildung ist aber noch
+nicht vollständig vollzogen. Dem ersten Akt fehlt ein dem Wort über die
+Bedeutung des vergossenen Bluts entsprechender Hinweis (<span lang="el"
+title="to peri pollôn">τὸ περὶ πολλῶν</span>). Auch das eschatologische
+Wort, welches das Gleichnis über dem Wein beschliesst, ist beim Brot
+noch nicht vertreten.</p>
+
+<p>Zudem zeigt das im zweiten Akt stehen gebliebene <span lang="el" title="pantes">πάντες</span>,
+dass hier eine Konstatierung in eine Aufforderung umgesetzt
+worden ist. Bei der Konstatierung muss ja notwendig erwähnt
+werden, dass sie alle davon getrunken haben. Bei der Aufforderung
+aber ist das <span lang="el" title="pantes">πάντες</span> selbstverständlich, oder &mdash; wenn es die
+Weihe der Aufforderung nachdrücklich hervorheben soll &mdash; wie
+kann es dann beim Brot fehlen? Hier wäre es wirklich gefordert,
+da Jesus nicht ohne weiteres annehmen kann, dass alle das Stückchen
+Brot, das er ihnen darbietet, auch wirklich essen, während
+er dem Herumgehen des Kelches mit dem Auge folgt. Bei Paulus,
+Lukas und Justin ist dann das <span lang="el" title="pantes">πάντες</span>, als nicht mehr von Belang,
+auch wirklich ausgefallen.</p>
+
+<p>Die Verbindung des eschatologischen Schlussworts mit dem
+Kelchwort nach rückwärts, dem Aufbruch zum Leidensweg nach
+vorwärts ist bei Matthäus noch gewahrt. Jedoch ist es mit dem
+Kelchwort nicht mehr durch das gewaltige <span lang="el" title="amên">ἀμήν</span> in Steigerung
+verbunden, so dass es, wie bei Markus, den <em class="gesperrt">Höhepunkt</em> der
+ganzen Feier bildet, sondern es ist nur mehr eine mit <span lang="el" title="de">δέ</span> <em class="gesperrt">beigeordnete
+Schlussbemerkung</em> (Markus <span lang="el" title="amên legô hymin">ἀμήν λέγω ὑμῖν</span>, Matthäus
+<span lang="el" title="legô de hymin">λέγω δέ ὑμῖν</span>).</p>
+
+<p>So befindet sich die Gleichbildung bei Matthäus noch im
+Fluss. Bei Paulus ist sie schon viel weiter fortgeschritten.</p>
+
+<h3><strong>3. Der paulinische Bericht</strong> (I Kor 11 <span class="antiqua">23-26</span>).</h3>
+
+<p>Hinter jedem Akt ist abschliessend angefügt: <span lang="el" title="touto poieite
+eis tên emên anamnêsin">τοῦτο ποιεῖτε εἰς τὴν ἐμὴν ἀνάμνησιν</span>. Durch Uebernahme eines auf die Bedeutung
+des Todes hinweisenden Worts (<span lang="el" title="to hyper hymôn">τὸ ὑπὲρ ὑμῶν</span>) gleicht sich
+der erste Akt dem zweiten an. Nur das <span lang="el" title="eklasen">ἔκλασεν</span> hat keine Parallele.</p>
+
+<p>Bei Markus und Matthäus beschloss das Wort von der Wiedervereinigung
+beim Mahl im zukünftigen Reich den Spruch über
+dem Becher. Nur scheinbar ist es bei Paulus ausgefallen. Er<span class="pagenum"><a name="Seite_52" id="Seite_52">52</a></span>
+setzt es vielmehr als Abschluss <em class="gesperrt">bei beiden Akten voraus:</em> <span lang="el" title="hosakis
+gar ean esthiête ton arton touton kai to potêrion pinête, ton thanaton
+tou kyriou katangellete, achri ou elthê">ὁσάκις γὰρ ἐὰν ἐσθίητε τόν ἄρτον τοῦτον καὶ τὸ ποτήριον πίνητε, τὸν θάνατον
+τοῦ κυρίου καταγγέλλετε, ἄχρι οὗ ἔλθῃ</span> (<span class="smcap">V.</span> <span class="antiqua">26</span>).</p>
+
+<p><em class="gesperrt">Bis dass er kommt</em> &mdash; darin liegt die Erwartung des
+Kommens des Herrn und des Anbruchs des Reiches. Dies
+darf man für die Erklärung des <span lang="el" title="touto poieite eis tên emên anamnêsin">τοῦτο ποιεῖτε εἰς τὴν ἐμὴν ἀνάμνησιν</span>
+nicht ausser Acht lassen. Danach ist die <span lang="el" title="anamnêsis">ἀνάμνησις</span> doppelseitig:
+nach rückwärts eine Erinnerung an den Tod Jesu, nach vorwärts
+ein Gedenken an seine Parusie. Die Feier gilt dem Gekreuzigten,
+der als Messias bei seiner Ankunft offenbart werden wird,
+als welcher er schon jetzt durch die Auferstehung zur Rechten
+Gottes erhöht ist.</p>
+
+<p>Bedenkt man nun, dass die historische Relation des eschatologischen
+Schlussworts im zweiten Akt abgefallen ist, dass
+aber nach der Vorstellung Pauli beide Akte mit der Erwartung
+der Parusie in Zusammenhang stehen, so liegt es nahe, in
+dem <span lang="el" title="touto poieite">τοῦτο ποιεῖτε</span>, als Konstatierung oder als Wiederholungsbefehl
+gefasst, <em class="gesperrt">die paulinische Form des beiden Akten
+beigesetzten eschatologischen Schlussworts zu sehen.</em></p>
+
+<p>Für den ersten Akt ist dies eine künstliche Angliederung, da
+historisch dieser Hinweis nur mit dem Kelchwort in Beziehung steht, wo
+der Genuss konstatiert ist; der erste Akt mit seinem <span class="el"
+title="eklasen">ἔκλασεν</span> ist gar nicht darauf angelegt. Daraus
+entsteht bei Paulus eine unerträgliche grammatikalische Verwirrung.
+Die Parallele zu dem <span lang="el" title="hosakis ean pinête">ὁσάκις
+ἐὰν πίνητε</span>, das erwartete <span lang="el" title="hosakis ean
+esthiête">ὁσάκις ἐὰν ἐσθίητε</span>, fehlt in der Form des <span
+lang="el" title="touto poieite">τοῦτο ποιεῖτε</span> von <span
+class="smcap">V.</span> <span class="antiqua">24</span>. Unter dem
+<span class="el" title="poiein">ποιεῖν</span> kann also für den ersten
+Akt nur das erwähnte <em class="gesperrt">Brechen</em> verstanden sein.
+Aus <span class="smcap">V.</span> <span class="antiqua">25</span>
+und <span class="antiqua">26</span> geht aber hervor, dass, dem
+<span class="el" title="poiein">ποιεῖν</span> des zweiten Akts
+entsprechend, der Genuss, nämlich das Essen, darunter verstanden
+werden muss. Grammatikalisch allein berechtigt wäre: so oft ihr
+dieses Brot brechet und diesen Kelch trinket; thatsächlich aber
+soll es bedeuten: so oft ihr dieses Brot esset. So ist auch das
+<span class="el" title="gar">γὰρ</span> zu verstehen, welches
+<span class="smcap">V.</span> <span class="antiqua">26</span> mit
+<span class="smcap">V.</span> <span class="antiqua">24</span> und
+<span class="antiqua">25</span> zugleich verbindet, sofern es als
+Wiederholung der dort von Jesu gemeinten Handlung das Essen und Trinken
+voraussetzt.</p>
+
+<p>Die Gleichbildung ist also trotz des latenten Widerstandes
+des ersten Aktes erreicht. An beide Gleichnisse schliesst sich
+das Wort von der Heilsbedeutung des Todes und der eschatologische
+Hinweis an.</p>
+
+<p><span class="pagenum"><a name="Seite_53" id="Seite_53">53</a></span>
+
+Dabei entgeht Paulus durch die Form, in der er diesen Hinweis
+bietet, einer grossen Schwierigkeit. Dieses Wort ist in der
+ursprünglichen Gestalt ein <em class="gesperrt">Schlusswort.</em> Fügt man es in dieser
+Form dem ersten Akt an, so wird die Handlung in der Mitte
+auseinander gerissen, da dann Jesus schon beim Brot die Feier
+beschliesst. Diese Schwierigkeit hat Lukas gefühlt, als er die paulinische
+Vorstellung in den synoptischen Bericht zu übertragen
+unternahm.</p>
+
+<h3><strong>4. Der lukanische Bericht</strong> (Lk 22 <span class="antiqua">14-20</span>).</h3>
+
+<p>Lukas bringt zuerst das eschatologische Schlusswort in direkter Rede
+für beide Akte. Für das Kelchwort lag die Form der älteren Synoptiker
+vor. Er nimmt die Matthäusform, weil er die Aufforderung zum Genuss,
+welche Paulus nicht bietet, voraussetzt. Durch die Auslassung des
+Wortes vom Blut wird folgendes Kelchwort hergestellt Lk 22 <span class="antiqua">17</span> u.
+<span class="antiqua">18</span>: <span lang="el" title="kai dexamenos potêrion eucharistêsas eipen· labete
+touto kai diamerisate eis heautous· legô gar hymin hoti ou mê piô apo
+tou nyn apo tou genêmatos tês ampelou heôs hotou hê basileia tou theou
+elthê">καὶ δεξάμενος ποτήριον εὐχαριστήσας εἶπεν· λάβετε τοῦτο καὶ
+διαμερίσατε εἰς ἑαυτούς· λέγω γὰρ ὑμῖν ὅτι οὐ μὴ πίω ἀπὸ τοῦ νῦν ἀπὸ
+τοῦ γενήματος τῆς ἀμπέλου ἕως ὅτου ἡ βασιλεία τοῦ θεοῦ ἔλθῃ</span>.</p>
+
+<p>Der Versuch nimmt sich gut aus; das <span lang="el"
+title="diamerisate">διαμερίσατε</span> hat zugesetzt werden müssen,
+damit man die später folgende Darreichung des Kelches (<span
+class="smcap">V.</span> <span class="antiqua">20</span>) nicht
+vorwegnehme; das eingefügte <span lang="el" title="gar">γὰρ</span> stellt in Verbindung
+mit dem <span class="el" title="diamerisate">διαμερίσατε</span>
+zur Not einen logischen Gedankenzusammenhang her; das <span
+class="el" title="kainon">καινόν</span> (vgl. Mt 26 <span
+class="antiqua">29</span>) blieb besser weg, weil dieses
+Adjektiv nachher als erklärender Zusatz zu <span class="el"
+title="diathêkê">διαθήκη</span> figuriert; der Farbenton der
+eschatologischen Aussage ist etwas verblasst (Matthäus <span lang="el"
+title="heôs tês hêmeras ekeinês hotan auto pinô meth' hymôn kainon en
+tê basileia tou patros mou·">ἕως τῆς ἡμέρας ἐκείνης ὅταν αὐτὸ πίνω μεθ'
+ὑμῶν καινὸν ἐν τῇ βασιλείᾳ τοῦ πατρός μου·</span> Lukas <span lang="el"
+title="heôs hotou hê basileia tou theou elthê">ἕως ὅτου ἡ βασιλεία τοῦ
+θεοῦ ἔλθῃ</span>).</p>
+
+<p>Schwieriger war die Formulierung des eschatologischen Schlussworts
+für den ersten Akt, da hier kein behauenes Material vorlag und das Wort
+über dem Brot seinen Widerstand gegen die aufgezwungene Verbindung mit
+irgend einem eschatologischen Hinweis schon bei Paulus hinreichend
+bekundet hatte. Ein einziger Ausweg bot sich dar: das eschatologische
+Schlusswort, da es einmal für die Handlung des Essens gefordert war,
+auf die ganze Mahlzeit zu beziehen. Dieser Fassung kam der Gedanke
+zu Hülfe, dass möglicherweise die historische Feier ein Passahmahl
+gewesen; das neukonstruierte eschatologische Schlusswort für das
+Essen bezieht sich bei Lukas also auf das Passahmahl, das<span
+class="pagenum"><a name="Seite_54" id="Seite_54">54</a></span> Jesus
+mit den Seinen feiert. <span class="antiqua">15</span> <span lang="el" title="kai
+eipen pros autous· epethymia epethymêsa touto to pascha phagein
+meth' hymôn pro tou me pathein·">καὶ εἶπεν πρὸς αὐτούς· ἐπιθυμίᾳ
+ἐπεθύμησα τοῦτο τὸ πάσχα φαγεῖν μεθ' ὑμῶν πρὸ τοῦ με παθεῖν·</span> <span
+class="antiqua">16</span> <span lang="el" title="legô gar hymin hoti ou mê phagô auto
+heôs hotou plêrôthê en tê basileia tou theou">λέγω γὰρ ὑμῖν ὅτι οὐ μὴ
+φάγω αὐτὸ ἕως ὅτου πληρωθῇ ἐν τῇ βασιλείᾳ τοῦ θεοῦ</span>.</p>
+
+<p>Die Benutzung des Passahgedankens ermöglicht Lukas, eine Mahlfeier
+darzustellen, <em class="gesperrt">bei der sowohl das Essen als das
+Trinken einen eschatologischen Hinweis erhalten.</em> Dabei wird aber
+die historische Feier auseinandergerissen! Zuerst kommen die beiden
+eschatologischen Worte; sie werden in den Verlauf der Passahmahlzeit
+gerückt. Das erste bildet zugleich eine stimmungsvolle Einleitung. Von
+dem Wort über dem Brot wird dadurch nichts vorausgenommen: nur mit dem
+Wort über dem Becher hat es seine Schwierigkeit. Um das Kelchwort,
+welches dann bei der eigentlichen historischen Feier eintritt, von
+dem vorhergehenden, welches im Rahmen des Passahmahls verlief, genau
+abzuheben, wird es in der paulinischen Form berichtet: <span lang="el"
+title="to potêrion meta to deipnêsai legôn· touto to potêrion hê
+kainê diathêkê en tô haimati mou">τὸ ποτήριον μετὰ τὸ δειπνῆσαι
+λέγων· τοῦτο τὸ ποτήριον ἡ καινὴ <span class="err" title="original: διαδήκη">διαθήκη</span> ἐν τῷ αἵματί μου</span>:
+soweit geht die Uebereinstimmung. Nun ist aber der eschatologische
+Hinweis nach Paulus (I Kor 11 <span class="antiqua">24</span> u. <span
+class="antiqua">25</span> <span lang="el" title="touto poieite">τοῦτο
+ποιεῖτε</span> etc.) schon beim ersten Passah-Kelchwort verbraucht;
+deswegen wird hier nach Matthäus zurückmoduliert und <span lang="el"
+title="to hyper hymôn ekchynnomenon">τὸ ὑπὲρ ὑμῶν ἐκχυννόμενον</span>
+eingesetzt; aus diesem Grunde war schon an Stelle des paulinischen
+<span lang="el" title="en tô emô haimati">ἐν τῷ ἐμῷ αἵματι</span> das
+altsynoptische <span lang="el" title="en tô haimati mou">ἐν τῷ αἵματί
+μου</span> eingetreten.</p>
+
+<p>Der erste Akt wird nach Paulus beschrieben; aus den Synoptikern
+ist die ausdrückliche Erwähnung der Darbietung (<span lang="el"
+title="edôken-didomenon">ἔδωκεν-διδόμενον</span>) eingedrungen. Das
+<span lang="el" title="touto poieite">τοῦτο ποιεῖτε</span> ist stehen geblieben, weil das
+eschatologische Wort hinsichtlich des Essens sich auf das Passahmahl
+allgemein bezieht.</p>
+
+<p>Der Bericht des Lukas erklärt sich litterarisch einfach als ein
+Versuch, die bei Paulus erreichte Gleichbildung der beiden Akte
+unter Zuhülfenahme des Zusammenhangs der historischen Feier mit dem
+Passahmahl in die synoptische Geschichtserzählung zurückzutragen.
+Daraus resultiert dann folgender Verlauf der Feier: Jesus weist zu
+Anfang des Passahmahls darauf hin, dass er es erst im Gottesreiche
+wieder mit den Jüngern feiern wird. Solches wiederholt er beim ersten
+Herumreichen des Kelches. Bei einer Brotdarreichung im Verlaufe
+der Feier spricht er das Gleichnis von seinem Leibe, desgleichen
+beim Kelch das Gleichnis von seinem Blute. Beide Akte sind absolut
+gleich durch die Geltendmachung des Heilswertes der Dahingabe<span
+class="pagenum"><a name="Seite_55" id="Seite_55">55</a></span> (<span
+class="smcap">V.</span> <span class="antiqua">19</span> <span lang="el"
+title="to hyper hymôn didomenon">τὸ ὑπὲρ ὑμῶν διδόμενον</span>, <span
+class="smcap">V.</span> <span class="antiqua">20</span> <span lang="el" title="to
+hyper hymôn ekchynnomenon">τὸ ὑπὲρ ὑμῶν ἐκχυννόμενων</span>). Auch bei dieser
+Gleichbildung geht es ohne stilistische Härte nicht ab, sofern nämlich
+im zweiten Akt von einem vergossenen Kelch die Rede ist, während das
+Blut gemeint ist.</p>
+
+<p>Wie bei Paulus werden beide Akte durch das <span lang="el"
+title="touto poieite">τοῦτο ποιεῖτε</span> abgeschlossen. Wir
+haben also eine bis auf den gemessenen Rythmus in der Sprache sich
+erstreckende Gleichbildung. Freilich ist dabei der Schluss der Feier
+verloren gegangen. Das stolze Wort von dem Wiedertrinken in des
+Vaters Reich ist schon für den Anfang der Passahfeier verbraucht,
+statt dass es, wie bei Markus und Matthäus, zum Aufbruch überleitet.
+Dafür finden hier die Episoden von der Bezeichnung des Verräters, dem
+Rangstreit und der Verwarnung des Petrus ihren Platz (Lk 22 <span
+class="antiqua">21-38</span>), wobei die Schilderung des feierlichen
+Aufbruchs nach dem Lobgesang (Mk 14 <span class="antiqua">26</span>
+= Mt 26 <span class="antiqua">30</span>) unterbleibt. &bdquo;Er
+ging nach seiner Gewohnheit an den Oelberg&ldquo; (Lk 22 <span
+class="antiqua">39</span>: <span lang="el" title="kai exelthôn
+eporeuthê kata to ethos eis to oros tôn elaiôn">καὶ ἐξελθὼν ἐπορεύθη
+κατὰ τὸ ἔθος εἰς τὸ ὄρος τῶν ἐλαιῶν</span>).</p>
+
+<p>Eine originelle Auffassung von dem Wesen der historischen Feier liegt
+dieser Darstellung nicht zu Grunde. In keinem Falle ist sie aus dem
+Bestreben hervorgegangen, die Trennung des &bdquo;Abendmahls&ldquo; von der
+gemeinsamen religiösen Mahlzeit, welche bei Paulus angebahnt sein
+soll, historisch zu begründen! Dieser formlose Bericht ist nur aus
+dem Prinzip <span lang="el" title="parêkolouthêkoti anôthen pasin akribôs kathexês
+grapsai">παρηκολουθηκότι ἄνωθεν πᾶσιν ἀκριβῶς καθεξῆς γράψαι</span> (Lk 1 3)
+zu erklären.</p>
+
+<p>Es ist daher nicht zu erwarten, dass durch Streichung oder
+Versversetzung aus der lukanischen Darstellung sich ein Bericht
+gewinnen lässt, der auf eine originelle ältere Vorstellung der
+historischen Feier zurückgeht. Mehr als durch solche Versuche
+wird man dem Wert der lukanischen Darstellung gerecht, wenn
+man das schriftstellerische Geschick, das ästhetische Feingefühl
+und den liturgischen Schwung würdigt, von denen diese Schilderung
+Zeugnis gibt.</p>
+
+<h3><strong>5. Der justinische Bericht</strong> (I Apol. 66).</h3>
+
+<p>Hier vollzieht sich die Gleichbildung durch Verkürzung des zweiten
+Akts nach Analogie des ersten. Die berichtete Feier beschränkt sich
+auf zwei rätselhafte Worte Jesu. Nach einem Dankgebet über dem Brot
+spricht er: &bdquo;dies ist mein Leib&ldquo;, desgleichen beim
+Kelch: &bdquo;dies ist mein Blut&ldquo; <span class="pagenum"><a name="Seite_56"
+id="Seite_56">56</a></span>(<span lang="el" title="ton
+Iêsoun labonta arton eucharistêsanta eipein· touto poiete eis tên
+anamnêsin mou, touto esti to sôma mou. kai to potêrion homoiôs
+labonta kai eucharistêsanta eipein· touto esti to haima mou">τὸν Ἰησοῦν
+λαβόντα ἄρτον εὐχαριστήσαντα εἰπεῖν· τοῦτο ποιεῖτε εἰς τὴν ἀνάμνησίν
+μου, τοῦτό ἐστι τὸ σῶμά μου. καὶ τὸ ποτήριον ὁμοίως λαβόντα καὶ
+εὐχαριστήσαντα εἰπεῖν· τοῦτό ἐστι τὸ αἷμά μου</span>).</p>
+
+<p>Es fehlt das Brechen des Brots, der Hinweis auf den Wert der
+Dahingabe und die Hervorhebung des erwarteten oder erfolgten Genusses
+im zweiten Akt. Auch das eschatologische Schlusswort ist ausgefallen.
+Nur beim ersten Akt findet sich das <span lang="el" title="touto
+poieite">τοῦτο ποιεῖτε</span> in der paulinischen Form, wobei aus <span
+lang="el" title="tên emên anamnêsin">τὴν ἐμὴν ἀνάμνησίν</span> (I
+Kor 11 <span class="antiqua">24</span>) <span lang="el" title="tên
+anamnêsin mou">τὴν ἀνάμνησίν μου</span> geworden ist.</p>
+
+<p>Hier steigert sich aber der Widerstand des ersten Akts
+gegen einen derartigen Eintrag bis zur Unerträglichkeit. Worauf
+soll sich das <span lang="el" title="poiein">ποιεῖν</span> beziehen? Auf das vorausgehende Gebetswort?
+Das Brechen ist nicht erwähnt, der Genuss vorausgesetzt,
+aber nicht hervorgehoben. So ist das <span lang="el" title="touto poieite">τοῦτο ποιεῖτε</span> hier für die
+grammatikalische Auslegung sinnlos und die Erwähnung desselben
+<em class="gesperrt">bei dem ersten Akt allein</em> unverständlich.</p>
+
+<p>Bei dieser verkürzten Darstellung ist die ganze historische
+Situation interesselos geworden. Zwar erwähnt Justin Dial. 41,
+70 und 117, dass in der Gemeindefeier auch die Erinnerung an
+Jesu Tod mit hereinspielt. In seinem Bericht aber fehlt jede
+Andeutung, dass dieses Mahl in der Nacht vor dem Tod stattgefunden
+hat.</p>
+
+<p>Aus dem &bdquo;justinischen Bericht&ldquo; allein wüssten wir also nur,
+dass Jesus bei einem Mahle, nachdem er das Dankgebet über
+dem Brot gesprochen, seinen Jüngern geboten habe, diesen
+Brauch zur Erinnerung an ihn festzuhalten; danach habe er fortfahrend
+das gesegnete Brot als seinen Leib und den gesegneten
+Kelch als sein Blut bezeichnet.</p>
+
+<hr class="chap" />
+<h2>Dreizehntes Kapitel.</h2>
+
+<p class="pseudotitle"><b>Die Authentie des Markusberichts.</b></p>
+
+<h3><strong>1. Der Beweis.</strong></h3>
+
+<p>Authentisch ist ein Bericht, <em class="gesperrt">welcher in keiner Weise
+durch die Vorstellung von der Gemeindefeier beeinflusst
+ist.</em> Der Markusbericht ist authentisch, weil sich dieser
+Nachweis für ihn führen lässt.</p>
+
+<p>Worauf beruht die <em class="gesperrt">Gleichbildung der beiden Akte</em>,
+welche alle andern Berichte, wenn auch der Art und dem Grad
+nach verschieden, im Unterschied zu Markus aufweisen? Auf dem
+Einfluss, welchen die altchristliche Feier auf die Vorstellung der<span class="pagenum"><a name="Seite_57" id="Seite_57">57</a></span>
+historischen ausübt. Die Gemeindefeier war eine Mahlzeit, bei der
+dem Essen dieselbe Bedeutung zukam wie dem Trinken. Ganz
+natürlich übertrug sich dies auf die historische Feier. Man wusste
+also nicht anders, als dass Jesus beim Brot und beim Wein in
+genau entsprechender Weise gehandelt und geredet haben musste,
+sofern in der abgeleiteten Feier die gleiche Wertung des Essens
+wie des Trinkens konstatiert wurde. So war die Gleichbildung
+der beiden Akte für die historische Feier von der urchristlichen
+gefordert.</p>
+
+<p>Besässen wir nun den Markusbericht nicht, so würden wir
+an der Gleichheit der beiden Akte nichts Besonderes finden, da
+dies auch unserem Empfinden als das Natürlichste erscheint.
+Alle modernen Rekonstruktionsversuche der &bdquo;ursprünglichen
+Einsetzungsworte&ldquo; vertreten die Gleichbildung ebenfalls. Wir
+sind also auch geneigt, die Gleichheit der beiden Akte ohne
+weiteres für selbstverständlich zu halten.</p>
+
+<p>Nun zeigt aber der Markusbericht, dass die Gleichheit der
+beiden Akte nicht selbstverständlich ist. Also muss man entweder
+für die Ungleichheit derselben bei ihm oder für die Gleichheit
+bei den andern eine Erklärung suchen. Dabei ergibt sich,
+dass man wohl die andern aus dem Markusbericht ableiten kann,
+<em class="gesperrt">nicht aber umgekehrt.</em> Matthäus und Paulus &mdash; der Lukasbericht
+ist ein rein litterarisches Produkt &mdash; stellen die Feier
+nach dem zweiten Akt des Markus dar, Justin nach dem ersten.
+Bringt man bei jedem die Gleichbildung der beiden Akte entsprechend
+in Abrechnung, wozu die grammatikalischen Härten
+und Unmöglichkeiten Anweisung geben, <em class="gesperrt">so erhält man jedesmal
+den Markusbericht.</em></p>
+
+<p>Dabei zeigt sich in der Gleichbildung der beiden Akte noch
+eine gewisse Entwicklung. Dass sie bei Matthäus noch nicht vollständig
+durchgeführt ist, lässt erkennen, dass die Gleichheit der
+Akte nicht das Ursprüngliche ist. Also muss sie ihren Grund in
+der historischen Anschauung der alten Zeit haben, welche diese
+Berichte <em class="gesperrt">formuliert</em> hat. Da dieser allein in dem Mahlzeitcharakter
+der Essen und Trinken gleichwertenden Gemeindefeier
+gegeben sein kann, steht fest, <em class="gesperrt">dass diese Berichte durch
+das Medium der altchristlichen Auffassung der Gemeindefeier
+hindurchgegangen sind. Markus steht
+ausserhalb dieses Prozesses, weil er die Gleichbildung
+nicht aufweist; also ist er authentisch.</em></p>
+
+<p><span class="pagenum"><a name="Seite_58" id="Seite_58">58</a></span>
+
+Dass die Vorstellung der historischen Feier bei Paulus und
+Justin in einem sehr hohen Masse durch die Auffassung der Gemeindefeier
+bedingt ist, liegt auf der Hand. Der historische Bericht
+ist bei ihnen ja nur Mittel zum Zweck. Er soll eine bestimmte
+Anschauung von der Gemeindefeier vertreten. Die Art,
+wie sie beide in Verbindung setzen, geht weit über unsere Begriffe
+hinaus. Wir verstehen die Gemeindefeier immer nur als
+eine entsprechende <em class="gesperrt">Wiederholung</em> der historischen, sofern sie
+aus der letzteren begründet wird. Paulus und Justin setzen beide
+gleich, indem sie die Gemeindefeier mit der historischen Feier
+gegeben sein lassen. Dabei entstehen dann Gedankengänge, die
+für uns ganz überraschend sind.</p>
+
+<p>Es handelt sich um I Kor 11 <span class="antiqua">26</span>. In
+<span class="smcap">V.</span> <span class="antiqua">24</span> und <span
+class="antiqua">25</span> vollzieht Jesus die Einsetzung. Wer redet
+in <span class="smcap">V.</span> <span class="antiqua">26</span>?
+Das <span lang="el" title="gar">γὰρ</span>, sofern es sich zum Vorhergehenden begründend
+verhält, schliesst den Subjektswechsel aus. Der Ausdruck <span lang="el" title="ton
+thanaton tou kyriou">τὸν θάνατον τοῦ κυρίου</span> zeigt aber an, dass die
+historische Situation verlassen ist und Paulus von der Gemeindefeier
+redet. Dazu passt aber das <span lang="el" title="gar">γὰρ</span>
+nicht, denn was für die Gemeindefeier gilt, ist nicht eine <em
+class="gesperrt">Begründung</em> zu den Worten Jesu, sondern eine <em
+class="gesperrt">Folgerung</em> aus dem historischen Spruch. In diesem
+Satz vollzieht also Paulus den Uebergang von der historischen Feier
+zur Gemeindefeier so, dass er beide für einen Augenblick gleichsam
+zusammenschiebt.</p>
+
+<p>Darum schmilzt er zwei Sätze, von denen der erste der historischen
+Situation, der zweite der Darlegung über die Gemeindefeier
+angehört, ineinander.</p>
+
+<ul class="hang">
+
+<li>1. Jesus zu den Jüngern im Anschluss an die Gleichnisse:
+&bdquo;denn (<span lang="el" title="gar">γὰρ</span>) so oft ihr von diesem Brot esset und von diesem
+Wein trinket, verkündet ihr meinen Tod, bis dass ich
+komme.&ldquo;</li>
+
+<li>2. Paulus der Gemeinde das Wesen ihrer Feier aus der historischen
+erklärend: &bdquo;Darum (<span lang="el" title="hôste">ὥστε</span>), so oft ihr von diesem
+Brot esset und von diesem Wein trinket, verkündet ihr des
+Herrn Tod, bis dass er komme.&ldquo;</li></ul>
+
+<p>Justin bietet ein Seitenstück zu diesem schillernden Uebergang.
+Er fasst in der berühmten Darlegung I Apol. 65 und 66 die
+historische Feier und die Gemeindefeier in einem gemeinsamen
+Ausdruck zusammen, indem er sie bezeichnet als: <span lang="el"
+title="hê di' euchês logou tou par' autou">ἡ δι' εὐχῆς λόγου τοῦ
+παρ' αὐτοῦ</span> (sc. Jesu) <span lang="el" title="eucharistêtheisa
+trophê">εὐχαριστηθεῖσα τροφή</span>. Dieser Ausdruck bekundet eine
+Gleichsetzung der beiden Feiern, die<span class="pagenum"><a
+name="Seite_59" id="Seite_59">59</a></span> weit über unseren Begriff
+der entsprechenden Wiederholung hinausgeht. Die Speise bei der
+Gemeindefeier ist, wie bei der historischen, durch Jesu Gebetswort
+geheiligt. Ein Unterschied besteht also nicht.</p>
+
+<p>Was die Gleichbildung der beiden Akte anzeigt, wird durch die
+Argumentierung, mit welcher Paulus und Justin die Gemeindefeier
+mit der historischen Feier verbinden, bestätigt: Sie sehen
+die historische Feier nur in der Beleuchtung der Gemeindefeier.</p>
+
+<p>Solange die Textvergleichung ausschliesslich auf die Entdeckung
+der wahrscheinlichsten und ansprechendsten Form der
+<em class="gesperrt">Einsetzungsworte</em> ausging, bestand die Vorstellung der Möglichkeit
+einer paulinischen oder justinischen Sondertradition zu
+Recht, da beide &bdquo;die Einsetzungsworte&ldquo; in sowohl unter sich unabhängigen
+als von den beiden älteren Synoptikern grundverschiedenen
+Fassungen boten. Prüft man aber die <em class="gesperrt">Berichte als
+Berichte</em>, frägt man sie, ohne den verlockenden Anpreisungen
+ihrer &bdquo;Einsetzungsworte&ldquo; Gehör zu geben, was sie von dem Verlauf
+und dem Wesen des gesamten historischen Vorgangs, bei
+welchem diese Gleichnisse geredet wurden, wissen, dann ist es
+mit der Scheinoriginalität aus. Es zeigt sich, dass sie sich die
+historische Feier der ihnen geläufigen Gemeindefeier entsprechend
+vorstellen, nur dass Jesus dabei Speise und Trank austeilt
+und die bekannten Gleichnisse redet. Also geht auch ihre
+Fassung &bdquo;der Einsetzungsworte&ldquo; nicht auf eine paulinische oder
+justinische Sondertradition zurück, sondern sie ist geschichtlich
+aus der vorausgesetzten Gemeindefeier zu erklären. Paulus und
+Justin differieren in ihren &bdquo;Einsetzungsworten&ldquo;, weil und insofern
+die justinische von der paulinischen Gemeindefeier differiert.
+Zwischen beiden muss in der Auffassung der Feier eine Wandlung
+eingetreten sein.</p>
+
+<p>So führt die neue Problemstellung eine neue Auffassung der
+Authentie mit sich, welche sich nicht mehr auf <em class="gesperrt">Meinungen,
+sondern auf Gesetze</em> gründet. Als authentisch gilt nicht
+mehr die kürzeste oder scheinbar klarste Relation &bdquo;der Einsetzungsworte&ldquo;,
+<em class="gesperrt">sondern die Darstellung des gesamten
+historischen</em> Vorgangs, für welche eine Beeinflussung durch
+die Gemeindefeier nicht nachgewiesen werden kann, ob uns nun
+die betreffende &bdquo;Einsetzungsformel&ldquo; zusagt oder nicht.</p>
+
+<p>Bisher galt es für interessant, mit einer gewissen skeptischen
+Nonchalance die Behauptung hinzuwerfen, dass wir über die<span class="pagenum"><a name="Seite_60" id="Seite_60">60</a></span>
+Authentie der Berichte niemals etwas wissen können. Selbst
+wenn unter unseren Berichten ein authentischer sich befände, so
+hätten wir doch kein Mittel, ihn unter den andern herauszufinden.
+Durch die neue Auffassung der Authentie ist diese Skepsis abgethan.
+Wir besitzen einen authentischen Bericht. Wer es bestreiten
+will, muss nachweisen, dass der Markusbericht ein durch
+die andern Darstellungen desavouiertes Phantasieprodukt ist.
+Authentisch oder sinnlos: das ist die einzig offene Alternative.</p>
+
+<h3><strong>2. Die Folgerungen aus der Authentie des Markusberichts.</strong></h3>
+
+<p>Die neue Auffassung der Authentie bezeichnet den ersten
+Erfolg der neuen Problemstellung. Er öffnet dem neuen Lösungsversuch
+den Weg. Jesus forderte die Jünger auf, seinen Leib zu
+essen und sein Blut zu trinken: dieser angenommene gemeinsame
+Thatbestand aller Berichte schien den Weg zu versperren. Durch
+die Authentie des Markusberichts wird aber dieser Scheinthatbestand
+ausser Kraft gesetzt. Es ist historisch bestätigt, was aus
+der Kritik der modernen Auffassungen geschlossen wurde: Jesus
+hat seine Jünger nicht aufgefordert, seinen Leib und sein Blut zu
+geniessen, sondern er hat die Gleichnisworte im Verlauf, nicht
+vor dem Genuss gesprochen. Das Kelchwort kommt erst, nachdem
+alle getrunken haben!</p>
+
+<p>Also haben wir einen Bericht, bei dem das Wesen der Feier
+nicht auf den Gleichnissen, sondern auf dem feierlichen Vorgang
+beruht. Das hatte die neue Problemstellung gefordert. Nun ist
+es Thatsache geworden. <em class="gesperrt">Also ist das Abendmahlsproblem
+für die historische Kritik lösbar.</em></p>
+
+<h3><strong>3. Das Messianitäts- und Leidensgeheimnis im Abendmahl.</strong></h3>
+
+<p>Die Bedeutung der Darreichung der Genusselemente bleibt
+vorerst rätselhaft. Nur das Negative ist klar, dass nämlich die
+Gleichnisse nicht aus der symbolischen Handlung des Brechens
+und aus dem vorausgesetzten Ausgiessen des Weins an sich erklärt
+werden dürfen. Das darstellende Moment spielt in den Berichten
+keine Rolle und verschwindet zuletzt ganz, wie der justinische
+Text zeigt, wo das Brechen nicht einmal mehr erwähnt
+wird.</p>
+
+<p>Wollte man die Gleichnisse nach dem authentischen Markustext
+deuten, so müsste man das erste aus dem Brechen, das zweite<span class="pagenum"><a name="Seite_61" id="Seite_61">61</a></span>
+aus der Thatsache, dass alle Jünger getrunken haben, erklären.
+Man bekäme also zwei ganz verschieden geartete Gleichnisse.</p>
+
+<p>Die Gleichnisse vom Leib und Blut müssen aber irgendwie
+den Leidensgedanken enthalten. Dass Jesus damit das Geheimnis
+seines Leidens zum letztenmal ausgesprochen hat, ist in den
+Umständen dieses letzten Zusammenseins gegeben. Wenn wir
+also die Gleichnisse nicht richtig zu verstehen vermögen, kann
+dies nur daran liegen, dass wir das <em class="gesperrt">Geheimnis des Leidensgedankens</em>
+falsch auffassen.</p>
+
+<p>Nun ist es die Eigentümlichkeit aller modern-historischen
+Abendmahlsauffassungen, dass sie in der Feier <em class="gesperrt">den eschatologischen
+Gedanken</em> nicht zur Geltung bringen. Sie verwenden
+das Wort von dem Neutrinken in des Vaters Reich nicht
+als eine das Wesen jenes letzten Mahls mitkonstituierende Aussage,
+sondern machen daraus bestenfalls ein Anhangswort.</p>
+
+<p>Im Markustext nimmt es aber eine Hauptstellung ein. Es ist das mit
+erhobener Stimme feierlich und eindringlich gesprochene Schlusswort
+der Feier. Dabei hängt es mit dem Wort vom vergossenen Blut eng und
+unzertrennlich zusammen, so dass es mit ihm einen einzigen Gedanken zu
+bilden scheint. <em class="gesperrt">Diese enge Verbindung zwischen dem
+Todes- und Wiederkunftsgedanken ist charakteristisch für den zweiten
+Akt der Situation bei Markus.</em></p>
+
+<p>Demselben Zusammenhang begegnen wir aber auch bei
+Paulus und zwar in beiden Akten. Nach ihm &mdash; und er beruft
+sich dabei ausdrücklich auf den historischen Hergang &mdash; besteht
+die Bedeutung des Essens und Trinkens irgendwie in der Verkündigung
+des Todes des Herrn zugleich mit der Erwartung
+seiner Parusie. &bdquo;So oft ihr dieses Brot esset und diesen
+Wein trinket, verkündigt ihr den Tod des Herrn, bis dass er
+komme.&ldquo;</p>
+
+<p>In der authentischen Relation der historischen Feier und in
+der ältesten Relation der Gemeindefeier haben wir also beidemal
+eine organische Verbindung zwischen dem Leidensgedanken und
+der eschatologischen Erwartung. Es ist daher falsch, das Wesen
+der Feier in der letzten Aussprache des Todesgedankens allein
+zu finden. <em class="gesperrt">Nicht von seinem Tod, sondern von seinem
+Tod und der baldigen Wiedervereinigung mit ihnen
+beim Mahle im neuen Reich</em> hat Jesus zu den Seinen geredet.
+Das Geheimnis seines Todes, welches bei dieser Feier in
+<span class="pagenum"><a name="Seite_62" id="Seite_62">62</a></span>
+der ergreifendsten und erhebendsten Weise zum letztenmal von
+Jesus ausgesprochen wurde, enthält den Leidensgedanken im
+engsten Zusammenhang mit der eschatologischen Erwartung.</p>
+
+<p>Die modern-historischen Abendmahlsauffassungen sind also
+unhistorisch, weil der Leidensgedanke, mit dem sie operieren,
+keinen Zusammenhang mit der Eschatologie aufweist. Darum
+können sie den wesentlichen Grundzug der historischen Feier
+und der ältesten Gemeindefeier nicht zum Ausdruck bringen.
+Um das Wesen des letzten Mahles zu begreifen, bedarf es daher
+eines Einblicks in den eschatologischen Charakter des Leidensgeheimnisses
+Jesu. Diesen kann man nicht aus der Feier selbst
+gewinnen, da Jesus dort das Geheimnis im Gleichnis ausspricht.
+Das Gleichnis aber vermögen wir nicht zu deuten.</p>
+
+<p><em class="gesperrt">Beim letzten Mahl handelt Jesus als Messias,
+und zwar als leidender Messias.</em> Wenn wir sein Handeln
+nicht verstehen, so liegt dies mithin daran, dass wir sein Messianitäts-
+und Leidensgeheimnis falsch verstehen. Das Abendmahl
+kann nur aus dem Zusammenhang des Lebens Jesu begriffen
+werden. Unsere Abendmahlsauffassungen sind falsch &mdash; <em class="gesperrt">also
+ist die Auffassung des Lebens Jesu, welche uns dazu
+geführt hat, auch falsch.</em></p>
+
+<p>Das Abendmahlsproblem ist das Problem des Lebens Jesu!
+Eine neue Abendmahlsauffassung kann nur aus einer neuen Auffassung
+des Lebens Jesu hervorwachsen, welche das Messianitäts-
+und Leidensgeheimnis so enthält, dass sein feierliches Handeln
+beim letzten Mahle begreiflich und verständlich wird. <em class="gesperrt">Ein neues
+Leben Jesu:</em> das ist der einzige Weg zur Lösung des Abendmahlsproblems.</p>
+</div>
+<hr class="full" />
+<div class="transnote">
+<h2>
+<a id="Anmerkungen_zur_Transkription"></a>Anmerkungen zur Transkription:</h2>
+
+<p>Die erste
+Zeile entspricht dem Original, die zweite Zeile enthält die Korrektur.</p>
+
+<p>S. <a href="#Seite_xv">XV</a>:</p>
+<ul>
+<li>3. Das Ergebnis des Textkritik</li>
+
+<li>3. Das Ergebnis <span class="u">der</span> Textkritik</li>
+</ul>
+<p>S. <a href="#Seite_13">13</a>:</p>
+
+ <ul><li>Vergleiche zum folgenden den verhängnisvollen Vortrag</li>
+ <li>Vergleiche zum <span class="u">Folgenden</span> den verhängnisvollen Vortrag</li></ul>
+<p>S. <a href="#Seite_17">17</a>:</p>
+<ul>
+<li>sondern
+auf einer eschatologichen Vorstellung vom Endmahl</li>
+
+<li>sondern
+auf einer <span class="u">eschatologischen</span> Vorstellung vom Endmahl</li>
+</ul>
+
+<p>S. <a href="#Seite_25">25</a>:</p>
+<ul><li>wenn der Fall an sie herantritt, im stande seien, ihrerseits
+ihre Seele</li>
+<li>wenn der Fall an sie herantritt, <span class="u">imstande</span> seien, ihrerseits
+ihre Seele</li></ul>
+
+<p>S. <a href="#Seite_54">54</a>: </p>
+<ul>
+<li>τοῦτο τὸ ποτήριον ἡ καινὴ διαδήκη ἐν τῷ αἵματί μου</li>
+
+<li>τοῦτο τὸ ποτήριον ἡ καινὴ <span class="u">διαθήκη</span> ἐν τῷ αἵματί μου</li>
+</ul>
+</div>
+
+<div>*** END OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK 44366 ***</div>
+</body>
+</html>
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+The Project Gutenberg EBook of Das Abendmahl im Zusammenhang mit dem Leben
+Jesu und der Geschichte des Urchristentums, by Albert Schweitzer
+
+This eBook is for the use of anyone anywhere at no cost and with
+almost no restrictions whatsoever. You may copy it, give it away or
+re-use it under the terms of the Project Gutenberg License included
+with this eBook or online at www.gutenberg.org
+
+
+Title: Das Abendmahl im Zusammenhang mit dem Leben Jesu und der Geschichte des Urchristentums
+ Erstes Heft. Das Abendmahlsproblem auf Grund der
+ wissenschaftlichen Forschung des 19. Jahrhunderts und der
+ historischen Berichte.
+
+Author: Albert Schweitzer
+
+Release Date: December 5, 2013 [EBook #44366]
+
+Language: German
+
+Character set encoding: UTF-8
+
+*** START OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK DAS ABENDMAHL IM ZUSAMMENHANG ***
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+
+Produced by Jana Srna, Michael Waddell, Eleni Christofaki
+and the Online Distributed Proofreading Team at
+http://www.pgdp.net
+
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+
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+
+
+
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+
+Anmerkungen zur Transkription:
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+Schreibweise und Interpunktion des Originaltextes wurden übernommen;
+lediglich offensichtliche Druckfehler wurden korrigiert. Eine Liste
+der vorgenommenen Änderungen findet sich am Ende des Textes. Folgende
+Zeichen sind für die verschiedene Schriftformen benutzt:
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+ _Kleinschrift_
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+ Das Abendmahl
+
+ im
+
+ Zusammenhang mit dem Leben Jesu
+
+ und der
+
+ Geschichte des Urchristentums
+
+ von
+
+ Lic. Dr. Albert Schweitzer
+
+ in Strassburg i. E.
+
+
+ Erstes Heft.
+
+ Das Abendmahlsproblem
+
+ auf Grund
+ der wissenschaftlichen Forschung des 19. Jahrhunderts
+ und der historischen Berichte.
+
+ [Illustration]
+
+ =Tübingen= und =Leipzig=.
+ Verlag von ~J. C. B. Mohr~ (Paul Siebeck).
+ 1901.
+
+
+
+
+ +Das Recht der Uebersetzung in fremde Sprachen behält sich die
+ Verlagsbuchhandlung vor.+
+
+
+ C. A. Wagner's Universitätsbuchdruckerei in Freiburg i. B.
+
+
+
+
+ Seinem Lehrer
+
+ Herrn Prof. D. Dr. =H. J. Holtzmann=
+
+ gewidmet
+
+ in aufrichtiger Verehrung und treuer Anhänglichkeit
+
+ von seinem dankbaren Schüler
+
+ =Albert Schweitzer=.
+
+
+
+
+=~Vorrede~ zu einer neuen Untersuchung über das Abendmahl.=
+
+
+Der Anstoss zu der vorliegenden Arbeit ging von SCHLEIERMACHER aus.
+Im Jahre 1897 erhielt ich nämlich als Thema für meine schriftliche
+Examensarbeit folgende Aufgabe gestellt: Die Abendmahlslehre
+SCHLEIERMACHER's soll dargestellt und mit den im neuen Testament und in
+den Bekenntnisschriften niedergelegten Auffassungen verglichen werden.
+
+Ich hatte mich bis dahin mit der Abendmahlsfrage gar nicht beschäftigt
+und war über die neuesten Forschungen in keiner Weise orientiert,
+hatte auch keine Zeit dies nachzuholen, weil die Arbeit innerhalb acht
+Wochen abgeliefert werden musste. So war ich einzig auf die Texte und
+die bekenntnismässigen Formulierungen der verschiedenen Konfessionen
+angewiesen.
+
+Die SCHLEIERMACHER'sche Dialektik ersetzte mir aber alles. Sie
+zergliedert nämlich das Problem so, dass es als Ganzes und zugleich in
+allen Details vor einem steht. Man braucht nur geschichtlich Ernst zu
+machen mit dem dialektischen Spiel, das er mit vollendeter Kunst zur
+Beruhigung und Versöhnung der Geister und zugleich zu seinem eigenen
+ästhetischen Ergötzen aufführt, dann ist man genau auf dem Standpunkt
+der modernen historischen Forschung angekommen.
+
+Ein Satz besonders ist hier entscheidend. In § 139 _3_ der
+Glaubenslehre redet er vom äusseren Verlauf unserer Feier und
+zeigt, wie wir uns bei der Reproduktion der historischen Umstände
+naturgemäss auf das Wesentliche beschränken müssen. Wollte man z.
+B. einen bedeutenden Nachdruck auf den Zusammenhang, in welchem das
+historische Mahl mit dem Passahmahl stand, legen, so würde man alsbald
+zur Folgerung gedrängt werden, »dass das Abendmahl jetzt nicht mehr
+das sein könne, als was es Christus gestiftet habe und also auch
+wohl nicht könne von ihm als eine selbständige und immer dauernde
+Institution für die Kirche verordnet sein«. »Dieses Bedenken«, so fährt
+er dann fort, »liegt so nahe, ~dass es sich leicht in der evangelischen
+Kirche lautbarer machen kann, als bisher der Fall gewesen~, und
+veranlasst natürlich die Frage, worauf unser Glaube in dieser Sache
+eigentlich beruhe. Schwerlich wird sich behaupten lassen, dass aus
+den uns aufbewahrten Worten Christi ~diese Absicht ganz bestimmt
+hervorgehe.~ Vielmehr enthalten einige unserer Erzählungen gar ~keinen
+solchen Befehl~ (Markus und Matthäus), und in den andern ist er nur
+unbestimmt ausgedrückt (Lukas und Paulus); und da die Apostel aus den
+Worten Christi beim Fusswaschen keinen solchen Befehl entnommen haben,
+so ~hätten sie auch Recht gehabt, aus dem Abendmahl ebensowenig eine
+bestimmte und allgemeine Institution zu machen!~ Da nun aber offenbar
+ist, dass sie das eine gethan haben und das andere nicht, so können
+wir uns an das halten, ~was sie eingerichtet haben,~, ohne dass wir
+zu entscheiden brauchten, ob Christus ihnen über das Abendmahl noch
+andere ausdrückliche Anweisungen gegeben, oder ob sie dieselben aus
+seinen Worten gefolgert oder nur durch den unmittelbaren Eindruck der
+Sache und durch die begleitenden Umstände anders bestimmt worden sind
+in Bezug auf das Abendmahl als in Bezug auf das Fusswaschen. In dem
+letzten Fall würden wir dann das Abendmahl nur nicht ganz in demselben
+Sinn als eine unmittelbare Einsetzung Christi ansehen können, immer
+aber doch glauben müssen, dass sie in seinem Sinn gehandelt haben, wenn
+wir nicht auch in ihrem ~engsten Berufskreise ihr kanonisches Ansehen
+aufgeben wollen~«.
+
+Unsere Abendmahlsfeier beruht in letzter Linie nicht auf einer
+ausdrücklichen Verordnung Jesu! GRAFE ist also ganz unschuldig! Was er
+als ehrlicher Historiker in der Nachfolge anderer Historiker, von der
+Wucht der Thatsachen gedrängt, bedächtig und schonungsvoll aussprach,
+das hat SCHLEIERMACHER in seiner Glaubenslehre keck hingeworfen.
+Während man aber dem eleganten Spiel des Dialektikers verständnisvoll
+zunickte, nahm man es dem ehrsamen Historiker gar übel, als er ungefähr
+dasselbe zu sagen wagte. Vielleicht auch haben die temperamentvollen
+Gegner GRAFE's diese Seite in ihrem SCHLEIERMACHER überschlagen oder
+sie hielten dafür, dass der betreffende Abschnitt, weil er zeitlich
+schon einige gute Jahrzehnte zurückliegt, auch in zweideutigen Dingen
+als rechtgläubig passieren dürfe. Es ist merkwürdig: In der Theologie
+darf heutzutage einer fast alles sagen, was er will, wenn er es nur
+vornehm und geistreich mit einem gewissen eleganten Skeptizismus thut.
+Für den ehrlichen Menschen, der redet, weil sein Gewissen ihn zwingt,
+ist man aber unnachsichtlich.
+
+Die Behauptung, die SCHLEIERMACHER zum erstenmal vollständig klar
+ausgesprochen hat, die dann aber für Jahrzehnte ganz unter den
+Tisch fiel, ist dazu angethan, einen im kantischen Sinn »aus dem
+dogmatischen Schlummer zu wecken«. Sie zeigt nämlich, dass nicht
+nur die kirchlichen, sondern geradesogut die wissenschaftlichen
+Abendmahlsauffassungen dem wirklichen Thatbestand nicht gerecht werden.
+Die kirchlichen Auffassungen setzen voraus, dass Jesus die Feier zur
+Wiederholung bestimmt habe, können aber nicht nachweisen, dass er es
+wirklich angeordnet hat, da der betreffende Befehl bei den ältesten
+Zeugen fehlt. Eine Reihe wissenschaftlicher Auffassungen gehen davon
+aus, dass die Feier nicht zur Wiederholung bestimmt war, können aber
+dann nicht erklären, warum sie doch schon in der allerersten Gemeinde
+aufkam — und das ist doch auch eine unbedingt feststehende Thatsache.
+
+Der Zusammenhang zwischen den beiden Feiern, der historischen und der
+Gemeindefeier, bleibt also gleich unbegreiflich, ob man sie durch den
+Wiederholungsbefehl direkt kausal miteinander verbindet oder ob man
+sich mit der Konstatierung der reinen zeitlichen Aufeinanderfolge
+begnügt und die Kausalität dahingestellt sein lässt. ~SCHLEIERMACHER
+ist der Hume der Kausalitätsfrage im Abendmahlsproblem.~
+
+Der Vergleich der verschiedensten und zeitlich so weit
+auseinanderliegenden Abendmahlslehren mit der SCHLEIERMACHER'schen
+Ansicht führte mich vor die Frage, was denn das Beharrende bei diesem
+steten Wechsel der Auffassungen sei. Ist es nicht denkbar, dass alle
+Phasen, in denen sich das Abendmahlsproblem auswirkt, durch dieselben
+Gesetze beherrscht sind und dass also an diesen Gesetzen die wahre
+historische Auffassung sich zu erproben hat?
+
+Nachdem ich daher meine Examensarbeit zu Ende geführt und die mir
+in Umrissen schon vorschwebende neue Auffassung in allgemeinen
+Strichen angedeutet hatte, machte ich mich daran, alle Epochen
+der Abendmahlsfrage — die altchristliche, die mittelalterliche,
+die reformatorische und die moderne — gründlich zu studieren,
+fest entschlossen, nicht eher mit der neuen Auffassung an die
+Oeffentlichkeit zu treten, als bis ich sie für alle Epochen
+durchgeführt hätte und so die Gewissheit besässe, dass sie die ganze
+Geschichte des Abendmahls von der historischen Feier bis in die
+neueste Zeit erklärt. Zu dieser Arbeit habe ich vier Jahre gebraucht.
+Darum veröffentliche ich, was mir schon im Herbst 1897, ~unabhängig
+von der modernen Forschung, feststand~, erst im Herbst 1901, im
+Zusammenhang mit der Darstellung und Beurteilung der historischen
+Abendmahlsforschung im 19. Jahrhundert.
+
+Ich habe die Stellung des Problems an der wissenschaftlichen
+Abendmahlsforschung im 19. Jahrhundert entwickelt, weil uns diese
+Periode am nächsten liegt. Man hätte aber geradesogut jede andere Phase
+dazu benutzen können, da die Gesetze in allen dieselben sind.
+
+Die Absicht dieser Arbeit geht weiter als auf die Aufstellung einer
+neuen historischen Abendmahlsauffassung. Sie verfolgt den praktischen
+Zweck, ~die historische Grundlage unserer modernen Abendmahlsfeier
+abzugeben und das Bestehende geschichtlich zu rechtfertigen.~ Es ist
+nämlich nicht zu leugnen, dass unsere Gemeindefeier, nach dem jetzigen
+Stand der Wissenschaft, in der Luft hängt. Wenn der Wiederholungsbefehl
+historisch nicht fundiert ist, was soll dann unsere Wiederholung
+bedeuten?
+
+Den Gläubigen zwar ficht diese Sorge vorerst wenig an und soll ihn
+wenig berühren. Es ist nicht die Sache der Leute, welche über die
+Brücke gehen, sich ängstlich darum zu kümmern, ob durch die Fluten die
+Fundamente nicht langsam unterwaschen worden sind, sondern das liegt
+den Architekten ob. Diese müssen, wenn sie eine Senkung auch nur von
+einem Millimeter wahrnehmen, unverzüglich einer eventuellen Katastrophe
+entgegenarbeiten, sogar wenn den Passanten die Sache vorerst ganz
+belanglos scheint. So muss auch die theologische Wissenschaft auf
+das Fundament des Glaubens sehen und darauf achten, ob nicht die
+historische Grundlage der Institution, welche gleichsam die Brücke vom
+Vergänglichen zum Unvergänglichen bildet, durch den Strom der Zeit
+unterwaschen ist und ob nicht durch die historische Weltanschauung eine
+ganz andere Fundierung unserer Abendmahlsfeier notwendig wird als
+bisher.
+
+SCHLEIERMACHER hat gesagt, dass das Bedenken, die Berechtigung der
+Wiederholung betreffend, sich leicht in der evangelischen Kirche
+lautbarer machen könnte, als bisher der Fall gewesen. Und wenn dies
+nun eintritt, was dann? Solange das Problem der Berechtigung und
+Notwendigkeit unserer Abendmahlsfeier wissenschaftlich nicht gelöst
+ist, kann durch den geringfügigsten Umstand eine die öffentliche
+Meinung aufs äusserste aufregende und unerquickliche dogmatische
+Erörterung dieser Frage eintreten, zu der der Fall GRAFE nur ein kurzes
+idyllisches Vorspiel wäre.
+
+Das Schlimmste dabei wäre, dass diese Erörterung, einmal in die
+Oeffentlichkeit gezerrt, notwendig resultatlos bliebe. Denn der
+wissenschaftlich denkende Mensch wird diese Frage immer wieder
+aufwerfen müssen, während derjenige, der sich mehr auf den Standpunkt
+des kirchlichen Glaubens stellt, sie notwendig niederschlagen wird,
+in dem richtigen Empfinden, dass solche theoretische Bedenken eine
+so heilige und erhebende und durch den urchristlichen Usus in
+ihrer Art wieder so geschichtlich fundierte Feier nicht gefährden
+dürfen. Der Verteidiger wird sogar eigentlich die Geschichte auf
+seiner Seite haben. Denn, wenn das Abendmahl von Anfang an in der
+christlichen Gemeinde gefeiert worden ist, so ist doch diese Thatsache,
+vollständig objektiv betrachtet, viel entscheidender als das Fehlen
+des Wiederholungsbefehls in zwei alten Berichten. Wir haben es eben
+mit einer ganz unerklärlichen Antinomie zu thun, bei der man sich sehr
+hüten muss, irgend welche Folgerungen gegen unsere Feier zu ziehen,
+besonders wenn man bedenkt, dass man damit ein Stück des ältesten
+und heiligsten Bestandes des christlichen Glaubens angreift. Nehmen
+wir vorerst lieber an, dass uns der Schlüssel zur Erklärung der
+historischen und der urchristlichen Feier und zum Verständnis ihres
+Zusammenhangs fehlt.
+
+Es ist die Aufgabe der Wissenschaft, gefährliche Fragen in Angriff zu
+nehmen, ehe sie die öffentliche urteilslose Meinung in Unruhe bringen,
+den Zündstoff zu beseitigen und in der Stille segensreiche Arbeit zu
+thun.
+
+Als SCHLEIERMACHER in seiner Glaubenslehre die damals nur in seiner
+dialektischen Phantasie existierenden Parteien vor sich beschied,
+mutete er ihnen zu, sich auf »die Anerkennung des kanonischen Ansehens
+der Apostel in ihrem engsten Berufskreise« zu vergleichen. Auf diesen
+Vergleich kann man aber im Ernst nicht eingehen. Das Sprüchlein bannt
+das Gespenst nicht. Wir wollen den Aposteln die gebührende Ehrfurcht
+sicher gern erweisen, aber unsere Abendmahlsfeier auf ihr kanonisches
+Ansehen allein gründen, das dürfen wir nicht.
+
+Rücken wir die Frage ins rechte Licht. Unsere Abendmahlsfeier
+entspringt dem Vorgehen der ersten Gemeinde, zu der die Apostel
+gehören. In die Geschichte übersetzt, lautet die Frage nach dem
+»kanonischen Ansehen der Apostel in ihrem engsten Berufskreise« also
+folgendermassen: Welches waren die Motive, durch welche die erste
+Gemeinde bestimmt wurde, eine derartige im Zusammenhang mit dem letzten
+Mahl Jesu stehende Feier zu begehen? War das Willkür oder Notwendigkeit?
+
+Daran schliesst sich eine zweite Frage, die SCHLEIERMACHER
+unberücksichtigt gelassen hat. Wenn die erste Gemeinde aus bestimmten
+Gründen die Feier wiederholt hat, gelten diese auch noch für uns?
+Besteht in der historischen Feier als solcher auch für uns eine direkte
+Notwendigkeit, dass wir daraus irgendwie eine Feier ableiten, oder
+handelt es sich nur um etwas Ueberkommenes?
+
+Darauf lautet die Antwort der Geschichte: es war eine absolute
+Notwendigkeit, dass das Abendmahl trotz des Fehlens des
+Wiederholungsbefehls bei der ersten Gemeinde in Aufnahme kam, und
+diese Notwendigkeit besteht auch noch für uns zu Recht. Unsere Feier
+gründet sich nicht auf die geschichtliche Ueberlieferung oder auf die
+unkontrollierbare Autorität bestimmter Persönlichkeiten, sondern direkt
+auf die historische Feier. So ist unser Abendmahl berechtigt, geboten
+und notwendig von sich selbst aus.
+
+Die neue geschichtliche Erkenntnis führt aber nicht nur die Versöhnung
+hinsichtlich der Berechtigungsfrage herbei, sondern auch hinsichtlich
+der Frage nach der Bedeutung der Feier.
+
+Niemand kann sich der Einsicht verschliessen, dass unsere Feier
+eigentlich sehr dürftig und unlebendig ist, wenn sie nur auf die
+Darstellung eines Doppelgleichnisses durch die Reproduktion einer
+historischen Situation geht, wo der Pfarrer die Stelle Jesu und die
+Gläubigen die Stelle der Jünger einnehmen. Andererseits stellen die
+konfessionellen Auffassungen Zumutungen an ernste Christen, die sie
+entweder zur Gedankenlosigkeit oder zur Gewissenlosigkeit erziehen und
+den Zweifel und Spott geradezu herausfordern.
+
+Könnten beide Auffassungen aus ihrer Sprache heraustreten, dann
+würden sie darin übereinkommen, dass der Sinn der Feier etwas
+Geheimnisvolles ist, wo der Einzelne mit der feiernden Gemeinschaft
+und der Persönlichkeit unseres Herrn in ein besonders heiliges
+Verhältnis tritt. Nun zwingen aber die unglücklichen Einsetzungsworte
+den Einen durch die rein symbolische Deutung hinter diesem Geheimnis
+zurückzubleiben, den Andern durch die wörtliche Deutung über dieses
+Geheimnis hinauszugehen und das Unfassbare zu behaupten. Die
+Vermittlungsversuche sind am schlimmsten daran. In der Sache und dem
+religiösen Gehalt nach mögen sie richtig sein, aber in der Deutung
+der Gleichnisse sind sie gequetscht und gekünstelt, dass ein Mensch
+mit ehrlichem Verstand sie nicht zu ertragen vermag. So wie die
+»Einsetzungsworte« liegen und nach der Rolle, die man ihnen bisher
+in der Feier zuwies, sind nur die rein symbolische oder die krass
+realistische Deutung zulässig. Was dazwischen ist, ist vom Uebel.
+
+Auch hier bringt die wahre geschichtliche Erkenntnis die Befreiung
+von der unnatürlichen Alternative, indem sie zeigt, dass die
+Stellung, die man den Gleichnissen in dem Ganzen der Feier anwies,
+geschichtlich falsch ist. Die urchristliche Feier beruht nicht auf
+den »Einsetzungsworten« — dies ist mein Leib, dies ist mein Blut —
+obwohl diese Worte bei der historischen Feier gesprochen worden sind.
+Also ist auch unsere Auffassung unabhängig von diesen rätselhaften
+Gleichnisworten.
+
+Diese kurzen Andeutungen mögen zeigen, dass diese Arbeit in einem
+praktisch aufbauenden und versöhnenden Geiste geschrieben ist.
+Zwar wird man, von den gewohnten Auffassungen herkommend, zunächst
+mannigfach an dieser Untersuchung Anstoss nehmen, da sie die Versöhnung
+nicht durch eine neue Vermengung oder Verdunkelung, sondern einzig
+und allein durch geschichtliche Wahrhaftigkeit und Unbefangenheit
+herbeiführen will. ~Wir müssen an die Geschichte glauben~, d.
+h. wir müssen der Zuversicht sein, dass mit dem Fortschritt der
+geschichtlichen Erkenntnis zugleich die Vertiefung und Einigung im
+Glauben notwendig verbunden ist, obwohl es manchmal vorerst nicht den
+Anschein hat. In diesem Glauben habe ich diese Untersuchung begonnen
+und zu Ende geführt.
+
+Diese Arbeit erscheint in drei Heften. ~Das erste~ behandelt das
+Problem, wie es sich aus der Forschung des 19. Jahrhunderts und aus den
+Berichten ergibt. ~Das zweite~ sucht die Grundlage der historischen
+Feier in dem Leben und in den Gedanken Jesu. Es stellt sich dar als die
+Skizze einer neuen Auffassung des Lebens Jesu. Das ~dritte~ behandelt
+das Abendmahl in der urchristlichen und in der altchristlichen Epoche
+und zeigt, wie sich daraus die römische Messe und das griechische
+Mysterium mit gleicher Berechtigung und Notwendigkeit entwickelt haben.
+Das erste und das zweite Heft erscheinen miteinander. Das dritte wird
+denselben in thunlichster Bälde folgen.
+
+Zum Schluss fühle ich mich gedrungen, allen meinen Freunden, die mir
+bei dieser Arbeit behülflich gewesen sind, den Herrn Pfarrern A. ERNST
+und R. WILL zu Strassburg, A. HUCK und ED. UNSINGER zu Schiltigheim und
+dem Herrn Vikar ALFRED ERICHSON in Strassburg, meinen tiefgefühlten
+Dank auszusprechen.
+
+ ~Strassburg~, im August 1901.
+
+
+
+
+=Inhaltsangabe des ersten Heftes.=
+
+
+ Seite
+
+ ~Vorrede zu einer neuen Untersuchung über das Abendmahl~ V-XII
+
+
+ =Erster Teil.=
+
+ =Das Abendmahlsproblem auf Grund der wissenschaftlichen Forschung des
+ 19. Jahrhunderts= 1-44
+
+
+ +Erstes Kapitel+ 1-5
+
+ =Einleitung.=
+
+ 1. Der Skeptizismus in der Abendmahlsforschung 1-2
+
+ 2. Der Ansatzpunkt 2-3
+
+ 3. Die Einzelfragen 3-5
+
+ 4. Die vier Typen der Abendmahlsauffassungen 5
+
+
+ +Zweites Kapitel+ 5-7
+
+ =Das Vorspiel. Zwingli und Calvin.=
+
+
+ +Drittes Kapitel+ 7-10
+
+ =Die doppelseitigen Auffassungen mit Zugrundelegung des
+ Darstellungsmoments und abgeleiteter Geltendmachung des Genussmoments.=
+
+ 1. Die erste Hälfte des 19. Jahrhunderts. DE WETTE, EBRARD und RÜCKERT
+ 7-8
+
+ 2. Die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts. TH. KEIM, K. V. WEIZSÄCKER,
+ WILLIBALD BEYSCHLAG, H. HOLTZMANN, PAUL LOBSTEIN, W. SCHMIEDEL
+ 8-10
+
+
+ +Viertes Kapitel+ 10
+
+ =Ueberblick über die Auffassungen mit Zugrundelegung des
+ Genussmoments.=
+
+
+ +Fünftes Kapitel+ 11-21
+
+ =Die Auffassungen mit einseitiger Herausarbeitung des Genussmoments.=
+
+ 1. Die Vorperiode. FR. STRAUSS, BRUNO BAUER, E. RENAN 11-13
+
+ 2. Die modernen Versuche. W. BRANDT, FR. SPITTA, A. EICHHORN 13-14
+
+ 3. W. BRANDT 14-15
+
+ 4. FR. SPITTA 15-16
+
+ 5. Kritik der Auffassung SPITTA's 16-18
+
+ 6. A. EICHHORN 18-19
+
+ 7. Die neue »Thatsache« 19-20
+
+ 8. Die Skepsis in der Folge der einseitigen Herausarbeitung des
+ Genussmoments 20
+
+ 9. Der logische Grund der Skepsis 20-21
+
+
+ +Sechstes Kapitel+ 21-26
+
+ =Die doppelseitigen Auffassungen mit Zugrundelegung des Genussmoments
+ und abgeleiteter Geltendmachung des Darstellungsmoments.=
+
+ AD. HARNACK, ERICH HAUPT, FR. SCHULTZEN, R. A. HOFFMANN.
+
+ 1. Allgemeines 21-22
+
+ 2. AD. HARNACK 22-23
+
+ 3. ERICH HAUPT 23-24
+
+ 4. FR. SCHULTZEN 24-25
+
+ 5. R. A. HOFFMANN 25-26
+
+
+ +Siebentes Kapitel+ 26-31
+
+ =Der gesetzmässige Zusammenhang zwischen den Einzelfragen.=
+
+ 1. Der Wiederholungsbefehl 26-27
+
+ 2. Das Abendmahl und die urchristliche Gemeindemahlzeit 27-30
+
+ 3. Die Antinomie zwischen der historischen und der urchristlichen Feier
+ 30-31
+
+
+ +Achtes Kapitel+ 31-37
+
+ =Die Auffassungen mit einseitiger Geltendmachung des
+ Darstellungsmoments.=
+
+ 1. Das Gefechtsfeld 31-32
+
+ 2. Der Verteidigungsplan. P. W. SCHMIEDEL 32-34
+
+ 3. Die Offensive. ADOLF JÜLICHER 34-36
+
+ 4. Die Skepsis in den Auffassungen mit einseitiger Geltendmachung des
+ Darstellungsmoments 36-37
+
+
+ +Neuntes Kapitel+ 37-44
+
+ =Die neue Problemstellung.=
+
+ 1. Das Ergebnis der Untersuchung 37-40
+
+ 2. Der neue Weg 40-44
+
+
+ =Zweiter Teil.=
+
+ =Das Abendmahlsproblem auf Grund der historischen Berichte= 45-62
+
+
+ +Zehntes Kapitel+ 45-48
+
+ =Die textkritischen Fragen.=
+
+ 1. Cod. D. Die textkritische Hauptfrage 45-46
+
+ 2. Abweichende Lesarten 47
+
+ 3. Das Ergebnis der Textkritik 47-48
+
+
+ +Elftes Kapitel+ 48-50
+
+ =Die Eigenart des Markusberichts= (Mk 14 _22-26_).
+
+
+ +Zwölftes Kapitel+ 50-56
+
+ =Der Vergleich der Berichte.=
+
+ 1. Das Prinzip der Gleichbildung 50
+
+ 2. Der matthäische Bericht (Mt 26 _26-29_) 50-51
+
+ 3. Der paulinische Bericht (I Kor 11 _23-26_) 51-53
+
+ 4. Der lukanische Bericht (Lk 22 _14-20_) 53-55
+
+ 5. Der justinische Bericht (I Apol 66) 55-56
+
+
+ +Dreizehntes Kapitel+ 56-62
+
+ =Die Authentie des Markusberichts.=
+
+ 1. Der Beweis 56-60
+
+ 2. Die Folgerungen aus der Authentie des Markusberichts 60
+
+ 3. Das Messianitäts- und Leidensgeheimnis im Abendmahl 60-62
+
+
+
+
+=Erster Teil.=
+
+=Das Abendmahlsproblem auf Grund der wissenschaftlichen Forschung des
+19. Jahrhunderts.=
+
+
+Erstes Kapitel.
+
+=Einleitung.=
+
+
+=1. Der Skeptizismus in der Abendmahlsforschung.=
+
+Es gibt Fragen, welche in dem Denken der Menschheit auftauchen, das
+volle geistige Interesse einer Epoche in Anspruch nehmen und dann
+wieder zurücktreten, ohne ihre Lösung gefunden zu haben und ohne dass
+es klar ist, wie sie ungelöst an Interesse verlieren konnten.
+
+Jahrhunderte gehen darüber hin. Dann, durch eine Wendung in der
+Geschichte, wird dieselbe Frage wieder in den Vordergrund geschoben und
+das Spiel wiederholt sich.
+
+Zu diesen intermittierenden Vulkanen gehört die ~Abendmahlsfrage.~
+Drei Aktionsperioden sind bis jetzt zu verzeichnen. Die erste ist die
+längste. Sie dauert ungefähr zehn Jahrhunderte. Mit der Dauer steht die
+Intensität im umgekehrten Verhältnis. Wir haben keinen feuerspeienden
+Berg, sondern einen Krater mit langsamem Lavaausfluss. Einige Erdstösse
+— die fränkischen Abendmahlskontroversen — bezeichnen den Schluss der
+Aktionsperiode.
+
+Die Art, wie die Frage in der Reformationszeit neu auftaucht, ist
+in höchstem Grade überraschend. Man sollte meinen, dass, in dem
+gemeinsamen Gegensatz aller reformatorischen Auffassungen zur römischen
+Theorie, die innerprotestantischen Gegensätze gerade in dieser
+Frage Aussicht hatten, bis auf weiteres latent zu bleiben. Statt
+dessen wird gerade die Abendmahlsfrage der Pol, nach dem sich die
+Gedanken orientieren. Diese zweite, dogmatische Periode, war in ihrem
+eigentlichen Verlauf ebenso kurz wie heftig. Sie umfasst kaum drei
+Jahrzehnte. Dann wird die Abendmahlsfrage für die Dogmatik eine Frage
+neben andern. SCHLEIERMACHER's Glaubenslehre, die wissenschaftliche
+Begründung der Vermittlungsversuche, behandelt sie fast anhangsweise.
+
+Die dritte Periode wird durch die historisch-kritische Forschung
+heraufgeführt. Wir stehen mitten darin, so aber, dass die Mittagszeit
+bereits hinter uns liegt. Schon kündigt sich nämlich die Erschöpfung
+an. Nachdem eine Reihe der letzterschienenen Abhandlungen die
+Zuversicht, das Problem durch die historische Kritik lösen zu können,
+nicht mehr so entschieden zur Geltung kommen liessen, wie dies früher
+der Fall war, greift jetzt eine ausgesprochen skeptische Stimmung
+Platz, deren Sprache man in dem Aufsatz EICHHORNS's[1] vernehmen kann.
+
+An diesem Skeptizismus ist etwas unbedingt Berechtigtes. Er geht
+nämlich von der Thatsache aus, dass durch die ganze Forschung des 19.
+Jahrhunderts die Lösung des Problems ferner gerückt ist als je. Die
+Schwierigkeiten sind gerade durch die historisch-kritische Methode in
+viel stärkerem Masse hervorgetreten, als man früher jemals ahnen konnte.
+
+Unberechtigt daran ist aber die Art, der historischen gewissenhaften
+Kritik gegenüber vornehm zu thun und aus der Thatsache, dass sie bis
+jetzt in dem Problem nicht zum Ziele geführt hat, ihre Inferiorität
+einer excentrischen überkritischen Unkritik gegenüber zu proklamieren.
+Statt dessen sollte man eher nach den Gründen forschen, warum die
+historische Kritik die Lösung dieser Frage bisher nicht herbeiführen
+konnte.
+
+
+=2. Der Ansatzpunkt.=
+
+Das Abendmahlsproblem setzt sich aus einer Reihe von Einzelfragen
+zusammen, die in den verschiedenen Auffassungen verschieden beantwortet
+und verschieden mit einander in Zusammenhang gebracht werden.
+Gewöhnlich dreht sich nun die Kritik um diese Einzelfragen. Man
+untersucht, ob die Fassung der Einsetzungsworte haltbar ist, ob die
+Exegese der Gleichnisse richtig ist, wie die betreffende Abhandlung
+sich zur chronologischen Frage stellt, auf welche Art sie den
+behaupteten oder verneinten Zusammenhang zwischen Abendmahl und Passah
+begründet und dergleichen.
+
+~Der folgenden Untersuchung kommt es mehr auf die Gesamtauffassung
+an und auf den Zusammenhang, in welchem die Einzelfragen unter
+einander stehen.~ Wächst eine Abendmahlsanschauung aus einer Reihe von
+selbständigen Entscheidungen über die schwebenden Einzelfragen heraus,
+oder sind nicht diese Einzelfragen durch einen inneren verborgenen
+Mechanismus so mit einander verbunden, dass mit der einen zugleich über
+die andern entschieden wird? Welches sind die Gesetze, nach denen sich
+die Einzelfragen im Abendmahlsproblem gegenseitig bedingen? Das ist
+die Frage, welche uns beschäftigt. Nur sie kann uns darüber Aufschluss
+geben, warum die historisch-kritische Methode nicht zum Ziele führen
+konnte.
+
+
+=3. Die Einzelfragen.=
+
+Liegt die Bedeutung der Gleichnisse darin, dass Jesus das Brot bricht
+und den Wein im Kelch herumreicht? Oder beruht sie darin, dass die
+Jünger dieses Brot essen und diesen Wein trinken?
+
+Hat er die Worte über Brot und Wein als Gleichnisse gemeint, oder will
+er damit andeuten, dass die Jünger seinen Leib und sein Blut durch den
+Genuss sich irgendwie aneignen?
+
+Fand das Mahl im Zusammenhang mit dem Passahmahl statt, sodass für die
+Worte Jesu und ihr Verständnis Passahgedanken vorausgesetzt werden
+dürfen?
+
+Erlaubt es die Chronologie der Evangelien, Jesum noch am Passahabend im
+Kreise seiner Jünger zu sehen?
+
+Hat er den Jüngern befohlen, die Feier zu wiederholen?
+
+Was hat er ihnen zu wiederholen geboten?
+
+Ist es möglich, dass der »Stifter« ihnen zumutet, seine eigenen Worte
+zu wiederholen, die nur in seinem Munde und in jenem historischen
+Momente einen Sinn haben?
+
+Angenommen, der Wiederholungsbefehl ist nicht historisch, wie kommen
+denn die Jünger dazu, die Feier dennoch zu wiederholen?
+
+Wie ist es möglich, dass im Urchristentum Paulus die Wiederholung als
+auf den Herrn zurückgehend in die Darstellung der historischen Feier
+einträgt?
+
+Wie erklärt sich das Fehlen des historischen Berichts im vierten
+Evangelium, da doch Kap. 6 die Feier voraussetzt?
+
+Steht es im allgemeinen nicht so, dass mit der Annahme des
+Wiederholungsbefehls das psychologische Verständnis der historischen
+Feier unmöglich wird, während unter Voraussetzung seines Fehlens die
+Wiederholung in der ersten Gemeinde ganz unbegreiflich ist?
+
+Hat sich das Abendmahl an ein Passahmahl angeschlossen, wie ist
+dann, mit oder ohne Wiederholungsbefehl, die ~tägliche Feier~ in der
+urchristlichen Zeit begreiflich?
+
+Waren Agape und Herrenmahl getrennt, standen sie in irgend einem
+Zusammenhang, oder waren sie identisch?
+
+Wie verlief überhaupt die Herrenmahlsfeier im Urchristentum? Wie
+sind die Angaben der Didache mit den paulinischen Schilderungen und
+Forderungen in I Kor 11 zu vereinigen?
+
+In welchem Verhältnis stehen die Kunde und die Auffassung der
+historischen Feier, welche die Didache und Paulus voraussetzen, zu dem
+Bilde der historischen Feier in den Synoptikern?
+
+Wie erklärt sich das gänzliche Zurücktreten des Leidensgedankens und
+der Situation der historischen Feier in der Didache?
+
+Welche Bedeutung kam dem eschatologischen Moment in der urchristlichen
+Abendmahlsfeier zu?
+
+In welchem Zusammenhang steht das eschatologische Schlusswort Jesu von
+dem Neutrinken im Reich des Vaters mit dem Verlauf der historischen
+Feier?
+
+Wie lassen sich die Abweichungen der synoptischen Berichte erklären?
+
+Die paulinische Darstellung ist die chronologisch älteste; der
+Lukastext nach Cod. D der kürzeste; der Markustext steht im
+Zusammenhang mit der einfachsten und glaubwürdigsten evangelischen
+Geschichtsdarstellung, und der justinische Bericht ist möglicherweise
+unabhängig von unseren Evangelien. Welchem der vier grundverschiedenen
+Texte gebührt der Vorzug?
+
+In welche Verbindung stellte das Urchristentum die Teilnahme am
+Herrenmahl mit der Vorstellung von der Erlösung?
+
+Wir nehmen an, die Reproduktion der Herrenworte bei der urchristlichen
+Feier ist eine freie gewesen; die Bedeutung dieser Worte konnte aber
+nur eine einzige sein. Wie ist es erklärlich, dass wir aus der ganzen
+urchristlichen Zeit, ja eigentlich bis ins beginnende Mittelalter
+hinein keine Kunde von Auseinandersetzungen über den Sinn dieser Worte
+haben? Die Einsicht, dass die Vorstellungen im Urchristentum noch
+einen gewissen Grad der Flüssigkeit aufweisen, reicht zur Erklärung der
+obigen Thatsache nicht aus.
+
+
+=4. Die vier Typen der Abendmahlsauffassungen.=
+
+Bei der Darstellung der wissenschaftlichen Abendmahlsdebatte
+unterscheiden wir zunächst zwei Hauptströmungen. Wir teilen die
+Abhandlungen danach ein, ob sie für ihre Auffassung das ~Darstellungs-~
+oder das ~Genussmoment~ zu Grunde legen. ~Unter dem Darstellungsmoment
+verstehen wir das Handeln und Reden Jesu während der historischen
+Feier; unter dem Genussmoment die Bedeutung des Essens und Trinkens
+der Teilnehmer, wie sie sich aus dem Wesen der Feier ergeben soll.~
+Neben den Darstellungen, die eines dieser beiden Momente mit
+Ausserachtlassung des andern einseitig herausarbeiten, gibt es noch
+andere, doppelseitige, die eines der Momente zu Grunde legen, dabei
+aber dem zweiten nebensächliche Geltung zugestehen. Wir haben also im
+ganzen vier Haupttypen, zwischen denen die mannigfachsten Vermittlungen
+möglich sind.
+
+ 1. ~Auffassungen mit einseitiger Herausarbeitung des
+ Darstellungsmoments.~
+
+ 2. ~Doppelseitige Auffassungen mit Zugrundelegung des
+ Darstellungsmoments und abgeleiteter Geltendmachung des
+ Genussmoments.~
+
+ 3. ~Auffassungen mit einseitiger Herausarbeitung des Genussmoments.~
+
+ 4. ~Doppelseitige Auffassungen mit Zugrundelegung des Genussmoments
+ und abgeleiteter Geltendmachung des Darstellungsmoments.~
+
+Im folgenden werden diese Auffassungen dargestellt in der Ordnung, wie
+sie geschichtlich in die Erscheinung getreten sind.
+
+
+Fussnoten:
+
+[1] »Das Abendmahl im Neuen Testament« von ALBERT EICHHORN, (Leipzig
+1898), Hefte zur »Christlichen Welt« No. 36.
+
+
+
+
+Zweites Kapitel.
+
+=Das Vorspiel. Zwingli und Calvin.=
+
+
+Das Verdienst, das Abendmahlsproblem zuerst wissenschaftlich behandelt
+zu haben, gebührt ZWINGLI. Die Bedeutung der historischen Feier beruht
+nach ihm auf dem symbolischen Handeln Jesu. Durch das Brechen des
+Brotes und das Darbieten des Weines kündigt der Herr seinen Tod an.
+Er verordnet die Wiederholung der Feier, damit die Christen bei dem
+gebrochenen Brot und dem vergossenen Wein seines Todes gedenken.
+
+Die Schwäche dieser Auffassung liegt darin, dass ZWINGLI den
+Hauptnachdruck allein auf das Handeln Jesu legt. Er kann die
+historische Feier erklären, — ~aber nicht die Wiederholung~, bei
+welcher notwendig der Nachdruck nicht auf dem Handeln Jesu, sondern
+auf dem der Teilnehmer, dem Genuss des Brotes und des Weines,
+ruht. Es gelingt nicht begreiflich zu machen, warum die Jünger
+die Gleichniselemente genossen und noch viel weniger, warum auch
+spätere Geschlechter bei der Wiederholung noch essen und trinken und
+nicht bloss ~anschauen~, um sich an dem erzählten und dargestellten
+Abendmahlshandeln Jesu zu erbauen. Dass ZWINGLI's Lehre dogmatisch
+nicht befriedigen konnte, lag in letzter Linie an der Einseitigkeit
+seiner wissenschaftlichen Exegese.
+
+So musste seine Auffassung auch wissenschaftlich durch diejenige
+verdrängt werden, welche dem Genuss der Teilnehmer einen Platz neben
+dem darstellenden Abendmahlshandeln Jesu anweisen konnte. Dies leistete
+die Abendmahlslehre CALVIN's.
