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| author | Roger Frank <rfrank@pglaf.org> | 2025-10-14 20:12:53 -0700 |
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Eine Reformschrift + +Author: Eduard Devrient + +Release Date: April 19, 2012 [EBook #39480] + +Language: German + +Character set encoding: ISO-8859-1 + +*** START OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK NATIONALTHEATER--NEUEN DEUTSCHLANDS *** + + + + +Produced by Thorsten Kontowski, Karl Eichwalder, La Monte +H.P. Yarroll and the Online Distributed Proofreading Team +at http://www.pgdp.net (This book was produced from scanned +images of public domain material from the Google Print +project.) + + + + + +[Transcriber's Note: Original language and spelling variations have not +been standardized (e.g. blos, Erkenntniß, datirt, obenein). Original +emphasis by =letter spacing= has been marked here with =equal= signs +(e.g. seines =eignen= Vortheils); changes in font from Fraktur to +_Antiqua_ have been indicated by _underscores_ (e.g. Ludwig XIV. gab dem +_théâtre français_ die erste Verfassung). In the publisher's name J. J. +Weber, the initials probably expand to Johann Jacob. + +Zur Transkription: Die Wortwahl und Schreibweisen des Originals wurden +beibehalten (z.B. blos, Erkenntniß, datirt, obenein). Hervorhebungen im +Original durch =gesperrten= Druck wurden hier mit =Gleichheitszeichen= +dargestellt (z.B. seines =eignen= Vortheils); der Wechsel von Fraktur +zur _Antiquaschrift_ wurde mit _Unterstrichen_ angedeutet (z.B. Ludwig +XIV. gab dem _théâtre français_ die erste Verfassung). Die Abkürzung im +Verlagsnamen J. J. Weber steht wohl für Johann Jacob.] + + + + +Das + +Nationaltheater + +des + +Neuen Deutschlands. + +Eine Reformschrift + +von + +Eduard Devrient. + +Leipzig, + +Verlag von J. J. Weber. + +1849. + + + + +[I.] + + +Das preußische Cultusministerium hat mich durch den Auftrag geehrt, ihm +meine Ansichten mitzutheilen: welche Gestaltung dem Theater zu geben +sei, um es, zu einem gedeihlichen Wirken, in Uebereinstimmung mit den +übrigen Künsten zu setzen. + +Dieser Auftrag hat mich zur Abfassung der vorliegenden Schrift +veranlaßt. In dem Glauben, daß sie von zeitgemäßem und allgemein +deutschem Interesse sei, übergebe ich sie hiermit der Oeffentlichkeit. + +Dresden, im December 1848. + + =Eduard Devrient.= + + + + +[II.] + + +Noch in keinem Momente des Völkerlebens ist die höhere Sendung der +Künste zur Veredlung des Menschengeschlechtes so leuchtend +hervorgetreten, hat sich noch nie zu so kräftiger, tiefgreifender +Wirkung angeboten, als in der großen Wendung unserer Tage. + +Schule und Kirche, die bisher allein anerkannten Erziehungsstätten, sind +einem Streite verfallen, der noch langehin ein heftiges Sträuben des +mündig gewordenen Volkes gegen jeden fühlbaren Zwang erhalten wird. Was +kann daher willkommener sein, als die sanfte Gewalt der Künste, die es +allein vermag, die Gemüther zu beschwichtigen, in rein menschlichem +Antheil die Herzen aller Parteien zu vereinigen, durch unmerklichen +Zwang wieder Achtung vor Sitte, Friede und stillem Glück zu verbreiten, +auf diesem heitren Wege die Geister wieder den strengen +Erziehungsstätten zuzuführen und der großen, gemeinsamen Begeisterung +für eine neue, edle Freiheit des Völkerlebens den höchsten Schwung und +den schönsten Ausdruck zu verleihen! + +Ueberall muß es daher als ein Zeugniß sorgsamer Staatsweisheit anerkannt +werden, wo die Organisation des Kunsteinflusses auf das Volksleben von +der Landesregierung in thätigen Angriff genommen wird. + +Daß unter allen Künsten keine von so allgemeiner und volksthümlicher +Wirkung ist, als die Schauspielkunst, bedarf hier keiner Beweisführung, +die tägliche Erfahrung liefert sie. Keine Kunst wird also in dem Maße +die Aufmerksamkeit der Staatsgewalt verdienen, so wie keine einer +Organisation so dringend bedürftig ist, welche sie mit allen anderen +höheren Culturmitteln des Staates in Uebereinstimmung setzt, als die +Schauspielkunst. + +Faßt man ihre rein künstlerische Wichtigkeit in's Auge, so drängt sich +als ihre wesentliche Eigenheit hervor: daß sie alle übrigen Künste +umfaßt; sie erhebt sich auf allen anderen und wird so zur Spitze der +Pyramide; sie ist die Kunst der Künste. + +Plastik, Malerei, Dichtkunst, Musik, Redekunst, Mimik und Tanzkunst +sammelt sie in den gewaltigen Brennpunkt unmittelbaren Lebens, und +dieser trifft in eine versammelte Menge, wo die Gemeinsamkeit des +Antheils das Feuer des Enthusiasmus um so mächtiger entzündet. +Wenngleich daher die schon vollendeten Werke der übrigen Künste, welche +der Schauspielkunst zum Stoffe dienen, dabei an ihrer Selbständigkeit +einbüßen müssen, so macht dennoch keine Kunst für sich schlagendere +Wirkungen, als von der Bühne herab. + +Wie dringend nothwendig ist es also, daß die Schauspielkunst endlich in +den Kreis der akademischen Bildung aufgenommen werde, damit ihre +drastischen Wirkungen eine grundsätzliche Uebereinstimmung mit den +übrigen Künsten gewinnen! + +Die Bühne vermag den Schönheitssinn, des Volkes sowohl als der Künstler, +in die größte Verwirrung zu bringen, sie vermag ihn aber auch zu heben +und zu reinigen. Daß so viel Unpoetisches, Unmusikalisches und +Unmalerisches auf der Bühne Glück macht, bleibt ein unablässig +fortwirkendes Moment der Verführung und Corruption für Dichter, +Musiker, Maler und Bildhauer; dagegen hat an die einzelnen, im rechten +Geiste gelungenen Erscheinungen der Bühne sich von jeher eine Kette der +fruchtbringendsten Anregungen geknüpft. =Die Fähigkeit der +Schauspielkunst: den wohlthätigsten Einfluß auf die übrigen Künste, also +auf den Kunstsinn überhaupt, zu äußern, ist außer Zweifel, es muß daher +als Pflicht erkannt werden: diese Fähigkeit zum wesentlichen Zweck der +Bühne zu erheben.= + +Und nun, den Einfluß auf die =Sittlichkeit= in's Auge gefaßt, welche +Kunst übt ihn stärker, als die der Bühne? -- Der Gegenstand ist zu oft +erörtert worden, als daß es nöthig wäre, ihn hier noch einmal +aufzunehmen; wer damit unbekannt ist, sei zunächst auf Schiller's +Vorlesung: »die Schaubühne, als eine moralische Anstalt betrachtet«, +verwiesen. + +Gewiß ist -- das gestehen selbst die Feinde der Bühne nicht nur zu, +sondern sie machen es als ihre größte Gefahr geltend -- daß die +Schauspielkunst die gewaltigsten Wirkungen auf das Volk hervorbringt. +Starke Wirkungen aber sind entweder wohlthätig oder nachtheilig, +gleichgültig können sie nicht sein. Wenn also die Bühne den Geschmack +und die Versittlichung nicht =fördert=, so muß sie ihnen =schaden=; +=unabweisbar wird daher die Verpflichtung für den Staat sein: sich der +Wirkung seiner Schaubühnen zu vergewissern, dafür zu sorgen, daß sie die +Bahn seiner Grundsätze über Volkscultur innehalten=. + +Daß dies bisher nicht, oder nur sehr lau und mangelhaft geschehen ist, +der Einfluß der Bühne daher oft in den schreiendsten Widerspruch mit den +Staatsmaximen gerathen,[1] das liegt ebenso vor Aller Augen, als daß die +Schauspielkunst noch immer ganz außerhalb des Kreises einer, mit den +übrigen Künsten übereinstimmenden Bildung sich bewegt; ganz außerhalb +der Kettenglieder, welche die Regierungen zur Versittlichung und +Veredlung des Volkes so sorgfältig ineinanderfügen. + + [1] Mit welchem strengen Eifer hat z. B. der Staat den neuen + socialen Theorien entgegenzuwirken und die Achtung vor der Ehe, + der Familie und allen Gliederungen der gesellschaftlichen Ordnung, + welche daraus hervorgehen, aufrecht zu erhalten gesucht, während + die Theaterrepertoire -- die der Hofbühnen keinesweges + ausgeschlossen -- von Stücken wimmelten, in denen die Heiligkeit + der Ehe verhöhnt, die Familienpietät lächerlich gemacht, ja eine + förmliche Verherrlichung der Nichtswürdigkeit getrieben wird! + +Die Forderung, diesem Zustande ein Ende zu machen, dem deutschen Theater +eine andere, grundsätzliche Basis und Einrichtungen zu geben und es +dadurch in Stand zu setzen: seine künstlerische und sociale Bestimmung +zu erfüllen, ist seit lange schon laut genug geworden. Sie wird bei der +Bewegung unserer Zeit immer lauter und ungestümer, sie wird unabweislich +werden und sich natürlich zunächst gegen die bedeutendsten, +tonangebenden Theater richten, die reich dotirt, den höheren Forderungen +des Volksgeistes am ehesten zu entsprechen verpflichtet erscheinen. + +Es sind die =Hoftheater=. + +In ihrer Entstehung rühmlich für die Fürsten und wohlthätig für Kunst, +sind sie im Verlaufe der Zeit -- wie dies allen menschlichen +Einrichtungen begegnet -- von ihrer ursprünglichen Bestimmung +abgewichen; ihre heutige Erscheinung entspricht ihrer ersten Idee nicht +mehr. + +Als in der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts die deutschen Höfe +sich ernstlich und dauernd der vaterländischen Schauspielkunst annahmen, +repräsentirten die Fürsten noch alle Staatsgewalt. Es war der Staat, +welcher durch sie der wandernden Kunst heimische Stätten, Anerkennung, +Schutz und Unterstützung gab. Fürsten waren es, der edle Kaiser Joseph +II. an der Spitze, welche den höheren Staatszweck der Bühne thatsächlich +proklamirten. Kaiser Joseph gab seiner Hofbühne den Namen und die +Grundsätze eines =Nationaltheaters=, er erklärte: es solle keine andere +Bestimmung haben, als =zur Verbreitung des guten Geschmacks und zur +Veredlung der Sitten zu wirken=.[2] Fast überall folgten Höfe und +Magistrate des Kaisers Beispiele, die Nationaltheater wurden allgemein +und die Schauspielkunst gewann eine bewunderungswürdig rasche und +nationale Entwickelung, weil sie ihr in einer gewissen Freiheit und +Selbständigkeit gegönnt war. Die Höfe nämlich übten im Allgemeinen nur +Schutz und Oberaufsicht über ihre Theater aus, die künstlerische +Thätigkeit wurde fort und fort von künstlerischen Directoren geleitet. +Ja Kaiser Joseph erkannte die Nothwendigkeit der Selbstregierung der +Künstler so vollständig an, daß er dem Wiener Nationaltheater eine ganz +republikanische Verfassung gab, deren Grundsätze in Mannheim unter +Dalberg eine denkwürdige Fortbildung fanden.[3] + + [2] Das Genauere über diesen geschichtlichen Moment ist in meiner + »Geschichte der deutschen Schauspielkunst« (Leipzig 1848, bei J. + J. Weber) im II. B. zu finden. Ich muß mich hier und fernerhin auf + dies Buch beziehen, weil es bis jetzt das einzige über diesen + Gegenstand ist. + + [3] Gesch. der deutsch. Schauspielkunst II. B., S. 402, und III. + B., S. 16. + +Aus solchem Geiste und unter solchem Schutze wuchs die deutsche +Schauspielkunst, geführt von Meistern, wie Eckhoff, Schröder, Iffland, +zu der kräftigen Reife, welche unter Schiller's und Goethe's Einfluß +ihre poetische Vollendung erhielt. + +Als aber nach dem Wiener Congreß die Höfe den alten Glanz wieder +gewannen, neue Theater in den Residenzen errichtet, die bestehenden in +größeren Flor gebracht wurden, da veränderte sich Stellung und +Organisation der Bühnen wesentlich. + +Die Verbreitung der constitutionellen Regierungsform trennte die +Staatsgewalten, der Fürst vertrat nicht mehr allein den Willen der +Nation; indem also die Höfe das Theater an sich behielten, gab der +Staat, gab die Nation stillschweigend den Anspruch auf, den sie bisher +daran zu haben glaubten. + +Es war ganz folgerichtig, daß der Name »=Nationaltheater=« überall dem +Titel »=Hoftheater=« Platz machen mußte und Kaiser Joseph's Principien +aufgegeben wurden. Da die Höfe immer reichlichere Geldmittel für die +Bühnen bewilligten, so wollten sie diese auch ganz in ihrem Sinne +verwendet sehen und dehnten daher die Verantwortung der Hofintendanten +über den ganzen Umfang der theatralischen Leistungen aus. So kam es +denn, daß fast überall die künstlerischen Directionen -- selbst die +eines =Goethe= -- der neuen Ordnung der Dinge weichen mußten und die +Hofintendanten in die falsche Stellung geriethen: die specielle +künstlerische Leitung der Bühne zu übernehmen. =Das Bureau wurde nun der +Mittelpunkt der Kunstthätigkeit.= + +Diese Veränderung der Theaterorganisation erwies sich viel tiefer +greifend, als man wohl vorausgesehen hatte. Die dramatische Kunst war +dadurch nicht nur dem Staatsinteresse entfremdet, auch die +unausweichbare Nothwendigkeit ihres inneren Verfalles war damit +ausgesprochen. + +Eine Kunst, die sich nur in Totalwirkungen vollendet, kann den +Sammelpunkt einer künstlerischen Direction schlechterdings nicht +entbehren. Der einige Geist, welcher in der Uebereinstimmung aller +Theile lebendig werden soll, kann nur aus innerstem, praktischen +Verständniß der Kunstthätigkeit selbst hervorgehen. =Der Schauspielkunst +die künstlerische Direction nehmen, hieß: ihr das Herz ausschneiden.