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authorRoger Frank <rfrank@pglaf.org>2025-10-14 20:12:53 -0700
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+The Project Gutenberg EBook of Das Nationaltheater des Neuen Deutschlands.
+Eine Reformschrift, by Eduard Devrient
+
+This eBook is for the use of anyone anywhere at no cost and with
+almost no restrictions whatsoever. You may copy it, give it away or
+re-use it under the terms of the Project Gutenberg License included
+with this eBook or online at www.gutenberg.org
+
+
+Title: Das Nationaltheater des Neuen Deutschlands. Eine Reformschrift
+
+Author: Eduard Devrient
+
+Release Date: April 19, 2012 [EBook #39480]
+
+Language: German
+
+Character set encoding: ISO-8859-1
+
+*** START OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK NATIONALTHEATER--NEUEN DEUTSCHLANDS ***
+
+
+
+
+Produced by Thorsten Kontowski, Karl Eichwalder, La Monte
+H.P. Yarroll and the Online Distributed Proofreading Team
+at http://www.pgdp.net (This book was produced from scanned
+images of public domain material from the Google Print
+project.)
+
+
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+
+[Transcriber's Note: Original language and spelling variations have not
+been standardized (e.g. blos, Erkenntniß, datirt, obenein). Original
+emphasis by =letter spacing= has been marked here with =equal= signs
+(e.g. seines =eignen= Vortheils); changes in font from Fraktur to
+_Antiqua_ have been indicated by _underscores_ (e.g. Ludwig XIV. gab dem
+_théâtre français_ die erste Verfassung). In the publisher's name J. J.
+Weber, the initials probably expand to Johann Jacob.
+
+Zur Transkription: Die Wortwahl und Schreibweisen des Originals wurden
+beibehalten (z.B. blos, Erkenntniß, datirt, obenein). Hervorhebungen im
+Original durch =gesperrten= Druck wurden hier mit =Gleichheitszeichen=
+dargestellt (z.B. seines =eignen= Vortheils); der Wechsel von Fraktur
+zur _Antiquaschrift_ wurde mit _Unterstrichen_ angedeutet (z.B. Ludwig
+XIV. gab dem _théâtre français_ die erste Verfassung). Die Abkürzung im
+Verlagsnamen J. J. Weber steht wohl für Johann Jacob.]
+
+
+
+
+Das
+
+Nationaltheater
+
+des
+
+Neuen Deutschlands.
+
+Eine Reformschrift
+
+von
+
+Eduard Devrient.
+
+Leipzig,
+
+Verlag von J. J. Weber.
+
+1849.
+
+
+
+
+[I.]
+
+
+Das preußische Cultusministerium hat mich durch den Auftrag geehrt, ihm
+meine Ansichten mitzutheilen: welche Gestaltung dem Theater zu geben
+sei, um es, zu einem gedeihlichen Wirken, in Uebereinstimmung mit den
+übrigen Künsten zu setzen.
+
+Dieser Auftrag hat mich zur Abfassung der vorliegenden Schrift
+veranlaßt. In dem Glauben, daß sie von zeitgemäßem und allgemein
+deutschem Interesse sei, übergebe ich sie hiermit der Oeffentlichkeit.
+
+Dresden, im December 1848.
+
+ =Eduard Devrient.=
+
+
+
+
+[II.]
+
+
+Noch in keinem Momente des Völkerlebens ist die höhere Sendung der
+Künste zur Veredlung des Menschengeschlechtes so leuchtend
+hervorgetreten, hat sich noch nie zu so kräftiger, tiefgreifender
+Wirkung angeboten, als in der großen Wendung unserer Tage.
+
+Schule und Kirche, die bisher allein anerkannten Erziehungsstätten, sind
+einem Streite verfallen, der noch langehin ein heftiges Sträuben des
+mündig gewordenen Volkes gegen jeden fühlbaren Zwang erhalten wird. Was
+kann daher willkommener sein, als die sanfte Gewalt der Künste, die es
+allein vermag, die Gemüther zu beschwichtigen, in rein menschlichem
+Antheil die Herzen aller Parteien zu vereinigen, durch unmerklichen
+Zwang wieder Achtung vor Sitte, Friede und stillem Glück zu verbreiten,
+auf diesem heitren Wege die Geister wieder den strengen
+Erziehungsstätten zuzuführen und der großen, gemeinsamen Begeisterung
+für eine neue, edle Freiheit des Völkerlebens den höchsten Schwung und
+den schönsten Ausdruck zu verleihen!
+
+Ueberall muß es daher als ein Zeugniß sorgsamer Staatsweisheit anerkannt
+werden, wo die Organisation des Kunsteinflusses auf das Volksleben von
+der Landesregierung in thätigen Angriff genommen wird.
+
+Daß unter allen Künsten keine von so allgemeiner und volksthümlicher
+Wirkung ist, als die Schauspielkunst, bedarf hier keiner Beweisführung,
+die tägliche Erfahrung liefert sie. Keine Kunst wird also in dem Maße
+die Aufmerksamkeit der Staatsgewalt verdienen, so wie keine einer
+Organisation so dringend bedürftig ist, welche sie mit allen anderen
+höheren Culturmitteln des Staates in Uebereinstimmung setzt, als die
+Schauspielkunst.
+
+Faßt man ihre rein künstlerische Wichtigkeit in's Auge, so drängt sich
+als ihre wesentliche Eigenheit hervor: daß sie alle übrigen Künste
+umfaßt; sie erhebt sich auf allen anderen und wird so zur Spitze der
+Pyramide; sie ist die Kunst der Künste.
+
+Plastik, Malerei, Dichtkunst, Musik, Redekunst, Mimik und Tanzkunst
+sammelt sie in den gewaltigen Brennpunkt unmittelbaren Lebens, und
+dieser trifft in eine versammelte Menge, wo die Gemeinsamkeit des
+Antheils das Feuer des Enthusiasmus um so mächtiger entzündet.
+Wenngleich daher die schon vollendeten Werke der übrigen Künste, welche
+der Schauspielkunst zum Stoffe dienen, dabei an ihrer Selbständigkeit
+einbüßen müssen, so macht dennoch keine Kunst für sich schlagendere
+Wirkungen, als von der Bühne herab.
+
+Wie dringend nothwendig ist es also, daß die Schauspielkunst endlich in
+den Kreis der akademischen Bildung aufgenommen werde, damit ihre
+drastischen Wirkungen eine grundsätzliche Uebereinstimmung mit den
+übrigen Künsten gewinnen!
+
+Die Bühne vermag den Schönheitssinn, des Volkes sowohl als der Künstler,
+in die größte Verwirrung zu bringen, sie vermag ihn aber auch zu heben
+und zu reinigen. Daß so viel Unpoetisches, Unmusikalisches und
+Unmalerisches auf der Bühne Glück macht, bleibt ein unablässig
+fortwirkendes Moment der Verführung und Corruption für Dichter,
+Musiker, Maler und Bildhauer; dagegen hat an die einzelnen, im rechten
+Geiste gelungenen Erscheinungen der Bühne sich von jeher eine Kette der
+fruchtbringendsten Anregungen geknüpft. =Die Fähigkeit der
+Schauspielkunst: den wohlthätigsten Einfluß auf die übrigen Künste, also
+auf den Kunstsinn überhaupt, zu äußern, ist außer Zweifel, es muß daher
+als Pflicht erkannt werden: diese Fähigkeit zum wesentlichen Zweck der
+Bühne zu erheben.=
+
+Und nun, den Einfluß auf die =Sittlichkeit= in's Auge gefaßt, welche
+Kunst übt ihn stärker, als die der Bühne? -- Der Gegenstand ist zu oft
+erörtert worden, als daß es nöthig wäre, ihn hier noch einmal
+aufzunehmen; wer damit unbekannt ist, sei zunächst auf Schiller's
+Vorlesung: »die Schaubühne, als eine moralische Anstalt betrachtet«,
+verwiesen.
+
+Gewiß ist -- das gestehen selbst die Feinde der Bühne nicht nur zu,
+sondern sie machen es als ihre größte Gefahr geltend -- daß die
+Schauspielkunst die gewaltigsten Wirkungen auf das Volk hervorbringt.
+Starke Wirkungen aber sind entweder wohlthätig oder nachtheilig,
+gleichgültig können sie nicht sein. Wenn also die Bühne den Geschmack
+und die Versittlichung nicht =fördert=, so muß sie ihnen =schaden=;
+=unabweisbar wird daher die Verpflichtung für den Staat sein: sich der
+Wirkung seiner Schaubühnen zu vergewissern, dafür zu sorgen, daß sie die
+Bahn seiner Grundsätze über Volkscultur innehalten=.
+
+Daß dies bisher nicht, oder nur sehr lau und mangelhaft geschehen ist,
+der Einfluß der Bühne daher oft in den schreiendsten Widerspruch mit den
+Staatsmaximen gerathen,[1] das liegt ebenso vor Aller Augen, als daß die
+Schauspielkunst noch immer ganz außerhalb des Kreises einer, mit den
+übrigen Künsten übereinstimmenden Bildung sich bewegt; ganz außerhalb
+der Kettenglieder, welche die Regierungen zur Versittlichung und
+Veredlung des Volkes so sorgfältig ineinanderfügen.
+
+ [1] Mit welchem strengen Eifer hat z. B. der Staat den neuen
+ socialen Theorien entgegenzuwirken und die Achtung vor der Ehe,
+ der Familie und allen Gliederungen der gesellschaftlichen Ordnung,
+ welche daraus hervorgehen, aufrecht zu erhalten gesucht, während
+ die Theaterrepertoire -- die der Hofbühnen keinesweges
+ ausgeschlossen -- von Stücken wimmelten, in denen die Heiligkeit
+ der Ehe verhöhnt, die Familienpietät lächerlich gemacht, ja eine
+ förmliche Verherrlichung der Nichtswürdigkeit getrieben wird!
+
+Die Forderung, diesem Zustande ein Ende zu machen, dem deutschen Theater
+eine andere, grundsätzliche Basis und Einrichtungen zu geben und es
+dadurch in Stand zu setzen: seine künstlerische und sociale Bestimmung
+zu erfüllen, ist seit lange schon laut genug geworden. Sie wird bei der
+Bewegung unserer Zeit immer lauter und ungestümer, sie wird unabweislich
+werden und sich natürlich zunächst gegen die bedeutendsten,
+tonangebenden Theater richten, die reich dotirt, den höheren Forderungen
+des Volksgeistes am ehesten zu entsprechen verpflichtet erscheinen.
+
+Es sind die =Hoftheater=.
+
+In ihrer Entstehung rühmlich für die Fürsten und wohlthätig für Kunst,
+sind sie im Verlaufe der Zeit -- wie dies allen menschlichen
+Einrichtungen begegnet -- von ihrer ursprünglichen Bestimmung
+abgewichen; ihre heutige Erscheinung entspricht ihrer ersten Idee nicht
+mehr.
+
+Als in der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts die deutschen Höfe
+sich ernstlich und dauernd der vaterländischen Schauspielkunst annahmen,
+repräsentirten die Fürsten noch alle Staatsgewalt. Es war der Staat,
+welcher durch sie der wandernden Kunst heimische Stätten, Anerkennung,
+Schutz und Unterstützung gab. Fürsten waren es, der edle Kaiser Joseph
+II. an der Spitze, welche den höheren Staatszweck der Bühne thatsächlich
+proklamirten. Kaiser Joseph gab seiner Hofbühne den Namen und die
+Grundsätze eines =Nationaltheaters=, er erklärte: es solle keine andere
+Bestimmung haben, als =zur Verbreitung des guten Geschmacks und zur
+Veredlung der Sitten zu wirken=.[2] Fast überall folgten Höfe und
+Magistrate des Kaisers Beispiele, die Nationaltheater wurden allgemein
+und die Schauspielkunst gewann eine bewunderungswürdig rasche und
+nationale Entwickelung, weil sie ihr in einer gewissen Freiheit und
+Selbständigkeit gegönnt war. Die Höfe nämlich übten im Allgemeinen nur
+Schutz und Oberaufsicht über ihre Theater aus, die künstlerische
+Thätigkeit wurde fort und fort von künstlerischen Directoren geleitet.
+Ja Kaiser Joseph erkannte die Nothwendigkeit der Selbstregierung der
+Künstler so vollständig an, daß er dem Wiener Nationaltheater eine ganz
+republikanische Verfassung gab, deren Grundsätze in Mannheim unter
+Dalberg eine denkwürdige Fortbildung fanden.[3]
+
+ [2] Das Genauere über diesen geschichtlichen Moment ist in meiner
+ »Geschichte der deutschen Schauspielkunst« (Leipzig 1848, bei J.
+ J. Weber) im II. B. zu finden. Ich muß mich hier und fernerhin auf
+ dies Buch beziehen, weil es bis jetzt das einzige über diesen
+ Gegenstand ist.
+
+ [3] Gesch. der deutsch. Schauspielkunst II. B., S. 402, und III.
+ B., S. 16.
+
+Aus solchem Geiste und unter solchem Schutze wuchs die deutsche
+Schauspielkunst, geführt von Meistern, wie Eckhoff, Schröder, Iffland,
+zu der kräftigen Reife, welche unter Schiller's und Goethe's Einfluß
+ihre poetische Vollendung erhielt.
+
+Als aber nach dem Wiener Congreß die Höfe den alten Glanz wieder
+gewannen, neue Theater in den Residenzen errichtet, die bestehenden in
+größeren Flor gebracht wurden, da veränderte sich Stellung und
+Organisation der Bühnen wesentlich.
+
+Die Verbreitung der constitutionellen Regierungsform trennte die
+Staatsgewalten, der Fürst vertrat nicht mehr allein den Willen der
+Nation; indem also die Höfe das Theater an sich behielten, gab der
+Staat, gab die Nation stillschweigend den Anspruch auf, den sie bisher
+daran zu haben glaubten.
+
+Es war ganz folgerichtig, daß der Name »=Nationaltheater=« überall dem
+Titel »=Hoftheater=« Platz machen mußte und Kaiser Joseph's Principien
+aufgegeben wurden. Da die Höfe immer reichlichere Geldmittel für die
+Bühnen bewilligten, so wollten sie diese auch ganz in ihrem Sinne
+verwendet sehen und dehnten daher die Verantwortung der Hofintendanten
+über den ganzen Umfang der theatralischen Leistungen aus. So kam es
+denn, daß fast überall die künstlerischen Directionen -- selbst die
+eines =Goethe= -- der neuen Ordnung der Dinge weichen mußten und die
+Hofintendanten in die falsche Stellung geriethen: die specielle
+künstlerische Leitung der Bühne zu übernehmen. =Das Bureau wurde nun der
+Mittelpunkt der Kunstthätigkeit.=
+
+Diese Veränderung der Theaterorganisation erwies sich viel tiefer
+greifend, als man wohl vorausgesehen hatte. Die dramatische Kunst war
+dadurch nicht nur dem Staatsinteresse entfremdet, auch die
+unausweichbare Nothwendigkeit ihres inneren Verfalles war damit
+ausgesprochen.
+
+Eine Kunst, die sich nur in Totalwirkungen vollendet, kann den
+Sammelpunkt einer künstlerischen Direction schlechterdings nicht
+entbehren. Der einige Geist, welcher in der Uebereinstimmung aller
+Theile lebendig werden soll, kann nur aus innerstem, praktischen
+Verständniß der Kunstthätigkeit selbst hervorgehen. =Der Schauspielkunst
+die künstlerische Direction nehmen, hieß: ihr das Herz ausschneiden.=
+
+Umsonst haben die Intendanten, theils mit Talent, meistens mit gutem
+Willen und redlichem Eifer das Naturwidrige ihrer Stellung zu überwinden
+gesucht; es konnte nicht gelingen. Erwägt man, wie mannichfache
+specielle Kenntnisse, Fähigkeiten und Erfahrungen für die Leitung eines
+Theaters erforderlich sind, so ist es leicht zu begreifen, daß diese
+nicht bei Männern gefunden werden können, welche, bis dahin
+Kammerherren, Hofmarschälle, Oberstall- oder Oberjägermeister, Officiere
+u. s. w. gar keine Veranlassung gehabt hatten irgend einem dieser
+Erfordernisse genug zu thun. Zwar hat man geglaubt, dem Wesen der Kunst
+hinlänglich Rechnung zu tragen, indem dem nichtsachverständigen Director
+die sachverständigen Regisseure zur Seite gestellt blieben, denen das
+augenfällig Technische der Leitung und die Abhaltung der Proben u. s.
+w. überlassen ist; =in diesem Irrthume aber liegt eben der eigentliche
+Knotenpunkt der Verwirrung unseres heutigen Theaterwesens=.
+
+Die Leistungen der Bühnenkunst sollen einheitliches Leben haben, darum
+verträgt ihre Leitung keine Theilung der Gewalt. Indem die
+wesentlichsten Bestimmungen: Wahl, Besetzung und Ausstattung der
+aufzuführenden Werke, Zusammensetzung des Kunstpersonals durch
+Anstellungen und Entlassungen, Urlaube, Gastrollen u. dergl. vom
+Intendanten, wohl auch von höheren Verfügungen, abhängig sind, bleibt
+der Regie nur ein beschränkter und durchaus bedingter Kreis des Wirkens,
+in welchem sie keine absolute Verantwortung für das Gelingen der
+Kunstwerke übernehmen kann, weil alle Vorbedingungen dazu nicht in ihren
+Händen liegen. Rühmend muß es anerkannt werden, daß einige Intendanten
+durch Anstellung von Oberregisseuren oder Dramaturgen der künstlerischen
+Autorität eine größere Ausdehnung gegeben und eine Annäherung an die
+alten Zustände bewirkt haben, in welchen die Intendantur nur
+Oberaufsicht und administrative Gewalt ausübte; aber es ist auch nur
+eine Annäherung. So lange die Intendanten noch für alle Einzelheiten
+der theatralischen Thätigkeit verantwortlich gelten, können sie sich
+auch der Bestimmung über dieselben nicht entschlagen, und so muß, bei
+diesen bestgemeinten Einrichtungen, der Nachtheil kreuzender Anordnungen
+ebenfalls lähmend für die Ausführung bleiben.
+
+Das Theater soll lebendige Kunstwerke schaffen, seine Thätigkeit muß
+also eine organische, von =einem= Lebenspunkte ausgehende sein. Die
+ganze complicirte Kette der Maßregeln, welche bis zum Aufsteigen des
+Vorhanges nothwendig sind, darf =eine= Hand nur halten, wenn das Werk in
+Einheit zur Erscheinung kommen soll; und das muß die Hand eines
+Sachverständigen sein. Nur der versteht aber eine Sache, der sie ausübt.
+=Halbheit in der Machtvollkommenheit der künstlerischen Leitung,
+Einmischung kunstfremder Gewalten muß nothwendig Halbheit und
+Zerfahrenheit in ihre Resultate bringen.=
+
+Nicht glücklicher ist die Hofintendanz in anderer Beziehung gestellt;
+die innere Selbständigkeit, welche sie der Kunst entzog, gewann sie
+nicht für sich, ja sie gerieth in Abhängigkeit, da, wo sie absolut zu
+herrschen unternommen hatte. Außerdem immer im Gedränge der
+widersprechendsten Forderungen: hier den Wünschen des Hofes zu genügen,
+dort den Forderungen der höhern Bildung der Nation, entgegen denen der
+bloßen rohen Vergnügungslust der Menge, unvermögend sich auf eine dieser
+Parteien mit Sicherheit zu stützen, unausgesetzt im Schaukelsystem: es
+bald hier, bald dort recht zu machen -- mußte sie es zuletzt mit Allen
+verderben. Zum Ueberfluß noch verantwortlich gegen eine Oberbehörde,
+(das Hausministerium) die, ihrer Natur nach blos verwaltend, für das
+Kunstinstitut nur den Geldmaßstab haben kann, überwuchs die Verlegenheit
+um vortheilhafte Kassenabschlüsse zuletzt fast alle übrigen, und so
+sehen wir alle, so reich dotirten Hoftheater in unausgesetzter
+ängstlicher Bemühung um die Einnahme. Der Zuschuß aus Staatsmitteln
+scheint seinen eigentlichen Zweck: =die Kunst unabhängig zu machen=, gar
+nicht zu erfüllen; er hat die Kassenverlegenheit nur auf größere
+Zahlenverhältnisse gebracht, hat den vornehmen Hofbühnen dieselbe
+plebejische industrielle Richtung der Privatunternehmungen gegeben. In
+stetem Kreislaufe von hazardirten Ausgaben und kleinlicher Noth sie
+wieder zu decken, erinnert man sich kaum zu welchem höhern Zweck sie
+eigentlich in Bewegung gesetzt werden? Das Mittel ist zum Zweck geworden
+und der Zweck (die Kunst) zum Mittel; das Theater scheint lediglich eine
+Anstalt für den Geldumsatz zu sein.
+
+Consequent war es da freilich, daß man auf den Gedanken gerieth:
+administrativen Capacitäten müsse die Leitung des Theaters übergeben
+werden; der Mann der Ersparnisse galt nun für den wünschenswerthesten
+Intendanten. Man hatte vergessen, daß ein Theater für jeden
+festzustellenden Etat zu führen ist, daß es nicht darauf ankommt: wie
+viel oder wie wenig =ausgegeben=, sondern was für das Ausgegebene
+=geleistet= wird, und daß nur der Sachverständige für den möglichst
+geringen Preis das möglichst Beste herzustellen vermag. Die
+Controllansicht der Hausministerien siegte, die Höfe bemühten sich um
+die Wette den knappsten Haushalter zum Intendanten zu machen. Mit diesem
+Experimente büßte die Hofintendanz ihren unbestreitbaren Vorzug ein: den
+einer würdigen, achtunggebietenden Haltung, einer edlen, kunstbelebenden
+Liberalität. Mehr als ein Hoftheater ist, bei solcher Umwandlung, an
+Würde, Anstand und künstlerischem Geiste tief herabgekommen, obenein
+ohne die goldenen Hoffnungen auf Kassenüberschüsse erfüllt zu sehen.
+
+Daß dieser Zustand unhaltbar geworden, daß die Mission der Hofintendanz
+an ihr Ziel gelangt sei, ist eine allgemeine Ueberzeugung; es fragt sich
+nur: was an deren Stelle gesetzt werden soll?
+
+Es fehlt nicht an Stimmen, welche jede Unterstützung des Theaters
+verwerfen und verlangen: es solle ganz frei gegeben, d. h. sich selbst
+und der Concurrenz der Privatunternehmung überlassen werden; es solle
+aus eigener Kraft bewähren: was es werden und was es der Nation nützen
+könne.
+
+Aus dieser Forderung spricht eine untergeordnete Anschauung der Kunst
+überhaupt: =Alles, was die Menschheit bilden und veredeln soll, muß vom
+Staate gestützt, vom bloßen Erwerbe unabhängig gemacht werden; das gilt
+von der Kunst, wie von der Schule und der Kirche.= Die Concurrenz ist in
+unsern Tagen, selbst in ihrer Anwendung auf die Gewerbe, verdächtig
+geworden, und sicherlich birgt sie ein so starkes Moment der Verführung
+zu schlechten Hülfsmitteln, daß sie von den Maßregeln zur Hebung der
+Künste ein für allemal ausgeschlossen sein sollte. Privatindustrie, in
+Pachtverhältnissen wie in selbständigen Unternehmungen, kann, bei den
+Bedingungen unserer Zeit, dem Theater kein höheres Gedeihen bringen;
+=ohne den Rückhalt kräftiger Geldunterstützung, welche den Bühnen
+Unabhängigkeit von der geldbringenden Menge sichert, ist ihre Führung
+nach reinen Grundsätzen unmöglich=. Die Erfahrungen der Geschichte und
+unsere täglichen Erlebnisse beweisen es, daß alle Bühnen, welche auf
+Selbsterhaltung angewiesen sind, kleine und große, den Kampf der reinen
+Kunstrichtung gegen die Forderungen der materiellen Existenz nicht
+bestehen können. Männer wie Schröder selbst sind ihm unterlegen, auch
+seine Direction zielte zuletzt nur auf Gewinn.
+
+Befreit aber soll die Kunst allerdings werden, befreit von allen
+Bedingungen, die ihrer Natur zuwider sind, unter denen die erste die der
+unbedingten Abhängigkeit vom Erwerbe ist. Frei auf sich selbst und ihre
+hohe Bestimmung: =den Menschen die Menschheit darzustellen, dem Volke
+das Leben der Völker abzuspiegeln=, soll die dramatische Kunst gestellt
+werden. Unabhängig von der Herrschaft des Geschmacks einzelner
+Standesschichten, seien es die höchsten, seien es die niedrigsten, nur
+auf die Vernunft und den besseren Willen der Nation gestützt, soll sie
+die Opposition gegen das wandelbare Urtheil der Massen halten können,
+eine unbestechliche Priesterschaft der Wahrheit und des Adels der
+menschlichen Natur.
+
+Diese Freiheit aber der Schaubühne kann nur auf dem Boden einer höheren
+Gesetzlichkeit stehen, einer ernsten Verpflichtung zur Treue gegen ihre
+Bestimmung. Streng gehalten muß sie werden: der Nation zu leisten, was
+diese berechtigt ist von ihr zu fordern.
+
+Kein Zweifel also, =daß die Staatsregierung selbst die Schaubühnen des
+ganzen Landes unter ihre Oberleitung nehmen muß=, daß dasjenige
+Ministerium, welches die Erziehung und Veredlung des Volkes zur Aufgabe
+hat, welches Religion, Wissenschaft und Kunst -- diese dreieinige
+Beglaubigung unserer höhern Natur -- in ihrem Zusammenwirken überwacht,
+nicht länger säumen darf sich auch der Schauspielkunst zu bemächtigen.
+
+Nehme Niemand Anstoß an der frivolen Miene, die noch die Bühne unserer
+Tage zeigt und die sie der Verbindung mit Schule und Kirche unwerth zu
+machen scheint; ihrer inneren Natur nach ist Schauspielkunst zu hohen
+Dingen bestimmt, bei allen Völkern war sie die Trägerin des
+ursprünglichen Gottesdienstes. =Auch muß durch diese einzige Maßregel:
+die Bühne zur Staatsanstalt zu erklären, unausbleiblich ihre ganze
+Beschaffenheit sich verwandeln.=
+
+Soll aber die Grundlage der nothwendigen Theaterreform in Uebertragung
+der Oberleitung, von der unverantwortlichen Autorität des Hofes auf die,
+dem Lande verantwortliche, der Regierung, bestehen, so darf dabei doch
+nicht aus den Augen gelassen werden: was die Hoftheater der Kunst
+genützt haben, damit diese Vortheile einem neuen Zustande der Dinge
+möglichst erhalten werden. Allen Glanz, alle Sicherstellung und Würde,
+alle äußere Vervollkommnung und Achtung verdankt das Theater dem Schutze
+und der Intimität der Höfe. Ohne das bisherige Verhältniß der
+Zugehörigkeit würde kein Theater so hoch dotirt, würden die Ansprüche
+des Publikums daran nie so hoch gesteigert worden sein. Auch hat der
+gewähltere Geschmack der höheren Gesellschaft allem künstlerischen
+Streben nach Adel, Feinheit, Grazie und Eleganz, den derberen
+Forderungen des großen Publikums gegenüber, einen wichtigen Rückenhalt
+dargeboten. Alles dies darf künftig nicht verloren gehen.
+
+Nicht nur die bisherigen Geldzuschüsse, auch der permanente Antheil des
+Hofes muß dem Theater erhalten bleiben.
+
+Der hin und wieder laut gewordene Vorschlag: das Theater lediglich zur
+Landessache zu machen und dem Fürsten anheim zu geben, seine Logen darin
+zu bezahlen -- wie dieß in Frankreich und England üblich -- ist
+unbedingt und aus Staatsprincip zurückzuweisen. In jedem wahrhaften
+Nationalinstitute muß der Erste der Nation, der Träger der Majestät des
+Volkes, ohne alle Bedingung zu Haus sein, und sein Interesse an der
+Kunst zu nähren muß ein Antrieb des Ehrgeizes bleiben.
+
+Allerdings wird es selbst politisch consequent sein, in dieser Zeit,
+welche die Fürsten von Verantwortung frei zu machen trachtet, den Höfen
+auch die für das Theater -- dessen Oeffentlichkeit unablässige Angriffe
+jedes Einzelnen herausfordert -- abzunehmen; aber damit darf doch, zum
+Vortheil der Kunst, das Protectorat der Fürsten nicht aufgegeben werden.
+
+Der Landesfürst hat nur die Organe seines Willens zu wechseln, anstatt
+Hofbeamten, die von seiner Willkür abhängig, die Oberleitung des
+Theaters Staatsbeamten zu übergeben, die außer ihm auch dem Lande
+verantwortlich sind.
+
+Der jetzige Moment ist entscheidend. Die Umgestaltung unserer
+staatlichen und bürgerlichen Verhältnisse muß auch das Theater
+ergreifen; es kann nicht anders sein, denn das Theater ist zu jeder Zeit
+das kleine Spiegelbild des großen Außenlebens gewesen. Jetzt kommt es
+darauf an: was es dem Vaterlande werden soll?
+
+Wie vor hundert Jahren alle Stimmen die Höfe um Schutz für die
+heimathliche Kunst anriefen, wie es als eine That ruhmwürdigen
+Patriotismus gepriesen wurde, wenn ein Fürst seinen Mantel über ein
+Nomadenhäuflein deutscher Comödianten ausbreitete, so blicken die
+Freunde der Kunst und des Vaterlandes jetzt wieder auf die Fürsten,
+verhoffend: sie werden die erste Wohlthat durch die zweite,
+großmüthigere vollenden, sie werden den verweichlichenden Gnadenmantel
+zurückschlagen und den üppig aufgeschossenen Pflegling ihrer Gunst in
+die ernste Pflicht: =der höheren Wohlfahrt des Volkes dienstbar zu
+sein=, entlassen.
+
+
+
+
+[III.]
+
+
+Nun aber die praktische Ausführung dieser tiefgreifenden Theaterreform!
+Was ist zu thun, wenn sie den angekündigten Zwecken entsprechen soll?
+
+Hier meine Vorschläge:
+
+Der Landesfürst überträgt dem Ministerium für Cultus, Wissenschaft u.
+Kunst, neben der Oberaufsicht über die Institute für Musik und bildende
+Künste -- Conservatorien, Akademien, Museen -- auch die über die
+bisherigen Hoftheater. Er gewährt die Uebertragung der Summen, welche
+die Hofkasse bisher jährlich zur Erhaltung des Theaters zugeschossen,
+auf die Staatskasse. Alle Unterstützungen und Vortheile, welche andre
+Theater des Landes von Staats wegen genießen, so wie die Aufsicht über
+dieselben, welche bis jetzt meistentheils von dem Ministerium des
+Innern ausgeübt worden, alles dieß wird ebenfalls in die Hand des
+Cultusministeriums gelegt, =so daß die Staatspflege aller Kunst im
+ganzen Lande durch eine Abtheilung dieses Ministeriums vollkommen
+vertreten und ihr organisches Leben gesichert ist=.
+
+Der Beamte, dem die Generaldirection der Landesbühnen übertragen wird,
+braucht keine specielle Kenntniß vom Theaterwesen zu besitzen; -- er
+soll sich in die künstlerische Thätigkeit nicht mischen -- ein
+ästhetisch gebildeter Sinn, das genaue Verständniß dessen, was die Bühne
+für die höhere Volksbildung zu leisten habe, ein richtiger
+administrativer Ueberblick werden die Erfordernisse für dieses Amt sein.
+Eine würdige persönliche Repräsentation wird die Wirksamkeit dieses
+Beamten wesentlich unterstützen. Erleichtern wird es die Theaterreform,
+wenn bisherige Hofintendanten von geeigneten Fähigkeiten, in dieses
+Ministerialamt eintreten. In welcher Weise dasselbe auf die eigentliche
+Theaterdirection einzuwirken hat, wird sich aus der Organisation
+derselben ergeben.
+
+Die Residenztheater sind es, welche die nächste und hauptsächlichste
+Aufmerksamkeit in Anspruch nehmen; nichts darf versäumt werden, um
+ihnen eine wahre Mustergültigkeit zu verleihen. Ihre künstlerische
+Verfassung wird am wesentlichsten dazu wirken.
+
+ * * * * *
+
+Die bisherigen =Hoftheater= erhalten unter dem Namen: =Nationaltheater=
+eine =von künstlerischen Vorständen gebildete, selbständig
+abgeschlossene, der Landesregierung verantwortliche Direction=.
+
+Dieselbe besteht aus den Vertretern derjenigen Künste, welche den
+wesentlichen Kern der Dramatik ausmachen: Dichtkunst, Musik und
+Schauspielkunst; also aus einem =Theaterdichter= und =Schriftführer=
+(dem bisherigen Theatersecretair), einem =Kapellmeister= und einem
+=darstellenden Künstler=.