+
+Bei ihm liegt die Symbolik zu gleichen Teilen in dem begründet, was
+Jesus mit den Elementen vornimmt (Brechen des Brotes und Ausgiessen
+des Weines), und in dem, was die Teilnehmer mit den Elementen beginnen
+(Essen des Brotes und Trinken des Weines). In dieser Betonung der
+Darbietung und der Aneignung als der beiden Grundmomente des Abendmahls
+beruht die wissenschaftliche Stärke der calvinischen Abendmahlslehre.
+Die historische Feier kann er weniger gut erklären, als es ZWINGLI
+gethan; dafür ist es ihm aber möglich, ihre Wiederholung als notwendig
+darzuthun, indem die ~Wertung des Genusses~, nicht allein ~der Befehl
+Jesu~, den Zusammenhang zwischen der historischen und der wiederholten
+Feier aufrecht erhält.
+
+Es waren also nicht nur ~dogmatische~, sondern auch ~wissenschaftliche~
+Interessen, welche den Sieg der calvinischen Abendmahlsauffassung
+über die zwinglische bedingten. Die zum Teil auf wissenschaftlicher
+Grundlage beruhende Auseinandersetzung zwischen diesen beiden
+Ansichten bildete ein kurzes Vorspiel zu der grossen historischen
+Abendmahlsdebatte im 19. Jahrhundert.
+
+Da die doppelseitige Auffassung durch den Sieg CALVIN's über
+ZWINGLI allgemein verbreitet war, setzte die historische Forschung
+die Doppelseitigkeit voraus. Sie betonte hauptsächlich das
+Darstellungsmoment, weil die exegetische Anschaulichkeit dafür sprach.
+So wurden zunächst die doppelseitigen Auffassungen mit Zugrundelegung
+des Darstellungsmoments wissenschaftlich ausgeprägt.
+
+
+
+
+Drittes Kapitel.
+
+=Die doppelseitigen Auffassungen mit Zugrundelegung des
+Darstellungsmoments und abgeleiteter Geltendmachung des Genussmoments.=
+
+
+=1. Die erste Hälfte des 19. Jahrhunderts. De Wette, Ebrard und
+Rückert.=
+
+DE WETTE vertritt die doppelseitige Auffassung in seinen
+Kommentaren.[2] Das Brechen und das Essen des Brotes, das Ausgiessen
+und das Trinken des Weins bedingen zusammen die Bedeutung der Elemente
+bei der Feier. Der Hauptnachdruck liegt aber auf dem Brechen, dem
+darstellenden Moment. Die Betonung des Genussmoments ist mehr
+nebensächlicher Art.
+
+Von AUGUST EBRARD[3] wird auf den Genuss der gleiche Wert gelegt wie
+auf das Brechen und Ausgiessen. Beide Momente gehören zusammen und
+bedingen sich gegenseitig. Jesus reicht das gebrochene Brot zum Essen
+und den ausgegossenen Wein zum Trinken dar.[4]
+
+Bei EBRARD ist die energische Betonung des Genussmoments durch seinen
+Zusammenhang mit der reformiert-calvinischen Auffassung begreiflich.
+Aus rein wissenschaftlichen Gründen findet sich das stärkere
+Herausarbeiten desselben Moments bei IMMANUEL RÜCKERT.[5] Seine
+klassische Schrift fasst den ganzen Ertrag der wissenschaftlichen
+Diskussion der Abendmahlsfrage in der ersten Hälfte des 19.
+Jahrhunderts zusammen. Die Handlung Jesu und der Genuss von seiten
+der Teilnehmer werden in gleicher Weise betont. In jedem dieser beiden
+Momente liegt eine besondere Symbolik. Jesus bricht das Brot und gibt
+es zum Essen, er giesst den Wein ein und bietet ihn zum Trinken dar.[6]
+
+
+=2. Die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts. Th. Keim, K. v. Weizsäcker,
+W. Beyschlag, H. Holtzmann, P. Lobstein, W. Schmiedel.=
+
+In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts lässt sich eine breite und
+ruhige Strömung verfolgen, welche beide Momente mit sich führt, jedoch
+so, dass das Darstellungsmoment die Grundströmung, das Genussmoment die
+Oberströmung bildet. Folgende Aussprüche geben die Richtung des Stromes
+an.
+
+ TH. KEIM. ~Geschichte Jesu von Nazara.~ 1872 Bd. III S. 232 bis 290
+ (Das Nachtmahl Jesu).
+
+»Man hat den Eindruck, dass es sich für Jesus doch um etwas mehr
+handelte, als nur um ein sprechendes Sinnbild seines irgendwie zum
+Heil der Jünger zu brechenden und zu tötenden Leibes vor den Gästen
+aufzustellen, man hat den Eindruck einer Gabe; diese Gabe liegt
+erstlich darin, dass er in nachdrücklicher, in endgültiger Weise als
+den Zweck seines bevorstehenden Todes das Heil der Jünger nennt,
+sodann, dass er im Zusammenhang damit die Sinnbilder dieses Heils den
+Erben dieses Heils nicht nur zum ~Anschauen~, sondern ~geradezu zum
+Nehmen und Geniessen~ übergibt, das Besitztum des Heilstodes und seine
+Früchte in ihre Hände deponiert.« S. 272.
+
+ KARL V. WEIZSÄCKER. ~Apostolisches Zeitalter.~ 1886 S. 596 bis 602.
+
+WEIZSÄCKER vertritt eine interessante Differenzierung in der Symbolik
+der beiden Akte. Das Brot ist das Sinnbild der ~Gegenwart Christi~ in
+der Gemeinde, der Wein aber das Sinnbild ~seines Todes~, durch welchen
+er das neue Passahopfer geworden ist. S. 598.
+
+ W. BEYSCHLAG. ~Das Leben Jesu.~ 1893 Bd. II S. 434-442.
+
+»Der Sinn der Abendmahlsstiftung ist vollkommen klar: Sein Leib,
+der für uns gebrochen, sein Blut, das für uns vergossen wird, ist
+sein Leben, das er für uns in den Tod gibt, — für uns dahingibt,
+damit es in uns wirksam werde; damit es, vom inwendigen Menschen
+~angeeignet~, wie der äussere Mensch Speise und Trank in sich aufnimmt,
+ihm Speise und Trank ewigen Lebens werde, und so die in Ihm gekommene
+Erlösung, den in Ihm gekommenen neuen Bund der Gottgemeinschaft in uns
+vollziehe.« S. 439.
+
+ H. HOLTZMANN. ~Biblische Theologie.~ 1897 Bd. I S. 296-304.
+
+»Geschichtliche Voraussetzung und übereinstimmendes Resultat der
+letzten Forschungen ist, dass Jesus seinen Jüngern Brot und Wein zum
+Genusse dargereicht und dabei mit Beziehung auf das gebrochene Brot von
+seinem Leib, mit Beziehung auf den ausgegossenen Wein von seinem Blut
+gesprochen, letzteres insonderheit zugleich als Bundesblut bezeichnet
+hat.« S. 296.
+
+ PAUL LOBSTEIN. ~La doctrine de la sainte cène.~ Lausanne 1899.
+
+»Ceci est mon corps«, dit Jésus en rompant le pain qu'il distribue à
+ses disciples; »cette coupe est la nouvelle alliance dans mon sang
+versé pour vous«, leur dit-il en faisant circuler la coupe. S. 46. Le
+pain que Jésus rompt pour les disciples et qu'il leur distribue, ils
+doivent s'en nourrir: »De même que je vous convie à manger de ce pain,
+ainsi vous êtes appelés à vous assimiler le fruit de ma mort, les
+effets salutaires de ce don de moi-même, de ce corps brisé et livré
+pour vous.« S. 47.
+
+ WILHELM SCHMIEDEL. ~Die neuesten Ansichten über den Ursprung des
+ Abendmahls.~ Protestantische Monatshefte, III. Jahrgang Heft 4 1899.
+
+»Das Bedeutsame ist in erster Linie im ~Brechen des Brotes und
+Ausgiessen~ des Weines aus dem Krug in den Becher zu sehen. Die
+Austeilung dieser Speisen zum Genuss schliesst sich als etwas zweites
+an. ~Um der Hauptsache willen wäre es nicht nötig gewesen: aber da man
+einmal beim Mahle sass, war es naturgemäss.~« S. 147.
+
+Die gemeinsamen Grundzüge dieser Darstellungen sind also folgende:
+Brot und Wein sind Leib und Blut Christi, weil er an ihnen seinen
+Tod und dessen Heilswert versinnbildlicht hat. Dabei fordert er die
+Jünger zum Genuss auf; das soll bedeuten, dass ihnen die Wohlthaten
+seines Leidens zu gute kommen, wenn sie verstehen, sich dieselben
+anzueignen. Die Wiederholung ist erfolgt zum Teil, weil der religiöse
+Wert dieser Handlung von den Teilnehmern eingesehen wurde, zum Teil,
+weil Jesus durch einen Befehl oder eine Andeutung dazu aufforderte. Auf
+den Zusammenhang mit dem Passah wird Wert gelegt, ohne dass er jedoch
+für die Auffassung als absolut notwendig erklärt würde. Ueberhaupt
+haben diese Darstellungen etwas Schwankendes. Sie vereinigen die
+mannigfachsten Gesichtspunkte mit einander, sodass es fast unmöglich
+ist, sie in kurzen Sätzen präcis wiederzugeben.
+
+Deshalb ist es auch nicht ratsam von ihnen auszugehen, um die Gesetze
+des Zusammenhangs zwischen den Einzelfragen aufzustellen. Die Krisis in
+diesem Zustand wurde erst durch die Auffassungen mit Zugrundelegung des
+Genussmoments heraufgeführt.
+
+
+Fussnoten:
+
+[2] Vgl. DE WETTE's Commentar zu Matthäus (1836) und zu Johannes (1837).
+
+[3] »Das Dogma vom heiligen Abendmahl und seine Geschichte« von Dr.
+AUGUST EBRARD. 2 Bde., 1845.
+
+[4] Vgl. Bd. I S. 79-120.
+
+[5] »Das Abendmahl, sein Wesen und seine Geschichte in der alten
+Kirche« von Dr. LEOPOLD IMMANUEL RÜCKERT, Professor in Jena, 1856.
+
+[6] Vgl. Bd. I S. 61-131.
+
+
+
+
+Viertes Kapitel.
+
+=Ueberblick über die Auffassungen mit Zugrundelegung des Genussmoments.=
+
+
+Greift man aus der Geschichte der wissenschaftlichen
+Abendmahlsuntersuchung die Werke heraus, welche in allgemeiner Weise
+das Genussmoment zu Grunde legen, so fügen sich folgende Namen in
+bunter, zusammenhangsloser Reihe aneinander: DAVID FR. STRAUSS, BRUNO
+BAUER, E. RENAN, ADOLF HARNACK, FR. SPITTA, W. BRANDT, ERICH HAUPT,
+FRIEDRICH SCHULTZEN, RICH. AD. HOFFMANN und ALBERT EICHHORN. In dieser
+Reihe haben wir keine natürliche Kontinuität, wie in der vorher
+betrachteten. Bei näherem Zusehen ergeben sich zwei Epochen. Die erste
+fällt in die Mitte des Jahrhunderts (FR. STRAUSS, BRUNO BAUER, E.
+RENAN). Die zweite beginnt am Anfang der neunziger Jahre (HARNACK und
+SPITTA) und kommt noch vor Ablauf des Jahrzehnts zu ihrem naturgemässen
+Abschluss (A. EICHHORN).
+
+STRAUSS, BRUNO BAUER, E. RENAN, W. BRANDT, SPITTA und EICHHORN bieten
+~Auffassungen mit einseitiger Herausarbeitung des Genussmoments.~ ADOLF
+HARNACK, ERICH HAUPT, FRIEDRICH SCHULTZEN und R. A. HOFFMANN vertreten
+die ~doppelseitigen Darstellungen~ mit Zugrundelegung des Genussmoments
+und abgeleiteter Geltendmachung des Darstellungsmoments.
+
+
+
+
+Fünftes Kapitel.
+
+=Die Auffassungen mit einseitiger Herausarbeitung des Genussmoments.=
+
+
+=1. Die Vorperiode. Fr. Strauss, Bruno Bauer, E. Renan.=
+
+Für die Auffassungen mit einseitiger Herausarbeitung des Genussmoments
+gibt es zwei Perioden. Die erste liegt gegen die Mitte des 19.
+Jahrhunderts zu, die zweite gegen das Ende. FRIEDRICH STRAUSS
+bezeichnet die erste, FRIEDRICH SPITTA die zweite.
+
+STRAUSS[7] führt aus, dass die Uebersetzung »dies bedeutet«, wenn
+sie sich auf das, was Jesus mit den Elementen thut, beziehen soll,
+bei weitem nicht ausreicht, ja gar nicht im Sinne der Verfasser der
+Evangelien gelegen haben kann. »Den Schreibern unserer Evangelien ~war~
+das Brot im Abendmahl der Leib Christi ... hätte man geschlossen,
+dass das Brot den Leib bloss ~bedeute~, so würden sie sich dadurch
+nicht befriedigt haben« (S. 436 ff.). Es ist kritisch nicht zulässig,
+dass Jesus seinen gewaltsamen Tod mit Bestimmtheit vor sich gesehen
+habe. Daher kann sich für ihn die Symbolik bei der letzten Mahlzeit
+mit den Jüngern gar nicht auf seinen Tod beziehen. Ebenso ist der
+Wiederholungsbefehl für unhistorisch zu halten; dafür spricht das
+Schweigen der beiden ersten Evangelien und die Erwägung, dass
+überhaupt eine Gedächtnisfeier natürlicher aus dem Bedürfnis der
+Zurückbleibenden, als aus dem Plan des Scheidenden hervorgeht. Ein
+Passahmahl war diese letzte Mahlzeit mit den Jüngern auch nicht.
+Das eigentlich Historische an der ganzen Ueberlieferung ist das
+eschatologische Schlusswort beim Becher: ich werde davon nicht mehr
+trinken, bis ich ihn neu trinken werde mit euch in meines Vaters Reich.
+In Jesu Gedanken bezieht es sich auf den nächsten Passahwein, nicht
+allgemein auf das Essen und Trinken. Von Mahlzeiten im messianischen
+Reich sprach er, gemäss den Vorstellungen seiner Zeit, öfters, und so
+mag er erwartet haben, das in demselben namentlich das Passahmahl mit
+besonderer Feierlichkeit werde begangen werden. Wenn er nun versichert,
+dieses Mahl nicht mehr in ~diesem~, sondern erst in ~jenem~ Aeon zu
+geniessen, so muss, nach seiner Erwartung, bis zur Feier des Passah
+das messianische Reich eintreten. Es ist dabei nicht nötig, dass Jesus
+das Erscheinen des Reiches an seinen Tod geknüpft dachte. Die ganze
+urchristliche Abendmahlsauffassung erklärt sich daraus, dass statt des
+messianischen Reiches und seiner Passahfeier — ~der Tod Jesu eintrat.~
+
+Die Gemeinde feierte das Passah. Es war natürlich, dass sich der
+Versuch darbieten musste, demselben durch die Beziehung auf den Tod
+und das letzte Mahl Jesu (welches kein Passahmahl gewesen) eine
+~christliche~ Deutung zu geben. So erklärt sich das Eindringen des
+Leidensgedankens und der Leidensweissagung in die historischen
+Abendmahlsberichte. Die Elemente erhielten eine Beziehung auf den
+Leib und auf das Blut Christi; dabei wurde das Wort Jesu, den Genuss
+des Passahweines betreffend, allgemein auf das Essen und das Trinken
+bezogen und mit Brot und Wein als seinem Leib und Blut in Verbindung
+gebracht. So entstand die Vorstellung von dem Wiederholungsbefehl.
+Die Neigung, das Gedächtnismahl vom Passah loszulösen und öfters zu
+begehen, erklärt das Aufkommen eines derartigen Wortes.
+
+Diese geniale Auffassung von FR. STRAUSS enthält bereits alle
+Faktoren, welche die späteren, das Genussmoment einseitig betonenden
+Abendmahlsdarstellungen kennzeichnen. Vor allem kommen hier in
+Betracht die Loslösung der historischen Feier vom Passahmahl, das
+Ausscheiden der Leidensanspielungen aus den Worten Jesu, die Erklärung
+der Wiederholung der Feier ohne Annahme des Wiederholungsbefehles
+und die Notwendigkeit, alle als unhistorisch erkannten Züge in
+den neutestamentlichen Abendmahlsdarstellungen (Anschluss an das
+Passahfest, Beziehung auf den Tod Christi und Wiederholungsbefehl) aus
+der Entwicklung der urchristlichen Feier in einem Zeitraum von nicht
+einmal zwei Jahrzehnten zu erklären.
+
+Will man diese Rückbildung nicht durch eine gewagte
+Geschichtskonstruktion erweisen, so bleibt nur wissenschaftliche
+Skepsis in irgend einer Form übrig. Diesen Weg hat BRUNO BAUER[8]
+betreten. Er setzt voraus, dass die Berichte besagen wollen: ~der
+Herr reichte seinen Jüngern seinen Leib und sein Blut zum Genuss
+dar.~ Der Wiederholungsbefehl ist eine Zuthat aus späterer Zeit mit
+abschwächender Tendenz. Man fühlte, dass man für die historische
+Feier den Genuss so nicht aufrecht erhalten könne. Darum hob man
+die Beziehung auf die Zukunft, die der Formel an sich zu Grunde
+liegt, hervor. Jesus kann seinen Jüngern nicht sein Fleisch und Blut
+dargereicht haben,[9] damit sie es assen; also ist der Bericht des
+Markus Phantasie, und alle andern Berichte sind Nachbildungen dieser
+Erfindung.
+
+Wie sehr gerade die Vollziehung des Genusses Voraussetzung der
+BAUER'schen Auffassung ist, zeigt sich darin, dass er dem Matthäus
+vorwirft, er habe das bei Markus konstatierte Faktum des Trinkens von
+seiten der Jünger eigenmächtig in einen Befehl Jesu umgesetzt, was
+schon eine Milderung bedeute. Das eschatologische Schlusswort lässt
+er unbeachtet und schneidet sich so den Weg ab, der STRAUSS aus den
+Schwierigkeiten, welche die einseitige Betonung des Genussmomentes nach
+sich zieht, herausführte.
+
+Nach E. RENAN[10] hat Jesus am letzten Abend die gewöhnliche gemeinsame
+Mahlzeit mit dem Brotbrechen im Kreise seiner Jünger gefeiert. »Dans
+ce repas, ainsi que dans beaucoup d'autres, Jésus pratique son rite
+mystérieux de la fraction du pain.« Das eschatologische Schlusswort
+ist für RENAN zweifelhaft und ohne Bedeutung. Die synoptischen
+Abendmahlsberichte erklären sich nur aus der Entwicklung der späteren
+Anschauungen, für welche das letzte Mahl ein Passahmahl war; dadurch
+drangen der Leidensgedanke, die Beziehung der Elemente auf den Leib
+Jesu und die Anordnung der Wiederholung in die Darstellung des letzten
+Mahles ein.
+
+
+=2. Die modernen Versuche. W. Brandt, Fr. Spitta, A. Eichhorn.=
+
+ Vergleiche zum Folgenden den verhängnisvollen Vortrag von E. GRAFE
+ (Die neuesten Forschungen über die ursprüngliche Abendmahlsfeier.
+ Zeitschrift für Theologie und Kirche 1895) und die klare
+ Zusammenfassung von RUD. SCHÄFER (Das Herrenmahl nach Ursprung und
+ Bedeutung 1897).
+
+Erst das letzte Jahrzehnt des 19. Jahrhunderts bietet eine Abhandlung,
+in der die bei STRAUSS, BAUER und RENAN angedeuteten Gedanken
+sich in voller Schärfe und Konsequenz zu einem einheitlichen Bilde
+entwickeln. Es ist die epochemachende Arbeit SPITTA's. Die Werke von
+AD. HARNACK und W. BRANDT gehen ihr zeitlich in der Hervorhebung des
+ausschliesslichen Mahlzeitscharakters der historischen Feier voraus.
+Da jedoch HARNACK schon mehr zu den doppelseitigen Darstellungen
+mit Zugrundelegung des Genussmoments überleitet, ist es rätlich,
+ihn erst dort zu behandeln. Zudem hat er in der 3. Auflage seiner
+Dogmengeschichte (Bd. I S. 64) zu dem Lösungsversuch SPITTA's Stellung
+genommen und seine eigene Ansicht daraufhin neu formuliert.
+
+
+=3. W. Brandt.=
+
+ Die evangelische Geschichte und der Ursprung des Christentums.
+ Leipzig 1893 S. 283 ff.
+
+Die Hauptbedeutung der historischen Feier liegt in dem
+~gemeinschaftlichen Genuss.~ Durch das Gleichnis beim Abendmahl hat
+Jesus die gemeinsamen Mahlzeiten zum ~Symbol der Gemeinschaft~ gemacht.
+In der Bedeutung dieses Symbols ist der Grund der Wiederholung zu
+sehen. Eine Anspielung auf den Tod ist, wenn sie sich in dem Wort,
+welches das Brotbrechen begleitete, findet, für das Wesen der Feier
+bedeutungslos.
+
+Die Aufnahme des Leidensgedankens und die Eintragung des
+Wiederholungsbefehls in unsere Berichte gehen auf eine Verschiebung
+in der urchristlichen Feier zurück. Diese ist dadurch bedingt, dass
+nach dem Jahre 70 wegen des Fehlens des Lammes Brot und Becher
+die vornehmsten Ingredienzen des jüdischen Passahmahls bildeten;
+dadurch wurde eine Gleichgestaltung desselben mit der urchristlichen
+Herrenmahlsfeier angebahnt. So erklärt es sich, dass die letztere durch
+das erstere im äusserlichen Verlauf und im Gedankengehalt beeinflusst
+wurde.
+
+In dieser ansprechenden Skizze finden wir die schon bei STRAUSS
+bemerkten Eigentümlichkeiten der das Genussmoment ausschliesslich
+betonenden Auffassungen wieder. Der Wiederholungsbefehl fehlt, und
+es kommt darauf an, den Leidenshinweis in unseren Berichten auf die
+Einwirkung späterer Gemeindevorstellungen zurückzuführen. Ob der von
+dem Verfasser angezeigte Weg wirklich zum Ziele führt, ist fraglich.
+Sicher ist, dass er eine grosse Schwierigkeit nicht berücksichtigt hat.
+Wie konnten die Jünger die Worte des Meisters in dem oben gebotenen
+Sinn verstehen? Wie konnten sie überhaupt begreifen, dass er bei der
+Darreichung von Brot und Wein sie aufforderte, seinen Leib und sein
+Blut zu geniessen?
+
+Es ist das unschätzbare Verdienst SPITTA's, diese Frage in den
+Vordergrund geschoben zu haben.
+
+
+=4. Fr. Spitta.=
+
+ Die urchristlichen Traditionen über Ursprung und Sinn des
+ Abendmahls (zur Geschichte und Litteratur des Urchristentums). 1893
+ S. 207 bis 337.
+
+Der Sinn der Worte Jesu liegt einzig und allein in der Aufforderung zum
+Genuss. Das Genossene ist nach seinen Worten sein Leib und sein Blut,
+gerade ~dadurch, dass es genossen wird~! Das Brechen und Ausgiessen als
+die darstellende Handlung, welche den Elementen eine veranschaulichende
+Beziehung auf seinen Tod geben soll, lag seinen Gedanken fern. Die
+historische Feier war eine ~Mahlzeit~, bei welcher nach dem gemeinsamen
+Inhalt aller Berichte die Jünger auf seine Aufforderung hin die
+dargereichte Speise als seinen Leib essen und den eingegossenen Wein
+als sein Blut trinken sollten und dies auch thaten.
+
+STRAUSS und BRUNO BAUER hatten denselben Thatbestand als von den
+Quellen geboten konstatiert, wurden aber von hier aus gezwungen, die
+historische Thatsächlichkeit des geschilderten Vorganges in Frage zu
+stellen und das Zustandekommen der Berichte sei es aus der Geschichte
+des Urchristentums (STRAUSS), sei es aus der Geschichte der Entstehung
+der christlichen Ueberlieferung überhaupt (BRUNO BAUER) zu erklären.
+Dass die Jünger auf die Aufforderung Jesu hin damals seinen Leib und
+sein Blut genossen haben sollen, ist für sie eine unvollziehbare
+Vorstellung.
+
+SPITTA kann den Vorgang als historisch aufrecht erhalten durch
+Zuhülfenahme ~eschatologischer Gedankengänge.~ Anknüpfend
+an die Vorstellung des messianischen Bundes, hat Jesus, wie
+die übereinstimmenden Züge aller Berichte zeigen, bei den
+»Einsetzungsworten« an das Essen und Trinken beim messianischen
+Mahl gedacht. In der prophetischen und in der apokalyptischen, in
+der Sapientia- und in der rabbinischen Litteratur stellt sich die
+Vollendung des Reiches in dem messianischen Mahl dar, ~wobei die
+genossene Speise der Messias selbst ist~! Auf Grund dieser Vorstellung
+konnte Jesus voraussetzen, dass die Jünger ihn verstehen würden, wenn
+er sie aufforderte, beim Essen ihn selbst zu geniessen. Was er ihnen
+bietet, ist eine Vorwegnahme des grossen messianischen Mahles der
+Endzeit. In diesem Gedanken konnten sie den Leib des Messias essen und
+ihn in seinem Blut, dem Saft der Trauben, trinken.
+
+Das letzte Mahl war kein Passahmahl, der Leidensgedanke kam für die
+Symbolik der Elemente nicht in Betracht, und der Wiederholungsbefehl
+ist unhistorisch. Diese Anschauungen sind späterer Art und nur dadurch
+verständlich, dass infolge des inzwischen eingetretenen Todes Jesu
+die Auffassung seiner Worte bei der letzten Mahlzeit sich notwendig
+ändern musste. Die Feier wurde in Analogie zu dem Passahmahl gesetzt,
+weil jetzt die Deutung der Worte vom Leib und Blut auf seine Leiden
+unabweislich war. Damit drang die Vorstellung einer Stiftung notwendig
+mit ein.
+
+Bei Paulus halten sich die ursprüngliche und die auf das Leiden
+bezogene Auffassung noch das Gleichgewicht. I Kor 10 _1_ ff. und I
+Kor 10 _14_ ff. kennen den Leidensgedanken noch nicht und betonen das
+Genussmoment. I Kor 11 _23_ ff. tritt das neue Moment in Sicht, welches
+Paulus bei der Bekämpfung der korinthischen Agapenskandale in die Feier
+einträgt: ~die Feier hat es mit dem Tode Jesu zu thun.~
+
+Das Neue ist also bei SPITTA die Heranziehung eigentümlich
+eschatologischer Gedankengänge, durch welche er eine Feier als
+historisch aufrecht erhält, bei der der Meister den zu Tische Liegenden
+Brot und Wein reichte mit der Aufforderung, seinen Leib zu essen und
+sein Blut zu trinken. In dem Wesen dieser Feier lag es begründet, dass
+sie ohne ausgesprochenen Wiederholungsbefehl Aufnahme in der ersten
+Gemeinde fand. Von hier aus scheint es dann nicht unmöglich, in der nun
+folgenden Entwicklung das Eintreten der Faktoren begreiflich zu machen,
+welche die neuen Züge in der Auffassung und Wertung der Feier bedingten.
+
+
+=5. Kritik der Auffassung Spitta's.=
+
+Die grosse Bedeutung der Untersuchung SPITTA's beruht darin, dass er
+die Abendmahlsfrage nach einem einheitlichen Gesichtspunkt aufgefasst
+und zu lösen unternommen hat. Alle Einzelfragen stehen bei ihm in
+einer gegenseitigen, engen Wechselverbindung. Seine Abhandlung bildet
+eine geschlossene Kette, bei der jedes Glied nur im Zusammenhang mit
+den andern in Betracht kommt. Darin besteht der grosse Fortschritt in
+seiner Untersuchung den früheren gegenüber. Die textkritischen und die
+exegetischen Erörterungen sind bei ihm sowohl ~Grundlage~ als auch
+~Folge~ der Gesamtauffassung.
+
+Man hat seine Auffassung eine ~eschatologische~ genannt, weil er, wie
+FR. STRAUSS, den Gedanken der Mahlzeit im messianischen Reich zu Hülfe
+nimmt, um die historische Feier verständlich zu machen. STRAUSS ging
+dabei vom synoptisch-eschatologischen Schlusswort aus, in welchem
+Jesus die Jünger auf das grosse Mahl der Endzeit verweist, wo er
+wieder mit ihnen vereint sein wird. Der eschatologische Charakter
+der SPITTA'schen Auffassung aber beruht nicht auf dem synoptischen
+Wort, ~sondern auf einer eschatologischen Vorstellung vom Endmahl,
+welche aus den Apokryphen und der Weisheitslitteratur zusammengetragen
+ist.~ Dabei ergeben sich eine Reihe schwerer Widersprüche mit dem
+synoptisch-eschatologischen Schlusswort.
+
+Nach ~Spitta~ bietet sich der Messias beim Mahle der Endzeit den Seinen
+zur Speise und zum Trank an. Nach den Synoptikern weist Jesus auf das
+Endmahl hin, wo er mit ihnen vom Gewächs des Weinstocks geniesst.
+Bei SPITTA will er also ~Speise und Trank~, bei den Synoptikern
+~mitgeniessender Tischgenosse sein~!
+
+Bei SPITTA wird der eschatologische Hinweis sowohl ~für die Speise als
+für den Trank vorausgesetzt.~ Historisch ist aber das eschatologische
+Schlusswort ~nur beim Becher~!
+
+SPITTA's Eschatologie bezieht sich auf die ~Aufforderung zum Genuss~
+des Leibes und Blutes. Das synoptisch-eschatologische Wort steht damit
+in keinem Zusammenhang, ~sondern folgt erst auf den Genuss.~
+
+SPITTA's Auffassung ist also ganz unabhängig vom
+synoptisch-eschatologischen Schlusswort. Es figuriert auch nicht in
+seiner kürzesten Form der Einsetzungsworte, sondern diese lauten
+einfach:
+
+»Nehmet, esset, das ist mein Leib.«
+
+»Trinket alle daraus. Das ist das Blut meines Bundes, das für viele
+vergossen wird.«
+
+Diese Worte konstituieren die Feier, denn »in der Gemeinde wurde immer
+daran gedacht, wie er damals darauf hingewiesen, ~er sei jetzt und in
+alle Ewigkeit~ die rechte Speise und Erquickung ihrer Seele« (S. 289).
+So wird das synoptisch-eschatologische Schlusswort zum ~wehmütigen
+Abschiedswort~, welches von dem Jubelklang der eschatologisch
+siegesgewissen Stimmung zum Todesgang überleitet.
+
+~Christus die rechte Seelenspeise:~ dieser Gedanke ist modern.
+Die Eschatologie SPITTA's zielt dahin, diesen Gedanken durch eine
+Zusammenstellung von alttestamentlichen und apokryphischen Sprüchen in
+künstlich-antikem Licht spielen zu lassen, damit er die Aufforderung
+Jesu zum Genuss seines Leibes und Blutes für die historische Situation
+erkläre. Verzichtet man auf dieses künstliche Licht, dann bleibt nur
+das skeptische Dunkel. Das ist bei EICHHORN der Fall.
+
+
+=6. A. Eichhorn.=
+
+ Das Abendmahl im Neuen Testament. Hefte zur christlichen Welt No.
+ 36. 1898.
+
+»Wenn wir unseren Berichten trauen dürfen«, hat Jesus das erste
+Abendmahl mit seinen Jüngern so gehalten, dass er ihnen Brot und Wein
+ausgeteilt und sie seinen Leib und sein Blut gegessen und getrunken
+haben. Aller Nachdruck fällt auf den Genuss. Eine auf Jesu Handeln sich
+gründende Symbolik kann bei der Betonung des Genusses nicht bestehen.
+~Man darf nicht sagen, dass das Brechen des Brotes auf das Zerbrechen
+des Leibes und das Trinken des Weins auf das Vergiessen des Bluts~
+hindeutet. Die Handlung, die in Wirklichkeit vorgenommen wird, ist
+einfach das Essen und Trinken.
+
+Ist dies nun der durch die Quellen gebotene Sachverhalt, so gibt es
+vorläufig keine Möglichkeit, die historische Feier und das Aufkommen
+ihrer Wiederholung zu verstehen. Was auch Jesus gesagt und gethan haben
+mag an jenem Abend, ~das Kultmahl der Gemeinde mit dem sakramentalen
+Essen und Trinken des Leibes und Blutes Christi~, wie es in der
+ältesten Christenheit ziemlich von Anfang an sich ausgebildet hat,
+~ist von da aus nicht zu verstehen.~ So wird EICHHORN, weil er bei
+der eingestandenen Bedeutung des Genussmomentes von der Heranziehung
+eschatologischer oder moderner Anschauungen absieht, notwendig zur
+Skepsis gedrängt.
+
+Sie besteht in dem ausgesprochenen Verzicht, auf Grund der vorhandenen
+Berichte die historische und die wiederholte Feier in ihrem
+Zusammenhang zu begreifen, wenn nicht eine neue, von unseren Berichten
+unabhängige Thatsache ein Datum liefert, welches den Ausgangspunkt
+der uns unverständlichen Entwicklung kenntlich macht. — Gelingt es
+nicht, in der gnostischen Gedankenwelt ein ~sakramentales Essen~,
+welches das Vorbild des Abendmahls abgeben könnte, nachzuweisen,
+sodass für die älteste Christenheit nicht das supranaturale Essen
+und Trinken als solches, sondern nur die Ersetzung einer andern
+übernatürlichen Substanz durch Christi Leib und Blut neu ist, ~dann
+muss auf ein Verständnis der historischen Feier und ihrer Entwicklung
+zur Gemeindefeier endgültig verzichtet werden.~
+
+
+=7. Die neue »Thatsache«.=
+
+Um dem Skeptizismus zu entgehen, postuliert EICHHORN eine neue, über
+den Bestand unserer Quellen hinausgehende Thatsache. Seine Vorgänger,
+die mit ihm die ausschliessliche Betonung des Genusses gemein haben,
+ersetzen dieses Postulat durch eine ~angenommene~ Thatsache.
+
+D. FR. STRAUSS erklärt das Aufkommen der Abendmahlsfeier im
+Urchristentum, und damit die Entstehung unserer Berichte, durch das
+Missverständnis eines von Jesu bei dem letzten Mahl gesprochenen
+eschatologischen Wortes von seiten der Jünger.
+
+BRUNO BAUER verlegt die ganze Entwicklung, da er sie anders nicht
+erklären kann, in die Phantasie des Urevangelisten. RENAN behilft
+sich mit der Annahme eines schon früher von Jesu geübten, den Jüngern
+bekannten geheimnisvollen Ritus des Brotbrechens. SPITTA bringt
+eine eigenartige, im Grunde moderne eschatologische Vorstellung
+an die synoptischen Berichte heran, welche mit dem dort gebotenen
+eschatologischen Schlusswort in gar keiner Beziehung steht.
+
+W. BRANDT überträgt moderne Anschauungsweisen in die Gedankenwelt Jesu
+und seiner Jünger, ohne diese Uebertragung aus den Berichten begründen
+zu können.
+
+So bildet die Untersuchung EICHHORN's den natürlichen Schlusspunkt der
+scheinbar so zusammenhangslosen Reihe der Auffassungen mit einseitiger
+Herausarbeitung des Genussmoments. Durch die dialektische Behandlung
+des Problems entzieht er jeder künftigen Darstellung von vornherein
+die Berechtigung, wenn sie nicht eine neue geschichtliche Thatsache
+aufbringen kann, die erklärt, wie die Anschauung aufkam, dass Jesus den
+Jüngern zumutete, seinen Leib und sein Blut zu essen und zu trinken.
+
+
+=8. Die Skepsis in der Folge der einseitigen Herausarbeitung des
+Genussmoments.=
+
+EICHHORN's ~Postulat~ trägt auch nicht weiter als die behaupteten
+Thatsachen seiner Vorgänger. Er verlangt, dass die Vorstellung
+des supranaturalen Essens und Trinkens in einer schon vorhandenen
+religiösen Gedankenwelt nachgewiesen werde. Die nähere Kenntnis des
+»Gnostizismus« könnte nach seiner Ansicht dazu führen.
+
+Zugegeben, dass ein solches supranaturales Essen und Trinken schon
+existiert hätte, so müsste dargethan werden, wie man im Urchristentum
+dazu kam, diesen Gedanken ins Abendmahl ~herüberzunehmen.~ Inwiefern
+gab die historische Feier Ansatzpunkte dazu? Die von EICHHORN
+vorgeschlagene Operation hängt ganz in der Luft, denn unsere Berichte
+stehen einem solchen Beginnen vollständig fremd und ablehnend gegenüber.
+
+Nun wäre die Umsetzung seines Postulats in eine dementsprechende
+historische Thatsache der einzige Ausweg aus der Skepsis. Gleich beim
+ersten Schritt zeigt sich aber, dass er völlig aussichtslos ist. Also
+muss eine Darstellung, welche von der Voraussetzung ausgeht, Jesus
+habe die Seinen bei Brot und Wein zum Genuss seines Leibes und Blutes
+aufgefordert, ~von vornherein, unter allen Umständen auf die Lösung des
+Problems verzichten! Die konsequente Herausarbeitung des Genussmoments
+führt notwendig zur Skepsis: das ist der Ertrag dieser Darstellungen.~
+
+
+=9. Der logische Grund der Skepsis.=
+
+Wenn in der wissenschaftlichen Behandlung einer Frage die Skepsis sich
+einstellt, so liegt dies immer daran, dass ~sich in den Voraussetzungen
+eine unbegründete Behauptung versteckt hat~, welche von da aus das
+menschliche Denken neckt und in die Irre führt. Die Wissenschaft an
+sich kann nie zur Skepsis führen. Mit der Aufdeckung der ~unerwiesenen
+Voraussetzungsbehauptung~ ist die Skepsis gehoben.
+
+Worin besteht diese nun in den obigen Abhandlungen? Der Fehler kann
+nicht in der ausschliesslichen Geltendmachung des Genussmoments
+beruhen. Dass das Abendmahl von der urchristlichen Gemeinde als
+~Mahlzeit~ übernommen und gefeiert wurde, dass die Handlung, welche
+die urchristliche mit der historischen Feier verbindet, nicht in dem
+symbolischen ~Handeln des »Stifters«~, sondern in der ~Handlung der
+Teilnehmer~, dem Essen und Trinken besteht: diese Thatsachen werden
+durch die Quellen geboten und durch das Urchristentum bestätigt.
+
+Nicht in der ~Thatsache~, sondern in der ~Art~ der Wertung des
+Genussmoments ist der Fehler zu suchen. Sämtliche obige Darstellungen
+formulieren sie dahin, dass Jesus die Jünger bei der Darreichung von
+Brot und Wein ~aufgefordert~ habe, seinen Leib zu essen und sein
+Blut zu trinken. ~Die Skepsis beruht also in der Verbindung des
+Mahlzeitcharakters der Feier mit den Gleichnisworten~, denn damit ist
+eine Aussage gegeben, in der Subjekt und Objekt identisch sind: der
+Darbietende ist zugleich der Genossene. Hier hört das Denken auf. ~Das
+üppige Schlinggewächs historischer und exegetischer Einfälle ist keine
+Brücke über den Abgrund des Selbstwiderspruchs!~
+
+Statt also von der Konstatierung auszugehen, dass Jesus den Seinen
+seinen Leib und sein Blut zum Genuss dargereicht habe, muss man damit
+beginnen, diese Voraussetzung selbst zu prüfen. Ist es wirklich eine
+aus der urchristlichen Feier und aus den Berichten unumstösslich
+feststehende Thatsache, dass Jesus ihnen dies in irgend einer Form
+zugemutet hat? Wenn ja, dann ist die Lösung der Abendmahlsfrage
+unmöglich, da wir dabei das »wie« aus unseren Texten nie erklären
+können und jede freie Deutung bei unseren Berichten ohne Rückhalt
+bleibt.
+
+
+Fussnoten:
+
+[7] DAVID FR. STRAUSS, Das Leben Jesu. 1. Ausgabe, Tübingen 1836. Bd.
+I, S. 396-442: Das Abendmahl.
+
+[8] BRUNO BAUER, Kritik der evangelischen Geschichte, 1842. Kritik der
+Evangelien, 1850, Bd. III S. 191-213.
+
+[9] Kritik der evangelischen Geschichte, Bd. III S. 241: »Ein Mensch,
+der leiblich und individuell dasitzt, kann nicht auf den Gedanken
+kommen andern seinen Leib und sein Blut zum Genuss anzubieten.«
+
+[10] E. RENAN, La vie de Jésus 1863, S. 385 ff.
+
+
+
+
+Sechstes Kapitel.
+
+=Die doppelseitigen Auffassungen mit Zugrundelegung des Genussmoments
+und abgeleiteter Geltendmachung des Darstellungsmoments.=
+
+AD. HARNACK, ERICH HAUPT, FR. SCHULTZEN, R. A. HOFFMANN.
+
+
+=1. Allgemeines.=
+
+Diese doppelseitige Reihe steht unter dem Einfluss der Auffassungen mit
+einseitiger Herausarbeitung des Genussmoments. Während die Richtung,
+die durch die Namen RÜCKERT, LOBSTEIN und HOLTZMANN gekennzeichnet
+wird, von dem Handeln Jesu ausgehend den Genuss der Teilnehmer zu
+erklären versuchte, verfahren die neuen doppelseitigen Auffassungen
+umgekehrt. Sie stellen den Genuss in den Vordergrund und suchen dieses
+Moment nun so zu formulieren und so zur Geltung zu bringen, dass auch
+das auf den Tod hinweisende Handeln Jesu damit in irgend einer Weise
+vereinbar ist und daraus seine Erklärung empfangt. Das Schwergewicht
+hat sich also von der einen auf die andere Seite verschoben.
+
+In letzter Linie sind es exegetische Bedenken, welche die betreffenden
+Verfasser dazu führen, auch dem Leidensgedanken und dem Handeln Jesu
+Rechnung zu tragen. »~Die Worte sind mir zu mächtig~«, sagt HARNACK bei
+der Würdigung der Auffassung SPITTA's, deren Grundgedanke ihm zusagt,
+während die Exegese ihn nicht befriedigt. Es ist das Motto auch der
+übrigen doppelseitigen Darstellungen.
+
+
+=2. Ad. Harnack.=
+
+ Brot und Wasser: die eucharistischen Elemente bei JUSTIN (Texte
+ und Untersuchungen Bd. VII S. 117 ff. 1891). Theologische
+ Litteraturzeitung 1892 S. 373-378. Dogmengeschichte (3. Aufl.) Bd.
+ I S. 64.
+
+Durch eine Untersuchung, ob Wasser oder ob Wein das eucharistische
+Genusselement in der alten Kirche waren, kam HARNACK im Jahre 1891
+dazu, in entschiedener Weise zu betonen, dass in jener älteren Zeit
+die Symbolik sich nicht auf das Wesen der Elemente habe beziehen
+können, sondern dass die ganze Bedeutung der historischen und der
+urchristlichen Feier ~auf der Mahlzeit als solcher~ beruht habe.
+
+Das Abendmahl muss eine wirkliche Mahlzeit gewesen sein; die in Frage
+kommende Handlung ist das Essen und Trinken. Jesu Worte beziehen sich
+auf den Genuss. »Die wichtigste Funktion des natürlichen Lebens hat
+der Herr geheiligt, indem er die Nahrung als seinen Leib und sein
+Blut bezeichnet hat. So hat er sich für die Seinen ~auf immer~ mitten
+hineingestellt in ihr natürliches Leben und sie angewiesen, die
+Erhaltung und das Wachstum dieses natürlichen Lebens zur Kraft des
+Wachstums des geistigen Lebens zu machen.«
+
+Mit diesem Moment sucht nun HARNACK noch ein anderes in Beziehung zu
+setzen und dadurch diese allgemeine religiöse Wertung des Genusses
+zu spezifizieren. »Der Herr hat ein Gedächtnismahl seines Todes
+eingesetzt, ~oder vielmehr~, er hat die leibliche Nahrung als sein
+Fleisch und sein Blut, d. h. als die Nahrung der Seele, bezeichnet
+(durch die Sündenvergebung), ~wenn~ sie mit Danksagung in Erinnerung
+seines Todes genossen wird.«
+
+Dieser Satz ist für HARNACK's Auffassung entscheidend. »Oder vielmehr«,
+»d. h.« und »wenn« sind die Rangiergeleise, auf denen man von dem
+allgemeinen, wunderbar tiefen Gedanken herkommend, »dass der Herr die
+wichtigste Funktion des natürlichen Lebens geheiligt habe«, umsetzt,
+um die Einfahrt zur historischen Feier, mit dem dort ausgedrückten
+Leidensgedanken, zu gewinnen. Der allgemeine Mahlzeitcharakter seiner
+Auffassung wird also näher bestimmt durch folgende Sätze:
+
+ 1. Es handelt sich um eine Stiftung.
+
+ 2. Der Wiederholungsbefehl ist irgendwie in der historischen
+ Situation enthalten.
+
+ 3. Die Feier hat eine Beziehung auf den Tod des Stifters.
+
+
+=3. Erich Haupt.=
+
+ Ueber die ursprüngliche Form und Bedeutung der Abendmahlsworte.
+ Halle, Universitätsprogramm 1894.
+
+Indem Jesus die zu Tische liegenden Jünger bei der Darreichung
+des Brotes und des Weines auffordert, seinen Leib und sein Blut
+zu geniessen, will er sagen: »Meine Person ist Träger der Kräfte
+eines höheren Lebens, welches so angeeignet werden und so zu einem
+Bestandteil eurer Personen werden will, wie dies bei der irdischen
+Nahrung der Fall ist. Dies gilt aber ~ganz besonders~ von meinem
+bevorstehenden Tode; gerade die Dahingabe meiner ~Persönlichkeit~ wird
+euch die in ihr beschlossenen Lebens- und Heilskräfte in vollstem Masse
+erschliessen und zu gute kommen lassen.« Dieser Grundgedanke deckt sich
+vollständig mit dem SPITTA's. Während aber letzterer ihm im Munde Jesu
+eine eschatologische Wendung gab, überträgt HAUPT diesen durch den
+Ausdruck »Persönlichkeit« als modern gekennzeichneten Gedankengang auf
+die historische Feier durch Zuhülfenahme des Leidensgedankens.
+
+Die Eschatologie tritt dabei ganz zurück. Jesus hatte bei dem letzten
+Mahle auch von dem grossen Mahl der Vollendung gesprochen. Indem nun
+das ganze Mahl nachgebildet wurde, fanden auch diese eschatologischen
+Gedanken ihre Stelle. So ist bei HAUPT das eschatologische Moment
+nicht zur Erklärung der Wiederholung benutzt, sondern erst aus der
+Wiederholung selbst verständlich.
+
+Durch die nebenhergehende Geltendmachung des Todesgedankens für die
+Erklärung der Feier ist die Beibehaltung des Wiederholungsbefehls
+gegeben. In der Nacht des Verrats hat der Herr das ganze Mahl unter den
+Gesichtspunkt eines Abschiedsmahls gestellt. Er will sein ~Gedächtnis
+für die Zeit der Trennung~ wachhalten. »Somit ist nicht nur kein
+Gegengrund dagegen, dass Jesus die Wiederholung der Handlung seinen
+Jüngern anbefohlen hat, sondern ein dahin zielendes Wort ist sogar
+aus inneren Gründen ~höchst wahrscheinlich.~« Diese vorsichtige und
+zurückhaltende Begründung der Beibehaltung des Wiederholungsbefehls
+gibt den genauen Gradmesser ab für die Beeinflussung des zu Grunde
+gelegten Genussmoments durch das Darstellungsmoment und den
+Leidensgedanken.
+
+Mit derselben Vorsicht äussert HAUPT sich auch über das Verhältnis
+zwischen dem wiederholten Herrenmahl und der Agape. »Nicht zwei Teile
+sollen diese gemeinsamen Mahlzeiten haben, einen profanen, welcher der
+äusseren Sättigung dient, und einen religiösen, welcher der Erinnerung
+an Christi Tod gewidmet ist, sondern ihre ganze Zusammenkunft soll
+religiösen Charakter tragen, und das Herrenmahl ~im engeren Sinne~ ist
+nur der ~Höhepunkt des Ganzen.~«
+
+
+=4. Fr. Schultzen.=
+
+ Das Abendmahl im Neuen Testament. Göttingen 1895.
+
+In dieser Darstellung ist die Hervorhebung des Leidensgedankens und
+damit die Bedeutung des darstellenden Moments im Handeln Jesu aus der
+Nebenstellung fast bis zur Gleichstellung mit dem Genussmoment gerückt,
+wobei aber letzteres immer noch den Ausgangspunkt bildet. »Es spricht
+nichts dafür, dass etwa Jesus nur auf das Essen Gewicht gelegt habe und
+die Beziehung auf seinen Tod späterer Zusatz sei. Umgekehrt ist es aber
+auch nicht wahrscheinlich, dass Jesus nur eine symbolische Handlung bei
+jenem letzten Mahl vorgenommen hat, und dass die Verbindung mit dem
+Mahle nur durch den äusseren Anlass entstanden ist.« Auch das Brot ist
+nicht blosses Symbol, sondern auf ~Grund des Symbols~ zum wenigsten
+~Repräsentant und Vermittler~ des Leibes Jesu.
+
+Das Genussmoment und das darstellende Moment werden durch den Begriff
+~des Opfermahls~ zusammengehalten. Den Jüngern waren Jesu Gedanken
+aus der religiösen Vorstellungswelt Israels bekannt und fasslich. In
+dem Begriff des Opfermahls war die Wiederholung unmittelbar gegeben
+und ebenso der Empfang der in ihm gespendeten Gabe. So hat, trotz des
+Fehlens des Wiederholungsbefehls, Jesus auch nach dem Bericht des
+Markus an eine Wiederholung gedacht, weil er eine Gabe spendet, die
+auch für ~die fernsten~ Zeiten Wert hat.
+
+Wie bei ERICH HAUPT vermögen die eschatologischen Gedanken auch
+bei FR. SCHULTZEN sich nur anhangsweise Geltung zu verschaffen,
+nachdem die Wiederholung der Feier schon anderweitig feststeht. »Die
+Parousiegedanken bei dieser Feier erklären sich bei der lebhaften
+Sehnsucht der Gemeinde nach der Parousie leicht, da das Abendmahl auch
+nach I Kor 11 _26_ eine Feier ist, die in der Wiederkunft Christi ihr
+Ziel erreicht hat.«
+
+Die Trennung von Mahlzeit und Abendmahl wird bereits für die Urgemeinde
+vorausgesetzt. Paulus prägt schon Vorhandenes schärfer aus. Die später
+erfolgte Abtrennung der »Eucharistie« von dem Mahle erklärt sich viel
+einfacher, wenn sie bereits ein besonderer Teil derselben war, als wenn
+man das ihr besonders Eigentümliche gar nicht erkennen konnte.
+
+
+=5. R. A. Hoffmann.=
+
+ Die Abendmahlsgedanken Jesu Christi. Königsberg 1896.
+
+Bei HOFFMANN tritt das Darstellungsmoment noch stärker hervor als
+bei SCHULTZEN. Es wird geradezu eine zweifache Art von Teilnehmern
+vorausgesetzt. Das darstellende Handeln geht auf die einen, der Genuss
+ist für die andern bestimmt. »~Vergossen~ wurde sein Blut für ~das
+ungläubige Volk~, zu ~trinken~ gab er es den ~Seinen.~«
+
+Mit letzterem will er sagen, dass, da das ~Blut die Seele ist~, seine
+Seele in sie übergehen werde, um ihnen zu ihrer bevorstehenden hohen
+Mission Kraft zu geben, sie zu stärken, damit auch sie, wenn der Fall
+an sie herantritt, imstande seien, ihrerseits ihre Seele als Lösegeld
+für andere dahinzugeben. Nicht seinen Leichnam reicht er ihnen dar,
+sondern seinen lebendigen Leib als den Träger des ihm innewohnenden
+göttlichen Geistes.
+
+»In der urchristlichen Feier kommt, neben dem Essen und Trinken,
+auch dem, was Jesus gethan hat, dem Brechen und Danken — ~in
+entsprechender Wiederholung~ — Bedeutung zu.« Dies war der Standpunkt
+von SCHULTZEN. HOFFMANN geht noch weiter. »~Das Wesentliche der ersten
+Mahlzeit war ohne weiteres nicht zu wiederholen~, eben die Handlung des
+Herrn, wie sich in ihr seine überragende Geistesgrösse, seine Kraft und
+Leben ausströmende Gegenwart noch zum letztenmal ihnen dokumentiert
+hatte« (S. 106).
+
+Eine Wiederholung ohne Wiederholungsbefehl ist also ~undenkbar.~ Der
+Wiederholungsbefehl muss sich vor allem auf den Genuss bezogen haben,
+da Jesus zur Erinnerung an ihn ein ~Mahl~ eingesetzt hat. Es lässt sich
+nicht mehr ausmachen, wie sich in der ersten Zeit das Abendmahl des
+näheren zur Gemeindemahlzeit verhalten habe. Für Paulus jedenfalls war
+die feierliche Gemeindemahlzeit mit dem Abendmahl untrennbar verbunden.
+
+Der Eschatologie kommt in der Darstellung HOFFMANN's keine Bedeutung zu.
+
+
+
+
+Siebentes Kapitel.
+
+=Der gesetzmässige Zusammenhang zwischen den Einzelfragen.=
+
+
+=1. Der Wiederholungsbefehl.=
+
+Die historische Feier ist eine Mahlzeit: darin liegt ihre Wiederholung
+von selbst begründet. Wenn Jesus dem Essen und dem Trinken im
+gemeinsamen Kreis der Seinigen eine besondere, irgendwie segensreiche
+Bedeutung verleiht, so ist hiermit ohne weiteres die Wiederholung
+gefordert. Er braucht das nicht in einem Befehl ausgesprochen zu haben.
+
+Dies ist der Standpunkt der das Genussmoment ausschliesslich betonenden
+Darstellungen. Auch die doppelseitigen Auffassungen, welche das
+Genussmoment zu Grunde legen, stimmen damit überein. Wenn die Jünger
+Jesum verstanden haben, mussten sie von selbst diese Feier wiederholen.
+Sofern hingegen das ~Darstellungsmoment~ nebenbei betont wird, ist nun
+aber die Wiederholung gar nicht selbstverständlich. Was Jesus gethan,
+das kann eigentlich nicht wiederholt werden.
+
+So gehen diese doppelseitigen Darstellungen von dem Gedanken aus, dass
+der Wiederholungsbefehl eigentlich überflüssig ist, kommen aber dann
+dazu, ihn doch irgendwie als möglich oder notwendig anzunehmen.
+
+Die Frage bleibt für sie also in der Schwebe. Je stärker der
+Leidensgedanke und das Darstellungsmoment für die historische Feier
+geltend gemacht werden, mit desto grösserer Entschiedenheit wird zur
+Erklärung der eingetretenen Wiederholung eine darauf hinzielende
+Anweisung gefordert.
+
+
+=2. Das Abendmahl und die urchristliche Gemeindemahlzeit.=
+
+In der Gemeindefeier steckt ein Doppeltes. Wiederholt wird eine
+gemeinsame Mahlzeit. Dabei soll aber in irgend welchem Masse ein
+historischer, an sich einzigartiger Moment reproduziert werden.
+In welchem Verhältnis steht das wiederholte »Herrenmahl« zu den
+gemeinsamen religiösen Mahlzeiten des Urchristentums?
+
+Nach den Auffassungen mit einseitiger Herausarbeitung des Genussmoments
+sind beide ~identisch~, denn für sie besteht ja auch die historische
+Feier nur in der Mahlzeit als solcher. Die doppelseitigen Darstellungen
+aber kommen hier in dasselbe Gedränge, wie mit dem Wiederholungsbefehl.
+Auch sie, sofern sie den Mahlzeitcharakter zu Grunde legen, sollten
+eigentlich die Identität proklamieren. Nun betonen sie aber daneben
+auch das Darstellungsmoment. Dann wird aber die Gemeindefeier zur
+Wiederholung einer bestimmten ~historischen Situation~, welche nicht
+mehr durch die ~gemeinsame Mahlzeit als solche reproduziert wird.~ Das
+wiederholte Herrenmahl soll also jetzt von der gemeinsamen religiösen
+Mahlzeit irgendwie ~abheben~, jedoch nur soweit, dass die letzthinige
+Einheit beider festgehalten wird. Die Schwierigkeit wächst mit der
+stärkeren Betonung des Darstellungsmoments. Man erhält folgende
+Stufenleiter:
+
+W. BRANDT: Jesus macht die gemeinsamen Mahlzeiten zum Symbol der
+Gemeinschaft. Als nach seinem Tode der Glaube an ihn neu auflebte,
+wurde natürlich das vom Herrn selbst gegebene Symbol der Gemeinschaft
+besonders gepflegt. Gemeindemahlzeit und »Herrenmahl« sind identisch.
+
+FR. SPITTA: »Es wurde bei Brot und Wein immer daran gedacht, wie
+er damals darauf hingewiesen, dass er jetzt und in alle Ewigkeit
+die rechte Speise und Erquickung ihrer Seele sei.« Die Didache
+repräsentiert die urchristliche Feier. Herrenmahl und Agape
+waren danach identisch. Es ist verfehlt, Didache 9 und 10 als
+Einleitungsgebete zur »eigentlichen Abendmahlsfeier« auffassen zu
+wollen.
+
+AD. HARNACK: Hier beginnt die Differenzierung. Sie ist in dem
+klassischen Satz mit den Rangiergeleisen enthalten. »Der Herr hat
+ein Gedächtnismahl seines Todes eingesetzt, ~oder vielmehr~, er hat
+die leibliche Nahrung als sein Fleisch und sein Blut, d. h. als die
+Nahrung der Seele bezeichnet (durch die Sündenvergebung), ~wenn~ sie
+mit Danksagung in Erinnerung seines Todes genossen wird. So haben
+die Apostel seine Stiftung verstanden.« Eine Feier, bei der alle
+diese näheren Bestimmungen zum Ausdruck kommen sollen, ist aber keine
+einfache gemeinsame Mahlzeit mehr, sondern eine ~Ceremonie.~ »Jesus
+verhiess ihnen, dass er mit der Kraft seiner Sündenvergebung bei jeder
+Mahlzeit sein werde, die sie zu seinem ~Gedächtnis~ halten würden.« Wie
+wurde aber die gemeinsame Mahlzeit als »Gedächtnismahl« gekennzeichnet?
+Durch welche Akte, durch welche Reden? Wie wurde die Situation des
+historischen Mahls reproduziert, wo doch auch das »Abendmahl« nur ein
+besonderer Augenblick im Verlauf der letzten gemeinsamen Mahlzeit
+gewesen war?
+
+ERICH HAUPT: »Die ganze Zusammenkunft soll religiösen Charakter tragen,
+und das Herrenmahl ~in engerem Sinn~ ist nur der ~Höhepunkt des
+Ganzen.~« Weil HAUPT das Darstellungsmoment stärker betont als HARNACK,
+kann er Gemeindemahl und »Abendmahl« nicht irgendwie in einander
+übergehen lassen, sondern er muss das Abendmahl als eine besondere
+Situation auffassen, die den Höhepunkt der ganzen Mahlvereinigung
+repräsentiert. Er kann nicht darum herumkommen, die auf Grund der
+Stiftung »wiederholte Handlung« von der religiösen Mahlzeit sich
+abheben zu lassen und doch wieder die letzthinige Einheit beider
+festzuhalten. So bleibt ihm nur das Verhältnis der Steigerung.
+
+SPITTA und HARNACK bestreiten, dass in Didache 10 _6_ »wenn einer
+heilig ist, trete er herzu« eine besondere Feier beginnt. HAUPT muss
+seine Steigerung auch hier wiederfinden und nimmt an, dass diese Worte
+die eigentliche Abendmahlsfeier einleiten. Das »Herr, komme doch«
+bezieht sich auf die Gegenwart des Herrn im »Sakrament«.
+
+FR. SCHULTZEN: Durch den Begriff des »Opfermahls« hält er die beiden
+auseinanderstrebenden Teile der Feier zusammen. Er kann sie aber nicht
+mehr, wie ERICH HAUPT, in das Verhältnis der Steigerung setzen — dazu
+ist die Betonung des Darstellungsmoments bei ihm schon viel zu stark
+— sondern er muss die Trennung konstatieren. »In dem Begriff des
+Opfermahls ist die Wiederholung der Mahlzeit unmittelbar gegeben und
+ebenso der stetige Empfang der gespendeten Gabe« (S. 74). Wiederholt
+wird aber zweitens die Handlung des Veranstalters der Opfermahlzeit,
+als Voraussetzung des Empfangs und des Genusses der Teilnehmer. »Die
+Gabe, die er ihnen zuwandte, sollte den Erfolg haben und hat ihn auch
+wirklich gehabt, ~dass sie wiederholten, was er gethan~, und damit auch
+ferner an dem Segen seines Opfertods Anteil erhielten« (S. 96).
+
+Wie soll man sich aber vorstellen, dass die Jünger beim gemeinsamen
+Mahl »wiederholten, was er gethan?« Das bedeutet nichts anderes, als
+dass das Gemeindemahl und das Abendmahl auf die Trennung angelegt
+waren. In I Kor 11 macht Paulus die schon vor ihm angebahnte Scheidung
+nur stärker geltend. Dass nachher die Eucharistie vom Mahle gänzlich
+losgelöst wurde, »ist nur die geschichtliche Vollendung des schon in
+der Stiftung enthaltenen Prozesses«.
+
+R. A. HOFFMANN: Das Darstellungsmoment tritt so stark hervor, dass
+HOFFMANN auf die Lösung des Problems verzichtet. »Das Wesentliche
+der ersten Abendmahlsfeier war ohne weiteres nicht zu wiederholen,
+~eben die Handlung des Herrn~« (S. 106). Auf den von Jesus selbst
+vorgenommenen Akt kann der Wiederholungsbefehl nicht gehen. Ihn auf
+die Handlung der Teilnehmer, das Essen und Trinken zu beziehen, ist
+zwar grammatikalisch sozusagen unmöglich. Da aber nichts anderes übrig
+bleibt, müssen wir eben annehmen, Jesus habe zum Mittel der Erinnerung
+an ihn »ein Mahl eingesetzt«.
+
+Wie er das verstanden haben wollte, ist nicht klar. Es ist stark mit
+der Möglichkeit zu rechnen, »dass dasjenige, was uns von den Worten
+Jesu bei der Einsetzung seines Mahles überliefert worden ist, nicht
+alles repräsentiert, was er wirklich zur Aufklärung über seine uns
+heutzutage so schwer verständliche Handlung gesprochen hat« (S. 115).
+
+Wie man es mit der Feier im Urchristentum gehalten hat, darüber ist
+keine vollständige Klarheit zu gewinnen. Wir wissen nur, »dass das
+Abendmahl in der Urgemeinde eine wirkliche Mahlzeit war, wobei sehr
+wahrscheinlich ist, dass das Brotbrechen zugleich Herrenmahl war« (S.
+137).
+
+~Zusammenfassung.~ Die Untersuchung ergibt folgenden Satz: ~Bei
+ausschliesslicher Geltendmachung des Genussmoments sind die
+Gemeindemahlzeit und das Abendmahl identisch. Mit der nebenhergehenden
+Betonung des Darstellungsmoments wird die Differenzierung
+zwischen beiden in steigendem Masse notwendig, bis zuletzt beide
+auseinanderfallen.~
+
+
+=3. Die Antinomie zwischen der historischen und der urchristlichen
+Feier.=
+
+Es ist wohl nicht das geringste Verdienst der grossartigen Abhandlung
+SPITTA's, in voller Schärfe das Prinzip proklamiert zu haben, dass
+eine Abendmahlsauffassung nur dann Wert hat, wenn sie das Wesen der
+urchristlichen Feier, wie es uns besonders in der Didache begegnet,
+erklärt. Dementsprechend bildet die urchristliche Feier auch den
+Hauptstützpunkt seiner Darstellung. Er wird ihr vollkommen gerecht,
+da seiner Auffassung zufolge das Abendmahl eine Freudenmahlzeit war.
+Indem er von einem Wiederholungsbefehl und von einer Abhebung des
+»Abendmahls« von der Gemeindemahlzeit absieht, stimmt er vollständig
+mit der urchristlichen Ueberlieferung überein; diese weiss ja auch
+nichts davon, dass die Feier eine auf den Befehl Jesu erfolgende
+ausgesprochene Reproduktion jener historischen Situation sein soll.
+
+Während SPITTA so die urchristliche Feier vollkommen erklärt, vermag
+er aber der historischen in keiner Weise auch nur annähernd gerecht zu
+werden. Das teilt er mit allen Auffassungen, welche das Genussmoment
+einseitig herausarbeiten. Inwiefern die Jünger Jesum verstehen mussten
+und verstanden haben, als er sie aufforderte, seinen Leib und sein Blut
+zu geniessen: das vermögen sie, ohne unerlaubte Kunstgriffe, in keiner
+Weise deutlich zu machen. ~Für die historische Situation bleibt ihnen
+nur der Skeptizismus übrig~, wobei sie sich trösten dürfen, wenigstens
+der urchristlichen Feier gerecht zu werden.
+
+Mit den doppelseitigen Auffassungen steht es folgendermassen:
+Je mehr sie das Darstellungsmoment betonen, desto besser und
+ansprechender können sie die ~historische Feier~ erklären, da sie
+nun den Leidensgedanken und die Symbolik des Handelns Jesu für die
+Deutung der Gleichnisse verwerten können. In demselben Masse aber
+werden sie ~unfähig, die urchristliche Feier zu erklären.~ Mit dem
+Darstellungsmoment ist ja der Wiederholungsbefehl, die Bedeutung
+des Leidensgedankens für die Feier und die Differenzierung zwischen
+Abendmahl und Gemeindemahlzeit gegeben. Das alles läuft aber der
+urchristlichen Ueberlieferung schnurstracks zuwider. Diese weiss nichts
+davon, sondern sie beschränkt sich merkwürdigerweise auf den Satz: Das
+Abendmahl ist ein Freudenmahl, bei dem das darstellende Handeln Jesu in
+keiner Weise irgendwie reproduziert wird.
+
+Die Antinomie ist also unlösbar. ~Eine doppelseitige Auffassung erklärt
+die historische Feier nur in dem Masse, als sie die urchristliche
+nicht erklärt und umgekehrt.~ Dieser Satz enthält das Grundresultat
+der Untersuchung über die doppelseitigen Darstellungen. Infolge dessen
+müssen sie auf die Lösung des Problems verzichten, da keine von ihnen,
+und wäre sie noch so geistreich, über diese Antinomie hinauskommen kann.
+
+Letztere liegt eben in der bisherigen Problemstellung selbst begründet,
+welche die urchristliche Feier als eine ~entsprechende Wiederholung~
+der historischen auffassen will. Nun ist aber das Wiederholte
+der Geschichte zufolge dem Ursprünglichen gar nicht ähnlich. Die
+historische Feier ist eine ~Ceremonie~ im Verlauf einer Mahlzeit, die
+urchristliche ist nur eine ~gemeinsame Mahlzeit~ ohne entsprechende
+Wiederholung der Ceremonie. Damit ist Antinomie unabweisbar gegeben.
+
+Nun steht aber fest, dass die urchristliche auf die historische
+Feier zurückgeht. Also ist das Problem erst dann gelöst, wenn der
+Zusammenhang beider erklärt wird, ohne dass deshalb die Gemeindefeier
+irgendwie eine entsprechende Nachbildung der historischen ist. ~Die
+urchristliche Abendmahlsfeier ist etwas Selbständiges.~
+
+
+
+
+Achtes Kapitel.
+
+=Die Auffassungen mit einseitiger Geltendmachung des
+Darstellungsmoments.=
+
+
+=1. Das Gefechtsfeld.=
+
+Die Darstellungen mit ausschliesslicher Betonung des Genussmoments
+bedeuteten einen kühnen Vorstoss gegen die allgemein verbreitete
+Auffassung, welche durch die Namen RÜCKERT, HOLTZMANN und LOBSTEIN
+vertreten ist. Es konnte einen Augenblick scheinen, als hätte die
+hergebrachte Ansicht durch diesen unerwarteten, geschlossenen Angriff
+gegen die Deutung der Gleichnisse aus dem Handeln Jesu alle ihre
+Positionen verloren. Jetzt aber, wo die Lage sich langsam klärt, zeigt
+sich, dass dies nicht der Fall ist.
+
+Wohl mussten einige exponierte Stellungen von dem angegriffenen
+Teil aufgegeben werden. Dafür hat er sich aber in eine Position
+zurückgezogen, die als unüberwindbar gelten darf. Die Sache steht so,
+dass der Angreifer darauf verzichten muss, ~diese befestigte Stellung
+jemals zu erobern~, der Angegriffene aber auf absehbare Zeit nicht an
+eine ~Aktion im freien Felde~ denken kann.
+
+Zu den aufgegebenen Positionen gehört vor allem die Stellung zur
+Frage des Passahmahls. Während bis in die 70er und 80er Jahre das
+letzte Mahl den Synoptikern entsprechend fast allgemein als Passahmahl
+aufgefasst wurde, sucht man jetzt diese Frage aus dem Zusammenhang
+mit der Gesamtauffassung herauszurücken. Man begnügt sich mit einer
+vorsichtigen chronologischen Erwägung, ob das synoptische Datum
+wahrscheinlich sei oder nicht.
+
+Aehnlich steht es mit dem Wiederholungsbefehl. Auch die Auffassungen
+mit Zugrundelegung des Darstellungsmoments suchen sich von der
+Notwendigkeit eines auf die Wiederholung hinweisenden Wortes frei zu
+machen.
+
+Zugleich wird das Genussmoment im ganzen doch entschiedener
+hervorgehoben als es bisher der Fall war. Es bleibt jedoch immer in
+Abhängigkeit vom Darstellungsmoment und wird erst durch dasselbe
+verständlich.
+
+Diese Verschiebungen in der Position kann man am besten in den
+successiven Kundgebungen LOBSTEIN's und HOLTZMANN's verfolgen, soweit
+sie die Abendmahlsfrage betreffen. Sie haben die Verteidigungsstellung
+eingerichtet.
+
+
+=2. Der Verteidigungsplan. P. W. Schmiedel.=
+
+ Protestantische Monatshefte 1899: Die neuesten Ansichten über den
+ Ursprung des Abendmahls.
+
+Dem etwas forschen Vorgehen EICHHORN's gegenüber unternahm es SCHMIEDEL
+darzuthun, wie die Sachen eigentlich liegen. Er zeigt zunächst, dass
+die chronologischen Gründe gegen die Möglichkeit, dass das letzte Mahl
+ein Passahmahl war, zusammengenommen allerdings einen grossen Eindruck
+machen. Betrachtet man sie aber einen nach dem andern, so verlieren sie
+bedeutend an Energie. Die Annahme, dass Jesus das gesetzliche Passah
+feierte, ist also nicht von der Hand zu weisen, da die entschiedenen
+Aussagen der Synoptiker den chronologischen Einwürfen wohl das
+Gleichgewicht halten können.
+
+Ueberdies lässt sich der Passahgedanke in ansprechender Weise zur
+Erklärung der historischen Feier heranziehen, wobei mit der Möglichkeit
+zu rechnen ist, dass in Jesu Seele Passah- und Bundesgedanken
+zusammenflossen.
+
+Was die Handlung betrifft, die er vorgenommen haben soll, ist
+anzunehmen, dass das ~Bedeutsame~ mindestens in erster Linie das
+Brechen des Brotes und ~das Ausgiessen des Weines aus dem Krug in den
+Becher~ sei. Das Austeilen dieser Speisen zum Genuss schliesst sich
+als etwas ~Zweites~ an. »~Um der Hauptsache willen wäre es nicht nötig
+gewesen; aber da man einmal beim Mahle sass, war es naturgemäss.~« Es
+dient demselben Zwecke wie das einem Bundesopfer oder dem Passahopfer
+nachfolgende Mahl überhaupt, der gemeinsamen Aneignung und Pflege des
+in dem Opfer vorkommenden Gedankens.
+
+Die Frage, ob der Wiederholungsbefehl historisch ist oder nicht,
+bleibt hier in der Schwebe. Wäre er sicher überliefert, so wäre er
+verständlich. Aber ebenso begreiflich ist es, dass Jesus an eine
+Wiederholung nicht dachte.
+
+Der genialen Unbesonnenheit gegenüber ist ruhiges Abwägen absolut
+notwendig. S. 148: »Wir müssen noch darauf aufmerksam machen, wie
+dringend es sich empfiehlt, auf jeden dem unsrigen ähnlichen Versuch
+wohlwollend einzugehen, wenn man nicht in ~unlösbare Schwierigkeiten~
+kommen will.« Der hohe Wert dieser Stellung beruht nämlich in der
+Stütze, die sie in einer natürlichen Exegese unserer neutestamentlichen
+Abendmahlsberichte findet. Durch seine Geltendmachung des
+Darstellungsmoments kann SCHMIEDEL jeden einzelnen Zug der historischen
+Situation, jeden durch die Exegese angedeuteten Nebengedanken in seiner
+Gesamtauffassung unterbringen. Es ist gelungen, ~»die Möglichkeit,
+dass Jesus eine der Beschreibung ungefähr entsprechende Feier wirklich
+gehalten habe«, auf einen sehr hohen Grad der Wahrscheinlichkeit
+zu bringen.~ Die Herleitung der Berichte aus der späteren
+Gemeindetheologie, etwa gar mit Benutzung ausserchristlicher Analogien,
+wird von selbst gegenstandslos. Jede derartige Konstruktion muss zuerst
+den Nachweis erbringen, dass die von ihr behauptete Umbildung sich in
+so kurzer Zeit nach Jesu Tod habe einbürgern können.
+
+~Damit erschöpft sich aber~ der Wert dieser Verteidigungsstellung:
+sie verfügt über sicher schiessende, gut placierte Geschütze, die
+aber nicht sehr weit tragen, sodass vor den Augen der Belagerten die
+Reiterschwärme der Belagerer sich auf dem unbestrichenen Terrain
+vergnügt und unbehelligt tummeln. Es ist nämlich unmöglich, dass jemals
+eine mit der SCHMIEDEL'schen verwandte Auffassung erklären könne, wie
+die von ihnen ~bis ins einzelne verstandene historische Feier~ im
+Urchristentum, etwa noch gar ohne Annahme eines dahinzielenden Befehls
+Jesu, ~wiederholt worden ist.~ Denn das Schwergewicht liegt ja für sie
+in dem Handeln Jesu. Nun ist dieses Handeln Jesu in der urchristlichen
+Feier gar nicht wiederholt worden, weil dies unmöglich ist. Der
+Leidensgedanke fehlt ihr ja vollständig. Sie ist eine Mahlzeit, bei
+welcher, so viel wir wissen, die Ceremonie der historischen Feier in
+keiner Weise reproduziert wurde. Das Nebensächliche, das Essen, ist
+also Hauptsache geworden und die Hauptsache ist in der wiederholten
+Feier ganz zurückgetreten.
+
+Ausserhalb des schmalen, von den Festungsgeschützen beherrschten
+Terrainstreifens ist also der geringste Reitertrupp des Angreifers
+gegen die wohlbewaffnete, aber schwerfällige Besatzung im Vorteil, wenn
+sie einen Ausfall wagen sollte. Jede kecke Konstruktion, von STRAUSS
+bis auf EICHHORN, kann das Aufkommen und das Wesen der urchristlichen
+Feier besser erklären, als die exegetisch gewissenhafte, aus den
+Berichten destillierte Auffassung SCHMIEDEL's. Nur halte die erstere
+sich ausser Bereich des exegetischen Verteidigungsfeuers, wenn sie
+nicht durch den ersten Schuss ausser Gefecht gesetzt sein will. Fürwahr
+ein merkwürdiger Kampf, wo es einen nicht Wunder nimmt, dass jeder als
+Sieger thut, obwohl der andere unbesiegt ist.
+
+
+=3. Die Offensive. Adolf Jülicher.=
+
+ Zur Geschichte der Abendmahlsfeier in der ältesten Kirche. 1892.
+ (Theologische Abhandlungen, K. v. WEITZSÄCKER gewidmet.)
+
+JÜLICHER berührt sich am nächsten mit ZWINGLI, dessen Auffassung er
+ins Moderne übersetzt, indem er auf die gegenwärtige Form der Fragen
+Rücksicht nimmt. Es handelt sich um die einseitige Geltendmachung des
+Darstellungsmoments.
+
+~Alle auf dem Genussmoment beruhenden Auffassungen legen Jesu moderne
+Gedanken unter.~ Was er bei jenem Mahle zuletzt so besonders feierlich
+sagte, muss für jeden Anwesenden unmittelbar verständlich gewesen
+sein. Der Vergleichspunkt muss also in dem liegen, was er vor den
+Augen der Jünger mit den Genusselementen vornimmt: in dem Brechen des
+Brots und in dem Ausgiessen des Weins. Der Sinn der begleitenden Worte
+bezieht sich auf den bevorstehenden Tod. »So wie dieser Wein alsbald
+verschwunden sein wird, so wird alsbald mein Blut vergossen sein,
+denn mein Tod ist eine beschlossene Sache; aber«, fügt er tröstend
+hinzu, »es wird nicht umsonst vergossen, sondern »für viele« und —
+ein bildlicher Ausdruck, der in dem Gedankenkreis des Passahtages lag
+— als ein Bundesblut.« Nur den Gegenstand des Geniessens vergleicht
+Jesus hier und dort mit seinem Leibe, ~auf das Geniessen reflektiert er
+gar nicht.~ Höchstens insofern das Genussmoment aus dem vorhergehenden
+darstellenden Moment irgend eine Bedeutung empfängt, kann man ihm
+problematische Geltung zugestehen. So hatte die Feier ursprünglich
+einen wehmütig schmerzlichen Charakter, welcher nur aus der Situation
+begriffen werden kann.
+
+Nun lässt die älteste Ueberlieferung Jesum durch nichts andeuten,
+dass er jene sinnvolle Handlung auch künftighin von seinen Gläubigen
+vollzogen sehen möchte. Wie hat man aber dann in der Urkirche aus
+dieser historischen Feier so schnell eine zu steter Wiederholung
+bestimmte Handlung machen können? Zuerst war es wohl ein inneres
+Bedürfnis. Passahgedanken und Abschiedserinnerungen wirkten mit. Bald
+fand die Wiederholung im Zusammenhang mit jedem Mahle statt und es kam
+die Vorstellung eines ausdrücklichen darauf hinzielenden Gebotes Jesu
+auf. »~So weit es irgend ging, wollte man die Situation von ehedem
+reproduzieren, nur dass man jetzt auf das zurückblickte, was damals
+angekündigt werden sollte~« (S. 247). Diese Feier wurde nach dem ersten
+Akt kurz das Brotbrechen genannt. Bei der Austeilung der sakramentalen
+Elemente hat man wohl nicht von jeher die Deutungs- respektive
+Einsetzungsworte des Herrn verbotenus wiederholt, denn sonst würde
+deren Ueberlieferung nicht so viele Differenzen aufweisen. Nach I Kor
+11 _26_ hat man dabei nie versäumt, den Tod des Herrn zu verkünden,
+also immer wieder das erschütternde Ereignis sich vor Augen zu stellen
+und seine Notwendigkeit, wie seine segensreichen Wirkungen zu erörtern;
+~aber das geschah in freien Formen.~
+
+
+=4. Die Skepsis in den Auffassungen mit einseitiger Geltendmachung des
+Darstellungsmoments.=
+
+Die Darstellung JÜLICHER's bedeutet für die Abendmahlsauffassungen
+mit konsequenter Zugrundelegung des Darstellungsmomentes das,
+was die Abhandlung EICHHORN's für die das Genussmoment zu Grunde
+legenden Auffassungen war. Beide zeigen durch die Konsequenz ihres
+Gedankenaufbaus, dass die alleinige Betonung des von ihnen zu Grunde
+gelegten Moments notwendig zum Skeptizismus führt. Dies tritt bei
+EICHHORN darin zu Tage, dass er die historische Feier, von der
+urchristlichen Gemeindefeier aus betrachtet, nicht zu erklären vermag.
+JÜLICHER kann die Gemeindefeier von der historischen Feier aus nicht
+erklären.
+
+Er hat ganz Recht, wenn er sagt, dass die Zugrundelegung des
+Genussmoments die Zuhülfenahme moderner Gedanken zur Erklärung der
+historischen Worte Jesu fordere. Heisst es aber nicht ebenso sehr
+moderne Gedanken auf vergangene Zeiten übertragen, ~wenn man sich die
+urchristliche Feier als gewollte, möglichst genaue Reproduktion der
+Situation von ehedem begreiflich machen will~? JÜLICHER's Auffassung
+könnte die zwinglische Gemeindefeier erklären — und da fehlte ihm noch
+der Wiederholungsbefehl — aber niemals die urchristliche religiöse
+~Gemeindemahlzeit.~
+
+Die Schwierigkeiten werden gerade durch seine scharfe und
+logisch einheitliche Gesamtauffassung mit absoluter Deutlichkeit
+herausgearbeitet. Er erlaubt sich nicht zwischen dem Abendmahl im
+eigentlichen Sinne und der Gemeindemahlzeit zu unterscheiden. Mit
+diesem Spielraum hatten die doppelseitigen Darstellungen aller
+Schattierungen operiert und damit die grössten Schwierigkeiten
+überwunden. ~Die ganze Gemeindefeier ist »Herrenmahlzeit«~ — so sagt
+JÜLICHER und stimmt dabei mit niemand so vollkommen überein als mit
+SPITTA und EICHHORN.
+
+Damit ist aber die Antinomie, welche zum Skeptizismus führt, notwendig
+gegeben. Die Gemeindefeier, auf die JÜLICHER von seiner Auffassung
+der historischen Feier aus kommt, ist eine Fiktion, welche der
+wirklichen urchristlichen Mahlfeier geradezu widerspricht, da die
+letztere »keine Reproduktion der Situation von ehedem« war. Wie die
+Wiederholung aufgekommen, vermag er in keiner Weise darzuthun. »Dass
+es zunächst wohl ein inneres Bedürfnis war, bei dem Passahgedanken und
+Abschiedserinnerungen mitwirkten«: diese problematische und gewundene
+Annahme erklärt für die Wiederholung gar nichts.
+
+Nun könnte JÜLICHER durch den Wiederholungsbefehl um die Schwierigkeit
+herumkommen. Das erlaubt ihm aber sein exegetisches Gewissen nicht.
+Obwohl er ihn absolut notwendig brauchte, verzichtet er darauf,
+weil er durch die beiden ältesten Synoptiker nicht bezeugt ist.
+Seine ansprechende Auffassung ist aus der exegetischen Betrachtung
+der Berichte erwachsen. Gerade die Exegese beraubt ihn aber der
+einzigen Möglichkeit, die Wiederholung der von ihm geschilderten
+Feier im Urchristentum auch nur einigermassen begreiflich zu machen.
+Die urchristliche Feier als Reproduktion der historischen Situation
+ohne Wiederholungsbefehl ist einfach undenkbar. Also stehen wir
+hier vor einer vollständigen Selbstauflösung. Um das Aufkommen der
+urchristlichen Feier zu erklären, müsste JÜLICHER eine unabhängig von
+den Berichten gegebene Thatsache postulieren — wie EICHHORN es thut,
+um das Aufkommen des historischen Berichts fasslich zu machen.
+
+Die konsequente Geltendmachung des Darstellungsmoments führt also zu
+derselben Skepsis, wie die einseitige Herausarbeitung des Genussmoments.
+
+
+
+
+Neuntes Kapitel.
+
+=Die neue Problemstellung.=
+
+
+=1. Das Ergebnis der Untersuchung.=
+
+Die Auffassungen mit einseitiger Betonung des Genussmoments können nur
+die ~urchristliche~, nie die ~historische~ Feier erklären.
+
+Die Auffassungen mit einseitiger Betonung des Darstellungsmoments
+können nur die ~historische~, nie die ~urchristliche~ Feier erklären.
+
+Die doppelseitigen Auffassungen können die ~historische~ Feier nur in
+dem Masse erklären als sie die ~urchristliche~ nicht erklären, und
+umgekehrt.
+
+Also vermag keine dieser Auffassungen das Abendmahlsproblem zu lösen,
+da dieses gerade verlangt, ~dass beide Feiern in ihrem gegenseitigen
+Zusammenhang begriffen werden!~
+
+Durch diese Sätze werden nicht bloss die hier besonders analysierten
+Auffassungen betroffen. Diese sind nur Typen für so und so viele
+andere, die schon veröffentlicht worden sind oder noch im Zeitenschosse
+schlummern. Vergangen oder zukünftig: alle werden sie durch die obigen
+drei Sätze schon im Vorverfahren abgethan. Ehe sie überhaupt gehört
+werden können, müssen sie zuerst nachweisen, dass sie etwas anderes
+sind als eine neue Kombination von Darstellungs- und Genussmoment.
+Können sie das nicht, so sind sie von vornherein abgewiesen, denn
+dann vermögen sie das Problem nicht zu lösen. Es kommt ja nicht auf
+ihr bestimmtes Gepräge oder auf die Art, wie sie sich historisch und
+exegetisch darstellen, an, ~sondern nur auf das Verhältnis, in dem das
+Darstellungs- und das Genussmoment darin zu einander stehen.~ Alles
+andere ist Beiwerk.