= + +Umsonst haben die Intendanten, theils mit Talent, meistens mit gutem +Willen und redlichem Eifer das Naturwidrige ihrer Stellung zu überwinden +gesucht; es konnte nicht gelingen. Erwägt man, wie mannichfache +specielle Kenntnisse, Fähigkeiten und Erfahrungen für die Leitung eines +Theaters erforderlich sind, so ist es leicht zu begreifen, daß diese +nicht bei Männern gefunden werden können, welche, bis dahin +Kammerherren, Hofmarschälle, Oberstall- oder Oberjägermeister, Officiere +u. s. w. gar keine Veranlassung gehabt hatten irgend einem dieser +Erfordernisse genug zu thun. Zwar hat man geglaubt, dem Wesen der Kunst +hinlänglich Rechnung zu tragen, indem dem nichtsachverständigen Director +die sachverständigen Regisseure zur Seite gestellt blieben, denen das +augenfällig Technische der Leitung und die Abhaltung der Proben u. s. +w. überlassen ist; =in diesem Irrthume aber liegt eben der eigentliche +Knotenpunkt der Verwirrung unseres heutigen Theaterwesens=. + +Die Leistungen der Bühnenkunst sollen einheitliches Leben haben, darum +verträgt ihre Leitung keine Theilung der Gewalt. Indem die +wesentlichsten Bestimmungen: Wahl, Besetzung und Ausstattung der +aufzuführenden Werke, Zusammensetzung des Kunstpersonals durch +Anstellungen und Entlassungen, Urlaube, Gastrollen u. dergl. vom +Intendanten, wohl auch von höheren Verfügungen, abhängig sind, bleibt +der Regie nur ein beschränkter und durchaus bedingter Kreis des Wirkens, +in welchem sie keine absolute Verantwortung für das Gelingen der +Kunstwerke übernehmen kann, weil alle Vorbedingungen dazu nicht in ihren +Händen liegen. Rühmend muß es anerkannt werden, daß einige Intendanten +durch Anstellung von Oberregisseuren oder Dramaturgen der künstlerischen +Autorität eine größere Ausdehnung gegeben und eine Annäherung an die +alten Zustände bewirkt haben, in welchen die Intendantur nur +Oberaufsicht und administrative Gewalt ausübte; aber es ist auch nur +eine Annäherung. So lange die Intendanten noch für alle Einzelheiten +der theatralischen Thätigkeit verantwortlich gelten, können sie sich +auch der Bestimmung über dieselben nicht entschlagen, und so muß, bei +diesen bestgemeinten Einrichtungen, der Nachtheil kreuzender Anordnungen +ebenfalls lähmend für die Ausführung bleiben. + +Das Theater soll lebendige Kunstwerke schaffen, seine Thätigkeit muß +also eine organische, von =einem= Lebenspunkte ausgehende sein. Die +ganze complicirte Kette der Maßregeln, welche bis zum Aufsteigen des +Vorhanges nothwendig sind, darf =eine= Hand nur halten, wenn das Werk in +Einheit zur Erscheinung kommen soll; und das muß die Hand eines +Sachverständigen sein. Nur der versteht aber eine Sache, der sie ausübt. +=Halbheit in der Machtvollkommenheit der künstlerischen Leitung, +Einmischung kunstfremder Gewalten muß nothwendig Halbheit und +Zerfahrenheit in ihre Resultate bringen.= + +Nicht glücklicher ist die Hofintendanz in anderer Beziehung gestellt; +die innere Selbständigkeit, welche sie der Kunst entzog, gewann sie +nicht für sich, ja sie gerieth in Abhängigkeit, da, wo sie absolut zu +herrschen unternommen hatte. Außerdem immer im Gedränge der +widersprechendsten Forderungen: hier den Wünschen des Hofes zu genügen, +dort den Forderungen der höhern Bildung der Nation, entgegen denen der +bloßen rohen Vergnügungslust der Menge, unvermögend sich auf eine dieser +Parteien mit Sicherheit zu stützen, unausgesetzt im Schaukelsystem: es +bald hier, bald dort recht zu machen -- mußte sie es zuletzt mit Allen +verderben. Zum Ueberfluß noch verantwortlich gegen eine Oberbehörde, +(das Hausministerium) die, ihrer Natur nach blos verwaltend, für das +Kunstinstitut nur den Geldmaßstab haben kann, überwuchs die Verlegenheit +um vortheilhafte Kassenabschlüsse zuletzt fast alle übrigen, und so +sehen wir alle, so reich dotirten Hoftheater in unausgesetzter +ängstlicher Bemühung um die Einnahme. Der Zuschuß aus Staatsmitteln +scheint seinen eigentlichen Zweck: =die Kunst unabhängig zu machen=, gar +nicht zu erfüllen; er hat die Kassenverlegenheit nur auf größere +Zahlenverhältnisse gebracht, hat den vornehmen Hofbühnen dieselbe +plebejische industrielle Richtung der Privatunternehmungen gegeben. In +stetem Kreislaufe von hazardirten Ausgaben und kleinlicher Noth sie +wieder zu decken, erinnert man sich kaum zu welchem höhern Zweck sie +eigentlich in Bewegung gesetzt werden? Das Mittel ist zum Zweck geworden +und der Zweck (die Kunst) zum Mittel; das Theater scheint lediglich eine +Anstalt für den Geldumsatz zu sein. + +Consequent war es da freilich, daß man auf den Gedanken gerieth: +administrativen Capacitäten müsse die Leitung des Theaters übergeben +werden; der Mann der Ersparnisse galt nun für den wünschenswerthesten +Intendanten. Man hatte vergessen, daß ein Theater für jeden +festzustellenden Etat zu führen ist, daß es nicht darauf ankommt: wie +viel oder wie wenig =ausgegeben=, sondern was für das Ausgegebene +=geleistet= wird, und daß nur der Sachverständige für den möglichst +geringen Preis das möglichst Beste herzustellen vermag. Die +Controllansicht der Hausministerien siegte, die Höfe bemühten sich um +die Wette den knappsten Haushalter zum Intendanten zu machen. Mit diesem +Experimente büßte die Hofintendanz ihren unbestreitbaren Vorzug ein: den +einer würdigen, achtunggebietenden Haltung, einer edlen, kunstbelebenden +Liberalität. Mehr als ein Hoftheater ist, bei solcher Umwandlung, an +Würde, Anstand und künstlerischem Geiste tief herabgekommen, obenein +ohne die goldenen Hoffnungen auf Kassenüberschüsse erfüllt zu sehen. + +Daß dieser Zustand unhaltbar geworden, daß die Mission der Hofintendanz +an ihr Ziel gelangt sei, ist eine allgemeine Ueberzeugung; es fragt sich +nur: was an deren Stelle gesetzt werden soll? + +Es fehlt nicht an Stimmen, welche jede Unterstützung des Theaters +verwerfen und verlangen: es solle ganz frei gegeben, d. h. sich selbst +und der Concurrenz der Privatunternehmung überlassen werden; es solle +aus eigener Kraft bewähren: was es werden und was es der Nation nützen +könne. + +Aus dieser Forderung spricht eine untergeordnete Anschauung der Kunst +überhaupt: =Alles, was die Menschheit bilden und veredeln soll, muß vom +Staate gestützt, vom bloßen Erwerbe unabhängig gemacht werden; das gilt +von der Kunst, wie von der Schule und der Kirche.= Die Concurrenz ist in +unsern Tagen, selbst in ihrer Anwendung auf die Gewerbe, verdächtig +geworden, und sicherlich birgt sie ein so starkes Moment der Verführung +zu schlechten Hülfsmitteln, daß sie von den Maßregeln zur Hebung der +Künste ein für allemal ausgeschlossen sein sollte. Privatindustrie, in +Pachtverhältnissen wie in selbständigen Unternehmungen, kann, bei den +Bedingungen unserer Zeit, dem Theater kein höheres Gedeihen bringen; +=ohne den Rückhalt kräftiger Geldunterstützung, welche den Bühnen +Unabhängigkeit von der geldbringenden Menge sichert, ist ihre Führung +nach reinen Grundsätzen unmöglich=. Die Erfahrungen der Geschichte und +unsere täglichen Erlebnisse beweisen es, daß alle Bühnen, welche auf +Selbsterhaltung angewiesen sind, kleine und große, den Kampf der reinen +Kunstrichtung gegen die Forderungen der materiellen Existenz nicht +bestehen können. Männer wie Schröder selbst sind ihm unterlegen, auch +seine Direction zielte zuletzt nur auf Gewinn. + +Befreit aber soll die Kunst allerdings werden, befreit von allen +Bedingungen, die ihrer Natur zuwider sind, unter denen die erste die der +unbedingten Abhängigkeit vom Erwerbe ist. Frei auf sich selbst und ihre +hohe Bestimmung: =den Menschen die Menschheit darzustellen, dem Volke +das Leben der Völker abzuspiegeln=, soll die dramatische Kunst gestellt +werden. Unabhängig von der Herrschaft des Geschmacks einzelner +Standesschichten, seien es die höchsten, seien es die niedrigsten, nur +auf die Vernunft und den besseren Willen der Nation gestützt, soll sie +die Opposition gegen das wandelbare Urtheil der Massen halten können, +eine unbestechliche Priesterschaft der Wahrheit und des Adels der +menschlichen Natur. + +Diese Freiheit aber der Schaubühne kann nur auf dem Boden einer höheren +Gesetzlichkeit stehen, einer ernsten Verpflichtung zur Treue gegen ihre +Bestimmung. Streng gehalten muß sie werden: der Nation zu leisten, was +diese berechtigt ist von ihr zu fordern. + +Kein Zweifel also, =daß die Staatsregierung selbst die Schaubühnen des +ganzen Landes unter ihre Oberleitung nehmen muß=, daß dasjenige +Ministerium, welches die Erziehung und Veredlung des Volkes zur Aufgabe +hat, welches Religion, Wissenschaft und Kunst -- diese dreieinige +Beglaubigung unserer höhern Natur -- in ihrem Zusammenwirken überwacht, +nicht länger säumen darf sich auch der Schauspielkunst zu bemächtigen. + +Nehme Niemand Anstoß an der frivolen Miene, die noch die Bühne unserer +Tage zeigt und die sie der Verbindung mit Schule und Kirche unwerth zu +machen scheint; ihrer inneren Natur nach ist Schauspielkunst zu hohen +Dingen bestimmt, bei allen Völkern war sie die Trägerin des +ursprünglichen Gottesdienstes. =Auch muß durch diese einzige Maßregel: +die Bühne zur Staatsanstalt zu erklären, unausbleiblich ihre ganze +Beschaffenheit sich verwandeln.= + +Soll aber die Grundlage der nothwendigen Theaterreform in Uebertragung +der Oberleitung, von der unverantwortlichen Autorität des Hofes auf die, +dem Lande verantwortliche, der Regierung, bestehen, so darf dabei doch +nicht aus den Augen gelassen werden: was die Hoftheater der Kunst +genützt haben, damit diese Vortheile einem neuen Zustande der Dinge +möglichst erhalten werden. Allen Glanz, alle Sicherstellung und Würde, +alle äußere Vervollkommnung und Achtung verdankt das Theater dem Schutze +und der Intimität der Höfe. Ohne das bisherige Verhältniß der +Zugehörigkeit würde kein Theater so hoch dotirt, würden die Ansprüche +des Publikums daran nie so hoch gesteigert worden sein. Auch hat der +gewähltere Geschmack der höheren Gesellschaft allem künstlerischen +Streben nach Adel, Feinheit, Grazie und Eleganz, den derberen +Forderungen des großen Publikums gegenüber, einen wichtigen Rückenhalt +dargeboten. Alles dies darf künftig nicht verloren gehen. + +Nicht nur die bisherigen Geldzuschüsse, auch der permanente Antheil des +Hofes muß dem Theater erhalten bleiben. + +Der hin und wieder laut gewordene Vorschlag: das Theater lediglich zur +Landessache zu machen und dem Fürsten anheim zu geben, seine Logen darin +zu bezahlen -- wie dieß in Frankreich und England üblich -- ist +unbedingt und aus Staatsprincip zurückzuweisen. In jedem wahrhaften +Nationalinstitute muß der Erste der Nation, der Träger der Majestät des +Volkes, ohne alle Bedingung zu Haus sein, und sein Interesse an der +Kunst zu nähren muß ein Antrieb des Ehrgeizes bleiben. + +Allerdings wird es selbst politisch consequent sein, in dieser Zeit, +welche die Fürsten von Verantwortung frei zu machen trachtet, den Höfen +auch die für das Theater -- dessen Oeffentlichkeit unablässige Angriffe +jedes Einzelnen herausfordert -- abzunehmen; aber damit darf doch, zum +Vortheil der Kunst, das Protectorat der Fürsten nicht aufgegeben werden. + +Der Landesfürst hat nur die Organe seines Willens zu wechseln, anstatt +Hofbeamten, die von seiner Willkür abhängig, die Oberleitung des +Theaters Staatsbeamten zu übergeben, die außer ihm auch dem Lande +verantwortlich sind. + +Der jetzige Moment ist entscheidend. Die Umgestaltung unserer +staatlichen und bürgerlichen Verhältnisse muß auch das Theater +ergreifen; es kann nicht anders sein, denn das Theater ist zu jeder Zeit +das kleine Spiegelbild des großen Außenlebens gewesen. Jetzt kommt es +darauf an: was es dem Vaterlande werden soll? + +Wie vor hundert Jahren alle Stimmen die Höfe um Schutz für die +heimathliche Kunst anriefen, wie es als eine That ruhmwürdigen +Patriotismus gepriesen wurde, wenn ein Fürst seinen Mantel über ein +Nomadenhäuflein deutscher Comödianten ausbreitete, so blicken die +Freunde der Kunst und des Vaterlandes jetzt wieder auf die Fürsten, +verhoffend: sie werden die erste Wohlthat durch die zweite, +großmüthigere vollenden, sie werden den verweichlichenden Gnadenmantel +zurückschlagen und den üppig aufgeschossenen Pflegling ihrer Gunst in +die ernste Pflicht: =der höheren Wohlfahrt des Volkes dienstbar zu +sein=, entlassen. + + + + +[III.] + + +Nun aber die praktische Ausführung dieser tiefgreifenden Theaterreform! +Was ist zu thun, wenn sie den