+
+=Diese drei Männer berathen und beschließen= -- mit Hinzuziehung der
+weiter unten zu besprechenden Vorstände zweiten Ranges -- =über alle
+Angelegenheiten des Theaters=; aber =Einem unter ihnen steht die
+endliche Entscheidung in allen Beschlüssen und ihre Ausführung mit
+vollkommener Gewalt und unter seiner alleinigen Verantwortlichkeit zu=.
+
+Weil nun die Schauspielkunst diejenige ist, in welche alle übrigen
+aufgehen, weil es auf sie ankommt: was die Dicht- und Musikwerke von der
+Bühne herab wirken, weil sie in letzter Instanz für Alles verantwortlich
+sein muß, was auf der Bühne geschieht, so wird auch die Direction des
+Theaters nur dann naturgemäß organisirt sein, wenn =ein darstellender
+Künstler an ihrer Spitze= steht.
+
+Man pflegt gegen die Direction eines Schauspielers vielfache Bedenken
+geltend zu machen. Man sagt: er mißbrauche gewöhnlich seine Macht zur
+Befriedigung der, dem Schauspieler nahe liegenden Rollensucht, säe
+dadurch Mißtrauen und Zwietracht im Personal, benachtheilige wohl auch
+dadurch die Wirkung der Darstellungen.
+
+Wahr ist es, fast alle Schauspielerdirectoren in der ganzen
+Kunstgeschichte haben diesen Vorwurf verschuldet. Aber da jede Direction
+ihre Mängel haben wird, so ist dieser, gegen den unermeßlichen Vorzug
+einer kunstverständigen Leitung, sehr gering anzuschlagen; wird auch
+zudem, aus Rollensucht der übrigen Schauspieler, gewöhnlich übertrieben
+angegeben. Den Meistern =Eckhof=, =Schröder=, =Iffland= u. A., obschon
+sie manche Rolle, die ihnen nicht zukam, sich aneigneten, hat dennoch
+die deutsche Kunst ihr erstaunlich rasches Wachsthum zu danken.
+Uebrigens ist in der Organisation des Theaters ein hinlängliches
+Gegengewicht gegen egoistische Uebergriffe aufzustellen, wie die weitern
+Vorschläge zeigen werden.
+
+Ferner macht man den Einwand geltend: die erforderliche Bildung und
+Charakterwürde sei unter den Schauspielern zu selten anzutreffen, um dem
+Stande die Selbstregierung überall anvertrauen zu können.
+
+Der Vorwurf ist, in seiner Anwendung wenigstens, unbegründet. An jeder
+irgend bedeutenden Bühne wird ein darstellender Künstler zu finden sein,
+der hinlänglich befähigt ist, die Direction -- wenn auch nicht tadellos
+-- jedenfalls besser zu führen, als sie bisher von Nichtschauspielern
+geführt worden ist. Ein Fortschritt also wäre der Bühne damit jedenfalls
+garantirt, selbst bei dem gegenwärtigen Bildungsstande. Dieser aber wird
+sich durch Einführung künstlerischer Directionen erstaunlich schnell
+verändern. Die Directionstalente unter den Schauspielern, seit 30 Jahren
+niedergehalten und vom Steuer entfernt, weil sie der Bureauherrschaft
+unbequem sein mußten, werden sich wieder erheben, die Bühne, zur
+Staatsanstalt erklärt, wird immer mehr an Mitgliedern aus den gebildeten
+Ständen gewinnen, es werden Talente, welche vielleicht, wegen
+mangelhafter Begabung, auf der Bühne nicht die größten Erfolge zu
+erlangen vermögen, andere von vorherrschender Verstandesrichtung, sich
+mehr auf Ausbildung der künstlerischen =Einsicht= legen, und wenn sie
+einen Weg praktischer Entwicklung in der Theaterorganisation offen
+finden, eine Vervollkommnung erlangen, wie wir sie ähnlich in andern
+Künsten bei Talenten antreffen, die vortrefflich als Lehrer und
+Directoren, in ihren Werken selbst aber nicht bedeutend sind. Und diese
+Entwicklung wird man um so geduldiger abwarten können, als bei der
+vorgeschlagenen Directionseinrichtung von dem Schauspielerdirector nicht
+aller Verstand und alle Einsicht allein gefordert wird, weil ihm die, in
+den Berathungen gleichberechtigten musikalischen und literarischen
+Vorstände zur Seite stehen, hier also der =Geist= der dramatischen Kunst
+und die =praktische Ausführbarkeit= sich lebendig durchdringen können.
+
+Man hat vielfach der Direction eines Dichters vor der eines
+Schauspielers den Vorzug gegeben um der höhern Bildung willen, welche
+sein Beruf ihm aneignet, die Directionen von Goethe, Schreyvogel
+(West), Klingemann und Immermann scheinen diesen Vorzug zu
+rechtfertigen; und wo es zur Zeit nicht möglich sein sollte, einem
+Schauspieler das volle Directionsvertrauen zu schenken, dagegen, was
+selten genug der Fall sein wird, der Theaterdichter besonders
+vorragendes schauspielerisches und praktisches Talent zeigen sollte, mag
+man ausnahmsweise den Literaten an die Spitze stellen.
+
+Der Natur der Dinge wird es immer widersprechen, und der Mißstand, den
+dies erzeugt, ist jederzeit, auch bei den besten Literaten-Directionen,
+hervorgetreten. Wie der Dichter den geistigen Stoff hergiebt in der
+Dramatik, der Schauspieler aber ihm Gestalt und sinnliches Leben
+verleiht, =so muß auch bei der Leitung der Kunst im Ganzen der Dichter
+die berathende Stimme haben, die künstlerische Praxis aber das letzte
+Wort behalten=.
+
+ * * * * *
+
+Die Frage: wie der künstlerische Vorstand gefunden, wie die bis jetzt
+unerkannten Directionstalente unter den Schauspielern hervorgezogen
+werden sollen? muß sich wiederum aus der Natur und dem Wesen der Kunst
+beantworten.
+
+Das Wesen der Schauspielkunst aber ist vollkommene Vergesellschaftung
+=Aller=, mit Erhaltung der Eigenheit des =Einzelnen=. Sie fordert
+gänzliche Hingebung an den Gesammtvortheil der Totalwirkungen, fordert
+Selbstverläugnung in einer Thätigkeit, welche Ehrgeiz und Eitelkeit am
+gewaltigsten aufregt, fordert, daß der Einzelne die Befriedigung seines
+=eignen= Vortheils in der Befriedigung des =allgemeinen= finde, =die
+Schauspielkunst fordert also republikanische Tugend in höchster Potenz=.
+
+Um diese zu wecken und zu pflegen bedarf das Theater folgerichtig auch
+republikanischer Einrichtungen. Diese Erkenntniß datirt nicht etwa aus
+den politischen Bewegungen unserer Tage, schon die absolutesten
+Herrscher haben ihr gemäß gehandelt. Ludwig XIV. gab dem _théâtre
+français_ die erste Verfassung, die Napoleon späterhin ausbildete.
+Joseph II. führte eine ähnliche am Wiener Nationaltheater ein. Dalberg
+in Mannheim, Schröder in Hamburg u. A. m. nahmen ihre Grundsätze auf. Es
+ist also nichts Neues, wenn das Theater eine künstlerische
+Selbstregierung durch Vertretung, und aus freiem Vertrauen gewählte
+Vorstände erhält, es ist eine Nothwendigkeit, die sich aus tausend
+Hemmungen und Mißhelligkeiten in der Theaterpraxis ergiebt. Denn es sind
+nicht blos mechanische Verrichtungen, welche von dem Personal -- selbst
+dem untergeordneten -- gefordert werden, der gute Wille, der lebendige
+Antheil an der gemeinsamen Sache, die eifrige Betheiligung müssen
+überall das Beste thun. Dies Alles aber ist nicht zu erlangen, wenn
+nicht jeder Einzelne fühlt, daß er wirklichen Theil hat an dem
+organischen Leben des Institutes, dem er angehört, wenn die Führer nicht
+Männer des allgemeinen Vertrauens sind.
+
+Darum muß die Gliederung der verschiedenen Körperschaften im Personale
+festgestellt und der Grundsatz der =Wahl= von Vertretern und Führern,
+von unten auf geltend gemacht werden; die Direction wird dadurch
+erleichtert und vereinfacht.
+
+Die Mitglieder des =Orchesters=, des =Chors= und des =Balletts= wählen
+sich alljährlich =Ausschüsse= von drei bis fünf Männern etwa. Bei Chor
+und Ballett übernehmen diese das bereits eingeführte Geschäft der
+Inspicienten, handhaben Ordnung in Vorübungen, Proben und Vorstellungen
+u. s. w.; alle aber vertreten ihre Körperschaft der Direction
+gegenüber, bei Wahl von Vorständen, bei Verwaltung gemeinsamer Kassen
+und in Streit- und Beschwerdesachen. Zum Theil besteht diese Einrichtung
+bereits an einigen Bühnen, sie bedarf aber grundsätzlicher Regelung.
+
+Diese Ausschüsse mit ihren Vorständen -- Kapellmeister, Musikdirector
+und Conzertmeister, Chordirector und Ballettmeister -- treten mit
+sämmtlichen darstellenden Mitgliedern, männlichen und weiblichen,
+zusammen[4] und =wählen den Künstler, dem sie die meisten Fähigkeiten
+zutrauen, die Ehre und Würde des Institutes zu fördern=, durch
+mindestens zwei Drittel Mehrheit der Stimmen, =zum Director=.
+
+ [4] Obwohl die darstellenden Mitglieder ebenfalls einen
+ vertretenden Ausschuß haben müssen, von dem nachher die Rede sein
+ wird, so betheiligen sie sich doch bei der Wahl des Directors
+ =unmittelbar=, weil jeder Einzelne in unmittelbarer Beziehung zu
+ diesem steht. Die übrigen Genossenschaften, Orchester, Chor und
+ Ballett, stehen größtentheils nur in ihrer Gesammtheit -- da sie
+ in dieser nur wirken -- in Bezug zum Director, darum wählen sie
+ nur als Genossenschaft durch Vertretung. Auch würde ihre
+ Stimmenüberzahl ein unrichtiges Betheiligungsverhältniß ergeben.
+
+Dem Ministerium steht es zu, die Wahl zu bestätigen.
+
+Man darf sich überzeugt halten, daß der rechte Mann auf diese Weise
+gefunden wird. Wie gering man auch den allgemeinen Bildungsstand der
+Theatermitglieder anschlagen mag, was zu ihrem Fache taugt, verstehen
+sie besser, als irgend sonst Jemand, und wo es sich um Ehre und Gedeihen
+des Theaters handelt, wird persönliche Parteilichkeit die Freiheit des
+Urtheils nicht mehr benachtheiligen, als dies bei anderen Wahlen
+geschieht.
+
+Dem Ministerium sowohl, als den künstlerischen Ausschüssen steht es
+frei: Wahlcandidaten, auch von andern Bühnen, vorzuschlagen.
+
+Eine Dauer der Amtsführung kann im Voraus nicht vorgeschrieben werden,
+ein Theaterdirector kann so wenig, als ein Staatsminister, auf
+Lebenszeit oder auf eine bestimmte Anzahl von Jahren eingesetzt werden.
+Es muß ihm freistehen, den Posten aufzugeben, wenn er Muth, Kraft und
+Lust dazu verliert, -- was in diesem Amte schneller, als in jedem
+anderen geschieht, -- aber es muß auch möglich sein, ihn des Postens zu
+entheben, wenn er stumpf wird, ohne es zu merken, oder er dem Vertrauen
+der Kunstgenossenschaft und der Regierung nicht entspricht.
+
+Diese Enthebung darf aber nur -- um Gewaltsamkeit oder Intrigue zu
+entwaffnen -- in derselben Weise, wie die Wahl geschehen, durch Beschluß
+des Ministeriums und der zwei Drittel Mehrheit der Stimmberechtigten.
+
+Der austretende Director -- wenn nicht Straffälligkeit ihn aus der
+Genossenschaft entfernt -- nimmt seine frühere Stellung im Personale,
+oder diejenige ein, welche auf diesen Fall mit dem Ministerium
+verabredet worden. Es leuchtet ein, daß das Ministerium überhaupt in
+jedem einzelnen Falle mit dem gewählten Director über die Bedingungen
+der Annahme übereinkommen muß. Dazu ist aber die dringende Warnung
+auszusprechen: den Director der Residenztheater in keiner Weise bei den
+Einnahmen zu betheiligen. Er darf niemals persönlichen Gewinn, sondern
+nur die Ehre und Würde des Institutes im Auge haben.
+
+Die Stellung des Directors wird sich erst übersehen lassen, wenn die
+ganze Organisation des Theatervorstandes klar ist.
+
+ * * * * *
+
+=Der Kapellmeister in der Direction hat die Verantwortung für das
+gesammte Musikwesen des Theaters zu übernehmen.= Ihm sind die übrigen
+Orchesterdirigenten, so wie der Chorlehrer untergeben, mit deren Beirath
+er über Anstellungen, Verabschiedungen und Pensionirungen im Orchester,
+über Wahl, Reihefolge und Ausführung der Musikwerke Vorschläge zu
+machen, und sobald diese durch die Direction zum Beschluß erhoben
+worden, für Betreibung des Studiums und für die Vollkommenheit der
+Ausführung zu sorgen hat.
+
+Der Kreis dieser Wirksamkeit wird bereits an vielen Bühnen von dem
+Kapellmeister beherrscht, darum würden die in Amt befindlichen fast
+überall für die neue Organisation passen. Es gälte nur: den Umfang ihrer
+Machtvollkommenheit und also ihrer Verantwortlichkeit zweifellos
+festzustellen und da, wo die musikalischen Angelegenheiten in
+verschiedenen Händen liegen, sie in einer einzigen zu centralisiren. Wo
+zwei gleichberechtigte Kapellmeister im Amte sind, müßte der eine dem
+anderen untergeordnet oder die Directionsgewalt jährlich abwechselnd in
+ihre Hand gelegt werden, bis ein Personenwechsel über diese Auskunft
+hinweghilft. Denn unverrückt muß an dem Grundsatze festgehalten werden,
+daß die Verantwortung überall in eine einzige Person auslaufe, damit die
+so geregelten einzelnen Kreise schnell und gelenkig für den allgemeinen
+Zweck bewegt werden können.
+
+Diese Einrichtungen dürfen natürlich nur in Uebereinkunft mit dem
+Director getroffen werden, weil derselbe sich mit dem musikalischen
+Mitdirector in grundsätzlicher Uebereinstimmung fühlen muß. Wenn daher
+die Stelle des Kapellmeisters neu zu besetzen ist, so muß der Director
+sich mit der Aufstellung der Candidaten, welche das Ministerium oder der
+musikalische Ausschuß, neben den von ihm selbst vorzuschlagenden,
+präsentiren will, einverstanden erklären.
+
+=Die Ernennung eines neuen Kapellmeisters geschieht durch Wahl der
+musikalisch Betheiligten= mit zwei Drittel Stimmenmehrheit und
+Bestätigung der Regierung. Stimmberechtigt sind -- in Analogie mit der
+Wahl des Directors -- die Sänger und Sängerinnen der Oper, die übrigen
+musikalischen Vorstände und die Ausschüsse des Orchesters[5] und des
+Chors.
+
+ [5] Ob man alle Orchestermitglieder für stimmberechtigt erklären
+ will, muß lokalen Bestimmungen überlassen bleiben.
+
+Ob die Anstellung auf Zeit oder auf Lebensdauer geschehen soll, wird von
+den Bedingnissen jedes einzelnen Falles abhängen. Zu erwägen ist nur,
+daß der Rücktritt, lediglich von der Theilnahme an der Direction, nur da
+möglich ist, wo ein zweiter Kapellmeister dafür einzutreten vorhanden
+ist.
+
+ * * * * *
+
+Der =Theaterdichter= und =Schriftführer= -- man mag ihn auch =Dramaturg=
+nennen -- hat, wie herkömmlich, für das Bedürfniß der Bühne an
+Gelegenheitsgedichten, Bearbeitungen, Abänderungen, Verbesserungen der
+Operntexte u. s. w. zu sorgen, auch die Bureaugeschäfte und
+Correspondenz zu führen, so weit ihm letztere nicht vom Kapellmeister
+und Director erleichtert wird. Seine wesentliche Aufgabe aber wird sein,
+=die Literatur, den Geist der Dramatik zu vertreten=. Er soll von dieser
+Seite her immer neue Anregungen geben, damit die Direction sich nicht
+einer blos herkömmlich theatralischen Richtung und den gewöhnlichen
+Tagesforderungen hingebe. Er soll also der wichtigste Rathgeber des
+Directors sein in Allem, was die höhere Bedeutung der Bühne berührt;
+besonders also in der Wahl der aufzuführenden dramatischen Werke. Er
+soll den Director vornehmlich unterstützen: im Kunstpersonale ein
+allgemeines Bildungsbestreben zu wecken und zu nähren. Durch Anregungen
+aller Art, durch Vorträge, Regelung der Lectüre, Aufsicht über
+Vervollständigung und Benutzung der Theaterbibliothek in diesem Sinne,
+durch bereite Auskunft über wissenschaftliche Fragen, durch Vermittelung
+eines innigen Verkehrs mit literarischen Capacitäten und eines
+Zusammenhanges mit den Vereinen dramatischer Autoren -- deren Bildung
+durch die Reorganisation des Theaters gewiß angeregt werden wird -- soll
+er den Geist des Institutes heben und erweitern.
+
+Daß dieser Posten von der allergrößten Wichtigkeit, leuchtet ebensowohl
+ein, als daß die meisten zur Zeit fungirenden Theatersecretaire -- die
+ebensowohl beim Post- oder Steuerfache angestellt sein könnten -- diesen
+Forderungen nicht entsprechen werden; diese Stelle wird also bei einer
+Bühnenreform fast überall neu besetzt werden müssen.
+
+Aus einer Wahl kann dieses Mitglied der Direction nicht hervorgehen,
+weil keine wahlberechtigte Körperschaft dazu vorhanden ist.[6] Die
+darstellenden Mitglieder können in ihrer Mehrheit kein Urtheil über
+seine Befähigung haben, auch sind sie in dienstlicher Beziehung nicht
+dergestalt von ihm abhängig, daß er der Mann ihres Vertrauens sein
+müßte. Es wird genügen, wenn die Majorität des Ausschusses der
+darstellenden Künstler der Ernennung beistimmt, welche vom Ministerium,
+in Uebereinkunft mit den beiden andern Directionsmitgliedern,
+vorgenommen wird.
+
+ [6] Bis jetzt existiren keine Vereine dramatischer Autoren, denen
+ eine corporative Vertretung beizumessen wäre und denen man darum
+ eine Betheiligung bei der Wahl dieses Vertreters der dramatischen
+ Literatur zumuthen könnte.
+
+ * * * * *
+
+Dieser =Ausschuß der darstellenden Künstler= ist für die
+Gesammtorganisation überhaupt von großer Wichtigkeit.
+
+Gleich den Musikern, Choristen und Tänzern erwählt alljährlich das
+darstellende Personal, Herren und Damen, einen Ausschuß von mindestens
+fünf Männern, darunter wenigstens je zwei aus Oper und Schauspiel.
+
+Von diesen Vertrauensmännern des Personals hat der Director sich die
+=Regisseure= zu seinen künstlerischen Mitarbeitern zu wählen. Im Fall
+längerer Krankheit oder Abwesenheit eines derselben ernennt der Director
+aus den übrigen Ausschußmitgliedern einen =Stellvertreter=. Die
+Entfernung eines Regisseurs von seinem Posten muß natürlich in der
+Gewalt des Directors stehen, doch hat er sich mit dem übrigen Ausschusse
+deshalb zu benehmen.
+
+In ähnlicher Weise, d. h. unter Beirath der betreffenden Ausschüsse,
+werden =alle Vorstände zweiten Ranges= eingesetzt:
+=Orchesterdirigenten=, =Chordirector=, =Ballettmeister=. Diese können
+natürlich nicht aus Vertrauensmännern ernannt werden, welche das
+Personal bezeichnet, weil sie oft von andern Theatern berufen werden
+müssen, immerhin aber wird es wichtig sein, daß die Direction
+verpflichtet sei: sich der Zustimmung des betreffenden Ausschusses zu
+versichern, damit das unentbehrliche Moment des ausgesprochenen
+Vertrauens zu allen Vorständen die ganze Bühnenverfassung durchdringe.
+
+Der, nach Wahl zweier Regisseure mindestens aus drei Personen bestehende
+Ausschuß der darstellenden Künstler wird in dieser Zahl jährlich neu
+gewählt, wenn nicht der Austritt eines oder beider Regisseure eine
+Ergänzungswahl nöthig macht.
+
+Der Ausschuß der drei Künstler ist, wie bei den andern Genossenschaften,
+Vorstand der Almosen-, Pensions- und Wittwenkassen u. s. w., zugleich
+aber übt er die Vertretung des Kunstpersonals der Direction gegenüber.
+Er wird dadurch zum Mittelgliede der Ausgleichung für die
+entgegenstehenden Interessen, die sich so oft in der Theaterpraxis
+geltend machen. In vielen Streitfällen, welche nach dem Buchstaben der
+Theatergesetze nicht, sondern nur nach dem Urtheile Sachverständiger zu
+entscheiden sind, bei Beschwerden über parteiische Rollenvertheilung,
+über Beeinträchtigung künstlerischer Rechte, welche durch kein
+geschriebenes Wort zu sichern sind, hingegen auch bei bestrittenen
+Ansprüchen der Direction wird das Hinzutreten des Ausschusses zu
+denjenigen Vorständen, in deren Gebiet der Fall schlägt, eine Jury
+bilden, welche dem Ausspruche eine größere Unparteilichkeit verleihen
+muß. Alle Gesetze, Ordnungs- und Strafverfügungen, Entlassungen wegen
+Dienstvergehungen oder gröblicher Vernachlässigung -- welche auch
+lebenslänglich Angestellten nicht erspart werden dürfen -- werden, unter
+Mitwirkung des Ausschusses erlassen, eine gerechtere Anerkennung
+erlangen und verdienen. Der Ausschuß, die Interessen des Personals
+vertretend und zugleich auf der Schwelle der Direction stehend, wird das
+Gleichgewicht zwischen dem allgemeinen und dem Einzelinteresse am
+sichersten halten können. Und was noch überaus wichtig ist, der Ausschuß
+wird eine Vorbereitungsstufe abgeben für die Directionstalente, die
+rascher als bisher in die künstlerischen Aemter eintreten werden, wenn
+sie sich auszeichnen, weil die kräftigere Bewegung, welche die
+Selbstregierung in den Genossenschaften hervorbringen muß, die
+abgenutzten Vorstände nicht lange an der Spitze dulden, überhaupt die
+Hemmnisse der Anciennetät, des Rollenmonopols u. s. w. beseitigen wird.
+
+Vor Allem aber muß diese allgemeine Betheiligung an der künstlerischen
+Selbstregierung das eine wichtigste Lebenselement der Schauspielkunst
+stärken, das der =künstlerischen Gesinnung=, des =Gesammtgeistes=. Das
+selbstsüchtige Sonderinteresse einzelner Talente, durch hervorragende
+Fähigkeiten und durch geschickte und dreiste Ausbeutung der bisherigen
+Verhältnisse, fast an allen Hofbühnen zu einer Gewalt gelangt, die das
+allgemeine Gedeihen schlechterdings unmöglich macht, dieser
+Krebsschaden des heutigen Theaterwesens, der die beste Lebenskraft der
+Institute zur Beute der Eitelkeit und Eigensucht weniger Bevorrechteter
+macht, kann nur durch die Gesundheit und Kräftigung der gesammten
+Körperschaft geheilt werden. Entweder werden die Theatermatadore durch
+eine edlere Richtung der Bühne zu einer edlen Hingebung an die
+Herrschaft des Gemeinwesens der Kunst bewogen, oder ihre Anmaßung wird
+durch die gehobene Gesinnung der Kunstgenossen beschämt und
+niedergehalten werden. Dies wird um so eher geschehen, als das
+Sonderinteresse sich nicht mehr in dem Mißbrauch der Hofgunst nähren
+wird, die Direction dagegen, auf bestimmte Staatsgrundsätze gestützt und
+dem Lande verantwortlich, das allgemeine Interesse dem einzelnen
+gegenüber energischer wird vertreten können und müssen.
+
+ * * * * *
+
+Bei einer solchen Bühnenverfassung wird die Direction -- aus dem
+besonnenen Vertrauen der Genossenschaft hervorgegangen, deren beste
+Einsicht sie repräsentirt -- an und für sich stark sein, aber die
+Oberbehörde darf sie auch in keiner Machtvollkommenheit beschränken,
+welche es ihr möglich macht, die ganze Verantwortung für die Leistungen
+der Bühne zu übernehmen und dem Personal gegenüber die vollkommenste
+Autorität zu behaupten.
+
+Von der künstlerischen Direction müssen daher alle =Anstellungen=,
+=Verabschiedungen=, =Beurlaubungen= und =Pensionirungen= abhängig sein.
+Dem Ministerium bleibe die Bestätigung, damit Ueberschreitungen im
+Ausgabeetat oder Uebereilungen vermieden werden. Die Beurtheilung aber
+und Entscheidung über die Zusammensetzung des Personals muß der
+Direction durchaus anheim gegeben werden. Ebenso hat sie allein über die
+Zulässigkeit der =Gastspiele= zu entscheiden; wobei ihr nur zur Pflicht
+gemacht werden muß, dem allgemein eingerissenen tief verderblichen
+Mißbrauche derselben zu steuern, der die Geldmittel der Theater
+vergeudet, das künstlerische Ensemble untergräbt, das vereinzelte
+Virtuosenspiel bei den Künstlern und das Vergnügen daran bei dem
+Publikum hervorruft, auch dessen Neuigkeitsgier und Parteinahme
+steigert.
+
+Der Direction muß ferner die Entscheidung über =Wahl und Reihenfolge der
+aufzuführenden Werke=, die =Rollenbesetzung=, =Ausstattung= in
+=Decorationen= und =Costüm=, die Aufstellung des =Repertoirs= überlassen
+sein. Daß ein verderblicher Eigenwille sich in den Entscheidungen des
+Directors geltend machen werde, ist nicht zu fürchten, weil alle Dinge
+mit den übrigen Vorständen berathen werden müssen, der Director nur der
+Erste unter Gleichen, er auch der Ueberwachung und zuletzt der Anklage
+bei der Ministerialdirection von Seiten des Ausschusses ausgesetzt ist.
+
+Mit unbeschränkter Gewalt soll aber der künstlerischen Führung die Kunst
+zurückgegeben, der Mittelpunkt ihrer Thätigkeit aus dem Bureau wieder
+auf den Regieplatz in's Proscenium der Bühne, wo er naturgemäß liegt,
+versetzt werden. =Die künstlerische Arbeit sei wieder die Hauptaufgabe
+der Theaterdirection.=
+
+Dabei aber darf sie, ebensowenig wie von der Ministerialdirection, von
+der Einmischung des Ausschusses beeinträchtigt werden. An der
+regelmäßigen Geschäftsführung darf demselben kein Theil zustehen, die
+schon so complicirte Theaterpraxis würde sonst in babylonische
+Verwirrung gerathen, der Ausschuß würde dadurch ein integrirender Theil
+der Direction werden und seinen Charakter als Vertreter der
+Genossenschaft, der Direction =gegenüber=, einbüßen.
+
+Die Stärke der Theaterdirection soll aber keinesweges den Einfluß der
+Staatsbehörde ausschließen. Die Direction -- abgesehen von ihrer später
+zu besprechenden administrativen Abhängigkeit -- hat alle ihre Pläne,
+vorhabenden Einrichtungen und vorzubereitenden Arbeiten, vierteljährlich
+etwa, dem Ministerialdirector vorzulegen, damit er sich überzeuge, ob
+das Institut die Staatstendenzen innehalte.
+
+Ferner ist das Ministerium in allen Streitsachen letzter und oberster
+Gerichtshof, sowohl in Differenzen zwischen Direction und Untergebenen,
+als zwischen den Mitgliedern der Direction selbst, oder in Klagen gegen
+dieselbe von Seiten der Autoren, des Publikums u. s. w., sie mögen sich
+nun auf materielle Forderungen oder auf solche, welche den Geist des
+Institutes betreffen, richten.
+
+ * * * * *
+
+Die Aufgaben, welche dem so reformirten Nationaltheater gestellt werden
+müssen, sind nicht gering.
+
+Vor allem thut es Noth, ein =Stammrepertoir= der bedeutendsten Dicht-
+und Musikwerke aufzustellen, das in alljährlicher Wiederkehr die
+Künstler in der Uebung am Vortrefflichen erhält, dem Volke den Genuß
+seines Kunstschatzes in Musteraufführungen sichert, ihm den ganzen
+Entwicklungsproceß des Theaters zugleich klar macht und ihm Ehrfurcht
+für das, was es leistet, einflößt.[7]
+
+ [7] Was Goethe davon sagt, siehe Geschichte der deutschen
+ Schauspielkunst B. III. S. 379-382.
+
+Auf einem Nationaltheater soll keine Woche vergehen, in welcher nicht
+eins der Werke aus diesem klassischen Cyklus gegeben wird. Jedes
+kirchliche oder politische Fest, jeder für die Nation merkwürdige Tag --
+bezeichne er eine große Begebenheit oder die Geburt eines großen
+Künstlers u. s. w. -- werde durch eine entsprechende Vorstellung
+gefeiert und in die Sympathie der Gegenwart gezogen. Auch die wichtigen
+Ereignisse des Tages sollen ihren Ausdruck auf der Nationalbühne finden;
+sie soll nicht bestimmt sein, die Eindrücke des Lebens vergessen zu
+machen, sondern dem Volke ein höheres und heiteres Verständniß derselben
+zu eröffnen.
+
+Um all dieser Zwecke willen wird dem Nationaltheater die =Ermuthigung
+und Befeuerung der Autoren= dringend angelegen sein müssen. Auffordernde
+Anregungen aller Art, angemessenere Regulirung des Honorars, Eröffnung
+einer achtungsvollen Stellung zur Bühne -- wie sie den Schöpfern der
+geistigen Nahrung derselben gebührt -- werden die nächsten Schritte dazu
+sein.
+
+Dagegen fordert gerade die Achtung vor der Autorschaft, daß eine strenge
+Auswahl unter den Tageserzeugnissen vorgenommen, das Mittelmäßige und
+Schlechte nicht gleichberechtigt mit dem Guten betrachtet werde. Es
+fordert die Achtung und Rücksicht für die darstellenden Künstler, daß
+ihre Kraft und ihr Eifer nicht durch die Beschäftigung mit
+nichtsbedeutenden Arbeiten abgestumpft werden. Es fordert die Achtung
+vor dem Publikum: daß man es sicher stelle gegen die Langeweile an der
+Darstellung von Arbeiten, wie sie zufällig einlaufen und worüber dem
+Publikum hinterher das Urtheil überlassen wird. Die Direction ist dazu
+eingesetzt, ein Urtheil im Voraus zu haben und dem Publikum nur wahrhaft
+Erfreuendes oder Begeisterndes anzubieten, nicht aber das Vertrauen zu
+täuschen, mit dem das Volk sein Theater betritt, nicht die Kräfte und
+Mittel, die es ihr zur Verwendung übergiebt, aus persönlicher Rücksicht
+oder Furcht vor Journalartikeln abgewiesener Autoren zu vergeuden. Die
+Direction eines Nationaltheaters soll ihre Bühne nicht zum Tummelplatz
+für bloße Neuigkeiten und unreife Versuche eröffnen, dagegen sie mit
+aller Hingebung den werthvollen Arbeiten anbieten und das Interesse der
+Autoren bei der Darstellung zu ihrem eigenen machen.
+
+Die ganze Praxis der künstlerischen Leitung hier zu besprechen, ist
+weder zulässig noch nöthig, einige Momente aber scheinen mir anregender
+Erwähnung zu bedürfen.
+
+So wird unter Allem, was für die möglichste Vollendung der Darstellungen
+geschehen muß, auf das =Malerische= derselben eine größere Sorgfalt, als
+sie bisher in Deutschland üblich, zu wenden sein.
+
+Die =Decorationen= werden meist auf einzelne Bestellung, bald hier bald
+dort, oder doch von verschiedenen Malern gefertigt. Natürlich entsteht
+dadurch die größte Ungleichartigkeit. Werden auch die auffallendsten
+Mißgriffe dabei vermieden, so sieht man doch selten die Decorationen ein
+und desselben Stückes in übereinstimmender Farbe und Behandlungsart. Oft
+sieht man in ein und derselben Scene Prospect, Coulissen und Setzstücke
+von dreifach grell verschiedener Manier. Hierin Uebereinstimmung zu
+schaffen, die richtige Unterordnung der Farbe bei den Decorationen
+überhaupt einzuführen, genügt aber nicht allein, auch auf die Farben der
+=Costüme= und ihre Stimmung zum Hintergrunde der Handlung sollte
+Aufmerksamkeit gewendet werden. Das ganze Gebiet der Theatertracht
+bedarf im Allgemeinen einer gründlichen Regelung. Bei den wenigsten
+Bühnen sind Costümiers angestellt, Unkenntniß, Laune, Geschmacklosigkeit
+und Putzsucht erzeugen daher das grundsatzloseste, bunteste
+Durcheinander, das für jedes einigermaßen gebildete Auge eine wahre
+Beleidigung ist.