+
+Jede Auffassung ist durch die Formel bedingt, welche das von
+ihr angenommene Verhältnis des Darstellungs- zum Genussmoment
+ausdrückt. Damit ist ja ihre Stellung zu den Einzelfragen — dem
+Wiederholungsbefehl, der Deutung der Gleichnisse, der Form der
+angenommenen urchristlichen Feier u.s.w. — entschieden. ~Man kann
+sie danach geradezu ausrechnen.~ Was die Verfasser dann noch von dem
+Ihrigen an geistreichen Einfällen, exegetischen Funden und genialen
+Inkonsequenzen hinzuthun, das ist alles ohne Belang. Ohne dass sie es
+wissen, folgen sie ja einem inneren Zwang. Weil sie ~müssen~, nehmen
+sie die schwersten exegetischen Hindernisse! Weil sie ~nicht anders
+können~, übersehen sie schwerwiegende historische Fragen! Weil sie die
+Verschnörkelungen am Erker nach freiem Bedünken entwerfen dürfen, sind
+sie — und die andern mit ihnen — geneigt zu vergessen, dass ihnen der
+Grundriss des Baues aufgegeben ist.
+
+Unter den gegebenen Voraussetzungen gibt es keine neuen
+Abendmahlsauffassungen mehr. Ob auch eine aus einer exegetischen
+oder historischen Beobachtung hervorwächst, kann sie im Grunde doch
+nichts anderes sein, ~als die Wiederholung oder Modifizierung einer
+schon vorhandenen, nämlich der, mit welcher sie die Formel über das
+Verhältnis der beiden Momente gemein hat.~ Wollte man sich die Mühe
+geben, den Stammbaum der vorhandenen Auffassungen aufzustellen, so
+würde es nicht schwer halten, jeder ihre Vorfahren zu entdecken.
+
+Die Darstellungen mit einseitiger Herausarbeitung des Genussmoments
+sind nur die wissenschaftlich-historische Reproduktion der
+altgriechischen Auffassung.
+
+ZWINGLI hat die römische Theorie rationalisiert und ist von JÜLICHER
+ins modern-geschichtliche übertragen worden.
+
+Die doppelseitigen Auffassungen geben die Vermittlungsversuche
+zwischen der Messe und dem griechischen Mysterium und diejenigen der
+Reformationszeit in historischer Form wieder. Man kann also ruhig
+sagen, dass alle möglichen Kombinationen der beiden Momente schon
+erschöpft sind.
+
+Mit »neuen Auffassungen« ist also nichts gethan; neu daran ist immer
+nur der Einfall, nie die Formel — ~und auf letztere kommt es allein
+an.~ Darum führt die Detailauseinandersetzung mit einer solchen neuen
+Auffassung zu gar nichts. Das für »richtig« und das für »falsch«
+Befundene hängen ja gesetzmässig zusammen: eins ist nur insofern
+richtig, als das andere falsch ist.
+
+Daran liegt es, dass Arbeiten in der Art, wie sie RUD. SCHÄFER,
+CLEMEN[11] und SCHMIEDEL zu den neuesten Aufstellungen geliefert haben,
+trotz aller abwägenden Gewissenhaftigkeit die Forschung nicht in dem
+Masse des aufgewandten Scharfsinns vorwärts bringen. Aus dem, was sie
+anerkennen, lässt sich keine neue Auffassung zusammenbauen, und das,
+was sie auszusetzen haben, reicht nicht hin, die andere zu verwerfen,
+wenn man nichts Besseres an die Stelle zu setzen hat.
+
+Diejenigen, welche unter den gegebenen Verhältnissen neue
+Abendmahlsauffassungen aufstellen, rechnen ein Exempel, das bisher nie
+hat wollen aufgehen, zum so und sovielten Male durch. Ihre Kritiker
+rechnen das Exempel zum so und sovielten Male nach. Auf geht es aber
+darum doch nicht.
+
+~Es kann nie aufgehen.~ Darum nützt es nichts, immer mit Eifer und
+Sammlung von vorn anzufangen. Man muss den Fehler nicht in der
+Rechnung, sondern im Ansatz suchen. Die bisherigen Auffassungen
+bringen es nicht über dialektische Behauptungen hinaus, welche als
+Ganzes aus den geschichtlichen Thatsachen weder zu beweisen noch zu
+widerlegen sind.
+
+~Es gilt also sich von der bisherigen Problemstellung loszumachen.~
+
+~Wo liegt der Grund des Metaphysischen in der Abendmahlsfrage?~
+
+
+=2. Der neue Weg.=
+
+Bisher galt der Satz: Um das Abendmahl zu erklären, muss man von der
+Deutung der Gleichnisse ~ausgehen~, denn diese konstituieren das Wesen
+der Feier. So suchte man sie aus dem Genuss, oder aus dem Handeln, oder
+aus beiden zusammen zu deuten — und, wenn man eine plausible Erklärung
+gefunden hatte, glaubte man den Schlüssel zum Abendmahl zu besitzen.
+
+Nun gilt es aber zwei Thüren zu öffnen: der betreffende Schlüssel passt
+aber jedesmal nur zu einer. Angenommen SPITTA und die andern deuten die
+Gleichnisse richtig auf das Urchristentum: der historischen Situation
+entspricht aber ihre Erklärung nicht. Angenommen JÜLICHER und die
+andern deuten sie richtig aus der historischen Situation: im Sinne des
+Urchristentums ist aber ihre Erklärung nicht, denn dort kommt in keiner
+Weise zum Ausdruck, dass die Handlung Jesu den Tod versinnbildlichte.
+
+Man hat aber allen Grund zu fragen, ob die Gleichnisse aus der sie
+begleitenden Handlung ~so ohne weiteres~ deutbar sind. Alle Erklärungen
+werden ja auf Umwegen erreicht! Wieso soll das Brechen des Brots die
+Kreuzigung des Leibes anzeigen? Ist diese Erklärung etwa deswegen
+einleuchtender, weil es die einzige ist, welche die begleitende
+Handlung offen lässt? Wer sagt uns, dass es die Jünger so verstanden
+haben können? In der urchristlichen und altchristlichen Epoche, ja
+eigentlich bis auf ZWINGLI weiss kein Mensch etwas von dieser Deutung.
+
+Mit dem Wort über dem Kelch steht es noch schlimmer. Hier muss man
+nämlich, um dem Gleichnis einen Sinn abzugewinnen, den Vergleichspunkt
+zur Handlung ~geradezu hinzuerfinden.~ Berichtet ist nur das
+~Herumreichen~ des Kelches. Dieses ist aber für das »~Vergiessen
+des Blutes~« nicht charakteristisch. Das einzig Erträgliche wäre
+das »~Ausgiessen in den Kelch~«. ~Obwohl nun diese Handlung in
+keinem Berichte erwähnt ist~, haben es alle exegetischen Deutungen,
+welche auf dem Darstellungsmoment beruhen, mit dem »~Ausgiessen~«
+des Weines in den Kelch zu thun. Aus der inneren Zwangslage heraus
+schaffen sie frei ein ~Analogon zum Brotbrechen~, ohne sich darüber zu
+rechtfertigen, wie sie dazu kommen, die Situation in unerlaubter Weise
+zu bereichern.
+
+Wo steht denn geschrieben, dass Jesus den Wein in den Kelch vor den
+Augen der Jünger bedeutungsvoll eingoss, wie er das Brot brach?
+Nirgends! Also beruht die exegetische Deutung des zweiten Gleichnisses
+~auf reiner Erfindung.~
+
+Gestehen wir es offen ein: es fehlt uns jegliche Anleitung zu einer
+natürlichen Deutung der Gleichnisse. Ueber Künstelei haben wir es
+dabei nicht hinausgebracht. Unser Schlüssel ist nur ein schlechter
+Nachschlüssel: er passt zur Not in das eine Schloss, aber nicht in
+beide. ~Und aus dieser Notdeutung der Gleichnisse wollen wir die ganze
+historische und urchristliche Mahlfeier erklären!~
+
+Wenn man in dieser Notlage einmal den noch einzig möglichen Ausweg ins
+Auge fasste! Es geht nicht an, ~die Feier durch die Gleichnisse zu
+erklären.~ Versuchen wir es mit dem umgekehrten Verfahren, nämlich ~die
+Gleichnisse aus der Feier zu erklären~!
+
+Freilich, am Anfang scheint das nur das letzte verzweifelte Rütteln an
+der verschlossenen Thür. Aber überlegen wir die Sache einmal ruhig.
+
+Beim Abendmahl handelt es sich um die Austeilung von Seiten Jesu, um
+den Genuss von Seiten der Jünger und um zwei Gleichnisse, welche mit
+dem Vorgang ~zusammenfallen.~ Ich sage ~zusammenfallen~! In einer
+~Situation~ können Handlungen und Reden zeitlich zusammenfallen,
+während sie in dem Bericht nur in zeitlicher Folge geschildert
+werden können, weil die Worte jedes Nebeneinander notwendig in eine
+Aufeinanderfolge auseinanderlegen.
+
+So halten unsere Berichte die Reihenfolge: Austeilung, Gleichnis,
+Genuss inne, als hätte Jesus zuerst symbolisch gehandelt, dann
+ausgeteilt, dann das erklärende Gleichnis gesprochen, worauf zuletzt
+die Jünger verständnisvoll gegessen hätten.
+
+Versucht man es aber einmal, sich den berichteten Vorgang als Scene
+vorzustellen, so merkt man bald, ~dass die säuberliche chronologische
+Folge stark illusorisch wird.~ Man denke sich die 12 Menschen,
+die wie auf eine innere Verabredung hin mit dem Essen des ihnen
+zugeteilten Stückes warten, bis Jesus das Gleichniswort gesprochen! Wie
+unnatürlich, ja unmöglich diese Scene in der gedachten chronologischen
+Folge der Handlungen ist, kann man in Oberammergau sehen, wenn sie ins
+Leben übersetzt wird! Es lässt sich kaum etwas Unnatürlicheres und
+Geschraubteres denken.
+
+Für den, welcher eine berichtete Situation mit dem Blick des Malers in
+der Wirklichkeit zu schauen vermag, bleiben nur zwei Möglichkeiten.
+Entweder hat Jesus jedem Einzelnen das Brot zugeteilt und dabei
+für jeden Einzelnen das Gleichniswort wiederholt: dann ist die
+chronologische Folge so haltbar. Oder aber, wie feststeht, er hat allen
+zusammen Brot ausgeteilt und das Gleichniswort nur einmal gesprochen:
+dann ist die chronologische Folge, mit der wir bisher operierten,
+illusorisch geworden. Sie besagt dann nur, dass Jesus im Verlauf der
+Austeilung des Brotes und während des Herumreichens des Bechers die
+Gleichnisworte vom Leib und vom Blut gesprochen! ~Ob zu Anfang, in der
+Mitte oder zu Ende, ob vor, während oder nach dem Essen und Trinken:
+das ist nicht auszumachen.~ Unsere Berichte geben uns darüber keinen
+Aufschluss.
+
+Aus der angenommenen ~chronologischen~ Folge haben die bisherigen
+Auffassungen ohne weiteres eine ~causale~ gemacht. Man sagte: Die
+Austeilung und das dabei vorkommende Brechen und Ausgiessen begründet
+das Gleichnis, das Gleichnis soll den Jüngern die Bedeutung des
+Genusses erklären, und die Bedeutung des Genusses macht das Wesen der
+Feier aus.
+
+Aus einer angenommenen zeitlichen Folge eine causale zu machen, das ist
+ein Fehler, den das menschliche Denken trotz aller Warnungen immer und
+immer wieder macht und sich dadurch die grössten Probleme schafft.
+
+~Nun zeigt die Geschichte, dass gerade diese angenommene causale Folge
+das Abendmahlsproblem unlösbar macht.~ Andererseits beschränkt sich
+unsere Kenntnis von der Situation darauf, dass Jesus im Verlauf der
+Austeilung die Gleichnisse gesprochen hat. Also machen wir uns von dem
+Vorurteil los, als ob die Gleichnisse die Feier konstituierten, und
+fassen das Problem so, ~dass die Feier die Gleichnisse erklärt.~ Anders
+ausgedrückt: Man meinte bisher, dass Jesus die Jünger aufforderte, das
+dargereichte Brot und den herumgereichten Wein zu geniessen, ~weil er
+sie als seinen Leib und sein Blut bezeichnet hatte~ (wobei freilich
+niemand sagen kann, in welchem Sinne sie mit Brot und Wein seinen Leib
+und sein Blut assen und tranken).
+
+Wir aber gehen jetzt davon aus, dass Jesus von dem Brot und dem Wein,
+die seine Jünger auf seine Darreichung hin genossen, sagt, sie wären
+sein Leib und sein Blut, ~gerade im Hinblick darauf, dass sie es auf
+seine Darreichung hin geniessen~! Sie essen also nicht seinen Leib und
+trinken nicht sein Blut, sondern, ~weil sie jenes Brot essen und jenen
+Wein trinken~, sagt er, es ~sei sein Leib und sein Blut~! Das Gleichnis
+konstituiert also die Feier nicht, sondern es erwächst aus ihr!
+
+Die Feier ist selbständig! Sie besteht darin, dass Jesus unter
+Danksagung seinen Jüngern das Brot bricht und den Kelch herumreicht und
+sie davon geniessen. Zum Wesen der Feier gehören die Gleichnisse nicht,
+sondern Jesus spricht in diesen geheimnisvollen Worten die Bedeutung
+aus, welche die Feier für ~ihn~ hat!
+
+Diese zweite Eventualität liegt gerade so gut in den Berichten wie
+die erste. Nur ging man immer an ihr vorüber, weil die chronologische
+Folge der Handlungen in der schriftstellerischen Darstellung die
+Aufmerksamkeit ganz für die erste gefangen nahm.
+
+Nun ist aber logisch festgestellt, dass die bisherige Annahme das
+Problem vollständig unlösbar macht. Also muss man es notgedrungen mit
+der zweiten probieren.
+
+Ueberdies spricht die Geschichte gerade für die zweite. Es steht fest,
+dass die Leidensgleichnisse in der urchristlichen Feier ~keine Rolle~
+spielten. Sie wurden im Verlauf der Feier in keiner Weise reproduziert!
+Dafür sprechen Didache und Paulus, denn wenn sie aus dem alltäglichen
+Verlauf der Feier bekannt gewesen wären, bliebe I Kor 11 _23_
+unverständlich, da hier dann etwas Bekanntes in geheimnisthuerischer
+Weise wiederholt würde! Es stand also im Urchristentum so: Man wusste
+wohl, dass diese Gleichnisse bei der historischen Feier gesprochen
+worden waren, die Gemeindefeier leitete sich von dieser historischen
+Feier ab: ~aber doch fühlte man kein Bedürfnis, die historischen
+Gleichnisse Jesu dabei irgendwie zu reproduzieren. Also war die
+historische Feier, sofern sie sich in der Gemeindefeier fortsetzte,
+von den Gleichnissen unabhängig~, da man sonst auch die Gleichnisse
+wiederholt hätte. Das ist durch die Geschichte bezeugt.
+
+Darum hat es das Abendmahlsproblem gar nicht mehr mit den beiden
+unmöglichen Fragen zu thun, wieso Jesus seinen Jüngern seinen Leib zu
+essen und sein Blut zu trinken gegeben habe und wie sie diese Feier
+später in entsprechender Weise reproduzierten, sondern das Problem
+selbst ist ein ganz anderes. Es heisst nicht mehr: ~Was bedeuten die
+Gleichnisse~, damit wir die Feier erklären können? sondern: ~Was
+bedeutete die Feier~, damit wir die ~Gleichnisse~ erklären können.
+
+~In welchem Sinne war die Austeilung von Brot und Wein beim letzten
+Mahl ein so überaus feierlicher Akt, der sich auf Jesu Tod bezog?~ —
+von dieser Frage hat die Untersuchung auszugehen, indem sie die
+Gleichnisse vorerst ganz bei Seite lässt. Es ist der einzige Weg zur
+Lösung des Problems.
+
+
+Fussnoten:
+
+[11] Der Ursprung des heil. Abendmahls von Lic. Dr. KARL CLEMEN. 1898.
+Hefte zur christl. Welt No. 37.
+
+
+
+
+Zweiter Teil.
+
+=Das Abendmahlsproblem auf Grund der historischen Berichte.=
+
+
+
+
+Zehntes Kapitel.
+
+=Die textkritischen Fragen.=
+
+
+=1. Cod. D. Die textkritische Hauptfrage.=
+
+Es handelt sich um den Lukasbericht (Lk 22 _15-20_). In der
+gewöhnlichen Fassung zeigt er ein eigentümliches Gepräge. Er bietet
+zunächst ein Wort über den Passahgenuss in dem zukünftigen Reiche.
+Darauf folgt ein ähnliches Wort, den Becher betreffend, welches mit
+dem synoptisch-eschatologischen Schlusswort nach Markus und Matthäus
+übereinstimmt. Nachdem so gleichsam ein erster Redegang über das Essen
+und Trinken abgeschlossen ist, kommt das Wort über dem gebrochenen
+Brot und über dem Wein als Bundesblut; bei letzterem fehlt dann das
+bei den beiden älteren Synoptikern den zweiten Akt beschliessende
+eschatologische Schlusswort.
+
+Wir haben also eine merkwürdige Doppelheit: zwei Worte das Essen, und
+zwei den Kelch betreffend. Von den beiden auf das Essen bezogenen
+Worten handelt nur das zweite von dem Genuss des Brots, während das
+erste vom Passah allgemein redet. Die Doppelheit ist also hier nicht so
+auffällig, wie in den beiden das Trinken betreffenden Worten, welche
+sich beide auf den Kelch beziehen. Das zweite nimmt sich wie ein
+Nachtrag zum ersten aus, da es ohne das eschatologische Schlusswort
+steht, die Aufforderung zum Genuss nicht enthält und überhaupt in
+dieser Form der Feier keinen abrundenden Abschluss gibt, wie es das
+altsynoptische Kelchwort thut.
+
+Als daher diese eigentümliche Doppelheit in dem Lukasbericht auffiel,
+war die natürlichste Korrektur schon gegeben: das zweite Kelchwort,
+da die Aufforderung zum Genuss schon im ersten enthalten schien,
+zu streichen, dagegen das zweite Wort über dem Brot, das in seiner
+spezifischen Eigenschaft vorher nicht erwähnt war, zu belassen, weil
+es die Aufforderung zum Genuss enthält. Es ist die Korrektur von Cod.
+D.[12] Er schliesst mit den Worten: τοῦτό ἐστι τὸ σῶμά μου (V. _19ª_).
+
+Entschliesst man sich einmal zu diesem so natürlichen Abstrich, so
+liegt gar kein Grund mehr vor, das Kelchwort mit seiner Aufforderung
+zum Trinken sich zwischen die beiden auf das Essen bezogenen Aussagen
+eindrängen zu lassen und sie unnatürlich auseinanderzureissen; man
+moduliert nach der ursprünglichen synoptischen Harmonie zurück, sodass
+das eschatologische Schlusswort beim Kelch wieder ans Ende kommt. Tritt
+dementsprechend V. _17_ und _18_ hinter _19ª_, so erhält man einen
+Bericht, der sich von dem gewöhnlichen nur dadurch unterscheidet,
+dass er vor dem Brotwort ein Wort über das Passah bringt, welches dem
+eschatologischen Schlusswort über dem Kelch nachgebildet ist. Dieses
+Verfahren findet sich bei b c.[13]
+
+~Die Entstehung des Abendmahlsberichtes des Cod. D. beruht auf
+Reflexion.~ Ueberhaupt bricht sich die Ueberzeugung immer mehr
+Bahn, dass seine Abweichungen durchweg diesen Charakter tragen.
+Eine originelle Vorstellung der historischen Feier schwebt dieser
+Berichtform gar nicht vor. Daher betrifft die Grundfrage der Textform
+des Lukas gar nicht Cod. D, sondern die gewöhnliche Lesart. Wie kommt
+Lukas dazu, den Bericht ~so ins Doppelte sich spiegeln zu lassen~,
+dass der Versuch, diese Doppelheit als auf ein Versehen zurückgehend
+zu korrigieren, sich in Cod. D notwendig einstellen musste? Diese
+Frage ist aber gar keine textkritische mehr, sondern sie hängt mit
+der Entwicklung der Feier im Urchristentum und der damit gegebenen
+Verschiebung des Bildes des historischen Mahles zusammen.[14]
+
+
+=2. Abweichende Lesarten.=
+
+Die Frage, ob in den einzelnen Fällen εὐλογήσας oder εὐχαριστήσας
+zu lesen ist, hat keine Bedeutung. Die beiden älteren Synoptiker
+gebrauchen den ersteren, Paulus, Lukas und Justin den letzteren
+Ausdruck.
+
+Der Grund der verschiedenen Lesarten in Mt 26 _26_ ist leicht
+einzusehen. Partizipien und erzählende Verben häufen sich in einer
+Weise, dass man in keinem Falle eine schwerfällige und ungriechische
+Konstruktion vermeiden kann. Ob man nun liest: λαβὼν ὁ Ἰησοῦς ἄρτον καὶ
+εὐλογήσας ἔκλασεν καὶ δοὺς τοῖς μαθηταῖς καὶ εἶπεν,[15] oder ob man
+eines der Partizipien auflöst und die Lesart erhält: λαβὼν ὁ Ἰησοῦς
+ἄρτον καὶ εὐλογήσας ἔκλασεν καὶ ἐδίδου τοῖς μαθηταῖς καὶ εἶπεν[16]
+bleibt sich gleich. Der Satz ist in jedem Falle formlos, weil er eine
+Häufung von Handlungen auf einen Moment enthält, deren zeitlicher und
+logischer Zusammenhang sich sprachlich gar nicht wiedergeben lässt. Die
+Varianten beruhen auf der empfundenen darstellerischen Schwierigkeit,
+die jeder auf eine andere Weise zu überwinden suchte.
+
+Bei Markus treten die stilistischen Schwierigkeiten nicht so sehr
+hervor. Er vermeidet nämlich die namentliche Nennung des Spenders
+und der Empfänger, wodurch die matthäische Konstruktion so besonders
+ungelenk wird.
+
+Der paulinische und der justinische Bericht sind von dieser
+Schwierigkeit befreit: sie vereinfachen die Situation, indem sie die
+Darreichung (ἔδωκεν) und die Aufforderung zum Genuss (λάβετε) auslassen.
+
+Das φάγετε in Mk 14 _22_[17] ist naive matthäische Nachbildung. Die
+alten Zeugen bieten nur λάβετε.
+
+Der Zusatz καινῆς, den einige Lesarten bei dem Wort über dem Becher in
+Mk 14 _24_[18] bieten, beruht auf naiver Nachbildung der paulinischen
+Version.
+
+
+=3. Das Ergebnis der Textkritik.=
+
+Die Verschiedenheit der Lesarten ist nicht darin begründet, dass
+die eine mit ihren Wurzeln historisch höher hinaufreicht als die
+andere. Sie gehen zum Teil aus der Schwierigkeit hervor, welche die
+betreffenden Auffassungen haben, sich ~stilistisch darzustellen.~
+Zum Teil entspringen sie der Tendenz, die Berichte einander
+~gleichzubilden.~ Dazu war es aber schon zu spät: die verschiedenen
+Typen hatten schon eine zu scharfe historische Ausprägung erhalten,
+als dass es den nachbessernden Versuchen hätte gelingen können, den
+Einheitstypus herzustellen, an dem die vorhergehende geschichtliche
+Epoche sich vergebens abgearbeitet hatte.
+
+Den letzten Versuch dieser Gleichbildung bietet der textus receptus,
+sofern er den ersten Akt bei Paulus nach Analogie mit dem matthäischen
+darstellt und dadurch eine Aufforderung zum Genuss einträgt (nehmet,
+esset), die in I Kor 11 _24_ ursprünglich fehlt.
+
+Die Aufgabe der Textkritik in der Abendmahlsfrage besteht darin, dass
+sie jeden der Berichte in seiner charakteristischen Eigentümlichkeit
+darstellt, indem sie ihn von den Spuren der versuchten litterarischen
+Gleichbildung mit andern befreit. Diese Aufgabe, so bescheiden sie
+scheint, ist von eminenter Tragweite. ~Hätte sich die Gleichbildung der
+Berichte wirklich durchgesetzt, so wäre das Abendmahlsproblem unlösbar.~
+
+
+Fussnoten:
+
+[12] D, a, ff². Die Ausgabe von WESTCOTT und HORT hat diese Lesart
+adoptiert.
+
+[13] In derselben Absicht lässt syr^{cu} Vers _20_ aus und setzt dafür
+Vers _17_ und _18_ ein.
+
+[14] Eine eingehende Darlegung der Textfragen, welche den Lukasbericht
+betreffen, findet sich in der Abhandlung von ERICH HAUPT.
+
+[15] So א (sed δούς ex ἐδίδου korrigiert ab אª) BDLZ.
+
+[16] ΑϹΓΔ.
+
+[17] Mk 14 _22_: zu λάβετε zugesetzt φάγετε (EFHM²).
+
+[18] Mk 14 _24_: τῆς διαθήκης (אBCDL).
+
+
+
+
+Elftes Kapitel.
+
+=Die Eigenart des Markusberichts= (Mk 14 _22-26_).
+
+
+Der erste Akt besteht einzig darin, dass Jesus unter Gebet das Brot
+bricht und es herumreicht; zugleich spricht er das Gleichniswort von
+seinem Leib. Es fehlt, wie bei Matthäus, das uns aus Paulus gewohnte
+ὑπὲρ ὑμῶν und über Matthäus hinaus das φάγετε.
+
+Ist so im ersten Akt die ~Aufforderung zum Genuss~ in Hinsicht auf das
+Gleichnis nicht ausdrücklich ausgesprochen, ~so fehlt sie im zweiten
+vollständig.~ Es wird zuerst berichtet, dass Jesus allen den Kelch nach
+dem Gebetswort herumgereicht habe und alle daraus getrunken haben (Mk
+14 _23_). ~Darauf erst~ spricht er das Gleichniswort von dem für viele
+vergossenen Blut (Mk 14 24).
+
+BRUNO BAUER war meines Wissens der erste, der darauf hingewiesen, dass
+Markus statt der Aufforderung zum Trinken die ~Konstatierung~ bietet,
+dass alle getrunken haben. Er sieht darin nur eine Abschwächung gegen
+Matthäus, da Markus sich scheue, die Aufforderung Jesu in vollem Umfang
+aufrecht zu erhalten.
+
+Dabei hat aber BRUNO BAUER nicht bemerkt, dass mit dieser Konstatierung
+auch die gewöhnliche chronologische Folge vom Gleichnis zum Genuss
+sich verschiebt, wodurch zugleich das uns geläufige kausale Verhältnis
+zwischen Gleichnis und Genuss aufgehoben wird. Diesem Bericht zufolge
+ist es unmöglich, dass Jesus oder die Jünger die Bedeutung des Trinkens
+~aus dem Gleichnis herleiten~, weil dieses ja erst ~auf das Trinken
+folgt~!
+
+Zu beachten ist ferner, wie das weihevoll (ἀμήν) und nachdrücklich
+gesprochene eschatologische Schlusswort von dem Neutrinken in dem Reich
+des Vaters sich eng an das Gleichniswort anschliesst! Es bildet den
+Höhepunkt der Feier (V. _25_), worauf alsbald der Aufbruch erfolgt.
+
+~Diese eigenartigen Züge des Markusberichts sind bisher nicht
+herausgearbeitet worden.~ Man hat ihn einfach nach den andern gedeutet.
+Alle Berichte, so nahm man ohne weiteres an, bieten dieselbe Thatsache.
+Beim letzten Mahl hat Jesus den Jüngern Brot und Wein so dargereicht,
+dass sie die Elemente irgendwie als seinen Leib und sein Blut assen und
+tranken. Das Fehlen des φάγετε bei Markus erklärte man daraus, dass
+es sich von selbst verstehe. Die Eigentümlichkeit des zweiten Akts hob
+man nicht einmal hervor, weil man sie — ohne sich davon Rechenschaft
+zu geben — nach Matthäus und den andern interpretierte.
+
+Diese Annahme, dass der Markusbericht im Grunde dasselbe besage wie
+die andern, ist ~eine der unbewiesenen Voraussetzungen~, mit denen die
+bisherigen Abendmahlsauffassungen operierten. Wenn wir nämlich nur den
+Markusbericht hätten, käme niemand auf den Gedanken, dass Jesus seinen
+Jüngern Brot und Wein als seinen Leib und sein Blut ausgeteilt und sie
+zum Genuss in diesem Sinne aufgefordert habe. Man würde die zeitliche
+Folge im ersten Akt nach der des zweiten auffassen und als Thatbestand
+feststellen, dass Jesus ~im Verlauf der Austeilung des Brotes das
+Gleichnis von seinem Leib und =nach= der Herumreichung des Bechers
+das Gleichnis von seinem Blut gesprochen habe.~ Wenn wir aber einen
+Bericht haben, wo Jesus dem strikten Wortlaut zufolge weder seinen
+Leib noch sein Blut zum Genuss ausgeteilt hat, so dürfen wir ihn nicht,
+als handle es sich um eine gewisse Nachlässigkeit und Sparsamkeit im
+Ausdruck, nach den andern auslegen, sondern wir müssen ihn mit ihnen
+vergleichen und eine Auseinandersetzung herbeiführen. Daraus ergibt
+sich dann die Tragweite der Abweichungen. Entweder handelt es sich
+um eine absolut ~unverständliche Schilderung~, die man, weil sie mit
+dem feststehenden Thatbestand absolut keine Verwandtschaft hat, als
+Kuriosum nicht weiter zu beachten braucht, oder — ~wir haben den
+authentischen Bericht vor uns, von dem die Untersuchung ausgehen muss.~
+Diese Alternative ist nicht zu umgehen, sobald man sich die Eigenart
+des Markusberichts klar gemacht hat.
+
+
+
+
+Zwölftes Kapitel.
+
+=Der Vergleich der Berichte.=
+
+
+=1. Das Prinzip der Gleichbildung.=
+
+Aeusserlich betrachtet zeigt sich die Eigenart des Markusberichts
+darin, dass die beiden Akte an Umfang und Gesichtspunkten verschieden
+sind. Der erste ist ganz kurz; er beschränkt sich auf das Gebetswort,
+das Brechen zum Austeilen und die Gleichnisrede; der zweite enthält
+das Gebetswort, die Austeilung, die Erwähnung des Genusses, die
+Gleichnisrede, den Hinweis auf die Heilsbedeutung des Todes und
+das eschatologische Schlusswort. Der Vergleich zeigt, dass bei
+den andern Berichten die beiden Akte in steigendem Masse einander
+~gleichgebildet werden~, sowohl dem Umfang nach, als auch hinsichtlich
+der Gesichtspunkte, die sie enthalten. Wir erhalten zwei Parallelakte,
+indem die Handlungen und Worte beim Wein genau denen beim Brot
+entsprechen.
+
+Diese Gleichbildung erfolgt entweder so, dass die Momente des zweiten
+Akts in den ersten eingetragen werden (Matthäus, Paulus, Lukas), oder
+so, dass der zweite Akt nach Analogie des ersten zusammengezogen wird
+(Justin).
+
+
+=2. Der matthäische Bericht= (Mt 26 _26-29_).
+
+Matthäus befindet sich auf dem Wege zur Gleichbildung. Durch das φάγετε
+ist die ausdrückliche Erwähnung des Genussmoments in den ersten Akt
+aufgenommen. Da im zweiten an Stelle der Konstatierung ebenfalls die
+Aufforderung zum Genuss getreten ist, so entsprechen sich beide Akte
+in diesem Punkte vollkommen. λάβετε, φάγετε· τοῦτό ἐστιν τὸ σῶμά μου.
+πίετε ἐξ αὐτοῦ πάντες· τοῦτο γάρ ἐστιν τὸ αἷμά μου. Die Gleichbildung
+ist aber noch nicht vollständig vollzogen. Dem ersten Akt fehlt ein dem
+Wort über die Bedeutung des vergossenen Bluts entsprechender Hinweis
+(τὸ περὶ πολλῶν). Auch das eschatologische Wort, welches das Gleichnis
+über dem Wein beschliesst, ist beim Brot noch nicht vertreten.
+
+Zudem zeigt das im zweiten Akt stehen gebliebene πάντες, dass hier
+eine Konstatierung in eine Aufforderung umgesetzt worden ist. Bei
+der Konstatierung muss ja notwendig erwähnt werden, dass sie alle
+davon getrunken haben. Bei der Aufforderung aber ist das πάντες
+selbstverständlich, oder — wenn es die Weihe der Aufforderung
+nachdrücklich hervorheben soll — wie kann es dann beim Brot fehlen?
+Hier wäre es wirklich gefordert, da Jesus nicht ohne weiteres annehmen
+kann, dass alle das Stückchen Brot, das er ihnen darbietet, auch
+wirklich essen, während er dem Herumgehen des Kelches mit dem Auge
+folgt. Bei Paulus, Lukas und Justin ist dann das πάντες, als nicht mehr
+von Belang, auch wirklich ausgefallen.
+
+Die Verbindung des eschatologischen Schlussworts mit dem Kelchwort nach
+rückwärts, dem Aufbruch zum Leidensweg nach vorwärts ist bei Matthäus
+noch gewahrt. Jedoch ist es mit dem Kelchwort nicht mehr durch das
+gewaltige ἀμήν in Steigerung verbunden, so dass es, wie bei Markus, den
+~Höhepunkt~ der ganzen Feier bildet, sondern es ist nur mehr eine mit
+δέ ~beigeordnete Schlussbemerkung~ (Markus ἀμήν λέγω ὑμῖν, Matthäus
+λέγω δέ ὑμῖν).
+
+So befindet sich die Gleichbildung bei Matthäus noch im Fluss. Bei
+Paulus ist sie schon viel weiter fortgeschritten.
+
+
+=3. Der paulinische Bericht= (I Kor 11 _23-26_).
+
+Hinter jedem Akt ist abschliessend angefügt: τοῦτο ποιεῖτε εἰς τὴν
+ἐμὴν ἀνάμνησιν. Durch Uebernahme eines auf die Bedeutung des Todes
+hinweisenden Worts (τὸ ὑπὲρ ὑμῶν) gleicht sich der erste Akt dem
+zweiten an. Nur das ἔκλασεν hat keine Parallele.
+
+Bei Markus und Matthäus beschloss das Wort von der Wiedervereinigung
+beim Mahl im zukünftigen Reich den Spruch über dem Becher. Nur
+scheinbar ist es bei Paulus ausgefallen. Er setzt es vielmehr als
+Abschluss ~bei beiden Akten voraus:~ ὁσάκις γὰρ ἐὰν ἐσθίητε τόν ἄρτον
+τοῦτον καὶ τὸ ποτήριον πίνητε, τὸν θάνατον τοῦ κυρίου καταγγέλλετε,
+ἄχρι οὗ ἔλθῃ (V. _26_).
+
+~Bis dass er kommt~ — darin liegt die Erwartung des Kommens des Herrn
+und des Anbruchs des Reiches. Dies darf man für die Erklärung des τοῦτο
+ποιεῖτε εἰς τὴν ἐμὴν ἀνάμνησιν nicht ausser Acht lassen. Danach ist
+die ἀνάμνησις doppelseitig: nach rückwärts eine Erinnerung an den Tod
+Jesu, nach vorwärts ein Gedenken an seine Parusie. Die Feier gilt dem
+Gekreuzigten, der als Messias bei seiner Ankunft offenbart werden wird,
+als welcher er schon jetzt durch die Auferstehung zur Rechten Gottes
+erhöht ist.
+
+Bedenkt man nun, dass die historische Relation des eschatologischen
+Schlussworts im zweiten Akt abgefallen ist, dass aber nach der
+Vorstellung Pauli beide Akte mit der Erwartung der Parusie in
+Zusammenhang stehen, so liegt es nahe, in dem τοῦτο ποιεῖτε, als
+Konstatierung oder als Wiederholungsbefehl gefasst, ~die paulinische
+Form des beiden Akten beigesetzten eschatologischen Schlussworts zu
+sehen.~
+
+Für den ersten Akt ist dies eine künstliche Angliederung, da historisch
+dieser Hinweis nur mit dem Kelchwort in Beziehung steht, wo der
+Genuss konstatiert ist; der erste Akt mit seinem ἔκλασεν ist gar
+nicht darauf angelegt. Daraus entsteht bei Paulus eine unerträgliche
+grammatikalische Verwirrung. Die Parallele zu dem ὁσάκις ἐὰν πίνητε,
+das erwartete ὁσάκις ἐὰν ἐσθίητε, fehlt in der Form des τοῦτο ποιεῖτε
+von V. _24_. Unter dem ποιεῖν kann also für den ersten Akt nur das
+erwähnte ~Brechen~ verstanden sein. Aus V. _25_ und _26_ geht aber
+hervor, dass, dem ποιεῖν des zweiten Akts entsprechend, der Genuss,
+nämlich das Essen, darunter verstanden werden muss. Grammatikalisch
+allein berechtigt wäre: so oft ihr dieses Brot brechet und diesen Kelch
+trinket; thatsächlich aber soll es bedeuten: so oft ihr dieses Brot
+esset. So ist auch das γάρ zu verstehen, welches V. _26_ mit V. _24_
+und _25_ zugleich verbindet, sofern es als Wiederholung der dort von
+Jesu gemeinten Handlung das Essen und Trinken voraussetzt.
+
+Die Gleichbildung ist also trotz des latenten Widerstandes des ersten
+Aktes erreicht. An beide Gleichnisse schliesst sich das Wort von der
+Heilsbedeutung des Todes und der eschatologische Hinweis an.
+
+Dabei entgeht Paulus durch die Form, in der er diesen Hinweis bietet,
+einer grossen Schwierigkeit. Dieses Wort ist in der ursprünglichen
+Gestalt ein ~Schlusswort.~ Fügt man es in dieser Form dem ersten Akt
+an, so wird die Handlung in der Mitte auseinander gerissen, da dann
+Jesus schon beim Brot die Feier beschliesst. Diese Schwierigkeit hat
+Lukas gefühlt, als er die paulinische Vorstellung in den synoptischen
+Bericht zu übertragen unternahm.
+
+
+=4. Der lukanische Bericht= (Lk 22 _14-20_).
+
+Lukas bringt zuerst das eschatologische Schlusswort in direkter Rede
+für beide Akte. Für das Kelchwort lag die Form der älteren Synoptiker
+vor. Er nimmt die Matthäusform, weil er die Aufforderung zum Genuss,
+welche Paulus nicht bietet, voraussetzt. Durch die Auslassung des
+Wortes vom Blut wird folgendes Kelchwort hergestellt Lk 22 _17_ u.
+_18_: καὶ δεξάμενος ποτήριον εὐχαριστήσας εἶπεν· λάβετε τοῦτο καὶ
+διαμερίσατε εἰς ἑαυτούς· λέγω γὰρ ὑμῖν ὅτι οὐ μὴ πίω ἀπὸ τοῦ νῦν ἀπὸ
+τοῦ γενήματος τῆς ἀμπέλου ἕως ὅτου ἡ βασιλεία τοῦ θεοῦ ἔλθῃ.
+
+Der Versuch nimmt sich gut aus; das διαμερίσατε hat zugesetzt werden
+müssen, damit man die später folgende Darreichung des Kelches (V.
+_20_) nicht vorwegnehme; das eingefügte γάρ stellt in Verbindung mit
+dem διαμερίσατε zur Not einen logischen Gedankenzusammenhang her;
+das καινόν (vgl. Mt 26 _29_) blieb besser weg, weil dieses Adjektiv
+nachher als erklärender Zusatz zu διαθήκη figuriert; der Farbenton der
+eschatologischen Aussage ist etwas verblasst (Matthäus ἕως τῆς ἡμέρας
+ἐκείνης ὅταν αὐτὸ πίνω μεθ' ὑμῶν καινὸν ἐν τῇ βασιλείᾳ τοῦ πατρός μου·
+Lukas ἕως ὅτου ἡ βασιλεία τοῦ θεοῦ ἔλθῃ).
+
+Schwieriger war die Formulierung des eschatologischen Schlussworts für
+den ersten Akt, da hier kein behauenes Material vorlag und das Wort
+über dem Brot seinen Widerstand gegen die aufgezwungene Verbindung mit
+irgend einem eschatologischen Hinweis schon bei Paulus hinreichend
+bekundet hatte. Ein einziger Ausweg bot sich dar: das eschatologische
+Schlusswort, da es einmal für die Handlung des Essens gefordert war,
+auf die ganze Mahlzeit zu beziehen. Dieser Fassung kam der Gedanke
+zu Hülfe, dass möglicherweise die historische Feier ein Passahmahl
+gewesen; das neukonstruierte eschatologische Schlusswort für das Essen
+bezieht sich bei Lukas also auf das Passahmahl, das Jesus mit den
+Seinen feiert. _15_ καὶ εἶπεν πρὸς αὐτούς· ἐπιθυμίᾳ ἐπεθύμησα τοῦτο τὸ
+πάσχα φαγεῖν μεθ' ὑμῶν πρὸ τοῦ με παθεῖν· _16_ λέγω γὰρ ὑμῖν ὅτι οὐ μὴ
+φάγω αὐτὸ ἕως ὅτου πληρωθῇ ἐν τῇ βασιλείᾳ τοῦ θεοῦ.
+
+Die Benutzung des Passahgedankens ermöglicht Lukas, eine Mahlfeier
+darzustellen, ~bei der sowohl das Essen als das Trinken einen
+eschatologischen Hinweis erhalten.~ Dabei wird aber die historische
+Feier auseinandergerissen! Zuerst kommen die beiden eschatologischen
+Worte; sie werden in den Verlauf der Passahmahlzeit gerückt. Das erste
+bildet zugleich eine stimmungsvolle Einleitung. Von dem Wort über dem
+Brot wird dadurch nichts vorausgenommen: nur mit dem Wort über dem
+Becher hat es seine Schwierigkeit. Um das Kelchwort, welches dann bei
+der eigentlichen historischen Feier eintritt, von dem vorhergehenden,
+welches im Rahmen des Passahmahls verlief, genau abzuheben, wird es
+in der paulinischen Form berichtet: τὸ ποτήριον μετὰ τὸ δειπνῆσαι
+λέγων· τοῦτο τὸ ποτήριον ἡ καινὴ διαθήκη ἐν τῷ αἵματί μου: soweit
+geht die Uebereinstimmung. Nun ist aber der eschatologische Hinweis
+nach Paulus (I Kor 11 _24_ u. _25_ τοῦτο ποιεῖτε etc.) schon beim
+ersten Passah-Kelchwort verbraucht; deswegen wird hier nach Matthäus
+zurückmoduliert und τὸ ὑπὲρ ὑμῶν ἐκχυννόμενον eingesetzt; aus diesem
+Grunde war schon an Stelle des paulinischen ἐν τῷ ἐμῷ αἵματι das
+altsynoptische ἐν τῷ αἵματί μου eingetreten.
+
+Der erste Akt wird nach Paulus beschrieben; aus den Synoptikern ist die
+ausdrückliche Erwähnung der Darbietung (ἔδωκεν-διδόμενον) eingedrungen.
+Das τοῦτο ποιεῖτε ist stehen geblieben, weil das eschatologische Wort
+hinsichtlich des Essens sich auf das Passahmahl allgemein bezieht.
+
+Der Bericht des Lukas erklärt sich litterarisch einfach als ein
+Versuch, die bei Paulus erreichte Gleichbildung der beiden Akte
+unter Zuhülfenahme des Zusammenhangs der historischen Feier mit dem
+Passahmahl in die synoptische Geschichtserzählung zurückzutragen.
+Daraus resultiert dann folgender Verlauf der Feier: Jesus weist zu
+Anfang des Passahmahls darauf hin, dass er es erst im Gottesreiche
+wieder mit den Jüngern feiern wird. Solches wiederholt er beim ersten
+Herumreichen des Kelches. Bei einer Brotdarreichung im Verlaufe der
+Feier spricht er das Gleichnis von seinem Leibe, desgleichen beim Kelch
+das Gleichnis von seinem Blute. Beide Akte sind absolut gleich durch
+die Geltendmachung des Heilswertes der Dahingabe (V. _19_ τὸ ὑπὲρ
+ὑμῶν διδόμενον, V. _20_ τὸ ὑπὲρ ὑμῶν ἐκχυννόμενων). Auch bei dieser
+Gleichbildung geht es ohne stilistische Härte nicht ab, sofern nämlich
+im zweiten Akt von einem vergossenen Kelch die Rede ist, während das
+Blut gemeint ist.
+
+Wie bei Paulus werden beide Akte durch das τοῦτο ποιεῖτε abgeschlossen.
+Wir haben also eine bis auf den gemessenen Rythmus in der Sprache sich
+erstreckende Gleichbildung. Freilich ist dabei der Schluss der Feier
+verloren gegangen. Das stolze Wort von dem Wiedertrinken in des Vaters
+Reich ist schon für den Anfang der Passahfeier verbraucht, statt dass
+es, wie bei Markus und Matthäus, zum Aufbruch überleitet. Dafür finden
+hier die Episoden von der Bezeichnung des Verräters, dem Rangstreit
+und der Verwarnung des Petrus ihren Platz (Lk 22 _21-38_), wobei die
+Schilderung des feierlichen Aufbruchs nach dem Lobgesang (Mk 14 _26_
+= Mt 26 _30_) unterbleibt. »Er ging nach seiner Gewohnheit an den
+Oelberg« (Lk 22 _39_: καὶ ἐξελθὼν ἐπορεύθη κατὰ τὸ ἔθος εἰς τὸ ὄρος τῶν
+ἐλαιῶν).
+
+Eine originelle Auffassung von dem Wesen der historischen Feier liegt
+dieser Darstellung nicht zu Grunde. In keinem Falle ist sie aus dem
+Bestreben hervorgegangen, die Trennung des »Abendmahls« von der
+gemeinsamen religiösen Mahlzeit, welche bei Paulus angebahnt sein
+soll, historisch zu begründen! Dieser formlose Bericht ist nur aus dem
+Prinzip παρηκολουθηκότι ἄνωθεν πᾶσιν ἀκριβῶς καθεξῆς γράψαι(Lk 1 3) zu
+erklären.
+
+Es ist daher nicht zu erwarten, dass durch Streichung oder
+Versversetzung aus der lukanischen Darstellung sich ein Bericht
+gewinnen lässt, der auf eine originelle ältere Vorstellung der
+historischen Feier zurückgeht. Mehr als durch solche Versuche wird
+man dem Wert der lukanischen Darstellung gerecht, wenn man das
+schriftstellerische Geschick, das ästhetische Feingefühl und den
+liturgischen Schwung würdigt, von denen diese Schilderung Zeugnis gibt.
+
+
+=5. Der justinische Bericht= (I Apol. 66).
+
+Hier vollzieht sich die Gleichbildung durch Verkürzung des zweiten Akts
+nach Analogie des ersten. Die berichtete Feier beschränkt sich auf zwei
+rätselhafte Worte Jesu. Nach einem Dankgebet über dem Brot spricht er:
+»dies ist mein Leib«, desgleichen beim Kelch: »dies ist mein Blut«
+(τὸν Ἰησοῦν λαβόντα ἄρτον εὐχαριστήσαντα εἰπεῖν· τοῦτο ποιεῖτε εἰς τὴν
+ἀνάμνησίν μου, τοῦτό ἐστι τὸ σῶμά μου. καὶ τὸ ποτήριον ὁμοίως λαβόντα
+καὶ εὐχαριστήσαντα εἰπεῖν· τοῦτό ἐστι τὸ αἷμά μου).
+
+Es fehlt das Brechen des Brots, der Hinweis auf den Wert der Dahingabe
+und die Hervorhebung des erwarteten oder erfolgten Genusses im zweiten
+Akt. Auch das eschatologische Schlusswort ist ausgefallen. Nur beim
+ersten Akt findet sich das τοῦτο ποιεῖτε in der paulinischen Form,
+wobei aus τὴν ἐμὴν ἀνάμνησίν (I Kor 11 _24_) τὴν ἀνάμνησίν μου geworden
+ist.
+
+Hier steigert sich aber der Widerstand des ersten Akts gegen einen
+derartigen Eintrag bis zur Unerträglichkeit. Worauf soll sich das
+ποιεῖν beziehen? Auf das vorausgehende Gebetswort? Das Brechen ist
+nicht erwähnt, der Genuss vorausgesetzt, aber nicht hervorgehoben. So
+ist das τοῦτο ποιεῖτε hier für die grammatikalische Auslegung sinnlos
+und die Erwähnung desselben ~bei dem ersten Akt allein~ unverständlich.
+
+Bei dieser verkürzten Darstellung ist die ganze historische Situation
+interesselos geworden. Zwar erwähnt Justin Dial. 41, 70 und 117, dass
+in der Gemeindefeier auch die Erinnerung an Jesu Tod mit hereinspielt.
+In seinem Bericht aber fehlt jede Andeutung, dass dieses Mahl in der
+Nacht vor dem Tod stattgefunden hat.
+
+Aus dem »justinischen Bericht« allein wüssten wir also nur, dass Jesus
+bei einem Mahle, nachdem er das Dankgebet über dem Brot gesprochen,
+seinen Jüngern geboten habe, diesen Brauch zur Erinnerung an ihn
+festzuhalten; danach habe er fortfahrend das gesegnete Brot als seinen
+Leib und den gesegneten Kelch als sein Blut bezeichnet.
+
+
+
+
+Dreizehntes Kapitel.
+
+=Die Authentie des Markusberichts.=
+
+
+=1. Der Beweis.=
+
+Authentisch ist ein Bericht, ~welcher in keiner Weise durch die
+Vorstellung von der Gemeindefeier beeinflusst ist.~ Der Markusbericht
+ist authentisch, weil sich dieser Nachweis für ihn führen lässt.
+
+Worauf beruht die ~Gleichbildung der beiden Akte~, welche alle
+andern Berichte, wenn auch der Art und dem Grad nach verschieden,
+im Unterschied zu Markus aufweisen? Auf dem Einfluss, welchen die
+altchristliche Feier auf die Vorstellung der historischen ausübt. Die
+Gemeindefeier war eine Mahlzeit, bei der dem Essen dieselbe Bedeutung
+zukam wie dem Trinken. Ganz natürlich übertrug sich dies auf die
+historische Feier. Man wusste also nicht anders, als dass Jesus beim
+Brot und beim Wein in genau entsprechender Weise gehandelt und geredet
+haben musste, sofern in der abgeleiteten Feier die gleiche Wertung des
+Essens wie des Trinkens konstatiert wurde. So war die Gleichbildung der
+beiden Akte für die historische Feier von der urchristlichen gefordert.
+
+Besässen wir nun den Markusbericht nicht, so würden wir an der
+Gleichheit der beiden Akte nichts Besonderes finden, da dies auch
+unserem Empfinden als das Natürlichste erscheint. Alle modernen
+Rekonstruktionsversuche der »ursprünglichen Einsetzungsworte« vertreten
+die Gleichbildung ebenfalls. Wir sind also auch geneigt, die Gleichheit
+der beiden Akte ohne weiteres für selbstverständlich zu halten.
+
+Nun zeigt aber der Markusbericht, dass die Gleichheit der beiden
+Akte nicht selbstverständlich ist. Also muss man entweder für die
+Ungleichheit derselben bei ihm oder für die Gleichheit bei den andern
+eine Erklärung suchen. Dabei ergibt sich, dass man wohl die andern
+aus dem Markusbericht ableiten kann, ~nicht aber umgekehrt.~ Matthäus
+und Paulus — der Lukasbericht ist ein rein litterarisches Produkt
+— stellen die Feier nach dem zweiten Akt des Markus dar, Justin
+nach dem ersten. Bringt man bei jedem die Gleichbildung der beiden
+Akte entsprechend in Abrechnung, wozu die grammatikalischen Härten
+und Unmöglichkeiten Anweisung geben, ~so erhält man jedesmal den
+Markusbericht.~
+
+Dabei zeigt sich in der Gleichbildung der beiden Akte noch eine
+gewisse Entwicklung. Dass sie bei Matthäus noch nicht vollständig
+durchgeführt ist, lässt erkennen, dass die Gleichheit der Akte nicht
+das Ursprüngliche ist. Also muss sie ihren Grund in der historischen
+Anschauung der alten Zeit haben, welche diese Berichte ~formuliert~
+hat. Da dieser allein in dem Mahlzeitcharakter der Essen und Trinken
+gleichwertenden Gemeindefeier gegeben sein kann, steht fest, ~dass
+diese Berichte durch das Medium der altchristlichen Auffassung der
+Gemeindefeier hindurchgegangen sind. Markus steht ausserhalb dieses
+Prozesses, weil er die Gleichbildung nicht aufweist; also ist er
+authentisch.~
+
+Dass die Vorstellung der historischen Feier bei Paulus und Justin
+in einem sehr hohen Masse durch die Auffassung der Gemeindefeier
+bedingt ist, liegt auf der Hand. Der historische Bericht ist bei ihnen
+ja nur Mittel zum Zweck. Er soll eine bestimmte Anschauung von der
+Gemeindefeier vertreten. Die Art, wie sie beide in Verbindung setzen,
+geht weit über unsere Begriffe hinaus. Wir verstehen die Gemeindefeier
+immer nur als eine entsprechende ~Wiederholung~ der historischen,
+sofern sie aus der letzteren begründet wird. Paulus und Justin setzen
+beide gleich, indem sie die Gemeindefeier mit der historischen Feier
+gegeben sein lassen. Dabei entstehen dann Gedankengänge, die für uns
+ganz überraschend sind.
+
+Es handelt sich um I Kor 11 _26_. In V. _24_ und _25_ vollzieht Jesus
+die Einsetzung. Wer redet in V. _26_? Das γάρ, sofern es sich zum
+Vorhergehenden begründend verhält, schliesst den Subjektswechsel aus.
+Der Ausdruck τὸν θάνατον τοῦ κυρίου zeigt aber an, dass die historische
+Situation verlassen ist und Paulus von der Gemeindefeier redet. Dazu
+passt aber das γάρ nicht, denn was für die Gemeindefeier gilt, ist
+nicht eine ~Begründung~ zu den Worten Jesu, sondern eine ~Folgerung~
+aus dem historischen Spruch. In diesem Satz vollzieht also Paulus den
+Uebergang von der historischen Feier zur Gemeindefeier so, dass er
+beide für einen Augenblick gleichsam zusammenschiebt.
+
+Darum schmilzt er zwei Sätze, von denen der erste der historischen
+Situation, der zweite der Darlegung über die Gemeindefeier angehört,
+ineinander.
+
+ 1. Jesus zu den Jüngern im Anschluss an die Gleichnisse: »denn
+ (γάρ) so oft ihr von diesem Brot esset und von diesem Wein
+ trinket, verkündet ihr meinen Tod, bis dass ich komme.«
+
+ 2. Paulus der Gemeinde das Wesen ihrer Feier aus der historischen
+ erklärend: »Darum (ὥστε), so oft ihr von diesem Brot esset und
+ von diesem Wein trinket, verkündet ihr des Herrn Tod, bis dass er
+ komme.«
+
+Justin bietet ein Seitenstück zu diesem schillernden Uebergang. Er
+fasst in der berühmten Darlegung I Apol. 65 und 66 die historische
+Feier und die Gemeindefeier in einem gemeinsamen Ausdruck zusammen,
+indem er sie bezeichnet als: ἡ δι' εὐχῆς λόγου τοῦ παρ' αὐτοῦ (sc.
+Jesu) εὐχαριστηθεῖσα τροφή. Dieser Ausdruck bekundet eine Gleichsetzung
+der beiden Feiern, die weit über unseren Begriff der entsprechenden
+Wiederholung hinausgeht. Die Speise bei der Gemeindefeier ist, wie bei
+der historischen, durch Jesu Gebetswort geheiligt. Ein Unterschied
+besteht also nicht.
+
+Was die Gleichbildung der beiden Akte anzeigt, wird durch die
+Argumentierung, mit welcher Paulus und Justin die Gemeindefeier mit
+der historischen Feier verbinden, bestätigt: Sie sehen die historische
+Feier nur in der Beleuchtung der Gemeindefeier.
+
+Solange die Textvergleichung ausschliesslich auf die Entdeckung der
+wahrscheinlichsten und ansprechendsten Form der ~Einsetzungsworte~
+ausging, bestand die Vorstellung der Möglichkeit einer paulinischen
+oder justinischen Sondertradition zu Recht, da beide »die
+Einsetzungsworte« in sowohl unter sich unabhängigen als von den beiden
+älteren Synoptikern grundverschiedenen Fassungen boten. Prüft man aber
+die ~Berichte als Berichte~, frägt man sie, ohne den verlockenden
+Anpreisungen ihrer »Einsetzungsworte« Gehör zu geben, was sie von
+dem Verlauf und dem Wesen des gesamten historischen Vorgangs, bei
+welchem diese Gleichnisse geredet wurden, wissen, dann ist es mit der
+Scheinoriginalität aus. Es zeigt sich, dass sie sich die historische
+Feier der ihnen geläufigen Gemeindefeier entsprechend vorstellen,
+nur dass Jesus dabei Speise und Trank austeilt und die bekannten
+Gleichnisse redet. Also geht auch ihre Fassung »der Einsetzungsworte«
+nicht auf eine paulinische oder justinische Sondertradition zurück,
+sondern sie ist geschichtlich aus der vorausgesetzten Gemeindefeier zu
+erklären. Paulus und Justin differieren in ihren »Einsetzungsworten«,
+weil und insofern die justinische von der paulinischen Gemeindefeier
+differiert. Zwischen beiden muss in der Auffassung der Feier eine
+Wandlung eingetreten sein.
+
+So führt die neue Problemstellung eine neue Auffassung der Authentie
+mit sich, welche sich nicht mehr auf ~Meinungen, sondern auf Gesetze~
+gründet. Als authentisch gilt nicht mehr die kürzeste oder scheinbar
+klarste Relation »der Einsetzungsworte«, ~sondern die Darstellung des
+gesamten historischen~ Vorgangs, für welche eine Beeinflussung durch
+die Gemeindefeier nicht nachgewiesen werden kann, ob uns nun die
+betreffende »Einsetzungsformel« zusagt oder nicht.
+
+Bisher galt es für interessant, mit einer gewissen skeptischen
+Nonchalance die Behauptung hinzuwerfen, dass wir über die Authentie
+der Berichte niemals etwas wissen können. Selbst wenn unter unseren
+Berichten ein authentischer sich befände, so hätten wir doch kein
+Mittel, ihn unter den andern herauszufinden. Durch die neue Auffassung
+der Authentie ist diese Skepsis abgethan. Wir besitzen einen
+authentischen Bericht. Wer es bestreiten will, muss nachweisen, dass
+der Markusbericht ein durch die andern Darstellungen desavouiertes
+Phantasieprodukt ist. Authentisch oder sinnlos: das ist die einzig
+offene Alternative.
+
+
+=2. Die Folgerungen aus der Authentie des Markusberichts.=
+
+Die neue Auffassung der Authentie bezeichnet den ersten Erfolg der
+neuen Problemstellung. Er öffnet dem neuen Lösungsversuch den Weg.
+Jesus forderte die Jünger auf, seinen Leib zu essen und sein Blut zu
+trinken: dieser angenommene gemeinsame Thatbestand aller Berichte
+schien den Weg zu versperren. Durch die Authentie des Markusberichts
+wird aber dieser Scheinthatbestand ausser Kraft gesetzt. Es ist
+historisch bestätigt, was aus der Kritik der modernen Auffassungen
+geschlossen wurde: Jesus hat seine Jünger nicht aufgefordert, seinen
+Leib und sein Blut zu geniessen, sondern er hat die Gleichnisworte im
+Verlauf, nicht vor dem Genuss gesprochen. Das Kelchwort kommt erst,
+nachdem alle getrunken haben!
+
+Also haben wir einen Bericht, bei dem das Wesen der Feier nicht auf den
+Gleichnissen, sondern auf dem feierlichen Vorgang beruht. Das hatte die
+neue Problemstellung gefordert. Nun ist es Thatsache geworden. ~Also
+ist das Abendmahlsproblem für die historische Kritik lösbar.~
+
+
+=3. Das Messianitäts- und Leidensgeheimnis im Abendmahl.=
+
+Die Bedeutung der Darreichung der Genusselemente bleibt vorerst
+rätselhaft. Nur das Negative ist klar, dass nämlich die Gleichnisse
+nicht aus der symbolischen Handlung des Brechens und aus dem
+vorausgesetzten Ausgiessen des Weins an sich erklärt werden dürfen.
+Das darstellende Moment spielt in den Berichten keine Rolle und
+verschwindet zuletzt ganz, wie der justinische Text zeigt, wo das
+Brechen nicht einmal mehr erwähnt wird.
+
+Wollte man die Gleichnisse nach dem authentischen Markustext deuten, so
+müsste man das erste aus dem Brechen, das zweite aus der Thatsache,
+dass alle Jünger getrunken haben, erklären. Man bekäme also zwei ganz
+verschieden geartete Gleichnisse.
+
+Die Gleichnisse vom Leib und Blut müssen aber irgendwie den
+Leidensgedanken enthalten. Dass Jesus damit das Geheimnis seines
+Leidens zum letztenmal ausgesprochen hat, ist in den Umständen dieses
+letzten Zusammenseins gegeben. Wenn wir also die Gleichnisse nicht
+richtig zu verstehen vermögen, kann dies nur daran liegen, dass wir das
+~Geheimnis des Leidensgedankens~ falsch auffassen.
+
+Nun ist es die Eigentümlichkeit aller modern-historischen
+Abendmahlsauffassungen, dass sie in der Feier ~den eschatologischen
+Gedanken~ nicht zur Geltung bringen. Sie verwenden das Wort von dem
+Neutrinken in des Vaters Reich nicht als eine das Wesen jenes letzten
+Mahls mitkonstituierende Aussage, sondern machen daraus bestenfalls ein
+Anhangswort.
+
+Im Markustext nimmt es aber eine Hauptstellung ein. Es ist das mit
+erhobener Stimme feierlich und eindringlich gesprochene Schlusswort
+der Feier. Dabei hängt es mit dem Wort vom vergossenen Blut eng und
+unzertrennlich zusammen, so dass es mit ihm einen einzigen Gedanken
+zu bilden scheint. ~Diese enge Verbindung zwischen dem Todes- und
+Wiederkunftsgedanken ist charakteristisch für den zweiten Akt der
+Situation bei Markus.~
+
+Demselben Zusammenhang begegnen wir aber auch bei Paulus und zwar in
+beiden Akten. Nach ihm — und er beruft sich dabei ausdrücklich auf den
+historischen Hergang — besteht die Bedeutung des Essens und Trinkens
+irgendwie in der Verkündigung des Todes des Herrn zugleich mit der
+Erwartung seiner Parusie. »So oft ihr dieses Brot esset und diesen Wein
+trinket, verkündigt ihr den Tod des Herrn, bis dass er komme.«
+
+In der authentischen Relation der historischen Feier und in der
+ältesten Relation der Gemeindefeier haben wir also beidemal
+eine organische Verbindung zwischen dem Leidensgedanken und der
+eschatologischen Erwartung. Es ist daher falsch, das Wesen der Feier
+in der letzten Aussprache des Todesgedankens allein zu finden.
+~Nicht von seinem Tod, sondern von seinem Tod und der baldigen
+Wiedervereinigung mit ihnen beim Mahle im neuen Reich~ hat Jesus zu
+den Seinen geredet. Das Geheimnis seines Todes, welches bei dieser
+Feier in der ergreifendsten und erhebendsten Weise zum letztenmal
+von Jesus ausgesprochen wurde, enthält den Leidensgedanken im engsten
+Zusammenhang mit der eschatologischen Erwartung.
+
+Die modern-historischen Abendmahlsauffassungen sind also unhistorisch,
+weil der Leidensgedanke, mit dem sie operieren, keinen Zusammenhang
+mit der Eschatologie aufweist. Darum können sie den wesentlichen
+Grundzug der historischen Feier und der ältesten Gemeindefeier nicht
+zum Ausdruck bringen. Um das Wesen des letzten Mahles zu begreifen,
+bedarf es daher eines Einblicks in den eschatologischen Charakter des
+Leidensgeheimnisses Jesu. Diesen kann man nicht aus der Feier selbst
+gewinnen, da Jesus dort das Geheimnis im Gleichnis ausspricht. Das
+Gleichnis aber vermögen wir nicht zu deuten.
+
+~Beim letzten Mahl handelt Jesus als Messias, und zwar als leidender
+Messias.~ Wenn wir sein Handeln nicht verstehen, so liegt dies mithin
+daran, dass wir sein Messianitäts- und Leidensgeheimnis falsch
+verstehen. Das Abendmahl kann nur aus dem Zusammenhang des Lebens Jesu
+begriffen werden. Unsere Abendmahlsauffassungen sind falsch — ~also
+ist die Auffassung des Lebens Jesu, welche uns dazu geführt hat, auch
+falsch.~
+
+Das Abendmahlsproblem ist das Problem des Lebens Jesu! Eine neue
+Abendmahlsauffassung kann nur aus einer neuen Auffassung des Lebens
+Jesu hervorwachsen, welche das Messianitäts- und Leidensgeheimnis so
+enthält, dass sein feierliches Handeln beim letzten Mahle begreiflich
+und verständlich wird. ~Ein neues Leben Jesu:~ das ist der einzige Weg
+zur Lösung des Abendmahlsproblems.
+
+
+
+
+Anmerkungen zur Transkription:
+
+Die erste Zeile entspricht dem Original, die zweite Zeile enthält die
+Korrektur.
+
+
+S. XV:
+
+ 3. Das Ergebnis des Textkritik
+ 3. Das Ergebnis der Textkritik
+
+S. 13:
+
+ Vergleiche zum folgenden den verhängnisvollen Vortrag
+ Vergleiche zum Folgenden den verhängnisvollen Vortrag
+
+S. 17:
+
+ sondern auf einer eschatologichen Vorstellung vom Endmahl
+ sondern auf einer eschatologischen Vorstellung vom Endmahl
+
+S. 25:
+
+ wenn der Fall an sie herantritt, im stande seien, ihrerseits ihre Seele
+ wenn der Fall an sie herantritt, imstande seien, ihrerseits ihre Seele
+
+S. 54:
+
+ τοῦτο τὸ ποτήριον ἡ καινὴ διαδήκη ἐν τῷ αἵματί μου
+ τοῦτο τὸ ποτήριον ἡ καινὴ διαθήκη ἐν τῷ αἵματί μου
+
+
+
+
+
+End of the Project Gutenberg EBook of Das Abendmahl im Zusammenhang mit dem
+Leben Jesu und der Geschichte des Urc, by Albert Schweitzer
+
+*** END OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK DAS ABENDMAHL IM ZUSAMMENHANG ***
+
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+and the Online Distributed Proofreading Team at
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+one owns a United States copyright in these works, so the Foundation
+(and you!) can copy and distribute it in the United States without
+permission and without paying copyright royalties. Special rules,
+set forth in the General Terms of Use part of this license, apply to
+copying and distributing Project Gutenberg-tm electronic works to
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+Gutenberg is a registered trademark, and may not be used if you
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+rules is very easy. You may use this eBook for nearly any purpose
+such as creation of derivative works, reports, performances and
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+subject to the trademark license, especially commercial
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+paragraph 1.C below. There are a lot of things you can do with Project
+Gutenberg-tm electronic works if you follow the terms of this agreement
+and help preserve free future access to Project Gutenberg-tm electronic
+works. See paragraph 1.E below.
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+or PGLAF), owns a compilation copyright in the collection of Project
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+ and discontinue all use of and all access to other copies of
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+interpreted to make the maximum disclaimer or limitation permitted by
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+provision of this agreement shall not void the remaining provisions.
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+that arise directly or indirectly from any of the following which you do
+or cause to occur: (a) distribution of this or any Project Gutenberg-tm
+work, (b) alteration, modification, or additions or deletions to any
+Project Gutenberg-tm work, and (c) any Defect you cause.
+
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+Section 2. Information about the Mission of Project Gutenberg-tm
+
+Project Gutenberg-tm is synonymous with the free distribution of
+electronic works in formats readable by the widest variety of computers
+including obsolete, old, middle-aged and new computers. It exists
+because of the efforts of hundreds of volunteers and donations from
+people in all walks of life.
+
+Volunteers and financial support to provide volunteers with the
+assistance they need are critical to reaching Project Gutenberg-tm's
+goals and ensuring that the Project Gutenberg-tm collection will
+remain freely available for generations to come. In 2001, the Project
+Gutenberg Literary Archive Foundation was created to provide a secure
+and permanent future for Project Gutenberg-tm and future generations.
+To learn more about the Project Gutenberg Literary Archive Foundation
+and how your efforts and donations can help, see Sections 3 and 4
+and the Foundation information page at www.gutenberg.org
+
+
+Section 3. Information about the Project Gutenberg Literary Archive
+Foundation
+
+The Project Gutenberg Literary Archive Foundation is a non profit
+501(c)(3) educational corporation organized under the laws of the
+state of Mississippi and granted tax exempt status by the Internal
+Revenue Service. The Foundation's EIN or federal tax identification
+number is 64-6221541. Contributions to the Project Gutenberg
+Literary Archive Foundation are tax deductible to the full extent
+permitted by U.S. federal laws and your state's laws.
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+The Foundation's principal office is located at 4557 Melan Dr. S.
+Fairbanks, AK, 99712., but its volunteers and employees are scattered
+throughout numerous locations. Its business office is located at 809
+North 1500 West, Salt Lake City, UT 84116, (801) 596-1887. Email
+contact links and up to date contact information can be found at the
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+Literary Archive Foundation
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+array of equipment including outdated equipment. Many small donations
+($1 to $5,000) are particularly important to maintaining tax exempt
+status with the IRS.
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+The Foundation is committed to complying with the laws regulating
+charities and charitable donations in all 50 states of the United
+States. Compliance requirements are not uniform and it takes a
+considerable effort, much paperwork and many fees to meet and keep up
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+have not met the solicitation requirements, we know of no prohibition
+against accepting unsolicited donations from donors in such states who
+approach us with offers to donate.
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+any statements concerning tax treatment of donations received from
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+methods and addresses. Donations are accepted in a number of other
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+To donate, please visit: www.gutenberg.org/donate
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+Section 5. General Information About Project Gutenberg-tm electronic
+works.
+
+Professor Michael S. Hart was the originator of the Project Gutenberg-tm
+concept of a library of electronic works that could be freely shared
+with anyone. For forty years, he produced and distributed Project
+Gutenberg-tm eBooks with only a loose network of volunteer support.
+
+Project Gutenberg-tm eBooks are often created from several printed
+editions, all of which are confirmed as Public Domain in the U.S.
+unless a copyright notice is included. Thus, we do not necessarily
+keep eBooks in compliance with any particular paper edition.
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+Archive Foundation, how to help produce our new eBooks, and how to
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index 0000000..6efc0dd
--- /dev/null
+++ b/old/44366-8.txt
@@ -0,0 +1,3569 @@
+The Project Gutenberg EBook of Das Abendmahl im Zusammenhang mit dem Leben
+Jesu und der Geschichte des Urchristentums, by Albert Schweitzer
+
+This eBook is for the use of anyone anywhere at no cost and with
+almost no restrictions whatsoever. You may copy it, give it away or
+re-use it under the terms of the Project Gutenberg License included
+with this eBook or online at www.gutenberg.org
+
+
+Title: Das Abendmahl im Zusammenhang mit dem Leben Jesu und der Geschichte des Urchristentums
+ Erstes Heft. Das Abendmahlsproblem auf Grund der
+ wissenschaftlichen Forschung des 19. Jahrhunderts und der
+ historischen Berichte.
+
+Author: Albert Schweitzer
+
+Release Date: December 5, 2013 [EBook #44366]
+
+Language: German
+
+Character set encoding: ISO-8859-1
+
+*** START OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK DAS ABENDMAHL IM ZUSAMMENHANG ***
+
+
+
+
+Produced by Jana Srna, Michael Waddell, Eleni Christofaki
+and the Online Distributed Proofreading Team at
+http://www.pgdp.net
+
+
+
+
+
+
+
+
+
+Anmerkungen zur Transkription:
+
+Schreibweise und Interpunktion des Originaltextes wurden bernommen;
+lediglich offensichtliche Druckfehler wurden korrigiert. Eine Liste
+der vorgenommenen nderungen findet sich am Ende des Textes. Folgende
+Zeichen sind fr die verschiedene Schriftformen benutzt:
+
+ _Kleinschrift_
+ =fett gedruckter Text=
+ +kursiv gedruckter Text+
+ ~gesperrt gedruckter Text~
+ ^{hochgestellter Text}
+
+
+
+
+ Das Abendmahl
+
+ im
+
+ Zusammenhang mit dem Leben Jesu
+
+ und der
+
+ Geschichte des Urchristentums
+
+ von
+
+ Lic. Dr. Albert Schweitzer
+
+ in Strassburg i. E.
+
+
+ Erstes Heft.
+
+ Das Abendmahlsproblem
+
+ auf Grund
+ der wissenschaftlichen Forschung des 19. Jahrhunderts
+ und der historischen Berichte.
+
+ [Illustration]
+
+ =Tbingen= und =Leipzig=.
+ Verlag von ~J. C. B. Mohr~ (Paul Siebeck).
+ 1901.
+
+
+
+
+ +Das Recht der Uebersetzung in fremde Sprachen behlt sich die
+ Verlagsbuchhandlung vor.+
+
+
+ C. A. Wagner's Universittsbuchdruckerei in Freiburg i. B.
+
+
+
+
+ Seinem Lehrer
+
+ Herrn Prof. D. Dr. =H. J. Holtzmann=
+
+ gewidmet
+
+ in aufrichtiger Verehrung und treuer Anhnglichkeit
+
+ von seinem dankbaren Schler
+
+ =Albert Schweitzer=.
+
+
+
+
+=~Vorrede~ zu einer neuen Untersuchung ber das Abendmahl.=
+
+
+Der Anstoss zu der vorliegenden Arbeit ging von SCHLEIERMACHER aus.
+Im Jahre 1897 erhielt ich nmlich als Thema fr meine schriftliche
+Examensarbeit folgende Aufgabe gestellt: Die Abendmahlslehre
+SCHLEIERMACHER's soll dargestellt und mit den im neuen Testament und in
+den Bekenntnisschriften niedergelegten Auffassungen verglichen werden.
+
+Ich hatte mich bis dahin mit der Abendmahlsfrage gar nicht beschftigt
+und war ber die neuesten Forschungen in keiner Weise orientiert,
+hatte auch keine Zeit dies nachzuholen, weil die Arbeit innerhalb acht
+Wochen abgeliefert werden musste. So war ich einzig auf die Texte und
+die bekenntnismssigen Formulierungen der verschiedenen Konfessionen
+angewiesen.
+
+Die SCHLEIERMACHER'sche Dialektik ersetzte mir aber alles. Sie
+zergliedert nmlich das Problem so, dass es als Ganzes und zugleich in
+allen Details vor einem steht. Man braucht nur geschichtlich Ernst zu
+machen mit dem dialektischen Spiel, das er mit vollendeter Kunst zur
+Beruhigung und Vershnung der Geister und zugleich zu seinem eigenen
+sthetischen Ergtzen auffhrt, dann ist man genau auf dem Standpunkt
+der modernen historischen Forschung angekommen.
+
+Ein Satz besonders ist hier entscheidend. In 139 _3_ der
+Glaubenslehre redet er vom usseren Verlauf unserer Feier und
+zeigt, wie wir uns bei der Reproduktion der historischen Umstnde
+naturgemss auf das Wesentliche beschrnken mssen. Wollte man z.
+B. einen bedeutenden Nachdruck auf den Zusammenhang, in welchem das
+historische Mahl mit dem Passahmahl stand, legen, so wrde man alsbald
+zur Folgerung gedrngt werden, dass das Abendmahl jetzt nicht mehr
+das sein knne, als was es Christus gestiftet habe und also auch
+wohl nicht knne von ihm als eine selbstndige und immer dauernde
+Institution fr die Kirche verordnet sein. Dieses Bedenken, so fhrt
+er dann fort, liegt so nahe, ~dass es sich leicht in der evangelischen
+Kirche lautbarer machen kann, als bisher der Fall gewesen~, und
+veranlasst natrlich die Frage, worauf unser Glaube in dieser Sache
+eigentlich beruhe. Schwerlich wird sich behaupten lassen, dass aus
+den uns aufbewahrten Worten Christi ~diese Absicht ganz bestimmt
+hervorgehe.~ Vielmehr enthalten einige unserer Erzhlungen gar ~keinen
+solchen Befehl~ (Markus und Matthus), und in den andern ist er nur
+unbestimmt ausgedrckt (Lukas und Paulus); und da die Apostel aus den
+Worten Christi beim Fusswaschen keinen solchen Befehl entnommen haben,
+so ~htten sie auch Recht gehabt, aus dem Abendmahl ebensowenig eine
+bestimmte und allgemeine Institution zu machen!~ Da nun aber offenbar
+ist, dass sie das eine gethan haben und das andere nicht, so knnen
+wir uns an das halten, ~was sie eingerichtet haben,~, ohne dass wir
+zu entscheiden brauchten, ob Christus ihnen ber das Abendmahl noch
+andere ausdrckliche Anweisungen gegeben, oder ob sie dieselben aus
+seinen Worten gefolgert oder nur durch den unmittelbaren Eindruck der
+Sache und durch die begleitenden Umstnde anders bestimmt worden sind
+in Bezug auf das Abendmahl als in Bezug auf das Fusswaschen. In dem
+letzten Fall wrden wir dann das Abendmahl nur nicht ganz in demselben
+Sinn als eine unmittelbare Einsetzung Christi ansehen knnen, immer
+aber doch glauben mssen, dass sie in seinem Sinn gehandelt haben, wenn
+wir nicht auch in ihrem ~engsten Berufskreise ihr kanonisches Ansehen
+aufgeben wollen~.
+
+Unsere Abendmahlsfeier beruht in letzter Linie nicht auf einer
+ausdrcklichen Verordnung Jesu! GRAFE ist also ganz unschuldig! Was er
+als ehrlicher Historiker in der Nachfolge anderer Historiker, von der
+Wucht der Thatsachen gedrngt, bedchtig und schonungsvoll aussprach,
+das hat SCHLEIERMACHER in seiner Glaubenslehre keck hingeworfen.
+Whrend man aber dem eleganten Spiel des Dialektikers verstndnisvoll
+zunickte, nahm man es dem ehrsamen Historiker gar bel, als er ungefhr
+dasselbe zu sagen wagte. Vielleicht auch haben die temperamentvollen
+Gegner GRAFE's diese Seite in ihrem SCHLEIERMACHER berschlagen oder
+sie hielten dafr, dass der betreffende Abschnitt, weil er zeitlich
+schon einige gute Jahrzehnte zurckliegt, auch in zweideutigen Dingen
+als rechtglubig passieren drfe. Es ist merkwrdig: In der Theologie
+darf heutzutage einer fast alles sagen, was er will, wenn er es nur
+vornehm und geistreich mit einem gewissen eleganten Skeptizismus thut.
+Fr den ehrlichen Menschen, der redet, weil sein Gewissen ihn zwingt,
+ist man aber unnachsichtlich.
+
+Die Behauptung, die SCHLEIERMACHER zum erstenmal vollstndig klar
+ausgesprochen hat, die dann aber fr Jahrzehnte ganz unter den
+Tisch fiel, ist dazu angethan, einen im kantischen Sinn aus dem
+dogmatischen Schlummer zu wecken. Sie zeigt nmlich, dass nicht
+nur die kirchlichen, sondern geradesogut die wissenschaftlichen
+Abendmahlsauffassungen dem wirklichen Thatbestand nicht gerecht werden.
+Die kirchlichen Auffassungen setzen voraus, dass Jesus die Feier zur
+Wiederholung bestimmt habe, knnen aber nicht nachweisen, dass er es
+wirklich angeordnet hat, da der betreffende Befehl bei den ltesten
+Zeugen fehlt. Eine Reihe wissenschaftlicher Auffassungen gehen davon
+aus, dass die Feier nicht zur Wiederholung bestimmt war, knnen aber
+dann nicht erklren, warum sie doch schon in der allerersten Gemeinde
+aufkam -- und das ist doch auch eine unbedingt feststehende Thatsache.
+
+Der Zusammenhang zwischen den beiden Feiern, der historischen und der
+Gemeindefeier, bleibt also gleich unbegreiflich, ob man sie durch den
+Wiederholungsbefehl direkt kausal miteinander verbindet oder ob man
+sich mit der Konstatierung der reinen zeitlichen Aufeinanderfolge
+begngt und die Kausalitt dahingestellt sein lsst. ~SCHLEIERMACHER
+ist der Hume der Kausalittsfrage im Abendmahlsproblem.~
+
+Der Vergleich der verschiedensten und zeitlich so weit
+auseinanderliegenden Abendmahlslehren mit der SCHLEIERMACHER'schen
+Ansicht fhrte mich vor die Frage, was denn das Beharrende bei diesem
+steten Wechsel der Auffassungen sei. Ist es nicht denkbar, dass alle
+Phasen, in denen sich das Abendmahlsproblem auswirkt, durch dieselben
+Gesetze beherrscht sind und dass also an diesen Gesetzen die wahre
+historische Auffassung sich zu erproben hat?
+
+Nachdem ich daher meine Examensarbeit zu Ende gefhrt und die mir
+in Umrissen schon vorschwebende neue Auffassung in allgemeinen
+Strichen angedeutet hatte, machte ich mich daran, alle Epochen
+der Abendmahlsfrage -- die altchristliche, die mittelalterliche,
+die reformatorische und die moderne -- grndlich zu studieren,
+fest entschlossen, nicht eher mit der neuen Auffassung an die
+Oeffentlichkeit zu treten, als bis ich sie fr alle Epochen
+durchgefhrt htte und so die Gewissheit bessse, dass sie die ganze
+Geschichte des Abendmahls von der historischen Feier bis in die
+neueste Zeit erklrt. Zu dieser Arbeit habe ich vier Jahre gebraucht.
+Darum verffentliche ich, was mir schon im Herbst 1897, ~unabhngig
+von der modernen Forschung, feststand~, erst im Herbst 1901, im
+Zusammenhang mit der Darstellung und Beurteilung der historischen
+Abendmahlsforschung im 19. Jahrhundert.
+
+Ich habe die Stellung des Problems an der wissenschaftlichen
+Abendmahlsforschung im 19. Jahrhundert entwickelt, weil uns diese
+Periode am nchsten liegt. Man htte aber geradesogut jede andere Phase
+dazu benutzen knnen, da die Gesetze in allen dieselben sind.
+
+Die Absicht dieser Arbeit geht weiter als auf die Aufstellung einer
+neuen historischen Abendmahlsauffassung. Sie verfolgt den praktischen
+Zweck, ~die historische Grundlage unserer modernen Abendmahlsfeier
+abzugeben und das Bestehende geschichtlich zu rechtfertigen.~ Es ist
+nmlich nicht zu leugnen, dass unsere Gemeindefeier, nach dem jetzigen
+Stand der Wissenschaft, in der Luft hngt. Wenn der Wiederholungsbefehl
+historisch nicht fundiert ist, was soll dann unsere Wiederholung
+bedeuten?
+
+Den Glubigen zwar ficht diese Sorge vorerst wenig an und soll ihn
+wenig berhren. Es ist nicht die Sache der Leute, welche ber die
+Brcke gehen, sich ngstlich darum zu kmmern, ob durch die Fluten die
+Fundamente nicht langsam unterwaschen worden sind, sondern das liegt
+den Architekten ob. Diese mssen, wenn sie eine Senkung auch nur von
+einem Millimeter wahrnehmen, unverzglich einer eventuellen Katastrophe
+entgegenarbeiten, sogar wenn den Passanten die Sache vorerst ganz
+belanglos scheint. So muss auch die theologische Wissenschaft auf
+das Fundament des Glaubens sehen und darauf achten, ob nicht die
+historische Grundlage der Institution, welche gleichsam die Brcke vom
+Vergnglichen zum Unvergnglichen bildet, durch den Strom der Zeit
+unterwaschen ist und ob nicht durch die historische Weltanschauung eine
+ganz andere Fundierung unserer Abendmahlsfeier notwendig wird als
+bisher.
+
+SCHLEIERMACHER hat gesagt, dass das Bedenken, die Berechtigung der
+Wiederholung betreffend, sich leicht in der evangelischen Kirche
+lautbarer machen knnte, als bisher der Fall gewesen. Und wenn dies
+nun eintritt, was dann? Solange das Problem der Berechtigung und
+Notwendigkeit unserer Abendmahlsfeier wissenschaftlich nicht gelst
+ist, kann durch den geringfgigsten Umstand eine die ffentliche
+Meinung aufs usserste aufregende und unerquickliche dogmatische
+Errterung dieser Frage eintreten, zu der der Fall GRAFE nur ein kurzes
+idyllisches Vorspiel wre.