angekündigten Zwecken entsprechen soll? + +Hier meine Vorschläge: + +Der Landesfürst überträgt dem Ministerium für Cultus, Wissenschaft u. +Kunst, neben der Oberaufsicht über die Institute für Musik und bildende +Künste -- Conservatorien, Akademien, Museen -- auch die über die +bisherigen Hoftheater. Er gewährt die Uebertragung der Summen, welche +die Hofkasse bisher jährlich zur Erhaltung des Theaters zugeschossen, +auf die Staatskasse. Alle Unterstützungen und Vortheile, welche andre +Theater des Landes von Staats wegen genießen, so wie die Aufsicht über +dieselben, welche bis jetzt meistentheils von dem Ministerium des +Innern ausgeübt worden, alles dieß wird ebenfalls in die Hand des +Cultusministeriums gelegt, =so daß die Staatspflege aller Kunst im +ganzen Lande durch eine Abtheilung dieses Ministeriums vollkommen +vertreten und ihr organisches Leben gesichert ist=. + +Der Beamte, dem die Generaldirection der Landesbühnen übertragen wird, +braucht keine specielle Kenntniß vom Theaterwesen zu besitzen; -- er +soll sich in die künstlerische Thätigkeit nicht mischen -- ein +ästhetisch gebildeter Sinn, das genaue Verständniß dessen, was die Bühne +für die höhere Volksbildung zu leisten habe, ein richtiger +administrativer Ueberblick werden die Erfordernisse für dieses Amt sein. +Eine würdige persönliche Repräsentation wird die Wirksamkeit dieses +Beamten wesentlich unterstützen. Erleichtern wird es die Theaterreform, +wenn bisherige Hofintendanten von geeigneten Fähigkeiten, in dieses +Ministerialamt eintreten. In welcher Weise dasselbe auf die eigentliche +Theaterdirection einzuwirken hat, wird sich aus der Organisation +derselben ergeben. + +Die Residenztheater sind es, welche die nächste und hauptsächlichste +Aufmerksamkeit in Anspruch nehmen; nichts darf versäumt werden, um +ihnen eine wahre Mustergültigkeit zu verleihen. Ihre künstlerische +Verfassung wird am wesentlichsten dazu wirken. + + * * * * * + +Die bisherigen =Hoftheater= erhalten unter dem Namen: =Nationaltheater= +eine =von künstlerischen Vorständen gebildete, selbständig +abgeschlossene, der Landesregierung verantwortliche Direction=. + +Dieselbe besteht aus den Vertretern derjenigen Künste, welche den +wesentlichen Kern der Dramatik ausmachen: Dichtkunst, Musik und +Schauspielkunst; also aus einem =Theaterdichter= und =Schriftführer= +(dem bisherigen Theatersecretair), einem =Kapellmeister= und einem +=darstellenden Künstler=. + +=Diese drei Männer berathen und beschließen= -- mit Hinzuziehung der +weiter unten zu besprechenden Vorstände zweiten Ranges -- =über alle +Angelegenheiten des Theaters=; aber =Einem unter ihnen steht die +endliche Entscheidung in allen Beschlüssen und ihre Ausführung mit +vollkommener Gewalt und unter seiner alleinigen Verantwortlichkeit zu=. + +Weil nun die Schauspielkunst diejenige ist, in welche alle übrigen +aufgehen, weil es auf sie ankommt: was die Dicht- und Musikwerke von der +Bühne herab wirken, weil sie in letzter Instanz für Alles verantwortlich +sein muß, was auf der Bühne geschieht, so wird auch die Direction des +Theaters nur dann naturgemäß organisirt sein, wenn =ein darstellender +Künstler an ihrer Spitze= steht. + +Man pflegt gegen die Direction eines Schauspielers vielfache Bedenken +geltend zu machen. Man sagt: er mißbrauche gewöhnlich seine Macht zur +Befriedigung der, dem Schauspieler nahe liegenden Rollensucht, säe +dadurch Mißtrauen und Zwietracht im Personal, benachtheilige wohl auch +dadurch die Wirkung der Darstellungen. + +Wahr ist es, fast alle Schauspielerdirectoren in der ganzen +Kunstgeschichte haben diesen Vorwurf verschuldet. Aber da jede Direction +ihre Mängel haben wird, so ist dieser, gegen den unermeßlichen Vorzug +einer kunstverständigen Leitung, sehr gering anzuschlagen; wird auch +zudem, aus Rollensucht der übrigen Schauspieler, gewöhnlich übertrieben +angegeben. Den Meistern =Eckhof=, =Schröder=, =Iffland= u. A., obschon +sie manche Rolle, die ihnen nicht zukam, sich aneigneten, hat dennoch +die deutsche Kunst ihr erstaunlich rasches Wachsthum zu danken. +Uebrigens ist in der Organisation des Theaters ein hinlängliches +Gegengewicht gegen egoistische Uebergriffe aufzustellen, wie die weitern +Vorschläge zeigen werden. + +Ferner macht man den Einwand geltend: die erforderliche Bildung und +Charakterwürde sei unter den Schauspielern zu selten anzutreffen, um dem +Stande die Selbstregierung überall anvertrauen zu können. + +Der Vorwurf ist, in seiner Anwendung wenigstens, unbegründet. An jeder +irgend bedeutenden Bühne wird ein darstellender Künstler zu finden sein, +der hinlänglich befähigt ist, die Direction -- wenn auch nicht tadellos +-- jedenfalls besser zu führen, als sie bisher von Nichtschauspielern +geführt worden ist. Ein Fortschritt also wäre der Bühne damit jedenfalls +garantirt, selbst bei dem gegenwärtigen Bildungsstande. Dieser aber wird +sich durch Einführung künstlerischer Directionen erstaunlich schnell +verändern. Die Directionstalente unter den Schauspielern, seit 30 Jahren +niedergehalten und vom Steuer entfernt, weil sie der Bureauherrschaft +unbequem sein mußten, werden sich wieder erheben, die Bühne, zur +Staatsanstalt erklärt, wird immer mehr an Mitgliedern aus den gebildeten +Ständen gewinnen, es werden Talente, welche vielleicht, wegen +mangelhafter Begabung, auf der Bühne nicht die größten Erfolge zu +erlangen vermögen, andere von vorherrschender Verstandesrichtung, sich +mehr auf Ausbildung der künstlerischen =Einsicht= legen, und wenn sie +einen Weg praktischer Entwicklung in der Theaterorganisation offen +finden, eine Vervollkommnung erlangen, wie wir sie ähnlich in andern +Künsten bei Talenten antreffen, die vortrefflich als Lehrer und +Directoren, in ihren Werken selbst aber nicht bedeutend sind. Und diese +Entwicklung wird man um so geduldiger abwarten können, als bei der +vorgeschlagenen Directionseinrichtung von dem Schauspielerdirector nicht +aller Verstand und alle Einsicht allein gefordert wird, weil ihm die, in +den Berathungen gleichberechtigten musikalischen und literarischen +Vorstände zur Seite stehen, hier also der =Geist= der dramatischen Kunst +und die =praktische Ausführbarkeit= sich lebendig durchdringen können. + +Man hat vielfach der Direction eines Dichters vor der eines +Schauspielers den Vorzug gegeben um der höhern Bildung willen, welche +sein Beruf ihm aneignet, die Directionen von Goethe, Schreyvogel +(West), Klingemann und Immermann scheinen diesen Vorzug zu +rechtfertigen; und wo es zur Zeit nicht möglich sein sollte, einem +Schauspieler das volle Directionsvertrauen zu schenken, dagegen, was +selten genug der Fall sein wird, der Theaterdichter besonders +vorragendes schauspielerisches und praktisches Talent zeigen sollte, mag +man ausnahmsweise den Literaten an die Spitze stellen. + +Der Natur der Dinge wird es immer widersprechen, und der Mißstand, den +dies erzeugt, ist jederzeit, auch bei den besten Literaten-Directionen, +hervorgetreten. Wie der Dichter den geistigen Stoff hergiebt in der +Dramatik, der Schauspieler aber ihm Gestalt und sinnliches Leben +verleiht, =so muß auch bei der Leitung der Kunst im Ganzen der Dichter +die berathende Stimme haben, die künstlerische Praxis aber das letzte +Wort behalten=. + + * * * * * + +Die Frage: wie der künstlerische Vorstand gefunden, wie die bis jetzt +unerkannten Directionstalente unter den Schauspielern hervorgezogen +werden sollen? muß sich wiederum aus der Natur und dem Wesen der Kunst +beantworten. + +Das Wesen der Schauspielkunst aber ist vollkommene Vergesellschaftung +=Aller=, mit Erhaltung der Eigenheit des =Einzelnen=. Sie fordert +gänzliche Hingebung an den Gesammtvortheil der Totalwirkungen, fordert +Selbstverläugnung in einer Thätigkeit, welche Ehrgeiz und Eitelkeit am +gewaltigsten aufregt, fordert, daß der Einzelne die Befriedigung seines +=eignen= Vortheils in der Befriedigung des =allgemeinen= finde, =die +Schauspielkunst fordert also republikanische Tugend in höchster Potenz=. + +Um diese zu wecken und zu pflegen bedarf das Theater folgerichtig auch +republikanischer Einrichtungen. Diese Erkenntniß datirt nicht etwa aus +den politischen Bewegungen unserer Tage, schon die absolutesten +Herrscher haben ihr gemäß gehandelt. Ludwig XIV. gab dem _théâtre +français_ die erste Verfassung, die Napoleon späterhin ausbildete. +Joseph II. führte eine ähnliche am Wiener Nationaltheater ein. Dalberg +in Mannheim, Schröder in Hamburg u. A. m. nahmen ihre Grundsätze auf. Es +ist also nichts Neues, wenn das Theater eine künstlerische +Selbstregierung durch Vertretung, und aus freiem Vertrauen gewählte +Vorstände erhält, es ist eine Nothwendigkeit, die sich aus tausend +Hemmungen und Mißhelligkeiten in der Theaterpraxis ergiebt. Denn es sind +nicht blos mechanische Verrichtungen, welche von dem Personal -- selbst +dem untergeordneten -- gefordert werden, der gute Wille, der lebendige +Antheil an der gemeinsamen Sache, die eifrige Betheiligung müssen +überall das Beste thun. Dies Alles aber ist nicht zu erlangen, wenn +nicht jeder Einzelne fühlt, daß er wirklichen Theil hat an dem +organischen Leben des Institutes, dem er angehört, wenn die Führer nicht +Männer des allgemeinen Vertrauens sind. + +Darum muß die Gliederung der verschiedenen Körperschaften im Personale +festgestellt und der Grundsatz der =Wahl= von Vertretern und Führern, +von unten auf geltend gemacht werden; die Direction wird dadurch +erleichtert und vereinfacht. + +Die Mitglieder des =Orchesters=, des =Chors= und des =Balletts= wählen +sich alljährlich =Ausschüsse= von drei bis fünf Männern etwa. Bei Chor +und Ballett übernehmen diese das bereits eingeführte Geschäft der +Inspicienten, handhaben Ordnung in Vorübungen, Proben und Vorstellungen +u. s. w.; alle aber vertreten ihre Körperschaft der Direction +gegenüber, bei Wahl von Vorständen, bei Verwaltung gemeinsamer Kassen +und in Streit- und Beschwerdesachen. Zum Theil besteht diese Einrichtung +bereits an einigen Bühnen, sie bedarf aber grundsätzlicher Regelung. + +Diese Ausschüsse mit ihren Vorständen -- Kapellmeister, Musikdirector +und Conzertmeister, Chordirector und Ballettmeister -- treten mit +sämmtlichen darstellenden Mitgliedern, männlichen und weiblichen, +zusammen[4] und =wählen den Künstler, dem sie die meisten Fähigkeiten +zutrauen, die Ehre und Würde des Institutes zu fördern=, durch +mindestens zwei Drittel Mehrheit der Stimmen, =zum Director=. + + [4] Obwohl die darstellenden Mitglieder ebenfalls einen + vertretenden Ausschuß haben müssen, von dem nachher die Rede sein + wird, so betheiligen sie sich doch bei der Wahl des Directors + =unmittelbar=, weil jeder Einzelne in unmittelbarer Beziehung zu + diesem steht. Die übrigen Genossenschaften, Orchester, Chor und + Ballett, stehen größtentheils nur in ihrer Gesammtheit -- da sie + in dieser nur wirken -- in Bezug zum Director, darum wählen sie + nur als Genossenschaft durch Vertretung. Auch würde ihre + Stimmenüberzahl ein unrichtiges Betheiligungsverhältniß ergeben. + +Dem Ministerium steht es zu, die Wahl zu bestätigen. + +Man darf sich überzeugt halten, daß der rechte Mann auf diese Weise +gefunden wird. Wie gering man auch den allgemeinen Bildungsstand der +Theatermitglieder anschlagen mag, was zu ihrem Fache taugt, verstehen +sie besser, als irgend sonst Jemand, und wo es sich um Ehre und Gedeihen +des Theaters handelt, wird persönliche Parteilichkeit die Freiheit des +Urtheils nicht mehr benachtheiligen, als dies bei anderen Wahlen +geschieht. + +Dem Ministerium sowohl, als den künstlerischen Ausschüssen steht es +frei: Wahlcandidaten, auch von andern Bühnen, vorzuschlagen. + +Eine Dauer der Amtsführung kann im Voraus nicht vorgeschrieben werden, +ein Theaterdirector kann so wenig, als ein Staatsminister, auf +Lebenszeit oder auf eine bestimmte Anzahl von Jahren eingesetzt werden. +Es muß ihm freistehen, den Posten aufzugeben, wenn er Muth, Kraft und +Lust dazu verliert, -- was in diesem Amte schneller, als in jedem +anderen geschieht, -- aber es muß auch möglich sein, ihn des Postens zu +entheben, wenn er stumpf wird, ohne es zu merken, oder er dem Vertrauen +der Kunstgenossenschaft und der Regierung nicht entspricht. + +Diese Enthebung darf aber nur -- um Gewaltsamkeit oder Intrigue zu +entwaffnen -- in derselben Weise, wie die Wahl geschehen, durch Beschluß +des Ministeriums und der zwei Drittel Mehrheit der Stimmberechtigten. + +Der austretende Director -- wenn nicht Straffälligkeit ihn aus der +Genossenschaft entfernt -- nimmt seine frühere Stellung im Personale, +oder diejenige ein, welche auf diesen Fall mit dem Ministerium +verabredet worden. Es leuchtet ein, daß das Ministerium überhaupt in +jedem einzelnen Falle mit dem gewählten Director über die Bedingungen +der Annahme übereinkommen muß. Dazu ist aber die dringende Warnung +auszusprechen: den Director der Residenztheater in keiner Weise bei den +Einnahmen zu betheiligen. Er darf niemals persönlichen Gewinn, sondern +nur die Ehre und Würde des Institutes im Auge haben. + +Die Stellung des Directors wird sich erst übersehen lassen, wenn die +ganze Organisation des Theatervorstandes klar ist. + + * * * * * + +=Der Kapellmeister in der Direction hat die Verantwortung für das +gesammte Musikwesen des Theaters zu übernehmen.