+
+Costümier und Decorateur müssen also in genauem Einverständniß gehalten
+werden. Wo es die Verhältnisse gestatten, muß ihnen der Rath großer
+malerischer Capacitäten gewonnen werden; wie denn überhaupt mit den
+Höchstbefähigten in Literatur, Plastik, Musik, auch aller Wissenschaft,
+die sonst der Bühne dienen kann, die Verbindung mehr gesucht und
+unterhalten werden muß, als es bisher der Fall war. Zu diesen Zwecken
+müssen die Theatervorstände zugleich Mitglieder der Kunstakademie sein.
+Auch wird die ministerielle Gesammtleitung aller Künste dem Theater
+große Unterstützung verschaffen, sich von allen Künsten das Beste
+anzueignen, sich stets mitten in der Strömung allseitigen Lebens zu
+halten, um so in seinen Werken der Nation das Trefflichste bieten zu
+können.
+
+Ihre Eigenheit dabei zu bewahren, wird freilich eine neue Aufgabe der
+Schauspielkunst und ihrer Leitung sein. Indem sie aber von Allen
+entlehnt, das Entlehnte jedoch anders und frei benutzt, werden in ihr
+auch die übrigen Künste ihr eignes Wesen schärfer erkennen; sie wird so
+den Kreis der akademischen Künste erst verständigend abschließen.
+
+Selbständig muß die Theaterdirection sich durchaus erhalten, unabhängig
+von allen Forderungen, in deren Erfüllung die einzelnen Künste sich
+selbst gern auf dem Theater fänden. Die Schauspielkunst muß wissen, was
+sie auszuführen vermag, und darum Alles abweisen was sie nicht lebendig
+machen kann. Sie muß die Productionen der andern Künste zu verwenden
+wissen, nicht aber sich ihnen dienstbar machen. Gleichweit von
+theatralischer Herkömmlichkeit, wie von unfruchtbaren Experimenten, hat
+sie den schwierig einzuhaltenden Weg einer unablässigen Fortentwicklung
+und Bereicherung der Kunst in den Grenzen ihrer eigensten Natur zu
+finden.
+
+Um dies ausführen zu können, wird die Direction es aber auch nicht an
+Anregungen zur =Bildung= und zum =Kunstverständniß des Personals= fehlen
+lassen dürfen. Was die Eckhof'sche Schauspielerakademie,[8] die
+Manheimer Ausschußsitzungen,[9] der Berliner Schauspielerverein in der
+neuern Zeit, gesollt: die Schauspieler nämlich zu gemeinsamem
+Kunststreben und gegenseitiger Forthülfe sammeln, das dürfte bei
+wahrhaft künstlerisch organisirten Theatern endlich, zu unberechenbarem
+Vortheil des Gesammtgeistes und des nachwachsenden Geschlechtes, Bestand
+gewinnen.
+
+ [8] Gesch. d. deutschen Schauspielkunst. Bd. II. S. 88.
+
+ [9] Ebendas. Bd. III. S. 18.
+
+Von großer Wichtigkeit wird es sein, wenn die Nationaltheater =die
+Spieltage vermindern=. Die Alltäglichkeit des Schauspiels ernüchtert
+Publicum und Künstler. Könnten zwei Tage, oder auch nur einer in der
+Woche ausfallen, so würden die Vorstellungen wieder einen größeren,
+einen festlichen Reiz für das Publicum gewinnen, und der um so
+lebhaftere Besuch den Kassenverlust der ausfallenden Tage hinlänglich
+ersetzen. Die Künstler aber gewönnen durch die Ruhetage größere
+Elasticität und wärmere Begeisterung und, was nicht minder wichtig ist,
+mehr Zeit und Sammlung, um die Vorstellungen mit der letzten Sorgfalt
+vorzubereiten. Die Hast und Noth für jeden Tag eine Vorstellung zu
+schaffen, ist eines der wesentlichsten Hindernisse für die heutige
+Bühne: höhere Kunstforderungen zu befriedigen.
+
+Die Abende, an denen das Theater feiert, würden, für das Publicum um so
+gelegener, durch Concerte oder Kunstgenüsse anderer Art ausgefüllt
+werden.
+
+Ferner müßte das Nationaltheater dahin streben, die =Eintrittspreise=,
+besonders für die wohlfeileren und mittleren Plätze zu =ermäßigen=. Der
+Theaterbesuch ist noch viel zu kostspielig, als daß er seine volle
+Wirkung auf alle Schichten des Volkes äußern könnte. Der durch
+wohlfeilere Preise vermehrte Besuch würde die Kasse entschädigen, oder
+Ersparnisse im Ausgabeetat müßten es thun, deren nähere Angaben hier zu
+weit führen würden.
+
+ * * * * *
+
+Es ist noch übrig, den Punkt, welcher bisher als der wichtigste
+gegolten, zu erörtern, den der =Finanzen=, des richtigen Verhältnisses
+zwischen Einnahme und Ausgabe.
+
+Nach dem Prinzip des Nationaltheaters sollen die =Einnahmen= nur durch
+würdige Mittel, durch möglichst vollkommene, dem Volksgeschmacke
+wahrhaft gedeihliche Vorstellungen erzielt werden; diese können durch
+die künstlerische Direction als gesichert erachtet werden, denn bessere
+Leistungen bringen auch bessere Einnahmen. Die Verwaltungsfrage wird
+sich daher wesentlich um die richtige =Verwendung= der Geldmittel,
+welche dem Theater zu Gebote stehen, drehen.
+
+Der Ausgabeetat werde nach der Summe, welche der Staatszuschuß und dem
+Minimalsatz der jährlichen Einnahme ergeben, festgesetzt. Derselbe müsse
+nur nach Maßgabe erworbener Ueberschüsse überschritten werden dürfen,
+jährlich aber ein Theil des Staatszuschusses zu einem Reservefonds
+zurückgelegt werden, damit die mannichfachen Wechselfälle, denen das
+Theater durch die Zeitereignisse ausgesetzt ist, dasselbe niemals
+mittellos finden. Von diesen Grundzügen der Theaterökonomie müsse
+niemals gewichen werden, damit der Staat die Garantie hätte: nur in den
+außer aller menschlichen Berechnung liegenden Fällen vor den Riß treten
+zu müssen.
+
+Daß der Theaterhaushalt auf dieser Basis zu führen ist, steht bei einer
+künstlerischen Direction außer Zweifel, die durch bestimmte
+Staatsgrundsätze geschützt ist: nicht jedem kostspieligen Gelüsten eines
+dominirenden Geschmackes, nicht jeder unmäßigen Geldprätension
+hervorragender Talente fröhnen zu müssen. =Bei jedem, wenn nur irgend
+gesicherten, hohen oder niedrigen Einnahmeetat ist ein Theater
+herzustellen, in dem der Geist lebendig ist=, und wenn hierauf nur der
+Accent gelegt wird, ergiebt sich alles Uebrige leicht. Man nehme keinen
+Anstand, einer selbständigen, künstlerischen Direction die Aufgabe
+zuzuschieben, sie kann, sie wird sie lösen. Sie wird bei einer sicherer
+berechneten und geleiteten Verwendung der Talente schon im Gehaltetat,
+gewiß aber in den Ausgaben für allen Apparat, der so ungeheure Summen
+verzehrt, große Ersparnisse herbeiführen können. Inmitten der Production
+stehend, kann sie das Auge überall haben, sie versteht mit Wenigem Viel
+auszurichten, Dinge doppelt und dreifach zu benutzen, welche bei mancher
+Hofbühne -- die in der Fülle ihres aufgehäuften Apparates fast erstickt
+-- bereits doppelt und dreifach existiren und doch immer wieder aufs
+Neue beschafft werden.
+
+Der Ausgabeetat werde nach monatlichen Durchschnittssummen, je nach den
+verschiedenen Zweigen geordnet, wie dies schon jetzt gebräuchlich ist.
+Das Ministerium hat diese Eintheilung zu bestätigen, aber auch speciell
+darüber zu wachen, daß sie nicht ohne Noth überschritten werde. Künstler
+sind selten geschickte Haushalter, daher muß der Regierung zustehen: die
+Direction, in Bezug auf die Geldverwendung genau zu controlliren und
+jeden Augenblick darüber Rechenschaft fordern zu dürfen.
+
+Erleichtert wird dies, wenn der ganze Theaterhaushalt, wie dies bereits
+bei einigen Hofbühnen der Fall ist, in die Hand eines einzigen Beamten
+gelegt ist, der jede materielle Beschaffung vermittelt, das gesammte
+Theaterinventarium unter seiner Aufsicht hat und die Controlle der
+Einnahme und Ausgabe führt. Damit ist auch die Verantwortlichkeit für
+die materielle Verwaltung in der Person dieses =ökonomischen Inspectors=
+concentrirt und durch ihn kann die Oberbehörde in jedem Augenblick
+vollständigen Aufschluß über den complicirten Theaterhaushalt erlangen.
+
+Dieser Posten, so wie der des Cassirers und anderer bloß verwaltenden
+Beamten, wird durch die Regierung, in Uebereinkunft mit der
+künstlerischen Direction, besetzt.
+
+Mit der Bemerkung: daß Anordnungen über Baulichkeiten in den Theatern,
+über Hausordnung, die Aufnahme des Publicums u. s. w. von der
+künstlerischen Direction, aber nur unter specieller Bestätigung der
+Oberbehörde vorzunehmen sind, daß also die Direction, wie frei sie auch
+auf rein künstlerischem Gebiete zu schalten habe, aus dem der
+Administration doch entschieden abhängig sein müsse -- wird die
+Auseinandersetzung des Verhältnisses zwischen Ministerium und
+Theaterdirection abgeschlossen sein.
+
+ * * * * *
+
+Diese hier vorgeschlagene Reorganisation der großen und tonangebenden
+Bühnen in Deutschland müßte sich am vortheilhaftesten in Wien und Berlin
+erweisen, wo mehrere Theater vorhanden, welche eine Trennung der
+verschiedenen dramatischen Gattungen und dadurch eine um so vollkommnere
+Ausbildung jeder einzelnen begünstigen. Denn die Schwierigkeit: das
+ganze recitirende Schauspiel, vom Trauerspiel bis zur Posse, daneben
+heroische und komische Oper und Ballett, kurz die ganze dramatische
+Möglichkeit auf ein und derselben Bühne, mit ein und demselben Personal
+zur Vollkommenheit zu bringen, wird immer ungeheuer bleiben; selbst wenn
+die vorgeschlagene organische Gliederung einer Direction von
+Kunstverständigen die Lösung dieses Problems erleichtert.[10] In =Wien=
+aber z. B., wo Schauspiel, Oper und Posse bereits abgesonderte Theater
+und abgesonderte Directionen besitzen, wo noch zwei andere Bühnen
+vorhanden sind, mit deren Hinzuziehung sich eine noch weitere
+Eintheilung nach dem Muster der Pariser Theater vornehmen ließe, wonach
+dem =Burgtheater= sein bisheriges Gebiet des =recitirenden Schauspiels=
+verbliebe, dem =Kärnthnerthortheater= die =große Oper= (nach dem Muster
+der _Academie royale_), dem =Josephstädter Theater= die =komische Oper=
+und das =Singspiel=, dem =Wiedner-Theater= das =Spektakelstück und
+Melodram=, dem =Leopoldstädter Theater= die =Volksposse= zufiele -- dort
+würde jede Gattung, bei der vorgeschlagenen Organisation, sich ihrer
+Vollendung zuführen lassen.
+
+ [10] Ausführlicheres hierüber Gesch. d. deutsch. Schauspielkunst.
+ Bd. III. S. 413 u. f.
+
+Freilich müßten aber alle fünf Theater Staatsanstalten werden und ihre
+abgesonderten Directionen dem gemeinsamen höheren Prinzipe und der
+Beaufsichtigung der Regierung unterworfen werden.
+
+ * * * * *
+
+Die preußische Regierung hat den wichtigsten Grundsatz der aus diesen
+Blättern vorgeschlagenen Theaterreform, den einer ministeriellen
+Oberleitung, bereits vor vierzig Jahren auf einige Zeit anerkannt,[11]
+=Berlin= hat unter =Iffland= schon eine musterhafte künstlerische
+Direction gehabt, dort würde man also nur auf schon anerkannte Zustände
+zurück zu fußen brauchen.
+
+ [11] Gesch. d. deutsch. Schauspielk. Bd. III. S. 422 u. f.
+
+=Die erste und unabweisbare Maßregel einer Reorganisation der Berliner
+Theater würde die Trennung der dramatischen Gattungen sein müssen.=
+
+Berlin besitzt drei Theater, angemessen in Lage und Beschaffenheit, um
+eine natürliche Scheidung mit dem schönsten Erfolge vornehmen zu können.
+
+Im =Schauspielhause=, das zu der, leider immer geringer werdenden Zahl
+derjenigen gehört, deren glückliche mittlere Größe noch eine naturgemäße
+Menschendarstellung zuläßt, wo der Schauspieler noch nicht genöthigt ist
+zum Ueberbieten aller Mittel zu greifen um nur einen Eindruck
+hervorzubringen, im Schauspielhause bliebe das sogenannte =recitirende
+Schauspiel=, der eigentliche Kern der dramatischen Kunst: Tragödie,
+Drama und Comödie, in reiner Gattung abgeschlossen, wie dies im Wiener
+Burgtheater musterhaft und erfolgreich der Fall ist; nur ohne jene
+peinliche Beschränkung, welche selbst Lieder und Chöre aus dem
+Schauspiele verbannt. Im glanzvollen =Opernhause= die =große Oper= und
+die =komische=, so weit sich diese vom Burlesken frei hält und die
+musikalische Entwicklung als ihre wesentliche Aufgabe darlegt. Diesen
+schlösse das =Ballett= sich an.
+
+Das behagliche =Königsstädter Theater= dagegen werde seiner
+ursprünglichen Bestimmung eines =Volkstheaters= zurückgegeben. Hier
+werde der Maßstab des höheren Schönheitsprinzipes und der Classicität
+nicht angelegt, in Ernst und Scherz mögen die grellen Effecte walten,
+wie der Volksgeschmack sie heischt. Dies Theater umfasse in seiner
+Thätigkeit das =Schauerdrama=, das =Spektakelstück= und =Melodram=, die
+=niedrig-komische Oper= und =Posse=, das =komische Liederspiel=, die
+=Genrebilder=, =komische Pantomime= und =Grotesktanz= u. s. w. Hier kann
+das =Berliner Localstück= -- wenn ihm, was bisher nie geschehen, das
+Gebiet unbeeinträchtigt überlassen wird -- seine mögliche Ausbildung
+finden.
+
+Es wird dies ein Theater sein, am beliebtesten bei dem großen Publicum
+und vielleicht mit einem geringeren Zuschuß, als ihr jetzt durch die
+Krone zu Theil wird, im schönsten Flor zu erhalten.[12]
+
+ [12] Auf welche Weise das Königstädter Theater gänzlich in Besitz
+ der Krone und so der Regierung zu bringen wäre, muß Gegenstand
+ abgesonderter Erörterung bleiben.
+
+Die Subvention des Königl. Theaters würde zwischen Oper und Schauspiel
+zu vertheilen sein. Nach der Erfahrung, welche die Trennung der Wiener
+Theater an die Hand giebt, würde Oper und Ballet 2/3, das Schauspiel 1/3
+davon brauchen.
+
+Alle drei Theater erhielten abgesonderte Directionen, nach der
+vorbeschriebenen Organisation, und fänden ihre gemeinsame Oberdirection
+im Ministerium. Dieselbe hätte nicht nur Einsicht zu nehmen von den
+Arbeitsplänen der einzelnen Directionen -- wie früher angegeben -- sie
+hätte diese auch sämmtlich, vielleicht monatlich, zu gemeinschaftlichen
+Sitzungen zu versammeln, damit die verschiedenartige Thätigkeit doch
+nach einem übereinstimmenden Plane und Geiste geordnet werde, die neuen
+Werke sich nicht gegenseitig im Eindruck beim Publicum hindern, die
+Gattungen richtig gesondert blieben u. s. w. Zugleich würden, durch
+diese gemeinschaftliche ministerielle Oberdirection, ausnahmsweise
+Aufführungen von Werken, welche den Zusammentritt der ersten Talente
+aller Gattungen erfordern, möglich bleiben; wie die Vorstellungen der
+Antigone, des Sommernachtstraumes u. s. w. Der Uebelstand einer
+absoluten Trennung des musikalischen vom recitirenden Drama, der in Wien
+so oft empfunden wird, wäre dadurch vermieden und die großartigste
+Entfaltung der Dramatik, dem ganzen Umfang ihrer Mittel nach, bliebe
+freigegeben.
+
+Natürlich dürften solche combinirte Vorstellungen nur ausnahmsweise und
+durch die hohe Bedeutung ihres Gehaltes gebotene sein, damit eine
+abgesonderte Entwicklung der Gattungen und der einzelnen Theater nicht
+zu oft gehindert würde.
+
+Welch eine Vollendung die dramatische Kunst in Berlin durch solche
+Organisation gewinnen könnte, getragen durch die Empfänglichkeit und
+Befeuerung eines, die Sommitäten der Intelligenz und des Geschmackes
+repräsentirenden Publicums, ist leicht zu übersehen.
+
+Die Vereinigung der höheren Interessen der drei Directionen in der
+gemeinsamen Leitung der Regierung würde auch eine gegenseitige Förderung
+garantiren. Der falsche Antrieb feindseliger Concurrenz -- welcher
+vierundzwanzig Jahre lang dem Königl. Theater nachtheilig und dem
+Königstädter an seiner Ausbildung entschieden hinderlich gewesen und gar
+keinen Vortheil gebracht hat -- würde dem edlen Wetteifer Platz machen:
+in gleichem Interesse des Nationalruhms sich den Kranz streitig zu
+machen.[13]
+
+ [13] Es braucht kaum noch erwähnt zu werden, daß auch hier alle
+ drei Theater wetteifern würden, sich den Antheil des Hofes
+ ungeschwächt zu erhalten und die Erfüllung eines Wunsches
+ desselben als einen besondern Vorzug zu betrachten. Auch bei
+ besondern Vorstellungen in den königl. Schlössern fände
+ verwaltungsmäßig keine wesentliche Veränderung statt, da diese
+ bisher schon besonders in Rechnung kamen.
+
+Freilich müßten -- wenigstens bis diese drei Theater sich ganz
+consolidirt hätten -- alle übrigen Bühnen in Berlin geschlossen, auch
+die italiänische Oper und das französische Schauspiel verbannt werden.
+Man muß Theater und Publicum erst im Geist und Sinne für ein wahrhaft
+nationales Theater erstarken lassen, bis man beide verlockender und
+zerstreuender Rivalität preisgeben darf.
+
+ * * * * *
+
+Soll nun aber das künstlerische Gedeihen der naturgemäß organisirten
+großen Nationalbühnen gesichert sein, so dürfen ihnen die vorbereitenden
+=Theaterschulen= nicht länger fehlen. Sie sind endlich zu einer
+gebieterischen Nothwendigkeit geworden, wenn die Schauspielkunst nicht
+überhaupt binnen Kurzem als ein gauklerhaftes Virtuosenthum alle Achtung
+des deutschen Volkes verscherzen soll.
+
+Was ich über die Nothwendigkeit der Schulen, wie über ihre praktische
+Einrichtung zu sagen weiß, habe ich bereits 1840 in einer kleinen
+Schrift: =Ueber Theaterschule= gegen das Publicum ausgesprochen,[14] ich
+kann also hier die Wiederholung sparen. In den acht Jahren, welche
+seitdem verflossen, haben alle Uebel der künstlerischen Zuchtlosigkeit
+dergestalt zugenommen, daß selbst die Gegner der Schulen -- die jede
+methodische Vorbildung verwarfen und die Behauptung verfochten: die
+Schauspieler müßten wild, wie die Pilze aufwachsen -- von ihrer Ansicht
+bekehrt worden sind. Sie geben jetzt zu, daß dieser Mangel an Unterricht
+in den künstlerischen Elementen, die jungen Talente unserer Tage
+massenhaft zu Grunde gehen läßt und alle Natur, alle Vernunft und allen
+Geschmack von der Bühne zu verbannen droht.
+
+ [14] Sie ist im IV. Bande meiner dramatischen und dramaturgischen
+ Schriften wieder abgedruckt.
+
+Der Zeitpunkt die Theaterschulen einzurichten, ist folgerichtig der
+einer Reorganisation der Directionen. Bei unkünstlerischer Leitung der
+Bühnen konnten die Schulen allerdings nur halbe Frucht bringen, viele
+ihrer Vortheile würden wieder verloren gegangen sein; der künstlerischen
+Direction dagegen werden sie eine organische Vervollständigung ihres
+Lebens und Wirkens sein.
+
+Der Schuleinrichtung, welche ich in der angezogenen Schrift angegeben,
+habe ich nur noch die dringende Empfehlung des engsten Anschlusses an
+die übrigen Kunstschulen hinzuzufügen. Jeder Staat bilde =eine
+allgemeine umfassende Kunstakademie=, entsprechend der Universität, die
+das Gesammtstudium aller Wissenschaften umfaßt.
+
+Wenn der Staat alle Künste auf eine höhere Bildung des Volkes lenken
+will, so muß er ihre Uebereinstimmung dazu schon in den Kunstschulen
+vorbereiten. Die Künste und die Künstler müssen mit einander verständigt
+werden. Indem man die Theaterschule mit den bereits bestehenden
+Anstalten für Musik und für bildende Künste vereinigt, wird man eine
+größere allgemeine künstlerische Bildung des heranwachsenden
+Geschlechtes erreichen, die jetzt nur zu oft vermißt wird, weil Jeder in
+seinen Fachstudien eingeengt bleibt.
+
+Auch die Kosten der Schulen würden geringer werden, indem viele
+Gegenstände gemeinschaftliche Studien zulassen. Wie sehr Musik- und
+Theaterschule in einander greifen, hat man längst erkannt -- das Pariser
+Conservatorium vereinigt darum beide -- aber wie sehr dies auch mit den
+bildenden Künsten der Fall ist, hat man sich bisher verhehlt. Nicht
+allein daß Hülfswissenschaften, wie Geschichte und Mythologie, allen
+Kunstjüngern übereinstimmend zu lehren sind,[15] daß dem Theatereleven
+Bildung des Auges für Schönheit und Charakteristik der Form im
+Zeichnenunterricht, daß den Zöglingen der bildenden Künste dagegen zu
+Förderung einer harmonischen Bildung Theilnahme an manchem Unterricht
+der Theaterschule, dem Gesange, der Redekunst,[16] der höhern Gymnastik
+u. s. w. wünschenswerth sein wird, sondern es würden auch die
+beiderseitigen Fachstudien sich fördernd berühren können. Die Uebungen
+der Geberdensprache von den Theatereleven z. B. könnten den Schülern der
+bildenden Kunst einen Reichthum lebendiger Motive zu raschen Skizzen
+liefern, an denen das Urtheil über die beiderseitige Leistung sich
+schärfen würde. So könnte die gegenseitige Anregung fortwachsend sich
+bis auf die wirkliche theatralische Thätigkeit ausdehnen und in der
+Dramatik eine wahrhafte Verschwisterung aller Künste erzeugen.
+
+ [15] Ueber das Wie? habe ich mich in der angezogenen Schrift
+ erklärt.
+
+ [16] Der Unterricht hierin wird, bei unserer parlamentarischen
+ Entwicklung, bald zu einer Bedingung guter Erziehung werden.
+
+Noch eine Wohlthat würde aus solch einer Universität der Künste
+erwachsen, indem sie die Mißgriffe der jungen Talente über ihren Beruf
+zu berichtigen vermöchte, wie dies auf den Universitäten der
+Wissenschaften der Fall ist, wo mancher Jüngling zu seinem Heile -- wie
+man es nennt -- umsattelt. Abgesehen von denen, deren Talentlosigkeit in
+der Schule zur Erkenntniß kommt und die somit bei Zeiten von einer
+falschen Lebenstendenz geheilt werden können, giebt es Viele, die sich
+in unbestimmtem Triebe zur Kunst auf einen falschen Zweig derselben
+werfen. Wie man auf den jetzigen Kunstakademien wohl junge Bildhauer zu
+Malern umschlagen sieht und umgekehrt, so würde eine allgemeine
+Kunstschule manchen Theatereleven belehren, daß er zum Maler oder
+Bildhauer, manchen jungen Maler, daß er zum Schauspieler geboren sei. In
+den Abtheilungen für Musik und Theater würden diese gegenseitigen
+Berichtigungen ebensowenig ausbleiben und jeder wahrhaft zur Kunst
+berufene junge Mensch würde, in noch bildungsfähiger Zeit, an den Platz
+gestellt werden wohin er gehört, wo er der Kunst wahrhaft nützen und
+über seine Zukunft außer Sorge sein könnte.
+
+Denn Wien und Berlin würden, auf ihren vielen Theatern, fast den ganzen
+Nachwuchs aus ihren Schulen anzustellen im Stande sein, hier also würden
+die darauf verwendeten Kosten augenscheinlichen Vortheil bringen. Diese
+Kosten aber würden, wenn die Landesvertreter nicht geneigt wären
+besondere Bewilligungen dazu zu machen, zur Noth von dem bedeutenden
+Zuschusse, den die Bühnen bereits genießen, abzuzweigen sein!
+
+Die drei Theater in =Berlin= z. B. kosten dem Hofe jährlich an 200,000
+Thlr. Was wäre es für drei künstlerische Directionen -- die unfehlbar
+große Ersparungen und größere Einnahmen als bisher herbeiführen werden
+-- von dieser Summe gemeinschaftlich 6-8000 Thlr. an die allgemeine
+Kunstakademie abzutreten? Und diese würden zureichen -- wenn man alle
+vereinzelte Musikinstitute des Staates und was sonst an
+Deklamationslehrern, Ballettschulen u. s. w. verausgabt wird,
+zusammenzöge und zu =einer= großen Schule vereinfachte -- dem
+ausgedehntesten Plane zu genügen. Im Akademiegebäude, seinem ganzen
+Umfange nach, würden -- wenn man Ställe und Caserne daraus entfernte --
+alle Künste unter =einem= Dache eine Pflanzstätte finden, wie sie Europa
+noch nicht kennt und wie sie doch, ohne unverhältnißmäßige Opfer, durch
+guten und energischen Willen sehr wohl herzustellen wäre.
+
+Selbst der Anstalten von so großem Umfange bedürfte es nicht, um auch
+mit kleineren Mitteln in kleinerem Kreise höchst Wohlthätiges zu
+leisten. =Das musikalische Conservatorium Sachsens= z. B., auch das von
+=Prag=, wären durch veränderte Organisation und Hinzufügung einiger
+Disciplinen, leicht zu Musik- und Theaterschulen umzugestalten und im
+Anschluß an die vorhandenen Akademien zu wahrhaft praktischer
+Nutzbarkeit des Staates auszubringen.
+
+Und wo auch solche Anlehnungspunkte nicht vorhanden sind, sollte doch,
+wenigstens an jeder stehenden Bühne, ein erfahrener Künstler dazu
+angestellt sein: den Anfängern die nothdürftigsten Anweisungen zu
+geben, damit die jungen Talente ihre besten Jahre nicht ganz in
+irrthümlichen und verkehrten Versuchen -- die das Theater selbst immer
+mitbüßen muß -- verlören. Der praktische Nutzen davon ist so
+einleuchtend, und doch ist im ganzen großen Deutschland nirgend eine
+solche Einrichtung getroffen. =Unter den tausend Professoren der
+verschiedenen Künste giebt es noch keinen einzigen der Schauspielkunst.=
+
+Künstlerische Directionen und Theaterschulen werden auch diese
+Verhältnisse verändern oder sie durch die richtigen Maßregeln
+ausgleichen.
+
+ * * * * *
+
+Ist mit der hier besprochenen, durchgreifenden Erneuerung des ganzen
+Kunstlebens für eine mögliche Vollkommenheit dessen, was die großen,
+tonangebenden Theater leisten, gesorgt, so wird der wohlthätige Einfluß
+davon auf die Bühnen zweiten Ranges, auf die =Stadttheater=, nicht
+ausbleiben. Damit aber darf die Landesregierung sich nicht beruhigen,
+ihre Oberleitung muß sich grundsätzlich bis auf die letzte Wanderbühne
+geltend machen.
+
+Die Directionen der Stadttheater sind -- man darf sich darüber nicht
+täuschen -- nichts anderes, als industrielle Unternehmungen. Die
+Magistrate oder die Regierungspolizei, denen bis jetzt die dramatische
+Kunst in den Provinzen unterworfen ist, setzen daher auch ihre höchste
+Forderung an den Director, bei Uebergabe des Theaters, in seine
+Zahlungsfähigkeit.
+
+In welchem =Geiste= er es führen werde, davon ist niemals die Frage.
+Gute Einnahmen gelten für den Beweis, daß er das Publikum zu unterhalten
+verstehe, und wenn dies auch in der geschmackverderblichsten Weise
+geschieht, so hat die Behörde ihn deshalb nicht anzufechten.
+
+Dieser Zustand verändert sich schon durchaus, sobald die Oberaufsicht
+von der Landespolizei auf das Cultusministerium übergeht, dem der
+=Geist= der Institute als das Wesentliche, ihr =materieller Bestand= nur
+als dessen Grundlage gilt. Das Ministerium würde vor Allem darüber
+wachen müssen, =daß die Directoren der Stadttheater künstlerisch
+befähigte und gesinnungstüchtige Männer seien und daß sie die
+Verpflichtung übernähmen: ein der Musterbühne des Landes analoges
+Verfahren einzuhalten=. Dies müßte der Hauptpunkt der Pachtverträge oder
+Concessionsertheilungen sein. Nach Ort und Verhältnissen würde sich das
+Maß für die Erfüllung dieser Bedingung bestimmen lassen, wobei die
+Directionen der Residenztheater die sachverständige Regulirung
+übernehmen könnten. Das Wichtigste dabei müßte die Aufstellung eines
+=Stammrepertoirs= sein, das jeder Director -- nach Maßgabe seiner Kräfte
+und seines Publikums -- in jährlicher Wiederkehr festzuhalten hätte.
+Denn womit ein Theater sich beschäftigt, das bestimmt seine
+Beschaffenheit. Ist ein Director gezwungen, alljährlich gewisse
+treffliche Stücke aufzuführen, so wird er, um seines eignen Vortheils
+willen, sie möglichst gut zu geben suchen und an dem Umgang mit dem
+Trefflichen wird das Institut sich erheben.
+
+Die Regierung müßte ferner dahin wirken, das =Repräsentativsystem der
+Direction= auch bei diesen Theatern einzuführen. Hier, wo die Einnahmen
+zur Lebensfrage für alle Mitglieder werden, wird die Organisation bald
+zu einem vollständigen =Societätsverhältnisse= führen, das, wenn es
+gehörig geregelt und beaufsichtigt wird, die trefflichste Schule für den
+schauspielerischen Gemeingeist abgeben und der Ausbeutung der Kunst und
+der Künstler durch das Unternehmerwesen ein Ziel setzen muß.
+
+Freilich hätte die Regierung auch dahin zu wirken, daß die Städte den
+verkehrten Grundsatz aufgäben: vom Theater Nutzen ziehen zu wollen, daß
+die Stadttheater von einer Menge von Lasten und Abgaben und dadurch von
+steten Sorgen befreit würden, welche die Befolgung reinerer Grundsätze
+unmöglich machen.
+
+Zunächst müßte dies mit dem Miethzins der Fall sein, der für die
+Benutzung der Schauspielhäuser gezahlt wird. Jede bedeutende Stadt muß
+unter ihren öffentlichen Gebäuden auch ein Theater besitzen, und
+=ebensowenig als für Benutzung der Kirchen, Schulhäuser, Bibliotheken,
+Museen u. s. w. ein Miethzins eingezogen wird, sollte er für das Theater
+gefordert werden=.
+
+Es sollte ein Ehrenpunkt für unsere Städte sein -- wie dies in
+Frankreich der Fall ist -- ihre Schauspielhäuser der Kunst ohne
+Eigennutz zu eröffnen, dann würden sie auch höhere Ansprüche an das, was
+drinnen geleistet werden soll, machen können.
+
+Auf die Directionen solcher Theater, welche aus Staatsmitteln
+Unterstützungen erhalten -- wie dies in mehreren Provinzialhauptstädten
+Preußens der Fall ist -- würde die Regierung einen dictatorischen
+Einfluß üben können, auf die andern würde dieser zunächst ein
+vermittelnder, aber darum nicht weniger wichtiger sein.
+
+Entschiedener und gewaltsamer müßte dagegen der Eingriff in das Wesen
+der =Wanderbühnen=, der großen und kleinen ausfallen; hier ist einem
+Unfuge zu steuern, der nicht allein auf dem Gebiete der Volksbildung,
+sondern auch der bürgerlichen Sitte und Ordnung wahre Verwüstungen
+anrichtet.