+
+Das Schlimmste dabei wre, dass diese Errterung, einmal in die
+Oeffentlichkeit gezerrt, notwendig resultatlos bliebe. Denn der
+wissenschaftlich denkende Mensch wird diese Frage immer wieder
+aufwerfen mssen, whrend derjenige, der sich mehr auf den Standpunkt
+des kirchlichen Glaubens stellt, sie notwendig niederschlagen wird,
+in dem richtigen Empfinden, dass solche theoretische Bedenken eine
+so heilige und erhebende und durch den urchristlichen Usus in
+ihrer Art wieder so geschichtlich fundierte Feier nicht gefhrden
+drfen. Der Verteidiger wird sogar eigentlich die Geschichte auf
+seiner Seite haben. Denn, wenn das Abendmahl von Anfang an in der
+christlichen Gemeinde gefeiert worden ist, so ist doch diese Thatsache,
+vollstndig objektiv betrachtet, viel entscheidender als das Fehlen
+des Wiederholungsbefehls in zwei alten Berichten. Wir haben es eben
+mit einer ganz unerklrlichen Antinomie zu thun, bei der man sich sehr
+hten muss, irgend welche Folgerungen gegen unsere Feier zu ziehen,
+besonders wenn man bedenkt, dass man damit ein Stck des ltesten
+und heiligsten Bestandes des christlichen Glaubens angreift. Nehmen
+wir vorerst lieber an, dass uns der Schlssel zur Erklrung der
+historischen und der urchristlichen Feier und zum Verstndnis ihres
+Zusammenhangs fehlt.
+
+Es ist die Aufgabe der Wissenschaft, gefhrliche Fragen in Angriff zu
+nehmen, ehe sie die ffentliche urteilslose Meinung in Unruhe bringen,
+den Zndstoff zu beseitigen und in der Stille segensreiche Arbeit zu
+thun.
+
+Als SCHLEIERMACHER in seiner Glaubenslehre die damals nur in seiner
+dialektischen Phantasie existierenden Parteien vor sich beschied,
+mutete er ihnen zu, sich auf die Anerkennung des kanonischen Ansehens
+der Apostel in ihrem engsten Berufskreise zu vergleichen. Auf diesen
+Vergleich kann man aber im Ernst nicht eingehen. Das Sprchlein bannt
+das Gespenst nicht. Wir wollen den Aposteln die gebhrende Ehrfurcht
+sicher gern erweisen, aber unsere Abendmahlsfeier auf ihr kanonisches
+Ansehen allein grnden, das drfen wir nicht.
+
+Rcken wir die Frage ins rechte Licht. Unsere Abendmahlsfeier
+entspringt dem Vorgehen der ersten Gemeinde, zu der die Apostel
+gehren. In die Geschichte bersetzt, lautet die Frage nach dem
+kanonischen Ansehen der Apostel in ihrem engsten Berufskreise also
+folgendermassen: Welches waren die Motive, durch welche die erste
+Gemeinde bestimmt wurde, eine derartige im Zusammenhang mit dem letzten
+Mahl Jesu stehende Feier zu begehen? War das Willkr oder Notwendigkeit?
+
+Daran schliesst sich eine zweite Frage, die SCHLEIERMACHER
+unbercksichtigt gelassen hat. Wenn die erste Gemeinde aus bestimmten
+Grnden die Feier wiederholt hat, gelten diese auch noch fr uns?
+Besteht in der historischen Feier als solcher auch fr uns eine direkte
+Notwendigkeit, dass wir daraus irgendwie eine Feier ableiten, oder
+handelt es sich nur um etwas Ueberkommenes?
+
+Darauf lautet die Antwort der Geschichte: es war eine absolute
+Notwendigkeit, dass das Abendmahl trotz des Fehlens des
+Wiederholungsbefehls bei der ersten Gemeinde in Aufnahme kam, und
+diese Notwendigkeit besteht auch noch fr uns zu Recht. Unsere Feier
+grndet sich nicht auf die geschichtliche Ueberlieferung oder auf die
+unkontrollierbare Autoritt bestimmter Persnlichkeiten, sondern direkt
+auf die historische Feier. So ist unser Abendmahl berechtigt, geboten
+und notwendig von sich selbst aus.
+
+Die neue geschichtliche Erkenntnis fhrt aber nicht nur die Vershnung
+hinsichtlich der Berechtigungsfrage herbei, sondern auch hinsichtlich
+der Frage nach der Bedeutung der Feier.
+
+Niemand kann sich der Einsicht verschliessen, dass unsere Feier
+eigentlich sehr drftig und unlebendig ist, wenn sie nur auf die
+Darstellung eines Doppelgleichnisses durch die Reproduktion einer
+historischen Situation geht, wo der Pfarrer die Stelle Jesu und die
+Glubigen die Stelle der Jnger einnehmen. Andererseits stellen die
+konfessionellen Auffassungen Zumutungen an ernste Christen, die sie
+entweder zur Gedankenlosigkeit oder zur Gewissenlosigkeit erziehen und
+den Zweifel und Spott geradezu herausfordern.
+
+Knnten beide Auffassungen aus ihrer Sprache heraustreten, dann
+wrden sie darin bereinkommen, dass der Sinn der Feier etwas
+Geheimnisvolles ist, wo der Einzelne mit der feiernden Gemeinschaft
+und der Persnlichkeit unseres Herrn in ein besonders heiliges
+Verhltnis tritt. Nun zwingen aber die unglcklichen Einsetzungsworte
+den Einen durch die rein symbolische Deutung hinter diesem Geheimnis
+zurckzubleiben, den Andern durch die wrtliche Deutung ber dieses
+Geheimnis hinauszugehen und das Unfassbare zu behaupten. Die
+Vermittlungsversuche sind am schlimmsten daran. In der Sache und dem
+religisen Gehalt nach mgen sie richtig sein, aber in der Deutung
+der Gleichnisse sind sie gequetscht und geknstelt, dass ein Mensch
+mit ehrlichem Verstand sie nicht zu ertragen vermag. So wie die
+Einsetzungsworte liegen und nach der Rolle, die man ihnen bisher
+in der Feier zuwies, sind nur die rein symbolische oder die krass
+realistische Deutung zulssig. Was dazwischen ist, ist vom Uebel.
+
+Auch hier bringt die wahre geschichtliche Erkenntnis die Befreiung
+von der unnatrlichen Alternative, indem sie zeigt, dass die
+Stellung, die man den Gleichnissen in dem Ganzen der Feier anwies,
+geschichtlich falsch ist. Die urchristliche Feier beruht nicht auf
+den Einsetzungsworten -- dies ist mein Leib, dies ist mein Blut --
+obwohl diese Worte bei der historischen Feier gesprochen worden sind.
+Also ist auch unsere Auffassung unabhngig von diesen rtselhaften
+Gleichnisworten.
+
+Diese kurzen Andeutungen mgen zeigen, dass diese Arbeit in einem
+praktisch aufbauenden und vershnenden Geiste geschrieben ist.
+Zwar wird man, von den gewohnten Auffassungen herkommend, zunchst
+mannigfach an dieser Untersuchung Anstoss nehmen, da sie die Vershnung
+nicht durch eine neue Vermengung oder Verdunkelung, sondern einzig
+und allein durch geschichtliche Wahrhaftigkeit und Unbefangenheit
+herbeifhren will. ~Wir mssen an die Geschichte glauben~, d.
+h. wir mssen der Zuversicht sein, dass mit dem Fortschritt der
+geschichtlichen Erkenntnis zugleich die Vertiefung und Einigung im
+Glauben notwendig verbunden ist, obwohl es manchmal vorerst nicht den
+Anschein hat. In diesem Glauben habe ich diese Untersuchung begonnen
+und zu Ende gefhrt.
+
+Diese Arbeit erscheint in drei Heften. ~Das erste~ behandelt das
+Problem, wie es sich aus der Forschung des 19. Jahrhunderts und aus den
+Berichten ergibt. ~Das zweite~ sucht die Grundlage der historischen
+Feier in dem Leben und in den Gedanken Jesu. Es stellt sich dar als die
+Skizze einer neuen Auffassung des Lebens Jesu. Das ~dritte~ behandelt
+das Abendmahl in der urchristlichen und in der altchristlichen Epoche
+und zeigt, wie sich daraus die rmische Messe und das griechische
+Mysterium mit gleicher Berechtigung und Notwendigkeit entwickelt haben.
+Das erste und das zweite Heft erscheinen miteinander. Das dritte wird
+denselben in thunlichster Blde folgen.
+
+Zum Schluss fhle ich mich gedrungen, allen meinen Freunden, die mir
+bei dieser Arbeit behlflich gewesen sind, den Herrn Pfarrern A. ERNST
+und R. WILL zu Strassburg, A. HUCK und ED. UNSINGER zu Schiltigheim und
+dem Herrn Vikar ALFRED ERICHSON in Strassburg, meinen tiefgefhlten
+Dank auszusprechen.
+
+ ~Strassburg~, im August 1901.
+
+
+
+
+=Inhaltsangabe des ersten Heftes.=
+
+
+ Seite
+
+ ~Vorrede zu einer neuen Untersuchung ber das Abendmahl~ V-XII
+
+
+ =Erster Teil.=
+
+ =Das Abendmahlsproblem auf Grund der wissenschaftlichen Forschung des
+ 19. Jahrhunderts= 1-44
+
+
+ +Erstes Kapitel+ 1-5
+
+ =Einleitung.=
+
+ 1. Der Skeptizismus in der Abendmahlsforschung 1-2
+
+ 2. Der Ansatzpunkt 2-3
+
+ 3. Die Einzelfragen 3-5
+
+ 4. Die vier Typen der Abendmahlsauffassungen 5
+
+
+ +Zweites Kapitel+ 5-7
+
+ =Das Vorspiel. Zwingli und Calvin.=
+
+
+ +Drittes Kapitel+ 7-10
+
+ =Die doppelseitigen Auffassungen mit Zugrundelegung des
+ Darstellungsmoments und abgeleiteter Geltendmachung des Genussmoments.=
+
+ 1. Die erste Hlfte des 19. Jahrhunderts. DE WETTE, EBRARD und RCKERT
+ 7-8
+
+ 2. Die zweite Hlfte des 19. Jahrhunderts. TH. KEIM, K. V. WEIZSCKER,
+ WILLIBALD BEYSCHLAG, H. HOLTZMANN, PAUL LOBSTEIN, W. SCHMIEDEL
+ 8-10
+
+
+ +Viertes Kapitel+ 10
+
+ =Ueberblick ber die Auffassungen mit Zugrundelegung des
+ Genussmoments.=
+
+
+ +Fnftes Kapitel+ 11-21
+
+ =Die Auffassungen mit einseitiger Herausarbeitung des Genussmoments.=
+
+ 1. Die Vorperiode. FR. STRAUSS, BRUNO BAUER, E. RENAN 11-13
+
+ 2. Die modernen Versuche. W. BRANDT, FR. SPITTA, A. EICHHORN 13-14
+
+ 3. W. BRANDT 14-15
+
+ 4. FR. SPITTA 15-16
+
+ 5. Kritik der Auffassung SPITTA's 16-18
+
+ 6. A. EICHHORN 18-19
+
+ 7. Die neue Thatsache 19-20
+
+ 8. Die Skepsis in der Folge der einseitigen Herausarbeitung des
+ Genussmoments 20
+
+ 9. Der logische Grund der Skepsis 20-21
+
+
+ +Sechstes Kapitel+ 21-26
+
+ =Die doppelseitigen Auffassungen mit Zugrundelegung des Genussmoments
+ und abgeleiteter Geltendmachung des Darstellungsmoments.=
+
+ AD. HARNACK, ERICH HAUPT, FR. SCHULTZEN, R. A. HOFFMANN.
+
+ 1. Allgemeines 21-22
+
+ 2. AD. HARNACK 22-23
+
+ 3. ERICH HAUPT 23-24
+
+ 4. FR. SCHULTZEN 24-25
+
+ 5. R. A. HOFFMANN 25-26
+
+
+ +Siebentes Kapitel+ 26-31
+
+ =Der gesetzmssige Zusammenhang zwischen den Einzelfragen.=
+
+ 1. Der Wiederholungsbefehl 26-27
+
+ 2. Das Abendmahl und die urchristliche Gemeindemahlzeit 27-30
+
+ 3. Die Antinomie zwischen der historischen und der urchristlichen Feier
+ 30-31
+
+
+ +Achtes Kapitel+ 31-37
+
+ =Die Auffassungen mit einseitiger Geltendmachung des
+ Darstellungsmoments.=
+
+ 1. Das Gefechtsfeld 31-32
+
+ 2. Der Verteidigungsplan. P. W. SCHMIEDEL 32-34
+
+ 3. Die Offensive. ADOLF JLICHER 34-36
+
+ 4. Die Skepsis in den Auffassungen mit einseitiger Geltendmachung des
+ Darstellungsmoments 36-37
+
+
+ +Neuntes Kapitel+ 37-44
+
+ =Die neue Problemstellung.=
+
+ 1. Das Ergebnis der Untersuchung 37-40
+
+ 2. Der neue Weg 40-44
+
+
+ =Zweiter Teil.=
+
+ =Das Abendmahlsproblem auf Grund der historischen Berichte= 45-62
+
+
+ +Zehntes Kapitel+ 45-48
+
+ =Die textkritischen Fragen.=
+
+ 1. Cod. D. Die textkritische Hauptfrage 45-46
+
+ 2. Abweichende Lesarten 47
+
+ 3. Das Ergebnis der Textkritik 47-48
+
+
+ +Elftes Kapitel+ 48-50
+
+ =Die Eigenart des Markusberichts= (Mk 14 _22-26_).
+
+
+ +Zwlftes Kapitel+ 50-56
+
+ =Der Vergleich der Berichte.=
+
+ 1. Das Prinzip der Gleichbildung 50
+
+ 2. Der matthische Bericht (Mt 26 _26-29_) 50-51
+
+ 3. Der paulinische Bericht (I Kor 11 _23-26_) 51-53
+
+ 4. Der lukanische Bericht (Lk 22 _14-20_) 53-55
+
+ 5. Der justinische Bericht (I Apol 66) 55-56
+
+
+ +Dreizehntes Kapitel+ 56-62
+
+ =Die Authentie des Markusberichts.=
+
+ 1. Der Beweis 56-60
+
+ 2. Die Folgerungen aus der Authentie des Markusberichts 60
+
+ 3. Das Messianitts- und Leidensgeheimnis im Abendmahl 60-62
+
+
+
+
+=Erster Teil.=
+
+=Das Abendmahlsproblem auf Grund der wissenschaftlichen Forschung des
+19. Jahrhunderts.=
+
+
+Erstes Kapitel.
+
+=Einleitung.=
+
+
+=1. Der Skeptizismus in der Abendmahlsforschung.=
+
+Es gibt Fragen, welche in dem Denken der Menschheit auftauchen, das
+volle geistige Interesse einer Epoche in Anspruch nehmen und dann
+wieder zurcktreten, ohne ihre Lsung gefunden zu haben und ohne dass
+es klar ist, wie sie ungelst an Interesse verlieren konnten.
+
+Jahrhunderte gehen darber hin. Dann, durch eine Wendung in der
+Geschichte, wird dieselbe Frage wieder in den Vordergrund geschoben und
+das Spiel wiederholt sich.
+
+Zu diesen intermittierenden Vulkanen gehrt die ~Abendmahlsfrage.~
+Drei Aktionsperioden sind bis jetzt zu verzeichnen. Die erste ist die
+lngste. Sie dauert ungefhr zehn Jahrhunderte. Mit der Dauer steht die
+Intensitt im umgekehrten Verhltnis. Wir haben keinen feuerspeienden
+Berg, sondern einen Krater mit langsamem Lavaausfluss. Einige Erdstsse
+-- die frnkischen Abendmahlskontroversen -- bezeichnen den Schluss der
+Aktionsperiode.
+
+Die Art, wie die Frage in der Reformationszeit neu auftaucht, ist
+in hchstem Grade berraschend. Man sollte meinen, dass, in dem
+gemeinsamen Gegensatz aller reformatorischen Auffassungen zur rmischen
+Theorie, die innerprotestantischen Gegenstze gerade in dieser
+Frage Aussicht hatten, bis auf weiteres latent zu bleiben. Statt
+dessen wird gerade die Abendmahlsfrage der Pol, nach dem sich die
+Gedanken orientieren. Diese zweite, dogmatische Periode, war in ihrem
+eigentlichen Verlauf ebenso kurz wie heftig. Sie umfasst kaum drei
+Jahrzehnte. Dann wird die Abendmahlsfrage fr die Dogmatik eine Frage
+neben andern. SCHLEIERMACHER's Glaubenslehre, die wissenschaftliche
+Begrndung der Vermittlungsversuche, behandelt sie fast anhangsweise.
+
+Die dritte Periode wird durch die historisch-kritische Forschung
+heraufgefhrt. Wir stehen mitten darin, so aber, dass die Mittagszeit
+bereits hinter uns liegt. Schon kndigt sich nmlich die Erschpfung
+an. Nachdem eine Reihe der letzterschienenen Abhandlungen die
+Zuversicht, das Problem durch die historische Kritik lsen zu knnen,
+nicht mehr so entschieden zur Geltung kommen liessen, wie dies frher
+der Fall war, greift jetzt eine ausgesprochen skeptische Stimmung
+Platz, deren Sprache man in dem Aufsatz EICHHORNS's[1] vernehmen kann.
+
+An diesem Skeptizismus ist etwas unbedingt Berechtigtes. Er geht
+nmlich von der Thatsache aus, dass durch die ganze Forschung des 19.
+Jahrhunderts die Lsung des Problems ferner gerckt ist als je. Die
+Schwierigkeiten sind gerade durch die historisch-kritische Methode in
+viel strkerem Masse hervorgetreten, als man frher jemals ahnen konnte.
+
+Unberechtigt daran ist aber die Art, der historischen gewissenhaften
+Kritik gegenber vornehm zu thun und aus der Thatsache, dass sie bis
+jetzt in dem Problem nicht zum Ziele gefhrt hat, ihre Inferioritt
+einer excentrischen berkritischen Unkritik gegenber zu proklamieren.
+Statt dessen sollte man eher nach den Grnden forschen, warum die
+historische Kritik die Lsung dieser Frage bisher nicht herbeifhren
+konnte.
+
+
+=2. Der Ansatzpunkt.=
+
+Das Abendmahlsproblem setzt sich aus einer Reihe von Einzelfragen
+zusammen, die in den verschiedenen Auffassungen verschieden beantwortet
+und verschieden mit einander in Zusammenhang gebracht werden.
+Gewhnlich dreht sich nun die Kritik um diese Einzelfragen. Man
+untersucht, ob die Fassung der Einsetzungsworte haltbar ist, ob die
+Exegese der Gleichnisse richtig ist, wie die betreffende Abhandlung
+sich zur chronologischen Frage stellt, auf welche Art sie den
+behaupteten oder verneinten Zusammenhang zwischen Abendmahl und Passah
+begrndet und dergleichen.
+
+~Der folgenden Untersuchung kommt es mehr auf die Gesamtauffassung
+an und auf den Zusammenhang, in welchem die Einzelfragen unter
+einander stehen.~ Wchst eine Abendmahlsanschauung aus einer Reihe von
+selbstndigen Entscheidungen ber die schwebenden Einzelfragen heraus,
+oder sind nicht diese Einzelfragen durch einen inneren verborgenen
+Mechanismus so mit einander verbunden, dass mit der einen zugleich ber
+die andern entschieden wird? Welches sind die Gesetze, nach denen sich
+die Einzelfragen im Abendmahlsproblem gegenseitig bedingen? Das ist
+die Frage, welche uns beschftigt. Nur sie kann uns darber Aufschluss
+geben, warum die historisch-kritische Methode nicht zum Ziele fhren
+konnte.
+
+
+=3. Die Einzelfragen.=
+
+Liegt die Bedeutung der Gleichnisse darin, dass Jesus das Brot bricht
+und den Wein im Kelch herumreicht? Oder beruht sie darin, dass die
+Jnger dieses Brot essen und diesen Wein trinken?
+
+Hat er die Worte ber Brot und Wein als Gleichnisse gemeint, oder will
+er damit andeuten, dass die Jnger seinen Leib und sein Blut durch den
+Genuss sich irgendwie aneignen?
+
+Fand das Mahl im Zusammenhang mit dem Passahmahl statt, sodass fr die
+Worte Jesu und ihr Verstndnis Passahgedanken vorausgesetzt werden
+drfen?
+
+Erlaubt es die Chronologie der Evangelien, Jesum noch am Passahabend im
+Kreise seiner Jnger zu sehen?
+
+Hat er den Jngern befohlen, die Feier zu wiederholen?
+
+Was hat er ihnen zu wiederholen geboten?
+
+Ist es mglich, dass der Stifter ihnen zumutet, seine eigenen Worte
+zu wiederholen, die nur in seinem Munde und in jenem historischen
+Momente einen Sinn haben?
+
+Angenommen, der Wiederholungsbefehl ist nicht historisch, wie kommen
+denn die Jnger dazu, die Feier dennoch zu wiederholen?
+
+Wie ist es mglich, dass im Urchristentum Paulus die Wiederholung als
+auf den Herrn zurckgehend in die Darstellung der historischen Feier
+eintrgt?
+
+Wie erklrt sich das Fehlen des historischen Berichts im vierten
+Evangelium, da doch Kap. 6 die Feier voraussetzt?
+
+Steht es im allgemeinen nicht so, dass mit der Annahme des
+Wiederholungsbefehls das psychologische Verstndnis der historischen
+Feier unmglich wird, whrend unter Voraussetzung seines Fehlens die
+Wiederholung in der ersten Gemeinde ganz unbegreiflich ist?
+
+Hat sich das Abendmahl an ein Passahmahl angeschlossen, wie ist
+dann, mit oder ohne Wiederholungsbefehl, die ~tgliche Feier~ in der
+urchristlichen Zeit begreiflich?
+
+Waren Agape und Herrenmahl getrennt, standen sie in irgend einem
+Zusammenhang, oder waren sie identisch?
+
+Wie verlief berhaupt die Herrenmahlsfeier im Urchristentum? Wie
+sind die Angaben der Didache mit den paulinischen Schilderungen und
+Forderungen in I Kor 11 zu vereinigen?
+
+In welchem Verhltnis stehen die Kunde und die Auffassung der
+historischen Feier, welche die Didache und Paulus voraussetzen, zu dem
+Bilde der historischen Feier in den Synoptikern?
+
+Wie erklrt sich das gnzliche Zurcktreten des Leidensgedankens und
+der Situation der historischen Feier in der Didache?
+
+Welche Bedeutung kam dem eschatologischen Moment in der urchristlichen
+Abendmahlsfeier zu?
+
+In welchem Zusammenhang steht das eschatologische Schlusswort Jesu von
+dem Neutrinken im Reich des Vaters mit dem Verlauf der historischen
+Feier?
+
+Wie lassen sich die Abweichungen der synoptischen Berichte erklren?
+
+Die paulinische Darstellung ist die chronologisch lteste; der
+Lukastext nach Cod. D der krzeste; der Markustext steht im
+Zusammenhang mit der einfachsten und glaubwrdigsten evangelischen
+Geschichtsdarstellung, und der justinische Bericht ist mglicherweise
+unabhngig von unseren Evangelien. Welchem der vier grundverschiedenen
+Texte gebhrt der Vorzug?
+
+In welche Verbindung stellte das Urchristentum die Teilnahme am
+Herrenmahl mit der Vorstellung von der Erlsung?
+
+Wir nehmen an, die Reproduktion der Herrenworte bei der urchristlichen
+Feier ist eine freie gewesen; die Bedeutung dieser Worte konnte aber
+nur eine einzige sein. Wie ist es erklrlich, dass wir aus der ganzen
+urchristlichen Zeit, ja eigentlich bis ins beginnende Mittelalter
+hinein keine Kunde von Auseinandersetzungen ber den Sinn dieser Worte
+haben? Die Einsicht, dass die Vorstellungen im Urchristentum noch
+einen gewissen Grad der Flssigkeit aufweisen, reicht zur Erklrung der
+obigen Thatsache nicht aus.
+
+
+=4. Die vier Typen der Abendmahlsauffassungen.=
+
+Bei der Darstellung der wissenschaftlichen Abendmahlsdebatte
+unterscheiden wir zunchst zwei Hauptstrmungen. Wir teilen die
+Abhandlungen danach ein, ob sie fr ihre Auffassung das ~Darstellungs-~
+oder das ~Genussmoment~ zu Grunde legen. ~Unter dem Darstellungsmoment
+verstehen wir das Handeln und Reden Jesu whrend der historischen
+Feier; unter dem Genussmoment die Bedeutung des Essens und Trinkens
+der Teilnehmer, wie sie sich aus dem Wesen der Feier ergeben soll.~
+Neben den Darstellungen, die eines dieser beiden Momente mit
+Ausserachtlassung des andern einseitig herausarbeiten, gibt es noch
+andere, doppelseitige, die eines der Momente zu Grunde legen, dabei
+aber dem zweiten nebenschliche Geltung zugestehen. Wir haben also im
+ganzen vier Haupttypen, zwischen denen die mannigfachsten Vermittlungen
+mglich sind.
+
+ 1. ~Auffassungen mit einseitiger Herausarbeitung des
+ Darstellungsmoments.~
+
+ 2. ~Doppelseitige Auffassungen mit Zugrundelegung des
+ Darstellungsmoments und abgeleiteter Geltendmachung des
+ Genussmoments.~
+
+ 3. ~Auffassungen mit einseitiger Herausarbeitung des Genussmoments.~
+
+ 4. ~Doppelseitige Auffassungen mit Zugrundelegung des Genussmoments
+ und abgeleiteter Geltendmachung des Darstellungsmoments.~
+
+Im folgenden werden diese Auffassungen dargestellt in der Ordnung, wie
+sie geschichtlich in die Erscheinung getreten sind.
+
+
+Fussnoten:
+
+[1] Das Abendmahl im Neuen Testament von ALBERT EICHHORN, (Leipzig
+1898), Hefte zur Christlichen Welt No. 36.
+
+
+
+
+Zweites Kapitel.
+
+=Das Vorspiel. Zwingli und Calvin.=
+
+
+Das Verdienst, das Abendmahlsproblem zuerst wissenschaftlich behandelt
+zu haben, gebhrt ZWINGLI. Die Bedeutung der historischen Feier beruht
+nach ihm auf dem symbolischen Handeln Jesu. Durch das Brechen des
+Brotes und das Darbieten des Weines kndigt der Herr seinen Tod an.
+Er verordnet die Wiederholung der Feier, damit die Christen bei dem
+gebrochenen Brot und dem vergossenen Wein seines Todes gedenken.
+
+Die Schwche dieser Auffassung liegt darin, dass ZWINGLI den
+Hauptnachdruck allein auf das Handeln Jesu legt. Er kann die
+historische Feier erklren, -- ~aber nicht die Wiederholung~, bei
+welcher notwendig der Nachdruck nicht auf dem Handeln Jesu, sondern
+auf dem der Teilnehmer, dem Genuss des Brotes und des Weines,
+ruht. Es gelingt nicht begreiflich zu machen, warum die Jnger
+die Gleichniselemente genossen und noch viel weniger, warum auch
+sptere Geschlechter bei der Wiederholung noch essen und trinken und
+nicht bloss ~anschauen~, um sich an dem erzhlten und dargestellten
+Abendmahlshandeln Jesu zu erbauen. Dass ZWINGLI's Lehre dogmatisch
+nicht befriedigen konnte, lag in letzter Linie an der Einseitigkeit
+seiner wissenschaftlichen Exegese.
+
+So musste seine Auffassung auch wissenschaftlich durch diejenige
+verdrngt werden, welche dem Genuss der Teilnehmer einen Platz neben
+dem darstellenden Abendmahlshandeln Jesu anweisen konnte. Dies leistete
+die Abendmahlslehre CALVIN's.
+
+Bei ihm liegt die Symbolik zu gleichen Teilen in dem begrndet, was
+Jesus mit den Elementen vornimmt (Brechen des Brotes und Ausgiessen
+des Weines), und in dem, was die Teilnehmer mit den Elementen beginnen
+(Essen des Brotes und Trinken des Weines). In dieser Betonung der
+Darbietung und der Aneignung als der beiden Grundmomente des Abendmahls
+beruht die wissenschaftliche Strke der calvinischen Abendmahlslehre.
+Die historische Feier kann er weniger gut erklren, als es ZWINGLI
+gethan; dafr ist es ihm aber mglich, ihre Wiederholung als notwendig
+darzuthun, indem die ~Wertung des Genusses~, nicht allein ~der Befehl
+Jesu~, den Zusammenhang zwischen der historischen und der wiederholten
+Feier aufrecht erhlt.
+
+Es waren also nicht nur ~dogmatische~, sondern auch ~wissenschaftliche~
+Interessen, welche den Sieg der calvinischen Abendmahlsauffassung
+ber die zwinglische bedingten. Die zum Teil auf wissenschaftlicher
+Grundlage beruhende Auseinandersetzung zwischen diesen beiden
+Ansichten bildete ein kurzes Vorspiel zu der grossen historischen
+Abendmahlsdebatte im 19. Jahrhundert.
+
+Da die doppelseitige Auffassung durch den Sieg CALVIN's ber
+ZWINGLI allgemein verbreitet war, setzte die historische Forschung
+die Doppelseitigkeit voraus. Sie betonte hauptschlich das
+Darstellungsmoment, weil die exegetische Anschaulichkeit dafr sprach.
+So wurden zunchst die doppelseitigen Auffassungen mit Zugrundelegung
+des Darstellungsmoments wissenschaftlich ausgeprgt.
+
+
+
+
+Drittes Kapitel.
+
+=Die doppelseitigen Auffassungen mit Zugrundelegung des
+Darstellungsmoments und abgeleiteter Geltendmachung des Genussmoments.=
+
+
+=1. Die erste Hlfte des 19. Jahrhunderts. De Wette, Ebrard und
+Rckert.=
+
+DE WETTE vertritt die doppelseitige Auffassung in seinen
+Kommentaren.[2] Das Brechen und das Essen des Brotes, das Ausgiessen
+und das Trinken des Weins bedingen zusammen die Bedeutung der Elemente
+bei der Feier. Der Hauptnachdruck liegt aber auf dem Brechen, dem
+darstellenden Moment. Die Betonung des Genussmoments ist mehr
+nebenschlicher Art.
+
+Von AUGUST EBRARD[3] wird auf den Genuss der gleiche Wert gelegt wie
+auf das Brechen und Ausgiessen. Beide Momente gehren zusammen und
+bedingen sich gegenseitig. Jesus reicht das gebrochene Brot zum Essen
+und den ausgegossenen Wein zum Trinken dar.[4]
+
+Bei EBRARD ist die energische Betonung des Genussmoments durch seinen
+Zusammenhang mit der reformiert-calvinischen Auffassung begreiflich.
+Aus rein wissenschaftlichen Grnden findet sich das strkere
+Herausarbeiten desselben Moments bei IMMANUEL RCKERT.[5] Seine
+klassische Schrift fasst den ganzen Ertrag der wissenschaftlichen
+Diskussion der Abendmahlsfrage in der ersten Hlfte des 19.
+Jahrhunderts zusammen. Die Handlung Jesu und der Genuss von seiten
+der Teilnehmer werden in gleicher Weise betont. In jedem dieser beiden
+Momente liegt eine besondere Symbolik. Jesus bricht das Brot und gibt
+es zum Essen, er giesst den Wein ein und bietet ihn zum Trinken dar.[6]
+
+
+=2. Die zweite Hlfte des 19. Jahrhunderts. Th. Keim, K. v. Weizscker,
+W. Beyschlag, H. Holtzmann, P. Lobstein, W. Schmiedel.=
+
+In der zweiten Hlfte des 19. Jahrhunderts lsst sich eine breite und
+ruhige Strmung verfolgen, welche beide Momente mit sich fhrt, jedoch
+so, dass das Darstellungsmoment die Grundstrmung, das Genussmoment die
+Oberstrmung bildet. Folgende Aussprche geben die Richtung des Stromes
+an.
+
+ TH. KEIM. ~Geschichte Jesu von Nazara.~ 1872 Bd. III S. 232 bis 290
+ (Das Nachtmahl Jesu).
+
+Man hat den Eindruck, dass es sich fr Jesus doch um etwas mehr
+handelte, als nur um ein sprechendes Sinnbild seines irgendwie zum
+Heil der Jnger zu brechenden und zu ttenden Leibes vor den Gsten
+aufzustellen, man hat den Eindruck einer Gabe; diese Gabe liegt
+erstlich darin, dass er in nachdrcklicher, in endgltiger Weise als
+den Zweck seines bevorstehenden Todes das Heil der Jnger nennt,
+sodann, dass er im Zusammenhang damit die Sinnbilder dieses Heils den
+Erben dieses Heils nicht nur zum ~Anschauen~, sondern ~geradezu zum
+Nehmen und Geniessen~ bergibt, das Besitztum des Heilstodes und seine
+Frchte in ihre Hnde deponiert. S. 272.
+
+ KARL V. WEIZSCKER. ~Apostolisches Zeitalter.~ 1886 S. 596 bis 602.
+
+WEIZSCKER vertritt eine interessante Differenzierung in der Symbolik
+der beiden Akte. Das Brot ist das Sinnbild der ~Gegenwart Christi~ in
+der Gemeinde, der Wein aber das Sinnbild ~seines Todes~, durch welchen
+er das neue Passahopfer geworden ist. S. 598.
+
+ W. BEYSCHLAG. ~Das Leben Jesu.~ 1893 Bd. II S. 434-442.
+
+Der Sinn der Abendmahlsstiftung ist vollkommen klar: Sein Leib,
+der fr uns gebrochen, sein Blut, das fr uns vergossen wird, ist
+sein Leben, das er fr uns in den Tod gibt, -- fr uns dahingibt,
+damit es in uns wirksam werde; damit es, vom inwendigen Menschen
+~angeeignet~, wie der ussere Mensch Speise und Trank in sich aufnimmt,
+ihm Speise und Trank ewigen Lebens werde, und so die in Ihm gekommene
+Erlsung, den in Ihm gekommenen neuen Bund der Gottgemeinschaft in uns
+vollziehe. S. 439.
+
+ H. HOLTZMANN. ~Biblische Theologie.~ 1897 Bd. I S. 296-304.
+
+Geschichtliche Voraussetzung und bereinstimmendes Resultat der
+letzten Forschungen ist, dass Jesus seinen Jngern Brot und Wein zum
+Genusse dargereicht und dabei mit Beziehung auf das gebrochene Brot von
+seinem Leib, mit Beziehung auf den ausgegossenen Wein von seinem Blut
+gesprochen, letzteres insonderheit zugleich als Bundesblut bezeichnet
+hat. S. 296.
+
+ PAUL LOBSTEIN. ~La doctrine de la sainte cne.~ Lausanne 1899.
+
+Ceci est mon corps, dit Jsus en rompant le pain qu'il distribue
+ses disciples; cette coupe est la nouvelle alliance dans mon sang
+vers pour vous, leur dit-il en faisant circuler la coupe. S. 46. Le
+pain que Jsus rompt pour les disciples et qu'il leur distribue, ils
+doivent s'en nourrir: De mme que je vous convie manger de ce pain,
+ainsi vous tes appels vous assimiler le fruit de ma mort, les
+effets salutaires de ce don de moi-mme, de ce corps bris et livr
+pour vous. S. 47.
+
+ WILHELM SCHMIEDEL. ~Die neuesten Ansichten ber den Ursprung des
+ Abendmahls.~ Protestantische Monatshefte, III. Jahrgang Heft 4 1899.
+
+Das Bedeutsame ist in erster Linie im ~Brechen des Brotes und
+Ausgiessen~ des Weines aus dem Krug in den Becher zu sehen. Die
+Austeilung dieser Speisen zum Genuss schliesst sich als etwas zweites
+an. ~Um der Hauptsache willen wre es nicht ntig gewesen: aber da man
+einmal beim Mahle sass, war es naturgemss.~ S. 147.
+
+Die gemeinsamen Grundzge dieser Darstellungen sind also folgende:
+Brot und Wein sind Leib und Blut Christi, weil er an ihnen seinen
+Tod und dessen Heilswert versinnbildlicht hat. Dabei fordert er die
+Jnger zum Genuss auf; das soll bedeuten, dass ihnen die Wohlthaten
+seines Leidens zu gute kommen, wenn sie verstehen, sich dieselben
+anzueignen. Die Wiederholung ist erfolgt zum Teil, weil der religise
+Wert dieser Handlung von den Teilnehmern eingesehen wurde, zum Teil,
+weil Jesus durch einen Befehl oder eine Andeutung dazu aufforderte. Auf
+den Zusammenhang mit dem Passah wird Wert gelegt, ohne dass er jedoch
+fr die Auffassung als absolut notwendig erklrt wrde. Ueberhaupt
+haben diese Darstellungen etwas Schwankendes. Sie vereinigen die
+mannigfachsten Gesichtspunkte mit einander, sodass es fast unmglich
+ist, sie in kurzen Stzen prcis wiederzugeben.
+
+Deshalb ist es auch nicht ratsam von ihnen auszugehen, um die Gesetze
+des Zusammenhangs zwischen den Einzelfragen aufzustellen. Die Krisis in
+diesem Zustand wurde erst durch die Auffassungen mit Zugrundelegung des
+Genussmoments heraufgefhrt.
+
+
+Fussnoten:
+
+[2] Vgl. DE WETTE's Commentar zu Matthus (1836) und zu Johannes (1837).
+
+[3] Das Dogma vom heiligen Abendmahl und seine Geschichte von Dr.
+AUGUST EBRARD. 2 Bde., 1845.
+
+[4] Vgl. Bd. I S. 79-120.
+
+[5] Das Abendmahl, sein Wesen und seine Geschichte in der alten
+Kirche von Dr. LEOPOLD IMMANUEL RCKERT, Professor in Jena, 1856.
+
+[6] Vgl. Bd. I S. 61-131.
+
+
+
+
+Viertes Kapitel.
+
+=Ueberblick ber die Auffassungen mit Zugrundelegung des Genussmoments.=
+
+
+Greift man aus der Geschichte der wissenschaftlichen
+Abendmahlsuntersuchung die Werke heraus, welche in allgemeiner Weise
+das Genussmoment zu Grunde legen, so fgen sich folgende Namen in
+bunter, zusammenhangsloser Reihe aneinander: DAVID FR. STRAUSS, BRUNO
+BAUER, E. RENAN, ADOLF HARNACK, FR. SPITTA, W. BRANDT, ERICH HAUPT,
+FRIEDRICH SCHULTZEN, RICH. AD. HOFFMANN und ALBERT EICHHORN. In dieser
+Reihe haben wir keine natrliche Kontinuitt, wie in der vorher
+betrachteten. Bei nherem Zusehen ergeben sich zwei Epochen. Die erste
+fllt in die Mitte des Jahrhunderts (FR. STRAUSS, BRUNO BAUER, E.
+RENAN). Die zweite beginnt am Anfang der neunziger Jahre (HARNACK und
+SPITTA) und kommt noch vor Ablauf des Jahrzehnts zu ihrem naturgemssen
+Abschluss (A. EICHHORN).
+
+STRAUSS, BRUNO BAUER, E. RENAN, W. BRANDT, SPITTA und EICHHORN bieten
+~Auffassungen mit einseitiger Herausarbeitung des Genussmoments.~ ADOLF
+HARNACK, ERICH HAUPT, FRIEDRICH SCHULTZEN und R. A. HOFFMANN vertreten
+die ~doppelseitigen Darstellungen~ mit Zugrundelegung des Genussmoments
+und abgeleiteter Geltendmachung des Darstellungsmoments.
+
+
+
+
+Fnftes Kapitel.
+
+=Die Auffassungen mit einseitiger Herausarbeitung des Genussmoments.=
+
+
+=1. Die Vorperiode. Fr. Strauss, Bruno Bauer, E. Renan.=
+
+Fr die Auffassungen mit einseitiger Herausarbeitung des Genussmoments
+gibt es zwei Perioden. Die erste liegt gegen die Mitte des 19.
+Jahrhunderts zu, die zweite gegen das Ende. FRIEDRICH STRAUSS
+bezeichnet die erste, FRIEDRICH SPITTA die zweite.
+
+STRAUSS[7] fhrt aus, dass die Uebersetzung dies bedeutet, wenn
+sie sich auf das, was Jesus mit den Elementen thut, beziehen soll,
+bei weitem nicht ausreicht, ja gar nicht im Sinne der Verfasser der
+Evangelien gelegen haben kann. Den Schreibern unserer Evangelien ~war~
+das Brot im Abendmahl der Leib Christi ... htte man geschlossen,
+dass das Brot den Leib bloss ~bedeute~, so wrden sie sich dadurch
+nicht befriedigt haben (S. 436 ff.). Es ist kritisch nicht zulssig,
+dass Jesus seinen gewaltsamen Tod mit Bestimmtheit vor sich gesehen
+habe. Daher kann sich fr ihn die Symbolik bei der letzten Mahlzeit
+mit den Jngern gar nicht auf seinen Tod beziehen. Ebenso ist der
+Wiederholungsbefehl fr unhistorisch zu halten; dafr spricht das
+Schweigen der beiden ersten Evangelien und die Erwgung, dass
+berhaupt eine Gedchtnisfeier natrlicher aus dem Bedrfnis der
+Zurckbleibenden, als aus dem Plan des Scheidenden hervorgeht. Ein
+Passahmahl war diese letzte Mahlzeit mit den Jngern auch nicht.
+Das eigentlich Historische an der ganzen Ueberlieferung ist das
+eschatologische Schlusswort beim Becher: ich werde davon nicht mehr
+trinken, bis ich ihn neu trinken werde mit euch in meines Vaters Reich.
+In Jesu Gedanken bezieht es sich auf den nchsten Passahwein, nicht
+allgemein auf das Essen und Trinken. Von Mahlzeiten im messianischen
+Reich sprach er, gemss den Vorstellungen seiner Zeit, fters, und so
+mag er erwartet haben, das in demselben namentlich das Passahmahl mit
+besonderer Feierlichkeit werde begangen werden. Wenn er nun versichert,
+dieses Mahl nicht mehr in ~diesem~, sondern erst in ~jenem~ Aeon zu
+geniessen, so muss, nach seiner Erwartung, bis zur Feier des Passah
+das messianische Reich eintreten. Es ist dabei nicht ntig, dass Jesus
+das Erscheinen des Reiches an seinen Tod geknpft dachte. Die ganze
+urchristliche Abendmahlsauffassung erklrt sich daraus, dass statt des
+messianischen Reiches und seiner Passahfeier -- ~der Tod Jesu eintrat.~
+
+Die Gemeinde feierte das Passah. Es war natrlich, dass sich der
+Versuch darbieten musste, demselben durch die Beziehung auf den Tod
+und das letzte Mahl Jesu (welches kein Passahmahl gewesen) eine
+~christliche~ Deutung zu geben. So erklrt sich das Eindringen des
+Leidensgedankens und der Leidensweissagung in die historischen
+Abendmahlsberichte. Die Elemente erhielten eine Beziehung auf den
+Leib und auf das Blut Christi; dabei wurde das Wort Jesu, den Genuss
+des Passahweines betreffend, allgemein auf das Essen und das Trinken
+bezogen und mit Brot und Wein als seinem Leib und Blut in Verbindung
+gebracht. So entstand die Vorstellung von dem Wiederholungsbefehl.
+Die Neigung, das Gedchtnismahl vom Passah loszulsen und fters zu
+begehen, erklrt das Aufkommen eines derartigen Wortes.
+
+Diese geniale Auffassung von FR. STRAUSS enthlt bereits alle
+Faktoren, welche die spteren, das Genussmoment einseitig betonenden
+Abendmahlsdarstellungen kennzeichnen. Vor allem kommen hier in
+Betracht die Loslsung der historischen Feier vom Passahmahl, das
+Ausscheiden der Leidensanspielungen aus den Worten Jesu, die Erklrung
+der Wiederholung der Feier ohne Annahme des Wiederholungsbefehles
+und die Notwendigkeit, alle als unhistorisch erkannten Zge in
+den neutestamentlichen Abendmahlsdarstellungen (Anschluss an das
+Passahfest, Beziehung auf den Tod Christi und Wiederholungsbefehl) aus
+der Entwicklung der urchristlichen Feier in einem Zeitraum von nicht
+einmal zwei Jahrzehnten zu erklren.
+
+Will man diese Rckbildung nicht durch eine gewagte
+Geschichtskonstruktion erweisen, so bleibt nur wissenschaftliche
+Skepsis in irgend einer Form brig. Diesen Weg hat BRUNO BAUER[8]
+betreten. Er setzt voraus, dass die Berichte besagen wollen: ~der
+Herr reichte seinen Jngern seinen Leib und sein Blut zum Genuss
+dar.~ Der Wiederholungsbefehl ist eine Zuthat aus spterer Zeit mit
+abschwchender Tendenz. Man fhlte, dass man fr die historische
+Feier den Genuss so nicht aufrecht erhalten knne. Darum hob man
+die Beziehung auf die Zukunft, die der Formel an sich zu Grunde
+liegt, hervor. Jesus kann seinen Jngern nicht sein Fleisch und Blut
+dargereicht haben,[9] damit sie es assen; also ist der Bericht des
+Markus Phantasie, und alle andern Berichte sind Nachbildungen dieser
+Erfindung.
+
+Wie sehr gerade die Vollziehung des Genusses Voraussetzung der
+BAUER'schen Auffassung ist, zeigt sich darin, dass er dem Matthus
+vorwirft, er habe das bei Markus konstatierte Faktum des Trinkens von
+seiten der Jnger eigenmchtig in einen Befehl Jesu umgesetzt, was
+schon eine Milderung bedeute. Das eschatologische Schlusswort lsst
+er unbeachtet und schneidet sich so den Weg ab, der STRAUSS aus den
+Schwierigkeiten, welche die einseitige Betonung des Genussmomentes nach
+sich zieht, herausfhrte.
+
+Nach E. RENAN[10] hat Jesus am letzten Abend die gewhnliche gemeinsame
+Mahlzeit mit dem Brotbrechen im Kreise seiner Jnger gefeiert. Dans
+ce repas, ainsi que dans beaucoup d'autres, Jsus pratique son rite
+mystrieux de la fraction du pain. Das eschatologische Schlusswort
+ist fr RENAN zweifelhaft und ohne Bedeutung. Die synoptischen
+Abendmahlsberichte erklren sich nur aus der Entwicklung der spteren
+Anschauungen, fr welche das letzte Mahl ein Passahmahl war; dadurch
+drangen der Leidensgedanke, die Beziehung der Elemente auf den Leib
+Jesu und die Anordnung der Wiederholung in die Darstellung des letzten
+Mahles ein.
+
+
+=2. Die modernen Versuche. W. Brandt, Fr. Spitta, A. Eichhorn.=
+
+ Vergleiche zum Folgenden den verhngnisvollen Vortrag von E. GRAFE
+ (Die neuesten Forschungen ber die ursprngliche Abendmahlsfeier.
+ Zeitschrift fr Theologie und Kirche 1895) und die klare
+ Zusammenfassung von RUD. SCHFER (Das Herrenmahl nach Ursprung und
+ Bedeutung 1897).
+
+Erst das letzte Jahrzehnt des 19. Jahrhunderts bietet eine Abhandlung,
+in der die bei STRAUSS, BAUER und RENAN angedeuteten Gedanken
+sich in voller Schrfe und Konsequenz zu einem einheitlichen Bilde
+entwickeln. Es ist die epochemachende Arbeit SPITTA's. Die Werke von
+AD. HARNACK und W. BRANDT gehen ihr zeitlich in der Hervorhebung des
+ausschliesslichen Mahlzeitscharakters der historischen Feier voraus.
+Da jedoch HARNACK schon mehr zu den doppelseitigen Darstellungen
+mit Zugrundelegung des Genussmoments berleitet, ist es rtlich,
+ihn erst dort zu behandeln. Zudem hat er in der 3. Auflage seiner
+Dogmengeschichte (Bd. I S. 64) zu dem Lsungsversuch SPITTA's Stellung
+genommen und seine eigene Ansicht daraufhin neu formuliert.
+
+
+=3. W. Brandt.=
+
+ Die evangelische Geschichte und der Ursprung des Christentums.
+ Leipzig 1893 S. 283 ff.
+
+Die Hauptbedeutung der historischen Feier liegt in dem
+~gemeinschaftlichen Genuss.~ Durch das Gleichnis beim Abendmahl hat
+Jesus die gemeinsamen Mahlzeiten zum ~Symbol der Gemeinschaft~ gemacht.
+In der Bedeutung dieses Symbols ist der Grund der Wiederholung zu
+sehen. Eine Anspielung auf den Tod ist, wenn sie sich in dem Wort,
+welches das Brotbrechen begleitete, findet, fr das Wesen der Feier
+bedeutungslos.
+
+Die Aufnahme des Leidensgedankens und die Eintragung des
+Wiederholungsbefehls in unsere Berichte gehen auf eine Verschiebung
+in der urchristlichen Feier zurck. Diese ist dadurch bedingt, dass
+nach dem Jahre 70 wegen des Fehlens des Lammes Brot und Becher
+die vornehmsten Ingredienzen des jdischen Passahmahls bildeten;
+dadurch wurde eine Gleichgestaltung desselben mit der urchristlichen
+Herrenmahlsfeier angebahnt. So erklrt es sich, dass die letztere durch
+das erstere im usserlichen Verlauf und im Gedankengehalt beeinflusst
+wurde.
+
+In dieser ansprechenden Skizze finden wir die schon bei STRAUSS
+bemerkten Eigentmlichkeiten der das Genussmoment ausschliesslich
+betonenden Auffassungen wieder. Der Wiederholungsbefehl fehlt, und
+es kommt darauf an, den Leidenshinweis in unseren Berichten auf die
+Einwirkung spterer Gemeindevorstellungen zurckzufhren. Ob der von
+dem Verfasser angezeigte Weg wirklich zum Ziele fhrt, ist fraglich.
+Sicher ist, dass er eine grosse Schwierigkeit nicht bercksichtigt hat.
+Wie konnten die Jnger die Worte des Meisters in dem oben gebotenen
+Sinn verstehen? Wie konnten sie berhaupt begreifen, dass er bei der
+Darreichung von Brot und Wein sie aufforderte, seinen Leib und sein
+Blut zu geniessen?
+
+Es ist das unschtzbare Verdienst SPITTA's, diese Frage in den
+Vordergrund geschoben zu haben.
+
+
+=4. Fr. Spitta.=
+
+ Die urchristlichen Traditionen ber Ursprung und Sinn des
+ Abendmahls (zur Geschichte und Litteratur des Urchristentums). 1893
+ S. 207 bis 337.
+
+Der Sinn der Worte Jesu liegt einzig und allein in der Aufforderung zum
+Genuss. Das Genossene ist nach seinen Worten sein Leib und sein Blut,
+gerade ~dadurch, dass es genossen wird~! Das Brechen und Ausgiessen als
+die darstellende Handlung, welche den Elementen eine veranschaulichende
+Beziehung auf seinen Tod geben soll, lag seinen Gedanken fern. Die
+historische Feier war eine ~Mahlzeit~, bei welcher nach dem gemeinsamen
+Inhalt aller Berichte die Jnger auf seine Aufforderung hin die
+dargereichte Speise als seinen Leib essen und den eingegossenen Wein
+als sein Blut trinken sollten und dies auch thaten.
+
+STRAUSS und BRUNO BAUER hatten denselben Thatbestand als von den
+Quellen geboten konstatiert, wurden aber von hier aus gezwungen, die
+historische Thatschlichkeit des geschilderten Vorganges in Frage zu
+stellen und das Zustandekommen der Berichte sei es aus der Geschichte
+des Urchristentums (STRAUSS), sei es aus der Geschichte der Entstehung
+der christlichen Ueberlieferung berhaupt (BRUNO BAUER) zu erklren.
+Dass die Jnger auf die Aufforderung Jesu hin damals seinen Leib und
+sein Blut genossen haben sollen, ist fr sie eine unvollziehbare
+Vorstellung.
+
+SPITTA kann den Vorgang als historisch aufrecht erhalten durch
+Zuhlfenahme ~eschatologischer Gedankengnge.~ Anknpfend
+an die Vorstellung des messianischen Bundes, hat Jesus, wie
+die bereinstimmenden Zge aller Berichte zeigen, bei den
+Einsetzungsworten an das Essen und Trinken beim messianischen
+Mahl gedacht. In der prophetischen und in der apokalyptischen, in
+der Sapientia- und in der rabbinischen Litteratur stellt sich die
+Vollendung des Reiches in dem messianischen Mahl dar, ~wobei die
+genossene Speise der Messias selbst ist~! Auf Grund dieser Vorstellung
+konnte Jesus voraussetzen, dass die Jnger ihn verstehen wrden, wenn
+er sie aufforderte, beim Essen ihn selbst zu geniessen. Was er ihnen
+bietet, ist eine Vorwegnahme des grossen messianischen Mahles der
+Endzeit. In diesem Gedanken konnten sie den Leib des Messias essen und
+ihn in seinem Blut, dem Saft der Trauben, trinken.
+
+Das letzte Mahl war kein Passahmahl, der Leidensgedanke kam fr die
+Symbolik der Elemente nicht in Betracht, und der Wiederholungsbefehl
+ist unhistorisch. Diese Anschauungen sind spterer Art und nur dadurch
+verstndlich, dass infolge des inzwischen eingetretenen Todes Jesu
+die Auffassung seiner Worte bei der letzten Mahlzeit sich notwendig
+ndern musste. Die Feier wurde in Analogie zu dem Passahmahl gesetzt,
+weil jetzt die Deutung der Worte vom Leib und Blut auf seine Leiden
+unabweislich war. Damit drang die Vorstellung einer Stiftung notwendig
+mit ein.
+
+Bei Paulus halten sich die ursprngliche und die auf das Leiden
+bezogene Auffassung noch das Gleichgewicht. I Kor 10 _1_ ff. und I
+Kor 10 _14_ ff. kennen den Leidensgedanken noch nicht und betonen das
+Genussmoment. I Kor 11 _23_ ff. tritt das neue Moment in Sicht, welches
+Paulus bei der Bekmpfung der korinthischen Agapenskandale in die Feier
+eintrgt: ~die Feier hat es mit dem Tode Jesu zu thun.~
+
+Das Neue ist also bei SPITTA die Heranziehung eigentmlich
+eschatologischer Gedankengnge, durch welche er eine Feier als
+historisch aufrecht erhlt, bei der der Meister den zu Tische Liegenden
+Brot und Wein reichte mit der Aufforderung, seinen Leib zu essen und
+sein Blut zu trinken. In dem Wesen dieser Feier lag es begrndet, dass
+sie ohne ausgesprochenen Wiederholungsbefehl Aufnahme in der ersten
+Gemeinde fand. Von hier aus scheint es dann nicht unmglich, in der nun
+folgenden Entwicklung das Eintreten der Faktoren begreiflich zu machen,
+welche die neuen Zge in der Auffassung und Wertung der Feier bedingten.
+
+
+=5. Kritik der Auffassung Spitta's.=
+
+Die grosse Bedeutung der Untersuchung SPITTA's beruht darin, dass er
+die Abendmahlsfrage nach einem einheitlichen Gesichtspunkt aufgefasst
+und zu lsen unternommen hat. Alle Einzelfragen stehen bei ihm in
+einer gegenseitigen, engen Wechselverbindung. Seine Abhandlung bildet
+eine geschlossene Kette, bei der jedes Glied nur im Zusammenhang mit
+den andern in Betracht kommt. Darin besteht der grosse Fortschritt in
+seiner Untersuchung den frheren gegenber. Die textkritischen und die
+exegetischen Errterungen sind bei ihm sowohl ~Grundlage~ als auch
+~Folge~ der Gesamtauffassung.
+
+Man hat seine Auffassung eine ~eschatologische~ genannt, weil er, wie
+FR. STRAUSS, den Gedanken der Mahlzeit im messianischen Reich zu Hlfe
+nimmt, um die historische Feier verstndlich zu machen. STRAUSS ging
+dabei vom synoptisch-eschatologischen Schlusswort aus, in welchem
+Jesus die Jnger auf das grosse Mahl der Endzeit verweist, wo er
+wieder mit ihnen vereint sein wird. Der eschatologische Charakter
+der SPITTA'schen Auffassung aber beruht nicht auf dem synoptischen
+Wort, ~sondern auf einer eschatologischen Vorstellung vom Endmahl,
+welche aus den Apokryphen und der Weisheitslitteratur zusammengetragen
+ist.~ Dabei ergeben sich eine Reihe schwerer Widersprche mit dem
+synoptisch-eschatologischen Schlusswort.
+
+Nach ~Spitta~ bietet sich der Messias beim Mahle der Endzeit den Seinen
+zur Speise und zum Trank an. Nach den Synoptikern weist Jesus auf das
+Endmahl hin, wo er mit ihnen vom Gewchs des Weinstocks geniesst.
+Bei SPITTA will er also ~Speise und Trank~, bei den Synoptikern
+~mitgeniessender Tischgenosse sein~!
+
+Bei SPITTA wird der eschatologische Hinweis sowohl ~fr die Speise als
+fr den Trank vorausgesetzt.~ Historisch ist aber das eschatologische
+Schlusswort ~nur beim Becher~!
+
+SPITTA's Eschatologie bezieht sich auf die ~Aufforderung zum Genuss~
+des Leibes und Blutes. Das synoptisch-eschatologische Wort steht damit
+in keinem Zusammenhang, ~sondern folgt erst auf den Genuss.~
+
+SPITTA's Auffassung ist also ganz unabhngig vom
+synoptisch-eschatologischen Schlusswort. Es figuriert auch nicht in
+seiner krzesten Form der Einsetzungsworte, sondern diese lauten
+einfach:
+
+Nehmet, esset, das ist mein Leib.
+
+Trinket alle daraus. Das ist das Blut meines Bundes, das fr viele
+vergossen wird.
+
+Diese Worte konstituieren die Feier, denn in der Gemeinde wurde immer
+daran gedacht, wie er damals darauf hingewiesen, ~er sei jetzt und in
+alle Ewigkeit~ die rechte Speise und Erquickung ihrer Seele (S. 289).
+So wird das synoptisch-eschatologische Schlusswort zum ~wehmtigen
+Abschiedswort~, welches von dem Jubelklang der eschatologisch
+siegesgewissen Stimmung zum Todesgang berleitet.
+
+~Christus die rechte Seelenspeise:~ dieser Gedanke ist modern.
+Die Eschatologie SPITTA's zielt dahin, diesen Gedanken durch eine
+Zusammenstellung von alttestamentlichen und apokryphischen Sprchen in
+knstlich-antikem Licht spielen zu lassen, damit er die Aufforderung
+Jesu zum Genuss seines Leibes und Blutes fr die historische Situation
+erklre. Verzichtet man auf dieses knstliche Licht, dann bleibt nur
+das skeptische Dunkel. Das ist bei EICHHORN der Fall.
+
+
+=6. A. Eichhorn.=
+
+ Das Abendmahl im Neuen Testament. Hefte zur christlichen Welt No.
+ 36. 1898.
+
+Wenn wir unseren Berichten trauen drfen, hat Jesus das erste
+Abendmahl mit seinen Jngern so gehalten, dass er ihnen Brot und Wein
+ausgeteilt und sie seinen Leib und sein Blut gegessen und getrunken
+haben. Aller Nachdruck fllt auf den Genuss. Eine auf Jesu Handeln sich
+grndende Symbolik kann bei der Betonung des Genusses nicht bestehen.
+~Man darf nicht sagen, dass das Brechen des Brotes auf das Zerbrechen
+des Leibes und das Trinken des Weins auf das Vergiessen des Bluts~
+hindeutet. Die Handlung, die in Wirklichkeit vorgenommen wird, ist
+einfach das Essen und Trinken.
+
+Ist dies nun der durch die Quellen gebotene Sachverhalt, so gibt es
+vorlufig keine Mglichkeit, die historische Feier und das Aufkommen
+ihrer Wiederholung zu verstehen. Was auch Jesus gesagt und gethan haben
+mag an jenem Abend, ~das Kultmahl der Gemeinde mit dem sakramentalen
+Essen und Trinken des Leibes und Blutes Christi~, wie es in der
+ltesten Christenheit ziemlich von Anfang an sich ausgebildet hat,
+~ist von da aus nicht zu verstehen.~ So wird EICHHORN, weil er bei
+der eingestandenen Bedeutung des Genussmomentes von der Heranziehung
+eschatologischer oder moderner Anschauungen absieht, notwendig zur
+Skepsis gedrngt.
+
+Sie besteht in dem ausgesprochenen Verzicht, auf Grund der vorhandenen
+Berichte die historische und die wiederholte Feier in ihrem
+Zusammenhang zu begreifen, wenn nicht eine neue, von unseren Berichten
+unabhngige Thatsache ein Datum liefert, welches den Ausgangspunkt
+der uns unverstndlichen Entwicklung kenntlich macht. -- Gelingt es
+nicht, in der gnostischen Gedankenwelt ein ~sakramentales Essen~,
+welches das Vorbild des Abendmahls abgeben knnte, nachzuweisen,
+sodass fr die lteste Christenheit nicht das supranaturale Essen
+und Trinken als solches, sondern nur die Ersetzung einer andern
+bernatrlichen Substanz durch Christi Leib und Blut neu ist, ~dann
+muss auf ein Verstndnis der historischen Feier und ihrer Entwicklung
+zur Gemeindefeier endgltig verzichtet werden.~
+
+
+=7. Die neue Thatsache.=
+
+Um dem Skeptizismus zu entgehen, postuliert EICHHORN eine neue, ber
+den Bestand unserer Quellen hinausgehende Thatsache. Seine Vorgnger,
+die mit ihm die ausschliessliche Betonung des Genusses gemein haben,
+ersetzen dieses Postulat durch eine ~angenommene~ Thatsache.
+
+D. FR. STRAUSS erklrt das Aufkommen der Abendmahlsfeier im
+Urchristentum, und damit die Entstehung unserer Berichte, durch das
+Missverstndnis eines von Jesu bei dem letzten Mahl gesprochenen
+eschatologischen Wortes von seiten der Jnger.
+
+BRUNO BAUER verlegt die ganze Entwicklung, da er sie anders nicht
+erklren kann, in die Phantasie des Urevangelisten. RENAN behilft
+sich mit der Annahme eines schon frher von Jesu gebten, den Jngern
+bekannten geheimnisvollen Ritus des Brotbrechens. SPITTA bringt
+eine eigenartige, im Grunde moderne eschatologische Vorstellung
+an die synoptischen Berichte heran, welche mit dem dort gebotenen
+eschatologischen Schlusswort in gar keiner Beziehung steht.
+
+W. BRANDT bertrgt moderne Anschauungsweisen in die Gedankenwelt Jesu
+und seiner Jnger, ohne diese Uebertragung aus den Berichten begrnden
+zu knnen.
+
+So bildet die Untersuchung EICHHORN's den natrlichen Schlusspunkt der
+scheinbar so zusammenhangslosen Reihe der Auffassungen mit einseitiger
+Herausarbeitung des Genussmoments. Durch die dialektische Behandlung
+des Problems entzieht er jeder knftigen Darstellung von vornherein
+die Berechtigung, wenn sie nicht eine neue geschichtliche Thatsache
+aufbringen kann, die erklrt, wie die Anschauung aufkam, dass Jesus den
+Jngern zumutete, seinen Leib und sein Blut zu essen und zu trinken.
+
+
+=8. Die Skepsis in der Folge der einseitigen Herausarbeitung des
+Genussmoments.=
+
+EICHHORN's ~Postulat~ trgt auch nicht weiter als die behaupteten
+Thatsachen seiner Vorgnger. Er verlangt, dass die Vorstellung
+des supranaturalen Essens und Trinkens in einer schon vorhandenen
+religisen Gedankenwelt nachgewiesen werde. Die nhere Kenntnis des
+Gnostizismus knnte nach seiner Ansicht dazu fhren.
+
+Zugegeben, dass ein solches supranaturales Essen und Trinken schon
+existiert htte, so msste dargethan werden, wie man im Urchristentum
+dazu kam, diesen Gedanken ins Abendmahl ~herberzunehmen.~ Inwiefern
+gab die historische Feier Ansatzpunkte dazu? Die von EICHHORN
+vorgeschlagene Operation hngt ganz in der Luft, denn unsere Berichte
+stehen einem solchen Beginnen vollstndig fremd und ablehnend gegenber.
+
+Nun wre die Umsetzung seines Postulats in eine dementsprechende
+historische Thatsache der einzige Ausweg aus der Skepsis. Gleich beim
+ersten Schritt zeigt sich aber, dass er vllig aussichtslos ist. Also
+muss eine Darstellung, welche von der Voraussetzung ausgeht, Jesus
+habe die Seinen bei Brot und Wein zum Genuss seines Leibes und Blutes
+aufgefordert, ~von vornherein, unter allen Umstnden auf die Lsung des
+Problems verzichten! Die konsequente Herausarbeitung des Genussmoments
+fhrt notwendig zur Skepsis: das ist der Ertrag dieser Darstellungen.~
+
+
+=9. Der logische Grund der Skepsis.=
+
+Wenn in der wissenschaftlichen Behandlung einer Frage die Skepsis sich
+einstellt, so liegt dies immer daran, dass ~sich in den Voraussetzungen
+eine unbegrndete Behauptung versteckt hat~, welche von da aus das
+menschliche Denken neckt und in die Irre fhrt. Die Wissenschaft an
+sich kann nie zur Skepsis fhren. Mit der Aufdeckung der ~unerwiesenen
+Voraussetzungsbehauptung~ ist die Skepsis gehoben.
+
+Worin besteht diese nun in den obigen Abhandlungen? Der Fehler kann
+nicht in der ausschliesslichen Geltendmachung des Genussmoments
+beruhen. Dass das Abendmahl von der urchristlichen Gemeinde als
+~Mahlzeit~ bernommen und gefeiert wurde, dass die Handlung, welche
+die urchristliche mit der historischen Feier verbindet, nicht in dem
+symbolischen ~Handeln des Stifters~, sondern in der ~Handlung der
+Teilnehmer~, dem Essen und Trinken besteht: diese Thatsachen werden
+durch die Quellen geboten und durch das Urchristentum besttigt.
+
+Nicht in der ~Thatsache~, sondern in der ~Art~ der Wertung des
+Genussmoments ist der Fehler zu suchen. Smtliche obige Darstellungen
+formulieren sie dahin, dass Jesus die Jnger bei der Darreichung von
+Brot und Wein ~aufgefordert~ habe, seinen Leib zu essen und sein
+Blut zu trinken. ~Die Skepsis beruht also in der Verbindung des
+Mahlzeitcharakters der Feier mit den Gleichnisworten~, denn damit ist
+eine Aussage gegeben, in der Subjekt und Objekt identisch sind: der
+Darbietende ist zugleich der Genossene. Hier hrt das Denken auf. ~Das
+ppige Schlinggewchs historischer und exegetischer Einflle ist keine
+Brcke ber den Abgrund des Selbstwiderspruchs!~
+
+Statt also von der Konstatierung auszugehen, dass Jesus den Seinen
+seinen Leib und sein Blut zum Genuss dargereicht habe, muss man damit
+beginnen, diese Voraussetzung selbst zu prfen. Ist es wirklich eine
+aus der urchristlichen Feier und aus den Berichten unumstsslich
+feststehende Thatsache, dass Jesus ihnen dies in irgend einer Form
+zugemutet hat? Wenn ja, dann ist die Lsung der Abendmahlsfrage
+unmglich, da wir dabei das wie aus unseren Texten nie erklren
+knnen und jede freie Deutung bei unseren Berichten ohne Rckhalt
+bleibt.
+
+
+Fussnoten:
+
+[7] DAVID FR. STRAUSS, Das Leben Jesu. 1. Ausgabe, Tbingen 1836. Bd.
+I, S. 396-442: Das Abendmahl.
+
+[8] BRUNO BAUER, Kritik der evangelischen Geschichte, 1842. Kritik der
+Evangelien, 1850, Bd. III S. 191-213.
+
+[9] Kritik der evangelischen Geschichte, Bd. III S. 241: Ein Mensch,
+der leiblich und individuell dasitzt, kann nicht auf den Gedanken
+kommen andern seinen Leib und sein Blut zum Genuss anzubieten.
+
+[10] E. RENAN, La vie de Jsus 1863, S. 385 ff.
+
+
+
+
+Sechstes Kapitel.
+
+=Die doppelseitigen Auffassungen mit Zugrundelegung des Genussmoments
+und abgeleiteter Geltendmachung des Darstellungsmoments.=
+
+AD. HARNACK, ERICH HAUPT, FR. SCHULTZEN, R. A. HOFFMANN.
+
+
+=1. Allgemeines.=
+
+Diese doppelseitige Reihe steht unter dem Einfluss der Auffassungen mit
+einseitiger Herausarbeitung des Genussmoments. Whrend die Richtung,
+die durch die Namen RCKERT, LOBSTEIN und HOLTZMANN gekennzeichnet
+wird, von dem Handeln Jesu ausgehend den Genuss der Teilnehmer zu
+erklren versuchte, verfahren die neuen doppelseitigen Auffassungen
+umgekehrt. Sie stellen den Genuss in den Vordergrund und suchen dieses
+Moment nun so zu formulieren und so zur Geltung zu bringen, dass auch
+das auf den Tod hinweisende Handeln Jesu damit in irgend einer Weise
+vereinbar ist und daraus seine Erklrung empfangt. Das Schwergewicht
+hat sich also von der einen auf die andere Seite verschoben.
+
+In letzter Linie sind es exegetische Bedenken, welche die betreffenden
+Verfasser dazu fhren, auch dem Leidensgedanken und dem Handeln Jesu
+Rechnung zu tragen. ~Die Worte sind mir zu mchtig~, sagt HARNACK bei
+der Wrdigung der Auffassung SPITTA's, deren Grundgedanke ihm zusagt,
+whrend die Exegese ihn nicht befriedigt. Es ist das Motto auch der
+brigen doppelseitigen Darstellungen.
+
+
+=2. Ad. Harnack.=
+
+ Brot und Wasser: die eucharistischen Elemente bei JUSTIN (Texte
+ und Untersuchungen Bd. VII S. 117 ff. 1891). Theologische
+ Litteraturzeitung 1892 S. 373-378. Dogmengeschichte (3. Aufl.) Bd.
+ I S. 64.
+
+Durch eine Untersuchung, ob Wasser oder ob Wein das eucharistische
+Genusselement in der alten Kirche waren, kam HARNACK im Jahre 1891
+dazu, in entschiedener Weise zu betonen, dass in jener lteren Zeit
+die Symbolik sich nicht auf das Wesen der Elemente habe beziehen
+knnen, sondern dass die ganze Bedeutung der historischen und der
+urchristlichen Feier ~auf der Mahlzeit als solcher~ beruht habe.
+
+Das Abendmahl muss eine wirkliche Mahlzeit gewesen sein; die in Frage
+kommende Handlung ist das Essen und Trinken. Jesu Worte beziehen sich
+auf den Genuss. Die wichtigste Funktion des natrlichen Lebens hat
+der Herr geheiligt, indem er die Nahrung als seinen Leib und sein
+Blut bezeichnet hat. So hat er sich fr die Seinen ~auf immer~ mitten
+hineingestellt in ihr natrliches Leben und sie angewiesen, die
+Erhaltung und das Wachstum dieses natrlichen Lebens zur Kraft des
+Wachstums des geistigen Lebens zu machen.
+
+Mit diesem Moment sucht nun HARNACK noch ein anderes in Beziehung zu
+setzen und dadurch diese allgemeine religise Wertung des Genusses
+zu spezifizieren. Der Herr hat ein Gedchtnismahl seines Todes
+eingesetzt, ~oder vielmehr~, er hat die leibliche Nahrung als sein
+Fleisch und sein Blut, d. h. als die Nahrung der Seele, bezeichnet
+(durch die Sndenvergebung), ~wenn~ sie mit Danksagung in Erinnerung
+seines Todes genossen wird.
+
+Dieser Satz ist fr HARNACK's Auffassung entscheidend. Oder vielmehr,
+d. h. und wenn sind die Rangiergeleise, auf denen man von dem
+allgemeinen, wunderbar tiefen Gedanken herkommend, dass der Herr die
+wichtigste Funktion des natrlichen Lebens geheiligt habe, umsetzt,
+um die Einfahrt zur historischen Feier, mit dem dort ausgedrckten
+Leidensgedanken, zu gewinnen. Der allgemeine Mahlzeitcharakter seiner
+Auffassung wird also nher bestimmt durch folgende Stze:
+
+ 1. Es handelt sich um eine Stiftung.
+
+ 2. Der Wiederholungsbefehl ist irgendwie in der historischen
+ Situation enthalten.
+
+ 3. Die Feier hat eine Beziehung auf den Tod des Stifters.
+
+
+=3. Erich Haupt.=
+
+ Ueber die ursprngliche Form und Bedeutung der Abendmahlsworte.
+ Halle, Universittsprogramm 1894.
+
+Indem Jesus die zu Tische liegenden Jnger bei der Darreichung
+des Brotes und des Weines auffordert, seinen Leib und sein Blut
+zu geniessen, will er sagen: Meine Person ist Trger der Krfte
+eines hheren Lebens, welches so angeeignet werden und so zu einem
+Bestandteil eurer Personen werden will, wie dies bei der irdischen
+Nahrung der Fall ist. Dies gilt aber ~ganz besonders~ von meinem
+bevorstehenden Tode; gerade die Dahingabe meiner ~Persnlichkeit~ wird
+euch die in ihr beschlossenen Lebens- und Heilskrfte in vollstem Masse
+erschliessen und zu gute kommen lassen. Dieser Grundgedanke deckt sich
+vollstndig mit dem SPITTA's. Whrend aber letzterer ihm im Munde Jesu
+eine eschatologische Wendung gab, bertrgt HAUPT diesen durch den
+Ausdruck Persnlichkeit als modern gekennzeichneten Gedankengang auf
+die historische Feier durch Zuhlfenahme des Leidensgedankens.
+
+Die Eschatologie tritt dabei ganz zurck. Jesus hatte bei dem letzten
+Mahle auch von dem grossen Mahl der Vollendung gesprochen. Indem nun
+das ganze Mahl nachgebildet wurde, fanden auch diese eschatologischen
+Gedanken ihre Stelle. So ist bei HAUPT das eschatologische Moment
+nicht zur Erklrung der Wiederholung benutzt, sondern erst aus der
+Wiederholung selbst verstndlich.
+
+Durch die nebenhergehende Geltendmachung des Todesgedankens fr die
+Erklrung der Feier ist die Beibehaltung des Wiederholungsbefehls
+gegeben. In der Nacht des Verrats hat der Herr das ganze Mahl unter den
+Gesichtspunkt eines Abschiedsmahls gestellt. Er will sein ~Gedchtnis
+fr die Zeit der Trennung~ wachhalten. Somit ist nicht nur kein
+Gegengrund dagegen, dass Jesus die Wiederholung der Handlung seinen
+Jngern anbefohlen hat, sondern ein dahin zielendes Wort ist sogar
+aus inneren Grnden ~hchst wahrscheinlich.~ Diese vorsichtige und
+zurckhaltende Begrndung der Beibehaltung des Wiederholungsbefehls
+gibt den genauen Gradmesser ab fr die Beeinflussung des zu Grunde
+gelegten Genussmoments durch das Darstellungsmoment und den
+Leidensgedanken.
+
+Mit derselben Vorsicht ussert HAUPT sich auch ber das Verhltnis
+zwischen dem wiederholten Herrenmahl und der Agape. Nicht zwei Teile
+sollen diese gemeinsamen Mahlzeiten haben, einen profanen, welcher der
+usseren Sttigung dient, und einen religisen, welcher der Erinnerung
+an Christi Tod gewidmet ist, sondern ihre ganze Zusammenkunft soll
+religisen Charakter tragen, und das Herrenmahl ~im engeren Sinne~ ist
+nur der ~Hhepunkt des Ganzen.~
+
+
+=4. Fr. Schultzen.=
+
+ Das Abendmahl im Neuen Testament. Gttingen 1895.
+
+In dieser Darstellung ist die Hervorhebung des Leidensgedankens und
+damit die Bedeutung des darstellenden Moments im Handeln Jesu aus der
+Nebenstellung fast bis zur Gleichstellung mit dem Genussmoment gerckt,
+wobei aber letzteres immer noch den Ausgangspunkt bildet. Es spricht
+nichts dafr, dass etwa Jesus nur auf das Essen Gewicht gelegt habe und
+die Beziehung auf seinen Tod spterer Zusatz sei. Umgekehrt ist es aber
+auch nicht wahrscheinlich, dass Jesus nur eine symbolische Handlung bei
+jenem letzten Mahl vorgenommen hat, und dass die Verbindung mit dem
+Mahle nur durch den usseren Anlass entstanden ist. Auch das Brot ist
+nicht blosses Symbol, sondern auf ~Grund des Symbols~ zum wenigsten
+~Reprsentant und Vermittler~ des Leibes Jesu.
+
+Das Genussmoment und das darstellende Moment werden durch den Begriff
+~des Opfermahls~ zusammengehalten. Den Jngern waren Jesu Gedanken
+aus der religisen Vorstellungswelt Israels bekannt und fasslich. In
+dem Begriff des Opfermahls war die Wiederholung unmittelbar gegeben
+und ebenso der Empfang der in ihm gespendeten Gabe. So hat, trotz des
+Fehlens des Wiederholungsbefehls, Jesus auch nach dem Bericht des
+Markus an eine Wiederholung gedacht, weil er eine Gabe spendet, die
+auch fr ~die fernsten~ Zeiten Wert hat.
+
+Wie bei ERICH HAUPT vermgen die eschatologischen Gedanken auch
+bei FR. SCHULTZEN sich nur anhangsweise Geltung zu verschaffen,
+nachdem die Wiederholung der Feier schon anderweitig feststeht. Die
+Parousiegedanken bei dieser Feier erklren sich bei der lebhaften
+Sehnsucht der Gemeinde nach der Parousie leicht, da das Abendmahl auch
+nach I Kor 11 _26_ eine Feier ist, die in der Wiederkunft Christi ihr
+Ziel erreicht hat.
+
+Die Trennung von Mahlzeit und Abendmahl wird bereits fr die Urgemeinde
+vorausgesetzt. Paulus prgt schon Vorhandenes schrfer aus. Die spter
+erfolgte Abtrennung der Eucharistie von dem Mahle erklrt sich viel
+einfacher, wenn sie bereits ein besonderer Teil derselben war, als wenn
+man das ihr besonders Eigentmliche gar nicht erkennen konnte.
+
+
+=5. R. A. Hoffmann.=
+
+ Die Abendmahlsgedanken Jesu Christi. Knigsberg 1896.
+
+Bei HOFFMANN tritt das Darstellungsmoment noch strker hervor als
+bei SCHULTZEN. Es wird geradezu eine zweifache Art von Teilnehmern
+vorausgesetzt. Das darstellende Handeln geht auf die einen, der Genuss
+ist fr die andern bestimmt. ~Vergossen~ wurde sein Blut fr ~das
+unglubige Volk~, zu ~trinken~ gab er es den ~Seinen.~
+
+Mit letzterem will er sagen, dass, da das ~Blut die Seele ist~, seine
+Seele in sie bergehen werde, um ihnen zu ihrer bevorstehenden hohen
+Mission Kraft zu geben, sie zu strken, damit auch sie, wenn der Fall
+an sie herantritt, imstande seien, ihrerseits ihre Seele als Lsegeld
+fr andere dahinzugeben. Nicht seinen Leichnam reicht er ihnen dar,
+sondern seinen lebendigen Leib als den Trger des ihm innewohnenden
+gttlichen Geistes.
+
+In der urchristlichen Feier kommt, neben dem Essen und Trinken,
+auch dem, was Jesus gethan hat, dem Brechen und Danken -- ~in
+entsprechender Wiederholung~ -- Bedeutung zu. Dies war der Standpunkt
+von SCHULTZEN. HOFFMANN geht noch weiter. ~Das Wesentliche der ersten
+Mahlzeit war ohne weiteres nicht zu wiederholen~, eben die Handlung des
+Herrn, wie sich in ihr seine berragende Geistesgrsse, seine Kraft und
+Leben ausstrmende Gegenwart noch zum letztenmal ihnen dokumentiert
+hatte (S. 106).
+
+Eine Wiederholung ohne Wiederholungsbefehl ist also ~undenkbar.~ Der
+Wiederholungsbefehl muss sich vor allem auf den Genuss bezogen haben,
+da Jesus zur Erinnerung an ihn ein ~Mahl~ eingesetzt hat. Es lsst sich
+nicht mehr ausmachen, wie sich in der ersten Zeit das Abendmahl des
+nheren zur Gemeindemahlzeit verhalten habe. Fr Paulus jedenfalls war
+die feierliche Gemeindemahlzeit mit dem Abendmahl untrennbar verbunden.
+
+Der Eschatologie kommt in der Darstellung HOFFMANN's keine Bedeutung zu.
+
+
+
+
+Siebentes Kapitel.
+
+=Der gesetzmssige Zusammenhang zwischen den Einzelfragen.=
+
+
+=1. Der Wiederholungsbefehl.=
+
+Die historische Feier ist eine Mahlzeit: darin liegt ihre Wiederholung
+von selbst begrndet. Wenn Jesus dem Essen und dem Trinken im
+gemeinsamen Kreis der Seinigen eine besondere, irgendwie segensreiche
+Bedeutung verleiht, so ist hiermit ohne weiteres die Wiederholung
+gefordert. Er braucht das nicht in einem Befehl ausgesprochen zu haben.
+
+Dies ist der Standpunkt der das Genussmoment ausschliesslich betonenden
+Darstellungen. Auch die doppelseitigen Auffassungen, welche das
+Genussmoment zu Grunde legen, stimmen damit berein. Wenn die Jnger
+Jesum verstanden haben, mussten sie von selbst diese Feier wiederholen.
+Sofern hingegen das ~Darstellungsmoment~ nebenbei betont wird, ist nun
+aber die Wiederholung gar nicht selbstverstndlich. Was Jesus gethan,
+das kann eigentlich nicht wiederholt werden.
+
+So gehen diese doppelseitigen Darstellungen von dem Gedanken aus, dass
+der Wiederholungsbefehl eigentlich berflssig ist, kommen aber dann
+dazu, ihn doch irgendwie als mglich oder notwendig anzunehmen.
+
+Die Frage bleibt fr sie also in der Schwebe. Je strker der
+Leidensgedanke und das Darstellungsmoment fr die historische Feier
+geltend gemacht werden, mit desto grsserer Entschiedenheit wird zur
+Erklrung der eingetretenen Wiederholung eine darauf hinzielende
+Anweisung gefordert.
+
+
+=2. Das Abendmahl und die urchristliche Gemeindemahlzeit.=
+
+In der Gemeindefeier steckt ein Doppeltes. Wiederholt wird eine
+gemeinsame Mahlzeit. Dabei soll aber in irgend welchem Masse ein
+historischer, an sich einzigartiger Moment reproduziert werden.
+In welchem Verhltnis steht das wiederholte Herrenmahl zu den
+gemeinsamen religisen Mahlzeiten des Urchristentums?
+
+Nach den Auffassungen mit einseitiger Herausarbeitung des Genussmoments
+sind beide ~identisch~, denn fr sie besteht ja auch die historische
+Feier nur in der Mahlzeit als solcher. Die doppelseitigen Darstellungen
+aber kommen hier in dasselbe Gedrnge, wie mit dem Wiederholungsbefehl.
+Auch sie, sofern sie den Mahlzeitcharakter zu Grunde legen, sollten
+eigentlich die Identitt proklamieren. Nun betonen sie aber daneben
+auch das Darstellungsmoment. Dann wird aber die Gemeindefeier zur
+Wiederholung einer bestimmten ~historischen Situation~, welche nicht
+mehr durch die ~gemeinsame Mahlzeit als solche reproduziert wird.~ Das
+wiederholte Herrenmahl soll also jetzt von der gemeinsamen religisen
+Mahlzeit irgendwie ~abheben~, jedoch nur soweit, dass die letzthinige
+Einheit beider festgehalten wird. Die Schwierigkeit wchst mit der
+strkeren Betonung des Darstellungsmoments. Man erhlt folgende
+Stufenleiter:
+
+W. BRANDT: Jesus macht die gemeinsamen Mahlzeiten zum Symbol der
+Gemeinschaft. Als nach seinem Tode der Glaube an ihn neu auflebte,
+wurde natrlich das vom Herrn selbst gegebene Symbol der Gemeinschaft
+besonders gepflegt. Gemeindemahlzeit und Herrenmahl sind identisch.
+
+FR. SPITTA: Es wurde bei Brot und Wein immer daran gedacht, wie
+er damals darauf hingewiesen, dass er jetzt und in alle Ewigkeit
+die rechte Speise und Erquickung ihrer Seele sei. Die Didache
+reprsentiert die urchristliche Feier. Herrenmahl und Agape
+waren danach identisch. Es ist verfehlt, Didache 9 und 10 als
+Einleitungsgebete zur eigentlichen Abendmahlsfeier auffassen zu
+wollen.