= Ihm sind die übrigen +Orchesterdirigenten, so wie der Chorlehrer untergeben, mit deren Beirath +er über Anstellungen, Verabschiedungen und Pensionirungen im Orchester, +über Wahl, Reihefolge und Ausführung der Musikwerke Vorschläge zu +machen, und sobald diese durch die Direction zum Beschluß erhoben +worden, für Betreibung des Studiums und für die Vollkommenheit der +Ausführung zu sorgen hat. + +Der Kreis dieser Wirksamkeit wird bereits an vielen Bühnen von dem +Kapellmeister beherrscht, darum würden die in Amt befindlichen fast +überall für die neue Organisation passen. Es gälte nur: den Umfang ihrer +Machtvollkommenheit und also ihrer Verantwortlichkeit zweifellos +festzustellen und da, wo die musikalischen Angelegenheiten in +verschiedenen Händen liegen, sie in einer einzigen zu centralisiren. Wo +zwei gleichberechtigte Kapellmeister im Amte sind, müßte der eine dem +anderen untergeordnet oder die Directionsgewalt jährlich abwechselnd in +ihre Hand gelegt werden, bis ein Personenwechsel über diese Auskunft +hinweghilft. Denn unverrückt muß an dem Grundsatze festgehalten werden, +daß die Verantwortung überall in eine einzige Person auslaufe, damit die +so geregelten einzelnen Kreise schnell und gelenkig für den allgemeinen +Zweck bewegt werden können. + +Diese Einrichtungen dürfen natürlich nur in Uebereinkunft mit dem +Director getroffen werden, weil derselbe sich mit dem musikalischen +Mitdirector in grundsätzlicher Uebereinstimmung fühlen muß. Wenn daher +die Stelle des Kapellmeisters neu zu besetzen ist, so muß der Director +sich mit der Aufstellung der Candidaten, welche das Ministerium oder der +musikalische Ausschuß, neben den von ihm selbst vorzuschlagenden, +präsentiren will, einverstanden erklären. + +=Die Ernennung eines neuen Kapellmeisters geschieht durch Wahl der +musikalisch Betheiligten= mit zwei Drittel Stimmenmehrheit und +Bestätigung der Regierung. Stimmberechtigt sind -- in Analogie mit der +Wahl des Directors -- die Sänger und Sängerinnen der Oper, die übrigen +musikalischen Vorstände und die Ausschüsse des Orchesters[5] und des +Chors. + + [5] Ob man alle Orchestermitglieder für stimmberechtigt erklären + will, muß lokalen Bestimmungen überlassen bleiben. + +Ob die Anstellung auf Zeit oder auf Lebensdauer geschehen soll, wird von +den Bedingnissen jedes einzelnen Falles abhängen. Zu erwägen ist nur, +daß der Rücktritt, lediglich von der Theilnahme an der Direction, nur da +möglich ist, wo ein zweiter Kapellmeister dafür einzutreten vorhanden +ist. + + * * * * * + +Der =Theaterdichter= und =Schriftführer= -- man mag ihn auch =Dramaturg= +nennen -- hat, wie herkömmlich, für das Bedürfniß der Bühne an +Gelegenheitsgedichten, Bearbeitungen, Abänderungen, Verbesserungen der +Operntexte u. s. w. zu sorgen, auch die Bureaugeschäfte und +Correspondenz zu führen, so weit ihm letztere nicht vom Kapellmeister +und Director erleichtert wird. Seine wesentliche Aufgabe aber wird sein, +=die Literatur, den Geist der Dramatik zu vertreten=. Er soll von dieser +Seite her immer neue Anregungen geben, damit die Direction sich nicht +einer blos herkömmlich theatralischen Richtung und den gewöhnlichen +Tagesforderungen hingebe. Er soll also der wichtigste Rathgeber des +Directors sein in Allem, was die höhere Bedeutung der Bühne berührt; +besonders also in der Wahl der aufzuführenden dramatischen Werke. Er +soll den Director vornehmlich unterstützen: im Kunstpersonale ein +allgemeines Bildungsbestreben zu wecken und zu nähren. Durch Anregungen +aller Art, durch Vorträge, Regelung der Lectüre, Aufsicht über +Vervollständigung und Benutzung der Theaterbibliothek in diesem Sinne, +durch bereite Auskunft über wissenschaftliche Fragen, durch Vermittelung +eines innigen Verkehrs mit literarischen Capacitäten und eines +Zusammenhanges mit den Vereinen dramatischer Autoren -- deren Bildung +durch die Reorganisation des Theaters gewiß angeregt werden wird -- soll +er den Geist des Institutes heben und erweitern. + +Daß dieser Posten von der allergrößten Wichtigkeit, leuchtet ebensowohl +ein, als daß die meisten zur Zeit fungirenden Theatersecretaire -- die +ebensowohl beim Post- oder Steuerfache angestellt sein könnten -- diesen +Forderungen nicht entsprechen werden; diese Stelle wird also bei einer +Bühnenreform fast überall neu besetzt werden müssen. + +Aus einer Wahl kann dieses Mitglied der Direction nicht hervorgehen, +weil keine wahlberechtigte Körperschaft dazu vorhanden ist.[6] Die +darstellenden Mitglieder können in ihrer Mehrheit kein Urtheil über +seine Befähigung haben, auch sind sie in dienstlicher Beziehung nicht +dergestalt von ihm abhängig, daß er der Mann ihres Vertrauens sein +müßte. Es wird genügen, wenn die Majorität des Ausschusses der +darstellenden Künstler der Ernennung beistimmt, welche vom Ministerium, +in Uebereinkunft mit den beiden andern Directionsmitgliedern, +vorgenommen wird. + + [6] Bis jetzt existiren keine Vereine dramatischer Autoren, denen + eine corporative Vertretung beizumessen wäre und denen man darum + eine Betheiligung bei der Wahl dieses Vertreters der dramatischen + Literatur zumuthen könnte. + + * * * * * + +Dieser =Ausschuß der darstellenden Künstler= ist für die +Gesammtorganisation überhaupt von großer Wichtigkeit. + +Gleich den Musikern, Choristen und Tänzern erwählt alljährlich das +darstellende Personal, Herren und Damen, einen Ausschuß von mindestens +fünf Männern, darunter wenigstens je zwei aus Oper und Schauspiel. + +Von diesen Vertrauensmännern des Personals hat der Director sich die +=Regisseure= zu seinen künstlerischen Mitarbeitern zu wählen. Im Fall +längerer Krankheit oder Abwesenheit eines derselben ernennt der Director +aus den übrigen Ausschußmitgliedern einen =Stellvertreter=. Die +Entfernung eines Regisseurs von seinem Posten muß natürlich in der +Gewalt des Directors stehen, doch hat er sich mit dem übrigen Ausschusse +deshalb zu benehmen. + +In ähnlicher Weise, d. h. unter Beirath der betreffenden Ausschüsse, +werden =alle Vorstände zweiten Ranges= eingesetzt: +=Orchesterdirigenten=, =Chordirector=, =Ballettmeister=. Diese können +natürlich nicht aus Vertrauensmännern ernannt werden, welche das +Personal bezeichnet, weil sie oft von andern Theatern berufen werden +müssen, immerhin aber wird es wichtig sein, daß die Direction +verpflichtet sei: sich der Zustimmung des betreffenden Ausschusses zu +versichern, damit das unentbehrliche Moment des ausgesprochenen +Vertrauens zu allen Vorständen die ganze Bühnenverfassung durchdringe. + +Der, nach Wahl zweier Regisseure mindestens aus drei Personen bestehende +Ausschuß der darstellenden Künstler wird in dieser Zahl jährlich neu +gewählt, wenn nicht der Austritt eines oder beider Regisseure eine +Ergänzungswahl nöthig macht. + +Der Ausschuß der drei Künstler ist, wie bei den andern Genossenschaften, +Vorstand der Almosen-, Pensions- und Wittwenkassen u. s. w., zugleich +aber übt er die Vertretung des Kunstpersonals der Direction gegenüber. +Er wird dadurch zum Mittelgliede der Ausgleichung für die +entgegenstehenden Interessen, die sich so oft in der Theaterpraxis +geltend machen. In vielen Streitfällen, welche nach dem Buchstaben der +Theatergesetze nicht, sondern nur nach dem Urtheile Sachverständiger zu +entscheiden sind, bei Beschwerden über parteiische Rollenvertheilung, +über Beeinträchtigung künstlerischer Rechte, welche durch kein +geschriebenes Wort zu sichern sind, hingegen auch bei bestrittenen +Ansprüchen der Direction wird das Hinzutreten des Ausschusses zu +denjenigen Vorständen, in deren Gebiet der Fall schlägt, eine Jury +bilden, welche dem Ausspruche eine größere Unparteilichkeit verleihen +muß. Alle Gesetze, Ordnungs- und Strafverfügungen, Entlassungen wegen +Dienstvergehungen oder gröblicher Vernachlässigung -- welche auch +lebenslänglich Angestellten nicht erspart werden dürfen -- werden, unter +Mitwirkung des Ausschusses erlassen, eine gerechtere Anerkennung +erlangen und verdienen. Der Ausschuß, die Interessen des Personals +vertretend und zugleich auf der Schwelle der Direction stehend, wird das +Gleichgewicht zwischen dem allgemeinen und dem Einzelinteresse am +sichersten halten können. Und was noch überaus wichtig ist, der Ausschuß +wird eine Vorbereitungsstufe abgeben für die Directionstalente, die +rascher als bisher in die künstlerischen Aemter eintreten werden, wenn +sie sich auszeichnen, weil die kräftigere Bewegung, welche die +Selbstregierung in den Genossenschaften hervorbringen muß, die +abgenutzten Vorstände nicht lange an der Spitze dulden, überhaupt die +Hemmnisse der Anciennetät, des Rollenmonopols u. s. w. beseitigen wird. + +Vor Allem aber muß diese allgemeine Betheiligung an der künstlerischen +Selbstregierung das eine wichtigste Lebenselement der Schauspielkunst +stärken, das der =künstlerischen Gesinnung=, des =Gesammtgeistes=. Das +selbstsüchtige Sonderinteresse einzelner Talente, durch hervorragende +Fähigkeiten und durch geschickte und dreiste Ausbeutung der bisherigen +Verhältnisse, fast an allen Hofbühnen zu einer Gewalt gelangt, die das +allgemeine Gedeihen schlechterdings unmöglich macht, dieser +Krebsschaden des heutigen Theaterwesens, der die beste Lebenskraft der +Institute zur Beute der Eitelkeit und Eigensucht weniger Bevorrechteter +macht, kann nur durch die Gesundheit und Kräftigung der gesammten +Körperschaft geheilt werden. Entweder werden die Theatermatadore durch +eine edlere Richtung der Bühne zu einer edlen Hingebung an die +Herrschaft des Gemeinwesens der Kunst bewogen, oder ihre Anmaßung wird +durch die gehobene Gesinnung der Kunstgenossen beschämt und +niedergehalten werden. Dies wird um so eher geschehen, als das +Sonderinteresse sich nicht mehr in dem Mißbrauch der Hofgunst nähren +wird, die Direction dagegen, auf bestimmte Staatsgrundsätze gestützt und +dem Lande verantwortlich, das allgemeine Interesse dem einzelnen +gegenüber energischer wird vertreten können und müssen. + + * * * * * + +Bei einer solchen Bühnenverfassung wird die Direction -- aus dem +besonnenen Vertrauen der Genossenschaft hervorgegangen, deren beste +Einsicht sie repräsentirt -- an und für sich stark sein, aber die +Oberbehörde darf sie auch in keiner Machtvollkommenheit beschränken, +welche es ihr möglich macht, die ganze Verantwortung für die Leistungen +der Bühne zu übernehmen und dem Personal gegenüber die vollkommenste +Autorität zu behaupten. + +Von der künstlerischen Direction müssen daher alle =Anstellungen=, +=Verabschiedungen=, =Beurlaubungen= und =Pensionirungen= abhängig sein. +Dem Ministerium bleibe die Bestätigung, damit Ueberschreitungen im +Ausgabeetat oder Uebereilungen vermieden werden. Die Beurtheilung aber +und Entscheidung über die Zusammensetzung des Personals muß der +Direction durchaus anheim gegeben werden. Ebenso hat sie allein über die +Zulässigkeit der =Gastspiele= zu entscheiden; wobei ihr nur zur Pflicht +gemacht werden muß, dem allgemein eingerissenen tief verderblichen +Mißbrauche derselben zu steuern, der die Geldmittel der Theater +vergeudet, das künstlerische Ensemble untergräbt, das vereinzelte +Virtuosenspiel bei den Künstlern und das Vergnügen daran bei dem +Publikum hervorruft, auch dessen Neuigkeitsgier und Parteinahme +steigert. + +Der Direction muß ferner die Entscheidung über =Wahl und Reihenfolge der +aufzuführenden Werke=, die =Rollenbesetzung=, =Ausstattung= in +=Decorationen= und =Costüm=, die Aufstellung des =Repertoirs= überlassen +sein. Daß ein verderblicher Eigenwille sich in den Entscheidungen des +Directors geltend machen werde, ist nicht zu fürchten, weil alle Dinge +mit den übrigen Vorständen berathen werden müssen, der Director nur der +Erste unter Gleichen, er auch der Ueberwachung und zuletzt der Anklage +bei der Ministerialdirection von Seiten des Ausschusses ausgesetzt ist. + +Mit unbeschränkter Gewalt soll aber der künstlerischen Führung die Kunst +zurückgegeben, der Mittelpunkt ihrer Thätigkeit aus dem Bureau wieder +auf den Regieplatz in's Proscenium der Bühne, wo er naturgemäß liegt, +versetzt werden. =Die künstlerische Arbeit sei wieder die Hauptaufgabe +der Theaterdirection.