+
+Aeußerst wenige der sogenannten =reisenden Gesellschaften= bewähren
+durch dauernden Bestand ihre Achtbarkeit. Die bei Weitem größere Zahl
+der Comödiantenbanden, welche schaarenweis Deutschland durchschwärmen,
+in mittleren und kleinen Städten, Flecken und Dörfern sich einander auf
+die Fersen treten und die Schaulust der Einwohner -- auf eine, zu deren
+übriger Lage, unverhältnißmäßige und meistentheils unwürdige Weise --
+ausbeuten, schleppen sich von einem Bankerott zum andern. Sie entstehen
+aus zusammengerafften Leuten, halten sich einige Monate, oft nur einige
+Wochen, bezeichnen ihre Wanderspur mit der liederlichsten Wirthschaft,
+hinterlassenen Schulden, verführter Jugend u. s. w. und zerstreuen sich
+dann über das Land hin, eine Schaar vagabundirender Bettler. Meistens
+sind es bethörte Menschen, die im äußersten Elende die unergiebigen
+Sommermonate durchkämpfen, um mit dem Herbste den Kreislauf ihrer
+verzweifelten Existenz von Neuem zu beginnen. Zu keiner regelmäßigen
+Thätigkeit mehr brauchbar, gerathen diese Abenteurer des lustigen Elends
+endlich bis zur untersten Stufe der physischen und moralischen
+Versunkenheit.
+
+Und diese Zustände werden von den Landesbehörden recht eigentlich
+herbeigeführt und gehegt. Das Uebermaß der Concessionen, die
+leichtsinnige Unbedenklichkeit, mit welcher sie ertheilt werden,
+erschaffen dem Staate eine ganze Klasse von bedauernswerthen und
+unheilbringenden Landstreichern.
+
+Man hat zur Entschuldigung dieses laxen Regierungsverfahrens angeführt:
+auch der Kleinbürger und Bauer bedürfe der Erregung seiner Phantasie,
+die ihn der drückenden Alltäglichkeit enthöbe und dadurch erfrische, das
+Schauspiel sei dazu das geeigneteste und unschuldigste Mittel, wer ihm
+also dies verschaffe, dürfe in seiner Gewerbthätigkeit nicht gehindert
+werden.
+
+Abgesehen davon aber, daß ein Erwerb, der notorisch trügerisch ist, an
+welchen entschieden polizeiwidrige Folgen geknüpft sind, nicht
+unbedingten Schutz verdient, ist die Gleichgültigkeit gegen den
+geistigen Einfluß dieser bettelhaften Schauspiele auf Bürger und Bauer
+gewiß nicht zu rechtfertigen. Es =darf= dem Staate nicht gleichgültig
+sein, wenn dem Volke das menschliche Leben in Zerrbildern und in
+unsinniger Verkehrtheit dargestellt wird. =Gerade den unteren Schichten
+des Volkes, auf welche der sinnliche Eindruck ungemäßigt durch
+Ueberlegung und Urtheil wirkt, muß im Schauspiele ein möglichst reiner
+und lehrreicher Spiegel des Lebens geboten werden.=
+
+Ist es doch in unsern Tagen zur Anerkennung gekommen: das Volk habe ein
+Recht, vom Staate Bildung zu verlangen. Soll sie ihm nun lediglich auf
+dem Wege des Buchstabens und des Erlernens angeboten, soll sie ihm nicht
+auch durch lebendige Kunsteindrücke in's Gemüth geprägt werden? Und wenn
+dies nicht überall in =rechter= Weise geschehen kann, hat der Staat
+nicht die Verpflichtung: das Volk wenigstens vor =falschen= Eindrücken
+zu bewahren?
+
+Zudem wäre es eine sträfliche Inconsequenz, wenn die Regierung länger
+zugeben wollte, daß in den Provinzen und auf dem Lande gerade das
+Gegentheil von dem geschieht, was sie mit so bedeutenden Geldopfern in
+den Hauptstädten zu bewirken sucht.
+
+Darum muß also die Generaldirection des Cultusministeriums ihre Hand
+über das ganze Land hinstrecken, der Polizei die Beurtheilung und
+Entscheidung der Bühnenangelegenheiten abnehmen, sie höchstens zur
+Vollstreckerin ihrer Beschlüsse machen.
+
+=Alle Comödiantentruppen, welche die Würde der Menschendarstellung
+geradehin verletzen, müssen ohne Weiteres abgeschafft werden.= Alle
+Concessionen sind nach ihrem Ablauf einzuziehen, nur dem
+Cultusministeriums stehe es zu: sie nach einem neuen Modus zu erneuern.
+
+Nun grenze man bestimmte =Wanderbezirke= ab, welche vielleicht eine
+Provinzialhauptstadt und einige nahe gelegene, oder eine genügende
+Anzahl von mittleren und kleinen Städten umfassen, und übergebe ein
+jedes dieser Gebiete einem erprobten Director, daß er nach Uebereinkunft
+mit den betreffenden Städten sie nach einer jährlichen Reihefolge mit
+seiner Truppe besuche.
+
+Man richte diese Bezirke nicht zu eng, nicht nach einer knappen, sondern
+nach einer reichlichen Veranschlagung des Theaterpublikums ein, damit
+diese Gesellschaften anständig bestehen, damit das kostspielige Reisen
+und an verschiedenen Orten Wohnen in unanstößiger Weise geschehen könne.
+Man schütze diese Truppen gegen jede Concurrenz -- welche jederzeit die
+Theater nur gegenseitig verschlechtert, niemals verbessert hat -- man
+organisire sie nach dem Muster der Residenztheater, mit angemessenem
+=Stammrepertoir=[17] und grundsätzlichen Verpflichtungen, mit
+=Repräsentativverfassung=, die ganz natürlich auch hier zu
+=Societätsverhältnissen=, mit selbstgewählten Führern, ausschlagen wird,
+dann werden diese ambulanten Theater so in Flor kommen, daß manche
+Stadt, die jetzt einen Ehrgeiz darein setzt, ein stabiles Theater
+kümmerlich zu erhalten, es vorziehen wird, in solch einen Wanderbezirk
+zu treten und lieber vier oder sechs Monate =gutes= Theater, als das
+ganze Jahr über =schlechtes= zu haben. Denn diese reisenden
+Gesellschaften werden den großen Vortheil genießen, nur einen kleinen
+Kreis von Vorstellungen zu brauchen, um das Publikum jeder Stadt eine
+Zeit lang in regem Antheil zu erhalten. Diese Vorstellungen können daher
+sehr sorgfältig studirt sein und in jeder Stadt neu gespielt, vor immer
+neuen Zuschauern, immer vollkommener werden. Die Truppen werden auch,
+wenn bei ihrer Abwesenheit kein anderes Schauspiel stattfinden darf, das
+Publikum immer wieder voll frischer Theaterlust und begierigem Antheil
+finden.
+
+ [17] Wie man den besseren dieser Truppen gewisse Vorstellungen zu
+ =ge=bieten hätte, so müßte man den untergeordneten andere
+ =ver=bieten, damit sie nicht, was über ihre Kräfte geht,
+ herabwürdigen.
+
+Man schelte diese durchgreifende und beschränkende Einrichtung -- welche
+allerdings so viele Interessen berührt, daß sie, sowie die gesammte
+Theaterorganisation, durch ein eignes Gesetz von den Landesvertretern
+adoptirt werden müßte -- nicht eine Beeinträchtigung der Freiheit des
+Theaterpublikums und der Erwerbthätigkeit. =Man darf das Theater nicht
+länger als eine bloße Vergnügungs- und Industrieanstalt betrachten.=
+Soll es aber eine höhere Culturbedeutung gewinnen, so müssen die Grenzen
+seiner Wirksamkeit, ebenso wie die der Kirche und Schule, vom Staate
+festgestellt werden.
+
+Die Zahl der reisenden Gesellschaften wird über die Hälfte vermindert
+werden, das ist ein Glück für die bürgerliche Gesellschaft und für die
+Kunst, denn um so eher wird der Schauspielerstand nur aus wirklich
+Berufenen bestehen. Den Bewohnern der Dörfer und kleinen Städte wird es
+besser sein, wenn sie nicht mehr von Wandertruppen heimgesucht werden,
+dagegen ein wohlgeordnetes Theater in den Städten finden, sobald sie
+diese zu Jahrmärkten oder festlichen Zeiten besuchen. Die Mittelstädte
+werden nur eine bestimmte Theatersaison haben, aber sie wird ihnen auch
+etwas bieten, das des Antheils werth ist.
+
+Man braucht nicht zu besorgen, daß die Bezirksgesellschaften, auf die
+Ausschließlichkeit des Privilegiums pochend, sich vernachlässigen und
+das Theaterbedürfniß ihres Publikums mit Bequemlichkeit ausbeuten
+werden; dagegen bürgt die allgemeine Betheiligung der Mitglieder an Ehre
+und Vortheil der Gesellschaft und die Abhängigkeit von der
+Landesregierung, die, auf eine begründete Beschwerde des Bezirks, der
+Gesellschaft das Privilegium nehmen, oder sie in einen andern Bezirk
+versetzen kann.
+
+Diese letzte Maßregel eines Wechsels der Gesellschaften könnte übrigens
+auch unter anderen Umständen anwendbar sein.
+
+ * * * * *
+
+Der Vortheil, der hierin aus der Centralisation der Oberleitung
+sämmtlicher Landesbühnen entspringt, wird sich noch in einer Menge von
+anderen Dingen darthun. In großen Staaten wird die Ausübung des
+Ministerialeinflusses allerdings einer weitläuftigeren Gliederung
+bedürfen, in den kleineren dagegen in ungemein abgerundetem
+Zusammenhange wirken.
+
+So werden z. B. die allgemeinen und einzelnen Einrichtungen,
+Bearbeitungen von Stücken, Uebersetzungen, zur dramatischen Handlung
+gehörige Musiken, verbesserte Operntexte, Scenirungen u. s. w., wenn sie
+sich in der Residenz als zweckmäßig erwiesen haben, sich ohne erhebliche
+Kosten den übrigen Landesbühnen mittheilen lassen; mithin werden die
+besten Talente, welche die Mustertheater versammeln, für die Hebung des
+gesammten Theaterwesens im ganzen Lande arbeiten. Junge Leute, die sich
+bei den untergeordneten Theatern auszeichnen, werden in der
+Unparteilichkeit der, allen Theatern gemeinsamen Oberbehörde den Weg zu
+den besseren Bühnen unversperrter finden, während, bei dem verbesserten
+Zustande der Provinztheater, man künftig ohne Sorge vor Verbildung,
+junge Leute, Eleven der Theaterschule, auf Lehr- und Uebungsjahre
+dorthin geben kann.
+
+So manches Mitglied der ersten Theater, das unter den jetzigen
+Verhältnissen bei voller, kräftiger Gesundheit pensionirt wird, -- weil
+es etwa die Stimme verloren hat, oder dem jugendlichen Fache entwachsen,
+für ein älteres gerade kein Talent zeigt -- würde als Director eines
+Provinzial-Theaterbezirkes dem Staate noch gute Dienste leisten können.
+Oder der Halbinvalide eignete sich für eine Professur an der
+Theaterschule; eine Wirksamkeit, welche einem abgetretenen Director auch
+wohl anstehen würde. Oder wenn der für die Bühne Untauglichgewordene von
+untergeordneten Fähigkeiten ist, könnte er sich auf irgend einem
+Beamtenposten der Bühne noch nützlich machen. Immer vermöchte so die
+Ministerialdirection, durch ihre umfangreiche Verfügung, dem Staate die
+ungebührlich langen Pensionsleistungen und den alternden Künstlern die
+Schmach eines bezahlten Müßigganges zu ersparen, in einem Alter, wo sie
+noch arbeiten können.[18]
+
+ [18] Uebereinstimmende und angemessene Anstalten zur Pensionirung
+ der Schauspieler zu treffen, würde erst möglich sein, wenn die
+ Reorganisation des ganzen Theaterwesens festen Fuß gefaßt hätte.
+ Auch diese, so überaus wichtige Angelegenheit müßte nach einem
+ umfassenden Plane geordnet werden, auf alle Bühnen des Landes,
+ nach den erweiterten Grundsätzen des preußischen
+ Staatspensionsfonds sich erstrecken, vielleicht, nach Eckhof's
+ altem Entwurfe, ganz Deutschland umfassen. Für's Erste wird man an
+ den bestehenden Einrichtungen festhalten müssen, mit denjenigen
+ Modificationen, welche an den Residenztheatern die Verwandlung der
+ Theatermitglieder aus Hofdienern in Staatsdiener nothwendig macht.
+
+Genügen werden die hier angegebenen Momente, um den Blick auf den
+außerordentlichen Gewinn zu lenken, den das Theater in seinen =Mitteln=,
+durch deren gesammelte Verwendung machen wird. Genügen wird die ganze
+bisherige Darstellung, um den unermeßlichen Gewinn darzuthun, den der
+=Geist= und die =Würde= der deutschen Bühne von der vorgeschlagenen
+Reform ziehen und dem Volke mittheilen muß.
+
+Die Schwierigkeiten der Reorganisation sind nicht so groß, als die
+Umständlichkeit dieser Besprechung vielleicht erscheinen läßt, denn die
+Einrichtungen beruhen auf der Natur der Sache, gestalten und regeln sich
+darum aus sich selbst.
+
+=In einer freien Entwicklung der künstlerischen Kräfte, bei gemeinsam
+berechtigter Betheiligung, muß die auf sich selbst gestellte Kunst
+werden, was sie werden kann; in ihrer Wirkung auf das Volk, vom Geiste
+desselben -- der sich in der Staatsregierung auszusprechen hat --
+geleitet, wird sie dem Volke leisten, was sie ihm leisten kann.=
+
+Dies sind die Bedingungen eines wahrhaften Nationaltheaters.
+Uebereinstimmend, wie in Kirche und Schule, müssen die Kräfte und Mittel
+der Nation dazu wirken; =nur die organisch verbundenen Landesbühnen
+erschaffen ein Nationaltheater=.
+
+ * * * * *
+
+Zum Schluß noch einen Blick auf ein Moment dieses Reformvorschlages, das
+in rein menschlicher Beziehung allein schon volle Beherzigung verdient:
+es ist =die Wirkung auf den Schauspielerstand=.
+
+Allen Plänen, die Schaubühne auf eine höhere Stufe zu heben, pflegt man
+den Einwurf entgegenzuhalten: sie müßten an der unabänderlichen
+Beschaffenheit des Schauspielerstandes scheitern.
+
+Wäre es wahr, daß die allerdings starken und mannichfachen Versuchungen
+dieses Standes unüberwindlich wären, so hätte der Staat die Pflicht,
+denselben aufzuheben und nach Plato's und Rousseau's Rath das Theater
+aus seinem Bereiche zu verbannen.
+
+Aber es ist nicht so. Die Kunstgeschichte zeigt uns unter den
+Schauspielern wahre Muster an sittlicher Würde und Charaktergröße. Waren
+diese möglich, so muß auch die Hebung des ganzen Standes möglich sein
+und es hat bisher nur an den Bedingungen dazu gefehlt.
+
+Was hat der Staat, was hat die bürgerliche Gesellschaft zur Bildung und
+Versittlichung des Standes gethan? Nichts! Ja schlimmer als das, man hat
+Alles gethan ihn in verderblicher Stellung zu erhalten.
+
+Das erste Erforderniß zur Hebung eines Standes: =Bildung=, der Staat hat
+ihm bis auf den heutigen Tag die =Gelegenheit= und damit auch die
+=Nöthigung= dazu versagt. =Der Schauspieler ist der einzige
+Staatsbürger, dem keine Fachbildung geboten, dem auch keine abgefordert
+wird.= Darf man sich wundern, daß er sie nicht besitzt?
+
+Unsittlichkeiten unter den Theatermitgliedern -- obschon sie
+verhältnißmäßig kaum häufiger vorkommen, als in andern Ständen, nur bei
+der Oeffentlichkeit ihrer Stellung auffallender sind -- entfernen noch
+immer die gute Gesellschaft von dem ganzen Stande, und Einzelne finden
+nur =trotz= ihres Standes Zutritt. Aber um demselben eine sittlichere
+Haltung aufzunöthigen, was hat denn der Staat, was die Gesellschaft
+gethan? Würden wohl andere öffentliche Stände: Geistliche, Richter u. s.
+w. ein im Allgemeinen sittliches Verhalten zeigen, wenn es ihnen nicht
+streng abgefordert, wenn der einzelne Bescholtene nicht, als des Standes
+unwürdig, ausgestoßen würde? Alle bürgerlichen Tugenden haben ihre
+Grundlage im Zwange des Gesetzes und der Sitte.
+
+Dem Schauspieler aber macht die irregeleitete öffentliche Meinung
+Unsittlichkeit beinahe zur Bedingung künstlerischer Anerkennung; man
+läßt es ihn merken: einige Flecken Schande ständen ihm gut zu Gesicht.
+Man nimmt dem Schauspieler nichts übel, aber man verachtet ihn. Das
+Spiel der Leidenschaften im Privatleben des Künstlers sieht man als in
+nothwendiger Beziehung zu dem auf der Bühne stehend an, läßt seine
+entfesselten Neigungen als eine Würze der Kunstproduction gelten. Sogar
+die ersten Grundbedingungen des rechtlichen Vertrauens legt man ihm nur
+locker auf, er gilt als ein privilegirter Freibeuter im bürgerlichen
+Leben. Ein contraktbrüchiger, durchgegangener Bühnenkünstler findet
+selbst an Hoftheatern bereite Aufnahme.
+
+Darf man sich wundern, daß in dieser Stellung manche Theatermitglieder
+es mit sittlichen Verpflichtungen nicht genau nehmen?
+
+Darf man die allerdings tief eingerissene Selbstsucht, -- aus der in der
+Kunstübung das vereinzelte Virtuosenspiel und die verderbliche
+Effectjägerei entspringen -- dem Künstler so unbedingt zum Vorwurf
+machen, wenn er behaupten darf, daß die jetzigen Bühnenzustände ihm, von
+allen Antrieben für seine Kunst, nur den Egoismus übrig gelassen? Daß er
+sich als ein Miethling fühle, entweder gewinnsüchtiger Unternehmer oder
+kunstfremder Behörden, die für seine Leistungen keinen andern Maßstab
+als den Beifall der Massen und der Journale haben, der denn also um
+jeden Preis errungen werden müsse, wenn man sich eine Stellung sichern
+wolle.
+
+=Sobald das Theater zur Staatsanstalt erhoben ist, werden die
+Forderungen an die Künstler strenger, die Achtung für sie aber darum
+auch größer werden.= Verletzungen der öffentlichen Moral werden keine
+Bemäntelung mehr finden, der Stand wird an sittlicher Haltung gewinnen.
+Er wird für seinen Beruf gebildet und geprüft werden, wie das in andern
+Künsten der Fall ist. Die Anerkennung seiner Bedeutung und seines
+Nutzens im Staate wird ihm gesellschaftliche Achtung verschaffen, er
+wird sich immer mehr aus den gebildeten Schichten der Gesellschaft
+recrutiren. Seine gemeinwesenliche Verfassung wird die Elemente feinerer
+Bildung mit der Kraft naturwüchsigen Talentes unausgesetzt durchdringen,
+eine edle künstlerische Gesinnung sich geltend machen können.
+
+=Darum ist es menschlich und gerecht, wenn man dem Schauspieler endlich
+eine Verfassung zugesteht, die seine Selbständigkeit anerkennt, ihm
+Bildung und höhere Gesittung garantirt=; den Anspruch daran erhebe ich
+im Interesse meines Standes mit diesen Reformvorschlägen. =Wir haben
+ein Recht: endliche Gleichstellung mit den übrigen Ständen zu
+verlangen, Gleichstellung in Unterricht und moralischer Verpflichtung.=
+Wir sind die einzigen davon Ausgeschlossenen, wir sind die Parias unter
+den Ständen. Willig sind wir zu leisten, was man von uns fordern kann,
+aber wir können es nicht, wenn man es nicht fordern, wenn man die
+Leistung nicht ermöglichen will. Erst wenn Alles geschehen ist, wie
+bisher Nichts geschehen ist, unsern Stand zu heben und er sich unfähig
+dazu erwiesen, erst wenn man ihm höhere Zwecke gegeben und er ihnen
+nicht entsprochen -- dann mag man ihn verwerfen, aber erst dann. Jetzt
+hat die Gesellschaft kein Recht dazu, sie hat verschuldet, was sie uns
+vorwirft.
+
+Ueber diese höhere Lebensfrage unseres Standes wird zugleich mit der
+über die deutsche Bühne entschieden werden.
+
+Der bisherige Zustand hat keine Dauer mehr. Das deutsche Volk, an seiner
+Spitze seine Fürsten, muß sich erklären, was es von seiner Schaubühne
+will?
+
+Soll sie ihm nur zum Vergnügungsort, zur Zuflucht des Zeitvertreibes,
+zur Reunion der feinen Welt, zur Gelegenheit: Toilette zu machen und
+sich Rendezvous zu geben, daneben zur Befriedigung der Schaulust oder
+des Bedürfnisses der Erschütterung durch Lachen oder Weinen dienen --
+wozu dann die enormen Summen, welche aus Landesmitteln zu Gunsten so
+frivoler Anstalten fließen? Dann mögen diejenigen das Vergnügen
+bezahlen, die es genießen, man ziehe alle Subventionen zurück, verpachte
+die Theater und lasse den Unfug auf der Bahn industrieller Speculation
+dahinschießen. Die englische Bühne zeigt: wohin sie führt; die
+französische wird vor ihren Gefahren bis jetzt nur noch durch den
+angeborenen richtigen Sinn ihres Volkes für die dramatische Kunst
+bewahrt. Gewiß ist, daß auf diesem Wege keine Bühne zur =Veredlung= des
+Volkes wirken, ja daß sie vom Strome der Vergnügungslust so weit
+fortgerissen werden kann, daß ihre Existenz für die öffentliche Moral
+bedenklich wird.
+
+Soll aber dem deutschen Volke sein Nationaltheater sein, was die
+Folgerichtigkeit seines geistigen und sittlichen Bildungsstrebens
+fordert, soll es ihm ein Spiegel des Lebens, eine Stätte der
+Selbsterkenntniß, ein heiterer Tempel der Begeisterung für Schönes,
+Edles und Erhabenes sein, so müssen ihm auch ernster Wille und volle
+Mittel dafür zugewendet werden. =Ein ächtes Nationaltheater wird die
+Erwartungen der Nation niemals täuschen.=
+
+Mögen zu der alsdann nothwendig werdenden durchgreifenden Umgestaltung
+des heutigen Theaterwesens meine Ansichten und Vorschläge behülflich
+sein, sie sind ein Ergebniß dreißigjähriger Erfahrung in allen Zweigen
+der Dramatik und einer unzerstörbaren Ueberzeugung von der erhabenen
+Bestimmung des Theaters.
+
+=Dresden= im December 1848.
+
+ =Eduard Devrient.=
+
+
+
+
+Druck von =Otto Wigand= in Leipzig.
+
+
+
+
+
+End of the Project Gutenberg EBook of Das Nationaltheater des Neuen
+Deutschlands. Eine Reformschrift, by Eduard Devrient
+
+*** END OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK NATIONALTHEATER--NEUEN DEUTSCHLANDS ***
+
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+(and you!) can copy and distribute it in the United States without
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+
+1.B. "Project Gutenberg" is a registered trademark. It may only be
+used on or associated in any way with an electronic work by people who
+agree to be bound by the terms of this agreement. There are a few
+things that you can do with most Project Gutenberg-tm electronic works
+even without complying with the full terms of this agreement. See
+paragraph 1.C below. There are a lot of things you can do with Project
+Gutenberg-tm electronic works if you follow the terms of this agreement
+and help preserve free future access to Project Gutenberg-tm electronic
+works. See paragraph 1.E below.
+
+1.C. The Project Gutenberg Literary Archive Foundation ("the Foundation"
+or PGLAF), owns a compilation copyright in the collection of Project
+Gutenberg-tm electronic works. Nearly all the individual works in the
+collection are in the public domain in the United States. If an
+individual work is in the public domain in the United States and you are
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+The Project Gutenberg EBook of Das Nationaltheater des Neuen Deutschlands.
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+almost no restrictions whatsoever. You may copy it, give it away or
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+with this eBook or online at www.gutenberg.org
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+Title: Das Nationaltheater des Neuen Deutschlands. Eine Reformschrift
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+Author: Eduard Devrient
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+Release Date: April 19, 2012 [EBook #39480]
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+Language: German
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+*** START OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK NATIONALTHEATER--NEUEN DEUTSCHLANDS ***
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+Produced by Thorsten Kontowski, Karl Eichwalder, La Monte
+H.P. Yarroll and the Online Distributed Proofreading Team
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+<h1> <span id="id1"> Das</span>
+<span id="id2"> Nationaltheater</span>
+ <span id="id3"> des</span>
+ <span id="id4"> Neuen Deutschlands.</span>
+ <span id="id5"> Eine Reformschrift</span>
+<span id="id6"> von</span>
+<span id="id7"> Eduard Devrient.</span></h1>
+
+
+<p class="noindent center smaller strong1"> Leipzig,</p>
+<p class="noindent center smaller"> <strong>Verlag von J. J. Weber.</strong></p>
+<p class="noindent center x-small strong1">1849.</p>
+
+
+
+
+<h2>
+<span>[I.]</span>
+</h2>
+
+<p>Das preußische Cultusministerium hat mich durch den Auftrag geehrt, ihm
+meine Ansichten mitzutheilen: welche Gestaltung dem Theater zu geben
+sei, um es, zu einem gedeihlichen Wirken, in Uebereinstimmung mit den
+übrigen Künsten zu setzen.</p>
+
+<p>Dieser Auftrag hat mich zur Abfassung der vorliegenden Schrift
+veranlaßt. In dem Glauben, daß sie von zeitgemäßem und allgemein
+deutschem Interesse sei, übergebe ich sie hiermit der Oeffentlichkeit.</p>
+
+<p> Dresden, im December 1848.</p>
+
+ <p class="right"><strong>Eduard Devrient.</strong></p>
+
+
+
+
+<h2>
+<span>[II.]</span>
+</h2>
+
+<p>Noch in keinem Momente des Völkerlebens ist die höhere Sendung der
+Künste zur Veredlung des Menschengeschlechtes so leuchtend
+hervorgetreten, hat sich noch nie zu so kräftiger, tiefgreifender
+Wirkung angeboten, als in der großen Wendung unserer Tage.</p>
+
+<p>Schule und Kirche, die bisher allein anerkannten Erziehungsstätten, sind
+einem Streite verfallen, der noch langehin ein heftiges Sträuben des
+mündig gewordenen Volkes gegen jeden fühlbaren Zwang erhalten wird. Was
+kann daher willkommener sein, als die sanfte Gewalt der Künste, die es
+allein vermag, die Gemüther zu beschwichtigen, in rein menschlichem
+Antheil die Herzen<a id="Page_8"></a>
+<span class="pagenum">[8]</span> aller Parteien zu vereinigen, durch unmerklichen
+Zwang wieder Achtung vor Sitte, Friede und stillem Glück zu verbreiten,
+auf diesem heitren Wege die Geister wieder den strengen
+Erziehungsstätten zuzuführen und der großen, gemeinsamen Begeisterung
+für eine neue, edle Freiheit des Völkerlebens den höchsten Schwung und
+den schönsten Ausdruck zu verleihen!</p>
+
+<p>Ueberall muß es daher als ein Zeugniß sorgsamer Staatsweisheit anerkannt
+werden, wo die Organisation des Kunsteinflusses auf das Volksleben von
+der Landesregierung in thätigen Angriff genommen wird.</p>
+
+<p>Daß unter allen Künsten keine von so allgemeiner und volksthümlicher
+Wirkung ist, als die Schauspielkunst, bedarf hier keiner Beweisführung,
+die tägliche Erfahrung liefert sie. Keine Kunst wird also in dem Maße
+die Aufmerksamkeit der Staatsgewalt verdienen, so wie keine einer
+Organisation so dringend bedürftig ist, welche sie mit allen anderen
+höheren Culturmitteln des Staates in Uebereinstimmung setzt, als die
+Schauspielkunst.</p>
+
+<p>Faßt man ihre rein künstlerische Wichtigkeit in's Auge, so drängt sich
+als ihre wesentliche Eigenheit hervor: daß sie alle übrigen Künste
+umfaßt; sie erhebt sich<a id="Page_9"></a>
+ <span class="pagenum">[9]</span>
+auf allen anderen und wird so zur Spitze
+der Pyramide; sie ist die Kunst der Künste.</p>
+
+<p>Plastik, Malerei, Dichtkunst, Musik, Redekunst, Mimik und Tanzkunst
+sammelt sie in den gewaltigen Brennpunkt unmittelbaren Lebens, und
+dieser trifft in eine versammelte Menge, wo die Gemeinsamkeit des
+Antheils das Feuer des Enthusiasmus um so mächtiger entzündet.
+Wenngleich daher die schon vollendeten Werke der übrigen Künste, welche
+der Schauspielkunst zum Stoffe dienen, dabei an ihrer Selbständigkeit
+einbüßen müssen, so macht dennoch keine Kunst für sich schlagendere
+Wirkungen, als von der Bühne herab.</p>
+
+<p>Wie dringend nothwendig ist es also, daß die Schauspielkunst endlich in
+den Kreis der akademischen Bildung aufgenommen werde, damit ihre
+drastischen Wirkungen eine grundsätzliche Uebereinstimmung mit den
+übrigen Künsten gewinnen!</p>
+
+<p>Die Bühne vermag den Schönheitssinn, des Volkes sowohl als der Künstler,
+in die größte Verwirrung zu bringen, sie vermag ihn aber auch zu heben
+und zu reinigen. Daß so viel Unpoetisches, Unmusikalisches und
+Unmalerisches auf der Bühne Glück macht, bleibt ein unablässig
+fortwirkendes Moment der Verführung und<a id="Page_10"></a>
+ <span class="pagenum">[10]</span>
+ Corruption für Dichter,
+Musiker, Maler und Bildhauer; dagegen hat an die einzelnen, im rechten
+Geiste gelungenen Erscheinungen der Bühne sich von jeher eine Kette der
+fruchtbringendsten Anregungen geknüpft. <strong>Die Fähigkeit der
+Schauspielkunst: den wohlthätigsten Einfluß auf die übrigen Künste, also
+auf den Kunstsinn überhaupt, zu äußern, ist außer Zweifel, es muß daher
+als Pflicht erkannt werden: diese Fähigkeit zum wesentlichen Zweck der
+Bühne zu erheben.</strong></p>
+
+<p>Und nun, den Einfluß auf die <strong>Sittlichkeit</strong> in's Auge gefaßt, welche Kunst
+übt ihn stärker, als die der Bühne? &mdash; Der Gegenstand ist zu oft
+erörtert worden, als daß es nöthig wäre, ihn hier noch einmal
+aufzunehmen; wer damit unbekannt ist, sei zunächst auf Schiller's
+Vorlesung: »die Schaubühne, als eine moralische Anstalt betrachtet«,
+verwiesen.</p>
+
+<p>Gewiß ist &mdash; das gestehen selbst die Feinde der Bühne nicht nur zu,
+sondern sie machen es als ihre größte Gefahr geltend &mdash; daß die
+Schauspielkunst die gewaltigsten Wirkungen auf das Volk hervorbringt.