+
+AD. HARNACK: Hier beginnt die Differenzierung. Sie ist in dem
+klassischen Satz mit den Rangiergeleisen enthalten. Der Herr hat
+ein Gedchtnismahl seines Todes eingesetzt, ~oder vielmehr~, er hat
+die leibliche Nahrung als sein Fleisch und sein Blut, d. h. als die
+Nahrung der Seele bezeichnet (durch die Sndenvergebung), ~wenn~ sie
+mit Danksagung in Erinnerung seines Todes genossen wird. So haben
+die Apostel seine Stiftung verstanden. Eine Feier, bei der alle
+diese nheren Bestimmungen zum Ausdruck kommen sollen, ist aber keine
+einfache gemeinsame Mahlzeit mehr, sondern eine ~Ceremonie.~ Jesus
+verhiess ihnen, dass er mit der Kraft seiner Sndenvergebung bei jeder
+Mahlzeit sein werde, die sie zu seinem ~Gedchtnis~ halten wrden. Wie
+wurde aber die gemeinsame Mahlzeit als Gedchtnismahl gekennzeichnet?
+Durch welche Akte, durch welche Reden? Wie wurde die Situation des
+historischen Mahls reproduziert, wo doch auch das Abendmahl nur ein
+besonderer Augenblick im Verlauf der letzten gemeinsamen Mahlzeit
+gewesen war?
+
+ERICH HAUPT: Die ganze Zusammenkunft soll religisen Charakter tragen,
+und das Herrenmahl ~in engerem Sinn~ ist nur der ~Hhepunkt des
+Ganzen.~ Weil HAUPT das Darstellungsmoment strker betont als HARNACK,
+kann er Gemeindemahl und Abendmahl nicht irgendwie in einander
+bergehen lassen, sondern er muss das Abendmahl als eine besondere
+Situation auffassen, die den Hhepunkt der ganzen Mahlvereinigung
+reprsentiert. Er kann nicht darum herumkommen, die auf Grund der
+Stiftung wiederholte Handlung von der religisen Mahlzeit sich
+abheben zu lassen und doch wieder die letzthinige Einheit beider
+festzuhalten. So bleibt ihm nur das Verhltnis der Steigerung.
+
+SPITTA und HARNACK bestreiten, dass in Didache 10 _6_ wenn einer
+heilig ist, trete er herzu eine besondere Feier beginnt. HAUPT muss
+seine Steigerung auch hier wiederfinden und nimmt an, dass diese Worte
+die eigentliche Abendmahlsfeier einleiten. Das Herr, komme doch
+bezieht sich auf die Gegenwart des Herrn im Sakrament.
+
+FR. SCHULTZEN: Durch den Begriff des Opfermahls hlt er die beiden
+auseinanderstrebenden Teile der Feier zusammen. Er kann sie aber nicht
+mehr, wie ERICH HAUPT, in das Verhltnis der Steigerung setzen -- dazu
+ist die Betonung des Darstellungsmoments bei ihm schon viel zu stark
+-- sondern er muss die Trennung konstatieren. In dem Begriff des
+Opfermahls ist die Wiederholung der Mahlzeit unmittelbar gegeben und
+ebenso der stetige Empfang der gespendeten Gabe (S. 74). Wiederholt
+wird aber zweitens die Handlung des Veranstalters der Opfermahlzeit,
+als Voraussetzung des Empfangs und des Genusses der Teilnehmer. Die
+Gabe, die er ihnen zuwandte, sollte den Erfolg haben und hat ihn auch
+wirklich gehabt, ~dass sie wiederholten, was er gethan~, und damit auch
+ferner an dem Segen seines Opfertods Anteil erhielten (S. 96).
+
+Wie soll man sich aber vorstellen, dass die Jnger beim gemeinsamen
+Mahl wiederholten, was er gethan? Das bedeutet nichts anderes, als
+dass das Gemeindemahl und das Abendmahl auf die Trennung angelegt
+waren. In I Kor 11 macht Paulus die schon vor ihm angebahnte Scheidung
+nur strker geltend. Dass nachher die Eucharistie vom Mahle gnzlich
+losgelst wurde, ist nur die geschichtliche Vollendung des schon in
+der Stiftung enthaltenen Prozesses.
+
+R. A. HOFFMANN: Das Darstellungsmoment tritt so stark hervor, dass
+HOFFMANN auf die Lsung des Problems verzichtet. Das Wesentliche
+der ersten Abendmahlsfeier war ohne weiteres nicht zu wiederholen,
+~eben die Handlung des Herrn~ (S. 106). Auf den von Jesus selbst
+vorgenommenen Akt kann der Wiederholungsbefehl nicht gehen. Ihn auf
+die Handlung der Teilnehmer, das Essen und Trinken zu beziehen, ist
+zwar grammatikalisch sozusagen unmglich. Da aber nichts anderes brig
+bleibt, mssen wir eben annehmen, Jesus habe zum Mittel der Erinnerung
+an ihn ein Mahl eingesetzt.
+
+Wie er das verstanden haben wollte, ist nicht klar. Es ist stark mit
+der Mglichkeit zu rechnen, dass dasjenige, was uns von den Worten
+Jesu bei der Einsetzung seines Mahles berliefert worden ist, nicht
+alles reprsentiert, was er wirklich zur Aufklrung ber seine uns
+heutzutage so schwer verstndliche Handlung gesprochen hat (S. 115).
+
+Wie man es mit der Feier im Urchristentum gehalten hat, darber ist
+keine vollstndige Klarheit zu gewinnen. Wir wissen nur, dass das
+Abendmahl in der Urgemeinde eine wirkliche Mahlzeit war, wobei sehr
+wahrscheinlich ist, dass das Brotbrechen zugleich Herrenmahl war (S.
+137).
+
+~Zusammenfassung.~ Die Untersuchung ergibt folgenden Satz: ~Bei
+ausschliesslicher Geltendmachung des Genussmoments sind die
+Gemeindemahlzeit und das Abendmahl identisch. Mit der nebenhergehenden
+Betonung des Darstellungsmoments wird die Differenzierung
+zwischen beiden in steigendem Masse notwendig, bis zuletzt beide
+auseinanderfallen.~
+
+
+=3. Die Antinomie zwischen der historischen und der urchristlichen
+Feier.=
+
+Es ist wohl nicht das geringste Verdienst der grossartigen Abhandlung
+SPITTA's, in voller Schrfe das Prinzip proklamiert zu haben, dass
+eine Abendmahlsauffassung nur dann Wert hat, wenn sie das Wesen der
+urchristlichen Feier, wie es uns besonders in der Didache begegnet,
+erklrt. Dementsprechend bildet die urchristliche Feier auch den
+Hauptsttzpunkt seiner Darstellung. Er wird ihr vollkommen gerecht,
+da seiner Auffassung zufolge das Abendmahl eine Freudenmahlzeit war.
+Indem er von einem Wiederholungsbefehl und von einer Abhebung des
+Abendmahls von der Gemeindemahlzeit absieht, stimmt er vollstndig
+mit der urchristlichen Ueberlieferung berein; diese weiss ja auch
+nichts davon, dass die Feier eine auf den Befehl Jesu erfolgende
+ausgesprochene Reproduktion jener historischen Situation sein soll.
+
+Whrend SPITTA so die urchristliche Feier vollkommen erklrt, vermag
+er aber der historischen in keiner Weise auch nur annhernd gerecht zu
+werden. Das teilt er mit allen Auffassungen, welche das Genussmoment
+einseitig herausarbeiten. Inwiefern die Jnger Jesum verstehen mussten
+und verstanden haben, als er sie aufforderte, seinen Leib und sein Blut
+zu geniessen: das vermgen sie, ohne unerlaubte Kunstgriffe, in keiner
+Weise deutlich zu machen. ~Fr die historische Situation bleibt ihnen
+nur der Skeptizismus brig~, wobei sie sich trsten drfen, wenigstens
+der urchristlichen Feier gerecht zu werden.
+
+Mit den doppelseitigen Auffassungen steht es folgendermassen:
+Je mehr sie das Darstellungsmoment betonen, desto besser und
+ansprechender knnen sie die ~historische Feier~ erklren, da sie
+nun den Leidensgedanken und die Symbolik des Handelns Jesu fr die
+Deutung der Gleichnisse verwerten knnen. In demselben Masse aber
+werden sie ~unfhig, die urchristliche Feier zu erklren.~ Mit dem
+Darstellungsmoment ist ja der Wiederholungsbefehl, die Bedeutung
+des Leidensgedankens fr die Feier und die Differenzierung zwischen
+Abendmahl und Gemeindemahlzeit gegeben. Das alles luft aber der
+urchristlichen Ueberlieferung schnurstracks zuwider. Diese weiss nichts
+davon, sondern sie beschrnkt sich merkwrdigerweise auf den Satz: Das
+Abendmahl ist ein Freudenmahl, bei dem das darstellende Handeln Jesu in
+keiner Weise irgendwie reproduziert wird.
+
+Die Antinomie ist also unlsbar. ~Eine doppelseitige Auffassung erklrt
+die historische Feier nur in dem Masse, als sie die urchristliche
+nicht erklrt und umgekehrt.~ Dieser Satz enthlt das Grundresultat
+der Untersuchung ber die doppelseitigen Darstellungen. Infolge dessen
+mssen sie auf die Lsung des Problems verzichten, da keine von ihnen,
+und wre sie noch so geistreich, ber diese Antinomie hinauskommen kann.
+
+Letztere liegt eben in der bisherigen Problemstellung selbst begrndet,
+welche die urchristliche Feier als eine ~entsprechende Wiederholung~
+der historischen auffassen will. Nun ist aber das Wiederholte
+der Geschichte zufolge dem Ursprnglichen gar nicht hnlich. Die
+historische Feier ist eine ~Ceremonie~ im Verlauf einer Mahlzeit, die
+urchristliche ist nur eine ~gemeinsame Mahlzeit~ ohne entsprechende
+Wiederholung der Ceremonie. Damit ist Antinomie unabweisbar gegeben.
+
+Nun steht aber fest, dass die urchristliche auf die historische
+Feier zurckgeht. Also ist das Problem erst dann gelst, wenn der
+Zusammenhang beider erklrt wird, ohne dass deshalb die Gemeindefeier
+irgendwie eine entsprechende Nachbildung der historischen ist. ~Die
+urchristliche Abendmahlsfeier ist etwas Selbstndiges.~
+
+
+
+
+Achtes Kapitel.
+
+=Die Auffassungen mit einseitiger Geltendmachung des
+Darstellungsmoments.=
+
+
+=1. Das Gefechtsfeld.=
+
+Die Darstellungen mit ausschliesslicher Betonung des Genussmoments
+bedeuteten einen khnen Vorstoss gegen die allgemein verbreitete
+Auffassung, welche durch die Namen RCKERT, HOLTZMANN und LOBSTEIN
+vertreten ist. Es konnte einen Augenblick scheinen, als htte die
+hergebrachte Ansicht durch diesen unerwarteten, geschlossenen Angriff
+gegen die Deutung der Gleichnisse aus dem Handeln Jesu alle ihre
+Positionen verloren. Jetzt aber, wo die Lage sich langsam klrt, zeigt
+sich, dass dies nicht der Fall ist.
+
+Wohl mussten einige exponierte Stellungen von dem angegriffenen
+Teil aufgegeben werden. Dafr hat er sich aber in eine Position
+zurckgezogen, die als unberwindbar gelten darf. Die Sache steht so,
+dass der Angreifer darauf verzichten muss, ~diese befestigte Stellung
+jemals zu erobern~, der Angegriffene aber auf absehbare Zeit nicht an
+eine ~Aktion im freien Felde~ denken kann.
+
+Zu den aufgegebenen Positionen gehrt vor allem die Stellung zur
+Frage des Passahmahls. Whrend bis in die 70er und 80er Jahre das
+letzte Mahl den Synoptikern entsprechend fast allgemein als Passahmahl
+aufgefasst wurde, sucht man jetzt diese Frage aus dem Zusammenhang
+mit der Gesamtauffassung herauszurcken. Man begngt sich mit einer
+vorsichtigen chronologischen Erwgung, ob das synoptische Datum
+wahrscheinlich sei oder nicht.
+
+Aehnlich steht es mit dem Wiederholungsbefehl. Auch die Auffassungen
+mit Zugrundelegung des Darstellungsmoments suchen sich von der
+Notwendigkeit eines auf die Wiederholung hinweisenden Wortes frei zu
+machen.
+
+Zugleich wird das Genussmoment im ganzen doch entschiedener
+hervorgehoben als es bisher der Fall war. Es bleibt jedoch immer in
+Abhngigkeit vom Darstellungsmoment und wird erst durch dasselbe
+verstndlich.
+
+Diese Verschiebungen in der Position kann man am besten in den
+successiven Kundgebungen LOBSTEIN's und HOLTZMANN's verfolgen, soweit
+sie die Abendmahlsfrage betreffen. Sie haben die Verteidigungsstellung
+eingerichtet.
+
+
+=2. Der Verteidigungsplan. P. W. Schmiedel.=
+
+ Protestantische Monatshefte 1899: Die neuesten Ansichten ber den
+ Ursprung des Abendmahls.
+
+Dem etwas forschen Vorgehen EICHHORN's gegenber unternahm es SCHMIEDEL
+darzuthun, wie die Sachen eigentlich liegen. Er zeigt zunchst, dass
+die chronologischen Grnde gegen die Mglichkeit, dass das letzte Mahl
+ein Passahmahl war, zusammengenommen allerdings einen grossen Eindruck
+machen. Betrachtet man sie aber einen nach dem andern, so verlieren sie
+bedeutend an Energie. Die Annahme, dass Jesus das gesetzliche Passah
+feierte, ist also nicht von der Hand zu weisen, da die entschiedenen
+Aussagen der Synoptiker den chronologischen Einwrfen wohl das
+Gleichgewicht halten knnen.
+
+Ueberdies lsst sich der Passahgedanke in ansprechender Weise zur
+Erklrung der historischen Feier heranziehen, wobei mit der Mglichkeit
+zu rechnen ist, dass in Jesu Seele Passah- und Bundesgedanken
+zusammenflossen.
+
+Was die Handlung betrifft, die er vorgenommen haben soll, ist
+anzunehmen, dass das ~Bedeutsame~ mindestens in erster Linie das
+Brechen des Brotes und ~das Ausgiessen des Weines aus dem Krug in den
+Becher~ sei. Das Austeilen dieser Speisen zum Genuss schliesst sich
+als etwas ~Zweites~ an. ~Um der Hauptsache willen wre es nicht ntig
+gewesen; aber da man einmal beim Mahle sass, war es naturgemss.~ Es
+dient demselben Zwecke wie das einem Bundesopfer oder dem Passahopfer
+nachfolgende Mahl berhaupt, der gemeinsamen Aneignung und Pflege des
+in dem Opfer vorkommenden Gedankens.
+
+Die Frage, ob der Wiederholungsbefehl historisch ist oder nicht,
+bleibt hier in der Schwebe. Wre er sicher berliefert, so wre er
+verstndlich. Aber ebenso begreiflich ist es, dass Jesus an eine
+Wiederholung nicht dachte.
+
+Der genialen Unbesonnenheit gegenber ist ruhiges Abwgen absolut
+notwendig. S. 148: Wir mssen noch darauf aufmerksam machen, wie
+dringend es sich empfiehlt, auf jeden dem unsrigen hnlichen Versuch
+wohlwollend einzugehen, wenn man nicht in ~unlsbare Schwierigkeiten~
+kommen will. Der hohe Wert dieser Stellung beruht nmlich in der
+Sttze, die sie in einer natrlichen Exegese unserer neutestamentlichen
+Abendmahlsberichte findet. Durch seine Geltendmachung des
+Darstellungsmoments kann SCHMIEDEL jeden einzelnen Zug der historischen
+Situation, jeden durch die Exegese angedeuteten Nebengedanken in seiner
+Gesamtauffassung unterbringen. Es ist gelungen, ~die Mglichkeit,
+dass Jesus eine der Beschreibung ungefhr entsprechende Feier wirklich
+gehalten habe, auf einen sehr hohen Grad der Wahrscheinlichkeit
+zu bringen.~ Die Herleitung der Berichte aus der spteren
+Gemeindetheologie, etwa gar mit Benutzung ausserchristlicher Analogien,
+wird von selbst gegenstandslos. Jede derartige Konstruktion muss zuerst
+den Nachweis erbringen, dass die von ihr behauptete Umbildung sich in
+so kurzer Zeit nach Jesu Tod habe einbrgern knnen.
+
+~Damit erschpft sich aber~ der Wert dieser Verteidigungsstellung:
+sie verfgt ber sicher schiessende, gut placierte Geschtze, die
+aber nicht sehr weit tragen, sodass vor den Augen der Belagerten die
+Reiterschwrme der Belagerer sich auf dem unbestrichenen Terrain
+vergngt und unbehelligt tummeln. Es ist nmlich unmglich, dass jemals
+eine mit der SCHMIEDEL'schen verwandte Auffassung erklren knne, wie
+die von ihnen ~bis ins einzelne verstandene historische Feier~ im
+Urchristentum, etwa noch gar ohne Annahme eines dahinzielenden Befehls
+Jesu, ~wiederholt worden ist.~ Denn das Schwergewicht liegt ja fr sie
+in dem Handeln Jesu. Nun ist dieses Handeln Jesu in der urchristlichen
+Feier gar nicht wiederholt worden, weil dies unmglich ist. Der
+Leidensgedanke fehlt ihr ja vollstndig. Sie ist eine Mahlzeit, bei
+welcher, so viel wir wissen, die Ceremonie der historischen Feier in
+keiner Weise reproduziert wurde. Das Nebenschliche, das Essen, ist
+also Hauptsache geworden und die Hauptsache ist in der wiederholten
+Feier ganz zurckgetreten.
+
+Ausserhalb des schmalen, von den Festungsgeschtzen beherrschten
+Terrainstreifens ist also der geringste Reitertrupp des Angreifers
+gegen die wohlbewaffnete, aber schwerfllige Besatzung im Vorteil, wenn
+sie einen Ausfall wagen sollte. Jede kecke Konstruktion, von STRAUSS
+bis auf EICHHORN, kann das Aufkommen und das Wesen der urchristlichen
+Feier besser erklren, als die exegetisch gewissenhafte, aus den
+Berichten destillierte Auffassung SCHMIEDEL's. Nur halte die erstere
+sich ausser Bereich des exegetischen Verteidigungsfeuers, wenn sie
+nicht durch den ersten Schuss ausser Gefecht gesetzt sein will. Frwahr
+ein merkwrdiger Kampf, wo es einen nicht Wunder nimmt, dass jeder als
+Sieger thut, obwohl der andere unbesiegt ist.
+
+
+=3. Die Offensive. Adolf Jlicher.=
+
+ Zur Geschichte der Abendmahlsfeier in der ltesten Kirche. 1892.
+ (Theologische Abhandlungen, K. v. WEITZSCKER gewidmet.)
+
+JLICHER berhrt sich am nchsten mit ZWINGLI, dessen Auffassung er
+ins Moderne bersetzt, indem er auf die gegenwrtige Form der Fragen
+Rcksicht nimmt. Es handelt sich um die einseitige Geltendmachung des
+Darstellungsmoments.
+
+~Alle auf dem Genussmoment beruhenden Auffassungen legen Jesu moderne
+Gedanken unter.~ Was er bei jenem Mahle zuletzt so besonders feierlich
+sagte, muss fr jeden Anwesenden unmittelbar verstndlich gewesen
+sein. Der Vergleichspunkt muss also in dem liegen, was er vor den
+Augen der Jnger mit den Genusselementen vornimmt: in dem Brechen des
+Brots und in dem Ausgiessen des Weins. Der Sinn der begleitenden Worte
+bezieht sich auf den bevorstehenden Tod. So wie dieser Wein alsbald
+verschwunden sein wird, so wird alsbald mein Blut vergossen sein,
+denn mein Tod ist eine beschlossene Sache; aber, fgt er trstend
+hinzu, es wird nicht umsonst vergossen, sondern fr viele und --
+ein bildlicher Ausdruck, der in dem Gedankenkreis des Passahtages lag
+-- als ein Bundesblut. Nur den Gegenstand des Geniessens vergleicht
+Jesus hier und dort mit seinem Leibe, ~auf das Geniessen reflektiert er
+gar nicht.~ Hchstens insofern das Genussmoment aus dem vorhergehenden
+darstellenden Moment irgend eine Bedeutung empfngt, kann man ihm
+problematische Geltung zugestehen. So hatte die Feier ursprnglich
+einen wehmtig schmerzlichen Charakter, welcher nur aus der Situation
+begriffen werden kann.
+
+Nun lsst die lteste Ueberlieferung Jesum durch nichts andeuten,
+dass er jene sinnvolle Handlung auch knftighin von seinen Glubigen
+vollzogen sehen mchte. Wie hat man aber dann in der Urkirche aus
+dieser historischen Feier so schnell eine zu steter Wiederholung
+bestimmte Handlung machen knnen? Zuerst war es wohl ein inneres
+Bedrfnis. Passahgedanken und Abschiedserinnerungen wirkten mit. Bald
+fand die Wiederholung im Zusammenhang mit jedem Mahle statt und es kam
+die Vorstellung eines ausdrcklichen darauf hinzielenden Gebotes Jesu
+auf. ~So weit es irgend ging, wollte man die Situation von ehedem
+reproduzieren, nur dass man jetzt auf das zurckblickte, was damals
+angekndigt werden sollte~ (S. 247). Diese Feier wurde nach dem ersten
+Akt kurz das Brotbrechen genannt. Bei der Austeilung der sakramentalen
+Elemente hat man wohl nicht von jeher die Deutungs- respektive
+Einsetzungsworte des Herrn verbotenus wiederholt, denn sonst wrde
+deren Ueberlieferung nicht so viele Differenzen aufweisen. Nach I Kor
+11 _26_ hat man dabei nie versumt, den Tod des Herrn zu verknden,
+also immer wieder das erschtternde Ereignis sich vor Augen zu stellen
+und seine Notwendigkeit, wie seine segensreichen Wirkungen zu errtern;
+~aber das geschah in freien Formen.~
+
+
+=4. Die Skepsis in den Auffassungen mit einseitiger Geltendmachung des
+Darstellungsmoments.=
+
+Die Darstellung JLICHER's bedeutet fr die Abendmahlsauffassungen
+mit konsequenter Zugrundelegung des Darstellungsmomentes das,
+was die Abhandlung EICHHORN's fr die das Genussmoment zu Grunde
+legenden Auffassungen war. Beide zeigen durch die Konsequenz ihres
+Gedankenaufbaus, dass die alleinige Betonung des von ihnen zu Grunde
+gelegten Moments notwendig zum Skeptizismus fhrt. Dies tritt bei
+EICHHORN darin zu Tage, dass er die historische Feier, von der
+urchristlichen Gemeindefeier aus betrachtet, nicht zu erklren vermag.
+JLICHER kann die Gemeindefeier von der historischen Feier aus nicht
+erklren.
+
+Er hat ganz Recht, wenn er sagt, dass die Zugrundelegung des
+Genussmoments die Zuhlfenahme moderner Gedanken zur Erklrung der
+historischen Worte Jesu fordere. Heisst es aber nicht ebenso sehr
+moderne Gedanken auf vergangene Zeiten bertragen, ~wenn man sich die
+urchristliche Feier als gewollte, mglichst genaue Reproduktion der
+Situation von ehedem begreiflich machen will~? JLICHER's Auffassung
+knnte die zwinglische Gemeindefeier erklren -- und da fehlte ihm noch
+der Wiederholungsbefehl -- aber niemals die urchristliche religise
+~Gemeindemahlzeit.~
+
+Die Schwierigkeiten werden gerade durch seine scharfe und
+logisch einheitliche Gesamtauffassung mit absoluter Deutlichkeit
+herausgearbeitet. Er erlaubt sich nicht zwischen dem Abendmahl im
+eigentlichen Sinne und der Gemeindemahlzeit zu unterscheiden. Mit
+diesem Spielraum hatten die doppelseitigen Darstellungen aller
+Schattierungen operiert und damit die grssten Schwierigkeiten
+berwunden. ~Die ganze Gemeindefeier ist Herrenmahlzeit~ -- so sagt
+JLICHER und stimmt dabei mit niemand so vollkommen berein als mit
+SPITTA und EICHHORN.
+
+Damit ist aber die Antinomie, welche zum Skeptizismus fhrt, notwendig
+gegeben. Die Gemeindefeier, auf die JLICHER von seiner Auffassung
+der historischen Feier aus kommt, ist eine Fiktion, welche der
+wirklichen urchristlichen Mahlfeier geradezu widerspricht, da die
+letztere keine Reproduktion der Situation von ehedem war. Wie die
+Wiederholung aufgekommen, vermag er in keiner Weise darzuthun. Dass
+es zunchst wohl ein inneres Bedrfnis war, bei dem Passahgedanken und
+Abschiedserinnerungen mitwirkten: diese problematische und gewundene
+Annahme erklrt fr die Wiederholung gar nichts.
+
+Nun knnte JLICHER durch den Wiederholungsbefehl um die Schwierigkeit
+herumkommen. Das erlaubt ihm aber sein exegetisches Gewissen nicht.
+Obwohl er ihn absolut notwendig brauchte, verzichtet er darauf,
+weil er durch die beiden ltesten Synoptiker nicht bezeugt ist.
+Seine ansprechende Auffassung ist aus der exegetischen Betrachtung
+der Berichte erwachsen. Gerade die Exegese beraubt ihn aber der
+einzigen Mglichkeit, die Wiederholung der von ihm geschilderten
+Feier im Urchristentum auch nur einigermassen begreiflich zu machen.
+Die urchristliche Feier als Reproduktion der historischen Situation
+ohne Wiederholungsbefehl ist einfach undenkbar. Also stehen wir
+hier vor einer vollstndigen Selbstauflsung. Um das Aufkommen der
+urchristlichen Feier zu erklren, msste JLICHER eine unabhngig von
+den Berichten gegebene Thatsache postulieren -- wie EICHHORN es thut,
+um das Aufkommen des historischen Berichts fasslich zu machen.
+
+Die konsequente Geltendmachung des Darstellungsmoments fhrt also zu
+derselben Skepsis, wie die einseitige Herausarbeitung des Genussmoments.
+
+
+
+
+Neuntes Kapitel.
+
+=Die neue Problemstellung.=
+
+
+=1. Das Ergebnis der Untersuchung.=
+
+Die Auffassungen mit einseitiger Betonung des Genussmoments knnen nur
+die ~urchristliche~, nie die ~historische~ Feier erklren.
+
+Die Auffassungen mit einseitiger Betonung des Darstellungsmoments
+knnen nur die ~historische~, nie die ~urchristliche~ Feier erklren.
+
+Die doppelseitigen Auffassungen knnen die ~historische~ Feier nur in
+dem Masse erklren als sie die ~urchristliche~ nicht erklren, und
+umgekehrt.
+
+Also vermag keine dieser Auffassungen das Abendmahlsproblem zu lsen,
+da dieses gerade verlangt, ~dass beide Feiern in ihrem gegenseitigen
+Zusammenhang begriffen werden!~
+
+Durch diese Stze werden nicht bloss die hier besonders analysierten
+Auffassungen betroffen. Diese sind nur Typen fr so und so viele
+andere, die schon verffentlicht worden sind oder noch im Zeitenschosse
+schlummern. Vergangen oder zuknftig: alle werden sie durch die obigen
+drei Stze schon im Vorverfahren abgethan. Ehe sie berhaupt gehrt
+werden knnen, mssen sie zuerst nachweisen, dass sie etwas anderes
+sind als eine neue Kombination von Darstellungs- und Genussmoment.
+Knnen sie das nicht, so sind sie von vornherein abgewiesen, denn
+dann vermgen sie das Problem nicht zu lsen. Es kommt ja nicht auf
+ihr bestimmtes Geprge oder auf die Art, wie sie sich historisch und
+exegetisch darstellen, an, ~sondern nur auf das Verhltnis, in dem das
+Darstellungs- und das Genussmoment darin zu einander stehen.~ Alles
+andere ist Beiwerk.
+
+Jede Auffassung ist durch die Formel bedingt, welche das von
+ihr angenommene Verhltnis des Darstellungs- zum Genussmoment
+ausdrckt. Damit ist ja ihre Stellung zu den Einzelfragen -- dem
+Wiederholungsbefehl, der Deutung der Gleichnisse, der Form der
+angenommenen urchristlichen Feier u.s.w. -- entschieden. ~Man kann
+sie danach geradezu ausrechnen.~ Was die Verfasser dann noch von dem
+Ihrigen an geistreichen Einfllen, exegetischen Funden und genialen
+Inkonsequenzen hinzuthun, das ist alles ohne Belang. Ohne dass sie es
+wissen, folgen sie ja einem inneren Zwang. Weil sie ~mssen~, nehmen
+sie die schwersten exegetischen Hindernisse! Weil sie ~nicht anders
+knnen~, bersehen sie schwerwiegende historische Fragen! Weil sie die
+Verschnrkelungen am Erker nach freiem Bednken entwerfen drfen, sind
+sie -- und die andern mit ihnen -- geneigt zu vergessen, dass ihnen der
+Grundriss des Baues aufgegeben ist.
+
+Unter den gegebenen Voraussetzungen gibt es keine neuen
+Abendmahlsauffassungen mehr. Ob auch eine aus einer exegetischen
+oder historischen Beobachtung hervorwchst, kann sie im Grunde doch
+nichts anderes sein, ~als die Wiederholung oder Modifizierung einer
+schon vorhandenen, nmlich der, mit welcher sie die Formel ber das
+Verhltnis der beiden Momente gemein hat.~ Wollte man sich die Mhe
+geben, den Stammbaum der vorhandenen Auffassungen aufzustellen, so
+wrde es nicht schwer halten, jeder ihre Vorfahren zu entdecken.
+
+Die Darstellungen mit einseitiger Herausarbeitung des Genussmoments
+sind nur die wissenschaftlich-historische Reproduktion der
+altgriechischen Auffassung.
+
+ZWINGLI hat die rmische Theorie rationalisiert und ist von JLICHER
+ins modern-geschichtliche bertragen worden.
+
+Die doppelseitigen Auffassungen geben die Vermittlungsversuche
+zwischen der Messe und dem griechischen Mysterium und diejenigen der
+Reformationszeit in historischer Form wieder. Man kann also ruhig
+sagen, dass alle mglichen Kombinationen der beiden Momente schon
+erschpft sind.
+
+Mit neuen Auffassungen ist also nichts gethan; neu daran ist immer
+nur der Einfall, nie die Formel -- ~und auf letztere kommt es allein
+an.~ Darum fhrt die Detailauseinandersetzung mit einer solchen neuen
+Auffassung zu gar nichts. Das fr richtig und das fr falsch
+Befundene hngen ja gesetzmssig zusammen: eins ist nur insofern
+richtig, als das andere falsch ist.
+
+Daran liegt es, dass Arbeiten in der Art, wie sie RUD. SCHFER,
+CLEMEN[11] und SCHMIEDEL zu den neuesten Aufstellungen geliefert haben,
+trotz aller abwgenden Gewissenhaftigkeit die Forschung nicht in dem
+Masse des aufgewandten Scharfsinns vorwrts bringen. Aus dem, was sie
+anerkennen, lsst sich keine neue Auffassung zusammenbauen, und das,
+was sie auszusetzen haben, reicht nicht hin, die andere zu verwerfen,
+wenn man nichts Besseres an die Stelle zu setzen hat.
+
+Diejenigen, welche unter den gegebenen Verhltnissen neue
+Abendmahlsauffassungen aufstellen, rechnen ein Exempel, das bisher nie
+hat wollen aufgehen, zum so und sovielten Male durch. Ihre Kritiker
+rechnen das Exempel zum so und sovielten Male nach. Auf geht es aber
+darum doch nicht.
+
+~Es kann nie aufgehen.~ Darum ntzt es nichts, immer mit Eifer und
+Sammlung von vorn anzufangen. Man muss den Fehler nicht in der
+Rechnung, sondern im Ansatz suchen. Die bisherigen Auffassungen
+bringen es nicht ber dialektische Behauptungen hinaus, welche als
+Ganzes aus den geschichtlichen Thatsachen weder zu beweisen noch zu
+widerlegen sind.
+
+~Es gilt also sich von der bisherigen Problemstellung loszumachen.~
+
+~Wo liegt der Grund des Metaphysischen in der Abendmahlsfrage?~
+
+
+=2. Der neue Weg.=
+
+Bisher galt der Satz: Um das Abendmahl zu erklren, muss man von der
+Deutung der Gleichnisse ~ausgehen~, denn diese konstituieren das Wesen
+der Feier. So suchte man sie aus dem Genuss, oder aus dem Handeln, oder
+aus beiden zusammen zu deuten -- und, wenn man eine plausible Erklrung
+gefunden hatte, glaubte man den Schlssel zum Abendmahl zu besitzen.
+
+Nun gilt es aber zwei Thren zu ffnen: der betreffende Schlssel passt
+aber jedesmal nur zu einer. Angenommen SPITTA und die andern deuten die
+Gleichnisse richtig auf das Urchristentum: der historischen Situation
+entspricht aber ihre Erklrung nicht. Angenommen JLICHER und die
+andern deuten sie richtig aus der historischen Situation: im Sinne des
+Urchristentums ist aber ihre Erklrung nicht, denn dort kommt in keiner
+Weise zum Ausdruck, dass die Handlung Jesu den Tod versinnbildlichte.
+
+Man hat aber allen Grund zu fragen, ob die Gleichnisse aus der sie
+begleitenden Handlung ~so ohne weiteres~ deutbar sind. Alle Erklrungen
+werden ja auf Umwegen erreicht! Wieso soll das Brechen des Brots die
+Kreuzigung des Leibes anzeigen? Ist diese Erklrung etwa deswegen
+einleuchtender, weil es die einzige ist, welche die begleitende
+Handlung offen lsst? Wer sagt uns, dass es die Jnger so verstanden
+haben knnen? In der urchristlichen und altchristlichen Epoche, ja
+eigentlich bis auf ZWINGLI weiss kein Mensch etwas von dieser Deutung.
+
+Mit dem Wort ber dem Kelch steht es noch schlimmer. Hier muss man
+nmlich, um dem Gleichnis einen Sinn abzugewinnen, den Vergleichspunkt
+zur Handlung ~geradezu hinzuerfinden.~ Berichtet ist nur das
+~Herumreichen~ des Kelches. Dieses ist aber fr das ~Vergiessen
+des Blutes~ nicht charakteristisch. Das einzig Ertrgliche wre
+das ~Ausgiessen in den Kelch~. ~Obwohl nun diese Handlung in
+keinem Berichte erwhnt ist~, haben es alle exegetischen Deutungen,
+welche auf dem Darstellungsmoment beruhen, mit dem ~Ausgiessen~
+des Weines in den Kelch zu thun. Aus der inneren Zwangslage heraus
+schaffen sie frei ein ~Analogon zum Brotbrechen~, ohne sich darber zu
+rechtfertigen, wie sie dazu kommen, die Situation in unerlaubter Weise
+zu bereichern.
+
+Wo steht denn geschrieben, dass Jesus den Wein in den Kelch vor den
+Augen der Jnger bedeutungsvoll eingoss, wie er das Brot brach?
+Nirgends! Also beruht die exegetische Deutung des zweiten Gleichnisses
+~auf reiner Erfindung.~
+
+Gestehen wir es offen ein: es fehlt uns jegliche Anleitung zu einer
+natrlichen Deutung der Gleichnisse. Ueber Knstelei haben wir es
+dabei nicht hinausgebracht. Unser Schlssel ist nur ein schlechter
+Nachschlssel: er passt zur Not in das eine Schloss, aber nicht in
+beide. ~Und aus dieser Notdeutung der Gleichnisse wollen wir die ganze
+historische und urchristliche Mahlfeier erklren!~
+
+Wenn man in dieser Notlage einmal den noch einzig mglichen Ausweg ins
+Auge fasste! Es geht nicht an, ~die Feier durch die Gleichnisse zu
+erklren.~ Versuchen wir es mit dem umgekehrten Verfahren, nmlich ~die
+Gleichnisse aus der Feier zu erklren~!
+
+Freilich, am Anfang scheint das nur das letzte verzweifelte Rtteln an
+der verschlossenen Thr. Aber berlegen wir die Sache einmal ruhig.
+
+Beim Abendmahl handelt es sich um die Austeilung von Seiten Jesu, um
+den Genuss von Seiten der Jnger und um zwei Gleichnisse, welche mit
+dem Vorgang ~zusammenfallen.~ Ich sage ~zusammenfallen~! In einer
+~Situation~ knnen Handlungen und Reden zeitlich zusammenfallen,
+whrend sie in dem Bericht nur in zeitlicher Folge geschildert
+werden knnen, weil die Worte jedes Nebeneinander notwendig in eine
+Aufeinanderfolge auseinanderlegen.
+
+So halten unsere Berichte die Reihenfolge: Austeilung, Gleichnis,
+Genuss inne, als htte Jesus zuerst symbolisch gehandelt, dann
+ausgeteilt, dann das erklrende Gleichnis gesprochen, worauf zuletzt
+die Jnger verstndnisvoll gegessen htten.
+
+Versucht man es aber einmal, sich den berichteten Vorgang als Scene
+vorzustellen, so merkt man bald, ~dass die suberliche chronologische
+Folge stark illusorisch wird.~ Man denke sich die 12 Menschen,
+die wie auf eine innere Verabredung hin mit dem Essen des ihnen
+zugeteilten Stckes warten, bis Jesus das Gleichniswort gesprochen! Wie
+unnatrlich, ja unmglich diese Scene in der gedachten chronologischen
+Folge der Handlungen ist, kann man in Oberammergau sehen, wenn sie ins
+Leben bersetzt wird! Es lsst sich kaum etwas Unnatrlicheres und
+Geschraubteres denken.
+
+Fr den, welcher eine berichtete Situation mit dem Blick des Malers in
+der Wirklichkeit zu schauen vermag, bleiben nur zwei Mglichkeiten.
+Entweder hat Jesus jedem Einzelnen das Brot zugeteilt und dabei
+fr jeden Einzelnen das Gleichniswort wiederholt: dann ist die
+chronologische Folge so haltbar. Oder aber, wie feststeht, er hat allen
+zusammen Brot ausgeteilt und das Gleichniswort nur einmal gesprochen:
+dann ist die chronologische Folge, mit der wir bisher operierten,
+illusorisch geworden. Sie besagt dann nur, dass Jesus im Verlauf der
+Austeilung des Brotes und whrend des Herumreichens des Bechers die
+Gleichnisworte vom Leib und vom Blut gesprochen! ~Ob zu Anfang, in der
+Mitte oder zu Ende, ob vor, whrend oder nach dem Essen und Trinken:
+das ist nicht auszumachen.~ Unsere Berichte geben uns darber keinen
+Aufschluss.
+
+Aus der angenommenen ~chronologischen~ Folge haben die bisherigen
+Auffassungen ohne weiteres eine ~causale~ gemacht. Man sagte: Die
+Austeilung und das dabei vorkommende Brechen und Ausgiessen begrndet
+das Gleichnis, das Gleichnis soll den Jngern die Bedeutung des
+Genusses erklren, und die Bedeutung des Genusses macht das Wesen der
+Feier aus.
+
+Aus einer angenommenen zeitlichen Folge eine causale zu machen, das ist
+ein Fehler, den das menschliche Denken trotz aller Warnungen immer und
+immer wieder macht und sich dadurch die grssten Probleme schafft.
+
+~Nun zeigt die Geschichte, dass gerade diese angenommene causale Folge
+das Abendmahlsproblem unlsbar macht.~ Andererseits beschrnkt sich
+unsere Kenntnis von der Situation darauf, dass Jesus im Verlauf der
+Austeilung die Gleichnisse gesprochen hat. Also machen wir uns von dem
+Vorurteil los, als ob die Gleichnisse die Feier konstituierten, und
+fassen das Problem so, ~dass die Feier die Gleichnisse erklrt.~ Anders
+ausgedrckt: Man meinte bisher, dass Jesus die Jnger aufforderte, das
+dargereichte Brot und den herumgereichten Wein zu geniessen, ~weil er
+sie als seinen Leib und sein Blut bezeichnet hatte~ (wobei freilich
+niemand sagen kann, in welchem Sinne sie mit Brot und Wein seinen Leib
+und sein Blut assen und tranken).
+
+Wir aber gehen jetzt davon aus, dass Jesus von dem Brot und dem Wein,
+die seine Jnger auf seine Darreichung hin genossen, sagt, sie wren
+sein Leib und sein Blut, ~gerade im Hinblick darauf, dass sie es auf
+seine Darreichung hin geniessen~! Sie essen also nicht seinen Leib und
+trinken nicht sein Blut, sondern, ~weil sie jenes Brot essen und jenen
+Wein trinken~, sagt er, es ~sei sein Leib und sein Blut~! Das Gleichnis
+konstituiert also die Feier nicht, sondern es erwchst aus ihr!
+
+Die Feier ist selbstndig! Sie besteht darin, dass Jesus unter
+Danksagung seinen Jngern das Brot bricht und den Kelch herumreicht und
+sie davon geniessen. Zum Wesen der Feier gehren die Gleichnisse nicht,
+sondern Jesus spricht in diesen geheimnisvollen Worten die Bedeutung
+aus, welche die Feier fr ~ihn~ hat!
+
+Diese zweite Eventualitt liegt gerade so gut in den Berichten wie
+die erste. Nur ging man immer an ihr vorber, weil die chronologische
+Folge der Handlungen in der schriftstellerischen Darstellung die
+Aufmerksamkeit ganz fr die erste gefangen nahm.
+
+Nun ist aber logisch festgestellt, dass die bisherige Annahme das
+Problem vollstndig unlsbar macht. Also muss man es notgedrungen mit
+der zweiten probieren.
+
+Ueberdies spricht die Geschichte gerade fr die zweite. Es steht fest,
+dass die Leidensgleichnisse in der urchristlichen Feier ~keine Rolle~
+spielten. Sie wurden im Verlauf der Feier in keiner Weise reproduziert!
+Dafr sprechen Didache und Paulus, denn wenn sie aus dem alltglichen
+Verlauf der Feier bekannt gewesen wren, bliebe I Kor 11 _23_
+unverstndlich, da hier dann etwas Bekanntes in geheimnisthuerischer
+Weise wiederholt wrde! Es stand also im Urchristentum so: Man wusste
+wohl, dass diese Gleichnisse bei der historischen Feier gesprochen
+worden waren, die Gemeindefeier leitete sich von dieser historischen
+Feier ab: ~aber doch fhlte man kein Bedrfnis, die historischen
+Gleichnisse Jesu dabei irgendwie zu reproduzieren. Also war die
+historische Feier, sofern sie sich in der Gemeindefeier fortsetzte,
+von den Gleichnissen unabhngig~, da man sonst auch die Gleichnisse
+wiederholt htte. Das ist durch die Geschichte bezeugt.
+
+Darum hat es das Abendmahlsproblem gar nicht mehr mit den beiden
+unmglichen Fragen zu thun, wieso Jesus seinen Jngern seinen Leib zu
+essen und sein Blut zu trinken gegeben habe und wie sie diese Feier
+spter in entsprechender Weise reproduzierten, sondern das Problem
+selbst ist ein ganz anderes. Es heisst nicht mehr: ~Was bedeuten die
+Gleichnisse~, damit wir die Feier erklren knnen? sondern: ~Was
+bedeutete die Feier~, damit wir die ~Gleichnisse~ erklren knnen.
+
+~In welchem Sinne war die Austeilung von Brot und Wein beim letzten
+Mahl ein so beraus feierlicher Akt, der sich auf Jesu Tod bezog?~ --
+von dieser Frage hat die Untersuchung auszugehen, indem sie die
+Gleichnisse vorerst ganz bei Seite lsst. Es ist der einzige Weg zur
+Lsung des Problems.
+
+
+Fussnoten:
+
+[11] Der Ursprung des heil. Abendmahls von Lic. Dr. KARL CLEMEN. 1898.
+Hefte zur christl. Welt No. 37.
+
+
+
+
+Zweiter Teil.
+
+=Das Abendmahlsproblem auf Grund der historischen Berichte.=
+
+
+
+
+Zehntes Kapitel.
+
+=Die textkritischen Fragen.=
+
+
+=1. Cod. D. Die textkritische Hauptfrage.=
+
+Es handelt sich um den Lukasbericht (Lk 22 _15-20_). In der
+gewhnlichen Fassung zeigt er ein eigentmliches Geprge. Er bietet
+zunchst ein Wort ber den Passahgenuss in dem zuknftigen Reiche.
+Darauf folgt ein hnliches Wort, den Becher betreffend, welches mit
+dem synoptisch-eschatologischen Schlusswort nach Markus und Matthus
+bereinstimmt. Nachdem so gleichsam ein erster Redegang ber das Essen
+und Trinken abgeschlossen ist, kommt das Wort ber dem gebrochenen
+Brot und ber dem Wein als Bundesblut; bei letzterem fehlt dann das
+bei den beiden lteren Synoptikern den zweiten Akt beschliessende
+eschatologische Schlusswort.
+
+Wir haben also eine merkwrdige Doppelheit: zwei Worte das Essen, und
+zwei den Kelch betreffend. Von den beiden auf das Essen bezogenen
+Worten handelt nur das zweite von dem Genuss des Brots, whrend das
+erste vom Passah allgemein redet. Die Doppelheit ist also hier nicht so
+auffllig, wie in den beiden das Trinken betreffenden Worten, welche
+sich beide auf den Kelch beziehen. Das zweite nimmt sich wie ein
+Nachtrag zum ersten aus, da es ohne das eschatologische Schlusswort
+steht, die Aufforderung zum Genuss nicht enthlt und berhaupt in
+dieser Form der Feier keinen abrundenden Abschluss gibt, wie es das
+altsynoptische Kelchwort thut.
+
+Als daher diese eigentmliche Doppelheit in dem Lukasbericht auffiel,
+war die natrlichste Korrektur schon gegeben: das zweite Kelchwort,
+da die Aufforderung zum Genuss schon im ersten enthalten schien,
+zu streichen, dagegen das zweite Wort ber dem Brot, das in seiner
+spezifischen Eigenschaft vorher nicht erwhnt war, zu belassen, weil
+es die Aufforderung zum Genuss enthlt. Es ist die Korrektur von Cod.
+D.[12] Er schliesst mit den Worten: [touto esti to sma mou] (V. _19_).
+
+Entschliesst man sich einmal zu diesem so natrlichen Abstrich, so
+liegt gar kein Grund mehr vor, das Kelchwort mit seiner Aufforderung
+zum Trinken sich zwischen die beiden auf das Essen bezogenen Aussagen
+eindrngen zu lassen und sie unnatrlich auseinanderzureissen; man
+moduliert nach der ursprnglichen synoptischen Harmonie zurck, sodass
+das eschatologische Schlusswort beim Kelch wieder ans Ende kommt. Tritt
+dementsprechend V. _17_ und _18_ hinter _19_, so erhlt man einen
+Bericht, der sich von dem gewhnlichen nur dadurch unterscheidet,
+dass er vor dem Brotwort ein Wort ber das Passah bringt, welches dem
+eschatologischen Schlusswort ber dem Kelch nachgebildet ist. Dieses
+Verfahren findet sich bei b c.[13]
+
+~Die Entstehung des Abendmahlsberichtes des Cod. D. beruht auf
+Reflexion.~ Ueberhaupt bricht sich die Ueberzeugung immer mehr
+Bahn, dass seine Abweichungen durchweg diesen Charakter tragen.
+Eine originelle Vorstellung der historischen Feier schwebt dieser
+Berichtform gar nicht vor. Daher betrifft die Grundfrage der Textform
+des Lukas gar nicht Cod. D, sondern die gewhnliche Lesart. Wie kommt
+Lukas dazu, den Bericht ~so ins Doppelte sich spiegeln zu lassen~,
+dass der Versuch, diese Doppelheit als auf ein Versehen zurckgehend
+zu korrigieren, sich in Cod. D notwendig einstellen musste? Diese
+Frage ist aber gar keine textkritische mehr, sondern sie hngt mit
+der Entwicklung der Feier im Urchristentum und der damit gegebenen
+Verschiebung des Bildes des historischen Mahles zusammen.[14]
+
+
+=2. Abweichende Lesarten.=
+
+Die Frage, ob in den einzelnen Fllen [eulogsas] oder [eucharistsas]
+zu lesen ist, hat keine Bedeutung. Die beiden lteren Synoptiker
+gebrauchen den ersteren, Paulus, Lukas und Justin den letzteren
+Ausdruck.
+
+Der Grund der verschiedenen Lesarten in Mt 26 _26_ ist leicht
+einzusehen. Partizipien und erzhlende Verben hufen sich in einer
+Weise, dass man in keinem Falle eine schwerfllige und ungriechische
+Konstruktion vermeiden kann. Ob man nun liest: [labn ho Isous arton
+kai eulogsas eklasen kai dous tois mathtais eipen],[15] oder ob man
+eines der Partizipien auflst und die Lesart erhlt: [labn ho Isous
+arton kai eulogsas eklasen kai edidou tois mathtais kai eipen][16]
+bleibt sich gleich. Der Satz ist in jedem Falle formlos, weil er eine
+Hufung von Handlungen auf einen Moment enthlt, deren zeitlicher und
+logischer Zusammenhang sich sprachlich gar nicht wiedergeben lsst. Die
+Varianten beruhen auf der empfundenen darstellerischen Schwierigkeit,
+die jeder auf eine andere Weise zu berwinden suchte.
+
+Bei Markus treten die stilistischen Schwierigkeiten nicht so sehr
+hervor. Er vermeidet nmlich die namentliche Nennung des Spenders
+und der Empfnger, wodurch die matthische Konstruktion so besonders
+ungelenk wird.
+
+Der paulinische und der justinische Bericht sind von dieser
+Schwierigkeit befreit: sie vereinfachen die Situation, indem sie die
+Darreichung ([edken]) und die Aufforderung zum Genuss ([labete])
+auslassen.
+
+Das [phagete] in Mk 14 _22_[17] ist naive matthische Nachbildung. Die
+alten Zeugen bieten nur [labete].
+
+Der Zusatz [kains], den einige Lesarten bei dem Wort ber dem
+Becher in Mk 14 _24_[18] bieten, beruht auf naiver Nachbildung der
+paulinischen Version.
+
+
+=3. Das Ergebnis der Textkritik.=
+
+Die Verschiedenheit der Lesarten ist nicht darin begrndet, dass
+die eine mit ihren Wurzeln historisch hher hinaufreicht als die
+andere. Sie gehen zum Teil aus der Schwierigkeit hervor, welche die
+betreffenden Auffassungen haben, sich ~stilistisch darzustellen.~
+Zum Teil entspringen sie der Tendenz, die Berichte einander
+~gleichzubilden.~ Dazu war es aber schon zu spt: die verschiedenen
+Typen hatten schon eine zu scharfe historische Ausprgung erhalten,
+als dass es den nachbessernden Versuchen htte gelingen knnen, den
+Einheitstypus herzustellen, an dem die vorhergehende geschichtliche
+Epoche sich vergebens abgearbeitet hatte.
+
+Den letzten Versuch dieser Gleichbildung bietet der textus receptus,
+sofern er den ersten Akt bei Paulus nach Analogie mit dem matthischen
+darstellt und dadurch eine Aufforderung zum Genuss eintrgt (nehmet,
+esset), die in I Kor 11 _24_ ursprnglich fehlt.
+
+Die Aufgabe der Textkritik in der Abendmahlsfrage besteht darin, dass
+sie jeden der Berichte in seiner charakteristischen Eigentmlichkeit
+darstellt, indem sie ihn von den Spuren der versuchten litterarischen
+Gleichbildung mit andern befreit. Diese Aufgabe, so bescheiden sie
+scheint, ist von eminenter Tragweite. ~Htte sich die Gleichbildung der
+Berichte wirklich durchgesetzt, so wre das Abendmahlsproblem unlsbar.~
+
+
+Fussnoten:
+
+[12] D, a, ff. Die Ausgabe von WESTCOTT und HORT hat diese Lesart
+adoptiert.
+
+[13] In derselben Absicht lsst syr^{cu} Vers _20_ aus und setzt dafr
+Vers _17_ und _18_ ein.
+
+[14] Eine eingehende Darlegung der Textfragen, welche den Lukasbericht
+betreffen, findet sich in der Abhandlung von ERICH HAUPT.
+
+[15] So [Aleph] (sed [dous] ex [edidou] korrigiert ab [Aleph]) BDLZ.
+
+[16] [ACGD].
+
+[17] Mk 14 _22_: zu [labete] zugesetzt [phagete] (EFHM).
+
+[18] Mk 14 _24_: [ts diathks] ([Aleph]BCDL).
+
+
+
+
+Elftes Kapitel.
+
+=Die Eigenart des Markusberichts= (Mk 14 _22-26_).
+
+
+Der erste Akt besteht einzig darin, dass Jesus unter Gebet das Brot
+bricht und es herumreicht; zugleich spricht er das Gleichniswort von
+seinem Leib. Es fehlt, wie bei Matthus, das uns aus Paulus gewohnte
+[hyper hymn] und ber Matthus hinaus das [phagete].
+
+Ist so im ersten Akt die ~Aufforderung zum Genuss~ in Hinsicht auf das
+Gleichnis nicht ausdrcklich ausgesprochen, ~so fehlt sie im zweiten
+vollstndig.~ Es wird zuerst berichtet, dass Jesus allen den Kelch nach
+dem Gebetswort herumgereicht habe und alle daraus getrunken haben (Mk
+14 _23_). ~Darauf erst~ spricht er das Gleichniswort von dem fr viele
+vergossenen Blut (Mk 14 24).
+
+BRUNO BAUER war meines Wissens der erste, der darauf hingewiesen, dass
+Markus statt der Aufforderung zum Trinken die ~Konstatierung~ bietet,
+dass alle getrunken haben. Er sieht darin nur eine Abschwchung gegen
+Matthus, da Markus sich scheue, die Aufforderung Jesu in vollem Umfang
+aufrecht zu erhalten.
+
+Dabei hat aber BRUNO BAUER nicht bemerkt, dass mit dieser Konstatierung
+auch die gewhnliche chronologische Folge vom Gleichnis zum Genuss
+sich verschiebt, wodurch zugleich das uns gelufige kausale Verhltnis
+zwischen Gleichnis und Genuss aufgehoben wird. Diesem Bericht zufolge
+ist es unmglich, dass Jesus oder die Jnger die Bedeutung des Trinkens
+~aus dem Gleichnis herleiten~, weil dieses ja erst ~auf das Trinken
+folgt~!
+
+Zu beachten ist ferner, wie das weihevoll ([amn]) und nachdrcklich
+gesprochene eschatologische Schlusswort von dem Neutrinken in dem Reich
+des Vaters sich eng an das Gleichniswort anschliesst! Es bildet den
+Hhepunkt der Feier (V. _25_), worauf alsbald der Aufbruch erfolgt.
+
+~Diese eigenartigen Zge des Markusberichts sind bisher nicht
+herausgearbeitet worden.~ Man hat ihn einfach nach den andern gedeutet.
+Alle Berichte, so nahm man ohne weiteres an, bieten dieselbe Thatsache.
+Beim letzten Mahl hat Jesus den Jngern Brot und Wein so dargereicht,
+dass sie die Elemente irgendwie als seinen Leib und sein Blut assen und
+tranken. Das Fehlen des [phagete] bei Markus erklrte man daraus, dass
+es sich von selbst verstehe. Die Eigentmlichkeit des zweiten Akts hob
+man nicht einmal hervor, weil man sie -- ohne sich davon Rechenschaft
+zu geben -- nach Matthus und den andern interpretierte.
+
+Diese Annahme, dass der Markusbericht im Grunde dasselbe besage wie
+die andern, ist ~eine der unbewiesenen Voraussetzungen~, mit denen die
+bisherigen Abendmahlsauffassungen operierten. Wenn wir nmlich nur den
+Markusbericht htten, kme niemand auf den Gedanken, dass Jesus seinen
+Jngern Brot und Wein als seinen Leib und sein Blut ausgeteilt und sie
+zum Genuss in diesem Sinne aufgefordert habe. Man wrde die zeitliche
+Folge im ersten Akt nach der des zweiten auffassen und als Thatbestand
+feststellen, dass Jesus ~im Verlauf der Austeilung des Brotes das
+Gleichnis von seinem Leib und =nach= der Herumreichung des Bechers
+das Gleichnis von seinem Blut gesprochen habe.~ Wenn wir aber einen
+Bericht haben, wo Jesus dem strikten Wortlaut zufolge weder seinen
+Leib noch sein Blut zum Genuss ausgeteilt hat, so drfen wir ihn nicht,
+als handle es sich um eine gewisse Nachlssigkeit und Sparsamkeit im
+Ausdruck, nach den andern auslegen, sondern wir mssen ihn mit ihnen
+vergleichen und eine Auseinandersetzung herbeifhren. Daraus ergibt
+sich dann die Tragweite der Abweichungen. Entweder handelt es sich
+um eine absolut ~unverstndliche Schilderung~, die man, weil sie mit
+dem feststehenden Thatbestand absolut keine Verwandtschaft hat, als
+Kuriosum nicht weiter zu beachten braucht, oder -- ~wir haben den
+authentischen Bericht vor uns, von dem die Untersuchung ausgehen muss.~
+Diese Alternative ist nicht zu umgehen, sobald man sich die Eigenart
+des Markusberichts klar gemacht hat.
+
+
+
+
+Zwlftes Kapitel.
+
+=Der Vergleich der Berichte.=
+
+
+=1. Das Prinzip der Gleichbildung.=
+
+Aeusserlich betrachtet zeigt sich die Eigenart des Markusberichts
+darin, dass die beiden Akte an Umfang und Gesichtspunkten verschieden
+sind. Der erste ist ganz kurz; er beschrnkt sich auf das Gebetswort,
+das Brechen zum Austeilen und die Gleichnisrede; der zweite enthlt
+das Gebetswort, die Austeilung, die Erwhnung des Genusses, die
+Gleichnisrede, den Hinweis auf die Heilsbedeutung des Todes und
+das eschatologische Schlusswort. Der Vergleich zeigt, dass bei
+den andern Berichten die beiden Akte in steigendem Masse einander
+~gleichgebildet werden~, sowohl dem Umfang nach, als auch hinsichtlich
+der Gesichtspunkte, die sie enthalten. Wir erhalten zwei Parallelakte,
+indem die Handlungen und Worte beim Wein genau denen beim Brot
+entsprechen.
+
+Diese Gleichbildung erfolgt entweder so, dass die Momente des zweiten
+Akts in den ersten eingetragen werden (Matthus, Paulus, Lukas), oder
+so, dass der zweite Akt nach Analogie des ersten zusammengezogen wird
+(Justin).
+
+
+=2. Der matthische Bericht= (Mt 26 _26-29_).
+
+Matthus befindet sich auf dem Wege zur Gleichbildung. Durch das
+[phagete] ist die ausdrckliche Erwhnung des Genussmoments in den
+ersten Akt aufgenommen. Da im zweiten an Stelle der Konstatierung
+ebenfalls die Aufforderung zum Genuss getreten ist, so entsprechen
+sich beide Akte in diesem Punkte vollkommen. [labete, phagete touto
+estin to sma mou. piete ex autou pantes touto gar estin to haima
+mou.] Die Gleichbildung ist aber noch nicht vollstndig vollzogen. Dem
+ersten Akt fehlt ein dem Wort ber die Bedeutung des vergossenen Bluts
+entsprechender Hinweis ([to peri polln]). Auch das eschatologische
+Wort, welches das Gleichnis ber dem Wein beschliesst, ist beim Brot
+noch nicht vertreten.
+
+Zudem zeigt das im zweiten Akt stehen gebliebene [pantes], dass hier
+eine Konstatierung in eine Aufforderung umgesetzt worden ist. Bei
+der Konstatierung muss ja notwendig erwhnt werden, dass sie alle
+davon getrunken haben. Bei der Aufforderung aber ist das [pantes]
+selbstverstndlich, oder -- wenn es die Weihe der Aufforderung
+nachdrcklich hervorheben soll -- wie kann es dann beim Brot fehlen?
+Hier wre es wirklich gefordert, da Jesus nicht ohne weiteres annehmen
+kann, dass alle das Stckchen Brot, das er ihnen darbietet, auch
+wirklich essen, whrend er dem Herumgehen des Kelches mit dem Auge
+folgt. Bei Paulus, Lukas und Justin ist dann das [pantes], als nicht
+mehr von Belang, auch wirklich ausgefallen.
+
+Die Verbindung des eschatologischen Schlussworts mit dem Kelchwort nach
+rckwrts, dem Aufbruch zum Leidensweg nach vorwrts ist bei Matthus
+noch gewahrt. Jedoch ist es mit dem Kelchwort nicht mehr durch das
+gewaltige [amn] in Steigerung verbunden, so dass es, wie bei Markus,
+den ~Hhepunkt~ der ganzen Feier bildet, sondern es ist nur mehr eine
+mit [de] ~beigeordnete Schlussbemerkung~ (Markus [amn leg hymin],
+Matthus [leg de hymin]).
+
+So befindet sich die Gleichbildung bei Matthus noch im Fluss. Bei
+Paulus ist sie schon viel weiter fortgeschritten.
+
+
+=3. Der paulinische Bericht= (I Kor 11 _23-26_).
+
+Hinter jedem Akt ist abschliessend angefgt: [touto poieite eis tn
+emn anamnsin]. Durch Uebernahme eines auf die Bedeutung des Todes
+hinweisenden Worts ([to hyper hymn]) gleicht sich der erste Akt dem
+zweiten an. Nur das [eklasen] hat keine Parallele.
+
+Bei Markus und Matthus beschloss das Wort von der Wiedervereinigung
+beim Mahl im zuknftigen Reich den Spruch ber dem Becher. Nur
+scheinbar ist es bei Paulus ausgefallen. Er setzt es vielmehr als
+Abschluss ~bei beiden Akten voraus:~ [hosakis gar ean esthite
+ton arton touton kai to potrion pinte, ton thanaton tou kyriou
+katangellete, achri ou elth] (V. _26_).
+
+~Bis dass er kommt~ -- darin liegt die Erwartung des Kommens des Herrn
+und des Anbruchs des Reiches. Dies darf man fr die Erklrung des
+[touto poieite eis tn emn anamnsin] nicht ausser Acht lassen. Danach
+ist die [anamnsis] doppelseitig: nach rckwrts eine Erinnerung an den
+Tod Jesu, nach vorwrts ein Gedenken an seine Parusie. Die Feier gilt
+dem Gekreuzigten, der als Messias bei seiner Ankunft offenbart werden
+wird, als welcher er schon jetzt durch die Auferstehung zur Rechten
+Gottes erhht ist.
+
+Bedenkt man nun, dass die historische Relation des eschatologischen
+Schlussworts im zweiten Akt abgefallen ist, dass aber nach der
+Vorstellung Pauli beide Akte mit der Erwartung der Parusie in
+Zusammenhang stehen, so liegt es nahe, in dem [touto poieite], als
+Konstatierung oder als Wiederholungsbefehl gefasst, ~die paulinische
+Form des beiden Akten beigesetzten eschatologischen Schlussworts zu
+sehen.~
+
+Fr den ersten Akt ist dies eine knstliche Angliederung, da historisch
+dieser Hinweis nur mit dem Kelchwort in Beziehung steht, wo der
+Genuss konstatiert ist; der erste Akt mit seinem [eklasen] ist gar
+nicht darauf angelegt. Daraus entsteht bei Paulus eine unertrgliche
+grammatikalische Verwirrung. Die Parallele zu dem [hosakis ean pinte],
+das erwartete [hosakis ean esthite], fehlt in der Form des [touto
+poieite] von V. _24_. Unter dem [poiein] kann also fr den ersten
+Akt nur das erwhnte ~Brechen~ verstanden sein. Aus V. _25_ und _26_
+geht aber hervor, dass, dem [poiein] des zweiten Akts entsprechend,
+der Genuss, nmlich das Essen, darunter verstanden werden muss.
+Grammatikalisch allein berechtigt wre: so oft ihr dieses Brot brechet
+und diesen Kelch trinket; thatschlich aber soll es bedeuten: so oft
+ihr dieses Brot esset. So ist auch das [gar] zu verstehen, welches
+V. _26_ mit V. _24_ und _25_ zugleich verbindet, sofern es als
+Wiederholung der dort von Jesu gemeinten Handlung das Essen und Trinken
+voraussetzt.
+
+Die Gleichbildung ist also trotz des latenten Widerstandes des ersten
+Aktes erreicht. An beide Gleichnisse schliesst sich das Wort von der
+Heilsbedeutung des Todes und der eschatologische Hinweis an.
+
+Dabei entgeht Paulus durch die Form, in der er diesen Hinweis bietet,
+einer grossen Schwierigkeit. Dieses Wort ist in der ursprnglichen
+Gestalt ein ~Schlusswort.~ Fgt man es in dieser Form dem ersten Akt
+an, so wird die Handlung in der Mitte auseinander gerissen, da dann
+Jesus schon beim Brot die Feier beschliesst. Diese Schwierigkeit hat
+Lukas gefhlt, als er die paulinische Vorstellung in den synoptischen
+Bericht zu bertragen unternahm.
+
+
+=4. Der lukanische Bericht= (Lk 22 _14-20_).
+
+Lukas bringt zuerst das eschatologische Schlusswort in direkter Rede
+fr beide Akte. Fr das Kelchwort lag die Form der lteren Synoptiker
+vor. Er nimmt die Matthusform, weil er die Aufforderung zum Genuss,
+welche Paulus nicht bietet, voraussetzt. Durch die Auslassung des
+Wortes vom Blut wird folgendes Kelchwort hergestellt Lk 22 _17_ u.
+_18_: [kai dexamenos potrion eucharistsas eipen labete touto kai
+diamerisate eis heautous leg gar hymin hoti ou m pi apo tou nyn apo
+tou genmatos ts ampelou hes hotou h basileia tou theou elth].
+
+Der Versuch nimmt sich gut aus; das [diamerisate] hat zugesetzt werden
+mssen, damit man die spter folgende Darreichung des Kelches (V.
+_20_) nicht vorwegnehme; das eingefgte [gar] stellt in Verbindung mit
+dem [diamerisate] zur Not einen logischen Gedankenzusammenhang her;
+das [kainon] (vgl. Mt 26 _29_) blieb besser weg, weil dieses Adjektiv
+nachher als erklrender Zusatz zu [diathk] figuriert; der Farbenton
+der eschatologischen Aussage ist etwas verblasst (Matthus [hes ts
+hmeras ekeins hotan auto pin meth' hymn kainon en t basileia tou
+patros mou] Lukas [hes hotou h basileia tou theou elth]).
+
+Schwieriger war die Formulierung des eschatologischen Schlussworts fr
+den ersten Akt, da hier kein behauenes Material vorlag und das Wort
+ber dem Brot seinen Widerstand gegen die aufgezwungene Verbindung mit
+irgend einem eschatologischen Hinweis schon bei Paulus hinreichend
+bekundet hatte. Ein einziger Ausweg bot sich dar: das eschatologische
+Schlusswort, da es einmal fr die Handlung des Essens gefordert war,
+auf die ganze Mahlzeit zu beziehen. Dieser Fassung kam der Gedanke
+zu Hlfe, dass mglicherweise die historische Feier ein Passahmahl
+gewesen; das neukonstruierte eschatologische Schlusswort fr das Essen
+bezieht sich bei Lukas also auf das Passahmahl, das Jesus mit den
+Seinen feiert. _15_ [kai eipen pros autous epithymia epethymsa touto
+to pascha phagein meth' hymn pro tou me pathein] _16_ [leg gar hymin
+hoti ou m phag auto hes hotou plrth en t basileia tou theou].
+
+Die Benutzung des Passahgedankens ermglicht Lukas, eine Mahlfeier
+darzustellen, ~bei der sowohl das Essen als das Trinken einen
+eschatologischen Hinweis erhalten.~ Dabei wird aber die historische
+Feier auseinandergerissen! Zuerst kommen die beiden eschatologischen
+Worte; sie werden in den Verlauf der Passahmahlzeit gerckt. Das erste
+bildet zugleich eine stimmungsvolle Einleitung. Von dem Wort ber dem
+Brot wird dadurch nichts vorausgenommen: nur mit dem Wort ber dem
+Becher hat es seine Schwierigkeit. Um das Kelchwort, welches dann bei
+der eigentlichen historischen Feier eintritt, von dem vorhergehenden,
+welches im Rahmen des Passahmahls verlief, genau abzuheben, wird es
+in der paulinischen Form berichtet: [to potrion meta to deipnsai
+legn touto to potrion h kain diathk en t haimati mou]: soweit
+geht die Uebereinstimmung. Nun ist aber der eschatologische Hinweis
+nach Paulus (I Kor 11 _24_ u. _25_ [touto poieite] etc.) schon beim
+ersten Passah-Kelchwort verbraucht; deswegen wird hier nach Matthus
+zurckmoduliert und [to hyper hymn ekchynnomenon] eingesetzt; aus
+diesem Grunde war schon an Stelle des paulinischen [en t em haimati]
+das altsynoptische [en t haimati mou] eingetreten.
+
+Der erste Akt wird nach Paulus beschrieben; aus den Synoptikern ist
+die ausdrckliche Erwhnung der Darbietung ([edken-didomenon])
+eingedrungen. Das [touto poieite] ist stehen geblieben, weil das
+eschatologische Wort hinsichtlich des Essens sich auf das Passahmahl
+allgemein bezieht.
+
+Der Bericht des Lukas erklrt sich litterarisch einfach als ein
+Versuch, die bei Paulus erreichte Gleichbildung der beiden Akte
+unter Zuhlfenahme des Zusammenhangs der historischen Feier mit dem
+Passahmahl in die synoptische Geschichtserzhlung zurckzutragen.
+Daraus resultiert dann folgender Verlauf der Feier: Jesus weist zu
+Anfang des Passahmahls darauf hin, dass er es erst im Gottesreiche
+wieder mit den Jngern feiern wird. Solches wiederholt er beim ersten
+Herumreichen des Kelches. Bei einer Brotdarreichung im Verlaufe der
+Feier spricht er das Gleichnis von seinem Leibe, desgleichen beim
+Kelch das Gleichnis von seinem Blute. Beide Akte sind absolut gleich
+durch die Geltendmachung des Heilswertes der Dahingabe (V. _19_ [to
+hyper hymn didomenon], V. _20_ [to hyper hymn ekchynnomenon]). Auch
+bei dieser Gleichbildung geht es ohne stilistische Hrte nicht ab,
+sofern nmlich im zweiten Akt von einem vergossenen Kelch die Rede ist,
+whrend das Blut gemeint ist.
+
+Wie bei Paulus werden beide Akte durch das [touto poieite]
+abgeschlossen. Wir haben also eine bis auf den gemessenen Rythmus
+in der Sprache sich erstreckende Gleichbildung. Freilich ist dabei
+der Schluss der Feier verloren gegangen. Das stolze Wort von dem
+Wiedertrinken in des Vaters Reich ist schon fr den Anfang der
+Passahfeier verbraucht, statt dass es, wie bei Markus und Matthus, zum
+Aufbruch berleitet. Dafr finden hier die Episoden von der Bezeichnung
+des Verrters, dem Rangstreit und der Verwarnung des Petrus ihren Platz
+(Lk 22 _21-38_), wobei die Schilderung des feierlichen Aufbruchs nach
+dem Lobgesang (Mk 14 _26_ = Mt 26 _30_) unterbleibt. Er ging nach
+seiner Gewohnheit an den Oelberg (Lk 22 _39_: [kai exelthn eporeuth
+kata to ethos eis to oros tn elain]).
+
+Eine originelle Auffassung von dem Wesen der historischen Feier liegt
+dieser Darstellung nicht zu Grunde. In keinem Falle ist sie aus dem
+Bestreben hervorgegangen, die Trennung des Abendmahls von der
+gemeinsamen religisen Mahlzeit, welche bei Paulus angebahnt sein
+soll, historisch zu begrnden! Dieser formlose Bericht ist nur aus dem
+Prinzip [parkolouthkoti anthen pasin akribs kathexs grapsai](Lk 1
+3) zu erklren.
+
+Es ist daher nicht zu erwarten, dass durch Streichung oder
+Versversetzung aus der lukanischen Darstellung sich ein Bericht
+gewinnen lsst, der auf eine originelle ltere Vorstellung der
+historischen Feier zurckgeht. Mehr als durch solche Versuche wird
+man dem Wert der lukanischen Darstellung gerecht, wenn man das
+schriftstellerische Geschick, das sthetische Feingefhl und den
+liturgischen Schwung wrdigt, von denen diese Schilderung Zeugnis gibt.
+
+
+=5. Der justinische Bericht= (I Apol. 66).
+
+Hier vollzieht sich die Gleichbildung durch Verkrzung des zweiten Akts
+nach Analogie des ersten. Die berichtete Feier beschrnkt sich auf zwei
+rtselhafte Worte Jesu. Nach einem Dankgebet ber dem Brot spricht er:
+dies ist mein Leib, desgleichen beim Kelch: dies ist mein Blut
+([ton Isoun labonta arton eucharistsanta eipein touto poiete eis tn
+anamnsin mou, touto esti to sma mou. kai to potrion homois labonta
+kai eucharistsanta eipein touto esti to haima mou]).
+
+Es fehlt das Brechen des Brots, der Hinweis auf den Wert der Dahingabe
+und die Hervorhebung des erwarteten oder erfolgten Genusses im zweiten
+Akt. Auch das eschatologische Schlusswort ist ausgefallen. Nur beim
+ersten Akt findet sich das [touto poieite] in der paulinischen Form,
+wobei aus [tn emn anamnsin] (I Kor 11 _24_) [tn anamnsin mou]
+geworden ist.
+
+Hier steigert sich aber der Widerstand des ersten Akts gegen einen
+derartigen Eintrag bis zur Unertrglichkeit. Worauf soll sich das
+[poiein] beziehen? Auf das vorausgehende Gebetswort? Das Brechen ist
+nicht erwhnt, der Genuss vorausgesetzt, aber nicht hervorgehoben. So
+ist das [touto poieite] hier fr die grammatikalische Auslegung sinnlos
+und die Erwhnung desselben ~bei dem ersten Akt allein~ unverstndlich.
+
+Bei dieser verkrzten Darstellung ist die ganze historische Situation
+interesselos geworden. Zwar erwhnt Justin Dial. 41, 70 und 117, dass
+in der Gemeindefeier auch die Erinnerung an Jesu Tod mit hereinspielt.
+In seinem Bericht aber fehlt jede Andeutung, dass dieses Mahl in der
+Nacht vor dem Tod stattgefunden hat.
+
+Aus dem justinischen Bericht allein wssten wir also nur, dass Jesus
+bei einem Mahle, nachdem er das Dankgebet ber dem Brot gesprochen,
+seinen Jngern geboten habe, diesen Brauch zur Erinnerung an ihn
+festzuhalten; danach habe er fortfahrend das gesegnete Brot als seinen
+Leib und den gesegneten Kelch als sein Blut bezeichnet.
+
+
+
+
+Dreizehntes Kapitel.
+
+=Die Authentie des Markusberichts.=
+
+
+=1. Der Beweis.=
+
+Authentisch ist ein Bericht, ~welcher in keiner Weise durch die
+Vorstellung von der Gemeindefeier beeinflusst ist.~ Der Markusbericht
+ist authentisch, weil sich dieser Nachweis fr ihn fhren lsst.
+
+Worauf beruht die ~Gleichbildung der beiden Akte~, welche alle
+andern Berichte, wenn auch der Art und dem Grad nach verschieden,
+im Unterschied zu Markus aufweisen? Auf dem Einfluss, welchen die
+altchristliche Feier auf die Vorstellung der historischen ausbt. Die
+Gemeindefeier war eine Mahlzeit, bei der dem Essen dieselbe Bedeutung
+zukam wie dem Trinken. Ganz natrlich bertrug sich dies auf die
+historische Feier. Man wusste also nicht anders, als dass Jesus beim
+Brot und beim Wein in genau entsprechender Weise gehandelt und geredet
+haben musste, sofern in der abgeleiteten Feier die gleiche Wertung des
+Essens wie des Trinkens konstatiert wurde. So war die Gleichbildung der
+beiden Akte fr die historische Feier von der urchristlichen gefordert.
+
+Besssen wir nun den Markusbericht nicht, so wrden wir an der
+Gleichheit der beiden Akte nichts Besonderes finden, da dies auch
+unserem Empfinden als das Natrlichste erscheint. Alle modernen
+Rekonstruktionsversuche der ursprnglichen Einsetzungsworte vertreten
+die Gleichbildung ebenfalls. Wir sind also auch geneigt, die Gleichheit
+der beiden Akte ohne weiteres fr selbstverstndlich zu halten.
+
+Nun zeigt aber der Markusbericht, dass die Gleichheit der beiden
+Akte nicht selbstverstndlich ist. Also muss man entweder fr die
+Ungleichheit derselben bei ihm oder fr die Gleichheit bei den andern
+eine Erklrung suchen. Dabei ergibt sich, dass man wohl die andern
+aus dem Markusbericht ableiten kann, ~nicht aber umgekehrt.~ Matthus
+und Paulus -- der Lukasbericht ist ein rein litterarisches Produkt
+-- stellen die Feier nach dem zweiten Akt des Markus dar, Justin
+nach dem ersten. Bringt man bei jedem die Gleichbildung der beiden
+Akte entsprechend in Abrechnung, wozu die grammatikalischen Hrten
+und Unmglichkeiten Anweisung geben, ~so erhlt man jedesmal den
+Markusbericht.~
+
+Dabei zeigt sich in der Gleichbildung der beiden Akte noch eine
+gewisse Entwicklung. Dass sie bei Matthus noch nicht vollstndig
+durchgefhrt ist, lsst erkennen, dass die Gleichheit der Akte nicht
+das Ursprngliche ist. Also muss sie ihren Grund in der historischen
+Anschauung der alten Zeit haben, welche diese Berichte ~formuliert~
+hat. Da dieser allein in dem Mahlzeitcharakter der Essen und Trinken
+gleichwertenden Gemeindefeier gegeben sein kann, steht fest, ~dass
+diese Berichte durch das Medium der altchristlichen Auffassung der
+Gemeindefeier hindurchgegangen sind. Markus steht ausserhalb dieses
+Prozesses, weil er die Gleichbildung nicht aufweist; also ist er
+authentisch.~
+
+Dass die Vorstellung der historischen Feier bei Paulus und Justin
+in einem sehr hohen Masse durch die Auffassung der Gemeindefeier
+bedingt ist, liegt auf der Hand. Der historische Bericht ist bei ihnen
+ja nur Mittel zum Zweck. Er soll eine bestimmte Anschauung von der
+Gemeindefeier vertreten. Die Art, wie sie beide in Verbindung setzen,
+geht weit ber unsere Begriffe hinaus. Wir verstehen die Gemeindefeier
+immer nur als eine entsprechende ~Wiederholung~ der historischen,
+sofern sie aus der letzteren begrndet wird. Paulus und Justin setzen
+beide gleich, indem sie die Gemeindefeier mit der historischen Feier
+gegeben sein lassen. Dabei entstehen dann Gedankengnge, die fr uns
+ganz berraschend sind.
+
+Es handelt sich um I Kor 11 _26_. In V. _24_ und _25_ vollzieht Jesus
+die Einsetzung. Wer redet in V. _26_? Das [gar], sofern es sich zum
+Vorhergehenden begrndend verhlt, schliesst den Subjektswechsel
+aus. Der Ausdruck [ton thanaton tou kyriou] zeigt aber an, dass die
+historische Situation verlassen ist und Paulus von der Gemeindefeier
+redet. Dazu passt aber das [gar] nicht, denn was fr die Gemeindefeier
+gilt, ist nicht eine ~Begrndung~ zu den Worten Jesu, sondern eine
+~Folgerung~ aus dem historischen Spruch. In diesem Satz vollzieht also
+Paulus den Uebergang von der historischen Feier zur Gemeindefeier so,
+dass er beide fr einen Augenblick gleichsam zusammenschiebt.
+
+Darum schmilzt er zwei Stze, von denen der erste der historischen
+Situation, der zweite der Darlegung ber die Gemeindefeier angehrt,
+ineinander.
+
+ 1. Jesus zu den Jngern im Anschluss an die Gleichnisse: denn
+ ([gar]) so oft ihr von diesem Brot esset und von diesem Wein
+ trinket, verkndet ihr meinen Tod, bis dass ich komme.
+
+ 2. Paulus der Gemeinde das Wesen ihrer Feier aus der historischen
+ erklrend: Darum ([hste]), so oft ihr von diesem Brot esset und
+ von diesem Wein trinket, verkndet ihr des Herrn Tod, bis dass er
+ komme.
+
+Justin bietet ein Seitenstck zu diesem schillernden Uebergang. Er
+fasst in der berhmten Darlegung I Apol. 65 und 66 die historische
+Feier und die Gemeindefeier in einem gemeinsamen Ausdruck zusammen,
+indem er sie bezeichnet als: [h di' euchs logou tou par' autou]
+(sc. Jesu) [eucharisttheisa troph]. Dieser Ausdruck bekundet eine
+Gleichsetzung der beiden Feiern, die weit ber unseren Begriff
+der entsprechenden Wiederholung hinausgeht. Die Speise bei der
+Gemeindefeier ist, wie bei der historischen, durch Jesu Gebetswort
+geheiligt. Ein Unterschied besteht also nicht.
+
+Was die Gleichbildung der beiden Akte anzeigt, wird durch die
+Argumentierung, mit welcher Paulus und Justin die Gemeindefeier mit
+der historischen Feier verbinden, besttigt: Sie sehen die historische
+Feier nur in der Beleuchtung der Gemeindefeier.
+
+Solange die Textvergleichung ausschliesslich auf die Entdeckung der
+wahrscheinlichsten und ansprechendsten Form der ~Einsetzungsworte~
+ausging, bestand die Vorstellung der Mglichkeit einer paulinischen
+oder justinischen Sondertradition zu Recht, da beide die
+Einsetzungsworte in sowohl unter sich unabhngigen als von den beiden
+lteren Synoptikern grundverschiedenen Fassungen boten. Prft man aber
+die ~Berichte als Berichte~, frgt man sie, ohne den verlockenden
+Anpreisungen ihrer Einsetzungsworte Gehr zu geben, was sie von
+dem Verlauf und dem Wesen des gesamten historischen Vorgangs, bei
+welchem diese Gleichnisse geredet wurden, wissen, dann ist es mit der
+Scheinoriginalitt aus. Es zeigt sich, dass sie sich die historische
+Feier der ihnen gelufigen Gemeindefeier entsprechend vorstellen,
+nur dass Jesus dabei Speise und Trank austeilt und die bekannten
+Gleichnisse redet. Also geht auch ihre Fassung der Einsetzungsworte
+nicht auf eine paulinische oder justinische Sondertradition zurck,
+sondern sie ist geschichtlich aus der vorausgesetzten Gemeindefeier zu
+erklren. Paulus und Justin differieren in ihren Einsetzungsworten,
+weil und insofern die justinische von der paulinischen Gemeindefeier
+differiert. Zwischen beiden muss in der Auffassung der Feier eine
+Wandlung eingetreten sein.
+
+So fhrt die neue Problemstellung eine neue Auffassung der Authentie
+mit sich, welche sich nicht mehr auf ~Meinungen, sondern auf Gesetze~
+grndet. Als authentisch gilt nicht mehr die krzeste oder scheinbar
+klarste Relation der Einsetzungsworte, ~sondern die Darstellung des
+gesamten historischen~ Vorgangs, fr welche eine Beeinflussung durch
+die Gemeindefeier nicht nachgewiesen werden kann, ob uns nun die
+betreffende Einsetzungsformel zusagt oder nicht.
+
+Bisher galt es fr interessant, mit einer gewissen skeptischen
+Nonchalance die Behauptung hinzuwerfen, dass wir ber die Authentie
+der Berichte niemals etwas wissen knnen. Selbst wenn unter unseren
+Berichten ein authentischer sich befnde, so htten wir doch kein
+Mittel, ihn unter den andern herauszufinden. Durch die neue Auffassung
+der Authentie ist diese Skepsis abgethan. Wir besitzen einen
+authentischen Bericht. Wer es bestreiten will, muss nachweisen, dass
+der Markusbericht ein durch die andern Darstellungen desavouiertes
+Phantasieprodukt ist. Authentisch oder sinnlos: das ist die einzig
+offene Alternative.
+
+
+=2. Die Folgerungen aus der Authentie des Markusberichts.=
+
+Die neue Auffassung der Authentie bezeichnet den ersten Erfolg der
+neuen Problemstellung. Er ffnet dem neuen Lsungsversuch den Weg.
+Jesus forderte die Jnger auf, seinen Leib zu essen und sein Blut zu
+trinken: dieser angenommene gemeinsame Thatbestand aller Berichte
+schien den Weg zu versperren. Durch die Authentie des Markusberichts
+wird aber dieser Scheinthatbestand ausser Kraft gesetzt. Es ist
+historisch besttigt, was aus der Kritik der modernen Auffassungen
+geschlossen wurde: Jesus hat seine Jnger nicht aufgefordert, seinen
+Leib und sein Blut zu geniessen, sondern er hat die Gleichnisworte im
+Verlauf, nicht vor dem Genuss gesprochen. Das Kelchwort kommt erst,
+nachdem alle getrunken haben!