= + +Dabei aber darf sie, ebensowenig wie von der Ministerialdirection, von +der Einmischung des Ausschusses beeinträchtigt werden. An der +regelmäßigen Geschäftsführung darf demselben kein Theil zustehen, die +schon so complicirte Theaterpraxis würde sonst in babylonische +Verwirrung gerathen, der Ausschuß würde dadurch ein integrirender Theil +der Direction werden und seinen Charakter als Vertreter der +Genossenschaft, der Direction =gegenüber=, einbüßen. + +Die Stärke der Theaterdirection soll aber keinesweges den Einfluß der +Staatsbehörde ausschließen. Die Direction -- abgesehen von ihrer später +zu besprechenden administrativen Abhängigkeit -- hat alle ihre Pläne, +vorhabenden Einrichtungen und vorzubereitenden Arbeiten, vierteljährlich +etwa, dem Ministerialdirector vorzulegen, damit er sich überzeuge, ob +das Institut die Staatstendenzen innehalte. + +Ferner ist das Ministerium in allen Streitsachen letzter und oberster +Gerichtshof, sowohl in Differenzen zwischen Direction und Untergebenen, +als zwischen den Mitgliedern der Direction selbst, oder in Klagen gegen +dieselbe von Seiten der Autoren, des Publikums u. s. w., sie mögen sich +nun auf materielle Forderungen oder auf solche, welche den Geist des +Institutes betreffen, richten. + + * * * * * + +Die Aufgaben, welche dem so reformirten Nationaltheater gestellt werden +müssen, sind nicht gering. + +Vor allem thut es Noth, ein =Stammrepertoir= der bedeutendsten Dicht- +und Musikwerke aufzustellen, das in alljährlicher Wiederkehr die +Künstler in der Uebung am Vortrefflichen erhält, dem Volke den Genuß +seines Kunstschatzes in Musteraufführungen sichert, ihm den ganzen +Entwicklungsproceß des Theaters zugleich klar macht und ihm Ehrfurcht +für das, was es leistet, einflößt.[7] + + [7] Was Goethe davon sagt, siehe Geschichte der deutschen + Schauspielkunst B. III. S. 379-382. + +Auf einem Nationaltheater soll keine Woche vergehen, in welcher nicht +eins der Werke aus diesem klassischen Cyklus gegeben wird. Jedes +kirchliche oder politische Fest, jeder für die Nation merkwürdige Tag -- +bezeichne er eine große Begebenheit oder die Geburt eines großen +Künstlers u. s. w. -- werde durch eine entsprechende Vorstellung +gefeiert und in die Sympathie der Gegenwart gezogen. Auch die wichtigen +Ereignisse des Tages sollen ihren Ausdruck auf der Nationalbühne finden; +sie soll nicht bestimmt sein, die Eindrücke des Lebens vergessen zu +machen, sondern dem Volke ein höheres und heiteres Verständniß derselben +zu eröffnen. + +Um all dieser Zwecke willen wird dem Nationaltheater die =Ermuthigung +und Befeuerung der Autoren= dringend angelegen sein müssen. Auffordernde +Anregungen aller Art, angemessenere Regulirung des Honorars, Eröffnung +einer achtungsvollen Stellung zur Bühne -- wie sie den Schöpfern der +geistigen Nahrung derselben gebührt -- werden die nächsten Schritte dazu +sein. + +Dagegen fordert gerade die Achtung vor der Autorschaft, daß eine strenge +Auswahl unter den Tageserzeugnissen vorgenommen, das Mittelmäßige und +Schlechte nicht gleichberechtigt mit dem Guten betrachtet werde. Es +fordert die Achtung und Rücksicht für die darstellenden Künstler, daß +ihre Kraft und ihr Eifer nicht durch die Beschäftigung mit +nichtsbedeutenden Arbeiten abgestumpft werden. Es fordert die Achtung +vor dem Publikum: daß man es sicher stelle gegen die Langeweile an der +Darstellung von Arbeiten, wie sie zufällig einlaufen und worüber dem +Publikum hinterher das Urtheil überlassen wird. Die Direction ist dazu +eingesetzt, ein Urtheil im Voraus zu haben und dem Publikum nur wahrhaft +Erfreuendes oder Begeisterndes anzubieten, nicht aber das Vertrauen zu +täuschen, mit dem das Volk sein Theater betritt, nicht die Kräfte und +Mittel, die es ihr zur Verwendung übergiebt, aus persönlicher Rücksicht +oder Furcht vor Journalartikeln abgewiesener Autoren zu vergeuden. Die +Direction eines Nationaltheaters soll ihre Bühne nicht zum Tummelplatz +für bloße Neuigkeiten und unreife Versuche eröffnen, dagegen sie mit +aller Hingebung den werthvollen Arbeiten anbieten und das Interesse der +Autoren bei der Darstellung zu ihrem eigenen machen. + +Die ganze Praxis der künstlerischen Leitung hier zu besprechen, ist +weder zulässig noch nöthig, einige Momente aber scheinen mir anregender +Erwähnung zu bedürfen. + +So wird unter Allem, was für die möglichste Vollendung der Darstellungen +geschehen muß, auf das =Malerische= derselben eine größere Sorgfalt, als +sie bisher in Deutschland üblich, zu wenden sein. + +Die =Decorationen= werden meist auf einzelne Bestellung, bald hier bald +dort, oder doch von verschiedenen Malern gefertigt. Natürlich entsteht +dadurch die größte Ungleichartigkeit. Werden auch die auffallendsten +Mißgriffe dabei vermieden, so sieht man doch selten die Decorationen ein +und desselben Stückes in übereinstimmender Farbe und Behandlungsart. Oft +sieht man in ein und derselben Scene Prospect, Coulissen und Setzstücke +von dreifach grell verschiedener Manier. Hierin Uebereinstimmung zu +schaffen, die richtige Unterordnung der Farbe bei den Decorationen +überhaupt einzuführen, genügt aber nicht allein, auch auf die Farben der +=Costüme= und ihre Stimmung zum Hintergrunde der Handlung sollte +Aufmerksamkeit gewendet werden. Das ganze Gebiet der Theatertracht +bedarf im Allgemeinen einer gründlichen Regelung. Bei den wenigsten +Bühnen sind Costümiers angestellt, Unkenntniß, Laune, Geschmacklosigkeit +und Putzsucht erzeugen daher das grundsatzloseste, bunteste +Durcheinander, das für jedes einigermaßen gebildete Auge eine wahre +Beleidigung ist. + +Costümier und Decorateur müssen also in genauem Einverständniß gehalten +werden. Wo es die Verhältnisse gestatten, muß ihnen der Rath großer +malerischer Capacitäten gewonnen werden; wie denn überhaupt mit den +Höchstbefähigten in Literatur, Plastik, Musik, auch aller Wissenschaft, +die sonst der Bühne dienen kann, die Verbindung mehr gesucht und +unterhalten werden muß, als es bisher der Fall war. Zu diesen Zwecken +müssen die Theatervorstände zugleich Mitglieder der Kunstakademie sein. +Auch wird die ministerielle Gesammtleitung aller Künste dem Theater +große Unterstützung verschaffen, sich von allen Künsten das Beste +anzueignen, sich stets mitten in der Strömung allseitigen Lebens zu +halten, um so in seinen Werken der Nation das Trefflichste bieten zu +können. + +Ihre Eigenheit dabei zu bewahren, wird freilich eine neue Aufgabe der +Schauspielkunst und ihrer Leitung sein. Indem sie aber von Allen +entlehnt, das Entlehnte jedoch anders und frei benutzt, werden in ihr +auch die übrigen Künste ihr eignes Wesen schärfer erkennen; sie wird so +den Kreis der akademischen Künste erst verständigend abschließen. + +Selbständig muß die Theaterdirection sich durchaus erhalten, unabhängig +von allen Forderungen, in deren Erfüllung die einzelnen Künste sich +selbst gern auf dem Theater fänden. Die Schauspielkunst muß wissen, was +sie auszuführen vermag, und darum Alles abweisen was sie nicht lebendig +machen kann. Sie muß die Productionen der andern Künste zu verwenden +wissen, nicht aber sich ihnen dienstbar machen. Gleichweit von +theatralischer Herkömmlichkeit, wie von unfruchtbaren Experimenten, hat +sie den schwierig einzuhaltenden Weg einer unablässigen Fortentwicklung +und Bereicherung der Kunst in den Grenzen ihrer eigensten Natur zu +finden. + +Um dies ausführen zu können, wird die Direction es aber auch nicht an +Anregungen zur =Bildung= und zum =Kunstverständniß des Personals= fehlen +lassen dürfen. Was die Eckhof'sche Schauspielerakademie,[8] die +Manheimer Ausschußsitzungen,[9] der Berliner Schauspielerverein in der +neuern Zeit, gesollt: die Schauspieler nämlich zu gemeinsamem +Kunststreben und gegenseitiger Forthülfe sammeln, das dürfte bei +wahrhaft künstlerisch organisirten Theatern endlich, zu unberechenbarem +Vortheil des Gesammtgeistes und des nachwachsenden Geschlechtes, Bestand +gewinnen. + + [8] Gesch. d. deutschen Schauspielkunst. Bd. II. S. 88. + + [9] Ebendas. Bd. III. S. 18. + +Von großer Wichtigkeit wird es sein, wenn die Nationaltheater =die +Spieltage vermindern=. Die Alltäglichkeit des Schauspiels ernüchtert +Publicum und Künstler. Könnten zwei Tage, oder auch nur einer in der +Woche ausfallen, so würden die Vorstellungen wieder einen größeren, +einen festlichen Reiz für das Publicum gewinnen, und der um so +lebhaftere Besuch den Kassenverlust der ausfallenden Tage hinlänglich +ersetzen. Die Künstler aber gewönnen durch die Ruhetage größere +Elasticität und wärmere Begeisterung und, was nicht minder wichtig ist, +mehr Zeit und Sammlung, um die Vorstellungen mit der letzten Sorgfalt +vorzubereiten. Die Hast und Noth für jeden Tag eine Vorstellung zu +schaffen, ist eines der wesentlichsten Hindernisse für die heutige +Bühne: höhere Kunstforderungen zu befriedigen. + +Die Abende, an denen das Theater feiert, würden, für das Publicum um so +gelegener, durch Concerte oder Kunstgenüsse anderer Art ausgefüllt +werden. + +Ferner müßte das Nationaltheater dahin streben, die =Eintrittspreise=, +besonders für die wohlfeileren und mittleren Plätze zu =ermäßigen=. Der +Theaterbesuch ist noch viel zu kostspielig, als daß er seine volle +Wirkung auf alle Schichten des Volkes äußern könnte. Der durch +wohlfeilere Preise vermehrte Besuch würde die Kasse entschädigen, oder +Ersparnisse im Ausgabeetat müßten es thun, deren nähere Angaben hier zu +weit führen würden. + + * * * * * + +Es ist noch übrig, den Punkt, welcher bisher als der wichtigste +gegolten, zu erörtern, den der =Finanzen=, des richtigen Verhältnisses +zwischen Einnahme und Ausgabe. + +Nach dem Prinzip des Nationaltheaters sollen die =Einnahmen= nur durch +würdige Mittel, durch möglichst vollkommene, dem Volksgeschmacke +wahrhaft gedeihliche Vorstellungen erzielt werden; diese können durch +die künstlerische Direction als gesichert erachtet werden, denn bessere +Leistungen bringen auch bessere Einnahmen. Die Verwaltungsfrage wird +sich daher wesentlich um die richtige =Verwendung= der Geldmittel, +welche dem Theater zu Gebote stehen, drehen. + +Der Ausgabeetat werde nach der Summe, welche der Staatszuschuß und dem +Minimalsatz der jährlichen Einnahme ergeben, festgesetzt. Derselbe müsse +nur nach Maßgabe erworbener Ueberschüsse überschritten werden dürfen, +jährlich aber ein Theil des Staatszuschusses zu einem Reservefonds +zurückgelegt werden, damit die mannichfachen Wechselfälle, denen das +Theater durch die Zeitereignisse ausgesetzt ist, dasselbe niemals +mittellos finden. Von diesen Grundzügen der Theaterökonomie müsse +niemals gewichen werden, damit der Staat die Garantie hätte: nur in den +außer aller menschlichen Berechnung liegenden Fällen vor den Riß treten +zu müssen. + +Daß der Theaterhaushalt auf dieser Basis zu führen ist, steht bei einer +künstlerischen Direction außer Zweifel, die durch bestimmte +Staatsgrundsätze geschützt ist: nicht jedem kostspieligen Gelüsten eines +dominirenden Geschmackes, nicht jeder unmäßigen Geldprätension +hervorragender Talente fröhnen zu müssen. =Bei jedem, wenn nur irgend +gesicherten, hohen oder niedrigen Einnahmeetat ist ein Theater +herzustellen, in dem der Geist lebendig ist=, und wenn hierauf nur der +Accent gelegt wird, ergiebt sich alles Uebrige leicht. Man nehme keinen +Anstand, einer selbständigen, künstlerischen Direction die Aufgabe +zuzuschieben, sie kann, sie wird sie lösen. Sie wird bei einer sicherer +berechneten und geleiteten Verwendung der Talente schon im Gehaltetat, +gewiß aber in den Ausgaben für allen Apparat, der so ungeheure Summen +verzehrt, große Ersparnisse herbeiführen können. Inmitten der Production +stehend, kann sie das Auge überall haben, sie versteht mit Wenigem Viel +auszurichten, Dinge doppelt und dreifach zu benutzen, welche bei mancher +Hofbühne -- die in der Fülle ihres aufgehäuften Apparates fast erstickt +-- bereits doppelt und dreifach existiren und doch immer wieder aufs +Neue beschafft werden. + +Der Ausgabeetat werde nach monatlichen Durchschnittssummen, je nach den +verschiedenen Zweigen geordnet, wie dies schon jetzt gebräuchlich ist. +Das Ministerium hat diese Eintheilung zu bestätigen, aber auch speciell +darüber