+Starke Wirkungen aber sind entweder wohlthätig oder<a id="Page_11"></a>
+ <span class="pagenum">[11]</span>
+nachtheilig,
+gleichgültig können sie nicht sein. Wenn also die Bühne den Geschmack
+und die Versittlichung nicht <strong>fördert</strong>, so muß sie ihnen <strong>schaden</strong>;
+<strong>unabweisbar wird daher die Verpflichtung für den Staat sein: sich der
+Wirkung seiner Schaubühnen zu vergewissern, dafür zu sorgen, daß sie die
+Bahn seiner Grundsätze über Volkscultur innehalten</strong>.</p>
+
+<p>Daß dies bisher nicht, oder nur sehr lau und mangelhaft geschehen ist,
+der Einfluß der Bühne daher oft in den schreiendsten Widerspruch mit den
+Staatsmaximen gerathen,<a id="ger1"></a><a title="Go to footnote 1." href="#fn1" class="fnanchor">[1]</a> das liegt ebenso vor Aller Augen, als daß die
+Schauspielkunst noch immer ganz außerhalb des Kreises einer, mit den
+übrigen Künsten übereinstimmenden Bildung sich bewegt; ganz außerhalb
+der Kettenglieder, welche die Regierungen zur Versittlichung und
+Veredlung des Volkes so sorgfältig ineinanderfügen.</p>
+
+<p class="footnote"><a id="fn1"></a><a title="Return to text." href="#ger1" class="label">[1]</a> Mit welchem strengen Eifer hat z. B. der Staat den neuen
+socialen Theorien entgegenzuwirken und die Achtung vor der Ehe, der
+Familie und allen Gliederungen der gesellschaftlichen Ordnung, welche
+daraus hervorgehen, aufrecht zu erhalten gesucht, während die
+Theaterrepertoire &mdash; die der Hofbühnen keinesweges ausgeschlossen &mdash; von
+Stücken wimmelten, in denen die Heiligkeit der Ehe verhöhnt, die
+Familienpietät lächerlich gemacht, ja eine förmliche Verherrlichung der
+Nichtswürdigkeit getrieben wird!<a id="Page_12"></a>
+ <span class="pagenum">[12]</span>
+</p>
+
+<p>Die Forderung, diesem Zustande ein Ende zu machen, dem deutschen Theater
+eine andere, grundsätzliche Basis und Einrichtungen zu geben und es
+dadurch in Stand zu setzen: seine künstlerische und sociale Bestimmung
+zu erfüllen, ist seit lange schon laut genug geworden. Sie wird bei der
+Bewegung unserer Zeit immer lauter und ungestümer, sie wird unabweislich
+werden und sich natürlich zunächst gegen die bedeutendsten,
+tonangebenden Theater richten, die reich dotirt, den höheren Forderungen
+des Volksgeistes am ehesten zu entsprechen verpflichtet erscheinen.</p>
+
+<p>Es sind die <strong>Hoftheater</strong>.</p>
+
+<p>In ihrer Entstehung rühmlich für die Fürsten und wohlthätig für Kunst,
+sind sie im Verlaufe der Zeit &mdash;wie dies allen menschlichen
+Einrichtungen begegnet &mdash;von ihrer ursprünglichen Bestimmung abgewichen;
+ihre heutige Erscheinung entspricht ihrer ersten Idee nicht mehr.</p>
+
+<p>Als in der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts die deutschen Höfe
+sich ernstlich und dauernd der vaterländischen Schauspielkunst annahmen,
+repräsentirten die<a id="Page_13"></a>
+ <span class="pagenum">[13]</span>
+ Fürsten noch alle Staatsgewalt. Es war der
+Staat, welcher durch sie der wandernden Kunst heimische Stätten,
+Anerkennung, Schutz und Unterstützung gab. Fürsten waren es, der edle
+Kaiser Joseph II. an der Spitze, welche den höheren Staatszweck der
+Bühne thatsächlich proklamirten. Kaiser Joseph gab seiner Hofbühne den
+Namen und die Grundsätze eines <strong>Nationaltheaters</strong>, er erklärte: es solle
+keine andere Bestimmung haben, als <strong>zur Verbreitung des guten Geschmacks
+und zur Veredlung der Sitten zu wirken</strong>.<a id="wir2"></a><a title="Go to footnote 2." href="#fn2" class="fnanchor">[2]</a> Fast überall folgten Höfe und
+Magistrate des Kaisers Beispiele, die Nationaltheater wurden allgemein
+und die Schauspielkunst gewann eine bewunderungswürdig rasche und
+nationale Entwickelung, weil sie ihr in einer gewissen Freiheit und
+Selbständigkeit gegönnt war. Die Höfe nämlich übten im Allgemeinen nur
+Schutz und Oberaufsicht über ihre Theater aus, die künstlerische
+Thätigkeit wurde fort und fort von künstlerischen<a id="Page_14"></a>
+ <span class="pagenum">[14]</span>
+ Directoren
+geleitet. Ja Kaiser Joseph erkannte die Nothwendigkeit der
+Selbstregierung der Künstler so vollständig an, daß er dem Wiener
+Nationaltheater eine ganz republikanische Verfassung gab, deren
+Grundsätze in Mannheim unter Dalberg eine denkwürdige Fortbildung
+fanden.<a id="fan3"></a><a title="Go to footnote 3." href="#fn3" class="fnanchor">[3]</a> </p>
+
+<p class="footnote"><a id="fn2"></a><a title="Return to text." href="#wir2" class="label">[2]</a> Das Genauere über diesen geschichtlichen Moment ist in
+meiner »Geschichte der deutschen Schauspielkunst« (Leipzig 1848, bei J.
+J. Weber) im II. B. zu finden. Ich muß mich hier und fernerhin auf dies
+Buch beziehen, weil es bis jetzt das einzige über diesen Gegenstand
+ist.</p>
+
+<p class="footnote"><a id="fn3"></a><a title="Return to text." href="#fan3" class="label">[3]</a> Gesch. der deutsch. Schauspielkunst II. B., S. 402, und
+III. B., S. 16.</p>
+
+<p>Aus solchem Geiste und unter solchem Schutze wuchs die deutsche
+Schauspielkunst, geführt von Meistern, wie Eckhoff, Schröder, Iffland,
+zu der kräftigen Reife, welche unter Schiller's und Goethe's Einfluß
+ihre poetische Vollendung erhielt.</p>
+
+<p>Als aber nach dem Wiener Congreß die Höfe den alten Glanz wieder
+gewannen, neue Theater in den Residenzen errichtet, die bestehenden in
+größeren Flor gebracht wurden, da veränderte sich Stellung und
+Organisation der Bühnen wesentlich.</p>
+
+<p>Die Verbreitung der constitutionellen Regierungsform trennte die
+Staatsgewalten, der Fürst vertrat nicht mehr allein den Willen der
+Nation; indem also die Höfe das Theater an sich behielten, gab der
+Staat, gab<a id="Page_15"></a>
+ <span class="pagenum">[15]</span>
+ die Nation stillschweigend den Anspruch auf, den sie
+bisher daran zu haben glaubten.</p>
+
+<p>Es war ganz folgerichtig, daß der Name »<strong>Nationaltheater</strong>« überall dem
+Titel »<strong>Hoftheater</strong>« Platz machen mußte und Kaiser Joseph's Principien
+aufgegeben wurden. Da die Höfe immer reichlichere Geldmittel für die
+Bühnen bewilligten, so wollten sie diese auch ganz in ihrem Sinne
+verwendet sehen und dehnten daher die Verantwortung der Hofintendanten
+über den ganzen Umfang der theatralischen Leistungen aus. So kam es
+denn, daß fast überall die künstlerischen Directionen &mdash; selbst die
+eines <strong>Goethe</strong> &mdash; der neuen Ordnung der Dinge weichen mußten und die
+Hofintendanten in die falsche Stellung geriethen: die specielle
+künstlerische Leitung der Bühne zu übernehmen. <strong>Das Bureau wurde nun der
+Mittelpunkt der Kunstthätigkeit.</strong></p>
+
+<p>Diese Veränderung der Theaterorganisation erwies sich viel tiefer
+greifend, als man wohl vorausgesehen hatte. Die dramatische Kunst war
+dadurch nicht nur dem Staatsinteresse entfremdet, auch die
+unausweichbare Nothwendigkeit ihres inneren Verfalles war damit
+ausgesprochen.<a id="Page_16"></a>
+ <span class="pagenum">[16]</span></p>
+
+<p>Eine Kunst, die sich nur in Totalwirkungen vollendet, kann den
+Sammelpunkt einer künstlerischen Direction schlechterdings nicht
+entbehren. Der einige Geist, welcher in der Uebereinstimmung aller
+Theile lebendig werden soll, kann nur aus innerstem, praktischen
+Verständniß der Kunstthätigkeit selbst hervorgehen. <strong>Der Schauspielkunst
+die künstlerische Direction nehmen, hieß: ihr das Herz ausschneiden.</strong></p>
+
+<p>Umsonst haben die Intendanten, theils mit Talent, meistens mit gutem
+Willen und redlichem Eifer das Naturwidrige ihrer Stellung zu überwinden
+gesucht; es konnte nicht gelingen. Erwägt man, wie mannichfache
+specielle Kenntnisse, Fähigkeiten und Erfahrungen für die Leitung eines
+Theaters erforderlich sind, so ist es leicht zu begreifen, daß diese
+nicht bei Männern gefunden werden können, welche, bis dahin
+Kammerherren, Hofmarschälle, Oberstall- oder Oberjägermeister, Officiere
+u. s. w. gar keine Veranlassung gehabt hatten irgend einem dieser
+Erfordernisse genug zu thun. Zwar hat man geglaubt, dem Wesen der Kunst
+hinlänglich Rechnung zu tragen, indem dem nichtsachverständigen Director
+die sachverständigen Regisseure zur Seite gestellt blieben, denen das
+augenfällig Technische<a id="Page_17"></a>
+ <span class="pagenum">[17]</span> der Leitung und die Abhaltung der Proben u.
+s. w. überlassen ist; <strong>in diesem Irrthume aber liegt eben der eigentliche
+Knotenpunkt der Verwirrung unseres heutigen Theaterwesens</strong>.</p>
+
+<p>Die Leistungen der Bühnenkunst sollen einheitliches Leben haben, darum
+verträgt ihre Leitung keine Theilung der Gewalt. Indem die
+wesentlichsten Bestimmungen: Wahl, Besetzung und Ausstattung der
+aufzuführenden Werke, Zusammensetzung des Kunstpersonals durch
+Anstellungen und Entlassungen, Urlaube, Gastrollen u. dergl. vom
+Intendanten, wohl auch von höheren Verfügungen, abhängig sind, bleibt
+der Regie nur ein beschränkter und durchaus bedingter Kreis des Wirkens,
+in welchem sie keine absolute Verantwortung für das Gelingen der
+Kunstwerke übernehmen kann, weil alle Vorbedingungen dazu nicht in ihren
+Händen liegen. Rühmend muß es anerkannt werden, daß einige Intendanten
+durch Anstellung von Oberregisseuren oder Dramaturgen der künstlerischen
+Autorität eine größere Ausdehnung gegeben und eine Annäherung an die
+alten Zustände bewirkt haben, in welchen die Intendantur nur
+Oberaufsicht und administrative Gewalt ausübte; aber es ist auch nur
+eine Annäherung. So lange die Intendanten<a id="Page_18"></a>
+ <span class="pagenum">[18]</span> noch für alle
+Einzelheiten der theatralischen Thätigkeit verantwortlich gelten, können
+sie sich auch der Bestimmung über dieselben nicht entschlagen, und so
+muß, bei diesen bestgemeinten Einrichtungen, der Nachtheil kreuzender
+Anordnungen ebenfalls lähmend für die Ausführung bleiben.</p>
+
+<p>Das Theater soll lebendige Kunstwerke schaffen, seine Thätigkeit muß
+also eine organische, von <strong>einem</strong> Lebenspunkte ausgehende sein. Die ganze
+complicirte Kette der Maßregeln, welche bis zum Aufsteigen des Vorhanges
+nothwendig sind, darf <strong>eine</strong> Hand nur halten, wenn das Werk in Einheit zur
+Erscheinung kommen soll; und das muß die Hand eines Sachverständigen
+sein. Nur der versteht aber eine Sache, der sie ausübt. <strong>Halbheit in der
+Machtvollkommenheit der künstlerischen Leitung, Einmischung kunstfremder
+Gewalten muß nothwendig Halbheit und Zerfahrenheit in ihre Resultate
+bringen.</strong></p>
+
+<p>Nicht glücklicher ist die Hofintendanz in anderer Beziehung gestellt;
+die innere Selbständigkeit, welche sie der Kunst entzog, gewann sie
+nicht für sich, ja sie gerieth in Abhängigkeit, da, wo sie absolut zu
+herrschen unternommen<a id="Page_19"></a>
+ <span class="pagenum">[19]</span>
+ hatte. Außerdem immer im Gedränge der
+widersprechendsten Forderungen: hier den Wünschen des Hofes zu genügen,
+dort den Forderungen der höhern Bildung der Nation, entgegen denen der
+bloßen rohen Vergnügungslust der Menge, unvermögend sich auf eine dieser
+Parteien mit Sicherheit zu stützen, unausgesetzt im Schaukelsystem: es
+bald hier, bald dort recht zu machen &mdash;mußte sie es zuletzt mit Allen
+verderben. Zum Ueberfluß noch verantwortlich gegen eine Oberbehörde,
+(das Hausministerium) die, ihrer Natur nach blos verwaltend, für das
+Kunstinstitut nur den Geldmaßstab haben kann, überwuchs die Verlegenheit
+um vortheilhafte Kassenabschlüsse zuletzt fast alle übrigen, und so
+sehen wir alle, so reich dotirten Hoftheater in unausgesetzter
+ängstlicher Bemühung um die Einnahme. Der Zuschuß aus Staatsmitteln
+scheint seinen eigentlichen Zweck: <strong>die Kunst unabhängig zu machen</strong>, gar
+nicht zu erfüllen; er hat die Kassenverlegenheit nur auf größere
+Zahlenverhältnisse gebracht, hat den vornehmen Hofbühnen dieselbe
+plebejische industrielle Richtung der Privatunternehmungen gegeben. In
+stetem Kreislaufe von hazardirten Ausgaben und kleinlicher Noth sie
+wieder zu decken, erinnert man sich kaum zu welchem höhern<a id="Page_20"></a>
+ <span class="pagenum">[20]</span> Zweck
+sie eigentlich in Bewegung gesetzt werden? Das Mittel ist zum Zweck
+geworden und der Zweck (die Kunst) zum Mittel; das Theater scheint
+lediglich eine Anstalt für den Geldumsatz zu sein.</p>
+
+<p>Consequent war es da freilich, daß man auf den Gedanken gerieth:
+administrativen Capacitäten müsse die Leitung des Theaters übergeben
+werden; der Mann der Ersparnisse galt nun für den wünschenswerthesten
+Intendanten. Man hatte vergessen, daß ein Theater für jeden
+festzustellenden Etat zu führen ist, daß es nicht darauf ankommt: wie
+viel oder wie wenig <strong>ausgegeben</strong>, sondern was für das Ausgegebene
+<strong>geleistet</strong> wird, und daß nur der Sachverständige für den möglichst
+geringen Preis das möglichst Beste herzustellen vermag. Die
+Controllansicht der Hausministerien siegte, die Höfe bemühten sich um
+die Wette den knappsten Haushalter zum Intendanten zu machen. Mit diesem
+Experimente büßte die Hofintendanz ihren unbestreitbaren Vorzug ein: den
+einer würdigen, achtunggebietenden Haltung, einer edlen, kunstbelebenden
+Liberalität. Mehr als ein Hoftheater ist, bei solcher Umwandlung, an
+Würde, Anstand und künstlerischem Geiste tief herabgekommen,<a id="Page_21"></a>
+ <span class="pagenum">[21]</span> obenein ohne die goldenen Hoffnungen auf Kassenüberschüsse erfüllt zu
+sehen.</p>
+
+<p>Daß dieser Zustand unhaltbar geworden, daß die Mission der Hofintendanz
+an ihr Ziel gelangt sei, ist eine allgemeine Ueberzeugung; es fragt sich
+nur: was an deren Stelle gesetzt werden soll?</p>
+
+<p>Es fehlt nicht an Stimmen, welche jede Unterstützung des Theaters
+verwerfen und verlangen: es solle ganz frei gegeben, d. h. sich selbst
+und der Concurrenz der Privatunternehmung überlassen werden; es solle
+aus eigener Kraft bewähren: was es werden und was es der Nation nützen
+könne.</p>
+
+<p>Aus dieser Forderung spricht eine untergeordnete Anschauung der Kunst
+überhaupt: <strong>Alles, was die Menschheit bilden und veredeln soll, muß vom
+Staate gestützt, vom bloßen Erwerbe unabhängig gemacht werden; das gilt
+von der Kunst, wie von der Schule und der Kirche.</strong> Die Concurrenz ist in
+unsern Tagen, selbst in ihrer Anwendung auf die Gewerbe, verdächtig
+geworden, und sicherlich birgt sie ein so starkes Moment der Verführung
+zu schlechten Hülfsmitteln, daß sie von den Maßregeln zur Hebung der
+Künste ein für allemal<a id="Page_22"></a>
+ <span class="pagenum">[22]</span> ausgeschlossen sein sollte.
+Privatindustrie, in Pachtverhältnissen wie in selbständigen
+Unternehmungen, kann, bei den Bedingungen unserer Zeit, dem Theater kein
+höheres Gedeihen bringen; <strong>ohne den Rückhalt kräftiger Geldunterstützung,
+welche den Bühnen Unabhängigkeit von der geldbringenden Menge sichert,
+ist ihre Führung nach reinen Grundsätzen unmöglich</strong>. Die Erfahrungen der
+Geschichte und unsere täglichen Erlebnisse beweisen es, daß alle Bühnen,
+welche auf Selbsterhaltung angewiesen sind, kleine und große, den Kampf
+der reinen Kunstrichtung gegen die Forderungen der materiellen Existenz
+nicht bestehen können. Männer wie Schröder selbst sind ihm unterlegen,
+auch seine Direction zielte zuletzt nur auf Gewinn.</p>
+
+<p>Befreit aber soll die Kunst allerdings werden, befreit von allen
+Bedingungen, die ihrer Natur zuwider sind, unter denen die erste die der
+unbedingten Abhängigkeit vom Erwerbe ist. Frei auf sich selbst und ihre
+hohe Bestimmung: <strong>den Menschen die Menschheit darzustellen, dem Volke das
+Leben der Völker abzuspiegeln</strong>, soll die dramatische Kunst gestellt
+werden. Unabhängig von der Herrschaft des Geschmacks<a id="Page_23"></a>
+ <span class="pagenum">[23]</span> einzelner
+Standesschichten, seien es die höchsten, seien es die niedrigsten, nur
+auf die Vernunft und den besseren Willen der Nation gestützt, soll sie
+die Opposition gegen das wandelbare Urtheil der Massen halten können,
+eine unbestechliche Priesterschaft der Wahrheit und des Adels der
+menschlichen Natur.</p>
+
+<p>Diese Freiheit aber der Schaubühne kann nur auf dem Boden einer höheren
+Gesetzlichkeit stehen, einer ernsten Verpflichtung zur Treue gegen ihre
+Bestimmung. Streng gehalten muß sie werden: der Nation zu leisten, was
+diese berechtigt ist von ihr zu fordern.</p>
+
+<p>Kein Zweifel also, <strong>daß die Staatsregierung selbst die Schaubühnen des
+ganzen Landes unter ihre Oberleitung nehmen muß</strong>, daß dasjenige
+Ministerium, welches die Erziehung und Veredlung des Volkes zur Aufgabe
+hat, welches Religion, Wissenschaft und Kunst &mdash; diese dreieinige
+Beglaubigung unserer höhern Natur &mdash; in ihrem Zusammenwirken überwacht,
+nicht länger säumen darf sich auch der Schauspielkunst zu bemächtigen.</p>
+
+<p>Nehme Niemand Anstoß an der frivolen Miene, die noch die Bühne unserer
+Tage zeigt und die sie der Verbindung mit Schule und Kirche unwerth zu
+machen<a id="Page_24"></a>
+ <span class="pagenum">[24]</span> scheint; ihrer inneren Natur nach ist Schauspielkunst zu
+hohen Dingen bestimmt, bei allen Völkern war sie die Trägerin des
+ursprünglichen Gottesdienstes. <strong>Auch muß durch diese einzige Maßregel:
+die Bühne zur Staatsanstalt zu erklären, unausbleiblich ihre ganze
+Beschaffenheit sich verwandeln.</strong></p>
+
+<p>Soll aber die Grundlage der nothwendigen Theaterreform in Uebertragung
+der Oberleitung, von der unverantwortlichen Autorität des Hofes auf die,
+dem Lande verantwortliche, der Regierung, bestehen, so darf dabei doch
+nicht aus den Augen gelassen werden: was die Hoftheater der Kunst
+genützt haben, damit diese Vortheile einem neuen Zustande der Dinge
+möglichst erhalten werden. Allen Glanz, alle Sicherstellung und Würde,
+alle äußere Vervollkommnung und Achtung verdankt das Theater dem Schutze
+und der Intimität der Höfe. Ohne das bisherige Verhältniß der
+Zugehörigkeit würde kein Theater so hoch dotirt, würden die Ansprüche
+des Publikums daran nie so hoch gesteigert worden sein. Auch hat der
+gewähltere Geschmack der höheren Gesellschaft allem künstlerischen
+Streben nach Adel, Feinheit, Grazie und Eleganz, den derberen
+Forderungen des großen<a id="Page_25"></a>
+ <span class="pagenum">[25]</span> Publikums gegenüber, einen wichtigen
+Rückenhalt dargeboten. Alles dies darf künftig nicht verloren gehen.</p>
+
+<p>Nicht nur die bisherigen Geldzuschüsse, auch der permanente Antheil des
+Hofes muß dem Theater erhalten bleiben.</p>
+
+<p>Der hin und wieder laut gewordene Vorschlag: das Theater lediglich zur
+Landessache zu machen und dem Fürsten anheim zu geben, seine Logen darin
+zu bezahlen &mdash; wie dieß in Frankreich und England üblich &mdash; ist
+unbedingt und aus Staatsprincip zurückzuweisen. In jedem wahrhaften
+Nationalinstitute muß der Erste der Nation, der Träger der Majestät des
+Volkes, ohne alle Bedingung zu Haus sein, und sein Interesse an der
+Kunst zu nähren muß ein Antrieb des Ehrgeizes bleiben.</p>
+
+<p>Allerdings wird es selbst politisch consequent sein, in dieser Zeit,
+welche die Fürsten von Verantwortung frei zu machen trachtet, den Höfen
+auch die für das Theater &mdash; dessen Oeffentlichkeit unablässige Angriffe
+jedes Einzelnen herausfordert &mdash; abzunehmen; aber damit darf doch, zum
+Vortheil der Kunst, das Protectorat der Fürsten nicht aufgegeben werden.</p>
+
+<p>Der Landesfürst hat nur die Organe seines Willens zu wechseln, anstatt
+Hofbeamten, die von seiner Willkür<a id="Page_26"></a>
+ <span class="pagenum">[26]</span> abhängig, die Oberleitung des
+Theaters Staatsbeamten zu übergeben, die außer ihm auch dem Lande
+verantwortlich sind.</p>
+
+<p>Der jetzige Moment ist entscheidend. Die Umgestaltung unserer
+staatlichen und bürgerlichen Verhältnisse muß auch das Theater
+ergreifen; es kann nicht anders sein, denn das Theater ist zu jeder Zeit
+das kleine Spiegelbild des großen Außenlebens gewesen. Jetzt kommt es
+darauf an: was es dem Vaterlande werden soll?</p>
+
+<p>Wie vor hundert Jahren alle Stimmen die Höfe um Schutz für die
+heimathliche Kunst anriefen, wie es als eine That ruhmwürdigen
+Patriotismus gepriesen wurde, wenn ein Fürst seinen Mantel über ein
+Nomadenhäuflein deutscher Comödianten ausbreitete, so blicken die
+Freunde der Kunst und des Vaterlandes jetzt wieder auf die Fürsten,
+verhoffend: sie werden die erste Wohlthat durch die zweite,
+großmüthigere vollenden, sie werden den verweichlichenden Gnadenmantel
+zurückschlagen und den üppig aufgeschossenen Pflegling ihrer Gunst in
+die ernste Pflicht: <strong>der höheren Wohlfahrt des Volkes dienstbar zu sein</strong>,
+entlassen.<a id="Page_27"></a>
+ <span class="pagenum">[27]</span></p>
+
+
+<h2>
+<span>[III.]</span>
+</h2>
+
+<p>Nun aber die praktische Ausführung dieser tiefgreifenden Theaterreform!
+Was ist zu thun, wenn sie den angekündigten Zwecken entsprechen soll?</p>
+
+<p>Hier meine Vorschläge:</p>
+
+<p>Der Landesfürst überträgt dem Ministerium für Cultus, Wissenschaft u.
+Kunst, neben der Oberaufsicht über die Institute für Musik und bildende
+Künste &mdash;Conservatorien, Akademien, Museen &mdash; auch die über die
+bisherigen Hoftheater. Er gewährt die Uebertragung der Summen, welche
+die Hofkasse bisher jährlich zur Erhaltung des Theaters zugeschossen,
+auf die Staatskasse. Alle Unterstützungen und Vortheile, welche andre
+Theater des Landes von Staats wegen genießen, so wie die Aufsicht über
+dieselben, welche bis jetzt meistentheils<a id="Page_28"></a>
+ <span class="pagenum">[28]</span> von dem Ministerium des
+Innern ausgeübt worden, alles dieß wird ebenfalls in die Hand des
+Cultusministeriums gelegt, <strong>so daß die Staatspflege aller Kunst im ganzen
+Lande durch eine Abtheilung dieses Ministeriums vollkommen vertreten und
+ihr organisches Leben gesichert ist</strong>.</p>
+
+<p>Der Beamte, dem die Generaldirection der Landesbühnen übertragen wird,
+braucht keine specielle Kenntniß vom Theaterwesen zu besitzen; &mdash; er
+soll sich in die künstlerische Thätigkeit nicht mischen &mdash; ein
+ästhetisch gebildeter Sinn, das genaue Verständniß dessen, was die Bühne
+für die höhere Volksbildung zu leisten habe, ein richtiger
+administrativer Ueberblick werden die Erfordernisse für dieses Amt sein.
+Eine würdige persönliche Repräsentation wird die Wirksamkeit dieses
+Beamten wesentlich unterstützen. Erleichtern wird es die Theaterreform,
+wenn bisherige Hofintendanten von geeigneten Fähigkeiten, in dieses
+Ministerialamt eintreten. In welcher Weise dasselbe auf die eigentliche
+Theaterdirection einzuwirken hat, wird sich aus der Organisation
+derselben ergeben.</p>
+
+<p>Die Residenztheater sind es, welche die nächste und hauptsächlichste
+Aufmerksamkeit in Anspruch nehmen;<a id="Page_29"></a>
+ <span class="pagenum">[29]</span> nichts darf versäumt werden, um
+ihnen eine wahre Mustergültigkeit zu verleihen. Ihre künstlerische
+Verfassung wird am wesentlichsten dazu wirken.</p>
+
+<hr class="small" />
+
+<p>Die bisherigen <strong>Hoftheater</strong> erhalten unter dem Namen: <strong>Nationaltheater</strong> eine
+<strong>von künstlerischen Vorständen gebildete, selbständig abgeschlossene, der
+Landesregierung verantwortliche Direction</strong>.</p>
+
+<p>Dieselbe besteht aus den Vertretern derjenigen Künste, welche den
+wesentlichen Kern der Dramatik ausmachen: Dichtkunst, Musik und
+Schauspielkunst; also aus einem <strong>Theaterdichter</strong> und <strong>Schriftführer</strong> (dem
+bisherigen Theatersecretair), einem <strong>Kapellmeister</strong> und einem
+<strong>darstellenden Künstler</strong>.</p>
+
+<p><strong>Diese drei Männer berathen und beschließen</strong> &mdash; mit Hinzuziehung der
+weiter unten zu besprechenden Vorstände zweiten Ranges &mdash; <strong>über alle
+Angelegenheiten des Theaters</strong>; aber <strong>Einem unter ihnen steht die endliche
+Entscheidung in allen Beschlüssen und ihre Ausführung mit<a id="Page_30"></a>
+ <span class="pagenum">[30]</span>
+vollkommener Gewalt und unter seiner alleinigen Verantwortlichkeit zu</strong>.</p>
+
+<p>Weil nun die Schauspielkunst diejenige ist, in welche alle übrigen
+aufgehen, weil es auf sie ankommt: was die Dicht- und Musikwerke von der
+Bühne herab wirken, weil sie in letzter Instanz für Alles verantwortlich
+sein muß, was auf der Bühne geschieht, so wird auch die Direction des
+Theaters nur dann naturgemäß organisirt sein, wenn <strong>ein darstellender
+Künstler an ihrer Spitze</strong> steht.</p>
+
+<p>Man pflegt gegen die Direction eines Schauspielers vielfache Bedenken
+geltend zu machen. Man sagt: er mißbrauche gewöhnlich seine Macht zur
+Befriedigung der, dem Schauspieler nahe liegenden Rollensucht, säe
+dadurch Mißtrauen und Zwietracht im Personal, benachtheilige wohl auch
+dadurch die Wirkung der Darstellungen.</p>
+
+<p>Wahr ist es, fast alle Schauspielerdirectoren in der ganzen
+Kunstgeschichte haben diesen Vorwurf verschuldet. Aber da jede Direction
+ihre Mängel haben wird, so ist dieser, gegen den unermeßlichen Vorzug
+einer kunstverständigen Leitung, sehr gering anzuschlagen; wird auch
+zudem, aus Rollensucht der übrigen Schauspieler, gewöhnlich übertrieben
+angegeben. Den Meistern <strong>Eckhof</strong>,<a id="Page_31"></a>
+ <span class="pagenum">[31]</span> <strong>Schröder</strong>, <strong>Iffland</strong> u. A., obschon
+sie manche Rolle, die ihnen nicht zukam, sich aneigneten, hat dennoch
+die deutsche Kunst ihr erstaunlich rasches Wachsthum zu danken.