+
+Also haben wir einen Bericht, bei dem das Wesen der Feier nicht auf den
+Gleichnissen, sondern auf dem feierlichen Vorgang beruht. Das hatte die
+neue Problemstellung gefordert. Nun ist es Thatsache geworden. ~Also
+ist das Abendmahlsproblem fr die historische Kritik lsbar.~
+
+
+=3. Das Messianitts- und Leidensgeheimnis im Abendmahl.=
+
+Die Bedeutung der Darreichung der Genusselemente bleibt vorerst
+rtselhaft. Nur das Negative ist klar, dass nmlich die Gleichnisse
+nicht aus der symbolischen Handlung des Brechens und aus dem
+vorausgesetzten Ausgiessen des Weins an sich erklrt werden drfen.
+Das darstellende Moment spielt in den Berichten keine Rolle und
+verschwindet zuletzt ganz, wie der justinische Text zeigt, wo das
+Brechen nicht einmal mehr erwhnt wird.
+
+Wollte man die Gleichnisse nach dem authentischen Markustext deuten, so
+msste man das erste aus dem Brechen, das zweite aus der Thatsache,
+dass alle Jnger getrunken haben, erklren. Man bekme also zwei ganz
+verschieden geartete Gleichnisse.
+
+Die Gleichnisse vom Leib und Blut mssen aber irgendwie den
+Leidensgedanken enthalten. Dass Jesus damit das Geheimnis seines
+Leidens zum letztenmal ausgesprochen hat, ist in den Umstnden dieses
+letzten Zusammenseins gegeben. Wenn wir also die Gleichnisse nicht
+richtig zu verstehen vermgen, kann dies nur daran liegen, dass wir das
+~Geheimnis des Leidensgedankens~ falsch auffassen.
+
+Nun ist es die Eigentmlichkeit aller modern-historischen
+Abendmahlsauffassungen, dass sie in der Feier ~den eschatologischen
+Gedanken~ nicht zur Geltung bringen. Sie verwenden das Wort von dem
+Neutrinken in des Vaters Reich nicht als eine das Wesen jenes letzten
+Mahls mitkonstituierende Aussage, sondern machen daraus bestenfalls ein
+Anhangswort.
+
+Im Markustext nimmt es aber eine Hauptstellung ein. Es ist das mit
+erhobener Stimme feierlich und eindringlich gesprochene Schlusswort
+der Feier. Dabei hngt es mit dem Wort vom vergossenen Blut eng und
+unzertrennlich zusammen, so dass es mit ihm einen einzigen Gedanken
+zu bilden scheint. ~Diese enge Verbindung zwischen dem Todes- und
+Wiederkunftsgedanken ist charakteristisch fr den zweiten Akt der
+Situation bei Markus.~
+
+Demselben Zusammenhang begegnen wir aber auch bei Paulus und zwar in
+beiden Akten. Nach ihm -- und er beruft sich dabei ausdrcklich auf den
+historischen Hergang -- besteht die Bedeutung des Essens und Trinkens
+irgendwie in der Verkndigung des Todes des Herrn zugleich mit der
+Erwartung seiner Parusie. So oft ihr dieses Brot esset und diesen Wein
+trinket, verkndigt ihr den Tod des Herrn, bis dass er komme.
+
+In der authentischen Relation der historischen Feier und in der
+ltesten Relation der Gemeindefeier haben wir also beidemal
+eine organische Verbindung zwischen dem Leidensgedanken und der
+eschatologischen Erwartung. Es ist daher falsch, das Wesen der Feier
+in der letzten Aussprache des Todesgedankens allein zu finden.
+~Nicht von seinem Tod, sondern von seinem Tod und der baldigen
+Wiedervereinigung mit ihnen beim Mahle im neuen Reich~ hat Jesus zu
+den Seinen geredet. Das Geheimnis seines Todes, welches bei dieser
+Feier in der ergreifendsten und erhebendsten Weise zum letztenmal
+von Jesus ausgesprochen wurde, enthlt den Leidensgedanken im engsten
+Zusammenhang mit der eschatologischen Erwartung.
+
+Die modern-historischen Abendmahlsauffassungen sind also unhistorisch,
+weil der Leidensgedanke, mit dem sie operieren, keinen Zusammenhang
+mit der Eschatologie aufweist. Darum knnen sie den wesentlichen
+Grundzug der historischen Feier und der ltesten Gemeindefeier nicht
+zum Ausdruck bringen. Um das Wesen des letzten Mahles zu begreifen,
+bedarf es daher eines Einblicks in den eschatologischen Charakter des
+Leidensgeheimnisses Jesu. Diesen kann man nicht aus der Feier selbst
+gewinnen, da Jesus dort das Geheimnis im Gleichnis ausspricht. Das
+Gleichnis aber vermgen wir nicht zu deuten.
+
+~Beim letzten Mahl handelt Jesus als Messias, und zwar als leidender
+Messias.~ Wenn wir sein Handeln nicht verstehen, so liegt dies mithin
+daran, dass wir sein Messianitts- und Leidensgeheimnis falsch
+verstehen. Das Abendmahl kann nur aus dem Zusammenhang des Lebens Jesu
+begriffen werden. Unsere Abendmahlsauffassungen sind falsch -- ~also
+ist die Auffassung des Lebens Jesu, welche uns dazu gefhrt hat, auch
+falsch.~
+
+Das Abendmahlsproblem ist das Problem des Lebens Jesu! Eine neue
+Abendmahlsauffassung kann nur aus einer neuen Auffassung des Lebens
+Jesu hervorwachsen, welche das Messianitts- und Leidensgeheimnis so
+enthlt, dass sein feierliches Handeln beim letzten Mahle begreiflich
+und verstndlich wird. ~Ein neues Leben Jesu:~ das ist der einzige Weg
+zur Lsung des Abendmahlsproblems.
+
+
+
+
+Anmerkungen zur Transkription:
+
+Die erste Zeile entspricht dem Original, die zweite Zeile enthlt die
+Korrektur.
+
+
+S. XV:
+
+ 3. Das Ergebnis des Textkritik
+ 3. Das Ergebnis der Textkritik
+
+S. 13:
+
+ Vergleiche zum folgenden den verhngnisvollen Vortrag
+ Vergleiche zum Folgenden den verhngnisvollen Vortrag
+
+S. 17:
+
+ sondern auf einer eschatologichen Vorstellung vom Endmahl
+ sondern auf einer eschatologischen Vorstellung vom Endmahl
+
+S. 25:
+
+ wenn der Fall an sie herantritt, im stande seien, ihrerseits ihre Seele
+ wenn der Fall an sie herantritt, imstande seien, ihrerseits ihre Seele
+
+S. 54:
+
+ touto to potrion h kain diadk en t haimati mou
+ touto to potrion h kain diathk en t haimati mou
+
+
+
+
+
+End of the Project Gutenberg EBook of Das Abendmahl im Zusammenhang mit dem
+Leben Jesu und der Geschichte des Urchristentums, by Albert Schweitzer
+
+*** END OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK DAS ABENDMAHL IM ZUSAMMENHANG ***
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+Gutenberg-tm electronic works if you follow the terms of this agreement
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+works. See paragraph 1.E below.
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+Gutenberg-tm electronic works. Nearly all the individual works in the
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+Title: Das Abendmahl im Zusammenhang mit dem Leben Jesu und der Geschichte des Urchristentums
+ Erstes Heft. Das Abendmahlsproblem auf Grund der
+ wissenschaftlichen Forschung des 19. Jahrhunderts und der
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+Author: Albert Schweitzer
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+Release Date: December 5, 2013 [EBook #44366]
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+Produced by Jana Srna, Michael Waddell, Eleni Christofaki
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+
+<div class="transnote">
+<h3>Anmerkungen zur Transkription:</h3>
+
+<p>Schreibweise und Interpunktion des Originaltextes wurden übernommen;
+lediglich offensichtliche Druckfehler wurden korrigiert. Eine <a href="#Anmerkungen_zur_Transkription">Liste</a> der
+vorgenommenen Änderungen findet sich am Ende des Textes.</p>
+</div>
+<hr class="full" />
+
+<div class="title">
+<h1>
+Das Abendmahl<br />
+<br />
+<small>im</small><br />
+<br />
+Zusammenhang mit dem Leben Jesu<br />
+<br />
+<small>und der</small><br />
+<br />
+Geschichte des Urchristentums</h1>
+<p class="center p2">
+<small>von</small><br />
+<br />
+<b>Lic. Dr. Albert Schweitzer</b><br />
+<br />
+<small>in Strassburg i. E.</small></p>
+<hr class="tb" />
+<p class="center p2">
+Erstes Heft.<br />
+<br />
+<big><b>Das Abendmahlsproblem</b></big><br />
+<br />
+auf Grund<br />
+der wissenschaftlichen Forschung des 19. Jahrhunderts<br />
+und der historischen Berichte.</p>
+<div class="figcenter">
+<img src="images/image.jpg" width="100" height="123" alt="illustration" />
+
+</div>
+
+<p class="center p4">
+<b>Tübingen</b> und <b>Leipzig</b>.</p>
+<p class="center">
+Verlag von <em class="gesperrt">J. C. B. Mohr</em> (Paul Siebeck).</p>
+<p class="center">1901.
+</p>
+</div>
+
+<hr class="full" />
+<div class="frontpage">
+<hr class="tb" />
+<p class="center">
+<i>Das Recht der Uebersetzung in fremde Sprachen behält sich<br />
+die Verlagsbuchhandlung vor.</i></p>
+<hr class="tb" />
+<p class="p6 center">
+C. A. Wagner's Universitätsbuchdruckerei in Freiburg i. B.
+</p>
+</div>
+
+<hr class="full" />
+<div class="frontpage">
+<p class="center">
+Seinem Lehrer</p>
+<p class="center">
+Herrn Prof. D. Dr. <b>H. J. Holtzmann</b><br />
+<br />
+<small>gewidmet</small><br />
+<br />
+in aufrichtiger Verehrung und treuer Anhänglichkeit<br />
+<br />
+von seinem dankbaren Schüler<br />
+<br />
+<b>Albert Schweitzer</b>.
+</p>
+</div>
+<hr class="full" />
+<div class="chapter">
+<p><span class="pagenum"><a name="Seite_v" id="Seite_v">V</a></span></p>
+
+<h2><strong><em class="gesperrt">Vorrede</em> zu einer neuen Untersuchung über das Abendmahl.</strong></h2>
+
+<p class="p2">Der Anstoss zu der vorliegenden Arbeit ging von <span class="smcap">Schleiermacher</span>
+aus. Im Jahre 1897 erhielt ich nämlich als Thema für
+meine schriftliche Examensarbeit folgende Aufgabe gestellt: Die
+Abendmahlslehre <span class="smcap">Schleiermacher</span>'s soll dargestellt und mit
+den im neuen Testament und in den Bekenntnisschriften niedergelegten
+Auffassungen verglichen werden.</p>
+
+<p>Ich hatte mich bis dahin mit der Abendmahlsfrage gar nicht
+beschäftigt und war über die neuesten Forschungen in keiner
+Weise orientiert, hatte auch keine Zeit dies nachzuholen, weil die
+Arbeit innerhalb acht Wochen abgeliefert werden musste. So
+war ich einzig auf die Texte und die bekenntnismässigen Formulierungen
+der verschiedenen Konfessionen angewiesen.</p>
+
+<p>Die <span class="smcap">Schleiermacher</span>'sche Dialektik ersetzte mir aber alles.
+Sie zergliedert nämlich das Problem so, dass es als Ganzes und
+zugleich in allen Details vor einem steht. Man braucht nur geschichtlich
+Ernst zu machen mit dem dialektischen Spiel, das er
+mit vollendeter Kunst zur Beruhigung und Versöhnung der
+Geister und zugleich zu seinem eigenen ästhetischen Ergötzen
+aufführt, dann ist man genau auf dem Standpunkt der modernen
+historischen Forschung angekommen.</p>
+
+<p>Ein Satz besonders ist hier entscheidend. In § 139 <span
+class="antiqua">3</span> der Glaubenslehre redet er vom äusseren
+Verlauf unserer Feier und zeigt, wie wir uns bei der Reproduktion der
+historischen Umstände naturgemäss auf das Wesentliche beschränken
+müssen. Wollte man z. B. einen bedeutenden Nachdruck auf den
+Zusammenhang, in welchem das historische Mahl mit dem Passahmahl
+stand, legen, so würde man alsbald zur Folgerung gedrängt werden,
+&bdquo;dass das Abendmahl jetzt nicht mehr das sein könne,
+als was es Christus
+<span class="pagenum"><a name="Seite_vi" id="Seite_vi">VI</a></span> gestiftet habe und also auch wohl nicht
+könne von ihm als eine selbständige und immer dauernde Institution für
+die Kirche verordnet sein&ldquo;. &bdquo;Dieses Bedenken&ldquo;, so
+fährt er dann fort, &bdquo;liegt so nahe, <em class="gesperrt">dass
+es sich leicht in der evangelischen Kirche lautbarer machen kann, als
+bisher der Fall gewesen</em>, und veranlasst natürlich die Frage,
+worauf unser Glaube in dieser Sache eigentlich beruhe. Schwerlich wird
+sich behaupten lassen, dass aus den uns aufbewahrten Worten Christi <em
+class="gesperrt">diese Absicht ganz bestimmt hervorgehe.</em> Vielmehr
+enthalten einige unserer Erzählungen gar <em class="gesperrt">keinen
+solchen Befehl</em> (Markus und Matthäus), und in den andern ist er nur
+unbestimmt ausgedrückt (Lukas und Paulus); und da die Apostel aus den
+Worten Christi beim Fusswaschen keinen solchen Befehl entnommen haben,
+so <em class="gesperrt">hätten sie auch Recht gehabt, aus dem Abendmahl
+ebensowenig eine bestimmte und allgemeine Institution zu machen!</em>
+Da nun aber offenbar ist, dass sie das eine gethan haben und das andere
+nicht, so können wir uns an das halten, <em class="gesperrt">was sie
+eingerichtet haben,</em>, ohne dass wir zu entscheiden brauchten, ob
+Christus ihnen über das Abendmahl noch andere ausdrückliche Anweisungen
+gegeben, oder ob sie dieselben aus seinen Worten gefolgert oder nur
+durch den unmittelbaren Eindruck der Sache und durch die begleitenden
+Umstände anders bestimmt worden sind in Bezug auf das Abendmahl als
+in Bezug auf das Fusswaschen. In dem letzten Fall würden wir dann
+das Abendmahl nur nicht ganz in demselben Sinn als eine unmittelbare
+Einsetzung Christi ansehen können, immer aber doch glauben müssen, dass
+sie in seinem Sinn gehandelt haben, wenn wir nicht auch in ihrem <em
+class="gesperrt">engsten Berufskreise ihr kanonisches Ansehen aufgeben
+wollen</em>&ldquo;.</p>
+
+<p>Unsere Abendmahlsfeier beruht in letzter Linie nicht auf einer
+ausdrücklichen Verordnung Jesu! <span class="smcap">Grafe</span>
+ist also ganz unschuldig! Was er als ehrlicher Historiker in
+der Nachfolge anderer Historiker, von der Wucht der Thatsachen
+gedrängt, bedächtig und schonungsvoll aussprach, das hat <span
+class="smcap">Schleiermacher</span> in seiner Glaubenslehre keck
+hingeworfen. Während man aber dem eleganten Spiel des Dialektikers
+verständnisvoll zunickte, nahm man es dem ehrsamen Historiker gar
+übel, als er ungefähr dasselbe zu sagen wagte. Vielleicht auch haben
+die temperamentvollen Gegner <span class="smcap">Grafe</span>'s diese
+Seite in ihrem <span class="smcap">Schleiermacher</span> überschlagen
+oder sie hielten dafür, dass der betreffende Abschnitt,<span
+class="pagenum"><a name="Seite_vii" id="Seite_vii">VII</a></span>
+weil er zeitlich schon einige gute Jahrzehnte zurückliegt, auch
+in zweideutigen Dingen als rechtgläubig passieren dürfe. Es ist
+merkwürdig: In der Theologie darf heutzutage einer fast alles sagen,
+was er will, wenn er es nur vornehm und geistreich mit einem gewissen
+eleganten Skeptizismus thut. Für den ehrlichen Menschen, der redet,
+weil sein Gewissen ihn zwingt, ist man aber unnachsichtlich.</p>
+
+<p>Die Behauptung, die <span class="smcap">Schleiermacher</span> zum erstenmal vollständig
+klar ausgesprochen hat, die dann aber für Jahrzehnte
+ganz unter den Tisch fiel, ist dazu angethan, einen im kantischen
+Sinn &bdquo;aus dem dogmatischen Schlummer zu wecken.&ldquo; Sie zeigt
+nämlich, dass nicht nur die kirchlichen, sondern geradesogut die
+wissenschaftlichen Abendmahlsauffassungen dem wirklichen Thatbestand
+nicht gerecht werden. Die kirchlichen Auffassungen
+setzen voraus, dass Jesus die Feier zur Wiederholung bestimmt
+habe, können aber nicht nachweisen, dass er es wirklich angeordnet
+hat, da der betreffende Befehl bei den ältesten Zeugen fehlt.
+Eine Reihe wissenschaftlicher Auffassungen gehen davon aus,
+dass die Feier nicht zur Wiederholung bestimmt war, können
+aber dann nicht erklären, warum sie doch schon in der allerersten
+Gemeinde aufkam &mdash; und das ist doch auch eine unbedingt feststehende
+Thatsache.</p>
+
+<p>Der Zusammenhang zwischen den beiden Feiern, der historischen
+und der Gemeindefeier, bleibt also gleich unbegreiflich,
+ob man sie durch den Wiederholungsbefehl direkt kausal miteinander
+verbindet oder ob man sich mit der Konstatierung der
+reinen zeitlichen Aufeinanderfolge begnügt und die Kausalität
+dahingestellt sein lässt. <em class="gesperrt">
+<span class="smcap">Schleiermacher</span> ist der Hume der
+Kausalitätsfrage im Abendmahlsproblem.</em></p>
+
+<p>Der Vergleich der verschiedensten und zeitlich so weit auseinanderliegenden
+Abendmahlslehren mit der <span class="smcap">Schleiermacher</span>'schen
+Ansicht führte mich vor die Frage, was denn das Beharrende
+bei diesem steten Wechsel der Auffassungen sei. Ist es nicht
+denkbar, dass alle Phasen, in denen sich das Abendmahlsproblem
+auswirkt, durch dieselben Gesetze beherrscht sind und dass also
+an diesen Gesetzen die wahre historische Auffassung sich zu erproben
+hat?</p>
+
+<p>Nachdem ich daher meine Examensarbeit zu Ende geführt
+und die mir in Umrissen schon vorschwebende neue Auffassung
+in allgemeinen Strichen angedeutet hatte, machte ich mich daran,
+<span class="pagenum"><a name="Seite_viii" id="Seite_viii">VIII</a></span>
+alle Epochen der Abendmahlsfrage &mdash; die altchristliche, die
+mittelalterliche, die reformatorische und die moderne &mdash; gründlich
+zu studieren, fest entschlossen, nicht eher mit der neuen
+Auffassung an die Oeffentlichkeit zu treten, als bis ich sie für alle
+Epochen durchgeführt hätte und so die Gewissheit besässe, dass
+sie die ganze Geschichte des Abendmahls von der historischen
+Feier bis in die neueste Zeit erklärt. Zu dieser Arbeit habe ich
+vier Jahre gebraucht. Darum veröffentliche ich, was mir schon im
+Herbst 1897, <em class="gesperrt">unabhängig von der modernen Forschung,
+feststand</em>, erst im Herbst 1901, im Zusammenhang mit der Darstellung
+und Beurteilung der historischen Abendmahlsforschung
+im 19. Jahrhundert.</p>
+
+<p>Ich habe die Stellung des Problems an der wissenschaftlichen
+Abendmahlsforschung im 19. Jahrhundert entwickelt, weil uns
+diese Periode am nächsten liegt. Man hätte aber geradesogut
+jede andere Phase dazu benutzen können, da die Gesetze in allen
+dieselben sind.</p>
+
+<p>Die Absicht dieser Arbeit geht weiter als auf die Aufstellung
+einer neuen historischen Abendmahlsauffassung. Sie verfolgt den
+praktischen Zweck, <em class="gesperrt">die historische Grundlage unserer
+modernen Abendmahlsfeier abzugeben und das Bestehende
+geschichtlich zu rechtfertigen.</em> Es ist nämlich
+nicht zu leugnen, dass unsere Gemeindefeier, nach dem jetzigen
+Stand der Wissenschaft, in der Luft hängt. Wenn der Wiederholungsbefehl
+historisch nicht fundiert ist, was soll dann unsere
+Wiederholung bedeuten?</p>
+
+<p>Den Gläubigen zwar ficht diese Sorge vorerst wenig an und
+soll ihn wenig berühren. Es ist nicht die Sache der Leute, welche
+über die Brücke gehen, sich ängstlich darum zu kümmern, ob
+durch die Fluten die Fundamente nicht langsam unterwaschen
+worden sind, sondern das liegt den Architekten ob. Diese
+müssen, wenn sie eine Senkung auch nur von einem Millimeter
+wahrnehmen, unverzüglich einer eventuellen Katastrophe entgegenarbeiten,
+sogar wenn den Passanten die Sache vorerst
+ganz belanglos scheint. So muss auch die theologische Wissenschaft
+auf das Fundament des Glaubens sehen und darauf
+achten, ob nicht die historische Grundlage der Institution,
+welche gleichsam die Brücke vom Vergänglichen zum Unvergänglichen
+bildet, durch den Strom der Zeit unterwaschen ist
+und ob nicht durch die historische Weltanschauung eine ganz
+<span class="pagenum"><a name="Seite_ix" id="Seite_ix">IX</a></span>
+andere Fundierung unserer Abendmahlsfeier notwendig wird als
+bisher.</p>
+
+<p><span class="smcap">Schleiermacher</span> hat gesagt, dass das Bedenken, die Berechtigung
+der Wiederholung betreffend, sich leicht in der evangelischen
+Kirche lautbarer machen könnte, als bisher der Fall
+gewesen. Und wenn dies nun eintritt, was dann? Solange das
+Problem der Berechtigung und Notwendigkeit unserer Abendmahlsfeier
+wissenschaftlich nicht gelöst ist, kann durch den geringfügigsten
+Umstand eine die öffentliche Meinung aufs äusserste
+aufregende und unerquickliche dogmatische Erörterung dieser
+Frage eintreten, zu der der Fall <span class="smcap">Grafe</span> nur ein kurzes idyllisches
+Vorspiel wäre.</p>
+
+<p>Das Schlimmste dabei wäre, dass diese Erörterung, einmal
+in die Oeffentlichkeit gezerrt, notwendig resultatlos bliebe. Denn
+der wissenschaftlich denkende Mensch wird diese Frage immer
+wieder aufwerfen müssen, während derjenige, der sich mehr auf
+den Standpunkt des kirchlichen Glaubens stellt, sie notwendig
+niederschlagen wird, in dem richtigen Empfinden, dass solche
+theoretische Bedenken eine so heilige und erhebende und durch
+den urchristlichen Usus in ihrer Art wieder so geschichtlich fundierte
+Feier nicht gefährden dürfen. Der Verteidiger wird sogar
+eigentlich die Geschichte auf seiner Seite haben. Denn, wenn
+das Abendmahl von Anfang an in der christlichen Gemeinde gefeiert
+worden ist, so ist doch diese Thatsache, vollständig objektiv
+betrachtet, viel entscheidender als das Fehlen des Wiederholungsbefehls
+in zwei alten Berichten. Wir haben es eben mit einer
+ganz unerklärlichen Antinomie zu thun, bei der man sich sehr
+hüten muss, irgend welche Folgerungen gegen unsere Feier zu
+ziehen, besonders wenn man bedenkt, dass man damit ein Stück
+des ältesten und heiligsten Bestandes des christlichen Glaubens
+angreift. Nehmen wir vorerst lieber an, dass uns der Schlüssel
+zur Erklärung der historischen und der urchristlichen Feier und
+zum Verständnis ihres Zusammenhangs fehlt.</p>
+
+<p>Es ist die Aufgabe der Wissenschaft, gefährliche Fragen in
+Angriff zu nehmen, ehe sie die öffentliche urteilslose Meinung in
+Unruhe bringen, den Zündstoff zu beseitigen und in der Stille
+segensreiche Arbeit zu thun.</p>
+
+<p>Als <span class="smcap">Schleiermacher</span> in seiner Glaubenslehre die damals
+nur in seiner dialektischen Phantasie existierenden Parteien vor
+sich beschied, mutete er ihnen zu, sich auf &bdquo;die Anerkennung des
+<span class="pagenum"><a name="Seite_x" id="Seite_x">X</a></span>
+kanonischen Ansehens der Apostel in ihrem engsten Berufskreise&ldquo;
+zu vergleichen. Auf diesen Vergleich kann man aber im
+Ernst nicht eingehen. Das Sprüchlein bannt das Gespenst nicht.
+Wir wollen den Aposteln die gebührende Ehrfurcht sicher gern
+erweisen, aber unsere Abendmahlsfeier auf ihr kanonisches Ansehen
+allein gründen, das dürfen wir nicht.</p>
+
+<p>Rücken wir die Frage ins rechte Licht. Unsere Abendmahlsfeier
+entspringt dem Vorgehen der ersten Gemeinde, zu
+der die Apostel gehören. In die Geschichte übersetzt, lautet die
+Frage nach dem &bdquo;kanonischen Ansehen der Apostel in ihrem engsten
+Berufskreise&ldquo; also folgendermassen: Welches waren die Motive,
+durch welche die erste Gemeinde bestimmt wurde, eine derartige
+im Zusammenhang mit dem letzten Mahl Jesu stehende
+Feier zu begehen? War das Willkür oder Notwendigkeit?</p>
+
+<p>Daran schliesst sich eine zweite Frage, die <span class="smcap">Schleiermacher</span>
+unberücksichtigt gelassen hat. Wenn die erste Gemeinde aus
+bestimmten Gründen die Feier wiederholt hat, gelten diese auch
+noch für uns? Besteht in der historischen Feier als solcher auch
+für uns eine direkte Notwendigkeit, dass wir daraus irgendwie
+eine Feier ableiten, oder handelt es sich nur um etwas Ueberkommenes?</p>
+
+<p>Darauf lautet die Antwort der Geschichte: es war eine absolute
+Notwendigkeit, dass das Abendmahl trotz des Fehlens des
+Wiederholungsbefehls bei der ersten Gemeinde in Aufnahme
+kam, und diese Notwendigkeit besteht auch noch für uns zu Recht.
+Unsere Feier gründet sich nicht auf die geschichtliche Ueberlieferung
+oder auf die unkontrollierbare Autorität bestimmter
+Persönlichkeiten, sondern direkt auf die historische Feier. So
+ist unser Abendmahl berechtigt, geboten und notwendig von sich
+selbst aus.</p>
+
+<p>Die neue geschichtliche Erkenntnis führt aber nicht nur die
+Versöhnung hinsichtlich der Berechtigungsfrage herbei, sondern
+auch hinsichtlich der Frage nach der Bedeutung der Feier.</p>
+
+<p>Niemand kann sich der Einsicht verschliessen, dass unsere
+Feier eigentlich sehr dürftig und unlebendig ist, wenn sie nur auf
+die Darstellung eines Doppelgleichnisses durch die Reproduktion
+einer historischen Situation geht, wo der Pfarrer die Stelle Jesu
+und die Gläubigen die Stelle der Jünger einnehmen. Andererseits
+stellen die konfessionellen Auffassungen Zumutungen an
+ernste Christen, die sie entweder zur Gedankenlosigkeit oder zur
+<span class="pagenum"><a name="Seite_xi" id="Seite_xi">XI</a></span>
+Gewissenlosigkeit erziehen und den Zweifel und Spott geradezu
+herausfordern.</p>
+
+<p>Könnten beide Auffassungen aus ihrer Sprache heraustreten,
+dann würden sie darin übereinkommen, dass der Sinn der Feier
+etwas Geheimnisvolles ist, wo der Einzelne mit der feiernden Gemeinschaft
+und der Persönlichkeit unseres Herrn in ein besonders
+heiliges Verhältnis tritt. Nun zwingen aber die unglücklichen
+Einsetzungsworte den Einen durch die rein symbolische Deutung
+hinter diesem Geheimnis zurückzubleiben, den Andern durch die
+wörtliche Deutung über dieses Geheimnis hinauszugehen und das
+Unfassbare zu behaupten. Die Vermittlungsversuche sind am
+schlimmsten daran. In der Sache und dem religiösen Gehalt
+nach mögen sie richtig sein, aber in der Deutung der Gleichnisse
+sind sie gequetscht und gekünstelt, dass ein Mensch mit
+ehrlichem Verstand sie nicht zu ertragen vermag. So wie die
+&bdquo;Einsetzungsworte&ldquo; liegen und nach der Rolle, die man ihnen
+bisher in der Feier zuwies, sind nur die rein symbolische oder
+die krass realistische Deutung zulässig. Was dazwischen ist, ist
+vom Uebel.</p>
+
+<p>Auch hier bringt die wahre geschichtliche Erkenntnis die
+Befreiung von der unnatürlichen Alternative, indem sie zeigt,
+dass die Stellung, die man den Gleichnissen in dem Ganzen der
+Feier anwies, geschichtlich falsch ist. Die urchristliche Feier
+beruht nicht auf den &bdquo;Einsetzungsworten&ldquo; &mdash; dies ist mein Leib,
+dies ist mein Blut &mdash; obwohl diese Worte bei der historischen
+Feier gesprochen worden sind. Also ist auch unsere Auffassung
+unabhängig von diesen rätselhaften Gleichnisworten.</p>
+
+<p>Diese kurzen Andeutungen mögen zeigen, dass diese Arbeit
+in einem praktisch aufbauenden und versöhnenden Geiste geschrieben
+ist. Zwar wird man, von den gewohnten Auffassungen
+herkommend, zunächst mannigfach an dieser Untersuchung Anstoss
+nehmen, da sie die Versöhnung nicht durch eine neue Vermengung
+oder Verdunkelung, sondern einzig und allein durch
+geschichtliche Wahrhaftigkeit und Unbefangenheit herbeiführen
+will. <em class="gesperrt">Wir müssen an die Geschichte glauben</em>, d. h. wir
+müssen der Zuversicht sein, dass mit dem Fortschritt der geschichtlichen
+Erkenntnis zugleich die Vertiefung und Einigung
+im Glauben notwendig verbunden ist, obwohl es manchmal vorerst
+nicht den Anschein hat. In diesem Glauben habe ich diese
+Untersuchung begonnen und zu Ende geführt.</p>
+
+<p><span class="pagenum"><a name="Seite_xii" id="Seite_xii">XII</a></span>
+
+Diese Arbeit erscheint in drei Heften. <em class="gesperrt">Das erste</em> behandelt
+das Problem, wie es sich aus der Forschung des 19. Jahrhunderts
+und aus den Berichten ergibt. <em class="gesperrt">Das zweite</em> sucht die
+Grundlage der historischen Feier in dem Leben und in den Gedanken
+Jesu. Es stellt sich dar als die Skizze einer neuen Auffassung
+des Lebens Jesu. Das <em class="gesperrt">dritte</em> behandelt das Abendmahl
+in der urchristlichen und in der altchristlichen Epoche und zeigt,
+wie sich daraus die römische Messe und das griechische Mysterium
+mit gleicher Berechtigung und Notwendigkeit entwickelt
+haben. Das erste und das zweite Heft erscheinen miteinander.
+Das dritte wird denselben in thunlichster Bälde folgen.</p>
+
+<p>Zum Schluss fühle ich mich gedrungen, allen meinen Freunden, die
+mir bei dieser Arbeit behülflich gewesen sind, den Herrn Pfarrern
+<span class="smcap">A. Ernst</span> und <span class="smcap">R.
+Will</span> zu Strassburg, <span class="smcap">A. Huck</span> und
+<span class="smcap">Ed. Unsinger</span> zu Schiltigheim und dem Herrn
+Vikar <span class="smcap">Alfred Erichson</span> in Strassburg, meinen
+tiefgefühlten Dank auszusprechen.</p>
+
+<blockquote>
+
+<p><em class="gesperrt">Strassburg</em>, im August 1901.</p></blockquote>
+</div>
+<hr class="full" />
+<div class="chapter">
+<p><span class="pagenum"><a name="Seite_xiii" id="Seite_xiii">XIII</a></span></p>
+
+<h2><b>Inhaltsangabe des ersten Heftes.</b></h2>
+
+<table summary="inhalt">
+<tr><td>&nbsp;</td><td>Seite</td></tr>
+<tr>
+<td><em class="gesperrt">Vorrede zu einer neuen Untersuchung über das Abendmahl</em></td>
+
+ <td class="tdcw"><a href="#Seite_v">V</a>-<a href="#Seite_xiii">XII</a></td>
+</tr>
+<tr>
+<td colspan="2" class="tdc"><b>Erster Teil.</b></td></tr>
+<tr>
+<td><b>Das Abendmahlsproblem auf Grund der wissenschaftlichen
+Forschung des 19. Jahrhunderts</b></td>
+<td class="tdc"><a href="#Seite_1">1</a>-<a href="#Seite_44">44</a></td></tr>
+
+<tr><td class="tdc"><i>Erstes Kapitel</i></td>
+<td class="tdc"><a href="#Seite_1">1</a>-<a href="#Seite_5">5</a></td></tr>
+<tr>
+
+<td colspan="2" class="tdc"><b>Einleitung.</b></td></tr>
+<tr>
+<td>1. Der Skeptizismus in der Abendmahlsforschung</td>
+<td class="tdc"><a href="#Seite_1">1</a>-<a href="#Seite_2">2</a> </td>
+</tr>
+
+<tr><td>2. Der Ansatzpunkt</td>
+<td class="tdc"><a href="#Seite_2">2</a>-<a href="#Seite_3">3</a></td></tr>
+<tr>
+
+<td>3. Die Einzelfragen</td>
+<td class="tdc"><a href="#Seite_3">3</a>-<a href="#Seite_5">5</a></td>
+</tr>
+
+<tr><td>4. Die vier Typen der Abendmahlsauffassungen</td>
+<td class="tdc"><a href="#Seite_5">5</a></td></tr>
+<tr>
+
+<td class="tdc"><i>Zweites Kapitel</i></td>
+<td class="tdc"><a href="#Seite_5">5</a>-<a href="#Seite_7">7</a></td></tr>
+
+<tr>
+<td colspan="2" class="tdc"><b>Das Vorspiel. Zwingli und Calvin.</b></td>
+</tr>
+
+<tr><td class="tdc"><i>Drittes Kapitel</i></td>
+<td class="tdc"><a href="#Seite_7">7</a>-<a href="#Seite_10">10</a></td></tr>
+
+<tr>
+<td colspan="2" class="tdc"><b>Die doppelseitigen Auffassungen mit Zugrundelegung
+des Darstellungsmoments und abgeleiteter Geltendmachung
+des Genussmoments.</b></td>
+ </tr>
+
+<tr><td>1. Die erste Hälfte des 19. Jahrhunderts. <span class="smcap">De Wette</span>,
+<span class="smcap">Ebrard</span> und <span class="smcap">Rückert</span></td>
+<td class="tdc"><a href="#Seite_7">7</a>-<a href="#Seite_8">8</a></td>
+</tr>
+
+<tr>
+<td>2. Die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts. <span class="smcap">Th. Keim</span>, <span class="smcap">K.
+v. Weizsäcker</span>, <span class="smcap">Willibald Beyschlag</span>, <span class="smcap">H. Holtzmann</span>, <span class="smcap">Paul
+Lobstein</span>, <span class="smcap">W. Schmiedel</span></td>
+<td class="tdc"><a href="#Seite_8">8</a>-<a href="#Seite_10">10</a></td> </tr>
+
+<tr>
+<td class="tdc"><i>Viertes Kapitel</i></td>
+<td class="tdc"><a href="#Seite_10">10</a></td></tr>
+
+<tr>
+<td colspan="2" class="tdc"><b>Ueberblick über die Auffassungen mit Zugrundelegung
+<span class="pagenum"><a name="Seite_xiv" id="Seite_xiv">XIV</a></span>des Genussmoments.</b>
+</td></tr>
+<tr><td class="tdc"><i>Fünftes Kapitel</i></td>
+<td class="tdc"><a href="#Seite_11">11</a>-<a href="#Seite_21">21</a></td> </tr>
+
+<tr>
+<td colspan="2" class="tdc"><b>Die Auffassungen mit einseitiger Herausarbeitung des
+Genussmoments.</b></td></tr>
+
+<tr>
+<td>1. Die Vorperiode. <span class="smcap">Fr. Strauss</span>, <span class="smcap">Bruno Bauer</span>, <span class="smcap">E. Renan</span>
+</td>
+<td class="tdc"><a href="#Seite_11">11</a>-<a href="#Seite_13">13</a></td>
+</tr>
+
+<tr><td>2. Die modernen Versuche. <span class="smcap">W. Brandt</span>, <span class="smcap">Fr. Spitta</span>,
+<span class="smcap">A. Eichhorn</span></td>
+<td class="tdc"><a href="#Seite_13">13</a>-<a href="#Seite_14">14</a></td> </tr>
+
+<tr>
+<td>3. <span class="smcap">W. Brandt</span></td>
+ <td class="tdc"><a href="#Seite_14">14</a>-<a href="#Seite_15">15</a></td></tr>
+
+<tr>
+<td>4. <span class="smcap">Fr. Spitta</span></td>
+ <td class="tdc"><a href="#Seite_15">15</a>-<a href="#Seite_16">16</a></td></tr>
+
+<tr>
+<td>5. Kritik der Auffassung <span class="smcap">Spitta</span>'s</td>
+
+ <td class="tdc"><a href="#Seite_16">16</a>-<a href="#Seite_18">18</a></td>
+</tr>
+
+<tr><td>6. <span class="smcap">A. Eichhorn</span></td>
+ <td class="tdc"><a href="#Seite_18">18</a>-<a href="#Seite_19">19</a></td></tr>
+
+<tr><td>7. Die neue &bdquo;Thatsache&ldquo;</td>
+<td class="tdc"><a href="#Seite_19">19</a>-<a href="#Seite_20">20</a></td></tr>
+
+<tr>
+<td>8. Die Skepsis in der Folge der einseitigen Herausarbeitung
+des Genussmoments</td>
+<td class="tdc"><a href="#Seite_20">20</a></td></tr>
+
+<tr>
+<td>9. Der logische Grund der Skepsis</td>
+ <td class="tdc"><a href="#Seite_20">20</a>-<a href="#Seite_21">21</a></td>
+</tr>
+<tr><td class="tdc"><i>Sechstes Kapitel</i></td>
+<td class="tdc"><a href="#Seite_21">21</a>-<a href="#Seite_26">26</a></td></tr>
+<tr>
+<td colspan="2" class="tdc"><b>Die doppelseitigen Auffassungen mit Zugrundelegung
+des Genussmoments und abgeleiteter Geltendmachung
+des Darstellungsmoments.</b></td>
+</tr>
+
+<tr>
+<td colspan="2" class="tdc"><span class="smcap">Ad. Harnack</span>, <span class="smcap">Erich Haupt</span>, <span class="smcap">Fr. Schultzen</span>, <span class="smcap">R. A. Hoffmann</span>.
+</td></tr>
+
+<tr><td>1. Allgemeines</td>
+<td class="tdc"><a href="#Seite_21">21</a>-<a href="#Seite_22">22</a></td></tr>
+
+<tr>
+<td>2. <span class="smcap">Ad. Harnack</span></td>
+ <td class="tdc"><a href="#Seite_22">22</a>-<a href="#Seite_23">23</a></td></tr>
+<tr>
+<td>3. <span class="smcap">Erich Haupt</span></td>
+ <td class="tdc"><a href="#Seite_23">23</a>-<a href="#Seite_24">24</a></td>
+</tr>
+<tr><td>4. <span class="smcap">Fr. Schultzen</span></td>
+ <td class="tdc"><a href="#Seite_24">24</a>-<a href="#Seite_25">25</a></td></tr>
+<tr>
+<td>5. <span class="smcap">R. A. Hoffmann</span></td>
+ <td class="tdc"><a href="#Seite_25">25</a>-<a href="#Seite_26">26</a></td></tr>
+
+<tr><td class="tdc"><i>Siebentes Kapitel</i></td>
+ <td class="tdc"><a href="#Seite_26">26</a>-<a href="#Seite_31">31</a></td></tr>
+
+<tr><td colspan="2" class="tdc"><b>Der gesetzmässige Zusammenhang zwischen den
+Einzelfragen.</b></td></tr>
+
+<tr><td>1. Der Wiederholungsbefehl</td>
+ <td class="tdc"><a href="#Seite_26">26</a>-<a href="#Seite_27">27</a></td></tr>
+
+<tr><td>2. Das Abendmahl und die urchristliche Gemeindemahlzeit</td>
+<td class="tdc"><a href="#Seite_27">27</a>-<a href="#Seite_30">30</a></td></tr>
+
+<tr><td>3. Die Antinomie zwischen der historischen und der urchristlichen
+Feier</td>
+<td class="tdc"><a href="#Seite_30">30</a>-<a href="#Seite_31">31</a></td></tr>
+
+<tr>
+<td class="tdc"><i>Achtes Kapitel</i> </td>
+<td class="tdc"><a href="#Seite_31">31</a>-<a href="#Seite_37">37</a></td>
+</tr>
+
+<tr><td colspan="2" class="tdc"><b>Die Auffassungen mit einseitiger Geltendmachung des
+Darstellungsmoments.</b></td></tr>
+
+ <tr>
+<td>1. Das Gefechtsfeld</td>
+<td class="tdc"><a href="#Seite_31">31</a>-<a href="#Seite_32">32</a></td></tr>
+
+<tr>
+<td>2. Der Verteidigungsplan. <span class="smcap">P. W. Schmiedel</span></td>
+ <td class="tdc"><a href="#Seite_32">32</a>-<a href="#Seite_34">34</a></td> </tr>
+
+<tr><td>3. Die Offensive. <span class="smcap">Adolf Jülicher</span></td>
+ <td class="tdc"><a href="#Seite_34">34</a>-<a href="#Seite_36">36</a></td></tr>
+
+<tr><td>4. Die Skepsis in den Auffassungen mit einseitiger Geltendmachung
+<span class="pagenum"><a name="Seite_xv" id="Seite_xv">XV</a></span>des Darstellungsmoments
+</td>
+<td class="tdc"><a href="#Seite_36">36</a>-<a href="#Seite_37">37</a></td></tr>
+<tr>
+<td class="tdc"><i>Neuntes Kapitel</i></td>
+<td class="tdc"><a href="#Seite_37">37</a>-<a href="#Seite_44">44</a></td></tr>
+<tr>
+<td colspan="2" class="tdc"><b>Die neue Problemstellung.</b></td></tr>
+<tr>
+<td>1. Das Ergebnis der Untersuchung</td>
+<td class="tdc"><a href="#Seite_37">37</a>-<a href="#Seite_40">40</a></td> </tr>
+<tr><td>2. Der neue Weg</td>
+<td class="tdc"><a href="#Seite_40">40</a>-<a href="#Seite_44">44</a></td></tr>
+ <tr>
+<td colspan="2" class="tdc"><b>Zweiter Teil.</b> </td></tr>
+<tr>
+<td class="tdc"><b>Das Abendmahlsproblem auf Grund der
+historischen Berichte</b></td>
+<td class="tdc"><a href="#Seite_45">45</a>-<a href="#Seite_62">62</a></td></tr>
+
+ <tr>
+<td class="tdc"><i>Zehntes Kapitel</i></td>
+<td class="tdc"><a href="#Seite_45">45</a>-<a href="#Seite_48">48</a></td></tr>
+<tr>
+<td colspan="2" class="tdc"><b>Die textkritischen Fragen.</b></td>
+</tr>
+<tr>
+<td>1. Cod. D. Die textkritische Hauptfrage</td>
+<td class="tdc"><a href="#Seite_45">45</a>-<a href="#Seite_46">46</a></td> </tr>
+<tr>
+<td>2. Abweichende Lesarten</td>
+<td class="tdc"><a href="#Seite_47">47</a></td></tr>
+<tr>
+<td>3. Das Ergebnis <span class="err" title="original: des">der</span> Textkritik</td>
+<td class="tdc"><a href="#Seite_47">47</a>-<a href="#Seite_48">48</a></td></tr>
+<tr>
+<td class="tdc"><i>Elftes Kapitel</i></td>
+<td class="tdc"><a href="#Seite_48">48</a>-<a href="#Seite_50">50</a></td></tr>
+<tr>
+<td colspan="2" class="tdc"><b>Die Eigenart des Markusberichts</b> (Mk 14 <span class="antiqua">22-26</span>).</td></tr>
+<tr>
+<td class="tdc"><i>Zwölftes Kapitel</i></td>
+<td class="tdc"><a href="#Seite_50">50</a>-<a href="#Seite_56">56</a></td></tr>
+<tr>
+<td colspan="2" class="tdc"><b>Der Vergleich der Berichte.</b></td>
+</tr>
+
+<tr><td>1. Das Prinzip der Gleichbildung</td>
+<td class="tdc"><a href="#Seite_50">50</a></td> </tr>
+<tr>
+<td>2. Der matthäische Bericht (Mt 26 <span class="antiqua">26-29</span>)</td>
+<td class="tdc"><a href="#Seite_50">50</a>-<a href="#Seite_51">51</a></td></tr>
+<tr>
+<td>3. Der paulinische Bericht (I Kor 11 <span class="antiqua">23-26</span>)</td>
+<td class="tdc"><a href="#Seite_51">51</a>-<a href="#Seite_53">53</a></td></tr>
+<tr>
+<td>4. Der lukanische Bericht (Lk 22 <span class="antiqua">14-20</span>)</td>
+<td class="tdc"><a href="#Seite_53">53</a>-<a href="#Seite_55">55</a></td></tr>
+<tr>
+<td>5. Der justinische Bericht (I Apol 66)</td>
+<td class="tdc"><a href="#Seite_55">55</a>-<a href="#Seite_56">56</a></td> </tr>
+
+<tr>
+<td class="tdc"><i>Dreizehntes Kapitel</i> </td>
+<td class="tdc"><a href="#Seite_56">56</a>-<a href="#Seite_62">62</a></td></tr>
+<tr>
+<td colspan="2" class="tdc"><b>Die Authentie des Markusberichts.</b></td></tr>
+<tr>
+<td>1. Der Beweis</td>
+<td class="tdc"><a href="#Seite_56">56</a>-<a href="#Seite_60">60</a></td> </tr>
+<tr>
+<td>2. Die Folgerungen aus der Authentie des Markusberichts</td>
+<td class="tdc"><a href="#Seite_60">60</a></td></tr>
+<tr>
+<td>3. Das Messianitäts- und Leidensgeheimnis im Abendmahl</td>
+<td class="tdc"><a href="#Seite_60">60</a>-<a href="#Seite_62">62</a></td></tr>
+</table>
+</div>
+<hr class="full" />
+<div class="chapter">
+<p class="pseudotitle"><span class="pagenum"><a name="Seite_1" id="Seite_1">1</a></span>
+
+<big><b>Erster Teil.</b></big></p>
+
+<p class="center"><big><b>Das Abendmahlsproblem auf Grund der wissenschaftlichen
+Forschung des 19. Jahrhunderts.</b></big></p>
+
+<h2>Erstes Kapitel.</h2>
+
+<p class="pseudotitle"><b>Einleitung.</b></p>
+
+<h3><strong>1. Der Skeptizismus in der Abendmahlsforschung.</strong></h3>
+
+<p>Es gibt Fragen, welche in dem Denken der Menschheit auftauchen,
+das volle geistige Interesse einer Epoche in Anspruch
+nehmen und dann wieder zurücktreten, ohne ihre Lösung gefunden
+zu haben und ohne dass es klar ist, wie sie ungelöst an
+Interesse verlieren konnten.</p>
+
+<p>Jahrhunderte gehen darüber hin. Dann, durch eine Wendung
+in der Geschichte, wird dieselbe Frage wieder in den Vordergrund
+geschoben und das Spiel wiederholt sich.</p>
+
+<p>Zu diesen intermittierenden Vulkanen gehört die <em class="gesperrt">Abendmahlsfrage.</em>
+Drei Aktionsperioden sind bis jetzt zu verzeichnen.
+Die erste ist die längste. Sie dauert ungefähr zehn Jahrhunderte.
+Mit der Dauer steht die Intensität im umgekehrten Verhältnis.
+Wir haben keinen feuerspeienden Berg, sondern einen Krater mit
+langsamem Lavaausfluss. Einige Erdstösse &mdash; die fränkischen
+Abendmahlskontroversen &mdash; bezeichnen den Schluss der Aktionsperiode.</p>
+
+<p>Die Art, wie die Frage in der Reformationszeit neu auftaucht,
+ist in höchstem Grade überraschend. Man sollte meinen,
+dass, in dem gemeinsamen Gegensatz aller reformatorischen Auffassungen
+zur römischen Theorie, die innerprotestantischen Gegensätze
+gerade in dieser Frage Aussicht hatten, bis auf weiteres latent
+zu bleiben. Statt dessen wird gerade die Abendmahlsfrage
+der Pol, nach dem sich die Gedanken orientieren. Diese zweite,
+dogmatische Periode, war in ihrem eigentlichen Verlauf ebenso
+<span class="pagenum"><a name="Seite_2" id="Seite_2">2</a></span>
+kurz wie heftig. Sie umfasst kaum drei Jahrzehnte. Dann
+wird die Abendmahlsfrage für die Dogmatik eine Frage neben
+andern. <span class="smcap">Schleiermacher</span>'s Glaubenslehre, die wissenschaftliche
+Begründung der Vermittlungsversuche, behandelt sie fast anhangsweise.</p>
+
+<p>Die dritte Periode wird durch die historisch-kritische Forschung
+heraufgeführt. Wir stehen mitten darin, so aber, dass
+die Mittagszeit bereits hinter uns liegt. Schon kündigt sich nämlich
+die Erschöpfung an. Nachdem eine Reihe der letzterschienenen
+Abhandlungen die Zuversicht, das Problem durch die
+historische Kritik lösen zu können, nicht mehr so entschieden zur
+Geltung kommen liessen, wie dies früher der Fall war, greift jetzt
+eine ausgesprochen skeptische Stimmung Platz, deren Sprache
+man in dem Aufsatz <span class="smcap">Eichhorns</span>'s<a name="FNAnker_1_1" id="FNAnker_1_1"></a><a href="#Fussnote_1_1" class="fnanchor">[1]</a> vernehmen kann.</p>
+
+<p>An diesem Skeptizismus ist etwas unbedingt Berechtigtes.
+Er geht nämlich von der Thatsache aus, dass durch die ganze
+Forschung des 19. Jahrhunderts die Lösung des Problems ferner
+gerückt ist als je. Die Schwierigkeiten sind gerade durch die
+historisch-kritische Methode in viel stärkerem Masse hervorgetreten,
+als man früher jemals ahnen konnte.</p>
+
+<p>Unberechtigt daran ist aber die Art, der historischen gewissenhaften
+Kritik gegenüber vornehm zu thun und aus der
+Thatsache, dass sie bis jetzt in dem Problem nicht zum Ziele geführt
+hat, ihre Inferiorität einer excentrischen überkritischen Unkritik
+gegenüber zu proklamieren. Statt dessen sollte man eher
+nach den Gründen forschen, warum die historische Kritik die
+Lösung dieser Frage bisher nicht herbeiführen konnte.</p>
+
+<h3><strong>2. Der Ansatzpunkt.</strong></h3>
+
+<p>Das Abendmahlsproblem setzt sich aus einer Reihe von
+Einzelfragen zusammen, die in den verschiedenen Auffassungen
+verschieden beantwortet und verschieden mit einander in Zusammenhang
+gebracht werden. Gewöhnlich dreht sich nun die
+Kritik um diese Einzelfragen. Man untersucht, ob die Fassung
+der Einsetzungsworte haltbar ist, ob die Exegese der Gleichnisse
+richtig ist, wie die betreffende Abhandlung sich zur chronologischen
+Frage stellt, auf welche Art sie den behaupteten oder
+<span class="pagenum"><a name="Seite_3" id="Seite_3">3</a></span>
+verneinten Zusammenhang zwischen Abendmahl und Passah begründet
+und dergleichen.</p>
+
+<p><em class="gesperrt">Der folgenden Untersuchung kommt es mehr auf
+die Gesamtauffassung an und auf den Zusammenhang,
+in welchem die Einzelfragen unter einander stehen.</em>
+Wächst eine Abendmahlsanschauung aus einer Reihe von selbständigen
+Entscheidungen über die schwebenden Einzelfragen
+heraus, oder sind nicht diese Einzelfragen durch einen inneren
+verborgenen Mechanismus so mit einander verbunden, dass mit
+der einen zugleich über die andern entschieden wird? Welches
+sind die Gesetze, nach denen sich die Einzelfragen im Abendmahlsproblem
+gegenseitig bedingen? Das ist die Frage, welche uns
+beschäftigt. Nur sie kann uns darüber Aufschluss geben, warum
+die historisch-kritische Methode nicht zum Ziele führen konnte.</p>
+
+<h3><strong>3. Die Einzelfragen.</strong></h3>
+
+<p>Liegt die Bedeutung der Gleichnisse darin, dass Jesus das
+Brot bricht und den Wein im Kelch herumreicht? Oder beruht sie
+darin, dass die Jünger dieses Brot essen und diesen Wein trinken?</p>
+
+<p>Hat er die Worte über Brot und Wein als Gleichnisse gemeint,
+oder will er damit andeuten, dass die Jünger seinen Leib
+und sein Blut durch den Genuss sich irgendwie aneignen?</p>
+
+<p>Fand das Mahl im Zusammenhang mit dem Passahmahl statt,
+sodass für die Worte Jesu und ihr Verständnis Passahgedanken
+vorausgesetzt werden dürfen?</p>
+
+<p>Erlaubt es die Chronologie der Evangelien, Jesum noch am
+Passahabend im Kreise seiner Jünger zu sehen?</p>
+
+<p>Hat er den Jüngern befohlen, die Feier zu wiederholen?</p>
+
+<p>Was hat er ihnen zu wiederholen geboten?</p>
+
+<p>Ist es möglich, dass der &bdquo;Stifter&ldquo; ihnen zumutet, seine
+eigenen Worte zu wiederholen, die nur in seinem Munde und
+in jenem historischen Momente einen Sinn haben?</p>
+
+<p>Angenommen, der Wiederholungsbefehl ist nicht historisch,
+wie kommen denn die Jünger dazu, die Feier dennoch zu wiederholen?</p>
+
+<p>Wie ist es möglich, dass im Urchristentum Paulus die
+Wiederholung als auf den Herrn zurückgehend in die Darstellung
+der historischen Feier einträgt?</p>
+
+<p>Wie erklärt sich das Fehlen des historischen Berichts im
+vierten Evangelium, da doch Kap. 6 die Feier voraussetzt?</p>
+
+<p><span class="pagenum"><a name="Seite_4" id="Seite_4">4</a></span>
+
+Steht es im allgemeinen nicht so, dass mit der Annahme
+des Wiederholungsbefehls das psychologische Verständnis der
+historischen Feier unmöglich wird, während unter Voraussetzung
+seines Fehlens die Wiederholung in der ersten Gemeinde ganz
+unbegreiflich ist?</p>
+
+<p>Hat sich das Abendmahl an ein Passahmahl angeschlossen,
+wie ist dann, mit oder ohne Wiederholungsbefehl, die <em class="gesperrt">tägliche
+Feier</em> in der urchristlichen Zeit begreiflich?</p>
+
+<p>Waren Agape und Herrenmahl getrennt, standen sie in
+irgend einem Zusammenhang, oder waren sie identisch?</p>
+
+<p>Wie verlief überhaupt die Herrenmahlsfeier im Urchristentum?
+Wie sind die Angaben der Didache mit den paulinischen
+Schilderungen und Forderungen in I Kor 11 zu vereinigen?</p>
+
+<p>In welchem Verhältnis stehen die Kunde und die Auffassung
+der historischen Feier, welche die Didache und Paulus voraussetzen,
+zu dem Bilde der historischen Feier in den Synoptikern?</p>
+
+<p>Wie erklärt sich das gänzliche Zurücktreten des Leidensgedankens
+und der Situation der historischen Feier in der
+Didache?</p>
+
+<p>Welche Bedeutung kam dem eschatologischen Moment in
+der urchristlichen Abendmahlsfeier zu?</p>
+
+<p>In welchem Zusammenhang steht das eschatologische
+Schlusswort Jesu von dem Neutrinken im Reich des Vaters mit
+dem Verlauf der historischen Feier?</p>
+
+<p>Wie lassen sich die Abweichungen der synoptischen Berichte
+erklären?</p>
+
+<p>Die paulinische Darstellung ist die chronologisch älteste;
+der Lukastext nach Cod. D der kürzeste; der Markustext steht
+im Zusammenhang mit der einfachsten und glaubwürdigsten
+evangelischen Geschichtsdarstellung, und der justinische Bericht
+ist möglicherweise unabhängig von unseren Evangelien. Welchem
+der vier grundverschiedenen Texte gebührt der Vorzug?</p>
+
+<p>In welche Verbindung stellte das Urchristentum die Teilnahme
+am Herrenmahl mit der Vorstellung von der Erlösung?</p>
+
+<p>Wir nehmen an, die Reproduktion der Herrenworte bei der
+urchristlichen Feier ist eine freie gewesen; die Bedeutung dieser
+Worte konnte aber nur eine einzige sein. Wie ist es erklärlich,
+dass wir aus der ganzen urchristlichen Zeit, ja eigentlich bis ins
+beginnende Mittelalter hinein keine Kunde von Auseinandersetzungen
+über den Sinn dieser Worte haben? Die Einsicht,
+<span class="pagenum"><a name="Seite_5" id="Seite_5">5</a></span>
+dass die Vorstellungen im Urchristentum noch einen gewissen
+Grad der Flüssigkeit aufweisen, reicht zur Erklärung der obigen
+Thatsache nicht aus.</p>
+
+<h3><strong>4. Die vier Typen der Abendmahlsauffassungen.</strong></h3>
+
+<p>Bei der Darstellung der wissenschaftlichen Abendmahlsdebatte
+unterscheiden wir zunächst zwei Hauptströmungen. Wir
+teilen die Abhandlungen danach ein, ob sie für ihre Auffassung
+das <em class="gesperrt">Darstellungs-</em> oder das <em class="gesperrt">Genussmoment</em> zu Grunde
+legen. <em class="gesperrt">Unter dem Darstellungsmoment verstehen wir
+das Handeln und Reden Jesu während der historischen
+Feier; unter dem Genussmoment die Bedeutung des
+Essens und Trinkens der Teilnehmer, wie sie sich aus
+dem Wesen der Feier ergeben soll.</em> Neben den Darstellungen,
+die eines dieser beiden Momente mit Ausserachtlassung des
+andern einseitig herausarbeiten, gibt es noch andere, doppelseitige,
+die eines der Momente zu Grunde legen, dabei aber dem
+zweiten nebensächliche Geltung zugestehen. Wir haben also im
+ganzen vier Haupttypen, zwischen denen die mannigfachsten Vermittlungen
+möglich sind.</p>
+
+<ul class="hang">
+
+<li>1. <em class="gesperrt">Auffassungen mit einseitiger Herausarbeitung des
+Darstellungsmoments.</em></li>
+
+<li>2. <em class="gesperrt">Doppelseitige Auffassungen mit Zugrundelegung
+des Darstellungsmoments und abgeleiteter Geltendmachung
+des Genussmoments.</em></li>
+
+<li>3. <em class="gesperrt">Auffassungen mit einseitiger Herausarbeitung
+des Genussmoments.</em></li>
+
+<li>4. <em class="gesperrt">Doppelseitige Auffassungen mit Zugrundelegung
+des Genussmoments und abgeleiteter Geltendmachung
+des Darstellungsmoments.</em></li></ul>
+
+<p>Im folgenden werden diese Auffassungen dargestellt in
+der Ordnung, wie sie geschichtlich in die Erscheinung getreten
+sind.</p>
+
+<div class="footnotes"><h3>Fussnoten:</h3>
+
+<div class="footnote">
+
+<p><a name="Fussnote_1_1" id="Fussnote_1_1"></a><a href="#FNAnker_1_1"><span class="label">[1]</span></a> &bdquo;Das Abendmahl im Neuen Testament&ldquo; von <span class="smcap">Albert Eichhorn</span>,
+(Leipzig 1898), Hefte zur &bdquo;Christlichen Welt&ldquo; No. 36.</p></div></div>
+<hr class="chap" />
+
+<h2>Zweites Kapitel.</h2>
+
+<p class="pseudotitle"><b>Das Vorspiel. Zwingli und Calvin.</b></p>
+
+<p>Das Verdienst, das Abendmahlsproblem zuerst wissenschaftlich
+behandelt zu haben, gebührt <span class="smcap">Zwingli</span>. Die Bedeutung der
+historischen Feier beruht nach ihm auf dem symbolischen Handeln
+Jesu. Durch das Brechen des Brotes und das Darbieten
+<span class="pagenum"><a name="Seite_6" id="Seite_6">6</a></span>
+des Weines kündigt der Herr seinen Tod an. Er verordnet die
+Wiederholung der Feier, damit die Christen bei dem gebrochenen
+Brot und dem vergossenen Wein seines Todes gedenken.</p>
+
+<p>Die Schwäche dieser Auffassung liegt darin, dass <span class="smcap">Zwingli</span>
+den Hauptnachdruck allein auf das Handeln Jesu legt. Er kann
+die historische Feier erklären, &mdash; <em class="gesperrt">aber nicht die Wiederholung</em>,
+bei welcher notwendig der Nachdruck nicht auf dem
+Handeln Jesu, sondern auf dem der Teilnehmer, dem Genuss des
+Brotes und des Weines, ruht. Es gelingt nicht begreiflich zu
+machen, warum die Jünger die Gleichniselemente genossen und
+noch viel weniger, warum auch spätere Geschlechter bei der
+Wiederholung noch essen und trinken und nicht bloss <em class="gesperrt">anschauen</em>,
+um sich an dem erzählten und dargestellten Abendmahlshandeln
+Jesu zu erbauen. Dass <span class="smcap">Zwingli</span>'s Lehre dogmatisch nicht befriedigen
+konnte, lag in letzter Linie an der Einseitigkeit seiner
+wissenschaftlichen Exegese.</p>
+
+<p>So musste seine Auffassung auch wissenschaftlich durch diejenige
+verdrängt werden, welche dem Genuss der Teilnehmer einen
+Platz neben dem darstellenden Abendmahlshandeln Jesu anweisen
+konnte. Dies leistete die Abendmahlslehre <span class="smcap">Calvin</span>'s.</p>
+
+<p>Bei ihm liegt die Symbolik zu gleichen Teilen in dem begründet,
+was Jesus mit den Elementen vornimmt (Brechen des
+Brotes und Ausgiessen des Weines), und in dem, was die Teilnehmer
+mit den Elementen beginnen (Essen des Brotes und Trinken
+des Weines). In dieser Betonung der Darbietung und der
+Aneignung als der beiden Grundmomente des Abendmahls beruht
+die wissenschaftliche Stärke der calvinischen Abendmahlslehre.
+Die historische Feier kann er weniger gut erklären, als es
+<span class="smcap">Zwingli</span> gethan; dafür ist es ihm aber möglich, ihre Wiederholung
+als notwendig darzuthun, indem die <em class="gesperrt">Wertung des
+Genusses</em>, nicht allein <em class="gesperrt">der Befehl Jesu</em>, den Zusammenhang
+zwischen der historischen und der wiederholten Feier
+aufrecht erhält.</p>
+
+<p>Es waren also nicht nur <em class="gesperrt">dogmatische</em>, sondern auch
+<em class="gesperrt">wissenschaftliche</em> Interessen, welche den Sieg der calvinischen
+Abendmahlsauffassung über die zwinglische bedingten. Die zum
+Teil auf wissenschaftlicher Grundlage beruhende Auseinandersetzung
+zwischen diesen beiden Ansichten bildete ein kurzes Vorspiel
+zu der grossen historischen Abendmahlsdebatte im 19. Jahrhundert.</p>
+
+<p><span class="pagenum"><a name="Seite_7" id="Seite_7">7</a></span>
+
+Da die doppelseitige Auffassung durch den Sieg <span class="smcap">Calvin</span>'s
+über <span class="smcap">Zwingli</span> allgemein verbreitet war, setzte die historische
+Forschung die Doppelseitigkeit voraus. Sie betonte hauptsächlich
+das Darstellungsmoment, weil die exegetische Anschaulichkeit
+dafür sprach. So wurden zunächst die doppelseitigen Auffassungen
+mit Zugrundelegung des Darstellungsmoments wissenschaftlich
+ausgeprägt.</p>
+<hr class="chap" />
+
+<h2>Drittes Kapitel.</h2>
+
+<p class="pseudotitle"><b>Die doppelseitigen Auffassungen mit Zugrundelegung des
+Darstellungsmoments und abgeleiteter Geltendmachung
+des Genussmoments.</b></p>
+
+<h3><strong>1. Die erste Hälfte des 19. Jahrhunderts.
+De Wette, Ebrard und Rückert.</strong></h3>
+
+<p><span class="smcap">De Wette</span> vertritt die doppelseitige Auffassung in seinen
+Kommentaren.<a name="FNAnker_2_2" id="FNAnker_2_2"></a><a href="#Fussnote_2_2" class="fnanchor">[2]</a> Das Brechen und das Essen des Brotes, das
+Ausgiessen und das Trinken des Weins bedingen zusammen die
+Bedeutung der Elemente bei der Feier. Der Hauptnachdruck
+liegt aber auf dem Brechen, dem darstellenden Moment. Die
+Betonung des Genussmoments ist mehr nebensächlicher Art.</p>
+
+<p>Von <span class="smcap">August Ebrard</span><a name="FNAnker_3_3" id="FNAnker_3_3"></a><a href="#Fussnote_3_3" class="fnanchor">[3]</a> wird auf den Genuss der gleiche
+Wert gelegt wie auf das Brechen und Ausgiessen. Beide Momente
+gehören zusammen und bedingen sich gegenseitig. Jesus
+reicht das gebrochene Brot zum Essen und den ausgegossenen
+Wein zum Trinken dar.<a name="FNAnker_4_4" id="FNAnker_4_4"></a><a href="#Fussnote_4_4" class="fnanchor">[4]</a></p>
+
+<p>Bei <span class="smcap">Ebrard</span> ist die energische Betonung des Genussmoments
+durch seinen Zusammenhang mit der reformiert-calvinischen Auffassung
+begreiflich. Aus rein wissenschaftlichen Gründen findet
+sich das stärkere Herausarbeiten desselben Moments bei <span class="smcap">Immanuel
+Rückert</span>.<a name="FNAnker_5_5" id="FNAnker_5_5"></a><a href="#Fussnote_5_5" class="fnanchor">[5]</a> Seine klassische Schrift fasst den ganzen Ertrag
+der wissenschaftlichen Diskussion der Abendmahlsfrage in
+der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts zusammen. Die Handlung
+
+<span class="pagenum"><a name="Seite_8" id="Seite_8">8</a></span>
+
+Jesu und der Genuss von seiten der Teilnehmer werden in gleicher
+Weise betont. In jedem dieser beiden Momente liegt eine
+besondere Symbolik. Jesus bricht das Brot und gibt es zum
+Essen, er giesst den Wein ein und bietet ihn zum Trinken dar.<a name="FNAnker_6_6" id="FNAnker_6_6"></a><a href="#Fussnote_6_6" class="fnanchor">[6]</a></p>
+
+<h3><strong>2. Die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts.
+Th. Keim, K. v. Weizsäcker, W. Beyschlag, H. Holtzmann,
+P. Lobstein, W. Schmiedel.</strong></h3>
+
+<p>In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts lässt sich eine
+breite und ruhige Strömung verfolgen, welche beide Momente
+mit sich führt, jedoch so, dass das Darstellungsmoment die Grundströmung,
+das Genussmoment die Oberströmung bildet. Folgende
+Aussprüche geben die Richtung des Stromes an.</p>
+
+<blockquote>
+
+<p><span class="smcap">Th. Keim.</span> <em class="gesperrt">Geschichte Jesu von Nazara.</em> 1872 Bd. III S. 232
+bis 290 (Das Nachtmahl Jesu).</p></blockquote>
+
+<p>&bdquo;Man hat den Eindruck, dass es sich für Jesus doch um
+etwas mehr handelte, als nur um ein sprechendes Sinnbild seines
+irgendwie zum Heil der Jünger zu brechenden und zu tötenden
+Leibes vor den Gästen aufzustellen, man hat den Eindruck einer
+Gabe; diese Gabe liegt erstlich darin, dass er in nachdrücklicher,
+in endgültiger Weise als den Zweck seines bevorstehenden Todes
+das Heil der Jünger nennt, sodann, dass er im Zusammenhang
+damit die Sinnbilder dieses Heils den Erben dieses Heils nicht
+nur zum <em class="gesperrt">Anschauen</em>, sondern <em class="gesperrt">geradezu zum Nehmen und
+Geniessen</em> übergibt, das Besitztum des Heilstodes und seine
+Früchte in ihre Hände deponiert.&ldquo; S. 272.</p>
+
+<blockquote>
+
+<p><span class="smcap">Karl v. Weizsäcker.</span> <em class="gesperrt">Apostolisches Zeitalter.</em> 1886 S. 596
+bis 602.</p></blockquote>
+
+<p><span class="smcap">Weizsäcker</span> vertritt eine interessante Differenzierung in der
+Symbolik der beiden Akte. Das Brot ist das Sinnbild der <em class="gesperrt">Gegenwart
+Christi</em> in der Gemeinde, der Wein aber das Sinnbild
+<em class="gesperrt">seines Todes</em>, durch welchen er das neue Passahopfer geworden
+ist. S. 598.</p>
+
+<blockquote>
+
+<p>
+<span class="smcap">W. Beyschlag.</span> <em class="gesperrt">Das Leben Jesu.</em> 1893 Bd. II S. 434-442.</p>
+</blockquote>
+
+<p>&bdquo;Der Sinn der Abendmahlsstiftung ist vollkommen klar:
+Sein Leib, der für uns gebrochen, sein Blut, das für uns vergossen
+wird, ist sein Leben, das er für uns in den Tod gibt, &mdash;
+<span class="pagenum"><a name="Seite_9" id="Seite_9">9</a></span>für uns dahingibt, damit es in uns wirksam werde; damit es, vom
+inwendigen Menschen <em class="gesperrt">angeeignet</em>, wie der äussere Mensch
+Speise und Trank in sich aufnimmt, ihm Speise und Trank ewigen
+Lebens werde, und so die in Ihm gekommene Erlösung, den in
+Ihm gekommenen neuen Bund der Gottgemeinschaft in uns vollziehe.&ldquo;
+S. 439.</p>
+
+<blockquote>
+
+<p><span class="smcap">H. Holtzmann.</span> <em class="gesperrt">Biblische Theologie.</em> 1897 Bd. I S. 296-304.</p></blockquote>
+
+<p>&bdquo;Geschichtliche Voraussetzung und übereinstimmendes Resultat
+der letzten Forschungen ist, dass Jesus seinen Jüngern
+Brot und Wein zum Genusse dargereicht und dabei mit Beziehung
+auf das gebrochene Brot von seinem Leib, mit Beziehung
+auf den ausgegossenen Wein von seinem Blut gesprochen, letzteres
+insonderheit zugleich als Bundesblut bezeichnet hat.&ldquo; S. 296.</p>
+
+<blockquote>
+
+<p><span class="smcap">Paul Lobstein.</span> <em class="gesperrt">La doctrine de la sainte cène.</em> Lausanne
+1899.</p></blockquote>
+
+<p>&bdquo;Ceci est mon corps&ldquo;, dit Jésus en rompant le pain qu'il
+distribue à ses disciples; &bdquo;cette coupe est la nouvelle alliance
+dans mon sang versé pour vous&ldquo;, leur dit-il en faisant circuler la
+coupe. S. 46. Le pain que Jésus rompt pour les disciples et
+qu'il leur distribue, ils doivent s'en nourrir: &bdquo;De même que je
+vous convie à manger de ce pain, ainsi vous êtes appelés à vous
+assimiler le fruit de ma mort, les effets salutaires de ce don de
+moi-même, de ce corps brisé et livré pour vous.&ldquo; S. 47.</p>
+
+<blockquote>
+
+<p><span class="smcap">Wilhelm Schmiedel.</span> <em class="gesperrt">Die neuesten Ansichten über den Ursprung
+des Abendmahls.</em> Protestantische Monatshefte, III. Jahrgang
+Heft 4 1899.</p></blockquote>
+
+<p>&bdquo;Das Bedeutsame ist in erster Linie im <em class="gesperrt">Brechen des
+Brotes und Ausgiessen</em> des Weines aus dem Krug in den
+Becher zu sehen. Die Austeilung dieser Speisen zum Genuss
+schliesst sich als etwas zweites an. <em class="gesperrt">Um der Hauptsache
+willen wäre es nicht nötig gewesen: aber da man einmal
+beim Mahle sass, war es naturgemäss.</em>&ldquo; S. 147.</p>
+
+<p>Die gemeinsamen Grundzüge dieser Darstellungen sind also
+folgende: Brot und Wein sind Leib und Blut Christi, weil er an
+ihnen seinen Tod und dessen Heilswert versinnbildlicht hat. Dabei
+fordert er die Jünger zum Genuss auf; das soll bedeuten,
+dass ihnen die Wohlthaten seines Leidens zu gute kommen, wenn
+sie verstehen, sich dieselben anzueignen. Die Wiederholung ist
+erfolgt zum Teil, weil der religiöse Wert dieser Handlung von<span class="pagenum"><a name="Seite_10" id="Seite_10">10</a></span>
+den Teilnehmern eingesehen wurde, zum Teil, weil Jesus durch
+einen Befehl oder eine Andeutung dazu aufforderte. Auf den
+Zusammenhang mit dem Passah wird Wert gelegt, ohne dass er
+jedoch für die Auffassung als absolut notwendig erklärt würde.
+Ueberhaupt haben diese Darstellungen etwas Schwankendes.
+Sie vereinigen die mannigfachsten Gesichtspunkte mit einander,
+sodass es fast unmöglich ist, sie in kurzen Sätzen präcis wiederzugeben.</p>
+
+<p>Deshalb ist es auch nicht ratsam von ihnen auszugehen, um
+die Gesetze des Zusammenhangs zwischen den Einzelfragen aufzustellen.
+Die Krisis in diesem Zustand wurde erst durch die
+Auffassungen mit Zugrundelegung des Genussmoments heraufgeführt.</p>
+
+<div class="footnotes"><h3>Fussnoten:</h3>
+
+<div class="footnote">
+
+<p><a name="Fussnote_2_2" id="Fussnote_2_2"></a><a href="#FNAnker_2_2"><span class="label">[2]</span></a> Vgl. <span class="smcap">De Wette</span>'s Commentar zu Matthäus (1836) und zu Johannes
+(1837).</p></div>
+
+<div class="footnote">
+
+<p><a name="Fussnote_3_3" id="Fussnote_3_3"></a><a href="#FNAnker_3_3"><span class="label">[3]</span></a> &bdquo;Das Dogma vom heiligen Abendmahl und seine Geschichte&ldquo; von
+Dr. <span class="smcap">August Ebrard</span>. 2 Bde., 1845.</p></div>
+
+<div class="footnote">
+
+<p><a name="Fussnote_4_4" id="Fussnote_4_4"></a><a href="#FNAnker_4_4"><span class="label">[4]</span></a> Vgl. Bd. I S. 79-120.</p></div>
+
+<div class="footnote">
+
+<p><a name="Fussnote_5_5" id="Fussnote_5_5"></a><a href="#FNAnker_5_5"><span class="label">[5]</span></a> &bdquo;Das Abendmahl, sein Wesen und seine Geschichte in der alten
+Kirche&ldquo; von Dr. <span class="smcap">Leopold Immanuel Rückert</span>, Professor in Jena, 1856.</p></div>
+
+<div class="footnote">
+
+<p><a name="Fussnote_6_6" id="Fussnote_6_6"></a><a href="#FNAnker_6_6"><span class="label">[6]</span></a> Vgl. Bd. I S. 61-131.</p></div></div>
+
+<hr class="chap" />
+<h2>Viertes Kapitel.</h2>
+
+<p class="pseudotitle"><strong>Ueberblick über die Auffassungen mit Zugrundelegung
+des Genussmoments.</strong></p>
+
+<p>Greift man aus der Geschichte der wissenschaftlichen Abendmahlsuntersuchung
+die Werke heraus, welche in allgemeiner Weise
+das Genussmoment zu Grunde legen, so fügen sich folgende Namen
+in bunter, zusammenhangsloser Reihe aneinander: <span class="smcap">David
+Fr. Strauss</span>, <span class="smcap">Bruno Bauer</span>, <span class="smcap">E. Renan</span>, <span class="smcap">Adolf Harnack</span>, <span class="smcap">Fr.
+Spitta</span>, <span class="smcap">W. Brandt</span>, <span class="smcap">Erich Haupt</span>, <span class="smcap">Friedrich Schultzen</span>,
+<span class="smcap">Rich. Ad. Hoffmann</span> und <span class="smcap">Albert Eichhorn</span>. In dieser Reihe
+haben wir keine natürliche Kontinuität, wie in der vorher betrachteten.
+Bei näherem Zusehen ergeben sich zwei Epochen.
+Die erste fällt in die Mitte des Jahrhunderts (<span class="smcap">Fr. Strauss</span>,
+<span class="smcap">Bruno Bauer</span>, <span class="smcap">E. Renan</span>). Die zweite beginnt am Anfang der
+neunziger Jahre (<span class="smcap">Harnack</span> und <span class="smcap">Spitta</span>) und kommt noch vor
+Ablauf des Jahrzehnts zu ihrem naturgemässen Abschluss (<span class="smcap">A.
+Eichhorn</span>).</p>
+
+<p><span class="smcap">Strauss</span>, <span class="smcap">Bruno Bauer</span>, <span class="smcap">E. Renan</span>, <span class="smcap">W. Brandt</span>, <span class="smcap">Spitta</span>
+und <span class="smcap">Eichhorn</span> bieten <em class="gesperrt">Auffassungen mit einseitiger Herausarbeitung
+des Genussmoments.</em> <span class="smcap">Adolf Harnack</span>,
+<span class="smcap">Erich Haupt</span>, <span class="smcap">Friedrich Schultzen</span> und <span class="smcap">R. A. Hoffmann</span> vertreten
+die <em class="gesperrt">doppelseitigen Darstellungen</em> mit Zugrundelegung
+des Genussmoments und abgeleiteter Geltendmachung des Darstellungsmoments.</p>
+
+<hr class="chap" />
+
+<h2>Fünftes Kapitel.</h2>
+
+<p class="pseudotitle">
+<span class="pagenum"><a name="Seite_11" id="Seite_11">11</a></span>
+<b>Die Auffassungen mit einseitiger Herausarbeitung des
+Genussmoments.</b></p>
+
+<h3><strong>1. Die Vorperiode. Fr. Strauss, Bruno Bauer, E. Renan.</strong></h3>
+
+<p>Für die Auffassungen mit einseitiger Herausarbeitung des
+Genussmoments gibt es zwei Perioden. Die erste liegt gegen die
+Mitte des 19. Jahrhunderts zu, die zweite gegen das Ende. <span class="smcap">Friedrich
+Strauss</span> bezeichnet die erste, <span class="smcap">Friedrich Spitta</span> die zweite.</p>
+
+<p><span class="smcap">Strauss</span><a name="FNAnker_7_7" id="FNAnker_7_7"></a><a href="#Fussnote_7_7" class="fnanchor">[7]</a> führt aus, dass die Uebersetzung &bdquo;dies bedeutet&ldquo;,
+wenn sie sich auf das, was Jesus mit den Elementen thut, beziehen
+soll, bei weitem nicht ausreicht, ja gar nicht im Sinne der
+Verfasser der Evangelien gelegen haben kann. &bdquo;Den Schreibern
+unserer Evangelien <em class="gesperrt">war</em> das Brot im Abendmahl der Leib
+Christi ... hätte man geschlossen, dass das Brot den Leib bloss
+<em class="gesperrt">bedeute</em>, so würden sie sich dadurch nicht befriedigt haben&ldquo;
+(S. 436 ff.). Es ist kritisch nicht zulässig, dass Jesus seinen gewaltsamen
+Tod mit Bestimmtheit vor sich gesehen habe. Daher
+kann sich für ihn die Symbolik bei der letzten Mahlzeit mit den
+Jüngern gar nicht auf seinen Tod beziehen. Ebenso ist der
+Wiederholungsbefehl für unhistorisch zu halten; dafür spricht
+das Schweigen der beiden ersten Evangelien und die Erwägung,
+dass überhaupt eine Gedächtnisfeier natürlicher aus dem Bedürfnis
+der Zurückbleibenden, als aus dem Plan des Scheidenden hervorgeht.
+Ein Passahmahl war diese letzte Mahlzeit mit den Jüngern
+auch nicht. Das eigentlich Historische an der ganzen Ueberlieferung
+ist das eschatologische Schlusswort beim Becher: ich werde
+davon nicht mehr trinken, bis ich ihn neu trinken werde mit euch
+in meines Vaters Reich. In Jesu Gedanken bezieht es sich auf
+den nächsten Passahwein, nicht allgemein auf das Essen und
+Trinken. Von Mahlzeiten im messianischen Reich sprach er, gemäss
+den Vorstellungen seiner Zeit, öfters, und so mag er erwartet
+haben, das in demselben namentlich das Passahmahl mit besonderer
+Feierlichkeit werde begangen werden. Wenn er nun versichert,
+dieses Mahl nicht mehr in <em class="gesperrt">diesem</em>, sondern erst in <em class="gesperrt">jenem</em> Aeon
+zu geniessen, so muss, nach seiner Erwartung, bis zur Feier des
+<span class="pagenum"><a name="Seite_12" id="Seite_12">12</a></span>Passah das messianische Reich eintreten. Es ist dabei nicht nötig,
+dass Jesus das Erscheinen des Reiches an seinen Tod geknüpft
+dachte. Die ganze urchristliche Abendmahlsauffassung erklärt
+sich daraus, dass statt des messianischen Reiches und seiner
+Passahfeier &mdash; <em class="gesperrt">der Tod Jesu eintrat.</em></p>
+
+<p>Die Gemeinde feierte das Passah. Es war natürlich, dass
+sich der Versuch darbieten musste, demselben durch die Beziehung
+auf den Tod und das letzte Mahl Jesu (welches kein Passahmahl
+gewesen) eine <em class="gesperrt">christliche</em> Deutung zu geben. So erklärt
+sich das Eindringen des Leidensgedankens und der Leidensweissagung
+in die historischen Abendmahlsberichte. Die Elemente erhielten
+eine Beziehung auf den Leib und auf das Blut Christi;
+dabei wurde das Wort Jesu, den Genuss des Passahweines betreffend,
+allgemein auf das Essen und das Trinken bezogen
+und mit Brot und Wein als seinem Leib und Blut in Verbindung
+gebracht. So entstand die Vorstellung von dem Wiederholungsbefehl.