zu wachen, daß sie nicht ohne Noth überschritten werde. Künstler +sind selten geschickte Haushalter, daher muß der Regierung zustehen: die +Direction, in Bezug auf die Geldverwendung genau zu controlliren und +jeden Augenblick darüber Rechenschaft fordern zu dürfen. + +Erleichtert wird dies, wenn der ganze Theaterhaushalt, wie dies bereits +bei einigen Hofbühnen der Fall ist, in die Hand eines einzigen Beamten +gelegt ist, der jede materielle Beschaffung vermittelt, das gesammte +Theaterinventarium unter seiner Aufsicht hat und die Controlle der +Einnahme und Ausgabe führt. Damit ist auch die Verantwortlichkeit für +die materielle Verwaltung in der Person dieses =ökonomischen Inspectors= +concentrirt und durch ihn kann die Oberbehörde in jedem Augenblick +vollständigen Aufschluß über den complicirten Theaterhaushalt erlangen. + +Dieser Posten, so wie der des Cassirers und anderer bloß verwaltenden +Beamten, wird durch die Regierung, in Uebereinkunft mit der +künstlerischen Direction, besetzt. + +Mit der Bemerkung: daß Anordnungen über Baulichkeiten in den Theatern, +über Hausordnung, die Aufnahme des Publicums u. s. w. von der +künstlerischen Direction, aber nur unter specieller Bestätigung der +Oberbehörde vorzunehmen sind, daß also die Direction, wie frei sie auch +auf rein künstlerischem Gebiete zu schalten habe, aus dem der +Administration doch entschieden abhängig sein müsse -- wird die +Auseinandersetzung des Verhältnisses zwischen Ministerium und +Theaterdirection abgeschlossen sein. + + * * * * * + +Diese hier vorgeschlagene Reorganisation der großen und tonangebenden +Bühnen in Deutschland müßte sich am vortheilhaftesten in Wien und Berlin +erweisen, wo mehrere Theater vorhanden, welche eine Trennung der +verschiedenen dramatischen Gattungen und dadurch eine um so vollkommnere +Ausbildung jeder einzelnen begünstigen. Denn die Schwierigkeit: das +ganze recitirende Schauspiel, vom Trauerspiel bis zur Posse, daneben +heroische und komische Oper und Ballett, kurz die ganze dramatische +Möglichkeit auf ein und derselben Bühne, mit ein und demselben Personal +zur Vollkommenheit zu bringen, wird immer ungeheuer bleiben; selbst wenn +die vorgeschlagene organische Gliederung einer Direction von +Kunstverständigen die Lösung dieses Problems erleichtert.[10] In =Wien= +aber z. B., wo Schauspiel, Oper und Posse bereits abgesonderte Theater +und abgesonderte Directionen besitzen, wo noch zwei andere Bühnen +vorhanden sind, mit deren Hinzuziehung sich eine noch weitere +Eintheilung nach dem Muster der Pariser Theater vornehmen ließe, wonach +dem =Burgtheater= sein bisheriges Gebiet des =recitirenden Schauspiels= +verbliebe, dem =Kärnthnerthortheater= die =große Oper= (nach dem Muster +der _Academie royale_), dem =Josephstädter Theater= die =komische Oper= +und das =Singspiel=, dem =Wiedner-Theater= das =Spektakelstück und +Melodram=, dem =Leopoldstädter Theater= die =Volksposse= zufiele -- dort +würde jede Gattung, bei der vorgeschlagenen Organisation, sich ihrer +Vollendung zuführen lassen. + + [10] Ausführlicheres hierüber Gesch. d. deutsch. Schauspielkunst. + Bd. III. S. 413 u. f. + +Freilich müßten aber alle fünf Theater Staatsanstalten werden und ihre +abgesonderten Directionen dem gemeinsamen höheren Prinzipe und der +Beaufsichtigung der Regierung unterworfen werden. + + * * * * * + +Die preußische Regierung hat den wichtigsten Grundsatz der aus diesen +Blättern vorgeschlagenen Theaterreform, den einer ministeriellen +Oberleitung, bereits vor vierzig Jahren auf einige Zeit anerkannt,[11] +=Berlin= hat unter =Iffland= schon eine musterhafte künstlerische +Direction gehabt, dort würde man also nur auf schon anerkannte Zustände +zurück zu fußen brauchen. + + [11] Gesch. d. deutsch. Schauspielk. Bd. III. S. 422 u. f. + +=Die erste und unabweisbare Maßregel einer Reorganisation der Berliner +Theater würde die Trennung der dramatischen Gattungen sein müssen.= + +Berlin besitzt drei Theater, angemessen in Lage und Beschaffenheit, um +eine natürliche Scheidung mit dem schönsten Erfolge vornehmen zu können. + +Im =Schauspielhause=, das zu der, leider immer geringer werdenden Zahl +derjenigen gehört, deren glückliche mittlere Größe noch eine naturgemäße +Menschendarstellung zuläßt, wo der Schauspieler noch nicht genöthigt ist +zum Ueberbieten aller Mittel zu greifen um nur einen Eindruck +hervorzubringen, im Schauspielhause bliebe das sogenannte =recitirende +Schauspiel=, der eigentliche Kern der dramatischen Kunst: Tragödie, +Drama und Comödie, in reiner Gattung abgeschlossen, wie dies im Wiener +Burgtheater musterhaft und erfolgreich der Fall ist; nur ohne jene +peinliche Beschränkung, welche selbst Lieder und Chöre aus dem +Schauspiele verbannt. Im glanzvollen =Opernhause= die =große Oper= und +die =komische=, so weit sich diese vom Burlesken frei hält und die +musikalische Entwicklung als ihre wesentliche Aufgabe darlegt. Diesen +schlösse das =Ballett= sich an. + +Das behagliche =Königsstädter Theater= dagegen werde seiner +ursprünglichen Bestimmung eines =Volkstheaters= zurückgegeben. Hier +werde der Maßstab des höheren Schönheitsprinzipes und der Classicität +nicht angelegt, in Ernst und Scherz mögen die grellen Effecte walten, +wie der Volksgeschmack sie heischt. Dies Theater umfasse in seiner +Thätigkeit das =Schauerdrama=, das =Spektakelstück= und =Melodram=, die +=niedrig-komische Oper= und =Posse=, das =komische Liederspiel=, die +=Genrebilder=, =komische Pantomime= und =Grotesktanz= u. s. w. Hier kann +das =Berliner Localstück= -- wenn ihm, was bisher nie geschehen, das +Gebiet unbeeinträchtigt überlassen wird -- seine mögliche Ausbildung +finden. + +Es wird dies ein Theater sein, am beliebtesten bei dem großen Publicum +und vielleicht mit einem geringeren Zuschuß, als ihr jetzt durch die +Krone zu Theil wird, im schönsten Flor zu erhalten.[12] + + [12] Auf welche Weise das Königstädter Theater gänzlich in Besitz + der Krone und so der Regierung zu bringen wäre, muß Gegenstand + abgesonderter Erörterung bleiben. + +Die Subvention des Königl. Theaters würde zwischen Oper und Schauspiel +zu vertheilen sein. Nach der Erfahrung, welche die Trennung der Wiener +Theater an die Hand giebt, würde Oper und Ballet 2/3, das Schauspiel 1/3 +davon brauchen. + +Alle drei Theater erhielten abgesonderte Directionen, nach der +vorbeschriebenen Organisation, und fänden ihre gemeinsame Oberdirection +im Ministerium. Dieselbe hätte nicht nur Einsicht zu nehmen von den +Arbeitsplänen der einzelnen Directionen -- wie früher angegeben -- sie +hätte diese auch sämmtlich, vielleicht monatlich, zu gemeinschaftlichen +Sitzungen zu versammeln, damit die verschiedenartige Thätigkeit doch +nach einem übereinstimmenden Plane und Geiste geordnet werde, die neuen +Werke sich nicht gegenseitig im Eindruck beim Publicum hindern, die +Gattungen richtig gesondert blieben u. s. w. Zugleich würden, durch +diese gemeinschaftliche ministerielle Oberdirection, ausnahmsweise +Aufführungen von Werken, welche den Zusammentritt der ersten Talente +aller Gattungen erfordern, möglich bleiben; wie die Vorstellungen der +Antigone, des Sommernachtstraumes u. s. w. Der Uebelstand einer +absoluten Trennung des musikalischen vom recitirenden Drama, der in Wien +so oft empfunden wird, wäre dadurch vermieden und die großartigste +Entfaltung der Dramatik, dem ganzen Umfang ihrer Mittel nach, bliebe +freigegeben. + +Natürlich dürften solche combinirte Vorstellungen nur ausnahmsweise und +durch die hohe Bedeutung ihres Gehaltes gebotene sein, damit eine +abgesonderte Entwicklung der Gattungen und der einzelnen Theater nicht +zu oft gehindert würde. + +Welch eine Vollendung die dramatische Kunst in Berlin durch solche +Organisation gewinnen könnte, getragen durch die Empfänglichkeit und +Befeuerung eines, die Sommitäten der Intelligenz und des Geschmackes +repräsentirenden Publicums, ist leicht zu übersehen. + +Die Vereinigung der höheren Interessen der drei Directionen in der +gemeinsamen Leitung der Regierung würde auch eine gegenseitige Förderung +garantiren. Der falsche Antrieb feindseliger Concurrenz -- welcher +vierundzwanzig Jahre lang dem Königl. Theater nachtheilig und dem +Königstädter an seiner Ausbildung entschieden hinderlich gewesen und gar +keinen Vortheil gebracht hat -- würde dem edlen Wetteifer Platz machen: +in gleichem Interesse des Nationalruhms sich den Kranz streitig zu +machen.[13] + + [13] Es braucht kaum noch erwähnt zu werden, daß auch hier alle + drei Theater wetteifern würden, sich den Antheil des Hofes + ungeschwächt zu erhalten und die Erfüllung eines Wunsches + desselben als einen besondern Vorzug zu betrachten. Auch bei + besondern Vorstellungen in den königl. Schlössern fände + verwaltungsmäßig keine wesentliche Veränderung statt, da diese + bisher schon besonders in Rechnung kamen. + +Freilich müßten -- wenigstens bis diese drei Theater sich ganz +consolidirt hätten -- alle übrigen Bühnen in Berlin geschlossen, auch +die italiänische Oper und das französische Schauspiel verbannt werden. +Man muß Theater und Publicum erst im Geist und Sinne für ein wahrhaft +nationales Theater erstarken lassen, bis man beide verlockender und +zerstreuender Rivalität preisgeben darf. + + * * * * * + +Soll nun aber das künstlerische Gedeihen der naturgemäß organisirten +großen Nationalbühnen gesichert sein, so dürfen ihnen die vorbereitenden +=Theaterschulen= nicht länger fehlen. Sie sind endlich zu einer +gebieterischen Nothwendigkeit geworden, wenn die Schauspielkunst nicht +überhaupt binnen Kurzem als ein gauklerhaftes Virtuosenthum alle Achtung +des deutschen Volkes verscherzen soll. + +Was ich über die Nothwendigkeit der Schulen, wie über ihre praktische +Einrichtung zu sagen weiß, habe ich bereits 1840 in einer kleinen +Schrift: =Ueber Theaterschule= gegen das Publicum ausgesprochen,[14] ich +kann also hier die Wiederholung sparen. In den acht Jahren, welche +seitdem verflossen, haben alle Uebel der künstlerischen Zuchtlosigkeit +dergestalt zugenommen, daß selbst die Gegner der Schulen -- die jede +methodische Vorbildung verwarfen und die Behauptung verfochten: die +Schauspieler müßten wild, wie die Pilze aufwachsen -- von ihrer Ansicht +bekehrt worden sind. Sie geben jetzt zu, daß dieser Mangel an Unterricht +in den künstlerischen Elementen, die jungen Talente unserer Tage +massenhaft zu Grunde gehen läßt und alle Natur, alle Vernunft und allen +Geschmack von der Bühne zu verbannen droht. + + [14] Sie ist im IV. Bande meiner dramatischen und dramaturgischen + Schriften wieder abgedruckt. + +Der Zeitpunkt die Theaterschulen einzurichten, ist folgerichtig der +einer Reorganisation der Directionen. Bei unkünstlerischer Leitung der +Bühnen konnten die Schulen allerdings nur halbe Frucht bringen, viele +ihrer Vortheile würden wieder verloren gegangen sein; der künstlerischen +Direction dagegen werden sie eine organische Vervollständigung ihres +Lebens und Wirkens sein. + +Der Schuleinrichtung, welche ich in der angezogenen Schrift angegeben, +habe ich nur noch die dringende Empfehlung des engsten Anschlusses an +die übrigen Kunstschulen hinzuzufügen. Jeder Staat bilde =eine +allgemeine umfassende Kunstakademie=, entsprechend der Universität, die +das Gesammtstudium aller Wissenschaften umfaßt. + +Wenn der Staat alle Künste auf eine höhere Bildung des Volkes lenken +will, so muß er ihre Uebereinstimmung dazu schon in den Kunstschulen +vorbereiten. Die Künste und die Künstler müssen mit einander verständigt +werden. Indem man die Theaterschule mit den bereits bestehenden +Anstalten für Musik und für bildende Künste vereinigt, wird man eine +größere allgemeine künstlerische Bildung des heranwachsenden +Geschlechtes erreichen, die jetzt nur zu oft vermißt wird, weil Jeder in +seinen Fachstudien eingeengt bleibt. + +Auch die Kosten der Schulen würden geringer werden, indem viele +Gegenstände gemeinschaftliche Studien zulassen. Wie sehr Musik- und +Theaterschule in einander greifen, hat man längst erkannt -- das Pariser +Conservatorium vereinigt darum beide -- aber wie sehr dies auch mit den +bildenden Künsten der Fall ist, hat man sich bisher verhehlt. Nicht +allein daß Hülfswissenschaften, wie Geschichte und Mythologie, allen +Kunstjüngern übereinstimmend zu lehren sind,[15] daß dem Theatereleven +Bildung des Auges für Schönheit und Charakteristik der Form im +Zeichnenunterricht, daß den Zöglingen der bildenden Künste dagegen zu +Förderung einer harmonischen Bildung Theilnahme an manchem Unterricht +der Theaterschule, dem Gesange, der