+Uebrigens ist in der Organisation des Theaters ein hinlängliches
+Gegengewicht gegen egoistische Uebergriffe aufzustellen, wie die weitern
+Vorschläge zeigen werden.</p>
+
+<p>Ferner macht man den Einwand geltend: die erforderliche Bildung und
+Charakterwürde sei unter den Schauspielern zu selten anzutreffen, um dem
+Stande die Selbstregierung überall anvertrauen zu können.</p>
+
+<p>Der Vorwurf ist, in seiner Anwendung wenigstens, unbegründet. An jeder
+irgend bedeutenden Bühne wird ein darstellender Künstler zu finden sein,
+der hinlänglich befähigt ist, die Direction &mdash; wenn auch nicht tadellos
+&mdash;jedenfalls besser zu führen, als sie bisher von Nichtschauspielern
+geführt worden ist. Ein Fortschritt also wäre der Bühne damit jedenfalls
+garantirt, selbst bei dem gegenwärtigen Bildungsstande. Dieser aber wird
+sich durch Einführung künstlerischer Directionen erstaunlich schnell
+verändern. Die Directionstalente unter den Schauspielern, seit 30 Jahren
+niedergehalten und vom Steuer entfernt, weil sie der Bureauherrschaft
+unbequem<a id="Page_32"></a>
+ <span class="pagenum">[32]</span> sein mußten, werden sich wieder erheben, die Bühne, zur
+Staatsanstalt erklärt, wird immer mehr an Mitgliedern aus den gebildeten
+Ständen gewinnen, es werden Talente, welche vielleicht, wegen
+mangelhafter Begabung, auf der Bühne nicht die größten Erfolge zu
+erlangen vermögen, andere von vorherrschender Verstandesrichtung, sich
+mehr auf Ausbildung der künstlerischen <strong>Einsicht</strong> legen, und wenn sie
+einen Weg praktischer Entwicklung in der Theaterorganisation offen
+finden, eine Vervollkommnung erlangen, wie wir sie ähnlich in andern
+Künsten bei Talenten antreffen, die vortrefflich als Lehrer und
+Directoren, in ihren Werken selbst aber nicht bedeutend sind. Und diese
+Entwicklung wird man um so geduldiger abwarten können, als bei der
+vorgeschlagenen Directionseinrichtung von dem Schauspielerdirector nicht
+aller Verstand und alle Einsicht allein gefordert wird, weil ihm die, in
+den Berathungen gleichberechtigten musikalischen und literarischen
+Vorstände zur Seite stehen, hier also der <strong>Geist</strong> der dramatischen Kunst
+und die <strong>praktische Ausführbarkeit</strong> sich lebendig durchdringen können.</p>
+
+<p>Man hat vielfach der Direction eines Dichters vor der eines
+Schauspielers den Vorzug gegeben um der höhern Bildung willen, welche
+sein Beruf ihm aneignet,<a id="Page_33"></a>
+ <span class="pagenum">[33]</span> die Directionen von Goethe, Schreyvogel
+(West), Klingemann und Immermann scheinen diesen Vorzug zu
+rechtfertigen; und wo es zur Zeit nicht möglich sein sollte, einem
+Schauspieler das volle Directionsvertrauen zu schenken, dagegen, was
+selten genug der Fall sein wird, der Theaterdichter besonders
+vorragendes schauspielerisches und praktisches Talent zeigen sollte, mag
+man ausnahmsweise den Literaten an die Spitze stellen.</p>
+
+<p>Der Natur der Dinge wird es immer widersprechen, und der Mißstand, den
+dies erzeugt, ist jederzeit, auch bei den besten Literaten-Directionen,
+hervorgetreten. Wie der Dichter den geistigen Stoff hergiebt in der
+Dramatik, der Schauspieler aber ihm Gestalt und sinnliches Leben
+verleiht, <strong>so muß auch bei der Leitung der Kunst im Ganzen der Dichter
+die berathende Stimme haben, die künstlerische Praxis aber das letzte
+Wort behalten</strong>.</p>
+
+<hr class="small" />
+
+<p>Die Frage: wie der künstlerische Vorstand gefunden, wie die bis jetzt
+unerkannten Directionstalente unter den Schauspielern hervorgezogen
+werden sollen? muß sich<a id="Page_34"></a>
+ <span class="pagenum">[34]</span> wiederum aus der Natur und dem Wesen der
+Kunst beantworten.</p>
+
+<p>Das Wesen der Schauspielkunst aber ist vollkommene Vergesellschaftung
+<strong>Aller</strong>, mit Erhaltung der Eigenheit des <strong>Einzelnen</strong>. Sie fordert gänzliche
+Hingebung an den Gesammtvortheil der Totalwirkungen, fordert
+Selbstverläugnung in einer Thätigkeit, welche Ehrgeiz und Eitelkeit am
+gewaltigsten aufregt, fordert, daß der Einzelne die Befriedigung seines
+<strong>eignen</strong> Vortheils in der Befriedigung des <strong>allgemeinen</strong> finde, <strong>die
+Schauspielkunst fordert also republikanische Tugend in höchster Potenz</strong>.</p>
+
+<p>Um diese zu wecken und zu pflegen bedarf das Theater folgerichtig auch
+republikanischer Einrichtungen. Diese Erkenntniß datirt nicht etwa aus
+den politischen Bewegungen unserer Tage, schon die absolutesten
+Herrscher haben ihr gemäß gehandelt. Ludwig XIV. gab dem <i>théâtre
+français</i> die erste Verfassung, die Napoleon späterhin ausbildete. Joseph
+II. führte eine ähnliche am Wiener Nationaltheater ein. Dalberg in
+Mannheim, Schröder in Hamburg u. A. m. nahmen ihre Grundsätze auf. Es
+ist also nichts Neues, wenn das Theater eine künstlerische
+Selbstregierung durch Vertretung, und aus freiem Vertrauen<a id="Page_35"></a>
+ <span class="pagenum">[35]</span>
+gewählte Vorstände erhält, es ist eine Nothwendigkeit, die sich aus
+tausend Hemmungen und Mißhelligkeiten in der Theaterpraxis ergiebt. Denn
+es sind nicht blos mechanische Verrichtungen, welche von dem Personal &mdash;
+selbst dem untergeordneten &mdash; gefordert werden, der gute Wille, der
+lebendige Antheil an der gemeinsamen Sache, die eifrige Betheiligung
+müssen überall das Beste thun. Dies Alles aber ist nicht zu erlangen,
+wenn nicht jeder Einzelne fühlt, daß er wirklichen Theil hat an dem
+organischen Leben des Institutes, dem er angehört, wenn die Führer nicht
+Männer des allgemeinen Vertrauens sind.</p>
+
+<p>Darum muß die Gliederung der verschiedenen Körperschaften im Personale
+festgestellt und der Grundsatz der <strong>Wahl</strong> von Vertretern und Führern, von
+unten auf geltend gemacht werden; die Direction wird dadurch erleichtert
+und vereinfacht.</p>
+
+<p>Die Mitglieder des <strong>Orchesters</strong>, des <strong>Chors</strong> und des <strong>Balletts</strong> wählen sich
+alljährlich <strong>Ausschüsse</strong> von drei bis fünf Männern etwa. Bei Chor und
+Ballett übernehmen diese das bereits eingeführte Geschäft der
+Inspicienten, handhaben Ordnung in Vorübungen, Proben und Vorstellungen
+u. s. w.; alle aber vertreten<a id="Page_36"></a>
+ <span class="pagenum">[36]</span> ihre Körperschaft der Direction
+gegenüber, bei Wahl von Vorständen, bei Verwaltung gemeinsamer Kassen
+und in Streit- und Beschwerdesachen. Zum Theil besteht diese Einrichtung
+bereits an einigen Bühnen, sie bedarf aber grundsätzlicher Regelung.</p>
+
+<p>Diese Ausschüsse mit ihren Vorständen &mdash; Kapellmeister, Musikdirector
+und Conzertmeister, Chordirector und Ballettmeister &mdash; treten mit
+sämmtlichen darstellenden Mitgliedern, männlichen und weiblichen,
+zusammen<a id="zus4"></a><a title="Go to footnote 4." href="#fn4" class="fnanchor">[4]</a> und <strong>wählen den Künstler, dem sie die meisten Fähigkeiten
+zutrauen, die Ehre und Würde des Institutes zu fördern</strong>, durch mindestens
+zwei Drittel Mehrheit der Stimmen, <strong>zum Director</strong>.</p>
+
+<p class="footnote"><a id="fn4"></a><a title="Return to text." href="#zus4" class="label">[4]</a> Obwohl die darstellenden Mitglieder ebenfalls einen
+vertretenden Ausschuß haben müssen, von dem nachher die Rede sein wird,
+so betheiligen sie sich doch bei der Wahl des Directors <strong>unmittelbar</strong>,
+weil jeder Einzelne in unmittelbarer Beziehung zu diesem steht. Die
+übrigen Genossenschaften, Orchester, Chor und Ballett, stehen
+größtentheils nur in ihrer Gesammtheit &mdash; da sie in dieser nur wirken &mdash;
+in Bezug zum Director, darum wählen sie nur als Genossenschaft durch
+Vertretung. Auch würde ihre Stimmenüberzahl ein unrichtiges
+Betheiligungsverhältniß ergeben.</p>
+
+<p>Dem Ministerium steht es zu, die Wahl zu bestätigen.<a id="Page_37"></a>
+ <span class="pagenum">[37]</span></p>
+
+<p>Man darf sich überzeugt halten, daß der rechte Mann auf diese Weise
+gefunden wird. Wie gering man auch den allgemeinen Bildungsstand der
+Theatermitglieder anschlagen mag, was zu ihrem Fache taugt, verstehen
+sie besser, als irgend sonst Jemand, und wo es sich um Ehre und Gedeihen
+des Theaters handelt, wird persönliche Parteilichkeit die Freiheit des
+Urtheils nicht mehr benachtheiligen, als dies bei anderen Wahlen
+geschieht.</p>
+
+<p>Dem Ministerium sowohl, als den künstlerischen Ausschüssen steht es
+frei: Wahlcandidaten, auch von andern Bühnen, vorzuschlagen.</p>
+
+<p>Eine Dauer der Amtsführung kann im Voraus nicht vorgeschrieben werden,
+ein Theaterdirector kann so wenig, als ein Staatsminister, auf
+Lebenszeit oder auf eine bestimmte Anzahl von Jahren eingesetzt werden.
+Es muß ihm freistehen, den Posten aufzugeben, wenn er Muth, Kraft und
+Lust dazu verliert, &mdash; was in diesem Amte schneller, als in jedem
+anderen geschieht, &mdash; aber es muß auch möglich sein, ihn des Postens zu
+entheben, wenn er stumpf wird, ohne es zu merken, oder er dem Vertrauen
+der Kunstgenossenschaft und der Regierung nicht entspricht.<a id="Page_38"></a>
+ <span class="pagenum">[38]</span></p>
+
+<p>Diese Enthebung darf aber nur &mdash; um Gewaltsamkeit oder Intrigue zu
+entwaffnen &mdash; in derselben Weise, wie die Wahl geschehen, durch Beschluß
+des Ministeriums und der zwei Drittel Mehrheit der Stimmberechtigten.</p>
+
+<p>Der austretende Director &mdash; wenn nicht Straffälligkeit ihn aus der
+Genossenschaft entfernt &mdash; nimmt seine frühere Stellung im Personale,
+oder diejenige ein, welche auf diesen Fall mit dem Ministerium
+verabredet worden. Es leuchtet ein, daß das Ministerium überhaupt in
+jedem einzelnen Falle mit dem gewählten Director über die Bedingungen
+der Annahme übereinkommen muß. Dazu ist aber die dringende Warnung
+auszusprechen: den Director der Residenztheater in keiner Weise bei den
+Einnahmen zu betheiligen. Er darf niemals persönlichen Gewinn, sondern
+nur die Ehre und Würde des Institutes im Auge haben.</p>
+
+<p>Die Stellung des Directors wird sich erst übersehen lassen, wenn die
+ganze Organisation des Theatervorstandes klar ist.<a id="Page_39"></a>
+ <span class="pagenum">[39]</span></p>
+
+<hr class="small" />
+
+<p><strong>Der Kapellmeister in der Direction hat die Verantwortung für das
+gesammte Musikwesen des Theaters zu übernehmen.</strong> Ihm sind die übrigen
+Orchesterdirigenten, so wie der Chorlehrer untergeben, mit deren Beirath
+er über Anstellungen, Verabschiedungen und Pensionirungen im Orchester,
+über Wahl, Reihefolge und Ausführung der Musikwerke Vorschläge zu
+machen, und sobald diese durch die Direction zum Beschluß erhoben
+worden, für Betreibung des Studiums und für die Vollkommenheit der
+Ausführung zu sorgen hat.</p>
+
+<p>Der Kreis dieser Wirksamkeit wird bereits an vielen Bühnen von dem
+Kapellmeister beherrscht, darum würden die in Amt befindlichen fast
+überall für die neue Organisation passen. Es gälte nur: den Umfang ihrer
+Machtvollkommenheit und also ihrer Verantwortlichkeit zweifellos
+festzustellen und da, wo die musikalischen Angelegenheiten in
+verschiedenen Händen liegen, sie in einer einzigen zu centralisiren. Wo
+zwei gleichberechtigte Kapellmeister im Amte sind, müßte der eine dem
+anderen untergeordnet oder die Directionsgewalt jährlich abwechselnd in
+ihre Hand gelegt werden, bis ein Personenwechsel über diese Auskunft
+hinweghilft. Denn unverrückt<a id="Page_40"></a>
+ <span class="pagenum">[40]</span> muß an dem Grundsatze festgehalten
+werden, daß die Verantwortung überall in eine einzige Person auslaufe,
+damit die so geregelten einzelnen Kreise schnell und gelenkig für den
+allgemeinen Zweck bewegt werden können.</p>
+
+<p>Diese Einrichtungen dürfen natürlich nur in Uebereinkunft mit dem
+Director getroffen werden, weil derselbe sich mit dem musikalischen
+Mitdirector in grundsätzlicher Uebereinstimmung fühlen muß. Wenn daher
+die Stelle des Kapellmeisters neu zu besetzen ist, so muß der Director
+sich mit der Aufstellung der Candidaten, welche das Ministerium oder der
+musikalische Ausschuß, neben den von ihm selbst vorzuschlagenden,
+präsentiren will, einverstanden erklären.</p>
+
+<p><strong>Die Ernennung eines neuen Kapellmeisters geschieht durch Wahl der
+musikalisch Betheiligten</strong> mit zwei Drittel Stimmenmehrheit und
+Bestätigung der Regierung. Stimmberechtigt sind &mdash; in Analogie mit der
+Wahl des Directors &mdash; die Sänger und Sängerinnen der Oper, die übrigen
+musikalischen Vorstände und die Ausschüsse des Orchesters<a id="Orc5"></a><a title="Go to footnote 5." href="#fn5" class="fnanchor">[5]</a> und des
+Chors.</p>
+
+<p class="footnote"><a id="fn5"></a><a title="Return to text." href="#Orc5" class="label">[5]</a> Ob man alle Orchestermitglieder für stimmberechtigt
+erklären will, muß lokalen Bestimmungen überlassen bleiben.
+<a id="Page_41"></a>
+ <span class="pagenum">[41]</span></p>
+
+<p>Ob die Anstellung auf Zeit oder auf Lebensdauer geschehen soll, wird von
+den Bedingnissen jedes einzelnen Falles abhängen. Zu erwägen ist nur,
+daß der Rücktritt, lediglich von der Theilnahme an der Direction, nur da
+möglich ist, wo ein zweiter Kapellmeister dafür einzutreten vorhanden
+ist.</p>
+
+<hr class="small" />
+
+<p>Der <strong>Theaterdichter</strong> und <strong>Schriftführer</strong> &mdash;man mag ihn auch <strong>Dramaturg</strong> nennen
+&mdash; hat, wie herkömmlich, für das Bedürfniß der Bühne an
+Gelegenheitsgedichten, Bearbeitungen, Abänderungen, Verbesserungen der
+Operntexte u. s. w. zu sorgen, auch die Bureaugeschäfte und
+Correspondenz zu führen, so weit ihm letztere nicht vom Kapellmeister
+und Director erleichtert wird. Seine wesentliche Aufgabe aber wird sein,
+<strong>die Literatur, den Geist der Dramatik zu vertreten</strong>. Er soll von dieser
+Seite her immer neue Anregungen geben, damit die Direction sich nicht
+einer blos herkömmlich theatralischen Richtung und den gewöhnlichen
+Tagesforderungen hingebe. Er soll also der wichtigste Rathgeber des
+Directors sein in Allem, was die<a id="Page_42"></a>
+ <span class="pagenum">[42]</span> höhere Bedeutung der Bühne
+berührt; besonders also in der Wahl der aufzuführenden dramatischen
+Werke. Er soll den Director vornehmlich unterstützen: im Kunstpersonale
+ein allgemeines Bildungsbestreben zu wecken und zu nähren. Durch
+Anregungen aller Art, durch Vorträge, Regelung der Lectüre, Aufsicht
+über Vervollständigung und Benutzung der Theaterbibliothek in diesem
+Sinne, durch bereite Auskunft über wissenschaftliche Fragen, durch
+Vermittelung eines innigen Verkehrs mit literarischen Capacitäten und
+eines Zusammenhanges mit den Vereinen dramatischer Autoren &mdash; deren
+Bildung durch die Reorganisation des Theaters gewiß angeregt werden wird
+&mdash; soll er den Geist des Institutes heben und erweitern.</p>
+
+<p>Daß dieser Posten von der allergrößten Wichtigkeit, leuchtet ebensowohl
+ein, als daß die meisten zur Zeit fungirenden Theatersecretaire &mdash; die
+ebensowohl beim Post-oder Steuerfache angestellt sein könnten &mdash; diesen
+Forderungen nicht entsprechen werden; diese Stelle wird also bei einer
+Bühnenreform fast überall neu besetzt werden müssen.</p>
+
+<p>Aus einer Wahl kann dieses Mitglied der Direction nicht hervorgehen,
+weil keine wahlberechtigte Körperschaft<a id="Page_43"></a>
+ <span class="pagenum">[43]</span> dazu vorhanden ist.<a id="ist6"></a><a title="Go to footnote 6." href="#fn6" class="fnanchor">[6]</a> Die
+darstellenden Mitglieder können in ihrer Mehrheit kein Urtheil über
+seine Befähigung haben, auch sind sie in dienstlicher Beziehung nicht
+dergestalt von ihm abhängig, daß er der Mann ihres Vertrauens sein
+müßte. Es wird genügen, wenn die Majorität des Ausschusses der
+darstellenden Künstler der Ernennung beistimmt, welche vom Ministerium,
+in Uebereinkunft mit den beiden andern Directionsmitgliedern,
+vorgenommen wird.</p>
+
+<p class="footnote"><a id="fn6"></a><a title="Return to text." href="#ist6" class="label">[6]</a> Bis jetzt existiren keine Vereine dramatischer Autoren,
+denen eine corporative Vertretung beizumessen wäre und denen man darum
+eine Betheiligung bei der Wahl dieses Vertreters der dramatischen
+Literatur zumuthen könnte.</p>
+
+<hr class="small" />
+
+<p>Dieser <strong>Ausschuß der darstellenden Künstler</strong> ist für die
+Gesammtorganisation überhaupt von großer Wichtigkeit.</p>
+
+<p>Gleich den Musikern, Choristen und Tänzern erwählt alljährlich das
+darstellende Personal, Herren und Damen, einen Ausschuß von mindestens
+fünf Männern, darunter wenigstens je zwei aus Oper und Schauspiel.<a id="Page_44"></a>
+ <span class="pagenum">[44]</span></p>
+
+
+<p>Von diesen Vertrauensmännern des Personals hat der Director sich die
+<strong>Regisseure</strong> zu seinen künstlerischen Mitarbeitern zu wählen. Im Fall
+längerer Krankheit oder Abwesenheit eines derselben ernennt der Director
+aus den übrigen Ausschußmitgliedern einen <strong>Stellvertreter</strong>. Die Entfernung
+eines Regisseurs von seinem Posten muß natürlich in der Gewalt des
+Directors stehen, doch hat er sich mit dem übrigen Ausschusse deshalb zu
+benehmen.</p>
+
+<p>In ähnlicher Weise, d. h. unter Beirath der betreffenden Ausschüsse,
+werden <strong>alle Vorstände zweiten Ranges</strong> eingesetzt: <strong>Orchesterdirigenten</strong>,
+<strong>Chordirector</strong>, <strong>Ballettmeister</strong>. Diese können natürlich nicht aus
+Vertrauensmännern ernannt werden, welche das Personal bezeichnet, weil
+sie oft von andern Theatern berufen werden müssen, immerhin aber wird es
+wichtig sein, daß die Direction verpflichtet sei: sich der Zustimmung
+des betreffenden Ausschusses zu versichern, damit das unentbehrliche
+Moment des ausgesprochenen Vertrauens zu allen Vorständen die ganze
+Bühnenverfassung durchdringe.</p>
+
+<p>Der, nach Wahl zweier Regisseure mindestens aus drei Personen bestehende
+Ausschuß der darstellenden
+<a id="Page_45"></a>
+ <span class="pagenum">[45]</span> Künstler wird in dieser Zahl jährlich
+neu gewählt, wenn nicht der Austritt eines oder beider Regisseure eine
+Ergänzungswahl nöthig macht.</p>
+
+<p>Der Ausschuß der drei Künstler ist, wie bei den andern Genossenschaften,
+Vorstand der Almosen-, Pensions-und Wittwenkassen u. s. w., zugleich
+aber übt er die Vertretung des Kunstpersonals der Direction gegenüber.
+Er wird dadurch zum Mittelgliede der Ausgleichung für die
+entgegenstehenden Interessen, die sich so oft in der Theaterpraxis
+geltend machen. In vielen Streitfällen, welche nach dem Buchstaben der
+Theatergesetze nicht, sondern nur nach dem Urtheile Sachverständiger zu
+entscheiden sind, bei Beschwerden über parteiische Rollenvertheilung,
+über Beeinträchtigung künstlerischer Rechte, welche durch kein
+geschriebenes Wort zu sichern sind, hingegen auch bei bestrittenen
+Ansprüchen der Direction wird das Hinzutreten des Ausschusses zu
+denjenigen Vorständen, in deren Gebiet der Fall schlägt, eine Jury
+bilden, welche dem Ausspruche eine größere Unparteilichkeit verleihen
+muß. Alle Gesetze, Ordnungs- und Strafverfügungen, Entlassungen wegen
+Dienstvergehungen oder gröblicher Vernachlässigung &mdash; welche auch
+lebenslänglich Angestellten nicht erspart werden dürfen &mdash; werden,
+unter<a id="Page_46"></a>
+ <span class="pagenum">[46]</span> Mitwirkung des Ausschusses erlassen, eine gerechtere
+Anerkennung erlangen und verdienen. Der Ausschuß, die Interessen des
+Personals vertretend und zugleich auf der Schwelle der Direction
+stehend, wird das Gleichgewicht zwischen dem allgemeinen und dem
+Einzelinteresse am sichersten halten können. Und was noch überaus
+wichtig ist, der Ausschuß wird eine Vorbereitungsstufe abgeben für die
+Directionstalente, die rascher als bisher in die künstlerischen Aemter
+eintreten werden, wenn sie sich auszeichnen, weil die kräftigere
+Bewegung, welche die Selbstregierung in den Genossenschaften
+hervorbringen muß, die abgenutzten Vorstände nicht lange an der Spitze
+dulden, überhaupt die Hemmnisse der Anciennetät, des Rollenmonopols u.
+s. w. beseitigen wird.</p>
+
+<p>Vor Allem aber muß diese allgemeine Betheiligung an der künstlerischen
+Selbstregierung das eine wichtigste Lebenselement der Schauspielkunst
+stärken, das der <strong>künstlerischen Gesinnung</strong>, des <strong>Gesammtgeistes</strong>. Das
+selbstsüchtige Sonderinteresse einzelner Talente, durch hervorragende
+Fähigkeiten und durch geschickte und dreiste Ausbeutung der bisherigen
+Verhältnisse, fast an allen Hofbühnen zu einer Gewalt gelangt, die das
+allgemeine Gedeihen schlechterdings unmöglich<a id="Page_47"></a>
+ <span class="pagenum">[47]</span> macht, dieser
+Krebsschaden des heutigen Theaterwesens, der die beste Lebenskraft der
+Institute zur Beute der Eitelkeit und Eigensucht weniger Bevorrechteter
+macht, kann nur durch die Gesundheit und Kräftigung der gesammten
+Körperschaft geheilt werden. Entweder werden die Theatermatadore durch
+eine edlere Richtung der Bühne zu einer edlen Hingebung an die
+Herrschaft des Gemeinwesens der Kunst bewogen, oder ihre Anmaßung wird
+durch die gehobene Gesinnung der Kunstgenossen beschämt und
+niedergehalten werden. Dies wird um so eher geschehen, als das
+Sonderinteresse sich nicht mehr in dem Mißbrauch der Hofgunst nähren
+wird, die Direction dagegen, auf bestimmte Staatsgrundsätze gestützt und
+dem Lande verantwortlich, das allgemeine Interesse dem einzelnen
+gegenüber energischer wird vertreten können und müssen.</p>
+
+<hr class="small" />
+
+<p>Bei einer solchen Bühnenverfassung wird die Direction &mdash; aus dem
+besonnenen Vertrauen der Genossenschaft hervorgegangen, deren beste
+Einsicht sie repräsentirt &mdash; an und für sich stark sein,<a id="Page_48"></a>
+ <span class="pagenum">[48]</span> aber die
+Oberbehörde darf sie auch in keiner Machtvollkommenheit beschränken,
+welche es ihr möglich macht, die ganze Verantwortung für die Leistungen
+der Bühne zu übernehmen und dem Personal gegenüber die vollkommenste
+Autorität zu behaupten.</p>
+
+<p>Von der künstlerischen Direction müssen daher alle <strong>Anstellungen</strong>,
+<strong>Verabschiedungen</strong>, <strong>Beurlaubungen</strong> und <strong>Pensionirungen</strong> abhängig sein. Dem
+Ministerium bleibe die Bestätigung, damit Ueberschreitungen im
+Ausgabeetat oder Uebereilungen vermieden werden. Die Beurtheilung aber
+und Entscheidung über die Zusammensetzung des Personals muß der
+Direction durchaus anheim gegeben werden. Ebenso hat sie allein über die
+Zulässigkeit der <strong>Gastspiele</strong> zu entscheiden; wobei ihr nur zur Pflicht
+gemacht werden muß, dem allgemein eingerissenen tief verderblichen
+Mißbrauche derselben zu steuern, der die Geldmittel der Theater
+vergeudet, das künstlerische Ensemble untergräbt, das vereinzelte
+Virtuosenspiel bei den Künstlern und das Vergnügen daran bei dem
+Publikum hervorruft, auch dessen Neuigkeitsgier und Parteinahme
+steigert.</p>
+
+<p>Der Direction muß ferner die Entscheidung über <strong>Wahl und Reihenfolge der
+aufzuführenden Werke</strong>,<a id="Page_49"></a>
+ <span class="pagenum">[49]</span> die <strong>Rollenbesetzung</strong>, <strong>Ausstattung</strong> in
+<strong>Decorationen</strong> und <strong>Costüm</strong>, die Aufstellung des <strong>Repertoirs</strong> überlassen sein.
+Daß ein verderblicher Eigenwille sich in den Entscheidungen des
+Directors geltend machen werde, ist nicht zu fürchten, weil alle Dinge
+mit den übrigen Vorständen berathen werden müssen, der Director nur der
+Erste unter Gleichen, er auch der Ueberwachung und zuletzt der Anklage
+bei der Ministerialdirection von Seiten des Ausschusses ausgesetzt ist.</p>
+
+<p>Mit unbeschränkter Gewalt soll aber der künstlerischen Führung die Kunst
+zurückgegeben, der Mittelpunkt ihrer Thätigkeit aus dem Bureau wieder
+auf den Regieplatz in's Proscenium der Bühne, wo er naturgemäß liegt,
+versetzt werden. <strong>Die künstlerische Arbeit sei wieder die Hauptaufgabe
+der Theaterdirection.</strong></p>
+
+<p>Dabei aber darf sie, ebensowenig wie von der Ministerialdirection, von
+der Einmischung des Ausschusses beeinträchtigt werden. An der
+regelmäßigen Geschäftsführung darf demselben kein Theil zustehen, die
+schon so complicirte Theaterpraxis würde sonst in babylonische
+Verwirrung gerathen, der Ausschuß würde dadurch ein integrirender<a id="Page_50"></a>
+ <span class="pagenum">[50]</span>
+Theil der Direction werden und seinen Charakter als Vertreter der
+Genossenschaft, der Direction <strong>gegenüber</strong>, einbüßen.</p>
+
+<p>Die Stärke der Theaterdirection soll aber keinesweges den Einfluß der
+Staatsbehörde ausschließen. Die Direction &mdash; abgesehen von ihrer später
+zu besprechenden administrativen Abhängigkeit &mdash; hat alle ihre Pläne,
+vorhabenden Einrichtungen und vorzubereitenden Arbeiten, vierteljährlich
+etwa, dem Ministerialdirector vorzulegen, damit er sich überzeuge, ob
+das Institut die Staatstendenzen innehalte.</p>
+
+<p>Ferner ist das Ministerium in allen Streitsachen letzter und oberster
+Gerichtshof, sowohl in Differenzen zwischen Direction und Untergebenen,
+als zwischen den Mitgliedern der Direction selbst, oder in Klagen gegen
+dieselbe von Seiten der Autoren, des Publikums u. s. w., sie mögen sich
+nun auf materielle Forderungen oder auf solche, welche den Geist des
+Institutes betreffen, richten.</p>
+
+<hr class="small" />
+
+<p>Die Aufgaben, welche dem so reformirten Nationaltheater gestellt werden
+müssen, sind nicht gering.<a id="Page_51"></a>
+ <span class="pagenum">[51]</span></p>
+
+<p>Vor allem thut es Noth, ein <strong>Stammrepertoir</strong> der bedeutendsten Dicht- und
+Musikwerke aufzustellen, das in alljährlicher Wiederkehr die Künstler in
+der Uebung am Vortrefflichen erhält, dem Volke den Genuß seines
+Kunstschatzes in Musteraufführungen sichert, ihm den ganzen
+Entwicklungsproceß des Theaters zugleich klar macht und ihm Ehrfurcht
+für das, was es leistet, einflößt.<a id="ein7"></a><a title="Go to footnote 7." href="#fn7" class="fnanchor">[7]</a> </p>
+
+<p class="footnote"><a id="fn7"></a><a title="Return to text." href="#ein7" class="label">[7]</a> Was Goethe davon sagt, siehe Geschichte der deutschen
+Schauspielkunst B. III. S. 379-382.</p>
+
+<p>Auf einem Nationaltheater soll keine Woche vergehen, in welcher nicht
+eins der Werke aus diesem klassischen Cyklus gegeben wird. Jedes
+kirchliche oder politische Fest, jeder für die Nation merkwürdige Tag &mdash;
+bezeichne er eine große Begebenheit oder die Geburt eines großen
+Künstlers u. s. w. &mdash; werde durch eine entsprechende Vorstellung
+gefeiert und in die Sympathie der Gegenwart gezogen. Auch die wichtigen
+Ereignisse des Tages sollen ihren Ausdruck auf der Nationalbühne finden;
+sie soll nicht bestimmt sein, die Eindrücke des Lebens vergessen zu
+machen, sondern dem Volke ein höheres und heiteres Verständniß derselben
+zu eröffnen.<a id="Page_52"></a>
+ <span class="pagenum">[52]</span></p>
+
+<p>Um all dieser Zwecke willen wird dem Nationaltheater die <strong>Ermuthigung und
+Befeuerung der Autoren</strong> dringend angelegen sein müssen. Auffordernde
+Anregungen aller Art, angemessenere Regulirung des Honorars, Eröffnung
+einer achtungsvollen Stellung zur Bühne &mdash; wie sie den Schöpfern der
+geistigen Nahrung derselben gebührt &mdash; werden die nächsten Schritte dazu
+sein.</p>
+
+<p>Dagegen fordert gerade die Achtung vor der Autorschaft, daß eine strenge
+Auswahl unter den Tageserzeugnissen vorgenommen, das Mittelmäßige und
+Schlechte nicht gleichberechtigt mit dem Guten betrachtet werde. Es
+fordert die Achtung und Rücksicht für die darstellenden Künstler, daß
+ihre Kraft und ihr Eifer nicht durch die Beschäftigung mit
+nichtsbedeutenden Arbeiten abgestumpft werden. Es fordert die Achtung
+vor dem Publikum: daß man es sicher stelle gegen die Langeweile an der
+Darstellung von Arbeiten, wie sie zufällig einlaufen und worüber dem
+Publikum hinterher das Urtheil überlassen wird. Die Direction ist dazu
+eingesetzt, ein Urtheil im Voraus zu haben und dem Publikum nur wahrhaft
+Erfreuendes oder Begeisterndes anzubieten, nicht aber das Vertrauen zu
+täuschen, mit dem das Volk sein Theater betritt, nicht die Kräfte und
+Mittel, die es ihr zur Verwendung<a id="Page_53"></a>
+ <span class="pagenum">[53]</span> übergiebt, aus persönlicher
+Rücksicht oder Furcht vor Journalartikeln abgewiesener Autoren zu
+vergeuden. Die Direction eines Nationaltheaters soll ihre Bühne nicht
+zum Tummelplatz für bloße Neuigkeiten und unreife Versuche eröffnen,
+dagegen sie mit aller Hingebung den werthvollen Arbeiten anbieten und
+das Interesse der Autoren bei der Darstellung zu ihrem eigenen machen.</p>
+
+<p>Die ganze Praxis der künstlerischen Leitung hier zu besprechen, ist
+weder zulässig noch nöthig, einige Momente aber scheinen mir anregender
+Erwähnung zu bedürfen.</p>
+
+<p>So wird unter Allem, was für die möglichste Vollendung der Darstellungen
+geschehen muß, auf das <strong>Malerische</strong> derselben eine größere Sorgfalt, als
+sie bisher in Deutschland üblich, zu wenden sein.</p>
+
+<p>Die <strong>Decorationen</strong> werden meist auf einzelne Bestellung, bald hier bald
+dort, oder doch von verschiedenen Malern gefertigt. Natürlich entsteht
+dadurch die größte Ungleichartigkeit. Werden auch die auffallendsten
+Mißgriffe dabei vermieden, so sieht man doch selten die Decorationen ein
+und desselben Stückes in übereinstimmender Farbe und Behandlungsart. Oft
+sieht man in ein und derselben Scene Prospect, Coulissen und Setzstücke
+von dreifach grell verschiedener Manier. Hierin<a id="Page_54"></a>
+ <span class="pagenum">[54]</span> Uebereinstimmung
+zu schaffen, die richtige Unterordnung der Farbe bei den Decorationen
+überhaupt einzuführen, genügt aber nicht allein, auch auf die Farben der
+<strong>Costüme</strong> und ihre Stimmung zum Hintergrunde der Handlung sollte
+Aufmerksamkeit gewendet werden. Das ganze Gebiet der Theatertracht
+bedarf im Allgemeinen einer gründlichen Regelung. Bei den wenigsten
+Bühnen sind Costümiers angestellt, Unkenntniß, Laune, Geschmacklosigkeit
+und Putzsucht erzeugen daher das grundsatzloseste, bunteste
+Durcheinander, das für jedes einigermaßen gebildete Auge eine wahre
+Beleidigung ist.</p>
+
+<p>Costümier und Decorateur müssen also in genauem Einverständniß gehalten
+werden. Wo es die Verhältnisse gestatten, muß ihnen der Rath großer
+malerischer Capacitäten gewonnen werden; wie denn überhaupt mit den
+Höchstbefähigten in Literatur, Plastik, Musik, auch aller Wissenschaft,
+die sonst der Bühne dienen kann, die Verbindung mehr gesucht und
+unterhalten werden muß, als es bisher der Fall war. Zu diesen Zwecken
+müssen die Theatervorstände zugleich Mitglieder der Kunstakademie sein.