+Die Neigung, das Gedächtnismahl vom Passah loszulösen
+und öfters zu begehen, erklärt das Aufkommen eines derartigen
+Wortes.</p>
+
+<p>Diese geniale Auffassung von <span class="smcap">Fr. Strauss</span> enthält bereits
+alle Faktoren, welche die späteren, das Genussmoment einseitig
+betonenden Abendmahlsdarstellungen kennzeichnen. Vor allem
+kommen hier in Betracht die Loslösung der historischen Feier vom
+Passahmahl, das Ausscheiden der Leidensanspielungen aus den
+Worten Jesu, die Erklärung der Wiederholung der Feier ohne
+Annahme des Wiederholungsbefehles und die Notwendigkeit, alle
+als unhistorisch erkannten Züge in den neutestamentlichen Abendmahlsdarstellungen
+(Anschluss an das Passahfest, Beziehung auf
+den Tod Christi und Wiederholungsbefehl) aus der Entwicklung
+der urchristlichen Feier in einem Zeitraum von nicht einmal zwei
+Jahrzehnten zu erklären.</p>
+
+<p>Will man diese Rückbildung nicht durch eine gewagte Geschichtskonstruktion
+erweisen, so bleibt nur wissenschaftliche
+Skepsis in irgend einer Form übrig. Diesen Weg hat <span class="smcap">Bruno
+Bauer</span><a name="FNAnker_8_8" id="FNAnker_8_8"></a><a href="#Fussnote_8_8" class="fnanchor">[8]</a> betreten. Er setzt voraus, dass die Berichte besagen
+wollen: <em class="gesperrt">der Herr reichte seinen Jüngern seinen Leib und
+sein Blut zum Genuss dar.</em> Der Wiederholungsbefehl ist eine
+<span class="pagenum"><a name="Seite_13" id="Seite_13">13</a></span>Zuthat aus späterer Zeit mit abschwächender Tendenz. Man
+fühlte, dass man für die historische Feier den Genuss so nicht
+aufrecht erhalten könne. Darum hob man die Beziehung auf die
+Zukunft, die der Formel an sich zu Grunde liegt, hervor. Jesus
+kann seinen Jüngern nicht sein Fleisch und Blut dargereicht
+haben,<a name="FNAnker_9_9" id="FNAnker_9_9"></a><a href="#Fussnote_9_9" class="fnanchor">[9]</a> damit sie es assen; also ist der Bericht des Markus Phantasie,
+und alle andern Berichte sind Nachbildungen dieser Erfindung.</p>
+
+<p>Wie sehr gerade die Vollziehung des Genusses Voraussetzung
+der <span class="smcap">Bauer</span>'schen Auffassung ist, zeigt sich darin, dass er
+dem Matthäus vorwirft, er habe das bei Markus konstatierte Faktum
+des Trinkens von seiten der Jünger eigenmächtig in einen
+Befehl Jesu umgesetzt, was schon eine Milderung bedeute. Das
+eschatologische Schlusswort lässt er unbeachtet und schneidet sich
+so den Weg ab, der <span class="smcap">Strauss</span> aus den Schwierigkeiten, welche die
+einseitige Betonung des Genussmomentes nach sich zieht, herausführte.</p>
+
+<p>Nach <span class="smcap">E. Renan</span><a name="FNAnker_10_10" id="FNAnker_10_10"></a><a href="#Fussnote_10_10" class="fnanchor">[10]</a> hat Jesus am letzten Abend die gewöhnliche
+gemeinsame Mahlzeit mit dem Brotbrechen im Kreise seiner
+Jünger gefeiert. &bdquo;Dans ce repas, ainsi que dans beaucoup d'autres,
+Jésus pratique son rite mystérieux de la fraction du pain.&ldquo; Das
+eschatologische Schlusswort ist für <span class="smcap">Renan</span> zweifelhaft und ohne
+Bedeutung. Die synoptischen Abendmahlsberichte erklären sich
+nur aus der Entwicklung der späteren Anschauungen, für welche
+das letzte Mahl ein Passahmahl war; dadurch drangen der
+Leidensgedanke, die Beziehung der Elemente auf den Leib Jesu
+und die Anordnung der Wiederholung in die Darstellung des
+letzten Mahles ein.</p>
+
+<h3><strong>2. Die modernen Versuche. W. Brandt, Fr. Spitta,
+A. Eichhorn.</strong></h3>
+
+<blockquote>
+
+<p>Vergleiche zum <span class="err" title="original: folgenden">Folgenden</span> den verhängnisvollen Vortrag von <span class="smcap">E. Grafe</span>
+(Die neuesten Forschungen über die ursprüngliche Abendmahlsfeier. Zeitschrift
+für Theologie und Kirche 1895) und die klare Zusammenfassung von
+<span class="smcap">Rud. Schäfer</span> (Das Herrenmahl nach Ursprung und Bedeutung 1897).</p></blockquote>
+
+<p>Erst das letzte Jahrzehnt des 19. Jahrhunderts bietet eine
+Abhandlung, in der die bei <span class="smcap">Strauss</span>, <span class="smcap">Bauer</span> und <span class="smcap">Renan</span> angedeuteten<span class="pagenum"><a name="Seite_14" id="Seite_14">14</a></span>
+Gedanken sich in voller Schärfe und Konsequenz zu einem
+einheitlichen Bilde entwickeln. Es ist die epochemachende Arbeit
+<span class="smcap">Spitta</span>'s. Die Werke von <span class="smcap">Ad. Harnack</span> und <span class="smcap">W. Brandt</span>
+gehen ihr zeitlich in der Hervorhebung des ausschliesslichen
+Mahlzeitscharakters der historischen Feier voraus. Da jedoch
+<span class="smcap">Harnack</span> schon mehr zu den doppelseitigen Darstellungen mit
+Zugrundelegung des Genussmoments überleitet, ist es rätlich,
+ihn erst dort zu behandeln. Zudem hat er in der 3. Auflage
+seiner Dogmengeschichte (Bd. I S. 64) zu dem Lösungsversuch
+<span class="smcap">Spitta</span>'s Stellung genommen und seine eigene Ansicht daraufhin
+neu formuliert.</p>
+
+<h3><strong>3. W. Brandt.</strong></h3>
+
+<blockquote>
+
+<p>Die evangelische Geschichte und der Ursprung des Christentums. Leipzig
+1893 S. 283 ff.</p></blockquote>
+
+<p>Die Hauptbedeutung der historischen Feier liegt in dem <em class="gesperrt">gemeinschaftlichen
+Genuss.</em> Durch das Gleichnis beim Abendmahl
+hat Jesus die gemeinsamen Mahlzeiten zum <em class="gesperrt">Symbol der
+Gemeinschaft</em> gemacht. In der Bedeutung dieses Symbols ist
+der Grund der Wiederholung zu sehen. Eine Anspielung auf
+den Tod ist, wenn sie sich in dem Wort, welches das Brotbrechen
+begleitete, findet, für das Wesen der Feier bedeutungslos.</p>
+
+<p>Die Aufnahme des Leidensgedankens und die Eintragung
+des Wiederholungsbefehls in unsere Berichte gehen auf eine Verschiebung
+in der urchristlichen Feier zurück. Diese ist dadurch
+bedingt, dass nach dem Jahre 70 wegen des Fehlens des Lammes
+Brot und Becher die vornehmsten Ingredienzen des jüdischen
+Passahmahls bildeten; dadurch wurde eine Gleichgestaltung desselben
+mit der urchristlichen Herrenmahlsfeier angebahnt. So
+erklärt es sich, dass die letztere durch das erstere im äusserlichen
+Verlauf und im Gedankengehalt beeinflusst wurde.</p>
+
+<p>In dieser ansprechenden Skizze finden wir die schon bei
+<span class="smcap">Strauss</span> bemerkten Eigentümlichkeiten der das Genussmoment
+ausschliesslich betonenden Auffassungen wieder. Der Wiederholungsbefehl
+fehlt, und es kommt darauf an, den Leidenshinweis
+in unseren Berichten auf die Einwirkung späterer Gemeindevorstellungen
+zurückzuführen. Ob der von dem Verfasser angezeigte
+Weg wirklich zum Ziele führt, ist fraglich. Sicher ist, dass er
+eine grosse Schwierigkeit nicht berücksichtigt hat. Wie konnten
+die Jünger die Worte des Meisters in dem oben gebotenen Sinn<span class="pagenum"><a name="Seite_15" id="Seite_15">15</a></span>
+verstehen? Wie konnten sie überhaupt begreifen, dass er bei
+der Darreichung von Brot und Wein sie aufforderte, seinen
+Leib und sein Blut zu geniessen?</p>
+
+<p>Es ist das unschätzbare Verdienst <span class="smcap">Spitta</span>'s, diese Frage in
+den Vordergrund geschoben zu haben.</p>
+
+<h3><strong>4. Fr. Spitta.</strong></h3>
+
+<blockquote>
+
+<p>Die urchristlichen Traditionen über Ursprung und Sinn des Abendmahls
+(zur Geschichte und Litteratur des Urchristentums). 1893 S. 207
+bis 337.</p></blockquote>
+
+<p>Der Sinn der Worte Jesu liegt einzig und allein in der Aufforderung
+zum Genuss. Das Genossene ist nach seinen Worten
+sein Leib und sein Blut, gerade <em class="gesperrt">dadurch, dass es genossen
+wird</em>! Das Brechen und Ausgiessen als die darstellende Handlung,
+welche den Elementen eine veranschaulichende Beziehung
+auf seinen Tod geben soll, lag seinen Gedanken fern. Die historische
+Feier war eine <em class="gesperrt">Mahlzeit</em>, bei welcher nach dem gemeinsamen
+Inhalt aller Berichte die Jünger auf seine Aufforderung
+hin die dargereichte Speise als seinen Leib essen und den eingegossenen
+Wein als sein Blut trinken sollten und dies auch
+thaten.</p>
+
+<p><span class="smcap">Strauss</span> und <span class="smcap">Bruno Bauer</span> hatten denselben Thatbestand
+als von den Quellen geboten konstatiert, wurden aber von hier
+aus gezwungen, die historische Thatsächlichkeit des geschilderten
+Vorganges in Frage zu stellen und das Zustandekommen der
+Berichte sei es aus der Geschichte des Urchristentums (<span class="smcap">Strauss</span>),
+sei es aus der Geschichte der Entstehung der christlichen Ueberlieferung
+überhaupt (<span class="smcap">Bruno Bauer</span>) zu erklären. Dass die Jünger
+auf die Aufforderung Jesu hin damals seinen Leib und sein Blut
+genossen haben sollen, ist für sie eine unvollziehbare Vorstellung.</p>
+
+<p><span class="smcap">Spitta</span> kann den Vorgang als historisch aufrecht erhalten
+durch Zuhülfenahme <em class="gesperrt">eschatologischer Gedankengänge.</em>
+Anknüpfend an die Vorstellung des messianischen Bundes, hat
+Jesus, wie die übereinstimmenden Züge aller Berichte zeigen, bei
+den &bdquo;Einsetzungsworten&ldquo; an das Essen und Trinken beim messianischen
+Mahl gedacht. In der prophetischen und in der apokalyptischen,
+in der Sapientia- und in der rabbinischen Litteratur
+stellt sich die Vollendung des Reiches in dem messianischen Mahl
+dar, <em class="gesperrt">wobei die genossene Speise der Messias selbst ist</em>!<span class="pagenum"><a name="Seite_16" id="Seite_16">16</a></span>
+Auf Grund dieser Vorstellung konnte Jesus voraussetzen, dass
+die Jünger ihn verstehen würden, wenn er sie aufforderte, beim
+Essen ihn selbst zu geniessen. Was er ihnen bietet, ist eine Vorwegnahme
+des grossen messianischen Mahles der Endzeit. In
+diesem Gedanken konnten sie den Leib des Messias essen und
+ihn in seinem Blut, dem Saft der Trauben, trinken.</p>
+
+<p>Das letzte Mahl war kein Passahmahl, der Leidensgedanke
+kam für die Symbolik der Elemente nicht in Betracht, und der
+Wiederholungsbefehl ist unhistorisch. Diese Anschauungen sind
+späterer Art und nur dadurch verständlich, dass infolge des inzwischen
+eingetretenen Todes Jesu die Auffassung seiner Worte
+bei der letzten Mahlzeit sich notwendig ändern musste. Die Feier
+wurde in Analogie zu dem Passahmahl gesetzt, weil jetzt die
+Deutung der Worte vom Leib und Blut auf seine Leiden unabweislich
+war. Damit drang die Vorstellung einer Stiftung notwendig
+mit ein.</p>
+
+<p>Bei Paulus halten sich die ursprüngliche und die auf das
+Leiden bezogene Auffassung noch das Gleichgewicht. I Kor
+10 <span class="antiqua">1</span> ff. und I Kor 10 <span class="antiqua">14</span> ff. kennen den Leidensgedanken noch
+nicht und betonen das Genussmoment. I Kor 11 <span class="antiqua">23</span> ff. tritt das
+neue Moment in Sicht, welches Paulus bei der Bekämpfung der
+korinthischen Agapenskandale in die Feier einträgt: <em class="gesperrt">die Feier
+hat es mit dem Tode Jesu zu thun.</em></p>
+
+<p>Das Neue ist also bei <span class="smcap">Spitta</span> die Heranziehung eigentümlich
+eschatologischer Gedankengänge, durch welche er eine Feier
+als historisch aufrecht erhält, bei der der Meister den zu Tische
+Liegenden Brot und Wein reichte mit der Aufforderung, seinen
+Leib zu essen und sein Blut zu trinken. In dem Wesen dieser
+Feier lag es begründet, dass sie ohne ausgesprochenen Wiederholungsbefehl
+Aufnahme in der ersten Gemeinde fand. Von hier
+aus scheint es dann nicht unmöglich, in der nun folgenden Entwicklung
+das Eintreten der Faktoren begreiflich zu machen,
+welche die neuen Züge in der Auffassung und Wertung der Feier
+bedingten.</p>
+
+<h3><strong>5. Kritik der Auffassung Spitta's.</strong></h3>
+
+<p>Die grosse Bedeutung der Untersuchung <span class="smcap">Spitta</span>'s beruht
+darin, dass er die Abendmahlsfrage nach einem einheitlichen Gesichtspunkt
+aufgefasst und zu lösen unternommen hat. Alle
+Einzelfragen stehen bei ihm in einer gegenseitigen, engen Wechsel<span class="pagenum"><a name="Seite_17" id="Seite_17">17</a></span>verbindung.
+Seine Abhandlung bildet eine geschlossene Kette,
+bei der jedes Glied nur im Zusammenhang mit den andern in
+Betracht kommt. Darin besteht der grosse Fortschritt in seiner
+Untersuchung den früheren gegenüber. Die textkritischen und
+die exegetischen Erörterungen sind bei ihm sowohl <em class="gesperrt">Grundlage</em>
+als auch <em class="gesperrt">Folge</em> der Gesamtauffassung.</p>
+
+<p>Man hat seine Auffassung eine <em class="gesperrt">eschatologische</em> genannt,
+weil er, wie <span class="smcap">Fr. Strauss</span>, den Gedanken der Mahlzeit im messianischen
+Reich zu Hülfe nimmt, um die historische Feier verständlich
+zu machen. <span class="smcap">Strauss</span> ging dabei vom synoptisch-eschatologischen
+Schlusswort aus, in welchem Jesus die Jünger auf
+das grosse Mahl der Endzeit verweist, wo er wieder mit ihnen
+vereint sein wird. Der eschatologische Charakter der <span class="smcap">Spitta</span>'schen
+Auffassung aber beruht nicht auf dem synoptischen Wort, <em class="gesperrt">sondern
+auf einer <span class="err" title="original: eschatologichen">eschatologischen</span> Vorstellung vom Endmahl,
+welche aus den Apokryphen und der Weisheitslitteratur
+zusammengetragen ist.</em> Dabei ergeben sich eine
+Reihe schwerer Widersprüche mit dem synoptisch-eschatologischen
+Schlusswort.</p>
+
+<p>Nach <em class="gesperrt">Spitta</em> bietet sich der Messias beim Mahle der Endzeit
+den Seinen zur Speise und zum Trank an. Nach den Synoptikern
+weist Jesus auf das Endmahl hin, wo er mit ihnen vom
+Gewächs des Weinstocks geniesst. Bei <span class="smcap">Spitta</span> will er also
+<em class="gesperrt">Speise und Trank</em>, bei den Synoptikern <em class="gesperrt">mitgeniessender
+Tischgenosse sein</em>!</p>
+
+<p>Bei <span class="smcap">Spitta</span> wird der eschatologische Hinweis sowohl <em class="gesperrt">für
+die Speise als für den Trank vorausgesetzt.</em> Historisch
+ist aber das eschatologische Schlusswort <em class="gesperrt">nur beim Becher</em>!</p>
+
+<p><span class="smcap">Spitta</span>'s Eschatologie bezieht sich auf die <em class="gesperrt">Aufforderung
+zum Genuss</em> des Leibes und Blutes. Das synoptisch-eschatologische
+Wort steht damit in keinem Zusammenhang, <em class="gesperrt">sondern
+folgt erst auf den Genuss.</em></p>
+
+<p><span class="smcap">Spitta</span>'s Auffassung ist also ganz unabhängig vom synoptisch-eschatologischen
+Schlusswort. Es figuriert auch nicht in seiner kürzesten
+Form der Einsetzungsworte, sondern diese lauten einfach:</p>
+
+<p>&bdquo;Nehmet, esset, das ist mein Leib.&ldquo;</p>
+
+<p>&bdquo;Trinket alle daraus. Das ist das Blut meines Bundes, das
+für viele vergossen wird.&ldquo;</p>
+
+<p>Diese Worte konstituieren die Feier, denn &bdquo;in der Gemeinde
+wurde immer daran gedacht, wie er damals darauf hingewiesen,<span class="pagenum"><a name="Seite_18" id="Seite_18">18</a></span>
+<em class="gesperrt">er sei jetzt und in alle Ewigkeit</em> die rechte Speise
+und Erquickung ihrer Seele&ldquo; (S. 289). So wird das synoptisch-eschatologische
+Schlusswort zum <em class="gesperrt">wehmütigen Abschiedswort</em>,
+welches von dem Jubelklang der eschatologisch siegesgewissen
+Stimmung zum Todesgang überleitet.</p>
+
+<p><em class="gesperrt">Christus die rechte Seelenspeise:</em> dieser Gedanke ist
+modern. Die Eschatologie <span class="smcap">Spitta</span>'s zielt dahin, diesen Gedanken
+durch eine Zusammenstellung von alttestamentlichen und apokryphischen
+Sprüchen in künstlich-antikem Licht spielen zu lassen,
+damit er die Aufforderung Jesu zum Genuss seines Leibes und
+Blutes für die historische Situation erkläre. Verzichtet man auf
+dieses künstliche Licht, dann bleibt nur das skeptische Dunkel.
+Das ist bei <span class="smcap">Eichhorn</span> der Fall.</p>
+
+<h3><strong>6. A. Eichhorn.</strong></h3>
+
+<blockquote>
+
+<p>Das Abendmahl im Neuen Testament. Hefte zur christlichen Welt
+No. 36. 1898.</p></blockquote>
+
+<p>&bdquo;Wenn wir unseren Berichten trauen dürfen&ldquo;, hat Jesus das
+erste Abendmahl mit seinen Jüngern so gehalten, dass er ihnen
+Brot und Wein ausgeteilt und sie seinen Leib und sein Blut gegessen
+und getrunken haben. Aller Nachdruck fällt auf den Genuss.
+Eine auf Jesu Handeln sich gründende Symbolik kann bei
+der Betonung des Genusses nicht bestehen. <em class="gesperrt">Man darf nicht
+sagen, dass das Brechen des Brotes auf das Zerbrechen
+des Leibes und das Trinken des Weins auf das Vergiessen
+des Bluts</em> hindeutet. Die Handlung, die in Wirklichkeit
+vorgenommen wird, ist einfach das Essen und Trinken.</p>
+
+<p>Ist dies nun der durch die Quellen gebotene Sachverhalt, so
+gibt es vorläufig keine Möglichkeit, die historische Feier und das
+Aufkommen ihrer Wiederholung zu verstehen. Was auch Jesus
+gesagt und gethan haben mag an jenem Abend, <em class="gesperrt">das Kultmahl
+der Gemeinde mit dem sakramentalen Essen und
+Trinken des Leibes und Blutes Christi</em>, wie es in der
+ältesten Christenheit ziemlich von Anfang an sich ausgebildet hat,
+<em class="gesperrt">ist von da aus nicht zu verstehen.</em> So wird <span class="smcap">Eichhorn</span>, weil
+er bei der eingestandenen Bedeutung des Genussmomentes von
+der Heranziehung eschatologischer oder moderner Anschauungen
+absieht, notwendig zur Skepsis gedrängt.</p>
+
+<p>Sie besteht in dem ausgesprochenen Verzicht, auf Grund der
+vorhandenen Berichte die historische und die wiederholte Feier<span class="pagenum"><a name="Seite_19" id="Seite_19">19</a></span>
+in ihrem Zusammenhang zu begreifen, wenn nicht eine neue, von
+unseren Berichten unabhängige Thatsache ein Datum liefert,
+welches den Ausgangspunkt der uns unverständlichen Entwicklung
+kenntlich macht. &mdash; Gelingt es nicht, in der gnostischen Gedankenwelt
+ein <em class="gesperrt">sakramentales Essen</em>, welches das Vorbild
+des Abendmahls abgeben könnte, nachzuweisen, sodass für die
+älteste Christenheit nicht das supranaturale Essen und Trinken
+als solches, sondern nur die Ersetzung einer andern übernatürlichen
+Substanz durch Christi Leib und Blut neu ist, <em class="gesperrt">dann muss
+auf ein Verständnis der historischen Feier und ihrer
+Entwicklung zur Gemeindefeier endgültig verzichtet
+werden.</em></p>
+
+<h3><strong>7. Die neue &bdquo;Thatsache&ldquo;.</strong></h3>
+
+<p>Um dem Skeptizismus zu entgehen, postuliert <span class="smcap">Eichhorn</span>
+eine neue, über den Bestand unserer Quellen hinausgehende Thatsache.
+Seine Vorgänger, die mit ihm die ausschliessliche Betonung
+des Genusses gemein haben, ersetzen dieses Postulat
+durch eine <em class="gesperrt">angenommene</em> Thatsache.</p>
+
+<p>D. <span class="smcap">Fr. Strauss</span> erklärt das Aufkommen der Abendmahlsfeier
+im Urchristentum, und damit die Entstehung unserer Berichte,
+durch das Missverständnis eines von Jesu bei dem letzten
+Mahl gesprochenen eschatologischen Wortes von seiten der
+Jünger.</p>
+
+<p><span class="smcap">Bruno Bauer</span> verlegt die ganze Entwicklung, da er sie anders
+nicht erklären kann, in die Phantasie des Urevangelisten.
+<span class="smcap">Renan</span> behilft sich mit der Annahme eines schon früher von Jesu
+geübten, den Jüngern bekannten geheimnisvollen Ritus des Brotbrechens.
+<span class="smcap">Spitta</span> bringt eine eigenartige, im Grunde moderne
+eschatologische Vorstellung an die synoptischen Berichte heran,
+welche mit dem dort gebotenen eschatologischen Schlusswort in
+gar keiner Beziehung steht.</p>
+
+<p><span class="smcap">W. Brandt</span> überträgt moderne Anschauungsweisen in die
+Gedankenwelt Jesu und seiner Jünger, ohne diese Uebertragung
+aus den Berichten begründen zu können.</p>
+
+<p>So bildet die Untersuchung <span class="smcap">Eichhorn</span>'s den natürlichen
+Schlusspunkt der scheinbar so zusammenhangslosen Reihe der
+Auffassungen mit einseitiger Herausarbeitung des Genussmoments.
+Durch die dialektische Behandlung des Problems entzieht er jeder
+künftigen Darstellung von vornherein die Berechtigung, wenn sie<span class="pagenum"><a name="Seite_20" id="Seite_20">20</a></span>
+nicht eine neue geschichtliche Thatsache aufbringen kann, die
+erklärt, wie die Anschauung aufkam, dass Jesus den Jüngern
+zumutete, seinen Leib und sein Blut zu essen und zu trinken.</p>
+
+<h3><strong>8. Die Skepsis in der Folge der einseitigen Herausarbeitung
+des Genussmoments.</strong></h3>
+
+<p><span class="smcap">Eichhorn</span>'s <em class="gesperrt">Postulat</em> trägt auch nicht weiter als die behaupteten
+Thatsachen seiner Vorgänger. Er verlangt, dass die
+Vorstellung des supranaturalen Essens und Trinkens in einer
+schon vorhandenen religiösen Gedankenwelt nachgewiesen werde.
+Die nähere Kenntnis des &bdquo;Gnostizismus&ldquo; könnte nach seiner
+Ansicht dazu führen.</p>
+
+<p>Zugegeben, dass ein solches supranaturales Essen und
+Trinken schon existiert hätte, so müsste dargethan werden, wie
+man im Urchristentum dazu kam, diesen Gedanken ins Abendmahl
+<em class="gesperrt">herüberzunehmen.</em> Inwiefern gab die historische Feier
+Ansatzpunkte dazu? Die von <span class="smcap">Eichhorn</span> vorgeschlagene Operation
+hängt ganz in der Luft, denn unsere Berichte stehen einem
+solchen Beginnen vollständig fremd und ablehnend gegenüber.</p>
+
+<p>Nun wäre die Umsetzung seines Postulats in eine dementsprechende
+historische Thatsache der einzige Ausweg aus der
+Skepsis. Gleich beim ersten Schritt zeigt sich aber, dass er völlig
+aussichtslos ist. Also muss eine Darstellung, welche von der
+Voraussetzung ausgeht, Jesus habe die Seinen bei Brot und
+Wein zum Genuss seines Leibes und Blutes aufgefordert, <em class="gesperrt">von
+vornherein, unter allen Umständen auf die Lösung des
+Problems verzichten! Die konsequente Herausarbeitung
+des Genussmoments führt notwendig zur Skepsis:
+das ist der Ertrag dieser Darstellungen.</em></p>
+
+<h3><strong>9. Der logische Grund der Skepsis.</strong></h3>
+
+<p>Wenn in der wissenschaftlichen Behandlung einer Frage die
+Skepsis sich einstellt, so liegt dies immer daran, dass <em class="gesperrt">sich in
+den Voraussetzungen eine unbegründete Behauptung
+versteckt hat</em>, welche von da aus das menschliche Denken
+neckt und in die Irre führt. Die Wissenschaft an sich kann nie
+zur Skepsis führen. Mit der Aufdeckung der <em class="gesperrt">unerwiesenen
+Voraussetzungsbehauptung</em> ist die Skepsis gehoben.</p>
+
+<p>Worin besteht diese nun in den obigen Abhandlungen? Der
+Fehler kann nicht in der ausschliesslichen Geltendmachung des<span class="pagenum"><a name="Seite_21" id="Seite_21">21</a></span>
+Genussmoments beruhen. Dass das Abendmahl von der urchristlichen
+Gemeinde als <em class="gesperrt">Mahlzeit</em> übernommen und gefeiert wurde,
+dass die Handlung, welche die urchristliche mit der historischen
+Feier verbindet, nicht in dem symbolischen <em class="gesperrt">Handeln des
+&bdquo;Stifters&ldquo;</em>, sondern in der <em class="gesperrt">Handlung der Teilnehmer</em>, dem
+Essen und Trinken besteht: diese Thatsachen werden durch die
+Quellen geboten und durch das Urchristentum bestätigt.</p>
+
+<p>Nicht in der <em class="gesperrt">Thatsache</em>, sondern in der <em class="gesperrt">Art</em> der Wertung
+des Genussmoments ist der Fehler zu suchen. Sämtliche obige
+Darstellungen formulieren sie dahin, dass Jesus die Jünger bei
+der Darreichung von Brot und Wein <em class="gesperrt">aufgefordert</em> habe, seinen
+Leib zu essen und sein Blut zu trinken. <em class="gesperrt">Die Skepsis beruht
+also in der Verbindung des Mahlzeitcharakters der
+Feier mit den Gleichnisworten</em>, denn damit ist eine Aussage
+gegeben, in der Subjekt und Objekt identisch sind: der Darbietende
+ist zugleich der Genossene. Hier hört das Denken auf. <em class="gesperrt">Das
+üppige Schlinggewächs historischer und exegetischer
+Einfälle ist keine Brücke über den Abgrund des Selbstwiderspruchs!</em></p>
+
+<p>Statt also von der Konstatierung auszugehen, dass Jesus
+den Seinen seinen Leib und sein Blut zum Genuss dargereicht habe,
+muss man damit beginnen, diese Voraussetzung selbst zu prüfen.
+Ist es wirklich eine aus der urchristlichen Feier und aus den Berichten
+unumstösslich feststehende Thatsache, dass Jesus ihnen
+dies in irgend einer Form zugemutet hat? Wenn ja, dann ist die
+Lösung der Abendmahlsfrage unmöglich, da wir dabei das &bdquo;wie&ldquo;
+aus unseren Texten nie erklären können und jede freie Deutung
+bei unseren Berichten ohne Rückhalt bleibt.</p>
+
+<div class="footnotes"><h3>Fussnoten:</h3>
+
+<div class="footnote">
+
+<p><a name="Fussnote_7_7" id="Fussnote_7_7"></a><a href="#FNAnker_7_7"><span class="label">[7]</span></a> <span class="smcap">David Fr. Strauss</span>, Das Leben Jesu. 1. Ausgabe, Tübingen 1836.
+Bd. I, S. 396-442: Das Abendmahl.</p></div>
+
+<div class="footnote">
+
+<p><a name="Fussnote_8_8" id="Fussnote_8_8"></a><a href="#FNAnker_8_8"><span class="label">[8]</span></a> <span class="smcap">Bruno Bauer</span>, Kritik der evangelischen Geschichte, 1842. Kritik
+der Evangelien, 1850, Bd. III S. 191-213.</p></div>
+
+<div class="footnote">
+
+<p><a name="Fussnote_9_9" id="Fussnote_9_9"></a><a href="#FNAnker_9_9"><span class="label">[9]</span></a> Kritik der evangelischen Geschichte, Bd. III S. 241: &bdquo;Ein Mensch,
+der leiblich und individuell dasitzt, kann nicht auf den Gedanken kommen
+andern seinen Leib und sein Blut zum Genuss anzubieten.&ldquo;</p></div>
+
+<div class="footnote">
+
+<p><a name="Fussnote_10_10" id="Fussnote_10_10"></a><a href="#FNAnker_10_10"><span class="label">[10]</span></a> <span class="smcap">E. Renan</span>, La vie de Jésus 1863, S. 385 ff.</p></div></div>
+
+<hr class="chap" />
+
+<h2>Sechstes Kapitel.</h2>
+
+<p class="pseudotitle"><b>Die doppelseitigen Auffassungen mit Zugrundelegung des
+Genussmoments und abgeleiteter Geltendmachung
+des Darstellungsmoments.</b></p>
+
+<p class="center"><span class="smcap">Ad. Harnack</span>, <span class="smcap">Erich Haupt</span>, <span class="smcap">Fr. Schultzen</span>, <span class="smcap">R. A. Hoffmann</span>.</p>
+
+<h3><strong>1. Allgemeines.</strong></h3>
+
+<p>Diese doppelseitige Reihe steht unter dem Einfluss der Auffassungen
+mit einseitiger Herausarbeitung des Genussmoments.
+Während die Richtung, die durch die Namen <span class="smcap">Rückert</span>, <span class="smcap">Lobstein<span class="pagenum"><a name="Seite_22" id="Seite_22">22</a></span></span>
+und <span class="smcap">Holtzmann</span> gekennzeichnet wird, von dem Handeln
+Jesu ausgehend den Genuss der Teilnehmer zu erklären versuchte,
+verfahren die neuen doppelseitigen Auffassungen umgekehrt.
+Sie stellen den Genuss in den Vordergrund und suchen
+dieses Moment nun so zu formulieren und so zur Geltung zu
+bringen, dass auch das auf den Tod hinweisende Handeln Jesu
+damit in irgend einer Weise vereinbar ist und daraus seine Erklärung
+empfangt. Das Schwergewicht hat sich also von der
+einen auf die andere Seite verschoben.</p>
+
+<p>In letzter Linie sind es exegetische Bedenken, welche die
+betreffenden Verfasser dazu führen, auch dem Leidensgedanken
+und dem Handeln Jesu Rechnung zu tragen. &bdquo;<em class="gesperrt">Die Worte sind
+mir zu mächtig</em>&ldquo;, sagt <span class="smcap">Harnack</span> bei der Würdigung der Auffassung
+<span class="smcap">Spitta</span>'s, deren Grundgedanke ihm zusagt, während die
+Exegese ihn nicht befriedigt. Es ist das Motto auch der übrigen
+doppelseitigen Darstellungen.</p>
+
+<h3><strong>2. Ad. Harnack.</strong></h3>
+
+<blockquote>
+
+<p>Brot und Wasser: die eucharistischen Elemente bei <span class="smcap">Justin</span> (Texte und
+Untersuchungen Bd. VII S. 117 ff. 1891). Theologische Litteraturzeitung
+1892 S. 373-378. Dogmengeschichte (3. Aufl.) Bd. I S. 64.</p></blockquote>
+
+<p>Durch eine Untersuchung, ob Wasser oder ob Wein das
+eucharistische Genusselement in der alten Kirche waren, kam
+<span class="smcap">Harnack</span> im Jahre 1891 dazu, in entschiedener Weise zu betonen,
+dass in jener älteren Zeit die Symbolik sich nicht auf das
+Wesen der Elemente habe beziehen können, sondern dass die
+ganze Bedeutung der historischen und der urchristlichen Feier
+<em class="gesperrt">auf der Mahlzeit als solcher</em> beruht habe.</p>
+
+<p>Das Abendmahl muss eine wirkliche Mahlzeit gewesen sein;
+die in Frage kommende Handlung ist das Essen und Trinken.
+Jesu Worte beziehen sich auf den Genuss. &bdquo;Die wichtigste Funktion
+des natürlichen Lebens hat der Herr geheiligt, indem er die
+Nahrung als seinen Leib und sein Blut bezeichnet hat. So hat er
+sich für die Seinen <em class="gesperrt">auf immer</em> mitten hineingestellt in ihr natürliches
+Leben und sie angewiesen, die Erhaltung und das Wachstum
+dieses natürlichen Lebens zur Kraft des Wachstums des
+geistigen Lebens zu machen.&ldquo;</p>
+
+<p>Mit diesem Moment sucht nun <span class="smcap">Harnack</span>
+noch ein anderes in Beziehung zu setzen und dadurch diese
+allgemeine religiöse <span class="pagenum"><a name="Seite_23"
+id="Seite_23">23</a></span>Wertung des Genusses zu spezifizieren.
+&bdquo;Der Herr hat ein Gedächtnismahl seines Todes eingesetzt, <em class="gesperrt">oder
+vielmehr</em>, er hat die leibliche Nahrung als sein
+Fleisch und sein Blut, d. h. als die Nahrung der Seele, bezeichnet
+(durch die Sündenvergebung), <em class="gesperrt">wenn</em> sie mit
+Danksagung in Erinnerung seines Todes genossen wird.&ldquo;</p>
+
+<p>Dieser Satz ist für <span class="smcap">Harnack</span>'s Auffassung entscheidend.
+&bdquo;Oder vielmehr&ldquo;, &bdquo;d. h.&ldquo; und &bdquo;wenn&ldquo; sind die Rangiergeleise,
+auf denen man von dem allgemeinen, wunderbar tiefen Gedanken
+herkommend, &bdquo;dass der Herr die wichtigste Funktion des natürlichen
+Lebens geheiligt habe&ldquo;, umsetzt, um die Einfahrt zur historischen
+Feier, mit dem dort ausgedrückten Leidensgedanken,
+zu gewinnen. Der allgemeine Mahlzeitcharakter seiner Auffassung
+wird also näher bestimmt durch folgende Sätze:</p>
+
+<ul>
+<li>1. Es handelt sich um eine Stiftung.</li>
+
+<li>2. Der Wiederholungsbefehl ist irgendwie in der historischen
+Situation enthalten.</li>
+
+<li>3. Die Feier hat eine Beziehung auf den Tod des Stifters.</li></ul>
+
+<h3><strong>3. Erich Haupt.</strong></h3>
+
+<blockquote>
+
+<p>Ueber die ursprüngliche Form und Bedeutung der Abendmahlsworte.
+Halle, Universitätsprogramm 1894.</p></blockquote>
+
+<p>Indem Jesus die zu Tische liegenden Jünger bei der Darreichung
+des Brotes und des Weines auffordert, seinen Leib und
+sein Blut zu geniessen, will er sagen: &bdquo;Meine Person ist Träger
+der Kräfte eines höheren Lebens, welches so angeeignet werden
+und so zu einem Bestandteil eurer Personen werden will, wie dies
+bei der irdischen Nahrung der Fall ist. Dies gilt aber <em class="gesperrt">ganz besonders</em>
+von meinem bevorstehenden Tode; gerade die Dahingabe
+meiner <em class="gesperrt">Persönlichkeit</em> wird euch die in ihr beschlossenen
+Lebens- und Heilskräfte in vollstem Masse erschliessen und zu
+gute kommen lassen.&ldquo; Dieser Grundgedanke deckt sich vollständig
+mit dem <span class="smcap">Spitta</span>'s. Während aber letzterer ihm im
+Munde Jesu eine eschatologische Wendung gab, überträgt
+<span class="smcap">Haupt</span> diesen durch den Ausdruck &bdquo;Persönlichkeit&ldquo; als modern
+gekennzeichneten Gedankengang auf die historische Feier durch
+Zuhülfenahme des Leidensgedankens.</p>
+
+<p>Die Eschatologie tritt dabei ganz zurück. Jesus hatte bei
+dem letzten Mahle auch von dem grossen Mahl der Vollendung
+gesprochen. Indem nun das ganze Mahl nachgebildet wurde,
+fanden auch diese eschatologischen Gedanken ihre Stelle. So ist<span class="pagenum"><a name="Seite_24" id="Seite_24">24</a></span>
+bei <span class="smcap">Haupt</span> das eschatologische Moment nicht zur Erklärung der
+Wiederholung benutzt, sondern erst aus der Wiederholung selbst
+verständlich.</p>
+
+<p>Durch die nebenhergehende Geltendmachung des Todesgedankens
+für die Erklärung der Feier ist die Beibehaltung des
+Wiederholungsbefehls gegeben. In der Nacht des Verrats hat
+der Herr das ganze Mahl unter den Gesichtspunkt eines Abschiedsmahls
+gestellt. Er will sein <em class="gesperrt">Gedächtnis für die Zeit
+der Trennung</em> wachhalten. &bdquo;Somit ist nicht nur kein Gegengrund
+dagegen, dass Jesus die Wiederholung der Handlung
+seinen Jüngern anbefohlen hat, sondern ein dahin zielendes Wort
+ist sogar aus inneren Gründen <em class="gesperrt">höchst wahrscheinlich.</em>&ldquo; Diese
+vorsichtige und zurückhaltende Begründung der Beibehaltung
+des Wiederholungsbefehls gibt den genauen Gradmesser ab für
+die Beeinflussung des zu Grunde gelegten Genussmoments durch
+das Darstellungsmoment und den Leidensgedanken.</p>
+
+<p>Mit derselben Vorsicht äussert <span class="smcap">Haupt</span> sich auch über das Verhältnis
+zwischen dem wiederholten Herrenmahl und der Agape.
+&bdquo;Nicht zwei Teile sollen diese gemeinsamen Mahlzeiten haben,
+einen profanen, welcher der äusseren Sättigung dient, und einen
+religiösen, welcher der Erinnerung an Christi Tod gewidmet ist,
+sondern ihre ganze Zusammenkunft soll religiösen Charakter
+tragen, und das Herrenmahl <em class="gesperrt">im engeren Sinne</em> ist nur der
+<em class="gesperrt">Höhepunkt des Ganzen.</em>&ldquo;</p>
+
+<h3><strong>4. Fr. Schultzen.</strong></h3>
+
+<blockquote>
+
+<p>Das Abendmahl im Neuen Testament. Göttingen 1895.</p></blockquote>
+
+<p>In dieser Darstellung ist die Hervorhebung des Leidensgedankens
+und damit die Bedeutung des darstellenden Moments
+im Handeln Jesu aus der Nebenstellung fast bis zur Gleichstellung
+mit dem Genussmoment gerückt, wobei aber letzteres
+immer noch den Ausgangspunkt bildet. &bdquo;Es spricht nichts dafür,
+dass etwa Jesus nur auf das Essen Gewicht gelegt habe und die
+Beziehung auf seinen Tod späterer Zusatz sei. Umgekehrt ist
+es aber auch nicht wahrscheinlich, dass Jesus nur eine symbolische
+Handlung bei jenem letzten Mahl vorgenommen hat, und
+dass die Verbindung mit dem Mahle nur durch den äusseren Anlass
+entstanden ist.&ldquo; Auch das Brot ist nicht blosses Symbol,
+sondern auf <em class="gesperrt">Grund des Symbols</em> zum wenigsten <em class="gesperrt">Repräsentant
+und Vermittler</em> des Leibes Jesu.</p>
+
+<p><span class="pagenum"><a name="Seite_25" id="Seite_25">25</a></span>
+
+Das Genussmoment und das darstellende Moment werden
+durch den Begriff <em class="gesperrt">des Opfermahls</em> zusammengehalten. Den
+Jüngern waren Jesu Gedanken aus der religiösen Vorstellungswelt
+Israels bekannt und fasslich. In dem Begriff des Opfermahls
+war die Wiederholung unmittelbar gegeben und ebenso der
+Empfang der in ihm gespendeten Gabe. So hat, trotz des Fehlens
+des Wiederholungsbefehls, Jesus auch nach dem Bericht des
+Markus an eine Wiederholung gedacht, weil er eine Gabe spendet,
+die auch für <em class="gesperrt">die fernsten</em> Zeiten Wert hat.</p>
+
+<p>Wie bei <span class="smcap">Erich Haupt</span> vermögen die eschatologischen Gedanken
+auch bei <span class="smcap">Fr. Schultzen</span> sich nur anhangsweise Geltung
+zu verschaffen, nachdem die Wiederholung der Feier schon
+anderweitig feststeht. &bdquo;Die Parousiegedanken bei dieser Feier
+erklären sich bei der lebhaften Sehnsucht der Gemeinde nach
+der Parousie leicht, da das Abendmahl auch nach I Kor 11 <span class="antiqua">26</span> eine
+Feier ist, die in der Wiederkunft Christi ihr Ziel erreicht hat.&ldquo;</p>
+
+<p>Die Trennung von Mahlzeit und Abendmahl wird bereits für
+die Urgemeinde vorausgesetzt. Paulus prägt schon Vorhandenes
+schärfer aus. Die später erfolgte Abtrennung der &bdquo;Eucharistie&ldquo; von
+dem Mahle erklärt sich viel einfacher, wenn sie bereits ein besonderer
+Teil derselben war, als wenn man das ihr besonders
+Eigentümliche gar nicht erkennen konnte.</p>
+
+<h3><strong>5. R. A. Hoffmann.</strong></h3>
+
+<blockquote>
+
+<p>Die Abendmahlsgedanken Jesu Christi. Königsberg 1896.</p></blockquote>
+
+<p>Bei <span class="smcap">Hoffmann</span> tritt das Darstellungsmoment noch stärker
+hervor als bei <span class="smcap">Schultzen</span>. Es wird geradezu eine zweifache Art
+von Teilnehmern vorausgesetzt. Das darstellende Handeln geht
+auf die einen, der Genuss ist für die andern bestimmt. &bdquo;<em class="gesperrt">Vergossen</em>
+wurde sein Blut für <em class="gesperrt">das ungläubige Volk</em>, zu <em class="gesperrt">trinken</em>
+gab er es den <em class="gesperrt">Seinen.</em>&ldquo;</p>
+
+<p>Mit letzterem will er sagen, dass, da das <em class="gesperrt">Blut die Seele
+ist</em>, seine Seele in sie übergehen werde, um ihnen zu ihrer bevorstehenden
+hohen Mission Kraft zu geben, sie zu stärken, damit
+auch sie, wenn der Fall an sie herantritt, <span class="err" title="original: im stande">imstande</span> seien, ihrerseits
+ihre Seele als Lösegeld für andere dahinzugeben. Nicht
+seinen Leichnam reicht er ihnen dar, sondern seinen lebendigen
+Leib als den Träger des ihm innewohnenden göttlichen Geistes.</p>
+
+<p>&bdquo;In der urchristlichen Feier kommt, neben dem Essen und
+Trinken, auch dem, was Jesus gethan hat, dem Brechen und<span class="pagenum"><a name="Seite_26" id="Seite_26">26</a></span>
+Danken &mdash; <em class="gesperrt">in entsprechender Wiederholung</em> &mdash; Bedeutung
+zu.&ldquo; Dies war der Standpunkt von <span class="smcap">Schultzen</span>. <span class="smcap">Hoffmann</span> geht
+noch weiter. &bdquo;<em class="gesperrt">Das Wesentliche der ersten Mahlzeit war
+ohne weiteres nicht zu wiederholen</em>, eben die Handlung
+des Herrn, wie sich in ihr seine überragende Geistesgrösse, seine
+Kraft und Leben ausströmende Gegenwart noch zum letztenmal
+ihnen dokumentiert hatte&ldquo; (S. 106).</p>
+
+<p>Eine Wiederholung ohne Wiederholungsbefehl ist also <em class="gesperrt">undenkbar.</em>
+Der Wiederholungsbefehl muss sich vor allem auf den
+Genuss bezogen haben, da Jesus zur Erinnerung an ihn ein
+<em class="gesperrt">Mahl</em> eingesetzt hat. Es lässt sich nicht mehr ausmachen, wie
+sich in der ersten Zeit das Abendmahl des näheren zur Gemeindemahlzeit
+verhalten habe. Für Paulus jedenfalls war die feierliche
+Gemeindemahlzeit mit dem Abendmahl untrennbar verbunden.</p>
+
+<p>Der Eschatologie kommt in der Darstellung <span class="smcap">Hoffmann</span>'s
+keine Bedeutung zu.</p>
+
+<hr class="chap" />
+<h2>Siebentes Kapitel.</h2>
+
+<p class="pseudotitle"><b>Der gesetzmässige Zusammenhang zwischen den Einzelfragen.</b></p>
+
+<h3><strong>1. Der Wiederholungsbefehl.</strong></h3>
+
+<p>Die historische Feier ist eine Mahlzeit: darin liegt ihre
+Wiederholung von selbst begründet. Wenn Jesus dem Essen
+und dem Trinken im gemeinsamen Kreis der Seinigen eine besondere,
+irgendwie segensreiche Bedeutung verleiht, so ist hiermit
+ohne weiteres die Wiederholung gefordert. Er braucht das nicht
+in einem Befehl ausgesprochen zu haben.</p>
+
+<p>Dies ist der Standpunkt der das Genussmoment ausschliesslich
+betonenden Darstellungen. Auch die doppelseitigen Auffassungen,
+welche das Genussmoment zu Grunde legen, stimmen
+damit überein. Wenn die Jünger Jesum verstanden haben,
+mussten sie von selbst diese Feier wiederholen. Sofern hingegen
+das <em class="gesperrt">Darstellungsmoment</em> nebenbei betont wird, ist nun aber
+die Wiederholung gar nicht selbstverständlich. Was Jesus gethan,
+das kann eigentlich nicht wiederholt werden.</p>
+
+<p>So gehen diese doppelseitigen Darstellungen von dem Gedanken
+aus, dass der Wiederholungsbefehl eigentlich überflüssig
+ist, kommen aber dann dazu, ihn doch irgendwie als möglich oder
+notwendig anzunehmen.</p>
+
+<p><span class="pagenum"><a name="Seite_27" id="Seite_27">27</a></span>
+
+Die Frage bleibt für sie also in der Schwebe. Je stärker
+der Leidensgedanke und das Darstellungsmoment für die historische
+Feier geltend gemacht werden, mit desto grösserer Entschiedenheit
+wird zur Erklärung der eingetretenen Wiederholung
+eine darauf hinzielende Anweisung gefordert.</p>
+
+<h3><strong>2. Das Abendmahl und die urchristliche Gemeindemahlzeit.</strong></h3>
+
+<p>In der Gemeindefeier steckt ein Doppeltes. Wiederholt wird
+eine gemeinsame Mahlzeit. Dabei soll aber in irgend welchem
+Masse ein historischer, an sich einzigartiger Moment reproduziert
+werden. In welchem Verhältnis steht das wiederholte
+&bdquo;Herrenmahl&ldquo; zu den gemeinsamen religiösen Mahlzeiten des Urchristentums?</p>
+
+<p>Nach den Auffassungen mit einseitiger Herausarbeitung des
+Genussmoments sind beide <em class="gesperrt">identisch</em>, denn für sie besteht ja
+auch die historische Feier nur in der Mahlzeit als solcher. Die
+doppelseitigen Darstellungen aber kommen hier in dasselbe Gedränge,
+wie mit dem Wiederholungsbefehl. Auch sie, sofern sie
+den Mahlzeitcharakter zu Grunde legen, sollten eigentlich die
+Identität proklamieren. Nun betonen sie aber daneben auch das
+Darstellungsmoment. Dann wird aber die Gemeindefeier zur
+Wiederholung einer bestimmten <em class="gesperrt">historischen Situation</em>,
+welche nicht mehr durch die <em class="gesperrt">gemeinsame Mahlzeit als solche
+reproduziert wird.</em> Das wiederholte Herrenmahl soll also jetzt
+von der gemeinsamen religiösen Mahlzeit irgendwie <em class="gesperrt">abheben</em>,
+jedoch nur soweit, dass die letzthinige Einheit beider festgehalten
+wird. Die Schwierigkeit wächst mit der stärkeren Betonung des
+Darstellungsmoments. Man erhält folgende Stufenleiter:</p>
+
+<p><span class="smcap">W. Brandt</span>: Jesus macht die gemeinsamen Mahlzeiten
+zum Symbol der Gemeinschaft. Als nach seinem Tode der
+Glaube an ihn neu auflebte, wurde natürlich das vom Herrn
+selbst gegebene Symbol der Gemeinschaft besonders gepflegt.
+Gemeindemahlzeit und &bdquo;Herrenmahl&ldquo; sind identisch.</p>
+
+<p><span class="smcap">Fr. Spitta</span>: &bdquo;Es wurde bei Brot und Wein immer daran
+gedacht, wie er damals darauf hingewiesen, dass er jetzt und in
+alle Ewigkeit die rechte Speise und Erquickung ihrer Seele sei.&ldquo;
+Die Didache repräsentiert die urchristliche Feier. Herrenmahl
+und Agape waren danach identisch. Es ist verfehlt, Didache
+9 und 10 als Einleitungsgebete zur &bdquo;eigentlichen Abendmahlsfeier&ldquo;
+auffassen zu wollen.</p>
+
+<p><span class="pagenum"><a name="Seite_28" id="Seite_28">28</a></span>
+
+<span class="smcap">Ad. Harnack</span>: Hier beginnt die Differenzierung. Sie ist in
+dem klassischen Satz mit den Rangiergeleisen enthalten. &bdquo;Der
+Herr hat ein Gedächtnismahl seines Todes eingesetzt, <em class="gesperrt">oder
+vielmehr</em>, er hat die leibliche Nahrung als sein Fleisch und sein
+Blut, d. h. als die Nahrung der Seele bezeichnet (durch die
+Sündenvergebung), <em class="gesperrt">wenn</em> sie mit Danksagung in Erinnerung
+seines Todes genossen wird. So haben die Apostel seine Stiftung
+verstanden.&ldquo; Eine Feier, bei der alle diese näheren Bestimmungen
+zum Ausdruck kommen sollen, ist aber keine einfache
+gemeinsame Mahlzeit mehr, sondern eine <em class="gesperrt">Ceremonie.</em> &bdquo;Jesus
+verhiess ihnen, dass er mit der Kraft seiner Sündenvergebung bei
+jeder Mahlzeit sein werde, die sie zu seinem <em class="gesperrt">Gedächtnis</em> halten
+würden.&ldquo; Wie wurde aber die gemeinsame Mahlzeit als &bdquo;Gedächtnismahl&ldquo;
+gekennzeichnet? Durch welche Akte, durch welche
+Reden? Wie wurde die Situation des historischen Mahls reproduziert,
+wo doch auch das &bdquo;Abendmahl&ldquo; nur ein besonderer
+Augenblick im Verlauf der letzten gemeinsamen Mahlzeit gewesen
+war?</p>
+
+<p><span class="smcap">Erich Haupt</span>: &bdquo;Die ganze Zusammenkunft soll religiösen
+Charakter tragen, und das Herrenmahl <em class="gesperrt">in engerem Sinn</em> ist
+nur der <em class="gesperrt">Höhepunkt des Ganzen.</em>&ldquo; Weil <span class="smcap">Haupt</span> das Darstellungsmoment
+stärker betont als <span class="smcap">Harnack</span>, kann er Gemeindemahl
+und &bdquo;Abendmahl&ldquo; nicht irgendwie in einander übergehen
+lassen, sondern er muss das Abendmahl als eine besondere Situation
+auffassen, die den Höhepunkt der ganzen Mahlvereinigung
+repräsentiert. Er kann nicht darum herumkommen, die auf
+Grund der Stiftung &bdquo;wiederholte Handlung&ldquo; von der religiösen
+Mahlzeit sich abheben zu lassen und doch wieder die letzthinige
+Einheit beider festzuhalten. So bleibt ihm nur das Verhältnis
+der Steigerung.</p>
+
+<p><span class="smcap">Spitta</span> und <span class="smcap">Harnack</span> bestreiten, dass in Didache 10 <span class="antiqua">6</span> &bdquo;wenn
+einer heilig ist, trete er herzu&ldquo; eine besondere Feier beginnt.
+<span class="smcap">Haupt</span> muss seine Steigerung auch hier wiederfinden und nimmt
+an, dass diese Worte die eigentliche Abendmahlsfeier einleiten.
+Das &bdquo;Herr, komme doch&ldquo; bezieht sich auf die Gegenwart des
+Herrn im &bdquo;Sakrament&ldquo;.</p>
+
+<p><span class="smcap">Fr. Schultzen</span>: Durch den Begriff des &bdquo;Opfermahls&ldquo; hält
+er die beiden auseinanderstrebenden Teile der Feier zusammen.
+Er kann sie aber nicht mehr, wie <span class="smcap">Erich Haupt</span>, in das Verhältnis
+<span class="pagenum"><a name="Seite_29" id="Seite_29">29</a></span>der Steigerung setzen &mdash; dazu ist die Betonung des Darstellungsmoments
+bei ihm schon viel zu stark &mdash; sondern er muss
+die Trennung konstatieren. &bdquo;In dem Begriff des Opfermahls ist
+die Wiederholung der Mahlzeit unmittelbar gegeben und ebenso
+der stetige Empfang der gespendeten Gabe&ldquo; (S. 74). Wiederholt
+wird aber zweitens die Handlung des Veranstalters der Opfermahlzeit,
+als Voraussetzung des Empfangs und des Genusses der
+Teilnehmer. &bdquo;Die Gabe, die er ihnen zuwandte, sollte den Erfolg
+haben und hat ihn auch wirklich gehabt, <em class="gesperrt">dass sie wiederholten,
+was er gethan</em>, und damit auch ferner an dem Segen
+seines Opfertods Anteil erhielten&ldquo; (S. 96).</p>
+
+<p>Wie soll man sich aber vorstellen, dass die Jünger beim gemeinsamen
+Mahl &bdquo;wiederholten, was er gethan?&ldquo; Das bedeutet
+nichts anderes, als dass das Gemeindemahl und das Abendmahl
+auf die Trennung angelegt waren. In I Kor 11 macht Paulus
+die schon vor ihm angebahnte Scheidung nur stärker geltend.
+Dass nachher die Eucharistie vom Mahle gänzlich losgelöst
+wurde, &bdquo;ist nur die geschichtliche Vollendung des schon in der
+Stiftung enthaltenen Prozesses&ldquo;.</p>
+
+<p><span class="smcap">R. A. Hoffmann</span>: Das Darstellungsmoment tritt so stark
+hervor, dass <span class="smcap">Hoffmann</span> auf die Lösung des Problems verzichtet.
+&bdquo;Das Wesentliche der ersten Abendmahlsfeier war ohne weiteres
+nicht zu wiederholen, <em class="gesperrt">eben die Handlung des Herrn</em>&ldquo; (S. 106).
+Auf den von Jesus selbst vorgenommenen Akt kann der Wiederholungsbefehl
+nicht gehen. Ihn auf die Handlung der Teilnehmer,
+das Essen und Trinken zu beziehen, ist zwar grammatikalisch
+sozusagen unmöglich. Da aber nichts anderes übrig
+bleibt, müssen wir eben annehmen, Jesus habe zum Mittel der
+Erinnerung an ihn &bdquo;ein Mahl eingesetzt&ldquo;.</p>
+
+<p>Wie er das verstanden haben wollte, ist nicht klar. Es ist
+stark mit der Möglichkeit zu rechnen, &bdquo;dass dasjenige, was uns
+von den Worten Jesu bei der Einsetzung seines Mahles überliefert
+worden ist, nicht alles repräsentiert, was er wirklich zur
+Aufklärung über seine uns heutzutage so schwer verständliche
+Handlung gesprochen hat&ldquo; (S. 115).</p>
+
+<p>Wie man es mit der Feier im Urchristentum gehalten hat,
+darüber ist keine vollständige Klarheit zu gewinnen. Wir wissen
+nur, &bdquo;dass das Abendmahl in der Urgemeinde eine wirkliche
+Mahlzeit war, wobei sehr wahrscheinlich ist, dass das Brotbrechen
+zugleich Herrenmahl war&ldquo; (S. 137).</p>
+
+<p><em class="gesperrt">Zusammenfassung.</em> Die Untersuchung ergibt folgenden<span class="pagenum"><a name="Seite_30" id="Seite_30">30</a></span>
+Satz: <em class="gesperrt">Bei ausschliesslicher Geltendmachung des Genussmoments
+sind die Gemeindemahlzeit und das
+Abendmahl identisch. Mit der nebenhergehenden Betonung
+des Darstellungsmoments wird die Differenzierung
+zwischen beiden in steigendem Masse notwendig,
+bis zuletzt beide auseinanderfallen.</em></p>
+
+<h3><strong>3. Die Antinomie zwischen der historischen und der urchristlichen
+Feier.</strong></h3>
+
+<p>Es ist wohl nicht das geringste Verdienst der grossartigen
+Abhandlung <span class="smcap">Spitta</span>'s, in voller Schärfe das Prinzip proklamiert
+zu haben, dass eine Abendmahlsauffassung nur dann Wert hat,
+wenn sie das Wesen der urchristlichen Feier, wie es uns besonders
+in der Didache begegnet, erklärt. Dementsprechend
+bildet die urchristliche Feier auch den Hauptstützpunkt seiner
+Darstellung. Er wird ihr vollkommen gerecht, da seiner Auffassung
+zufolge das Abendmahl eine Freudenmahlzeit war. Indem er
+von einem Wiederholungsbefehl und von einer Abhebung des
+&bdquo;Abendmahls&ldquo; von der Gemeindemahlzeit absieht, stimmt er
+vollständig mit der urchristlichen Ueberlieferung überein; diese
+weiss ja auch nichts davon, dass die Feier eine auf den Befehl
+Jesu erfolgende ausgesprochene Reproduktion jener historischen
+Situation sein soll.</p>
+
+<p>Während <span class="smcap">Spitta</span> so die urchristliche Feier vollkommen erklärt,
+vermag er aber der historischen in keiner Weise auch nur annähernd
+gerecht zu werden. Das teilt er mit allen Auffassungen,
+welche das Genussmoment einseitig herausarbeiten. Inwiefern
+die Jünger Jesum verstehen mussten und verstanden haben, als
+er sie aufforderte, seinen Leib und sein Blut zu geniessen: das
+vermögen sie, ohne unerlaubte Kunstgriffe, in keiner Weise deutlich
+zu machen. <em class="gesperrt">Für die historische Situation bleibt ihnen
+nur der Skeptizismus übrig</em>, wobei sie sich trösten dürfen,
+wenigstens der urchristlichen Feier gerecht zu werden.</p>
+
+<p>Mit den doppelseitigen Auffassungen steht es folgendermassen:
+Je mehr sie das Darstellungsmoment betonen, desto
+besser und ansprechender können sie die <em class="gesperrt">historische Feier</em>
+erklären, da sie nun den Leidensgedanken und die Symbolik des
+Handelns Jesu für die Deutung der Gleichnisse verwerten können.
+In demselben Masse aber werden sie <em class="gesperrt">unfähig, die urchristliche
+Feier zu erklären.</em> Mit dem Darstellungsmoment ist ja<span class="pagenum"><a name="Seite_31" id="Seite_31">31</a></span>
+der Wiederholungsbefehl, die Bedeutung des Leidensgedankens
+für die Feier und die Differenzierung zwischen Abendmahl und
+Gemeindemahlzeit gegeben. Das alles läuft aber der urchristlichen
+Ueberlieferung schnurstracks zuwider. Diese weiss nichts
+davon, sondern sie beschränkt sich merkwürdigerweise auf den
+Satz: Das Abendmahl ist ein Freudenmahl, bei dem das darstellende
+Handeln Jesu in keiner Weise irgendwie reproduziert
+wird.</p>
+
+<p>Die Antinomie ist also unlösbar. <em class="gesperrt">Eine doppelseitige
+Auffassung erklärt die historische Feier nur in dem
+Masse, als sie die urchristliche nicht erklärt und umgekehrt.</em>
+Dieser Satz enthält das Grundresultat der Untersuchung
+über die doppelseitigen Darstellungen. Infolge dessen
+müssen sie auf die Lösung des Problems verzichten, da keine von
+ihnen, und wäre sie noch so geistreich, über diese Antinomie
+hinauskommen kann.</p>
+
+<p>Letztere liegt eben in der bisherigen Problemstellung selbst
+begründet, welche die urchristliche Feier als eine <em class="gesperrt">entsprechende
+Wiederholung</em> der historischen auffassen will. Nun ist aber
+das Wiederholte der Geschichte zufolge dem Ursprünglichen gar
+nicht ähnlich. Die historische Feier ist eine <em class="gesperrt">Ceremonie</em> im
+Verlauf einer Mahlzeit, die urchristliche ist nur eine <em class="gesperrt">gemeinsame
+Mahlzeit</em> ohne entsprechende Wiederholung der Ceremonie.
+Damit ist Antinomie unabweisbar gegeben.</p>
+
+<p>Nun steht aber fest, dass die urchristliche auf die historische
+Feier zurückgeht. Also ist das Problem erst dann gelöst, wenn
+der Zusammenhang beider erklärt wird, ohne dass deshalb die
+Gemeindefeier irgendwie eine entsprechende Nachbildung der
+historischen ist. <em class="gesperrt">Die urchristliche Abendmahlsfeier ist
+etwas Selbständiges.</em></p>
+
+<hr class="chap" />
+
+<h2>Achtes Kapitel.</h2>
+
+<p class="pseudotitle"><b>Die Auffassungen mit einseitiger Geltendmachung des
+Darstellungsmoments.</b></p>
+
+<h3><strong>1. Das Gefechtsfeld.</strong></h3>
+
+<p>Die Darstellungen mit ausschliesslicher Betonung des
+Genussmoments bedeuteten einen kühnen Vorstoss gegen die
+allgemein verbreitete Auffassung, welche durch die Namen <span
+class="smcap">Rückert</span>, <span class="pagenum"><a name="Seite_32"
+id="Seite_32">32</a></span><span class="smcap">Holtzmann</span> und
+<span class="smcap">Lobstein</span> vertreten ist. Es konnte einen
+Augenblick scheinen, als hätte die hergebrachte Ansicht durch diesen
+unerwarteten, geschlossenen Angriff gegen die Deutung der Gleichnisse
+aus dem Handeln Jesu alle ihre Positionen verloren. Jetzt aber, wo die
+Lage sich langsam klärt, zeigt sich, dass dies nicht der Fall ist.</p>
+
+<p>Wohl mussten einige exponierte Stellungen von dem angegriffenen
+Teil aufgegeben werden. Dafür hat er sich aber in
+eine Position zurückgezogen, die als unüberwindbar gelten darf.
+Die Sache steht so, dass der Angreifer darauf verzichten muss,
+<em class="gesperrt">diese befestigte Stellung jemals zu erobern</em>, der Angegriffene
+aber auf absehbare Zeit nicht an eine <em class="gesperrt">Aktion im freien
+Felde</em> denken kann.</p>
+
+<p>Zu den aufgegebenen Positionen gehört vor allem die Stellung
+zur Frage des Passahmahls. Während bis in die 70er und
+80er Jahre das letzte Mahl den Synoptikern entsprechend fast
+allgemein als Passahmahl aufgefasst wurde, sucht man jetzt diese
+Frage aus dem Zusammenhang mit der Gesamtauffassung herauszurücken.
+Man begnügt sich mit einer vorsichtigen chronologischen
+Erwägung, ob das synoptische Datum wahrscheinlich sei
+oder nicht.</p>
+
+<p>Aehnlich steht es mit dem Wiederholungsbefehl. Auch die
+Auffassungen mit Zugrundelegung des Darstellungsmoments
+suchen sich von der Notwendigkeit eines auf die Wiederholung
+hinweisenden Wortes frei zu machen.</p>
+
+<p>Zugleich wird das Genussmoment im ganzen doch entschiedener
+hervorgehoben als es bisher der Fall war. Es bleibt
+jedoch immer in Abhängigkeit vom Darstellungsmoment und
+wird erst durch dasselbe verständlich.</p>
+
+<p>Diese Verschiebungen in der Position kann man am besten
+in den successiven Kundgebungen <span class="smcap">Lobstein</span>'s und <span class="smcap">Holtzmann</span>'s
+verfolgen, soweit sie die Abendmahlsfrage betreffen. Sie haben
+die Verteidigungsstellung eingerichtet.</p>
+
+<h3><strong>2. Der Verteidigungsplan. P. W. Schmiedel.</strong></h3>
+
+<blockquote>
+
+<p>Protestantische Monatshefte 1899: Die neuesten Ansichten über den
+Ursprung des Abendmahls.</p></blockquote>
+
+<p>Dem etwas forschen Vorgehen <span class="smcap">Eichhorn</span>'s gegenüber
+unternahm es <span class="smcap">Schmiedel</span> darzuthun, wie die Sachen eigentlich
+liegen. Er zeigt zunächst, dass die chronologischen Gründe
+gegen die Möglichkeit, dass das letzte Mahl ein Passahmahl war,<span class="pagenum"><a name="Seite_33" id="Seite_33">33</a></span>
+zusammengenommen allerdings einen grossen Eindruck machen.
+Betrachtet man sie aber einen nach dem andern, so verlieren sie
+bedeutend an Energie. Die Annahme, dass Jesus das gesetzliche
+Passah feierte, ist also nicht von der Hand zu weisen, da die
+entschiedenen Aussagen der Synoptiker den chronologischen
+Einwürfen wohl das Gleichgewicht halten können.</p>
+
+<p>Ueberdies lässt sich der Passahgedanke in ansprechender
+Weise zur Erklärung der historischen Feier heranziehen, wobei
+mit der Möglichkeit zu rechnen ist, dass in Jesu Seele Passah- und
+Bundesgedanken zusammenflossen.</p>
+
+<p>Was die Handlung betrifft, die er vorgenommen haben soll,
+ist anzunehmen, dass das <em class="gesperrt">Bedeutsame</em> mindestens in erster
+Linie das Brechen des Brotes und <em class="gesperrt">das Ausgiessen des
+Weines aus dem Krug in den Becher</em> sei. Das Austeilen
+dieser Speisen zum Genuss schliesst sich als etwas <em class="gesperrt">Zweites</em> an.
+&bdquo;<em class="gesperrt">Um der Hauptsache willen wäre es nicht nötig gewesen;
+aber da man einmal beim Mahle sass, war es
+naturgemäss.</em>&ldquo; Es dient demselben Zwecke wie das einem
+Bundesopfer oder dem Passahopfer nachfolgende Mahl überhaupt,
+der gemeinsamen Aneignung und Pflege des in dem Opfer
+vorkommenden Gedankens.</p>
+
+<p>Die Frage, ob der Wiederholungsbefehl historisch ist oder
+nicht, bleibt hier in der Schwebe. Wäre er sicher überliefert, so
+wäre er verständlich. Aber ebenso begreiflich ist es, dass Jesus
+an eine Wiederholung nicht dachte.</p>
+
+<p>Der genialen Unbesonnenheit gegenüber ist ruhiges Abwägen
+absolut notwendig. S. 148: &bdquo;Wir müssen noch darauf aufmerksam
+machen, wie dringend es sich empfiehlt, auf jeden dem
+unsrigen ähnlichen Versuch wohlwollend einzugehen, wenn man
+nicht in <em class="gesperrt">unlösbare Schwierigkeiten</em> kommen will.&ldquo; Der
+hohe Wert dieser Stellung beruht nämlich in der Stütze, die sie
+in einer natürlichen Exegese unserer neutestamentlichen Abendmahlsberichte
+findet. Durch seine Geltendmachung des Darstellungsmoments
+kann <span class="smcap">Schmiedel</span> jeden einzelnen Zug der
+historischen Situation, jeden durch die Exegese angedeuteten
+Nebengedanken in seiner Gesamtauffassung unterbringen. Es
+ist gelungen, <em class="gesperrt">&bdquo;die Möglichkeit, dass Jesus eine der
+Beschreibung ungefähr entsprechende Feier wirklich
+gehalten habe&ldquo;, auf einen sehr hohen Grad der Wahrscheinlichkeit
+zu bringen.</em> Die Herleitung der Berichte aus<span class="pagenum"><a name="Seite_34" id="Seite_34">34</a></span>
+der späteren Gemeindetheologie, etwa gar mit Benutzung ausserchristlicher
+Analogien, wird von selbst gegenstandslos. Jede derartige
+Konstruktion muss zuerst den Nachweis erbringen, dass
+die von ihr behauptete Umbildung sich in so kurzer Zeit nach
+Jesu Tod habe einbürgern können.</p>
+
+<p><em class="gesperrt">Damit erschöpft sich aber</em> der Wert dieser Verteidigungsstellung:
+sie verfügt über sicher schiessende, gut placierte
+Geschütze, die aber nicht sehr weit tragen, sodass vor den Augen
+der Belagerten die Reiterschwärme der Belagerer sich auf dem
+unbestrichenen Terrain vergnügt und unbehelligt tummeln. Es
+ist nämlich unmöglich, dass jemals eine mit der <span class="smcap">Schmiedel</span>'schen
+verwandte Auffassung erklären könne, wie die von ihnen <em class="gesperrt">bis ins
+einzelne verstandene historische Feier</em> im Urchristentum,
+etwa noch gar ohne Annahme eines dahinzielenden Befehls
+Jesu, <em class="gesperrt">wiederholt worden ist.</em> Denn das Schwergewicht liegt
+ja für sie in dem Handeln Jesu. Nun ist dieses Handeln Jesu
+in der urchristlichen Feier gar nicht wiederholt worden, weil dies
+unmöglich ist. Der Leidensgedanke fehlt ihr ja vollständig. Sie
+ist eine Mahlzeit, bei welcher, so viel wir wissen, die Ceremonie
+der historischen Feier in keiner Weise reproduziert wurde. Das
+Nebensächliche, das Essen, ist also Hauptsache geworden und die
+Hauptsache ist in der wiederholten Feier ganz zurückgetreten.</p>
+
+<p>Ausserhalb des schmalen, von den Festungsgeschützen beherrschten
+Terrainstreifens ist also der geringste Reitertrupp
+des Angreifers gegen die wohlbewaffnete, aber schwerfällige Besatzung
+im Vorteil, wenn sie einen Ausfall wagen sollte. Jede
+kecke Konstruktion, von <span class="smcap">Strauss</span> bis auf <span class="smcap">Eichhorn</span>, kann das
+Aufkommen und das Wesen der urchristlichen Feier besser erklären,
+als die exegetisch gewissenhafte, aus den Berichten destillierte
+Auffassung <span class="smcap">Schmiedel</span>'s. Nur halte die erstere sich ausser
+Bereich des exegetischen Verteidigungsfeuers, wenn sie nicht
+durch den ersten Schuss ausser Gefecht gesetzt sein will. Fürwahr
+ein merkwürdiger Kampf, wo es einen nicht Wunder nimmt,
+dass jeder als Sieger thut, obwohl der andere unbesiegt ist.</p>
+
+<h3><strong>3. Die Offensive. Adolf Jülicher.</strong></h3>
+
+<blockquote>
+
+<p>Zur Geschichte der Abendmahlsfeier in der ältesten Kirche. 1892.
+(Theologische Abhandlungen, K. v. <span class="smcap">Weitzsäcker</span> gewidmet.)</p></blockquote>
+
+<p><span class="smcap">Jülicher</span> berührt sich am nächsten mit <span class="smcap">Zwingli</span>, dessen
+Auffassung er ins Moderne übersetzt, indem er auf die gegenwärtige<span class="pagenum"><a name="Seite_35" id="Seite_35">35</a></span>
+Form der Fragen Rücksicht nimmt. Es handelt sich um
+die einseitige Geltendmachung des Darstellungsmoments.</p>
+
+<p><em class="gesperrt">Alle auf dem Genussmoment beruhenden Auffassungen
+legen Jesu moderne Gedanken unter.</em> Was
+er bei jenem Mahle zuletzt so besonders feierlich sagte, muss für
+jeden Anwesenden unmittelbar verständlich gewesen sein. Der
+Vergleichspunkt muss also in dem liegen, was er vor den Augen
+der Jünger mit den Genusselementen vornimmt: in dem Brechen
+des Brots und in dem Ausgiessen des Weins. Der Sinn der begleitenden
+Worte bezieht sich auf den bevorstehenden Tod. &bdquo;So
+wie dieser Wein alsbald verschwunden sein wird, so wird alsbald
+mein Blut vergossen sein, denn mein Tod ist eine beschlossene
+Sache; aber&ldquo;, fügt er tröstend hinzu, &bdquo;es wird nicht umsonst vergossen,
+sondern &bdquo;für viele&ldquo; und &mdash; ein bildlicher Ausdruck, der
+in dem Gedankenkreis des Passahtages lag &mdash; als ein Bundesblut.&ldquo;
+Nur den Gegenstand des Geniessens vergleicht Jesus hier
+und dort mit seinem Leibe, <em class="gesperrt">auf das Geniessen reflektiert
+er gar nicht.</em> Höchstens insofern das Genussmoment aus dem
+vorhergehenden darstellenden Moment irgend eine Bedeutung
+empfängt, kann man ihm problematische Geltung zugestehen.
+So hatte die Feier ursprünglich einen wehmütig schmerzlichen
+Charakter, welcher nur aus der Situation begriffen werden kann.</p>
+
+<p>Nun lässt die älteste Ueberlieferung Jesum durch nichts andeuten,
+dass er jene sinnvolle Handlung auch künftighin von
+seinen Gläubigen vollzogen sehen möchte. Wie hat man aber dann
+in der Urkirche aus dieser historischen Feier so schnell eine zu
+steter Wiederholung bestimmte Handlung machen können? Zuerst
+war es wohl ein inneres Bedürfnis. Passahgedanken und Abschiedserinnerungen
+wirkten mit. Bald fand die Wiederholung im
+Zusammenhang mit jedem Mahle statt und es kam die Vorstellung
+eines ausdrücklichen darauf hinzielenden Gebotes Jesu auf.
+&bdquo;<em class="gesperrt">So weit es irgend ging, wollte man die Situation
+von ehedem reproduzieren, nur dass man jetzt auf
+das zurückblickte, was damals angekündigt werden
+sollte</em>&ldquo; (S. 247). Diese Feier wurde nach dem ersten Akt kurz
+das Brotbrechen genannt. Bei der Austeilung der sakramentalen
+Elemente hat man wohl nicht von jeher die Deutungs- respektive
+Einsetzungsworte des Herrn verbotenus wiederholt, denn sonst
+würde deren Ueberlieferung nicht so viele Differenzen aufweisen.
+Nach I Kor 11 <span class="antiqua">26</span> hat man dabei nie versäumt, den Tod des<span class="pagenum"><a name="Seite_36" id="Seite_36">36</a></span>
+Herrn zu verkünden, also immer wieder das erschütternde Ereignis
+sich vor Augen zu stellen und seine Notwendigkeit, wie seine
+segensreichen Wirkungen zu erörtern; <em class="gesperrt">aber das geschah in
+freien Formen.</em></p>
+
+<h3><strong>4. Die Skepsis in den Auffassungen mit einseitiger Geltendmachung
+des Darstellungsmoments.</strong></h3>
+
+<p>Die Darstellung <span class="smcap">Jülicher</span>'s bedeutet für die Abendmahlsauffassungen
+mit konsequenter Zugrundelegung des Darstellungsmomentes
+das, was die Abhandlung <span class="smcap">Eichhorn</span>'s für die das Genussmoment
+zu Grunde legenden Auffassungen war. Beide zeigen
+durch die Konsequenz ihres Gedankenaufbaus, dass die alleinige
+Betonung des von ihnen zu Grunde gelegten Moments notwendig
+zum Skeptizismus führt. Dies tritt bei <span class="smcap">Eichhorn</span> darin zu Tage,
+dass er die historische Feier, von der urchristlichen Gemeindefeier
+aus betrachtet, nicht zu erklären vermag. <span class="smcap">Jülicher</span> kann die
+Gemeindefeier von der historischen Feier aus nicht erklären.</p>
+
+<p>Er hat ganz Recht, wenn er sagt, dass die Zugrundelegung
+des Genussmoments die Zuhülfenahme moderner Gedanken zur
+Erklärung der historischen Worte Jesu fordere. Heisst es aber
+nicht ebenso sehr moderne Gedanken auf vergangene Zeiten übertragen,
+<em class="gesperrt">wenn man sich die urchristliche Feier als gewollte,
+möglichst genaue Reproduktion der Situation
+von ehedem begreiflich machen will</em>? <span class="smcap">Jülicher</span>'s Auffassung
+könnte die zwinglische Gemeindefeier erklären &mdash; und
+da fehlte ihm noch der Wiederholungsbefehl &mdash; aber niemals die
+urchristliche religiöse <em class="gesperrt">Gemeindemahlzeit.</em></p>
+
+<p>Die Schwierigkeiten werden gerade durch seine scharfe und
+logisch einheitliche Gesamtauffassung mit absoluter Deutlichkeit
+herausgearbeitet. Er erlaubt sich nicht zwischen dem Abendmahl
+im eigentlichen Sinne und der Gemeindemahlzeit zu unterscheiden.
+Mit diesem Spielraum hatten die doppelseitigen Darstellungen
+aller Schattierungen operiert und damit die grössten Schwierigkeiten
+überwunden. <em class="gesperrt">Die ganze Gemeindefeier ist &bdquo;Herrenmahlzeit&ldquo;</em>
+&mdash; so sagt <span class="smcap">Jülicher</span> und stimmt dabei mit niemand
+so vollkommen überein als mit <span class="smcap">Spitta</span> und <span class="smcap">Eichhorn</span>.</p>
+
+<p>Damit ist aber die Antinomie, welche zum Skeptizismus
+führt, notwendig gegeben. Die Gemeindefeier, auf die <span class="smcap">Jülicher</span>
+von seiner Auffassung der historischen Feier aus kommt, ist eine
+Fiktion, welche der wirklichen urchristlichen Mahlfeier geradezu<span class="pagenum"><a name="Seite_37" id="Seite_37">37</a></span>
+widerspricht, da die letztere &bdquo;keine Reproduktion der Situation
+von ehedem&ldquo; war. Wie die Wiederholung aufgekommen, vermag
+er in keiner Weise darzuthun. &bdquo;Dass es zunächst wohl ein
+inneres Bedürfnis war, bei dem Passahgedanken und Abschiedserinnerungen
+mitwirkten&ldquo;: diese problematische und gewundene
+Annahme erklärt für die Wiederholung gar nichts.</p>
+
+<p>Nun könnte <span class="smcap">Jülicher</span> durch den Wiederholungsbefehl um
+die Schwierigkeit herumkommen. Das erlaubt ihm aber sein
+exegetisches Gewissen nicht. Obwohl er ihn absolut notwendig
+brauchte, verzichtet er darauf, weil er durch die beiden ältesten
+Synoptiker nicht bezeugt ist. Seine ansprechende Auffassung ist
+aus der exegetischen Betrachtung der Berichte erwachsen. Gerade
+die Exegese beraubt ihn aber der einzigen Möglichkeit, die
+Wiederholung der von ihm geschilderten Feier im Urchristentum
+auch nur einigermassen begreiflich zu machen. Die urchristliche
+Feier als Reproduktion der historischen Situation ohne Wiederholungsbefehl
+ist einfach undenkbar. Also stehen wir hier vor
+einer vollständigen Selbstauflösung. Um das Aufkommen der
+urchristlichen Feier zu erklären, müsste <span class="smcap">Jülicher</span> eine unabhängig
+von den Berichten gegebene Thatsache postulieren &mdash;
+wie <span class="smcap">Eichhorn</span> es thut, um das Aufkommen des historischen Berichts
+fasslich zu machen.</p>
+
+<p>Die konsequente Geltendmachung des Darstellungsmoments
+führt also zu derselben Skepsis, wie die einseitige Herausarbeitung
+des Genussmoments.</p>
+
+<hr class="chap" />
+<h2>Neuntes Kapitel.</h2>
+
+<p class="pseudotitle"><b>Die neue Problemstellung.</b></p>
+
+<h3><strong>1. Das Ergebnis der Untersuchung.</strong></h3>
+
+<p>Die Auffassungen mit einseitiger Betonung des Genussmoments
+können nur die <em class="gesperrt">urchristliche</em>, nie die <em class="gesperrt">historische</em>
+Feier erklären.</p>
+
+<p>Die Auffassungen mit einseitiger Betonung des Darstellungsmoments
+können nur die <em class="gesperrt">historische</em>, nie die <em class="gesperrt">urchristliche</em>
+Feier erklären.</p>
+
+<p>Die doppelseitigen Auffassungen können die <em class="gesperrt">historische</em>
+Feier nur in dem Masse erklären als sie die <em class="gesperrt">urchristliche</em> nicht
+erklären, und umgekehrt.</p>
+
+<p><span class="pagenum"><a name="Seite_38" id="Seite_38">38</a></span></p>
+
+<p>Also vermag keine dieser Auffassungen das Abendmahlsproblem
+zu lösen, da dieses gerade verlangt, <em class="gesperrt">dass beide
+Feiern in ihrem gegenseitigen Zusammenhang begriffen
+werden!</em></p>
+
+<p>Durch diese Sätze werden nicht bloss die hier besonders
+analysierten Auffassungen betroffen. Diese sind nur Typen für
+so und so viele andere, die schon veröffentlicht worden sind oder
+noch im Zeitenschosse schlummern. Vergangen oder zukünftig:
+alle werden sie durch die obigen drei Sätze schon im Vorverfahren
+abgethan. Ehe sie überhaupt gehört werden können,
+müssen sie zuerst nachweisen, dass sie etwas anderes sind als
+eine neue Kombination von Darstellungs- und Genussmoment.
+Können sie das nicht, so sind sie von vornherein abgewiesen,
+denn dann vermögen sie das Problem nicht zu lösen. Es kommt ja
+nicht auf ihr bestimmtes Gepräge oder auf die Art, wie sie sich
+historisch und exegetisch darstellen, an, <em class="gesperrt">sondern nur auf das
+Verhältnis, in dem das Darstellungs- und das Genussmoment
+darin zu einander stehen.</em> Alles andere ist Beiwerk.</p>
+
+<p>Jede Auffassung ist durch die Formel bedingt, welche das
+von ihr angenommene Verhältnis des Darstellungs- zum Genussmoment
+ausdrückt. Damit ist ja ihre Stellung zu den Einzelfragen
+&mdash; dem Wiederholungsbefehl, der Deutung der Gleichnisse,
+der Form der angenommenen urchristlichen Feier u.s.w. &mdash;
+entschieden. <em class="gesperrt">Man kann sie danach geradezu ausrechnen.</em>
+Was die Verfasser dann noch von dem Ihrigen an geistreichen
+Einfällen, exegetischen Funden und genialen Inkonsequenzen hinzuthun,
+das ist alles ohne Belang. Ohne dass sie es wissen, folgen
+sie ja einem inneren Zwang. Weil sie <em class="gesperrt">müssen</em>, nehmen sie die
+schwersten exegetischen Hindernisse! Weil sie <em class="gesperrt">nicht anders
+können</em>, übersehen sie schwerwiegende historische Fragen!
+Weil sie die Verschnörkelungen am Erker nach freiem Bedünken
+entwerfen dürfen, sind sie &mdash; und die andern mit ihnen &mdash; geneigt
+zu vergessen, dass ihnen der Grundriss des Baues aufgegeben
+ist.</p>
+
+<p>Unter den gegebenen Voraussetzungen gibt es keine neuen
+Abendmahlsauffassungen mehr. Ob auch eine aus einer exegetischen
+oder historischen Beobachtung hervorwächst, kann sie im
+Grunde doch nichts anderes sein, <em class="gesperrt">als die Wiederholung
+oder Modifizierung einer schon vorhandenen, nämlich<span class="pagenum"><a name="Seite_39" id="Seite_39">39</a></span>
+der, mit welcher sie die Formel über das Verhältnis
+der beiden Momente gemein hat.</em> Wollte man sich die
+Mühe geben, den Stammbaum der vorhandenen Auffassungen
+aufzustellen, so würde es nicht schwer halten, jeder ihre Vorfahren
+zu entdecken.</p>
+
+<p>Die Darstellungen mit einseitiger Herausarbeitung des Genussmoments
+sind nur die wissenschaftlich-historische Reproduktion
+der altgriechischen Auffassung.</p>
+
+<p><span class="smcap">Zwingli</span> hat die römische Theorie rationalisiert und ist von
+<span class="smcap">Jülicher</span> ins modern-geschichtliche übertragen worden.</p>
+
+<p>Die doppelseitigen Auffassungen geben die Vermittlungsversuche
+zwischen der Messe und dem griechischen Mysterium
+und diejenigen der Reformationszeit in historischer Form wieder.
+Man kann also ruhig sagen, dass alle möglichen Kombinationen
+der beiden Momente schon erschöpft sind.</p>
+
+<p>Mit &bdquo;neuen Auffassungen&ldquo; ist also nichts gethan; neu daran
+ist immer nur der Einfall, nie die Formel &mdash; <em class="gesperrt">und auf letztere
+kommt es allein an.</em> Darum führt die Detailauseinandersetzung
+mit einer solchen neuen Auffassung zu gar nichts. Das für
+&bdquo;richtig&ldquo; und das für &bdquo;falsch&ldquo; Befundene hängen ja gesetzmässig
+zusammen: eins ist nur insofern richtig, als das andere falsch ist.</p>
+
+<p>Daran liegt es, dass Arbeiten in der Art, wie sie <span class="smcap">Rud.