Redekunst,[16] der höhern Gymnastik +u. s. w. wünschenswerth sein wird, sondern es würden auch die +beiderseitigen Fachstudien sich fördernd berühren können. Die Uebungen +der Geberdensprache von den Theatereleven z. B. könnten den Schülern der +bildenden Kunst einen Reichthum lebendiger Motive zu raschen Skizzen +liefern, an denen das Urtheil über die beiderseitige Leistung sich +schärfen würde. So könnte die gegenseitige Anregung fortwachsend sich +bis auf die wirkliche theatralische Thätigkeit ausdehnen und in der +Dramatik eine wahrhafte Verschwisterung aller Künste erzeugen. + + [15] Ueber das Wie? habe ich mich in der angezogenen Schrift + erklärt. + + [16] Der Unterricht hierin wird, bei unserer parlamentarischen + Entwicklung, bald zu einer Bedingung guter Erziehung werden. + +Noch eine Wohlthat würde aus solch einer Universität der Künste +erwachsen, indem sie die Mißgriffe der jungen Talente über ihren Beruf +zu berichtigen vermöchte, wie dies auf den Universitäten der +Wissenschaften der Fall ist, wo mancher Jüngling zu seinem Heile -- wie +man es nennt -- umsattelt. Abgesehen von denen, deren Talentlosigkeit in +der Schule zur Erkenntniß kommt und die somit bei Zeiten von einer +falschen Lebenstendenz geheilt werden können, giebt es Viele, die sich +in unbestimmtem Triebe zur Kunst auf einen falschen Zweig derselben +werfen. Wie man auf den jetzigen Kunstakademien wohl junge Bildhauer zu +Malern umschlagen sieht und umgekehrt, so würde eine allgemeine +Kunstschule manchen Theatereleven belehren, daß er zum Maler oder +Bildhauer, manchen jungen Maler, daß er zum Schauspieler geboren sei. In +den Abtheilungen für Musik und Theater würden diese gegenseitigen +Berichtigungen ebensowenig ausbleiben und jeder wahrhaft zur Kunst +berufene junge Mensch würde, in noch bildungsfähiger Zeit, an den Platz +gestellt werden wohin er gehört, wo er der Kunst wahrhaft nützen und +über seine Zukunft außer Sorge sein könnte. + +Denn Wien und Berlin würden, auf ihren vielen Theatern, fast den ganzen +Nachwuchs aus ihren Schulen anzustellen im Stande sein, hier also würden +die darauf verwendeten Kosten augenscheinlichen Vortheil bringen. Diese +Kosten aber würden, wenn die Landesvertreter nicht geneigt wären +besondere Bewilligungen dazu zu machen, zur Noth von dem bedeutenden +Zuschusse, den die Bühnen bereits genießen, abzuzweigen sein! + +Die drei Theater in =Berlin= z. B. kosten dem Hofe jährlich an 200,000 +Thlr. Was wäre es für drei künstlerische Directionen -- die unfehlbar +große Ersparungen und größere Einnahmen als bisher herbeiführen werden +-- von dieser Summe gemeinschaftlich 6-8000 Thlr. an die allgemeine +Kunstakademie abzutreten? Und diese würden zureichen -- wenn man alle +vereinzelte Musikinstitute des Staates und was sonst an +Deklamationslehrern, Ballettschulen u. s. w. verausgabt wird, +zusammenzöge und zu =einer= großen Schule vereinfachte -- dem +ausgedehntesten Plane zu genügen. Im Akademiegebäude, seinem ganzen +Umfange nach, würden -- wenn man Ställe und Caserne daraus entfernte -- +alle Künste unter =einem= Dache eine Pflanzstätte finden, wie sie Europa +noch nicht kennt und wie sie doch, ohne unverhältnißmäßige Opfer, durch +guten und energischen Willen sehr wohl herzustellen wäre. + +Selbst der Anstalten von so großem Umfange bedürfte es nicht, um auch +mit kleineren Mitteln in kleinerem Kreise höchst Wohlthätiges zu +leisten. =Das musikalische Conservatorium Sachsens= z. B., auch das von +=Prag=, wären durch veränderte Organisation und Hinzufügung einiger +Disciplinen, leicht zu Musik- und Theaterschulen umzugestalten und im +Anschluß an die vorhandenen Akademien zu wahrhaft praktischer +Nutzbarkeit des Staates auszubringen. + +Und wo auch solche Anlehnungspunkte nicht vorhanden sind, sollte doch, +wenigstens an jeder stehenden Bühne, ein erfahrener Künstler dazu +angestellt sein: den Anfängern die nothdürftigsten Anweisungen zu +geben, damit die jungen Talente ihre besten Jahre nicht ganz in +irrthümlichen und verkehrten Versuchen -- die das Theater selbst immer +mitbüßen muß -- verlören. Der praktische Nutzen davon ist so +einleuchtend, und doch ist im ganzen großen Deutschland nirgend eine +solche Einrichtung getroffen. =Unter den tausend Professoren der +verschiedenen Künste giebt es noch keinen einzigen der Schauspielkunst.= + +Künstlerische Directionen und Theaterschulen werden auch diese +Verhältnisse verändern oder sie durch die richtigen Maßregeln +ausgleichen. + + * * * * * + +Ist mit der hier besprochenen, durchgreifenden Erneuerung des ganzen +Kunstlebens für eine mögliche Vollkommenheit dessen, was die großen, +tonangebenden Theater leisten, gesorgt, so wird der wohlthätige Einfluß +davon auf die Bühnen zweiten Ranges, auf die =Stadttheater=, nicht +ausbleiben. Damit aber darf die Landesregierung sich nicht beruhigen, +ihre Oberleitung muß sich grundsätzlich bis auf die letzte Wanderbühne +geltend machen. + +Die Directionen der Stadttheater sind -- man darf sich darüber nicht +täuschen -- nichts anderes, als industrielle Unternehmungen. Die +Magistrate oder die Regierungspolizei, denen bis jetzt die dramatische +Kunst in den Provinzen unterworfen ist, setzen daher auch ihre höchste +Forderung an den Director, bei Uebergabe des Theaters, in seine +Zahlungsfähigkeit. + +In welchem =Geiste= er es führen werde, davon ist niemals die Frage. +Gute Einnahmen gelten für den Beweis, daß er das Publikum zu unterhalten +verstehe, und wenn dies auch in der geschmackverderblichsten Weise +geschieht, so hat die Behörde ihn deshalb nicht anzufechten. + +Dieser Zustand verändert sich schon durchaus, sobald die Oberaufsicht +von der Landespolizei auf das Cultusministerium übergeht, dem der +=Geist= der Institute als das Wesentliche, ihr =materieller Bestand= nur +als dessen Grundlage gilt. Das Ministerium würde vor Allem darüber +wachen müssen, =daß die Directoren der Stadttheater künstlerisch +befähigte und gesinnungstüchtige Männer seien und daß sie die +Verpflichtung übernähmen: ein der Musterbühne des Landes analoges +Verfahren einzuhalten=. Dies müßte der Hauptpunkt der Pachtverträge oder +Concessionsertheilungen sein. Nach Ort und Verhältnissen würde sich das +Maß für die Erfüllung dieser Bedingung bestimmen lassen, wobei die +Directionen der Residenztheater die sachverständige Regulirung +übernehmen könnten. Das Wichtigste dabei müßte die Aufstellung eines +=Stammrepertoirs= sein, das jeder Director -- nach Maßgabe seiner Kräfte +und seines Publikums -- in jährlicher Wiederkehr festzuhalten hätte. +Denn womit ein Theater sich beschäftigt, das bestimmt seine +Beschaffenheit. Ist ein Director gezwungen, alljährlich gewisse +treffliche Stücke aufzuführen, so wird er, um seines eignen Vortheils +willen, sie möglichst gut zu geben suchen und an dem Umgang mit dem +Trefflichen wird das Institut sich erheben. + +Die Regierung müßte ferner dahin wirken, das =Repräsentativsystem der +Direction= auch bei diesen Theatern einzuführen. Hier, wo die Einnahmen +zur Lebensfrage für alle Mitglieder werden, wird die Organisation bald +zu einem vollständigen =Societätsverhältnisse= führen, das, wenn es +gehörig geregelt und beaufsichtigt wird, die trefflichste Schule für den +schauspielerischen Gemeingeist abgeben und der Ausbeutung der Kunst und +der Künstler durch das Unternehmerwesen ein Ziel setzen muß. + +Freilich hätte die Regierung auch dahin zu wirken, daß die Städte den +verkehrten Grundsatz aufgäben: vom Theater Nutzen ziehen zu wollen, daß +die Stadttheater von einer Menge von Lasten und Abgaben und dadurch von +steten Sorgen befreit würden, welche die Befolgung reinerer Grundsätze +unmöglich machen. + +Zunächst müßte dies mit dem Miethzins der Fall sein, der für die +Benutzung der Schauspielhäuser gezahlt wird. Jede bedeutende Stadt muß +unter ihren öffentlichen Gebäuden auch ein Theater besitzen, und +=ebensowenig als für Benutzung der Kirchen, Schulhäuser, Bibliotheken, +Museen u. s. w. ein Miethzins eingezogen wird, sollte er für das Theater +gefordert werden=. + +Es sollte ein Ehrenpunkt für unsere Städte sein -- wie dies in +Frankreich der Fall ist -- ihre Schauspielhäuser der Kunst ohne +Eigennutz zu eröffnen, dann würden sie auch höhere Ansprüche an das, was +drinnen geleistet werden soll, machen können. + +Auf die Directionen solcher Theater, welche aus Staatsmitteln +Unterstützungen erhalten -- wie dies in mehreren Provinzialhauptstädten +Preußens der Fall ist -- würde die Regierung einen dictatorischen +Einfluß üben können, auf die andern würde dieser zunächst ein +vermittelnder, aber darum nicht weniger wichtiger sein. + +Entschiedener und gewaltsamer müßte dagegen der Eingriff in das Wesen +der =Wanderbühnen=, der großen und kleinen ausfallen; hier ist einem +Unfuge zu steuern, der nicht allein auf dem Gebiete der Volksbildung, +sondern auch der bürgerlichen Sitte und Ordnung wahre Verwüstungen +anrichtet. + +Aeußerst wenige der sogenannten =reisenden Gesellschaften= bewähren +durch dauernden Bestand ihre Achtbarkeit. Die bei Weitem größere Zahl +der Comödiantenbanden, welche schaarenweis Deutschland durchschwärmen, +in mittleren und kleinen Städten, Flecken und Dörfern sich einander auf +die Fersen treten und die Schaulust der Einwohner -- auf eine, zu deren +übriger Lage, unverhältnißmäßige und meistentheils unwürdige Weise -- +ausbeuten, schleppen sich von einem Bankerott zum andern. Sie entstehen +aus zusammengerafften Leuten, halten sich einige Monate, oft nur einige +Wochen, bezeichnen ihre Wanderspur mit der liederlichsten Wirthschaft, +hinterlassenen Schulden, verführter Jugend u. s. w. und zerstreuen sich +dann über das Land hin, eine Schaar vagabundirender Bettler. Meistens +sind es bethörte Menschen, die im äußersten Elende die unergiebigen +Sommermonate durchkämpfen, um mit dem Herbste den Kreislauf ihrer +verzweifelten Existenz von Neuem zu beginnen. Zu keiner regelmäßigen +Thätigkeit mehr brauchbar, gerathen diese Abenteurer des lustigen Elends +endlich bis zur untersten Stufe der physischen und moralischen +Versunkenheit. + +Und diese Zustände werden von den Landesbehörden recht eigentlich +herbeigeführt und gehegt. Das Uebermaß der Concessionen, die +leichtsinnige Unbedenklichkeit, mit welcher sie ertheilt werden, +erschaffen dem Staate eine ganze Klasse von bedauernswerthen und +unheilbringenden Landstreichern. + +Man hat zur Entschuldigung dieses laxen Regierungsverfahrens angeführt: +auch der Kleinbürger und Bauer bedürfe der Erregung seiner Phantasie, +die ihn der drückenden Alltäglichkeit enthöbe und dadurch erfrische, das +Schauspiel sei dazu das geeigneteste und unschuldigste Mittel, wer ihm +also dies verschaffe, dürfe in seiner Gewerbthätigkeit nicht gehindert +werden. + +Abgesehen davon aber, daß ein Erwerb, der notorisch trügerisch ist, an +welchen entschieden polizeiwidrige Folgen geknüpft sind, nicht +unbedingten Schutz verdient, ist die Gleichgültigkeit gegen den +geistigen Einfluß dieser bettelhaften Schauspiele auf Bürger und Bauer +gewiß nicht zu rechtfertigen. Es =darf= dem Staate nicht gleichgültig +sein, wenn dem Volke das menschliche Leben in Zerrbildern und in +unsinniger Verkehrtheit dargestellt wird. =Gerade den unteren Schichten +des Volkes, auf welche der sinnliche Eindruck ungemäßigt durch +Ueberlegung und Urtheil wirkt, muß im Schauspiele ein möglichst reiner +und lehrreicher Spiegel des Lebens geboten werden.= + +Ist es doch in unsern Tagen zur Anerkennung gekommen: das Volk habe ein +Recht, vom Staate Bildung zu verlangen. Soll sie ihm nun lediglich auf +dem Wege des Buchstabens und des Erlernens angeboten, soll sie ihm nicht +auch durch lebendige Kunsteindrücke in's Gemüth geprägt werden? Und wenn +dies nicht überall in =rechter= Weise geschehen kann, hat der Staat +nicht die Verpflichtung: das Volk wenigstens vor =falschen= Eindrücken +zu bewahren? + +Zudem wäre es eine sträfliche Inconsequenz, wenn die Regierung länger +zugeben wollte, daß in den Provinzen und auf dem Lande gerade das +Gegentheil von dem geschieht, was sie mit so bedeutenden Geldopfern in +den Hauptstädten zu bewirken sucht. + +Darum muß also die Generaldirection des Cultusministeriums ihre Hand +über das ganze Land hinstrecken, der Polizei die Beurtheilung und +Entscheidung der Bühnenangelegenheiten abnehmen, sie höchstens zur +Vollstreckerin ihrer Beschlüsse machen. + +=Alle Comödiantentruppen, welche die Würde der Menschendarstellung +geradehin verletzen, müssen ohne Weiteres abgeschafft werden.