+Auch wird die ministerielle Gesammtleitung aller Künste dem Theater
+große Unterstützung verschaffen, sich<a id="Page_55"></a>
+ <span class="pagenum">[55]</span> von allen Künsten das Beste
+anzueignen, sich stets mitten in der Strömung allseitigen Lebens zu
+halten, um so in seinen Werken der Nation das Trefflichste bieten zu
+können.</p>
+
+<p>Ihre Eigenheit dabei zu bewahren, wird freilich eine neue Aufgabe der
+Schauspielkunst und ihrer Leitung sein. Indem sie aber von Allen
+entlehnt, das Entlehnte jedoch anders und frei benutzt, werden in ihr
+auch die übrigen Künste ihr eignes Wesen schärfer erkennen; sie wird so
+den Kreis der akademischen Künste erst verständigend abschließen.</p>
+
+<p>Selbständig muß die Theaterdirection sich durchaus erhalten, unabhängig
+von allen Forderungen, in deren Erfüllung die einzelnen Künste sich
+selbst gern auf dem Theater fänden. Die Schauspielkunst muß wissen, was
+sie auszuführen vermag, und darum Alles abweisen was sie nicht lebendig
+machen kann. Sie muß die Productionen der andern Künste zu verwenden
+wissen, nicht aber sich ihnen dienstbar machen. Gleichweit von
+theatralischer Herkömmlichkeit, wie von unfruchtbaren Experimenten, hat
+sie den schwierig einzuhaltenden Weg einer unablässigen Fortentwicklung
+und Bereicherung der Kunst in den Grenzen ihrer eigensten Natur zu
+finden.<a id="Page_56"></a>
+ <span class="pagenum">[56]</span></p>
+
+<p>Um dies ausführen zu können, wird die Direction es aber auch nicht an
+Anregungen zur <strong>Bildung</strong> und zum <strong>Kunstverständniß des Personals</strong> fehlen
+lassen dürfen. Was die Eckhof'sche Schauspielerakademie,<a id="Sch8"></a><a title="Go to footnote 8." href="#fn8" class="fnanchor">[8]</a> die
+Manheimer Ausschußsitzungen,<a id="Aus9"></a><a title="Go to footnote 9." href="#fn9" class="fnanchor">[9]</a> der Berliner Schauspielerverein in der
+neuern Zeit, gesollt: die Schauspieler nämlich zu gemeinsamem
+Kunststreben und gegenseitiger Forthülfe sammeln, das dürfte bei
+wahrhaft künstlerisch organisirten Theatern endlich, zu unberechenbarem
+Vortheil des Gesammtgeistes und des nachwachsenden Geschlechtes, Bestand
+gewinnen.</p>
+
+<p class="footnote"><a id="fn8"></a><a title="Return to text." href="#Sch8" class="label">[8]</a> Gesch. d. deutschen Schauspielkunst. Bd. II. S. 88.</p>
+
+<p class="footnote"><a id="fn9"></a><a title="Return to text." href="#Aus9" class="label">[9]</a> Ebendas. Bd. III. S. 18.</p>
+
+<p>Von großer Wichtigkeit wird es sein, wenn die Nationaltheater <strong>die
+Spieltage vermindern</strong>. Die Alltäglichkeit des Schauspiels ernüchtert
+Publicum und Künstler. Könnten zwei Tage, oder auch nur einer in der
+Woche ausfallen, so würden die Vorstellungen wieder einen größeren,
+einen festlichen Reiz für das Publicum gewinnen, und der um so
+lebhaftere Besuch den Kassenverlust der ausfallenden Tage hinlänglich
+ersetzen. Die Künstler aber gewönnen durch die Ruhetage größere
+Elasticität und<a id="Page_57"></a>
+ <span class="pagenum">[57]</span> wärmere Begeisterung und, was nicht minder wichtig
+ist, mehr Zeit und Sammlung, um die Vorstellungen mit der letzten
+Sorgfalt vorzubereiten. Die Hast und Noth für jeden Tag eine Vorstellung
+zu schaffen, ist eines der wesentlichsten Hindernisse für die heutige
+Bühne: höhere Kunstforderungen zu befriedigen.</p>
+
+<p>Die Abende, an denen das Theater feiert, würden, für das Publicum um so
+gelegener, durch Concerte oder Kunstgenüsse anderer Art ausgefüllt
+werden.</p>
+
+<p>Ferner müßte das Nationaltheater dahin streben, die <strong>Eintrittspreise</strong>,
+besonders für die wohlfeileren und mittleren Plätze zu <strong>ermäßigen</strong>. Der
+Theaterbesuch ist noch viel zu kostspielig, als daß er seine volle
+Wirkung auf alle Schichten des Volkes äußern könnte. Der durch
+wohlfeilere Preise vermehrte Besuch würde die Kasse entschädigen, oder
+Ersparnisse im Ausgabeetat müßten es thun, deren nähere Angaben hier zu
+weit führen würden.</p>
+
+<hr class="small" />
+
+<p>Es ist noch übrig, den Punkt, welcher bisher als der wichtigste
+gegolten, zu erörtern, den der <strong>Finanzen</strong>, des richtigen Verhältnisses
+zwischen Einnahme und Ausgabe.<a id="Page_58"></a>
+ <span class="pagenum">[58]</span></p>
+
+<p>Nach dem Prinzip des Nationaltheaters sollen die <strong>Einnahmen</strong> nur durch
+würdige Mittel, durch möglichst vollkommene, dem Volksgeschmacke
+wahrhaft gedeihliche Vorstellungen erzielt werden; diese können durch
+die künstlerische Direction als gesichert erachtet werden, denn bessere
+Leistungen bringen auch bessere Einnahmen. Die Verwaltungsfrage wird
+sich daher wesentlich um die richtige <strong>Verwendung</strong> der Geldmittel, welche
+dem Theater zu Gebote stehen, drehen.</p>
+
+<p>Der Ausgabeetat werde nach der Summe, welche der Staatszuschuß und dem
+Minimalsatz der jährlichen Einnahme ergeben, festgesetzt. Derselbe müsse
+nur nach Maßgabe erworbener Ueberschüsse überschritten werden dürfen,
+jährlich aber ein Theil des Staatszuschusses zu einem Reservefonds
+zurückgelegt werden, damit die mannichfachen Wechselfälle, denen das
+Theater durch die Zeitereignisse ausgesetzt ist, dasselbe niemals
+mittellos finden. Von diesen Grundzügen der Theaterökonomie müsse
+niemals gewichen werden, damit der Staat die Garantie hätte: nur in den
+außer aller menschlichen Berechnung liegenden Fällen vor den Riß treten
+zu müssen.</p>
+
+<p>Daß der Theaterhaushalt auf dieser Basis zu führen ist, steht bei einer
+künstlerischen Direction außer Zweifel,<a id="Page_59"></a>
+ <span class="pagenum">[59]</span> die durch bestimmte
+Staatsgrundsätze geschützt ist: nicht jedem kostspieligen Gelüsten eines
+dominirenden Geschmackes, nicht jeder unmäßigen Geldprätension
+hervorragender Talente fröhnen zu müssen. <strong>Bei jedem, wenn nur irgend
+gesicherten, hohen oder niedrigen Einnahmeetat ist ein Theater
+herzustellen, in dem der Geist lebendig ist</strong>, und wenn hierauf nur der
+Accent gelegt wird, ergiebt sich alles Uebrige leicht. Man nehme keinen
+Anstand, einer selbständigen, künstlerischen Direction die Aufgabe
+zuzuschieben, sie kann, sie wird sie lösen. Sie wird bei einer sicherer
+berechneten und geleiteten Verwendung der Talente schon im Gehaltetat,
+gewiß aber in den Ausgaben für allen Apparat, der so ungeheure Summen
+verzehrt, große Ersparnisse herbeiführen können. Inmitten der Production
+stehend, kann sie das Auge überall haben, sie versteht mit Wenigem Viel
+auszurichten, Dinge doppelt und dreifach zu benutzen, welche bei mancher
+Hofbühne &mdash; die in der Fülle ihres aufgehäuften Apparates fast erstickt
+&mdash; bereits doppelt und dreifach existiren und doch immer wieder aufs
+Neue beschafft werden.</p>
+
+<p>Der Ausgabeetat werde nach monatlichen Durchschnittssummen, je nach den
+verschiedenen Zweigen geordnet,<a id="Page_60"></a>
+ <span class="pagenum">[60]</span> wie dies schon jetzt gebräuchlich
+ist. Das Ministerium hat diese Eintheilung zu bestätigen, aber auch
+speciell darüber zu wachen, daß sie nicht ohne Noth überschritten werde.
+Künstler sind selten geschickte Haushalter, daher muß der Regierung
+zustehen: die Direction, in Bezug auf die Geldverwendung genau zu
+controlliren und jeden Augenblick darüber Rechenschaft fordern zu
+dürfen.</p>
+
+<p>Erleichtert wird dies, wenn der ganze Theaterhaushalt, wie dies bereits
+bei einigen Hofbühnen der Fall ist, in die Hand eines einzigen Beamten
+gelegt ist, der jede materielle Beschaffung vermittelt, das gesammte
+Theaterinventarium unter seiner Aufsicht hat und die Controlle der
+Einnahme und Ausgabe führt. Damit ist auch die Verantwortlichkeit für
+die materielle Verwaltung in der Person dieses <strong>ökonomischen Inspectors</strong>
+concentrirt und durch ihn kann die Oberbehörde in jedem Augenblick
+vollständigen Aufschluß über den complicirten Theaterhaushalt erlangen.</p>
+
+<p>Dieser Posten, so wie der des Cassirers und anderer bloß verwaltenden
+Beamten, wird durch die Regierung, in Uebereinkunft mit der
+künstlerischen Direction, besetzt.</p>
+
+<p>Mit der Bemerkung: daß Anordnungen über Baulichkeiten in den Theatern,
+über Hausordnung, die Aufnahme<a id="Page_61"></a>
+ <span class="pagenum">[61]</span> des Publicums u. s. w. von der
+künstlerischen Direction, aber nur unter specieller Bestätigung der
+Oberbehörde vorzunehmen sind, daß also die Direction, wie frei sie auch
+auf rein künstlerischem Gebiete zu schalten habe, aus dem der
+Administration doch entschieden abhängig sein müsse &mdash; wird die
+Auseinandersetzung des Verhältnisses zwischen Ministerium und
+Theaterdirection abgeschlossen sein.</p>
+
+<hr class="small" />
+
+<p>Diese hier vorgeschlagene Reorganisation der großen und tonangebenden
+Bühnen in Deutschland müßte sich am vortheilhaftesten in Wien und Berlin
+erweisen, wo mehrere Theater vorhanden, welche eine Trennung der
+verschiedenen dramatischen Gattungen und dadurch eine um so vollkommnere
+Ausbildung jeder einzelnen begünstigen. Denn die Schwierigkeit: das
+ganze recitirende Schauspiel, vom Trauerspiel bis zur Posse, daneben
+heroische und komische Oper und Ballett, kurz die ganze dramatische
+Möglichkeit auf ein und derselben Bühne, mit ein und demselben Personal
+zur Vollkommenheit zu bringen, wird immer ungeheuer bleiben; selbst wenn
+die vorgeschlagene organische Gliederung einer Direction von<a id="Page_62"></a>
+ <span class="pagenum">[62]</span>
+Kunstverständigen die Lösung dieses Problems erleichtert.<a id="erl10"></a><a title="Go to footnote 10." href="#fn10" class="fnanchor">[10]</a> In <strong>Wien</strong>
+aber z. B., wo Schauspiel, Oper und Posse bereits abgesonderte Theater
+und abgesonderte Directionen besitzen, wo noch zwei andere Bühnen
+vorhanden sind, mit deren Hinzuziehung sich eine noch weitere
+Eintheilung nach dem Muster der Pariser Theater vornehmen ließe, wonach
+dem <strong>Burgtheater</strong> sein bisheriges Gebiet des <strong>recitirenden Schauspiels</strong>
+verbliebe, dem <strong>Kärnthnerthortheater</strong> die <strong>große Oper</strong> (nach dem Muster der
+<i>Academie royale</i>), dem <strong>Josephstädter Theater</strong> die <strong>komische Oper</strong> und das
+<strong>Singspiel</strong>, dem <strong>Wiedner-Theater</strong> das <strong>Spektakelstück und Melodram</strong>, dem
+<strong>Leopoldstädter Theater</strong> die <strong>Volksposse</strong> zufiele &mdash; dort würde jede
+Gattung, bei der vorgeschlagenen Organisation, sich ihrer Vollendung zuführen lassen.</p>
+
+<p class="footnote"><a id="fn10"></a><a title="Return to text." href="#erl10" class="label">[10]</a> Ausführlicheres hierüber Gesch. d. deutsch.
+Schauspielkunst. Bd. III. S. 413 u. f.</p>
+
+<p>Freilich müßten aber alle fünf Theater Staatsanstalten werden und ihre
+abgesonderten Directionen dem gemeinsamen höheren Prinzipe und der
+Beaufsichtigung der Regierung unterworfen werden.<a id="Page_63"></a>
+ <span class="pagenum">[63]</span></p>
+
+<hr class="small" />
+
+<p>Die preußische Regierung hat den wichtigsten Grundsatz der aus diesen
+Blättern vorgeschlagenen Theaterreform, den einer ministeriellen
+Oberleitung, bereits vor vierzig Jahren auf einige Zeit anerkannt,<a id="ane11"></a><a title="Go to footnote 11." href="#fn11" class="fnanchor">[11]</a>
+<strong>Berlin</strong> hat unter <strong>Iffland</strong> schon eine musterhafte künstlerische Direction
+gehabt, dort würde man also nur auf schon anerkannte Zustände zurück zu
+fußen brauchen.</p>
+
+<p class="footnote"><a id="fn11"></a><a title="Return to text." href="#ane11" class="label">[11]</a> Gesch. d. deutsch. Schauspielk. Bd. III. S. 422 u. f.</p>
+
+<p><strong>Die erste und unabweisbare Maßregel einer Reorganisation der Berliner
+Theater würde die Trennung der dramatischen Gattungen sein müssen.</strong></p>
+
+<p>Berlin besitzt drei Theater, angemessen in Lage und Beschaffenheit, um
+eine natürliche Scheidung mit dem schönsten Erfolge vornehmen zu können.</p>
+
+<p>Im <strong>Schauspielhause</strong>, das zu der, leider immer geringer werdenden Zahl
+derjenigen gehört, deren glückliche mittlere Größe noch eine naturgemäße
+Menschendarstellung zuläßt, wo der Schauspieler noch nicht genöthigt ist
+zum Ueberbieten aller Mittel zu greifen um nur einen Eindruck
+hervorzubringen, im Schauspielhause bliebe das sogenannte <strong>recitirende
+Schauspiel</strong>, der eigentliche Kern<a id="Page_64"></a>
+ <span class="pagenum">[64]</span> der dramatischen Kunst: Tragödie,
+Drama und Comödie, in reiner Gattung abgeschlossen, wie dies im Wiener
+Burgtheater musterhaft und erfolgreich der Fall ist; nur ohne jene
+peinliche Beschränkung, welche selbst Lieder und Chöre aus dem
+Schauspiele verbannt. Im glanzvollen <strong>Opernhause</strong> die <strong>große Oper</strong> und die
+<strong>komische</strong>, so weit sich diese vom Burlesken frei hält und die
+musikalische Entwicklung als ihre wesentliche Aufgabe darlegt. Diesen
+schlösse das <strong>Ballett</strong> sich an.</p>
+
+<p>Das behagliche <strong>Königsstädter Theater</strong> dagegen werde seiner ursprünglichen
+Bestimmung eines <strong>Volkstheaters</strong> zurückgegeben. Hier werde der Maßstab des
+höheren Schönheitsprinzipes und der Classicität nicht angelegt, in Ernst
+und Scherz mögen die grellen Effecte walten, wie der Volksgeschmack sie
+heischt. Dies Theater umfasse in seiner Thätigkeit das <strong>Schauerdrama</strong>, das
+<strong>Spektakelstück</strong> und <strong>Melodram</strong>, die <strong>niedrig-komische Oper</strong> und <strong>Posse</strong>, das
+<strong>komische Liederspiel</strong>, die <strong>Genrebilder</strong>, <strong>komische Pantomime</strong> und
+<strong>Grotesktanz</strong> u. s. w. Hier kann das <strong>Berliner Localstück</strong> &mdash;wenn ihm, was
+bisher nie geschehen, das Gebiet unbeeinträchtigt überlassen wird &mdash;
+seine mögliche Ausbildung finden.</p>
+
+<p>Es wird dies ein Theater sein, am beliebtesten bei<a id="Page_65"></a>
+ <span class="pagenum">[65]</span> dem großen
+Publicum und vielleicht mit einem geringeren Zuschuß, als ihr jetzt
+durch die Krone zu Theil wird, im schönsten Flor zu erhalten.<a id="erh12"></a><a title="Go to footnote 12." href="#fn12" class="fnanchor">[12]</a> </p>
+
+<p class="footnote"><a id="fn12"></a><a title="Return to text." href="#erh12" class="label">[12]</a> Auf welche Weise das Königstädter Theater gänzlich in
+Besitz der Krone und so der Regierung zu bringen wäre, muß Gegenstand
+abgesonderter Erörterung bleiben.</p>
+
+<p>Die Subvention des Königl. Theaters würde zwischen Oper und Schauspiel
+zu vertheilen sein. Nach der Erfahrung, welche die Trennung der Wiener
+Theater an die Hand giebt, würde Oper und Ballet 2/3, das Schauspiel 1/3
+davon brauchen.</p>
+
+<p>Alle drei Theater erhielten abgesonderte Directionen, nach der
+vorbeschriebenen Organisation, und fänden ihre gemeinsame Oberdirection
+im Ministerium. Dieselbe hätte nicht nur Einsicht zu nehmen von den
+Arbeitsplänen der einzelnen Directionen &mdash; wie früher angegeben &mdash; sie
+hätte diese auch sämmtlich, vielleicht monatlich, zu gemeinschaftlichen
+Sitzungen zu versammeln, damit die verschiedenartige Thätigkeit doch
+nach einem übereinstimmenden Plane und Geiste geordnet werde, die neuen
+Werke sich nicht gegenseitig im Eindruck beim Publicum hindern, die
+Gattungen richtig gesondert blieben u. s. w. Zugleich<a id="Page_66"></a>
+ <span class="pagenum">[66]</span> würden,
+durch diese gemeinschaftliche ministerielle Oberdirection, ausnahmsweise
+Aufführungen von Werken, welche den Zusammentritt der ersten Talente
+aller Gattungen erfordern, möglich bleiben; wie die Vorstellungen der
+Antigone, des Sommernachtstraumes u. s. w. Der Uebelstand einer
+absoluten Trennung des musikalischen vom recitirenden Drama, der in Wien
+so oft empfunden wird, wäre dadurch vermieden und die großartigste
+Entfaltung der Dramatik, dem ganzen Umfang ihrer Mittel nach, bliebe
+freigegeben.</p>
+
+<p>Natürlich dürften solche combinirte Vorstellungen nur ausnahmsweise und
+durch die hohe Bedeutung ihres Gehaltes gebotene sein, damit eine
+abgesonderte Entwicklung der Gattungen und der einzelnen Theater nicht
+zu oft gehindert würde.</p>
+
+<p>Welch eine Vollendung die dramatische Kunst in Berlin durch solche
+Organisation gewinnen könnte, getragen durch die Empfänglichkeit und
+Befeuerung eines, die Sommitäten der Intelligenz und des Geschmackes
+repräsentirenden Publicums, ist leicht zu übersehen.</p>
+
+<p>Die Vereinigung der höheren Interessen der drei Directionen in der
+gemeinsamen Leitung der Regierung würde auch eine gegenseitige Förderung
+garantiren. Der<a id="Page_67"></a>
+ <span class="pagenum">[67]</span> falsche Antrieb feindseliger Concurrenz &mdash; welcher
+vierundzwanzig Jahre lang dem Königl. Theater nachtheilig und dem
+Königstädter an seiner Ausbildung entschieden hinderlich gewesen und gar
+keinen Vortheil gebracht hat &mdash; würde dem edlen Wetteifer Platz machen:
+in gleichem Interesse des Nationalruhms sich den Kranz streitig zu
+machen.<a id="mac13"></a><a title="Go to footnote 13." href="#fn13" class="fnanchor">[13]</a> </p>
+
+<p class="footnote"><a id="fn13"></a><a title="Return to text." href="#mac13" class="label">[13]</a> Es braucht kaum noch erwähnt zu werden, daß auch hier alle
+drei Theater wetteifern würden, sich den Antheil des Hofes ungeschwächt
+zu erhalten und die Erfüllung eines Wunsches desselben als einen
+besondern Vorzug zu betrachten. Auch bei besondern Vorstellungen in den
+königl. Schlössern fände verwaltungsmäßig keine wesentliche Veränderung
+statt, da diese bisher schon besonders in Rechnung kamen.</p>
+
+<p>Freilich müßten &mdash; wenigstens bis diese drei Theater sich ganz
+consolidirt hätten &mdash; alle übrigen Bühnen in Berlin geschlossen, auch
+die italiänische Oper und das französische Schauspiel verbannt werden.
+Man muß Theater und Publicum erst im Geist und Sinne für ein wahrhaft
+nationales Theater erstarken lassen, bis man beide verlockender und
+zerstreuender Rivalität preisgeben darf.<a id="Page_68"></a>
+ <span class="pagenum">[68]</span></p>
+
+<hr class="small" />
+
+<p>Soll nun aber das künstlerische Gedeihen der naturgemäß organisirten
+großen Nationalbühnen gesichert sein, so dürfen ihnen die vorbereitenden
+<strong>Theaterschulen</strong> nicht länger fehlen. Sie sind endlich zu einer
+gebieterischen Nothwendigkeit geworden, wenn die Schauspielkunst nicht
+überhaupt binnen Kurzem als ein gauklerhaftes Virtuosenthum alle Achtung
+des deutschen Volkes verscherzen soll.</p>
+
+<p>Was ich über die Nothwendigkeit der Schulen, wie über ihre praktische
+Einrichtung zu sagen weiß, habe ich bereits 1840 in einer kleinen
+Schrift: <strong>Ueber Theaterschule</strong> gegen das Publicum ausgesprochen,<a id="aus14"></a><a title="Go to footnote 14." href="#fn14" class="fnanchor">[14]</a> ich
+kann also hier die Wiederholung sparen. In den acht Jahren, welche
+seitdem verflossen, haben alle Uebel der künstlerischen Zuchtlosigkeit
+dergestalt zugenommen, daß selbst die Gegner der Schulen &mdash; die jede
+methodische Vorbildung verwarfen und die Behauptung verfochten: die
+Schauspieler müßten wild, wie die Pilze aufwachsen &mdash; von ihrer Ansicht
+bekehrt worden sind. Sie geben jetzt zu, daß dieser Mangel an Unterricht
+in den<a id="Page_69"></a>
+ <span class="pagenum">[69]</span> künstlerischen Elementen, die jungen Talente unserer Tage
+massenhaft zu Grunde gehen läßt und alle Natur, alle Vernunft und allen
+Geschmack von der Bühne zu verbannen droht.</p>
+
+<p class="footnote"><a id="fn14"></a><a title="Return to text." href="#aus14" class="label">[14]</a> Sie ist im IV. Bande meiner dramatischen und
+dramaturgischen Schriften wieder abgedruckt.</p>
+
+<p>Der Zeitpunkt die Theaterschulen einzurichten, ist folgerichtig der
+einer Reorganisation der Directionen. Bei unkünstlerischer Leitung der
+Bühnen konnten die Schulen allerdings nur halbe Frucht bringen, viele
+ihrer Vortheile würden wieder verloren gegangen sein; der künstlerischen
+Direction dagegen werden sie eine organische Vervollständigung ihres
+Lebens und Wirkens sein.</p>
+
+<p>Der Schuleinrichtung, welche ich in der angezogenen Schrift angegeben,
+habe ich nur noch die dringende Empfehlung des engsten Anschlusses an
+die übrigen Kunstschulen hinzuzufügen. Jeder Staat bilde <strong>eine allgemeine
+umfassende Kunstakademie</strong>, entsprechend der Universität, die das
+Gesammtstudium aller Wissenschaften umfaßt.</p>
+
+<p>Wenn der Staat alle Künste auf eine höhere Bildung des Volkes lenken
+will, so muß er ihre Uebereinstimmung dazu schon in den Kunstschulen
+vorbereiten. Die Künste und die Künstler müssen mit einander verständigt
+werden. Indem man die Theaterschule mit den bereits<a id="Page_70"></a>
+ <span class="pagenum">[70]</span> bestehenden
+Anstalten für Musik und für bildende Künste vereinigt, wird man eine
+größere allgemeine künstlerische Bildung des heranwachsenden
+Geschlechtes erreichen, die jetzt nur zu oft vermißt wird, weil Jeder in
+seinen Fachstudien eingeengt bleibt.</p>
+
+<p>Auch die Kosten der Schulen würden geringer werden, indem viele
+Gegenstände gemeinschaftliche Studien zulassen. Wie sehr Musik- und
+Theaterschule in einander greifen, hat man längst erkannt &mdash; das Pariser
+Conservatorium vereinigt darum beide &mdash; aber wie sehr dies auch mit den
+bildenden Künsten der Fall ist, hat man sich bisher verhehlt. Nicht
+allein daß Hülfswissenschaften, wie Geschichte und Mythologie, allen
+Kunstjüngern übereinstimmend zu lehren sind,<a id="sin15"></a><a title="Go to footnote 15." href="#fn15" class="fnanchor">[15]</a> daß dem Theatereleven
+Bildung des Auges für Schönheit und Charakteristik der Form im
+Zeichnenunterricht, daß den Zöglingen der bildenden Künste dagegen zu
+Förderung einer harmonischen Bildung Theilnahme an manchem Unterricht
+der Theaterschule, dem Gesange, der Redekunst,<a id="Red16"></a><a title="Go to footnote 16." href="#fn16" class="fnanchor">[16]</a> der höhern Gymnastik
+u. s. w.<a id="Page_71"></a>
+ <span class="pagenum">[71]</span> wünschenswerth sein wird, sondern es würden auch die
+beiderseitigen Fachstudien sich fördernd berühren können. Die Uebungen
+der Geberdensprache von den Theatereleven z. B. könnten den Schülern der
+bildenden Kunst einen Reichthum lebendiger Motive zu raschen Skizzen
+liefern, an denen das Urtheil über die beiderseitige Leistung sich
+schärfen würde. So könnte die gegenseitige Anregung fortwachsend sich
+bis auf die wirkliche theatralische Thätigkeit ausdehnen und in der
+Dramatik eine wahrhafte Verschwisterung aller Künste erzeugen.</p>
+
+<p class="footnote"><a id="fn15"></a><a title="Return to text." href="#sin15" class="label">[15]</a> Ueber das Wie? habe ich mich in der angezogenen Schrift
+erklärt.</p>
+
+<p class="footnote"><a id="fn16"></a><a title="Return to text." href="#Red16" class="label">[16]</a> Der Unterricht hierin wird, bei unserer parlamentarischen
+Entwicklung, bald zu einer Bedingung guter Erziehung werden.</p>
+
+<p>Noch eine Wohlthat würde aus solch einer Universität der Künste
+erwachsen, indem sie die Mißgriffe der jungen Talente über ihren Beruf
+zu berichtigen vermöchte, wie dies auf den Universitäten der
+Wissenschaften der Fall ist, wo mancher Jüngling zu seinem Heile &mdash; wie
+man es nennt &mdash; umsattelt. Abgesehen von denen, deren Talentlosigkeit in
+der Schule zur Erkenntniß kommt und die somit bei Zeiten von einer
+falschen Lebenstendenz geheilt werden können, giebt es Viele, die sich
+in unbestimmtem Triebe zur Kunst auf einen falschen Zweig derselben
+werfen. Wie man auf den jetzigen Kunstakademien wohl junge Bildhauer zu
+Malern umschlagen sieht und umgekehrt, so würde eine allgemeine
+Kunstschule<a id="Page_72"></a>
+ <span class="pagenum">[72]</span> manchen Theatereleven belehren, daß er zum Maler oder
+Bildhauer, manchen jungen Maler, daß er zum Schauspieler geboren sei. In
+den Abtheilungen für Musik und Theater würden diese gegenseitigen
+Berichtigungen ebensowenig ausbleiben und jeder wahrhaft zur Kunst
+berufene junge Mensch würde, in noch bildungsfähiger Zeit, an den Platz
+gestellt werden wohin er gehört, wo er der Kunst wahrhaft nützen und
+über seine Zukunft außer Sorge sein könnte.</p>
+
+<p>Denn Wien und Berlin würden, auf ihren vielen Theatern, fast den ganzen
+Nachwuchs aus ihren Schulen anzustellen im Stande sein, hier also würden
+die darauf verwendeten Kosten augenscheinlichen Vortheil bringen. Diese
+Kosten aber würden, wenn die Landesvertreter nicht geneigt wären
+besondere Bewilligungen dazu zu machen, zur Noth von dem bedeutenden
+Zuschusse, den die Bühnen bereits genießen, abzuzweigen sein!</p>
+
+<p>Die drei Theater in <strong>Berlin</strong> z. B. kosten dem Hofe jährlich an 200,000
+Thlr. Was wäre es für drei künstlerische Directionen &mdash; die unfehlbar
+große Ersparungen und größere Einnahmen als bisher herbeiführen werden
+&mdash;von dieser Summe gemeinschaftlich 6-8000 Thlr. an die allgemeine
+Kunstakademie abzutreten? Und diese würden<a id="Page_73"></a>
+ <span class="pagenum">[73]</span> zureichen &mdash; wenn man
+alle vereinzelte Musikinstitute des Staates und was sonst an
+Deklamationslehrern, Ballettschulen u. s. w. verausgabt wird,
+zusammenzöge und zu <strong>einer</strong> großen Schule vereinfachte &mdash; dem
+ausgedehntesten Plane zu genügen. Im Akademiegebäude, seinem ganzen
+Umfange nach, würden &mdash; wenn man Ställe und Caserne daraus entfernte &mdash;
+alle Künste unter <strong>einem</strong> Dache eine Pflanzstätte finden, wie sie Europa
+noch nicht kennt und wie sie doch, ohne unverhältnißmäßige Opfer, durch
+guten und energischen Willen sehr wohl herzustellen wäre.</p>
+
+<p>Selbst der Anstalten von so großem Umfange bedürfte es nicht, um auch
+mit kleineren Mitteln in kleinerem Kreise höchst Wohlthätiges zu
+leisten. <strong>Das musikalische Conservatorium Sachsens</strong> z. B., auch das von
+<strong>Prag</strong>, wären durch veränderte Organisation und Hinzufügung einiger
+Disciplinen, leicht zu Musik- und Theaterschulen umzugestalten und im
+Anschluß an die vorhandenen Akademien zu wahrhaft praktischer
+Nutzbarkeit des Staates auszubringen.</p>
+
+<p>Und wo auch solche Anlehnungspunkte nicht vorhanden sind, sollte doch,
+wenigstens an jeder stehenden Bühne, ein erfahrener Künstler dazu
+angestellt sein: den<a id="Page_74"></a>
+ <span class="pagenum">[74]</span> Anfängern die nothdürftigsten Anweisungen zu
+geben, damit die jungen Talente ihre besten Jahre nicht ganz in
+irrthümlichen und verkehrten Versuchen &mdash; die das Theater selbst immer
+mitbüßen muß &mdash; verlören. Der praktische Nutzen davon ist so
+einleuchtend, und doch ist im ganzen großen Deutschland nirgend eine
+solche Einrichtung getroffen. <strong>Unter den tausend Professoren der
+verschiedenen Künste giebt es noch keinen einzigen der Schauspielkunst.</strong></p>
+
+<p>Künstlerische Directionen und Theaterschulen werden auch diese
+Verhältnisse verändern oder sie durch die richtigen Maßregeln
+ausgleichen.</p>
+
+<hr class="small" />
+
+<p>Ist mit der hier besprochenen, durchgreifenden Erneuerung des ganzen
+Kunstlebens für eine mögliche Vollkommenheit dessen, was die großen,
+tonangebenden Theater leisten, gesorgt, so wird der wohlthätige Einfluß
+davon auf die Bühnen zweiten Ranges, auf die <strong>Stadttheater</strong>, nicht
+ausbleiben. Damit aber darf die Landesregierung sich nicht beruhigen,
+ihre Oberleitung muß<a id="Page_75"></a>
+ <span class="pagenum">[75]</span> sich grundsätzlich bis auf die letzte
+Wanderbühne geltend machen.</p>
+
+<p>Die Directionen der Stadttheater sind &mdash; man darf sich darüber nicht
+täuschen &mdash; nichts anderes, als industrielle Unternehmungen. Die
+Magistrate oder die Regierungspolizei, denen bis jetzt die dramatische
+Kunst in den Provinzen unterworfen ist, setzen daher auch ihre höchste
+Forderung an den Director, bei Uebergabe des Theaters, in seine
+Zahlungsfähigkeit.</p>
+
+<p>In welchem <strong>Geiste</strong> er es führen werde, davon ist niemals die Frage. Gute
+Einnahmen gelten für den Beweis, daß er das Publikum zu unterhalten
+verstehe, und wenn dies auch in der geschmackverderblichsten Weise
+geschieht, so hat die Behörde ihn deshalb nicht anzufechten.</p>
+
+<p>Dieser Zustand verändert sich schon durchaus, sobald die Oberaufsicht
+von der Landespolizei auf das Cultusministerium übergeht, dem der <strong>Geist</strong>
+der Institute als das Wesentliche, ihr <strong>materieller Bestand</strong> nur als
+dessen Grundlage gilt. Das Ministerium würde vor Allem darüber wachen
+müssen, <strong>daß die Directoren der Stadttheater künstlerisch befähigte und
+gesinnungstüchtige Männer seien und daß sie die Verpflichtung<a id="Page_76"></a>
+ <span class="pagenum">[76]</span>
+übernähmen: ein der Musterbühne des Landes analoges Verfahren
+einzuhalten</strong>. Dies müßte der Hauptpunkt der Pachtverträge oder
+Concessionsertheilungen sein. Nach Ort und Verhältnissen würde sich das
+Maß für die Erfüllung dieser Bedingung bestimmen lassen, wobei die
+Directionen der Residenztheater die sachverständige Regulirung
+übernehmen könnten. Das Wichtigste dabei müßte die Aufstellung eines
+<strong>Stammrepertoirs</strong> sein, das jeder Director &mdash; nach Maßgabe seiner Kräfte
+und seines Publikums &mdash; in jährlicher Wiederkehr festzuhalten hätte.