+Schäfer</span>, <span class="smcap">Clemen</span><a name="FNAnker_11_11" id="FNAnker_11_11"></a><a href="#Fussnote_11_11" class="fnanchor">[11]</a> und <span class="smcap">Schmiedel</span> zu den neuesten Aufstellungen
+geliefert haben, trotz aller abwägenden Gewissenhaftigkeit die
+Forschung nicht in dem Masse des aufgewandten Scharfsinns vorwärts
+bringen. Aus dem, was sie anerkennen, lässt sich keine neue
+Auffassung zusammenbauen, und das, was sie auszusetzen haben,
+reicht nicht hin, die andere zu verwerfen, wenn man nichts Besseres
+an die Stelle zu setzen hat.</p>
+
+<p>Diejenigen, welche unter den gegebenen Verhältnissen neue
+Abendmahlsauffassungen aufstellen, rechnen ein Exempel, das
+bisher nie hat wollen aufgehen, zum so und sovielten Male durch.
+Ihre Kritiker rechnen das Exempel zum so und sovielten Male
+nach. Auf geht es aber darum doch nicht.</p>
+
+<p><em class="gesperrt">Es kann nie aufgehen.</em> Darum nützt es nichts, immer
+mit Eifer und Sammlung von vorn anzufangen. Man muss den
+Fehler nicht in der Rechnung, sondern im Ansatz suchen. Die</p>
+<p><span class="pagenum"><a name="Seite_40" id="Seite_40">40</a></span></p>
+<p>bisherigen Auffassungen bringen es nicht über dialektische Behauptungen
+hinaus, welche als Ganzes aus den geschichtlichen
+Thatsachen weder zu beweisen noch zu widerlegen sind.</p>
+
+<p><em class="gesperrt">Es gilt also sich von der bisherigen Problemstellung
+loszumachen.</em></p>
+
+<p><em class="gesperrt">Wo liegt der Grund des Metaphysischen in der
+Abendmahlsfrage?</em></p>
+
+<h3><strong>2. Der neue Weg.</strong></h3>
+
+<p>Bisher galt der Satz: Um das Abendmahl zu erklären, muss
+man von der Deutung der Gleichnisse <em class="gesperrt">ausgehen</em>, denn diese
+konstituieren das Wesen der Feier. So suchte man sie aus dem
+Genuss, oder aus dem Handeln, oder aus beiden zusammen zu
+deuten &mdash; und, wenn man eine plausible Erklärung gefunden
+hatte, glaubte man den Schlüssel zum Abendmahl zu besitzen.</p>
+
+<p>Nun gilt es aber zwei Thüren zu öffnen: der betreffende
+Schlüssel passt aber jedesmal nur zu einer. Angenommen <span class="smcap">Spitta</span>
+und die andern deuten die Gleichnisse richtig auf das Urchristentum:
+der historischen Situation entspricht aber ihre Erklärung
+nicht. Angenommen <span class="smcap">Jülicher</span> und die andern deuten sie richtig
+aus der historischen Situation: im Sinne des Urchristentums ist
+aber ihre Erklärung nicht, denn dort kommt in keiner Weise zum
+Ausdruck, dass die Handlung Jesu den Tod versinnbildlichte.</p>
+
+<p>Man hat aber allen Grund zu fragen, ob die Gleichnisse
+aus der sie begleitenden Handlung <em class="gesperrt">so ohne weiteres</em> deutbar
+sind. Alle Erklärungen werden ja auf Umwegen erreicht! Wieso
+soll das Brechen des Brots die Kreuzigung des Leibes anzeigen?
+Ist diese Erklärung etwa deswegen einleuchtender, weil
+es die einzige ist, welche die begleitende Handlung offen lässt?
+Wer sagt uns, dass es die Jünger so verstanden haben können?
+In der urchristlichen und altchristlichen Epoche, ja eigentlich
+bis auf <span class="smcap">Zwingli</span> weiss kein Mensch etwas von dieser Deutung.</p>
+
+<p>Mit dem Wort über dem Kelch steht es noch schlimmer.
+Hier muss man nämlich, um dem Gleichnis einen Sinn abzugewinnen,
+den Vergleichspunkt zur Handlung <em class="gesperrt">geradezu hinzuerfinden.</em>
+Berichtet ist nur das <em class="gesperrt">Herumreichen</em> des Kelches.
+Dieses ist aber für das &bdquo;<em class="gesperrt">Vergiessen des Blutes</em>&ldquo; nicht charakteristisch.
+Das einzig Erträgliche wäre das &bdquo;<em class="gesperrt">Ausgiessen in
+den Kelch</em>&ldquo;. <em class="gesperrt">Obwohl nun diese Handlung in keinem
+Berichte erwähnt ist</em>, haben es alle exegetischen Deutungen,<span class="pagenum"><a name="Seite_41" id="Seite_41">41</a></span>
+welche auf dem Darstellungsmoment beruhen, mit dem &bdquo;<em class="gesperrt">Ausgiessen</em>&ldquo;
+des Weines in den Kelch zu thun. Aus der inneren
+Zwangslage heraus schaffen sie frei ein <em class="gesperrt">Analogon zum Brotbrechen</em>,
+ohne sich darüber zu rechtfertigen, wie sie dazu kommen,
+die Situation in unerlaubter Weise zu bereichern.</p>
+
+<p>Wo steht denn geschrieben, dass Jesus den Wein in den
+Kelch vor den Augen der Jünger bedeutungsvoll eingoss, wie
+er das Brot brach? Nirgends! Also beruht die exegetische Deutung
+des zweiten Gleichnisses <em class="gesperrt">auf reiner Erfindung.</em></p>
+
+<p>Gestehen wir es offen ein: es fehlt uns jegliche Anleitung
+zu einer natürlichen Deutung der Gleichnisse. Ueber Künstelei
+haben wir es dabei nicht hinausgebracht. Unser Schlüssel ist
+nur ein schlechter Nachschlüssel: er passt zur Not in das eine
+Schloss, aber nicht in beide. <em class="gesperrt">Und aus dieser Notdeutung
+der Gleichnisse wollen wir die ganze historische und
+urchristliche Mahlfeier erklären!</em></p>
+
+<p>Wenn man in dieser Notlage einmal den noch einzig möglichen
+Ausweg ins Auge fasste! Es geht nicht an, <em class="gesperrt">die Feier durch
+die Gleichnisse zu erklären.</em> Versuchen wir es mit dem
+umgekehrten Verfahren, nämlich <em class="gesperrt">die Gleichnisse aus der
+Feier zu erklären</em>!</p>
+
+<p>Freilich, am Anfang scheint das nur das letzte verzweifelte
+Rütteln an der verschlossenen Thür. Aber überlegen wir die Sache
+einmal ruhig.</p>
+
+<p>Beim Abendmahl handelt es sich um die Austeilung von
+Seiten Jesu, um den Genuss von Seiten der Jünger und um zwei
+Gleichnisse, welche mit dem Vorgang <em class="gesperrt">zusammenfallen.</em> Ich
+sage <em class="gesperrt">zusammenfallen</em>! In einer <em class="gesperrt">Situation</em> können Handlungen
+und Reden zeitlich zusammenfallen, während sie in dem
+Bericht nur in zeitlicher Folge geschildert werden können, weil
+die Worte jedes Nebeneinander notwendig in eine Aufeinanderfolge
+auseinanderlegen.</p>
+
+<p>So halten unsere Berichte die Reihenfolge: Austeilung,
+Gleichnis, Genuss inne, als hätte Jesus zuerst symbolisch gehandelt,
+dann ausgeteilt, dann das erklärende Gleichnis gesprochen,
+worauf zuletzt die Jünger verständnisvoll gegessen
+hätten.</p>
+
+<p>Versucht man es aber einmal, sich den berichteten Vorgang
+als Scene vorzustellen, so merkt man bald, <em class="gesperrt">dass die säuberliche
+chronologische Folge stark illusorisch wird.</em> Man denke<span class="pagenum"><a name="Seite_42" id="Seite_42">42</a></span>
+sich die 12 Menschen, die wie auf eine innere Verabredung hin
+mit dem Essen des ihnen zugeteilten Stückes warten, bis Jesus
+das Gleichniswort gesprochen! Wie unnatürlich, ja unmöglich
+diese Scene in der gedachten chronologischen Folge der Handlungen
+ist, kann man in Oberammergau sehen, wenn sie ins Leben
+übersetzt wird! Es lässt sich kaum etwas Unnatürlicheres und
+Geschraubteres denken.</p>
+
+<p>Für den, welcher eine berichtete Situation mit dem Blick des
+Malers in der Wirklichkeit zu schauen vermag, bleiben nur zwei
+Möglichkeiten. Entweder hat Jesus jedem Einzelnen das Brot
+zugeteilt und dabei für jeden Einzelnen das Gleichniswort wiederholt:
+dann ist die chronologische Folge so haltbar. Oder aber, wie
+feststeht, er hat allen zusammen Brot ausgeteilt und das Gleichniswort
+nur einmal gesprochen: dann ist die chronologische Folge,
+mit der wir bisher operierten, illusorisch geworden. Sie besagt
+dann nur, dass Jesus im Verlauf der Austeilung des Brotes und
+während des Herumreichens des Bechers die Gleichnisworte vom
+Leib und vom Blut gesprochen! <em class="gesperrt">Ob zu Anfang, in der Mitte
+oder zu Ende, ob vor, während oder nach dem Essen und
+Trinken: das ist nicht auszumachen.</em> Unsere Berichte geben
+uns darüber keinen Aufschluss.</p>
+
+<p>Aus der angenommenen <em class="gesperrt">chronologischen</em> Folge haben die
+bisherigen Auffassungen ohne weiteres eine <em class="gesperrt">causale</em> gemacht.
+Man sagte: Die Austeilung und das dabei vorkommende Brechen
+und Ausgiessen begründet das Gleichnis, das Gleichnis soll den
+Jüngern die Bedeutung des Genusses erklären, und die Bedeutung
+des Genusses macht das Wesen der Feier aus.</p>
+
+<p>Aus einer angenommenen zeitlichen Folge eine causale zu
+machen, das ist ein Fehler, den das menschliche Denken trotz
+aller Warnungen immer und immer wieder macht und sich dadurch
+die grössten Probleme schafft.</p>
+
+<p><em class="gesperrt">Nun zeigt die Geschichte, dass gerade diese angenommene
+causale Folge das Abendmahlsproblem unlösbar
+macht.</em> Andererseits beschränkt sich unsere Kenntnis von
+der Situation darauf, dass Jesus im Verlauf der Austeilung die
+Gleichnisse gesprochen hat. Also machen wir uns von dem Vorurteil
+los, als ob die Gleichnisse die Feier konstituierten, und
+fassen das Problem so, <em class="gesperrt">dass die Feier die Gleichnisse erklärt.</em>
+Anders ausgedrückt: Man meinte bisher, dass Jesus die
+Jünger aufforderte, das dargereichte Brot und den herumgereichten<span class="pagenum"><a name="Seite_43" id="Seite_43">43</a></span>
+Wein zu geniessen, <em class="gesperrt">weil er sie als seinen Leib und sein
+Blut bezeichnet hatte</em> (wobei freilich niemand sagen kann,
+in welchem Sinne sie mit Brot und Wein seinen Leib und sein
+Blut assen und tranken).</p>
+
+<p>Wir aber gehen jetzt davon aus, dass Jesus von dem Brot
+und dem Wein, die seine Jünger auf seine Darreichung hin genossen,
+sagt, sie wären sein Leib und sein Blut, <em class="gesperrt">gerade im Hinblick
+darauf, dass sie es auf seine Darreichung hin geniessen</em>!
+Sie essen also nicht seinen Leib und trinken nicht sein
+Blut, sondern, <em class="gesperrt">weil sie jenes Brot essen und jenen Wein
+trinken</em>, sagt er, es <em class="gesperrt">sei sein Leib und sein Blut</em>! Das Gleichnis
+konstituiert also die Feier nicht, sondern es erwächst aus ihr!</p>
+
+<p>Die Feier ist selbständig! Sie besteht darin, dass Jesus
+unter Danksagung seinen Jüngern das Brot bricht und den Kelch
+herumreicht und sie davon geniessen. Zum Wesen der Feier gehören
+die Gleichnisse nicht, sondern Jesus spricht in diesen geheimnisvollen
+Worten die Bedeutung aus, welche die Feier für
+<em class="gesperrt">ihn</em> hat!</p>
+
+<p>Diese zweite Eventualität liegt gerade so gut in den Berichten
+wie die erste. Nur ging man immer an ihr vorüber, weil
+die chronologische Folge der Handlungen in der schriftstellerischen
+Darstellung die Aufmerksamkeit ganz für die erste gefangen
+nahm.</p>
+
+<p>Nun ist aber logisch festgestellt, dass die bisherige Annahme
+das Problem vollständig unlösbar macht. Also muss man es
+notgedrungen mit der zweiten probieren.</p>
+
+<p>Ueberdies spricht die Geschichte gerade für die zweite. Es
+steht fest, dass die Leidensgleichnisse in der urchristlichen Feier
+<em class="gesperrt">keine Rolle</em> spielten. Sie wurden im Verlauf der Feier in keiner
+Weise reproduziert! Dafür sprechen Didache und Paulus, denn
+wenn sie aus dem alltäglichen Verlauf der Feier bekannt gewesen
+wären, bliebe I Kor 11 <span class="antiqua">23</span> unverständlich, da hier dann etwas Bekanntes
+in geheimnisthuerischer Weise wiederholt würde! Es
+stand also im Urchristentum so: Man wusste wohl, dass diese
+Gleichnisse bei der historischen Feier gesprochen worden waren,
+die Gemeindefeier leitete sich von dieser historischen Feier ab:
+<em class="gesperrt">aber doch fühlte man kein Bedürfnis, die historischen
+Gleichnisse Jesu dabei irgendwie zu reproduzieren.
+Also war die historische Feier, sofern sie sich in der
+<span class="pagenum"><a name="Seite_44" id="Seite_44">44</a></span>Gemeindefeier fortsetzte, von den Gleichnissen unabhängig</em>,
+da man sonst auch die Gleichnisse wiederholt hätte.
+Das ist durch die Geschichte bezeugt.</p>
+
+<p>Darum hat es das Abendmahlsproblem gar nicht mehr mit
+den beiden unmöglichen Fragen zu thun, wieso Jesus seinen
+Jüngern seinen Leib zu essen und sein Blut zu trinken gegeben
+habe und wie sie diese Feier später in entsprechender Weise reproduzierten,
+sondern das Problem selbst ist ein ganz anderes.
+Es heisst nicht mehr: <em class="gesperrt">Was bedeuten die Gleichnisse</em>, damit
+wir die Feier erklären können? sondern: <em class="gesperrt">Was bedeutete
+die Feier</em>, damit wir die <em class="gesperrt">Gleichnisse</em> erklären können.</p>
+
+<p><em class="gesperrt">In welchem Sinne war die Austeilung von Brot
+und Wein beim letzten Mahl ein so überaus feierlicher
+Akt, der sich auf Jesu Tod bezog?</em> &mdash; von dieser
+Frage hat die Untersuchung auszugehen, indem sie die Gleichnisse
+vorerst ganz bei Seite lässt. Es ist der einzige Weg zur
+Lösung des Problems.</p>
+
+<div class="footnotes"><h3>Fussnoten:</h3>
+
+<div class="footnote">
+
+<p><a name="Fussnote_11_11" id="Fussnote_11_11"></a><a href="#FNAnker_11_11"><span class="label">[11]</span></a> Der Ursprung des heil. Abendmahls von Lic. Dr. <span class="smcap">Karl Clemen</span>.
+1898. Hefte zur christl. Welt No. 37.</p></div></div>
+</div>
+<hr class="full" />
+<div class="chapter">
+<p class="pseudotitle"><big><b>Zweiter Teil.</b></big>
+<span class="pagenum"><a name="Seite_45" id="Seite_45">45</a></span></p>
+
+<p class="pseudotitle"><big><b>Das Abendmahlsproblem auf Grund der historischen
+Berichte.</b></big></p>
+<hr class="tb" />
+<h2>Zehntes Kapitel.</h2>
+
+<p class="pseudotitle"><b>Die textkritischen Fragen.</b></p>
+
+<h3><strong>1. Cod. D. Die textkritische Hauptfrage.</strong></h3>
+
+<p>Es handelt sich um den Lukasbericht (Lk 22 <span class="antiqua">15-20</span>). In
+der gewöhnlichen Fassung zeigt er ein eigentümliches Gepräge.
+Er bietet zunächst ein Wort über den Passahgenuss in dem zukünftigen
+Reiche. Darauf folgt ein ähnliches Wort, den Becher
+betreffend, welches mit dem synoptisch-eschatologischen Schlusswort
+nach Markus und Matthäus übereinstimmt. Nachdem so
+gleichsam ein erster Redegang über das Essen und Trinken abgeschlossen
+ist, kommt das Wort über dem gebrochenen Brot
+und über dem Wein als Bundesblut; bei letzterem fehlt dann das
+bei den beiden älteren Synoptikern den zweiten Akt beschliessende
+eschatologische Schlusswort.</p>
+
+<p>Wir haben also eine merkwürdige Doppelheit: zwei Worte
+das Essen, und zwei den Kelch betreffend. Von den beiden auf
+das Essen bezogenen Worten handelt nur das zweite von dem
+Genuss des Brots, während das erste vom Passah allgemein redet.
+Die Doppelheit ist also hier nicht so auffällig, wie in den beiden
+das Trinken betreffenden Worten, welche sich beide auf den Kelch
+beziehen. Das zweite nimmt sich wie ein Nachtrag zum ersten aus,
+da es ohne das eschatologische Schlusswort steht, die Aufforderung
+zum Genuss nicht enthält und überhaupt in dieser Form der
+Feier keinen abrundenden Abschluss gibt, wie es das altsynoptische
+Kelchwort thut.</p>
+
+<p>Als daher diese eigentümliche Doppelheit in dem Lukasbericht
+auffiel, war die natürlichste Korrektur schon gegeben:<span
+class="pagenum"><a name="Seite_46" id="Seite_46">46</a></span> das
+zweite Kelchwort, da die Aufforderung zum Genuss schon im ersten
+enthalten schien, zu streichen, dagegen das zweite Wort über dem Brot,
+das in seiner spezifischen Eigenschaft vorher nicht erwähnt war, zu
+belassen, weil es die Aufforderung zum Genuss enthält. Es ist die
+Korrektur von Cod. D.<a name="FNAnker_12_12" id="FNAnker_12_12"></a><a
+href="#Fussnote_12_12" class="fnanchor">[12]</a> Er schliesst mit
+den Worten: <span lang="el" title="touto esti to sôma mou">τοῦτό
+ἐστι τὸ σῶμά μου</span> (<span class="smcap">V.</span> <span
+class="antiqua">19ª</span>).</p>
+
+<p>Entschliesst man sich einmal zu diesem so natürlichen Abstrich,
+so liegt gar kein Grund mehr vor, das Kelchwort mit
+seiner Aufforderung zum Trinken sich zwischen die beiden auf
+das Essen bezogenen Aussagen eindrängen zu lassen und sie unnatürlich
+auseinanderzureissen; man moduliert nach der ursprünglichen
+synoptischen Harmonie zurück, sodass das eschatologische
+Schlusswort beim Kelch wieder ans Ende kommt. Tritt dementsprechend
+<span class="smcap">V.</span> <span class="antiqua">17</span> und <span class="antiqua">18</span> hinter <span class="antiqua">19ª</span>, so erhält man einen Bericht, der
+sich von dem gewöhnlichen nur dadurch unterscheidet, dass er
+vor dem Brotwort ein Wort über das Passah bringt, welches dem
+eschatologischen Schlusswort über dem Kelch nachgebildet ist.
+Dieses Verfahren findet sich bei b c.<a name="FNAnker_13_13" id="FNAnker_13_13"></a><a href="#Fussnote_13_13" class="fnanchor">[13]</a></p>
+
+<p><em class="gesperrt">Die Entstehung des Abendmahlsberichtes des
+Cod. D. beruht auf Reflexion.</em> Ueberhaupt bricht sich die
+Ueberzeugung immer mehr Bahn, dass seine Abweichungen durchweg
+diesen Charakter tragen. Eine originelle Vorstellung der
+historischen Feier schwebt dieser Berichtform gar nicht vor. Daher
+betrifft die Grundfrage der Textform des Lukas gar nicht
+Cod. D, sondern die gewöhnliche Lesart. Wie kommt Lukas
+dazu, den Bericht <em class="gesperrt">so ins Doppelte sich spiegeln zu lassen</em>,
+dass der Versuch, diese Doppelheit als auf ein Versehen zurückgehend
+zu korrigieren, sich in Cod. D notwendig einstellen musste?
+Diese Frage ist aber gar keine textkritische mehr, sondern sie
+hängt mit der Entwicklung der Feier im Urchristentum und der
+damit gegebenen Verschiebung des Bildes des historischen Mahles
+zusammen.<a name="FNAnker_14_14" id="FNAnker_14_14"></a><a href="#Fussnote_14_14" class="fnanchor">[14]</a></p>
+
+<p><span class="pagenum"><a name="Seite_47" id="Seite_47">47</a></span></p>
+<h3><strong>2. Abweichende Lesarten.</strong></h3>
+
+<p>Die Frage, ob in den einzelnen Fällen <span lang="el" title="eulogêsas">εὐλογήσας</span> oder
+<span lang="el" title="eucharistêsas">εὐχαριστήσας</span> zu lesen ist, hat keine Bedeutung.
+Die beiden älteren Synoptiker gebrauchen den ersteren, Paulus, Lukas
+und Justin den letzteren Ausdruck.</p>
+
+<p>Der Grund der verschiedenen Lesarten in Mt 26 <span
+class="antiqua">26</span> ist leicht einzusehen. Partizipien und
+erzählende Verben häufen sich in einer Weise, dass man in keinem
+Falle eine schwerfällige und ungriechische Konstruktion vermeiden
+kann. Ob man nun liest: <span lang="el" title="labôn ho Iêsous arton
+kai eulogêsas eklasen kai dous tois mathêtais eipen">λαβὼν ὁ Ἰησοῦς
+ἄρτον καὶ εὐλογήσας ἔκλασεν καὶ δοὺς τοῖς μαθηταῖς καὶ εἶπεν</span>,<a
+name="FNAnker_15_15" id="FNAnker_15_15"></a><a href="#Fussnote_15_15"
+class="fnanchor">[15]</a> oder ob man eines der Partizipien auflöst
+und die Lesart erhält: <span lang="el" title="labôn ho Iêsous arton kai eulogêsas
+eklasen kai edidou tois mathêtais kai eipen">λαβὼν ὁ Ἰησοῦς
+ἄρτον καὶ εὐλογήσας ἔκλασεν καὶ ἐδίδου τοῖς μαθηταῖς καὶ εἶπεν</span><a
+name="FNAnker_16_16" id="FNAnker_16_16"></a><a href="#Fussnote_16_16"
+class="fnanchor">[16]</a> bleibt sich gleich. Der Satz ist in jedem
+Falle formlos, weil er eine Häufung von Handlungen auf einen Moment
+enthält, deren zeitlicher und logischer Zusammenhang sich sprachlich
+gar nicht wiedergeben lässt. Die Varianten beruhen auf der empfundenen
+darstellerischen Schwierigkeit, die jeder auf eine andere Weise zu
+überwinden suchte.</p>
+
+<p>Bei Markus treten die stilistischen Schwierigkeiten nicht so
+sehr hervor. Er vermeidet nämlich die namentliche Nennung des
+Spenders und der Empfänger, wodurch die matthäische Konstruktion
+so besonders ungelenk wird.</p>
+
+<p>Der paulinische und der justinische Bericht sind von dieser
+Schwierigkeit befreit: sie vereinfachen die Situation, indem sie die
+Darreichung (<span lang="el" title="edôken">ἔδωκεν</span>) und die Aufforderung zum Genuss
+(<span lang="el" title="labete">λάβετε</span>) auslassen.</p>
+
+<p>Das <span lang="el" title="phagete">φάγετε</span> in Mk 14 <span class="antiqua">22</span><a name="FNAnker_17_17" id="FNAnker_17_17"></a><a href="#Fussnote_17_17" class="fnanchor">[17]</a> ist naive
+matthäische Nachbildung. Die alten Zeugen bieten nur <span lang="el" title="labete">λάβετε</span>.</p>
+
+<p>Der Zusatz <span lang="el" title="kainês">καινῆς</span>, den einige Lesarten bei dem Wort über
+dem Becher in Mk 14 <span class="antiqua">24</span><a name="FNAnker_18_18" id="FNAnker_18_18"></a><a href="#Fussnote_18_18" class="fnanchor">[18]</a> bieten, beruht auf naiver Nachbildung
+der paulinischen Version.</p>
+
+<h3><strong>3. Das Ergebnis der Textkritik.</strong></h3>
+
+<p>Die Verschiedenheit der Lesarten ist nicht darin begründet,
+dass die eine mit ihren Wurzeln historisch höher hinaufreicht als
+<span class="pagenum"><a name="Seite_48" id="Seite_48">48</a></span>
+
+die andere. Sie gehen zum Teil aus der Schwierigkeit hervor,
+welche die betreffenden Auffassungen haben, sich <em class="gesperrt">stilistisch
+darzustellen.</em> Zum Teil entspringen sie der Tendenz, die Berichte
+einander <em class="gesperrt">gleichzubilden.</em> Dazu war es aber schon zu
+spät: die verschiedenen Typen hatten schon eine zu scharfe historische
+Ausprägung erhalten, als dass es den nachbessernden
+Versuchen hätte gelingen können, den Einheitstypus herzustellen,
+an dem die vorhergehende geschichtliche Epoche sich vergebens
+abgearbeitet hatte.</p>
+
+<p>Den letzten Versuch dieser Gleichbildung bietet der textus
+receptus, sofern er den ersten Akt bei Paulus nach Analogie mit
+dem matthäischen darstellt und dadurch eine Aufforderung zum
+Genuss einträgt (nehmet, esset), die in I Kor 11 <span class="antiqua">24</span> ursprünglich
+fehlt.</p>
+
+<p>Die Aufgabe der Textkritik in der Abendmahlsfrage besteht
+darin, dass sie jeden der Berichte in seiner charakteristischen
+Eigentümlichkeit darstellt, indem sie ihn von den Spuren der
+versuchten litterarischen Gleichbildung mit andern befreit. Diese
+Aufgabe, so bescheiden sie scheint, ist von eminenter Tragweite.
+<em class="gesperrt">Hätte sich die Gleichbildung der Berichte wirklich
+durchgesetzt, so wäre das Abendmahlsproblem unlösbar.</em></p>
+
+<div class="footnotes"><h3>Fussnoten:</h3>
+
+<div class="footnote">
+
+<p><a name="Fussnote_12_12" id="Fussnote_12_12"></a><a href="#FNAnker_12_12"><span class="label">[12]</span></a> D, a, ff². Die Ausgabe von <span class="smcap">Westcott</span> und <span class="smcap">Hort</span> hat diese Lesart
+adoptiert.</p></div>
+
+<div class="footnote">
+
+<p><a name="Fussnote_13_13" id="Fussnote_13_13"></a><a href="#FNAnker_13_13"><span class="label">[13]</span></a> In derselben Absicht lässt syr<sup>cu</sup> Vers <span class="antiqua">20</span> aus und setzt dafür Vers
+<span class="antiqua">17</span> und <span class="antiqua">18</span> ein.</p></div>
+
+<div class="footnote">
+
+<p><a name="Fussnote_14_14" id="Fussnote_14_14"></a><a href="#FNAnker_14_14"><span class="label">[14]</span></a> Eine eingehende Darlegung der Textfragen, welche den Lukasbericht
+betreffen, findet sich in der Abhandlung von <span class="smcap">Erich Haupt</span>.</p></div>
+
+<div class="footnote">
+
+<p><a name="Fussnote_15_15" id="Fussnote_15_15"></a><a href="#FNAnker_15_15"><span class="label">[15]</span></a> So <span lang="he" title="Aleph">א</span>
+(sed <span lang="el" title="dous">δούς</span> ex <span lang="el" title="edidou">ἐδίδου</span> korrigiert ab <span lang="he" title="Aleph">א</span>ª) BDLZ.</p></div>
+
+<div class="footnote">
+
+<p><a name="Fussnote_16_16" id="Fussnote_16_16"></a><a href="#FNAnker_16_16"><span class="label">[16]</span></a> <span lang="el" title="ACGD">ΑϹΓΔ</span>.</p></div>
+
+<div class="footnote">
+
+<p><a name="Fussnote_17_17" id="Fussnote_17_17"></a><a href="#FNAnker_17_17"><span class="label">[17]</span></a> Mk 14 <span class="antiqua">22</span>:
+zu <span lang="el" title="labete">λάβετε</span> zugesetzt <span lang="el" title="phagete">φάγετε</span> (EFHM²).</p></div>
+
+<div class="footnote">
+
+<p><a name="Fussnote_18_18" id="Fussnote_18_18"></a><a href="#FNAnker_18_18"><span class="label">[18]</span></a> Mk 14 <span class="antiqua">24</span>:
+<span lang="el" title="tês diathêkês">τῆς διαθήκης</span> (<span lang="he" title="Aleph">א</span>BCDL).</p></div></div>
+
+<hr class="chap" />
+
+<h2>Elftes Kapitel.</h2>
+
+<p class="pseudotitle"><b>Die Eigenart des Markusberichts</b> (Mk 14 <span class="antiqua">22-26</span>).</p>
+
+<p>Der erste Akt besteht einzig darin, dass Jesus unter Gebet
+das Brot bricht und es herumreicht; zugleich spricht er das
+Gleichniswort von seinem Leib. Es fehlt, wie bei Matthäus, das
+uns aus Paulus gewohnte <span lang="el" title="hyper hymôn">ὑπὲρ ὑμῶν</span> und über Matthäus hinaus
+das <span lang="el" title="phagete">φάγετε</span>.</p>
+
+<p>Ist so im ersten Akt die <em class="gesperrt">Aufforderung zum Genuss</em> in
+Hinsicht auf das Gleichnis nicht ausdrücklich ausgesprochen, <em class="gesperrt">so
+fehlt sie im zweiten vollständig.</em> Es wird zuerst berichtet,
+dass Jesus allen den Kelch nach dem Gebetswort herumgereicht
+habe und alle daraus getrunken haben (Mk 14 <span class="antiqua">23</span>). <em class="gesperrt">Darauf erst</em>
+spricht er das Gleichniswort von dem für viele vergossenen Blut
+(Mk 14 24).</p>
+
+<p><span class="smcap">Bruno Bauer</span> war meines Wissens der erste, der darauf hingewiesen,
+dass Markus statt der Aufforderung zum Trinken die
+<em class="gesperrt">Konstatierung</em> bietet, dass alle getrunken haben. Er sieht<span class="pagenum"><a name="Seite_49" id="Seite_49">49</a></span>
+darin nur eine Abschwächung gegen Matthäus, da Markus sich
+scheue, die Aufforderung Jesu in vollem Umfang aufrecht zu erhalten.</p>
+
+<p>Dabei hat aber <span class="smcap">Bruno Bauer</span> nicht bemerkt,
+dass mit dieser Konstatierung auch die gewöhnliche chronologische
+Folge vom Gleichnis zum Genuss sich verschiebt, wodurch zugleich
+das uns geläufige kausale Verhältnis zwischen Gleichnis und Genuss
+aufgehoben wird. Diesem Bericht zufolge ist es unmöglich, dass Jesus
+oder die Jünger die Bedeutung des Trinkens <em class="gesperrt">aus dem
+Gleichnis herleiten</em>, weil dieses ja erst <em class="gesperrt">auf
+das Trinken folgt</em>!</p>
+
+<p>Zu beachten ist ferner, wie das weihevoll (<span lang="el"
+title="amên">ἀμήν</span>) und nachdrücklich gesprochene eschatologische
+Schlusswort von dem Neutrinken in dem Reich des Vaters sich eng an das
+Gleichniswort anschliesst! Es bildet den Höhepunkt der Feier (<span
+class="smcap">V.</span> <span class="antiqua">25</span>), worauf
+alsbald der Aufbruch erfolgt.</p>
+
+<p><em class="gesperrt">Diese eigenartigen Züge des Markusberichts sind
+bisher nicht herausgearbeitet worden.</em> Man hat ihn einfach nach den
+andern gedeutet. Alle Berichte, so nahm man ohne weiteres an, bieten
+dieselbe Thatsache. Beim letzten Mahl hat Jesus den Jüngern Brot und
+Wein so dargereicht, dass sie die Elemente irgendwie als seinen Leib
+und sein Blut assen und tranken. Das Fehlen des <span lang="el" title="phagete">φάγετε</span>
+bei Markus erklärte man daraus, dass es sich von selbst verstehe. Die
+Eigentümlichkeit des zweiten Akts hob man nicht einmal hervor, weil man
+sie &mdash; ohne sich davon Rechenschaft zu geben &mdash; nach Matthäus
+und den andern interpretierte.</p>
+
+<p>Diese Annahme, dass der Markusbericht im Grunde dasselbe
+besage wie die andern, ist <em class="gesperrt">eine der unbewiesenen
+Voraussetzungen</em>, mit denen die bisherigen Abendmahlsauffassungen
+operierten. Wenn wir nämlich nur den Markusbericht
+hätten, käme niemand auf den Gedanken, dass Jesus
+seinen Jüngern Brot und Wein als seinen Leib und sein Blut
+ausgeteilt und sie zum Genuss in diesem Sinne aufgefordert habe.
+Man würde die zeitliche Folge im ersten Akt nach der des zweiten
+auffassen und als Thatbestand feststellen, dass Jesus <em class="gesperrt">im Verlauf
+der Austeilung des Brotes das Gleichnis von
+seinem Leib und <b>nach</b> der Herumreichung des Bechers
+das Gleichnis von seinem Blut gesprochen
+habe.</em> Wenn wir aber einen Bericht haben, wo Jesus dem<span class="pagenum"><a name="Seite_50" id="Seite_50">50</a></span>
+strikten Wortlaut zufolge weder seinen Leib noch sein Blut
+zum Genuss ausgeteilt hat, so dürfen wir ihn nicht, als handle es
+sich um eine gewisse Nachlässigkeit und Sparsamkeit im Ausdruck,
+nach den andern auslegen, sondern wir müssen ihn mit
+ihnen vergleichen und eine Auseinandersetzung herbeiführen.
+Daraus ergibt sich dann die Tragweite der Abweichungen. Entweder
+handelt es sich um eine absolut <em class="gesperrt">unverständliche
+Schilderung</em>, die man, weil sie mit dem feststehenden Thatbestand
+absolut keine Verwandtschaft hat, als Kuriosum nicht
+weiter zu beachten braucht, oder &mdash; <em class="gesperrt">wir haben den authentischen
+Bericht vor uns, von dem die Untersuchung
+ausgehen muss.</em> Diese Alternative ist nicht zu umgehen, sobald
+man sich die Eigenart des Markusberichts klar gemacht hat.</p>
+
+<hr class="chap" />
+
+<h2>Zwölftes Kapitel.</h2>
+
+<p class="pseudotitle"><b>Der Vergleich der Berichte.</b></p>
+
+<h3><strong>1. Das Prinzip der Gleichbildung.</strong></h3>
+
+<p>Aeusserlich betrachtet zeigt sich die Eigenart des Markusberichts
+darin, dass die beiden Akte an Umfang und Gesichtspunkten
+verschieden sind. Der erste ist ganz kurz; er beschränkt
+sich auf das Gebetswort, das Brechen zum Austeilen und die Gleichnisrede;
+der zweite enthält das Gebetswort, die Austeilung, die
+Erwähnung des Genusses, die Gleichnisrede, den Hinweis auf
+die Heilsbedeutung des Todes und das eschatologische Schlusswort.
+Der Vergleich zeigt, dass bei den andern Berichten die
+beiden Akte in steigendem Masse einander <em class="gesperrt">gleichgebildet
+werden</em>, sowohl dem Umfang nach, als auch hinsichtlich der Gesichtspunkte,
+die sie enthalten. Wir erhalten zwei Parallelakte,
+indem die Handlungen und Worte beim Wein genau denen beim
+Brot entsprechen.</p>
+
+<p>Diese Gleichbildung erfolgt entweder so, dass die Momente
+des zweiten Akts in den ersten eingetragen werden (Matthäus,
+Paulus, Lukas), oder so, dass der zweite Akt nach Analogie des
+ersten zusammengezogen wird (Justin).</p>
+
+<h3><strong>2. Der matthäische Bericht</strong> (Mt 26 <span class="antiqua">26-29</span>).</h3>
+
+<p>Matthäus befindet sich auf dem Wege zur Gleichbildung. Durch das
+<span lang="el" title="phagete">φάγετε</span> ist die ausdrückliche
+Erwähnung des Genussmoments in den ersten Akt aufgenommen.
+
+Da im zweiten an <span class="pagenum"><a name="Seite_51" id="Seite_51">51</a></span>Stelle der Konstatierung ebenfalls die
+Aufforderung zum Genuss getreten ist, so entsprechen sich beide Akte in
+diesem Punkte vollkommen. <span lang="el" title="labete, phagete· touto
+estin to sôma mou. piete ex autou pantes· touto gar estin to haima
+mou">λάβετε, φάγετε· τοῦτό ἐστιν τὸ σῶμά μου. πίετε ἐξ αὐτοῦ πάντες·
+τοῦτο γάρ ἐστιν τὸ αἷμά μου</span>. Die Gleichbildung ist aber noch
+nicht vollständig vollzogen. Dem ersten Akt fehlt ein dem Wort über die
+Bedeutung des vergossenen Bluts entsprechender Hinweis (<span lang="el"
+title="to peri pollôn">τὸ περὶ πολλῶν</span>). Auch das eschatologische
+Wort, welches das Gleichnis über dem Wein beschliesst, ist beim Brot
+noch nicht vertreten.</p>
+
+<p>Zudem zeigt das im zweiten Akt stehen gebliebene <span lang="el" title="pantes">πάντες</span>,
+dass hier eine Konstatierung in eine Aufforderung umgesetzt
+worden ist. Bei der Konstatierung muss ja notwendig erwähnt
+werden, dass sie alle davon getrunken haben. Bei der Aufforderung
+aber ist das <span lang="el" title="pantes">πάντες</span> selbstverständlich, oder &mdash; wenn es die
+Weihe der Aufforderung nachdrücklich hervorheben soll &mdash; wie
+kann es dann beim Brot fehlen? Hier wäre es wirklich gefordert,
+da Jesus nicht ohne weiteres annehmen kann, dass alle das Stückchen
+Brot, das er ihnen darbietet, auch wirklich essen, während
+er dem Herumgehen des Kelches mit dem Auge folgt. Bei Paulus,
+Lukas und Justin ist dann das <span lang="el" title="pantes">πάντες</span>, als nicht mehr von Belang,
+auch wirklich ausgefallen.</p>
+
+<p>Die Verbindung des eschatologischen Schlussworts mit dem
+Kelchwort nach rückwärts, dem Aufbruch zum Leidensweg nach
+vorwärts ist bei Matthäus noch gewahrt. Jedoch ist es mit dem
+Kelchwort nicht mehr durch das gewaltige <span lang="el" title="amên">ἀμήν</span> in Steigerung
+verbunden, so dass es, wie bei Markus, den <em class="gesperrt">Höhepunkt</em> der
+ganzen Feier bildet, sondern es ist nur mehr eine mit <span lang="el" title="de">δέ</span> <em class="gesperrt">beigeordnete
+Schlussbemerkung</em> (Markus <span lang="el" title="amên legô hymin">ἀμήν λέγω ὑμῖν</span>, Matthäus
+<span lang="el" title="legô de hymin">λέγω δέ ὑμῖν</span>).</p>
+
+<p>So befindet sich die Gleichbildung bei Matthäus noch im
+Fluss. Bei Paulus ist sie schon viel weiter fortgeschritten.</p>
+
+<h3><strong>3. Der paulinische Bericht</strong> (I Kor 11 <span class="antiqua">23-26</span>).</h3>
+
+<p>Hinter jedem Akt ist abschliessend angefügt: <span lang="el" title="touto poieite
+eis tên emên anamnêsin">τοῦτο ποιεῖτε εἰς τὴν ἐμὴν ἀνάμνησιν</span>. Durch Uebernahme eines auf die Bedeutung
+des Todes hinweisenden Worts (<span lang="el" title="to hyper hymôn">τὸ ὑπὲρ ὑμῶν</span>) gleicht sich
+der erste Akt dem zweiten an. Nur das <span lang="el" title="eklasen">ἔκλασεν</span> hat keine Parallele.</p>
+
+<p>Bei Markus und Matthäus beschloss das Wort von der Wiedervereinigung
+beim Mahl im zukünftigen Reich den Spruch über
+dem Becher. Nur scheinbar ist es bei Paulus ausgefallen. Er<span class="pagenum"><a name="Seite_52" id="Seite_52">52</a></span>
+setzt es vielmehr als Abschluss <em class="gesperrt">bei beiden Akten voraus:</em> <span lang="el" title="hosakis
+gar ean esthiête ton arton touton kai to potêrion pinête, ton thanaton
+tou kyriou katangellete, achri ou elthê">ὁσάκις γὰρ ἐὰν ἐσθίητε τόν ἄρτον τοῦτον καὶ τὸ ποτήριον πίνητε, τὸν θάνατον
+τοῦ κυρίου καταγγέλλετε, ἄχρι οὗ ἔλθῃ</span> (<span class="smcap">V.</span> <span class="antiqua">26</span>).</p>
+
+<p><em class="gesperrt">Bis dass er kommt</em> &mdash; darin liegt die Erwartung des
+Kommens des Herrn und des Anbruchs des Reiches. Dies
+darf man für die Erklärung des <span lang="el" title="touto poieite eis tên emên anamnêsin">τοῦτο ποιεῖτε εἰς τὴν ἐμὴν ἀνάμνησιν</span>
+nicht ausser Acht lassen. Danach ist die <span lang="el" title="anamnêsis">ἀνάμνησις</span> doppelseitig:
+nach rückwärts eine Erinnerung an den Tod Jesu, nach vorwärts
+ein Gedenken an seine Parusie. Die Feier gilt dem Gekreuzigten,
+der als Messias bei seiner Ankunft offenbart werden wird,
+als welcher er schon jetzt durch die Auferstehung zur Rechten
+Gottes erhöht ist.</p>
+
+<p>Bedenkt man nun, dass die historische Relation des eschatologischen
+Schlussworts im zweiten Akt abgefallen ist, dass
+aber nach der Vorstellung Pauli beide Akte mit der Erwartung
+der Parusie in Zusammenhang stehen, so liegt es nahe, in
+dem <span lang="el" title="touto poieite">τοῦτο ποιεῖτε</span>, als Konstatierung oder als Wiederholungsbefehl
+gefasst, <em class="gesperrt">die paulinische Form des beiden Akten
+beigesetzten eschatologischen Schlussworts zu sehen.</em></p>
+
+<p>Für den ersten Akt ist dies eine künstliche Angliederung, da
+historisch dieser Hinweis nur mit dem Kelchwort in Beziehung steht, wo
+der Genuss konstatiert ist; der erste Akt mit seinem <span class="el"
+title="eklasen">ἔκλασεν</span> ist gar nicht darauf angelegt. Daraus
+entsteht bei Paulus eine unerträgliche grammatikalische Verwirrung.
+Die Parallele zu dem <span lang="el" title="hosakis ean pinête">ὁσάκις
+ἐὰν πίνητε</span>, das erwartete <span lang="el" title="hosakis ean
+esthiête">ὁσάκις ἐὰν ἐσθίητε</span>, fehlt in der Form des <span
+lang="el" title="touto poieite">τοῦτο ποιεῖτε</span> von <span
+class="smcap">V.</span> <span class="antiqua">24</span>. Unter dem
+<span class="el" title="poiein">ποιεῖν</span> kann also für den ersten
+Akt nur das erwähnte <em class="gesperrt">Brechen</em> verstanden sein.
+Aus <span class="smcap">V.</span> <span class="antiqua">25</span>
+und <span class="antiqua">26</span> geht aber hervor, dass, dem
+<span class="el" title="poiein">ποιεῖν</span> des zweiten Akts
+entsprechend, der Genuss, nämlich das Essen, darunter verstanden
+werden muss. Grammatikalisch allein berechtigt wäre: so oft ihr
+dieses Brot brechet und diesen Kelch trinket; thatsächlich aber
+soll es bedeuten: so oft ihr dieses Brot esset. So ist auch das
+<span class="el" title="gar">γὰρ</span> zu verstehen, welches
+<span class="smcap">V.</span> <span class="antiqua">26</span> mit
+<span class="smcap">V.</span> <span class="antiqua">24</span> und
+<span class="antiqua">25</span> zugleich verbindet, sofern es als
+Wiederholung der dort von Jesu gemeinten Handlung das Essen und Trinken
+voraussetzt.</p>
+
+<p>Die Gleichbildung ist also trotz des latenten Widerstandes
+des ersten Aktes erreicht. An beide Gleichnisse schliesst sich
+das Wort von der Heilsbedeutung des Todes und der eschatologische
+Hinweis an.</p>
+
+<p><span class="pagenum"><a name="Seite_53" id="Seite_53">53</a></span>
+
+Dabei entgeht Paulus durch die Form, in der er diesen Hinweis
+bietet, einer grossen Schwierigkeit. Dieses Wort ist in der
+ursprünglichen Gestalt ein <em class="gesperrt">Schlusswort.</em> Fügt man es in dieser
+Form dem ersten Akt an, so wird die Handlung in der Mitte
+auseinander gerissen, da dann Jesus schon beim Brot die Feier
+beschliesst. Diese Schwierigkeit hat Lukas gefühlt, als er die paulinische
+Vorstellung in den synoptischen Bericht zu übertragen
+unternahm.</p>
+
+<h3><strong>4. Der lukanische Bericht</strong> (Lk 22 <span class="antiqua">14-20</span>).</h3>
+
+<p>Lukas bringt zuerst das eschatologische Schlusswort in direkter Rede
+für beide Akte. Für das Kelchwort lag die Form der älteren Synoptiker
+vor. Er nimmt die Matthäusform, weil er die Aufforderung zum Genuss,
+welche Paulus nicht bietet, voraussetzt. Durch die Auslassung des
+Wortes vom Blut wird folgendes Kelchwort hergestellt Lk 22 <span class="antiqua">17</span> u.
+<span class="antiqua">18</span>: <span lang="el" title="kai dexamenos potêrion eucharistêsas eipen· labete
+touto kai diamerisate eis heautous· legô gar hymin hoti ou mê piô apo
+tou nyn apo tou genêmatos tês ampelou heôs hotou hê basileia tou theou
+elthê">καὶ δεξάμενος ποτήριον εὐχαριστήσας εἶπεν· λάβετε τοῦτο καὶ
+διαμερίσατε εἰς ἑαυτούς· λέγω γὰρ ὑμῖν ὅτι οὐ μὴ πίω ἀπὸ τοῦ νῦν ἀπὸ
+τοῦ γενήματος τῆς ἀμπέλου ἕως ὅτου ἡ βασιλεία τοῦ θεοῦ ἔλθῃ</span>.</p>
+
+<p>Der Versuch nimmt sich gut aus; das <span lang="el"
+title="diamerisate">διαμερίσατε</span> hat zugesetzt werden müssen,
+damit man die später folgende Darreichung des Kelches (<span
+class="smcap">V.</span> <span class="antiqua">20</span>) nicht
+vorwegnehme; das eingefügte <span lang="el" title="gar">γὰρ</span> stellt in Verbindung
+mit dem <span class="el" title="diamerisate">διαμερίσατε</span>
+zur Not einen logischen Gedankenzusammenhang her; das <span
+class="el" title="kainon">καινόν</span> (vgl. Mt 26 <span
+class="antiqua">29</span>) blieb besser weg, weil dieses
+Adjektiv nachher als erklärender Zusatz zu <span class="el"
+title="diathêkê">διαθήκη</span> figuriert; der Farbenton der
+eschatologischen Aussage ist etwas verblasst (Matthäus <span lang="el"
+title="heôs tês hêmeras ekeinês hotan auto pinô meth' hymôn kainon en
+tê basileia tou patros mou·">ἕως τῆς ἡμέρας ἐκείνης ὅταν αὐτὸ πίνω μεθ'
+ὑμῶν καινὸν ἐν τῇ βασιλείᾳ τοῦ πατρός μου·</span> Lukas <span lang="el"
+title="heôs hotou hê basileia tou theou elthê">ἕως ὅτου ἡ βασιλεία τοῦ
+θεοῦ ἔλθῃ</span>).</p>
+
+<p>Schwieriger war die Formulierung des eschatologischen Schlussworts
+für den ersten Akt, da hier kein behauenes Material vorlag und das Wort
+über dem Brot seinen Widerstand gegen die aufgezwungene Verbindung mit
+irgend einem eschatologischen Hinweis schon bei Paulus hinreichend
+bekundet hatte. Ein einziger Ausweg bot sich dar: das eschatologische
+Schlusswort, da es einmal für die Handlung des Essens gefordert war,
+auf die ganze Mahlzeit zu beziehen. Dieser Fassung kam der Gedanke
+zu Hülfe, dass möglicherweise die historische Feier ein Passahmahl
+gewesen; das neukonstruierte eschatologische Schlusswort für das
+Essen bezieht sich bei Lukas also auf das Passahmahl, das<span
+class="pagenum"><a name="Seite_54" id="Seite_54">54</a></span> Jesus
+mit den Seinen feiert. <span class="antiqua">15</span> <span lang="el" title="kai
+eipen pros autous· epethymia epethymêsa touto to pascha phagein
+meth' hymôn pro tou me pathein·">καὶ εἶπεν πρὸς αὐτούς· ἐπιθυμίᾳ
+ἐπεθύμησα τοῦτο τὸ πάσχα φαγεῖν μεθ' ὑμῶν πρὸ τοῦ με παθεῖν·</span> <span
+class="antiqua">16</span> <span lang="el" title="legô gar hymin hoti ou mê phagô auto
+heôs hotou plêrôthê en tê basileia tou theou">λέγω γὰρ ὑμῖν ὅτι οὐ μὴ
+φάγω αὐτὸ ἕως ὅτου πληρωθῇ ἐν τῇ βασιλείᾳ τοῦ θεοῦ</span>.</p>
+
+<p>Die Benutzung des Passahgedankens ermöglicht Lukas, eine Mahlfeier
+darzustellen, <em class="gesperrt">bei der sowohl das Essen als das
+Trinken einen eschatologischen Hinweis erhalten.</em> Dabei wird aber
+die historische Feier auseinandergerissen! Zuerst kommen die beiden
+eschatologischen Worte; sie werden in den Verlauf der Passahmahlzeit
+gerückt. Das erste bildet zugleich eine stimmungsvolle Einleitung. Von
+dem Wort über dem Brot wird dadurch nichts vorausgenommen: nur mit dem
+Wort über dem Becher hat es seine Schwierigkeit. Um das Kelchwort,
+welches dann bei der eigentlichen historischen Feier eintritt, von
+dem vorhergehenden, welches im Rahmen des Passahmahls verlief, genau
+abzuheben, wird es in der paulinischen Form berichtet: <span lang="el"
+title="to potêrion meta to deipnêsai legôn· touto to potêrion hê
+kainê diathêkê en tô haimati mou">τὸ ποτήριον μετὰ τὸ δειπνῆσαι
+λέγων· τοῦτο τὸ ποτήριον ἡ καινὴ <span class="err" title="original: διαδήκη">διαθήκη</span> ἐν τῷ αἵματί μου</span>:
+soweit geht die Uebereinstimmung. Nun ist aber der eschatologische
+Hinweis nach Paulus (I Kor 11 <span class="antiqua">24</span> u. <span
+class="antiqua">25</span> <span lang="el" title="touto poieite">τοῦτο
+ποιεῖτε</span> etc.) schon beim ersten Passah-Kelchwort verbraucht;
+deswegen wird hier nach Matthäus zurückmoduliert und <span lang="el"
+title="to hyper hymôn ekchynnomenon">τὸ ὑπὲρ ὑμῶν ἐκχυννόμενον</span>
+eingesetzt; aus diesem Grunde war schon an Stelle des paulinischen
+<span lang="el" title="en tô emô haimati">ἐν τῷ ἐμῷ αἵματι</span> das
+altsynoptische <span lang="el" title="en tô haimati mou">ἐν τῷ αἵματί
+μου</span> eingetreten.</p>
+
+<p>Der erste Akt wird nach Paulus beschrieben; aus den Synoptikern
+ist die ausdrückliche Erwähnung der Darbietung (<span lang="el"
+title="edôken-didomenon">ἔδωκεν-διδόμενον</span>) eingedrungen. Das
+<span lang="el" title="touto poieite">τοῦτο ποιεῖτε</span> ist stehen geblieben, weil das
+eschatologische Wort hinsichtlich des Essens sich auf das Passahmahl
+allgemein bezieht.</p>
+
+<p>Der Bericht des Lukas erklärt sich litterarisch einfach als ein
+Versuch, die bei Paulus erreichte Gleichbildung der beiden Akte
+unter Zuhülfenahme des Zusammenhangs der historischen Feier mit dem
+Passahmahl in die synoptische Geschichtserzählung zurückzutragen.
+Daraus resultiert dann folgender Verlauf der Feier: Jesus weist zu
+Anfang des Passahmahls darauf hin, dass er es erst im Gottesreiche
+wieder mit den Jüngern feiern wird. Solches wiederholt er beim ersten
+Herumreichen des Kelches. Bei einer Brotdarreichung im Verlaufe
+der Feier spricht er das Gleichnis von seinem Leibe, desgleichen
+beim Kelch das Gleichnis von seinem Blute. Beide Akte sind absolut
+gleich durch die Geltendmachung des Heilswertes der Dahingabe<span
+class="pagenum"><a name="Seite_55" id="Seite_55">55</a></span> (<span
+class="smcap">V.</span> <span class="antiqua">19</span> <span lang="el"
+title="to hyper hymôn didomenon">τὸ ὑπὲρ ὑμῶν διδόμενον</span>, <span
+class="smcap">V.</span> <span class="antiqua">20</span> <span lang="el" title="to
+hyper hymôn ekchynnomenon">τὸ ὑπὲρ ὑμῶν ἐκχυννόμενων</span>). Auch bei dieser
+Gleichbildung geht es ohne stilistische Härte nicht ab, sofern nämlich
+im zweiten Akt von einem vergossenen Kelch die Rede ist, während das
+Blut gemeint ist.</p>
+
+<p>Wie bei Paulus werden beide Akte durch das <span lang="el"
+title="touto poieite">τοῦτο ποιεῖτε</span> abgeschlossen. Wir
+haben also eine bis auf den gemessenen Rythmus in der Sprache sich
+erstreckende Gleichbildung. Freilich ist dabei der Schluss der Feier
+verloren gegangen. Das stolze Wort von dem Wiedertrinken in des
+Vaters Reich ist schon für den Anfang der Passahfeier verbraucht,
+statt dass es, wie bei Markus und Matthäus, zum Aufbruch überleitet.
+Dafür finden hier die Episoden von der Bezeichnung des Verräters, dem
+Rangstreit und der Verwarnung des Petrus ihren Platz (Lk 22 <span
+class="antiqua">21-38</span>), wobei die Schilderung des feierlichen
+Aufbruchs nach dem Lobgesang (Mk 14 <span class="antiqua">26</span>
+= Mt 26 <span class="antiqua">30</span>) unterbleibt. &bdquo;Er
+ging nach seiner Gewohnheit an den Oelberg&ldquo; (Lk 22 <span
+class="antiqua">39</span>: <span lang="el" title="kai exelthôn
+eporeuthê kata to ethos eis to oros tôn elaiôn">καὶ ἐξελθὼν ἐπορεύθη
+κατὰ τὸ ἔθος εἰς τὸ ὄρος τῶν ἐλαιῶν</span>).</p>
+
+<p>Eine originelle Auffassung von dem Wesen der historischen Feier liegt
+dieser Darstellung nicht zu Grunde. In keinem Falle ist sie aus dem
+Bestreben hervorgegangen, die Trennung des &bdquo;Abendmahls&ldquo; von der
+gemeinsamen religiösen Mahlzeit, welche bei Paulus angebahnt sein
+soll, historisch zu begründen! Dieser formlose Bericht ist nur aus
+dem Prinzip <span lang="el" title="parêkolouthêkoti anôthen pasin akribôs kathexês
+grapsai">παρηκολουθηκότι ἄνωθεν πᾶσιν ἀκριβῶς καθεξῆς γράψαι</span> (Lk 1 3)
+zu erklären.</p>
+
+<p>Es ist daher nicht zu erwarten, dass durch Streichung oder
+Versversetzung aus der lukanischen Darstellung sich ein Bericht
+gewinnen lässt, der auf eine originelle ältere Vorstellung der
+historischen Feier zurückgeht. Mehr als durch solche Versuche
+wird man dem Wert der lukanischen Darstellung gerecht, wenn
+man das schriftstellerische Geschick, das ästhetische Feingefühl
+und den liturgischen Schwung würdigt, von denen diese Schilderung
+Zeugnis gibt.</p>
+
+<h3><strong>5. Der justinische Bericht</strong> (I Apol. 66).</h3>
+
+<p>Hier vollzieht sich die Gleichbildung durch Verkürzung des zweiten
+Akts nach Analogie des ersten. Die berichtete Feier beschränkt sich
+auf zwei rätselhafte Worte Jesu. Nach einem Dankgebet über dem Brot
+spricht er: &bdquo;dies ist mein Leib&ldquo;, desgleichen beim
+Kelch: &bdquo;dies ist mein Blut&ldquo; <span class="pagenum"><a name="Seite_56"
+id="Seite_56">56</a></span>(<span lang="el" title="ton
+Iêsoun labonta arton eucharistêsanta eipein· touto poiete eis tên
+anamnêsin mou, touto esti to sôma mou. kai to potêrion homoiôs
+labonta kai eucharistêsanta eipein· touto esti to haima mou">τὸν Ἰησοῦν
+λαβόντα ἄρτον εὐχαριστήσαντα εἰπεῖν· τοῦτο ποιεῖτε εἰς τὴν ἀνάμνησίν
+μου, τοῦτό ἐστι τὸ σῶμά μου. καὶ τὸ ποτήριον ὁμοίως λαβόντα καὶ
+εὐχαριστήσαντα εἰπεῖν· τοῦτό ἐστι τὸ αἷμά μου</span>).</p>
+
+<p>Es fehlt das Brechen des Brots, der Hinweis auf den Wert der
+Dahingabe und die Hervorhebung des erwarteten oder erfolgten Genusses
+im zweiten Akt. Auch das eschatologische Schlusswort ist ausgefallen.
+Nur beim ersten Akt findet sich das <span lang="el" title="touto
+poieite">τοῦτο ποιεῖτε</span> in der paulinischen Form, wobei aus <span
+lang="el" title="tên emên anamnêsin">τὴν ἐμὴν ἀνάμνησίν</span> (I
+Kor 11 <span class="antiqua">24</span>) <span lang="el" title="tên
+anamnêsin mou">τὴν ἀνάμνησίν μου</span> geworden ist.</p>
+
+<p>Hier steigert sich aber der Widerstand des ersten Akts
+gegen einen derartigen Eintrag bis zur Unerträglichkeit. Worauf
+soll sich das <span lang="el" title="poiein">ποιεῖν</span> beziehen? Auf das vorausgehende Gebetswort?
+Das Brechen ist nicht erwähnt, der Genuss vorausgesetzt,
+aber nicht hervorgehoben. So ist das <span lang="el" title="touto poieite">τοῦτο ποιεῖτε</span> hier für die
+grammatikalische Auslegung sinnlos und die Erwähnung desselben
+<em class="gesperrt">bei dem ersten Akt allein</em> unverständlich.</p>
+
+<p>Bei dieser verkürzten Darstellung ist die ganze historische
+Situation interesselos geworden. Zwar erwähnt Justin Dial. 41,
+70 und 117, dass in der Gemeindefeier auch die Erinnerung an
+Jesu Tod mit hereinspielt. In seinem Bericht aber fehlt jede
+Andeutung, dass dieses Mahl in der Nacht vor dem Tod stattgefunden
+hat.</p>
+
+<p>Aus dem &bdquo;justinischen Bericht&ldquo; allein wüssten wir also nur,
+dass Jesus bei einem Mahle, nachdem er das Dankgebet über
+dem Brot gesprochen, seinen Jüngern geboten habe, diesen
+Brauch zur Erinnerung an ihn festzuhalten; danach habe er fortfahrend
+das gesegnete Brot als seinen Leib und den gesegneten
+Kelch als sein Blut bezeichnet.</p>
+
+<hr class="chap" />
+<h2>Dreizehntes Kapitel.</h2>
+
+<p class="pseudotitle"><b>Die Authentie des Markusberichts.</b></p>
+
+<h3><strong>1. Der Beweis.</strong></h3>
+
+<p>Authentisch ist ein Bericht, <em class="gesperrt">welcher in keiner Weise
+durch die Vorstellung von der Gemeindefeier beeinflusst
+ist.</em> Der Markusbericht ist authentisch, weil sich dieser
+Nachweis für ihn führen lässt.</p>
+
+<p>Worauf beruht die <em class="gesperrt">Gleichbildung der beiden Akte</em>,
+welche alle andern Berichte, wenn auch der Art und dem Grad
+nach verschieden, im Unterschied zu Markus aufweisen? Auf dem
+Einfluss, welchen die altchristliche Feier auf die Vorstellung der<span class="pagenum"><a name="Seite_57" id="Seite_57">57</a></span>
+historischen ausübt. Die Gemeindefeier war eine Mahlzeit, bei der
+dem Essen dieselbe Bedeutung zukam wie dem Trinken. Ganz
+natürlich übertrug sich dies auf die historische Feier. Man wusste
+also nicht anders, als dass Jesus beim Brot und beim Wein in
+genau entsprechender Weise gehandelt und geredet haben musste,
+sofern in der abgeleiteten Feier die gleiche Wertung des Essens
+wie des Trinkens konstatiert wurde. So war die Gleichbildung
+der beiden Akte für die historische Feier von der urchristlichen
+gefordert.</p>
+
+<p>Besässen wir nun den Markusbericht nicht, so würden wir
+an der Gleichheit der beiden Akte nichts Besonderes finden, da
+dies auch unserem Empfinden als das Natürlichste erscheint.
+Alle modernen Rekonstruktionsversuche der &bdquo;ursprünglichen
+Einsetzungsworte&ldquo; vertreten die Gleichbildung ebenfalls. Wir
+sind also auch geneigt, die Gleichheit der beiden Akte ohne
+weiteres für selbstverständlich zu halten.</p>
+
+<p>Nun zeigt aber der Markusbericht, dass die Gleichheit der
+beiden Akte nicht selbstverständlich ist. Also muss man entweder
+für die Ungleichheit derselben bei ihm oder für die Gleichheit
+bei den andern eine Erklärung suchen. Dabei ergibt sich,
+dass man wohl die andern aus dem Markusbericht ableiten kann,
+<em class="gesperrt">nicht aber umgekehrt.</em> Matthäus und Paulus &mdash; der Lukasbericht
+ist ein rein litterarisches Produkt &mdash; stellen die Feier
+nach dem zweiten Akt des Markus dar, Justin nach dem ersten.
+Bringt man bei jedem die Gleichbildung der beiden Akte entsprechend
+in Abrechnung, wozu die grammatikalischen Härten
+und Unmöglichkeiten Anweisung geben, <em class="gesperrt">so erhält man jedesmal
+den Markusbericht.</em></p>
+
+<p>Dabei zeigt sich in der Gleichbildung der beiden Akte noch
+eine gewisse Entwicklung. Dass sie bei Matthäus noch nicht vollständig
+durchgeführt ist, lässt erkennen, dass die Gleichheit der
+Akte nicht das Ursprüngliche ist. Also muss sie ihren Grund in
+der historischen Anschauung der alten Zeit haben, welche diese
+Berichte <em class="gesperrt">formuliert</em> hat. Da dieser allein in dem Mahlzeitcharakter
+der Essen und Trinken gleichwertenden Gemeindefeier
+gegeben sein kann, steht fest, <em class="gesperrt">dass diese Berichte durch
+das Medium der altchristlichen Auffassung der Gemeindefeier
+hindurchgegangen sind. Markus steht
+ausserhalb dieses Prozesses, weil er die Gleichbildung
+nicht aufweist; also ist er authentisch.</em></p>
+
+<p><span class="pagenum"><a name="Seite_58" id="Seite_58">58</a></span>
+
+Dass die Vorstellung der historischen Feier bei Paulus und
+Justin in einem sehr hohen Masse durch die Auffassung der Gemeindefeier
+bedingt ist, liegt auf der Hand. Der historische Bericht
+ist bei ihnen ja nur Mittel zum Zweck. Er soll eine bestimmte
+Anschauung von der Gemeindefeier vertreten. Die Art,
+wie sie beide in Verbindung setzen, geht weit über unsere Begriffe
+hinaus. Wir verstehen die Gemeindefeier immer nur als
+eine entsprechende <em class="gesperrt">Wiederholung</em> der historischen, sofern sie
+aus der letzteren begründet wird. Paulus und Justin setzen beide
+gleich, indem sie die Gemeindefeier mit der historischen Feier
+gegeben sein lassen. Dabei entstehen dann Gedankengänge, die
+für uns ganz überraschend sind.</p>
+
+<p>Es handelt sich um I Kor 11 <span class="antiqua">26</span>. In
+<span class="smcap">V.</span> <span class="antiqua">24</span> und <span
+class="antiqua">25</span> vollzieht Jesus die Einsetzung. Wer redet
+in <span class="smcap">V.</span> <span class="antiqua">26</span>?
+Das <span lang="el" title="gar">γὰρ</span>, sofern es sich zum Vorhergehenden begründend
+verhält, schliesst den Subjektswechsel aus. Der Ausdruck <span lang="el" title="ton
+thanaton tou kyriou">τὸν θάνατον τοῦ κυρίου</span> zeigt aber an, dass die
+historische Situation verlassen ist und Paulus von der Gemeindefeier
+redet. Dazu passt aber das <span lang="el" title="gar">γὰρ</span>
+nicht, denn was für die Gemeindefeier gilt, ist nicht eine <em
+class="gesperrt">Begründung</em> zu den Worten Jesu, sondern eine <em
+class="gesperrt">Folgerung</em> aus dem historischen Spruch. In diesem
+Satz vollzieht also Paulus den Uebergang von der historischen Feier
+zur Gemeindefeier so, dass er beide für einen Augenblick gleichsam
+zusammenschiebt.</p>
+
+<p>Darum schmilzt er zwei Sätze, von denen der erste der historischen
+Situation, der zweite der Darlegung über die Gemeindefeier
+angehört, ineinander.</p>
+
+<ul class="hang">
+
+<li>1. Jesus zu den Jüngern im Anschluss an die Gleichnisse:
+&bdquo;denn (<span lang="el" title="gar">γὰρ</span>) so oft ihr von diesem Brot esset und von diesem
+Wein trinket, verkündet ihr meinen Tod, bis dass ich
+komme.&ldquo;</li>
+
+<li>2. Paulus der Gemeinde das Wesen ihrer Feier aus der historischen
+erklärend: &bdquo;Darum (<span lang="el" title="hôste">ὥστε</span>), so oft ihr von diesem
+Brot esset und von diesem Wein trinket, verkündet ihr des
+Herrn Tod, bis dass er komme.&ldquo;</li></ul>
+
+<p>Justin bietet ein Seitenstück zu diesem schillernden Uebergang.
+Er fasst in der berühmten Darlegung I Apol. 65 und 66 die
+historische Feier und die Gemeindefeier in einem gemeinsamen
+Ausdruck zusammen, indem er sie bezeichnet als: <span lang="el"
+title="hê di' euchês logou tou par' autou">ἡ δι' εὐχῆς λόγου τοῦ
+παρ' αὐτοῦ</span> (sc. Jesu) <span lang="el" title="eucharistêtheisa
+trophê">εὐχαριστηθεῖσα τροφή</span>. Dieser Ausdruck bekundet eine
+Gleichsetzung der beiden Feiern, die<span class="pagenum"><a
+name="Seite_59" id="Seite_59">59</a></span> weit über unseren Begriff
+der entsprechenden Wiederholung hinausgeht. Die Speise bei der
+Gemeindefeier ist, wie bei der historischen, durch Jesu Gebetswort
+geheiligt. Ein Unterschied besteht also nicht.</p>
+
+<p>Was die Gleichbildung der beiden Akte anzeigt, wird durch die
+Argumentierung, mit welcher Paulus und Justin die Gemeindefeier
+mit der historischen Feier verbinden, bestätigt: Sie sehen
+die historische Feier nur in der Beleuchtung der Gemeindefeier.</p>
+
+<p>Solange die Textvergleichung ausschliesslich auf die Entdeckung
+der wahrscheinlichsten und ansprechendsten Form der
+<em class="gesperrt">Einsetzungsworte</em> ausging, bestand die Vorstellung der Möglichkeit
+einer paulinischen oder justinischen Sondertradition zu
+Recht, da beide &bdquo;die Einsetzungsworte&ldquo; in sowohl unter sich unabhängigen
+als von den beiden älteren Synoptikern grundverschiedenen
+Fassungen boten. Prüft man aber die <em class="gesperrt">Berichte als
+Berichte</em>, frägt man sie, ohne den verlockenden Anpreisungen
+ihrer &bdquo;Einsetzungsworte&ldquo; Gehör zu geben, was sie von dem Verlauf
+und dem Wesen des gesamten historischen Vorgangs, bei
+welchem diese Gleichnisse geredet wurden, wissen, dann ist es
+mit der Scheinoriginalität aus. Es zeigt sich, dass sie sich die
+historische Feier der ihnen geläufigen Gemeindefeier entsprechend
+vorstellen, nur dass Jesus dabei Speise und Trank austeilt
+und die bekannten Gleichnisse redet. Also geht auch ihre
+Fassung &bdquo;der Einsetzungsworte&ldquo; nicht auf eine paulinische oder
+justinische Sondertradition zurück, sondern sie ist geschichtlich
+aus der vorausgesetzten Gemeindefeier zu erklären. Paulus und
+Justin differieren in ihren &bdquo;Einsetzungsworten&ldquo;, weil und insofern
+die justinische von der paulinischen Gemeindefeier differiert.
+Zwischen beiden muss in der Auffassung der Feier eine Wandlung
+eingetreten sein.</p>
+
+<p>So führt die neue Problemstellung eine neue Auffassung der
+Authentie mit sich, welche sich nicht mehr auf <em class="gesperrt">Meinungen,
+sondern auf Gesetze</em> gründet. Als authentisch gilt nicht
+mehr die kürzeste oder scheinbar klarste Relation &bdquo;der Einsetzungsworte&ldquo;,
+<em class="gesperrt">sondern die Darstellung des gesamten
+historischen</em> Vorgangs, für welche eine Beeinflussung durch
+die Gemeindefeier nicht nachgewiesen werden kann, ob uns nun
+die betreffende &bdquo;Einsetzungsformel&ldquo; zusagt oder nicht.</p>
+
+<p>Bisher galt es für interessant, mit einer gewissen skeptischen
+Nonchalance die Behauptung hinzuwerfen, dass wir über die<span class="pagenum"><a name="Seite_60" id="Seite_60">60</a></span>
+Authentie der Berichte niemals etwas wissen können. Selbst
+wenn unter unseren Berichten ein authentischer sich befände, so
+hätten wir doch kein Mittel, ihn unter den andern herauszufinden.
+Durch die neue Auffassung der Authentie ist diese Skepsis abgethan.
+Wir besitzen einen authentischen Bericht. Wer es bestreiten
+will, muss nachweisen, dass der Markusbericht ein durch
+die andern Darstellungen desavouiertes Phantasieprodukt ist.
+Authentisch oder sinnlos: das ist die einzig offene Alternative.</p>
+
+<h3><strong>2. Die Folgerungen aus der Authentie des Markusberichts.</strong></h3>
+
+<p>Die neue Auffassung der Authentie bezeichnet den ersten
+Erfolg der neuen Problemstellung. Er öffnet dem neuen Lösungsversuch
+den Weg. Jesus forderte die Jünger auf, seinen Leib zu
+essen und sein Blut zu trinken: dieser angenommene gemeinsame
+Thatbestand aller Berichte schien den Weg zu versperren. Durch
+die Authentie des Markusberichts wird aber dieser Scheinthatbestand
+ausser Kraft gesetzt. Es ist historisch bestätigt, was aus
+der Kritik der modernen Auffassungen geschlossen wurde: Jesus
+hat seine Jünger nicht aufgefordert, seinen Leib und sein Blut zu
+geniessen, sondern er hat die Gleichnisworte im Verlauf, nicht
+vor dem Genuss gesprochen. Das Kelchwort kommt erst, nachdem
+alle getrunken haben!</p>
+
+<p>Also haben wir einen Bericht, bei dem das Wesen der Feier
+nicht auf den Gleichnissen, sondern auf dem feierlichen Vorgang
+beruht. Das hatte die neue Problemstellung gefordert. Nun ist
+es Thatsache geworden. <em class="gesperrt">Also ist das Abendmahlsproblem
+für die historische Kritik lösbar.</em></p>
+
+<h3><strong>3. Das Messianitäts- und Leidensgeheimnis im Abendmahl.</strong></h3>
+
+<p>Die Bedeutung der Darreichung der Genusselemente bleibt
+vorerst rätselhaft. Nur das Negative ist klar, dass nämlich die
+Gleichnisse nicht aus der symbolischen Handlung des Brechens
+und aus dem vorausgesetzten Ausgiessen des Weins an sich erklärt
+werden dürfen. Das darstellende Moment spielt in den Berichten
+keine Rolle und verschwindet zuletzt ganz, wie der justinische
+Text zeigt, wo das Brechen nicht einmal mehr erwähnt
+wird.</p>
+
+<p>Wollte man die Gleichnisse nach dem authentischen Markustext
+deuten, so müsste man das erste aus dem Brechen, das zweite<span class="pagenum"><a name="Seite_61" id="Seite_61">61</a></span>
+aus der Thatsache, dass alle Jünger getrunken haben, erklären.
+Man bekäme also zwei ganz verschieden geartete Gleichnisse.</p>
+
+<p>Die Gleichnisse vom Leib und Blut müssen aber irgendwie
+den Leidensgedanken enthalten. Dass Jesus damit das Geheimnis
+seines Leidens zum letztenmal ausgesprochen hat, ist in den
+Umständen dieses letzten Zusammenseins gegeben. Wenn wir
+also die Gleichnisse nicht richtig zu verstehen vermögen, kann
+dies nur daran liegen, dass wir das <em class="gesperrt">Geheimnis des Leidensgedankens</em>
+falsch auffassen.</p>
+
+<p>Nun ist es die Eigentümlichkeit aller modern-historischen
+Abendmahlsauffassungen, dass sie in der Feier <em class="gesperrt">den eschatologischen
+Gedanken</em> nicht zur Geltung bringen. Sie verwenden
+das Wort von dem Neutrinken in des Vaters Reich nicht
+als eine das Wesen jenes letzten Mahls mitkonstituierende Aussage,
+sondern machen daraus bestenfalls ein Anhangswort.</p>
+
+<p>Im Markustext nimmt es aber eine Hauptstellung ein. Es ist das mit
+erhobener Stimme feierlich und eindringlich gesprochene Schlusswort
+der Feier. Dabei hängt es mit dem Wort vom vergossenen Blut eng und
+unzertrennlich zusammen, so dass es mit ihm einen einzigen Gedanken zu
+bilden scheint. <em class="gesperrt">Diese enge Verbindung zwischen dem
+Todes- und Wiederkunftsgedanken ist charakteristisch für den zweiten
+Akt der Situation bei Markus.</em></p>
+
+<p>Demselben Zusammenhang begegnen wir aber auch bei
+Paulus und zwar in beiden Akten. Nach ihm &mdash; und er beruft
+sich dabei ausdrücklich auf den historischen Hergang &mdash; besteht
+die Bedeutung des Essens und Trinkens irgendwie in der Verkündigung
+des Todes des Herrn zugleich mit der Erwartung
+seiner Parusie. &bdquo;So oft ihr dieses Brot esset und diesen
+Wein trinket, verkündigt ihr den Tod des Herrn, bis dass er
+komme.&ldquo;</p>
+
+<p>In der authentischen Relation der historischen Feier und in
+der ältesten Relation der Gemeindefeier haben wir also beidemal
+eine organische Verbindung zwischen dem Leidensgedanken und
+der eschatologischen Erwartung. Es ist daher falsch, das Wesen
+der Feier in der letzten Aussprache des Todesgedankens allein
+zu finden. <em class="gesperrt">Nicht von seinem Tod, sondern von seinem
+Tod und der baldigen Wiedervereinigung mit ihnen
+beim Mahle im neuen Reich</em> hat Jesus zu den Seinen geredet.
+Das Geheimnis seines Todes, welches bei dieser Feier in
+<span class="pagenum"><a name="Seite_62" id="Seite_62">62</a></span>
+der ergreifendsten und erhebendsten Weise zum letztenmal von
+Jesus ausgesprochen wurde, enthält den Leidensgedanken im
+engsten Zusammenhang mit der eschatologischen Erwartung.</p>
+
+<p>Die modern-historischen Abendmahlsauffassungen sind also
+unhistorisch, weil der Leidensgedanke, mit dem sie operieren,
+keinen Zusammenhang mit der Eschatologie aufweist. Darum
+können sie den wesentlichen Grundzug der historischen Feier
+und der ältesten Gemeindefeier nicht zum Ausdruck bringen.
+Um das Wesen des letzten Mahles zu begreifen, bedarf es daher
+eines Einblicks in den eschatologischen Charakter des Leidensgeheimnisses
+Jesu. Diesen kann man nicht aus der Feier selbst
+gewinnen, da Jesus dort das Geheimnis im Gleichnis ausspricht.
+Das Gleichnis aber vermögen wir nicht zu deuten.</p>
+
+<p><em class="gesperrt">Beim letzten Mahl handelt Jesus als Messias,
+und zwar als leidender Messias.</em> Wenn wir sein Handeln
+nicht verstehen, so liegt dies mithin daran, dass wir sein Messianitäts-
+und Leidensgeheimnis falsch verstehen. Das Abendmahl
+kann nur aus dem Zusammenhang des Lebens Jesu begriffen
+werden. Unsere Abendmahlsauffassungen sind falsch &mdash; <em class="gesperrt">also
+ist die Auffassung des Lebens Jesu, welche uns dazu
+geführt hat, auch falsch.</em></p>
+
+<p>Das Abendmahlsproblem ist das Problem des Lebens Jesu!
+Eine neue Abendmahlsauffassung kann nur aus einer neuen Auffassung
+des Lebens Jesu hervorwachsen, welche das Messianitäts-
+und Leidensgeheimnis so enthält, dass sein feierliches Handeln
+beim letzten Mahle begreiflich und verständlich wird. <em class="gesperrt">Ein neues
+Leben Jesu:</em> das ist der einzige Weg zur Lösung des Abendmahlsproblems.</p>
+</div>
+<hr class="full" />
+<div class="transnote">
+<h2>
+<a id="Anmerkungen_zur_Transkription"></a>Anmerkungen zur Transkription:</h2>
+
+<p>Die erste
+Zeile entspricht dem Original, die zweite Zeile enthält die Korrektur.</p>
+
+<p>S. <a href="#Seite_xv">XV</a>:</p>
+<ul>
+<li>3. Das Ergebnis des Textkritik</li>
+
+<li>3. Das Ergebnis <span class="u">der</span> Textkritik</li>
+</ul>
+<p>S. <a href="#Seite_13">13</a>:</p>
+
+ <ul><li>Vergleiche zum folgenden den verhängnisvollen Vortrag</li>
+ <li>Vergleiche zum <span class="u">Folgenden</span> den verhängnisvollen Vortrag</li></ul>
+<p>S. <a href="#Seite_17">17</a>:</p>
+<ul>
+<li>sondern
+auf einer eschatologichen Vorstellung vom Endmahl</li>
+
+<li>sondern
+auf einer <span class="u">eschatologischen</span> Vorstellung vom Endmahl</li>
+</ul>
+
+<p>S. <a href="#Seite_25">25</a>:</p>
+<ul><li>wenn der Fall an sie herantritt, im stande seien, ihrerseits
+ihre Seele</li>
+<li>wenn der Fall an sie herantritt, <span class="u">imstande</span> seien, ihrerseits
+ihre Seele</li></ul>
+
+<p>S. <a href="#Seite_54">54</a>: </p>
+<ul>
+<li>τοῦτο τὸ ποτήριον ἡ καινὴ διαδήκη ἐν τῷ αἵματί μου</li>
+
+<li>τοῦτο τὸ ποτήριον ἡ καινὴ <span class="u">διαθήκη</span> ἐν τῷ αἵματί μου</li>
+</ul>
+</div>
+
+
+
+
+
+
+
+<pre>
+
+
+
+
+
+End of the Project Gutenberg EBook of Das Abendmahl im Zusammenhang mit dem
+Leben Jesu und der Geschichte des Urc, by Albert Schweitzer
+
+*** END OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK DAS ABENDMAHL IM ZUSAMMENHANG ***
+
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+Project Gutenberg-tm work, and (c) any Defect you cause.
+
+
+Section 2. Information about the Mission of Project Gutenberg-tm
+
+Project Gutenberg-tm is synonymous with the free distribution of
+electronic works in formats readable by the widest variety of computers
+including obsolete, old, middle-aged and new computers. It exists
+because of the efforts of hundreds of volunteers and donations from
+people in all walks of life.
+
+Volunteers and financial support to provide volunteers with the
+assistance they need are critical to reaching Project Gutenberg-tm's
+goals and ensuring that the Project Gutenberg-tm collection will
+remain freely available for generations to come. In 2001, the Project
+Gutenberg Literary Archive Foundation was created to provide a secure
+and permanent future for Project Gutenberg-tm and future generations.
+To learn more about the Project Gutenberg Literary Archive Foundation
+and how your efforts and donations can help, see Sections 3 and 4
+and the Foundation information page at www.gutenberg.org
+
+
+Section 3. Information about the Project Gutenberg Literary Archive
+Foundation
+
+The Project Gutenberg Literary Archive Foundation is a non profit
+501(c)(3) educational corporation organized under the laws of the
+state of Mississippi and granted tax exempt status by the Internal
+Revenue Service. The Foundation's EIN or federal tax identification
+number is 64-6221541. Contributions to the Project Gutenberg
+Literary Archive Foundation are tax deductible to the full extent
+permitted by U.S. federal laws and your state's laws.
+
+The Foundation's principal office is located at 4557 Melan Dr. S.
+Fairbanks, AK, 99712., but its volunteers and employees are scattered
+throughout numerous locations. Its business office is located at 809
+North 1500 West, Salt Lake City, UT 84116, (801) 596-1887. Email
+contact links and up to date contact information can be found at the
+Foundation's web site and official page at www.gutenberg.org/contact
+
+For additional contact information:
+ Dr. Gregory B. Newby
+ Chief Executive and Director
+ gbnewby@pglaf.org
+
+Section 4. Information about Donations to the Project Gutenberg
+Literary Archive Foundation
+
+Project Gutenberg-tm depends upon and cannot survive without wide
+spread public support and donations to carry out its mission of
+increasing the number of public domain and licensed works that can be
+freely distributed in machine readable form accessible by the widest
+array of equipment including outdated equipment. Many small donations
+($1 to $5,000) are particularly important to maintaining tax exempt
+status with the IRS.
+
+The Foundation is committed to complying with the laws regulating
+charities and charitable donations in all 50 states of the United
+States. Compliance requirements are not uniform and it takes a
+considerable effort, much paperwork and many fees to meet and keep up
+with these requirements. We do not solicit donations in locations
+where we have not received written confirmation of compliance. To
+SEND DONATIONS or determine the status of compliance for any
+particular state visit www.gutenberg.org/donate
+
+While we cannot and do not solicit contributions from states where we
+have not met the solicitation requirements, we know of no prohibition
+against accepting unsolicited donations from donors in such states who
+approach us with offers to donate.
+
+International donations are gratefully accepted, but we cannot make
+any statements concerning tax treatment of donations received from
+outside the United States. U.S. laws alone swamp our small staff.
+
+Please check the Project Gutenberg Web pages for current donation
+methods and addresses. Donations are accepted in a number of other
+ways including checks, online payments and credit card donations.
+To donate, please visit: www.gutenberg.org/donate
+
+
+Section 5. General Information About Project Gutenberg-tm electronic
+works.
+
+Professor Michael S. Hart was the originator of the Project Gutenberg-tm
+concept of a library of electronic works that could be freely shared
+with anyone. For forty years, he produced and distributed Project
+Gutenberg-tm eBooks with only a loose network of volunteer support.
+
+Project Gutenberg-tm eBooks are often created from several printed
+editions, all of which are confirmed as Public Domain in the U.S.
+unless a copyright notice is included. Thus, we do not necessarily
+keep eBooks in compliance with any particular paper edition.
+
+Most people start at our Web site which has the main PG search facility:
+
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+
+This Web site includes information about Project Gutenberg-tm,
+including how to make donations to the Project Gutenberg Literary
+Archive Foundation, how to help produce our new eBooks, and how to
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+
+
+</pre>
+
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