+Denn womit ein Theater sich beschäftigt, das bestimmt seine
+Beschaffenheit. Ist ein Director gezwungen, alljährlich gewisse
+treffliche Stücke aufzuführen, so wird er, um seines eignen Vortheils
+willen, sie möglichst gut zu geben suchen und an dem Umgang mit dem
+Trefflichen wird das Institut sich erheben.</p>
+
+<p>Die Regierung müßte ferner dahin wirken, das <strong>Repräsentativsystem der
+Direction</strong> auch bei diesen Theatern einzuführen. Hier, wo die Einnahmen
+zur Lebensfrage für alle Mitglieder werden, wird die Organisation bald
+zu einem vollständigen <strong>Societätsverhältnisse</strong> führen, das, wenn es
+gehörig geregelt und beaufsichtigt wird, die trefflichste Schule für den
+schauspielerischen Gemeingeist abgeben<a id="Page_77"></a>
+ <span class="pagenum">[77]</span> und der Ausbeutung der
+Kunst und der Künstler durch das Unternehmerwesen ein Ziel setzen muß.</p>
+
+<p>Freilich hätte die Regierung auch dahin zu wirken, daß die Städte den
+verkehrten Grundsatz aufgäben: vom Theater Nutzen ziehen zu wollen, daß
+die Stadttheater von einer Menge von Lasten und Abgaben und dadurch von
+steten Sorgen befreit würden, welche die Befolgung reinerer Grundsätze
+unmöglich machen.</p>
+
+<p>Zunächst müßte dies mit dem Miethzins der Fall sein, der für die
+Benutzung der Schauspielhäuser gezahlt wird. Jede bedeutende Stadt muß
+unter ihren öffentlichen Gebäuden auch ein Theater besitzen, und
+<strong>ebensowenig als für Benutzung der Kirchen, Schulhäuser, Bibliotheken,
+Museen u. s. w. ein Miethzins eingezogen wird, sollte er für das Theater
+gefordert werden</strong>.</p>
+
+<p>Es sollte ein Ehrenpunkt für unsere Städte sein &mdash;wie dies in Frankreich
+der Fall ist &mdash; ihre Schauspielhäuser der Kunst ohne Eigennutz zu
+eröffnen, dann würden sie auch höhere Ansprüche an das, was drinnen
+geleistet werden soll, machen können.</p>
+
+<p>Auf die Directionen solcher Theater, welche aus Staatsmitteln
+Unterstützungen erhalten &mdash; wie dies in<a id="Page_78"></a>
+ <span class="pagenum">[78]</span> mehreren
+Provinzialhauptstädten Preußens der Fall ist &mdash; würde die Regierung
+einen dictatorischen Einfluß üben können, auf die andern würde dieser
+zunächst ein vermittelnder, aber darum nicht weniger wichtiger sein.</p>
+
+<hr class="small" />
+
+
+<p>Entschiedener und gewaltsamer müßte dagegen der Eingriff in das Wesen
+der <strong>Wanderbühnen</strong>, der großen und kleinen ausfallen; hier ist einem
+Unfuge zu steuern, der nicht allein auf dem Gebiete der Volksbildung,
+sondern auch der bürgerlichen Sitte und Ordnung wahre Verwüstungen
+anrichtet.</p>
+
+<p>Aeußerst wenige der sogenannten <strong>reisenden Gesellschaften</strong> bewähren durch
+dauernden Bestand ihre Achtbarkeit. Die bei Weitem größere Zahl der
+Comödiantenbanden, welche schaarenweis Deutschland durchschwärmen, in
+mittleren und kleinen Städten, Flecken und Dörfern sich einander auf die
+Fersen treten und die Schaulust der Einwohner &mdash; auf eine, zu deren
+übriger Lage, unverhältnißmäßige und meistentheils unwürdige Weise &mdash;
+ausbeuten, schleppen sich von einem Bankerott zum andern. Sie entstehen
+aus zusammengerafften Leuten, halten sich einige Monate, oft nur einige
+Wochen,<a id="Page_79"></a>
+ <span class="pagenum">[79]</span> bezeichnen ihre Wanderspur mit der liederlichsten
+Wirthschaft, hinterlassenen Schulden, verführter Jugend u. s. w. und
+zerstreuen sich dann über das Land hin, eine Schaar vagabundirender
+Bettler. Meistens sind es bethörte Menschen, die im äußersten Elende die
+unergiebigen Sommermonate durchkämpfen, um mit dem Herbste den Kreislauf
+ihrer verzweifelten Existenz von Neuem zu beginnen. Zu keiner
+regelmäßigen Thätigkeit mehr brauchbar, gerathen diese Abenteurer des
+lustigen Elends endlich bis zur untersten Stufe der physischen und
+moralischen Versunkenheit.</p>
+
+<p>Und diese Zustände werden von den Landesbehörden recht eigentlich
+herbeigeführt und gehegt. Das Uebermaß der Concessionen, die
+leichtsinnige Unbedenklichkeit, mit welcher sie ertheilt werden,
+erschaffen dem Staate eine ganze Klasse von bedauernswerthen und
+unheilbringenden Landstreichern.</p>
+
+<p>Man hat zur Entschuldigung dieses laxen Regierungsverfahrens angeführt:
+auch der Kleinbürger und Bauer bedürfe der Erregung seiner Phantasie,
+die ihn der drückenden Alltäglichkeit enthöbe und dadurch erfrische, das
+Schauspiel sei dazu das geeigneteste und unschuldigste
+<a id="Page_80"></a>
+ <span class="pagenum">[80]</span> Mittel, wer
+ihm also dies verschaffe, dürfe in seiner Gewerbthätigkeit nicht
+gehindert werden.</p>
+
+<p>Abgesehen davon aber, daß ein Erwerb, der notorisch trügerisch ist, an
+welchen entschieden polizeiwidrige Folgen geknüpft sind, nicht
+unbedingten Schutz verdient, ist die Gleichgültigkeit gegen den
+geistigen Einfluß dieser bettelhaften Schauspiele auf Bürger und Bauer
+gewiß nicht zu rechtfertigen. Es <strong>darf</strong> dem Staate nicht gleichgültig
+sein, wenn dem Volke das menschliche Leben in Zerrbildern und in
+unsinniger Verkehrtheit dargestellt wird. <strong>Gerade den unteren Schichten
+des Volkes, auf welche der sinnliche Eindruck ungemäßigt durch
+Ueberlegung und Urtheil wirkt, muß im Schauspiele ein möglichst reiner
+und lehrreicher Spiegel des Lebens geboten werden.</strong></p>
+
+<p>Ist es doch in unsern Tagen zur Anerkennung gekommen: das Volk habe ein
+Recht, vom Staate Bildung zu verlangen. Soll sie ihm nun lediglich auf
+dem Wege des Buchstabens und des Erlernens angeboten, soll sie ihm nicht
+auch durch lebendige Kunsteindrücke in's Gemüth geprägt werden? Und wenn
+dies nicht überall in <strong>rechter</strong> Weise geschehen kann, hat der Staat
+nicht<a id="Page_81"></a>
+ <span class="pagenum">[81]</span> die Verpflichtung: das Volk wenigstens vor <strong>falschen</strong>
+Eindrücken zu bewahren?</p>
+
+<p>Zudem wäre es eine sträfliche Inconsequenz, wenn die Regierung länger
+zugeben wollte, daß in den Provinzen und auf dem Lande gerade das
+Gegentheil von dem geschieht, was sie mit so bedeutenden Geldopfern in
+den Hauptstädten zu bewirken sucht.</p>
+
+<p>Darum muß also die Generaldirection des Cultusministeriums ihre Hand
+über das ganze Land hinstrecken, der Polizei die Beurtheilung und
+Entscheidung der Bühnenangelegenheiten abnehmen, sie höchstens zur
+Vollstreckerin ihrer Beschlüsse machen.</p>
+
+<p><strong>Alle Comödiantentruppen, welche die Würde der Menschendarstellung
+geradehin verletzen, müssen ohne Weiteres abgeschafft werden.</strong> Alle
+Concessionen sind nach ihrem Ablauf einzuziehen, nur dem
+Cultusministeriums stehe es zu: sie nach einem neuen Modus zu erneuern.</p>
+
+<p>Nun grenze man bestimmte <strong>Wanderbezirke</strong> ab, welche vielleicht eine
+Provinzialhauptstadt und einige nahe gelegene, oder eine genügende
+Anzahl von mittleren und kleinen Städten umfassen, und übergebe ein
+jedes dieser Gebiete einem erprobten Director, daß er nach Uebereinkunft
+<a id="Page_82"></a>
+ <span class="pagenum">[82]</span> mit den betreffenden Städten sie nach einer
+jährlichen Reihefolge mit seiner Truppe besuche.</p>
+
+<p>Man richte diese Bezirke nicht zu eng, nicht nach einer knappen, sondern
+nach einer reichlichen Veranschlagung des Theaterpublikums ein, damit
+diese Gesellschaften anständig bestehen, damit das kostspielige Reisen
+und an verschiedenen Orten Wohnen in unanstößiger Weise geschehen könne.
+Man schütze diese Truppen gegen jede Concurrenz &mdash; welche jederzeit die
+Theater nur gegenseitig verschlechtert, niemals verbessert hat &mdash; man
+organisire sie nach dem Muster der Residenztheater, mit angemessenem
+<strong>Stammrepertoir</strong><a id="Sta17"></a><a title="Go to footnote 17." href="#fn17" class="fnanchor">[17]</a> und grundsätzlichen Verpflichtungen, mit
+<strong>Repräsentativverfassung</strong>, die ganz natürlich auch hier zu
+<strong>Societätsverhältnissen</strong>, mit selbstgewählten Führern, ausschlagen wird,
+dann werden diese ambulanten Theater so in Flor kommen, daß manche
+Stadt, die jetzt einen Ehrgeiz darein setzt, ein stabiles Theater
+kümmerlich zu erhalten, es vorziehen wird, in solch einen Wanderbezirk
+zu treten und lieber vier oder<a id="Page_83"></a>
+ <span class="pagenum">[83]</span> sechs Monate <strong>gutes</strong> Theater, als das
+ganze Jahr über <strong>schlechtes</strong> zu haben. Denn diese reisenden Gesellschaften
+werden den großen Vortheil genießen, nur einen kleinen Kreis von
+Vorstellungen zu brauchen, um das Publikum jeder Stadt eine Zeit lang in
+regem Antheil zu erhalten. Diese Vorstellungen können daher sehr
+sorgfältig studirt sein und in jeder Stadt neu gespielt, vor immer neuen
+Zuschauern, immer vollkommener werden. Die Truppen werden auch, wenn bei
+ihrer Abwesenheit kein anderes Schauspiel stattfinden darf, das Publikum
+immer wieder voll frischer Theaterlust und begierigem Antheil finden.</p>
+
+<p class="footnote"><a id="fn17"></a><a title="Return to text." href="#Sta17" class="label">[17]</a> Wie man den besseren dieser Truppen gewisse Vorstellungen
+zu <strong>ge</strong>bieten hätte, so müßte man den untergeordneten andere <strong>ver</strong>bieten,
+damit sie nicht, was über ihre Kräfte geht, herabwürdigen.</p>
+
+<p>Man schelte diese durchgreifende und beschränkende Einrichtung &mdash; welche
+allerdings so viele Interessen berührt, daß sie, sowie die gesammte
+Theaterorganisation, durch ein eignes Gesetz von den Landesvertretern
+adoptirt werden müßte &mdash; nicht eine Beeinträchtigung der Freiheit des
+Theaterpublikums und der Erwerbthätigkeit. <strong>Man darf das Theater nicht
+länger als eine bloße Vergnügungs- und Industrieanstalt betrachten.</strong> Soll
+es aber eine höhere Culturbedeutung gewinnen, so müssen die Grenzen
+seiner Wirksamkeit, ebenso wie die der Kirche und Schule, vom Staate
+festgestellt werden.<a id="Page_84"></a>
+ <span class="pagenum">[84]</span></p>
+
+<p>Die Zahl der reisenden Gesellschaften wird über die Hälfte vermindert
+werden, das ist ein Glück für die bürgerliche Gesellschaft und für die
+Kunst, denn um so eher wird der Schauspielerstand nur aus wirklich
+Berufenen bestehen. Den Bewohnern der Dörfer und kleinen Städte wird es
+besser sein, wenn sie nicht mehr von Wandertruppen heimgesucht werden,
+dagegen ein wohlgeordnetes Theater in den Städten finden, sobald sie
+diese zu Jahrmärkten oder festlichen Zeiten besuchen. Die Mittelstädte
+werden nur eine bestimmte Theatersaison haben, aber sie wird ihnen auch
+etwas bieten, das des Antheils werth ist.</p>
+
+<p>Man braucht nicht zu besorgen, daß die Bezirksgesellschaften, auf die
+Ausschließlichkeit des Privilegiums pochend, sich vernachlässigen und
+das Theaterbedürfniß ihres Publikums mit Bequemlichkeit ausbeuten
+werden; dagegen bürgt die allgemeine Betheiligung der Mitglieder an Ehre
+und Vortheil der Gesellschaft und die Abhängigkeit von der
+Landesregierung, die, auf eine begründete Beschwerde des Bezirks, der
+Gesellschaft das Privilegium nehmen, oder sie in einen andern Bezirk
+versetzen kann.<a id="Page_85"></a>
+ <span class="pagenum">[85]</span></p>
+
+<p>Diese letzte Maßregel eines Wechsels der Gesellschaften könnte übrigens
+auch unter anderen Umständen anwendbar sein.</p>
+
+<hr class="small" />
+
+<p>Der Vortheil, der hierin aus der Centralisation der Oberleitung
+sämmtlicher Landesbühnen entspringt, wird sich noch in einer Menge von
+anderen Dingen darthun. In großen Staaten wird die Ausübung des
+Ministerialeinflusses allerdings einer weitläuftigeren Gliederung
+bedürfen, in den kleineren dagegen in ungemein abgerundetem
+Zusammenhange wirken.</p>
+
+<p>So werden z. B. die allgemeinen und einzelnen Einrichtungen,
+Bearbeitungen von Stücken, Uebersetzungen, zur dramatischen Handlung
+gehörige Musiken, verbesserte Operntexte, Scenirungen u. s. w., wenn sie
+sich in der Residenz als zweckmäßig erwiesen haben, sich ohne erhebliche
+Kosten den übrigen Landesbühnen mittheilen lassen; mithin werden die
+besten Talente, welche die Mustertheater versammeln, für die Hebung des
+gesammten Theaterwesens im ganzen Lande arbeiten. Junge Leute, die sich
+bei den untergeordneten Theatern auszeichnen, werden in<a id="Page_86"></a>
+ <span class="pagenum">[86]</span> der
+Unparteilichkeit der, allen Theatern gemeinsamen Oberbehörde den Weg zu
+den besseren Bühnen unversperrter finden, während, bei dem verbesserten
+Zustande der Provinztheater, man künftig ohne Sorge vor Verbildung,
+junge Leute, Eleven der Theaterschule, auf Lehr-und Uebungsjahre dorthin
+geben kann.</p>
+
+<p>So manches Mitglied der ersten Theater, das unter den jetzigen
+Verhältnissen bei voller, kräftiger Gesundheit pensionirt wird, &mdash; weil
+es etwa die Stimme verloren hat, oder dem jugendlichen Fache entwachsen,
+für ein älteres gerade kein Talent zeigt &mdash; würde als Director eines
+Provinzial-Theaterbezirkes dem Staate noch gute Dienste leisten können.
+Oder der Halbinvalide eignete sich für eine Professur an der
+Theaterschule; eine Wirksamkeit, welche einem abgetretenen Director auch
+wohl anstehen würde. Oder wenn der für die Bühne Untauglichgewordene von
+untergeordneten Fähigkeiten ist, könnte er sich auf irgend einem
+Beamtenposten der Bühne noch nützlich machen. Immer vermöchte so die
+Ministerialdirection, durch ihre umfangreiche Verfügung, dem Staate die
+ungebührlich langen Pensionsleistungen und den alternden Künstlern die
+Schmach eines bezahlten Müßigganges<a id="Page_87"></a>
+ <span class="pagenum">[87]</span> zu ersparen, in einem Alter,
+wo sie noch arbeiten können.<a id="nen18"></a><a title="Go to footnote 18." href="#fn18" class="fnanchor">[18]</a> </p>
+
+<p class="footnote"><a id="fn18"></a><a title="Return to text." href="#nen18" class="label">[18]</a> Uebereinstimmende und angemessene Anstalten zur
+Pensionirung der Schauspieler zu treffen, würde erst möglich sein, wenn
+die Reorganisation des ganzen Theaterwesens festen Fuß gefaßt hätte.
+Auch diese, so überaus wichtige Angelegenheit müßte nach einem
+umfassenden Plane geordnet werden, auf alle Bühnen des Landes, nach den
+erweiterten Grundsätzen des preußischen Staatspensionsfonds sich
+erstrecken, vielleicht, nach Eckhof's altem Entwurfe, ganz Deutschland
+umfassen. Für's Erste wird man an den bestehenden Einrichtungen
+festhalten müssen, mit denjenigen Modificationen, welche an den
+Residenztheatern die Verwandlung der Theatermitglieder aus Hofdienern in
+Staatsdiener nothwendig macht.]</p>
+
+<p>Genügen werden die hier angegebenen Momente, um den Blick auf den
+außerordentlichen Gewinn zu lenken, den das Theater in seinen <strong>Mitteln</strong>,
+durch deren gesammelte Verwendung machen wird. Genügen wird die ganze
+bisherige Darstellung, um den unermeßlichen Gewinn darzuthun, den der
+<strong>Geist</strong> und die <strong>Würde</strong> der deutschen Bühne von der vorgeschlagenen Reform
+ziehen und dem Volke mittheilen muß.</p>
+
+<p>Die Schwierigkeiten der Reorganisation sind nicht so groß, als die
+Umständlichkeit dieser Besprechung vielleicht<a id="Page_88"></a>
+ <span class="pagenum">[88]</span> erscheinen läßt,
+denn die Einrichtungen beruhen auf der Natur der Sache, gestalten und
+regeln sich darum aus sich selbst.</p>
+
+<p><strong>In einer freien Entwicklung der künstlerischen Kräfte, bei gemeinsam
+berechtigter Betheiligung, muß die auf sich selbst gestellte Kunst
+werden, was sie werden kann; in ihrer Wirkung auf das Volk, vom Geiste
+desselben &mdash; der sich in der Staatsregierung auszusprechen hat &mdash;
+geleitet, wird sie dem Volke leisten, was sie ihm leisten kann.</strong></p>
+
+<p>Dies sind die Bedingungen eines wahrhaften Nationaltheaters.
+Uebereinstimmend, wie in Kirche und Schule, müssen die Kräfte und Mittel
+der Nation dazu wirken; <strong>nur die organisch verbundenen Landesbühnen
+erschaffen ein Nationaltheater</strong>.</p>
+
+<hr class="small" />
+
+<p>Zum Schluß noch einen Blick auf ein Moment dieses Reformvorschlages, das
+in rein menschlicher Beziehung<a id="Page_89"></a>
+ <span class="pagenum">[89]</span> allein schon volle Beherzigung
+verdient: es ist <strong>die Wirkung auf den Schauspielerstand</strong>.</p>
+
+<p>Allen Plänen, die Schaubühne auf eine höhere Stufe zu heben, pflegt man
+den Einwurf entgegenzuhalten: sie müßten an der unabänderlichen
+Beschaffenheit des Schauspielerstandes scheitern.</p>
+
+<p>Wäre es wahr, daß die allerdings starken und mannichfachen Versuchungen
+dieses Standes unüberwindlich wären, so hätte der Staat die Pflicht,
+denselben aufzuheben und nach Plato's und Rousseau's Rath das Theater
+aus seinem Bereiche zu verbannen.</p>
+
+<p>Aber es ist nicht so. Die Kunstgeschichte zeigt uns unter den
+Schauspielern wahre Muster an sittlicher Würde und Charaktergröße. Waren
+diese möglich, so muß auch die Hebung des ganzen Standes möglich sein
+und es hat bisher nur an den Bedingungen dazu gefehlt.</p>
+
+<p>Was hat der Staat, was hat die bürgerliche Gesellschaft zur Bildung und
+Versittlichung des Standes gethan? Nichts! Ja schlimmer als das, man hat
+Alles gethan ihn in verderblicher Stellung zu erhalten.</p>
+
+<p>Das erste Erforderniß zur Hebung eines Standes: <strong>Bildung</strong>, der Staat hat
+ihm bis auf den heutigen<a id="Page_90"></a>
+ <span class="pagenum">[90]</span> Tag die <strong>Gelegenheit</strong> und damit auch die
+<strong>Nöthigung</strong> dazu versagt. <strong>Der Schauspieler ist der einzige Staatsbürger,
+dem keine Fachbildung geboten, dem auch keine abgefordert wird.</strong> Darf man
+sich wundern, daß er sie nicht besitzt?</p>
+
+<p>Unsittlichkeiten unter den Theatermitgliedern &mdash; obschon sie
+verhältnißmäßig kaum häufiger vorkommen, als in andern Ständen, nur bei
+der Oeffentlichkeit ihrer Stellung auffallender sind &mdash; entfernen noch
+immer die gute Gesellschaft von dem ganzen Stande, und Einzelne finden
+nur <strong>trotz</strong> ihres Standes Zutritt. Aber um demselben eine sittlichere
+Haltung aufzunöthigen, was hat denn der Staat, was die Gesellschaft
+gethan? Würden wohl andere öffentliche Stände: Geistliche, Richter u. s.
+w. ein im Allgemeinen sittliches Verhalten zeigen, wenn es ihnen nicht
+streng abgefordert, wenn der einzelne Bescholtene nicht, als des Standes
+unwürdig, ausgestoßen würde? Alle bürgerlichen Tugenden haben ihre
+Grundlage im Zwange des Gesetzes und der Sitte.</p>
+
+<p>Dem Schauspieler aber macht die irregeleitete öffentliche Meinung
+Unsittlichkeit beinahe zur Bedingung künstlerischer Anerkennung; man
+läßt es ihn merken: einige Flecken Schande ständen ihm gut zu Gesicht.
+Man<a id="Page_91"></a>
+ <span class="pagenum">[91]</span> nimmt dem Schauspieler nichts übel, aber man verachtet ihn.
+Das Spiel der Leidenschaften im Privatleben des Künstlers sieht man als
+in nothwendiger Beziehung zu dem auf der Bühne stehend an, läßt seine
+entfesselten Neigungen als eine Würze der Kunstproduction gelten. Sogar
+die ersten Grundbedingungen des rechtlichen Vertrauens legt man ihm nur
+locker auf, er gilt als ein privilegirter Freibeuter im bürgerlichen
+Leben. Ein contraktbrüchiger, durchgegangener Bühnenkünstler findet
+selbst an Hoftheatern bereite Aufnahme.</p>
+
+<p>Darf man sich wundern, daß in dieser Stellung manche Theatermitglieder
+es mit sittlichen Verpflichtungen nicht genau nehmen?</p>
+
+<p>Darf man die allerdings tief eingerissene Selbstsucht, &mdash; aus der in der
+Kunstübung das vereinzelte Virtuosenspiel und die verderbliche
+Effectjägerei entspringen &mdash;dem Künstler so unbedingt zum Vorwurf
+machen, wenn er behaupten darf, daß die jetzigen Bühnenzustände ihm, von
+allen Antrieben für seine Kunst, nur den Egoismus übrig gelassen? Daß er
+sich als ein Miethling fühle, entweder gewinnsüchtiger Unternehmer oder
+kunstfremder Behörden, die für seine Leistungen keinen andern Maßstab
+als den Beifall der Massen und der Journale haben,<a id="Page_92"></a>
+ <span class="pagenum">[92]</span> der denn also
+um jeden Preis errungen werden müsse, wenn man sich eine Stellung
+sichern wolle.</p>
+
+<p><strong>Sobald das Theater zur Staatsanstalt erhoben ist, werden die Forderungen
+an die Künstler strenger, die Achtung für sie aber darum auch größer
+werden.</strong> Verletzungen der öffentlichen Moral werden keine Bemäntelung
+mehr finden, der Stand wird an sittlicher Haltung gewinnen. Er wird für
+seinen Beruf gebildet und geprüft werden, wie das in andern Künsten der
+Fall ist. Die Anerkennung seiner Bedeutung und seines Nutzens im Staate
+wird ihm gesellschaftliche Achtung verschaffen, er wird sich immer mehr
+aus den gebildeten Schichten der Gesellschaft recrutiren. Seine
+gemeinwesenliche Verfassung wird die Elemente feinerer Bildung mit der
+Kraft naturwüchsigen Talentes unausgesetzt durchdringen, eine edle
+künstlerische Gesinnung sich geltend machen können.</p>
+
+<p><strong>Darum ist es menschlich und gerecht, wenn man dem Schauspieler endlich
+eine Verfassung zugesteht, die seine Selbständigkeit anerkennt, ihm
+Bildung und höhere Gesittung garantirt</strong>; den Anspruch daran erhebe ich im
+Interesse meines Standes mit diesen Reformvorschlägen. <strong>Wir haben
+ein<a id="Page_93"></a>
+ <span class="pagenum">[93]</span> Recht: endliche Gleichstellung mit den übrigen Ständen zu
+verlangen, Gleichstellung in Unterricht und moralischer Verpflichtung.</strong>
+Wir sind die einzigen davon Ausgeschlossenen, wir sind die Parias unter
+den Ständen. Willig sind wir zu leisten, was man von uns fordern kann,
+aber wir können es nicht, wenn man es nicht fordern, wenn man die
+Leistung nicht ermöglichen will. Erst wenn Alles geschehen ist, wie
+bisher Nichts geschehen ist, unsern Stand zu heben und er sich unfähig
+dazu erwiesen, erst wenn man ihm höhere Zwecke gegeben und er ihnen
+nicht entsprochen &mdash; dann mag man ihn verwerfen, aber erst dann. Jetzt
+hat die Gesellschaft kein Recht dazu, sie hat verschuldet, was sie uns
+vorwirft.</p>
+
+<p>Ueber diese höhere Lebensfrage unseres Standes wird zugleich mit der
+über die deutsche Bühne entschieden werden.</p>
+
+<p>Der bisherige Zustand hat keine Dauer mehr. Das deutsche Volk, an seiner
+Spitze seine Fürsten, muß sich erklären, was es von seiner Schaubühne
+will?</p>
+
+<p>Soll sie ihm nur zum Vergnügungsort, zur Zuflucht des Zeitvertreibes,
+zur Reunion der feinen Welt, zur Gelegenheit: Toilette zu machen und
+sich Rendezvous zu<a id="Page_94"></a>
+ <span class="pagenum">[94]</span> geben, daneben zur Befriedigung der Schaulust
+oder des Bedürfnisses der Erschütterung durch Lachen oder Weinen dienen
+&mdash; wozu dann die enormen Summen, welche aus Landesmitteln zu Gunsten so
+frivoler Anstalten fließen? Dann mögen diejenigen das Vergnügen
+bezahlen, die es genießen, man ziehe alle Subventionen zurück, verpachte
+die Theater und lasse den Unfug auf der Bahn industrieller Speculation
+dahinschießen. Die englische Bühne zeigt: wohin sie führt; die
+französische wird vor ihren Gefahren bis jetzt nur noch durch den
+angeborenen richtigen Sinn ihres Volkes für die dramatische Kunst
+bewahrt. Gewiß ist, daß auf diesem Wege keine Bühne zur <strong>Veredlung</strong> des
+Volkes wirken, ja daß sie vom Strome der Vergnügungslust so weit
+fortgerissen werden kann, daß ihre Existenz für die öffentliche Moral
+bedenklich wird.</p>
+
+<p>Soll aber dem deutschen Volke sein Nationaltheater sein, was die
+Folgerichtigkeit seines geistigen und sittlichen Bildungsstrebens
+fordert, soll es ihm ein Spiegel des Lebens, eine Stätte der
+Selbsterkenntniß, ein heiterer Tempel der Begeisterung für Schönes,
+Edles und Erhabenes sein, so müssen ihm auch ernster Wille und volle
+Mittel dafür zugewendet werden. <strong>Ein ächtes Nationaltheater[~95] wird
+die Erwartungen der Nation niemals täuschen.</strong></p>
+
+<p>Mögen zu der alsdann nothwendig werdenden durchgreifenden Umgestaltung
+des heutigen Theaterwesens meine Ansichten und Vorschläge behülflich
+sein, sie sind ein Ergebniß dreißigjähriger Erfahrung in allen Zweigen
+der Dramatik und einer unzerstörbaren Ueberzeugung von der erhabenen
+Bestimmung des Theaters.</p>
+
+
+ <p> <strong>Dresden</strong> im December 1848.</p>
+
+<p class="right"> <strong>Eduard Devrient.</strong></p>
+
+
+
+<p class="center1 x-small">Druck von <strong>Otto Wigand</strong> in Leipzig.<a id="Page_96"></a>
+ <span class="pagenum">[96]</span></p>
+
+
+
+<div class="tnbox">
+<p>[Transcriber's Note: Original language and spelling variations have not
+been standardized (e.g. Ueberall, blos, Erkenntniß, datirt, obenein). Changes in font from Black letter to
+Antiqua have been indicated by <i>italics</i> (e.g. Ludwig XIV. gab dem
+<i>théâtre français</i> die erste Verfassung). In the publisher's name J. J.
+Weber, the initials probably expand to Johann Jacob.</p>
+
+<p>Zur Transkription: Die Wortwahl und Schreibweisen des Originals wurden
+beibehalten (z.B. Ueberall, blos, Erkenntniß, datirt, obenein). Der Wechsel von Fraktur
+zur Antiquaschrift wurde mit <i>Kursivschrift</i> angedeutet (z.B. Ludwig
+XIV. gab dem <i>théâtre français</i> die erste Verfassung). Die Abkürzung im
+Verlagsnamen J. J. Weber steht wohl für Johann Jacob.]</p>
+
+</div>
+
+
+
+
+
+
+
+
+
+<pre>
+
+
+
+
+
+End of the Project Gutenberg EBook of Das Nationaltheater des Neuen
+Deutschlands. Eine Reformschrift, by Eduard Devrient
+
+*** END OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK NATIONALTHEATER--NEUEN DEUTSCHLANDS ***
+
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+works. See paragraph 1.E below.
+
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+
+Project Gutenberg-tm is synonymous with the free distribution of
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+including obsolete, old, middle-aged and new computers. It exists
+because of the efforts of hundreds of volunteers and donations from
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+
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+assistance they need are critical to reaching Project Gutenberg-tm's
+goals and ensuring that the Project Gutenberg-tm collection will
+remain freely available for generations to come. In 2001, the Project
+Gutenberg Literary Archive Foundation was created to provide a secure
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+To learn more about the Project Gutenberg Literary Archive Foundation
+and how your efforts and donations can help, see Sections 3 and 4
+and the Foundation information page at www.gutenberg.org
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+where we have not received written confirmation of compliance. To
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+particular state visit www.gutenberg.org/donate
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+While we cannot and do not solicit contributions from states where we
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+against accepting unsolicited donations from donors in such states who
+approach us with offers to donate.
+
+International donations are gratefully accepted, but we cannot make
+any statements concerning tax treatment of donations received from
+outside the United States. U.S. laws alone swamp our small staff.
+
+Please check the Project Gutenberg Web pages for current donation
+methods and addresses. Donations are accepted in a number of other
+ways including checks, online payments and credit card donations.
+To donate, please visit: www.gutenberg.org/donate
+
+
+Section 5. General Information About Project Gutenberg-tm electronic
+works.
+
+Professor Michael S. Hart was the originator of the Project Gutenberg-tm
+concept of a library of electronic works that could be freely shared
+with anyone. For forty years, he produced and distributed Project
+Gutenberg-tm eBooks with only a loose network of volunteer support.
+
+Project Gutenberg-tm eBooks are often created from several printed
+editions, all of which are confirmed as Public Domain in the U.S.
+unless a copyright notice is included. Thus, we do not necessarily
+keep eBooks in compliance with any particular paper edition.
+
+Most people start at our Web site which has the main PG search facility:
+
+ www.gutenberg.org
+
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+including how to make donations to the Project Gutenberg Literary
+Archive Foundation, how to help produce our new eBooks, and how to
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+metadata, and any other content or labor, has been confirmed to be
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+Procedures for determining public domain status are described in
+the "Copyright How-To" at https://www.gutenberg.org.
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