= Alle +Concessionen sind nach ihrem Ablauf einzuziehen, nur dem +Cultusministeriums stehe es zu: sie nach einem neuen Modus zu erneuern. + +Nun grenze man bestimmte =Wanderbezirke= ab, welche vielleicht eine +Provinzialhauptstadt und einige nahe gelegene, oder eine genügende +Anzahl von mittleren und kleinen Städten umfassen, und übergebe ein +jedes dieser Gebiete einem erprobten Director, daß er nach Uebereinkunft +mit den betreffenden Städten sie nach einer jährlichen Reihefolge mit +seiner Truppe besuche. + +Man richte diese Bezirke nicht zu eng, nicht nach einer knappen, sondern +nach einer reichlichen Veranschlagung des Theaterpublikums ein, damit +diese Gesellschaften anständig bestehen, damit das kostspielige Reisen +und an verschiedenen Orten Wohnen in unanstößiger Weise geschehen könne. +Man schütze diese Truppen gegen jede Concurrenz -- welche jederzeit die +Theater nur gegenseitig verschlechtert, niemals verbessert hat -- man +organisire sie nach dem Muster der Residenztheater, mit angemessenem +=Stammrepertoir=[17] und grundsätzlichen Verpflichtungen, mit +=Repräsentativverfassung=, die ganz natürlich auch hier zu +=Societätsverhältnissen=, mit selbstgewählten Führern, ausschlagen wird, +dann werden diese ambulanten Theater so in Flor kommen, daß manche +Stadt, die jetzt einen Ehrgeiz darein setzt, ein stabiles Theater +kümmerlich zu erhalten, es vorziehen wird, in solch einen Wanderbezirk +zu treten und lieber vier oder sechs Monate =gutes= Theater, als das +ganze Jahr über =schlechtes= zu haben. Denn diese reisenden +Gesellschaften werden den großen Vortheil genießen, nur einen kleinen +Kreis von Vorstellungen zu brauchen, um das Publikum jeder Stadt eine +Zeit lang in regem Antheil zu erhalten. Diese Vorstellungen können daher +sehr sorgfältig studirt sein und in jeder Stadt neu gespielt, vor immer +neuen Zuschauern, immer vollkommener werden. Die Truppen werden auch, +wenn bei ihrer Abwesenheit kein anderes Schauspiel stattfinden darf, das +Publikum immer wieder voll frischer Theaterlust und begierigem Antheil +finden. + + [17] Wie man den besseren dieser Truppen gewisse Vorstellungen zu + =ge=bieten hätte, so müßte man den untergeordneten andere + =ver=bieten, damit sie nicht, was über ihre Kräfte geht, + herabwürdigen. + +Man schelte diese durchgreifende und beschränkende Einrichtung -- welche +allerdings so viele Interessen berührt, daß sie, sowie die gesammte +Theaterorganisation, durch ein eignes Gesetz von den Landesvertretern +adoptirt werden müßte -- nicht eine Beeinträchtigung der Freiheit des +Theaterpublikums und der Erwerbthätigkeit. =Man darf das Theater nicht +länger als eine bloße Vergnügungs- und Industrieanstalt betrachten.= +Soll es aber eine höhere Culturbedeutung gewinnen, so müssen die Grenzen +seiner Wirksamkeit, ebenso wie die der Kirche und Schule, vom Staate +festgestellt werden. + +Die Zahl der reisenden Gesellschaften wird über die Hälfte vermindert +werden, das ist ein Glück für die bürgerliche Gesellschaft und für die +Kunst, denn um so eher wird der Schauspielerstand nur aus wirklich +Berufenen bestehen. Den Bewohnern der Dörfer und kleinen Städte wird es +besser sein, wenn sie nicht mehr von Wandertruppen heimgesucht werden, +dagegen ein wohlgeordnetes Theater in den Städten finden, sobald sie +diese zu Jahrmärkten oder festlichen Zeiten besuchen. Die Mittelstädte +werden nur eine bestimmte Theatersaison haben, aber sie wird ihnen auch +etwas bieten, das des Antheils werth ist. + +Man braucht nicht zu besorgen, daß die Bezirksgesellschaften, auf die +Ausschließlichkeit des Privilegiums pochend, sich vernachlässigen und +das Theaterbedürfniß ihres Publikums mit Bequemlichkeit ausbeuten +werden; dagegen bürgt die allgemeine Betheiligung der Mitglieder an Ehre +und Vortheil der Gesellschaft und die Abhängigkeit von der +Landesregierung, die, auf eine begründete Beschwerde des Bezirks, der +Gesellschaft das Privilegium nehmen, oder sie in einen andern Bezirk +versetzen kann. + +Diese letzte Maßregel eines Wechsels der Gesellschaften könnte übrigens +auch unter anderen Umständen anwendbar sein. + + * * * * * + +Der Vortheil, der hierin aus der Centralisation der Oberleitung +sämmtlicher Landesbühnen entspringt, wird sich noch in einer Menge von +anderen Dingen darthun. In großen Staaten wird die Ausübung des +Ministerialeinflusses allerdings einer weitläuftigeren Gliederung +bedürfen, in den kleineren dagegen in ungemein abgerundetem +Zusammenhange wirken. + +So werden z. B. die allgemeinen und einzelnen Einrichtungen, +Bearbeitungen von Stücken, Uebersetzungen, zur dramatischen Handlung +gehörige Musiken, verbesserte Operntexte, Scenirungen u. s. w., wenn sie +sich in der Residenz als zweckmäßig erwiesen haben, sich ohne erhebliche +Kosten den übrigen Landesbühnen mittheilen lassen; mithin werden die +besten Talente, welche die Mustertheater versammeln, für die Hebung des +gesammten Theaterwesens im ganzen Lande arbeiten. Junge Leute, die sich +bei den untergeordneten Theatern auszeichnen, werden in der +Unparteilichkeit der, allen Theatern gemeinsamen Oberbehörde den Weg zu +den besseren Bühnen unversperrter finden, während, bei dem verbesserten +Zustande der Provinztheater, man künftig ohne Sorge vor Verbildung, +junge Leute, Eleven der Theaterschule, auf Lehr- und Uebungsjahre +dorthin geben kann. + +So manches Mitglied der ersten Theater, das unter den jetzigen +Verhältnissen bei voller, kräftiger Gesundheit pensionirt wird, -- weil +es etwa die Stimme verloren hat, oder dem jugendlichen Fache entwachsen, +für ein älteres gerade kein Talent zeigt -- würde als Director eines +Provinzial-Theaterbezirkes dem Staate noch gute Dienste leisten können. +Oder der Halbinvalide eignete sich für eine Professur an der +Theaterschule; eine Wirksamkeit, welche einem abgetretenen Director auch +wohl anstehen würde. Oder wenn der für die Bühne Untauglichgewordene von +untergeordneten Fähigkeiten ist, könnte er sich auf irgend einem +Beamtenposten der Bühne noch nützlich machen. Immer vermöchte so die +Ministerialdirection, durch ihre umfangreiche Verfügung, dem Staate die +ungebührlich langen Pensionsleistungen und den alternden Künstlern die +Schmach eines bezahlten Müßigganges zu ersparen, in einem Alter, wo sie +noch arbeiten können.[18] + + [18] Uebereinstimmende und angemessene Anstalten zur Pensionirung + der Schauspieler zu treffen, würde erst möglich sein, wenn die + Reorganisation des ganzen Theaterwesens festen Fuß gefaßt hätte. + Auch diese, so überaus wichtige Angelegenheit müßte nach einem + umfassenden Plane geordnet werden, auf alle Bühnen des Landes, + nach den erweiterten Grundsätzen des preußischen + Staatspensionsfonds sich erstrecken, vielleicht, nach Eckhof's + altem Entwurfe, ganz Deutschland umfassen. Für's Erste wird man an + den bestehenden Einrichtungen festhalten müssen, mit denjenigen + Modificationen, welche an den Residenztheatern die Verwandlung der + Theatermitglieder aus Hofdienern in Staatsdiener nothwendig macht. + +Genügen werden die hier angegebenen Momente, um den Blick auf den +außerordentlichen Gewinn zu lenken, den das Theater in seinen =Mitteln=, +durch deren gesammelte Verwendung machen wird. Genügen wird die ganze +bisherige Darstellung, um den unermeßlichen Gewinn darzuthun, den der +=Geist= und die =Würde= der deutschen Bühne von der vorgeschlagenen +Reform ziehen und dem Volke mittheilen muß. + +Die Schwierigkeiten der Reorganisation sind nicht so groß, als die +Umständlichkeit dieser Besprechung vielleicht erscheinen läßt, denn die +Einrichtungen beruhen auf der Natur der Sache, gestalten und regeln sich +darum aus sich selbst. + +=In einer freien Entwicklung der künstlerischen Kräfte, bei gemeinsam +berechtigter Betheiligung, muß die auf sich selbst gestellte Kunst +werden, was sie werden kann; in ihrer Wirkung auf das Volk, vom Geiste +desselben -- der sich in der Staatsregierung auszusprechen hat -- +geleitet, wird sie dem Volke leisten, was sie ihm leisten kann.= + +Dies sind die Bedingungen eines wahrhaften Nationaltheaters. +Uebereinstimmend, wie in Kirche und Schule, müssen die Kräfte und Mittel +der Nation dazu wirken; =nur die organisch verbundenen Landesbühnen +erschaffen ein Nationaltheater=. + + * * * * * + +Zum Schluß noch einen Blick auf ein Moment dieses Reformvorschlages, das +in rein menschlicher Beziehung allein schon volle Beherzigung verdient: +es ist =die Wirkung auf den Schauspielerstand=. + +Allen Plänen, die Schaubühne auf eine höhere Stufe zu heben, pflegt man +den Einwurf entgegenzuhalten: sie müßten an der unabänderlichen +Beschaffenheit des Schauspielerstandes scheitern. + +Wäre es wahr, daß die allerdings starken und mannichfachen Versuchungen +dieses Standes unüberwindlich wären, so hätte der Staat die Pflicht, +denselben aufzuheben und nach Plato's und Rousseau's Rath das Theater +aus seinem Bereiche zu verbannen. + +Aber es ist nicht so. Die Kunstgeschichte zeigt uns unter den +Schauspielern wahre Muster an sittlicher Würde und Charaktergröße. Waren +diese möglich, so muß auch die Hebung des ganzen Standes möglich sein +und es hat bisher nur an den Bedingungen dazu gefehlt. + +Was hat der Staat, was hat die bürgerliche Gesellschaft zur Bildung und +Versittlichung des Standes gethan? Nichts! Ja schlimmer als das, man hat +Alles gethan ihn in verderblicher Stellung zu erhalten. + +Das erste Erforderniß zur Hebung eines Standes: =Bildung=, der Staat hat +ihm bis auf den heutigen Tag die =Gelegenheit= und damit auch die +=Nöthigung= dazu versagt. =Der Schauspieler ist der einzige +Staatsbürger, dem keine Fachbildung geboten, dem auch keine abgefordert +wird.= Darf man sich wundern, daß er sie nicht besitzt? + +Unsittlichkeiten unter den Theatermitgliedern -- obschon sie +verhältnißmäßig kaum häufiger vorkommen, als in andern Ständen, nur bei +der Oeffentlichkeit ihrer Stellung auffallender sind -- entfernen noch +immer die gute Gesellschaft von dem ganzen Stande, und Einzelne finden +nur =trotz= ihres Standes Zutritt. Aber um demselben eine sittlichere +Haltung aufzunöthigen, was hat denn der Staat, was die Gesellschaft +gethan? Würden wohl andere öffentliche Stände: Geistliche, Richter u. s. +w. ein im Allgemeinen sittliches Verhalten zeigen, wenn es ihnen nicht +streng abgefordert, wenn der einzelne Bescholtene nicht, als des Standes +unwürdig, ausgestoßen würde? Alle bürgerlichen Tugenden haben ihre +Grundlage im Zwange des Gesetzes und der Sitte. + +Dem Schauspieler aber macht die irregeleitete öffentliche Meinung +Unsittlichkeit beinahe zur Bedingung künstlerischer Anerkennung; man +läßt es ihn merken: einige Flecken Schande ständen ihm gut zu Gesicht. +Man nimmt dem Schauspieler nichts übel, aber man verachtet ihn. Das +Spiel der Leidenschaften im Privatleben des Künstlers sieht man als in +nothwendiger Beziehung zu dem auf der Bühne stehend an, läßt seine +entfesselten Neigungen als eine Würze der Kunstproduction gelten. Sogar +die ersten Grundbedingungen des rechtlichen Vertrauens legt man ihm nur +locker auf, er gilt als ein privilegirter Freibeuter im bürgerlichen +Leben. Ein contraktbrüchiger, durchgegangener Bühnenkünstler findet +selbst an Hoftheatern bereite Aufnahme. + +Darf man sich wundern, daß in dieser Stellung manche Theatermitglieder +es mit sittlichen Verpflichtungen nicht genau nehmen? + +Darf man die allerdings tief eingerissene Selbstsucht, -- aus der in der +Kunstübung das vereinzelte Virtuosenspiel und die verderbliche +Effectjägerei entspringen -- dem Künstler so unbedingt zum Vorwurf +machen, wenn er behaupten darf, daß die jetzigen Bühnenzustände ihm, von +allen Antrieben für seine Kunst, nur den Egoismus übrig gelassen? Daß er +sich als ein Miethling fühle, entweder gewinnsüchtiger Unternehmer oder +kunstfremder Behörden, die für seine Leistungen keinen andern Maßstab +als den Beifall der Massen und der Journale haben, der denn also um +jeden Preis errungen werden müsse, wenn man sich eine Stellung sichern +wolle. + +=Sobald das Theater zur Staatsanstalt erhoben ist, werden die +Forderungen an die Künstler strenger, die Achtung für sie aber darum +auch größer werden.= Verletzungen der öffentlichen Moral werden keine +Bemäntelung mehr finden, der Stand wird an sittlicher Haltung gewinnen. +Er wird für seinen Beruf gebildet und geprüft werden, wie das in andern +Künsten der Fall ist. Die Anerkennung seiner Bedeutung und seines +Nutzens im Staate wird ihm gesellschaftliche Achtung verschaffen, er +wird sich immer mehr aus den gebildeten Schichten der Gesellschaft +recrutiren. Seine gemeinwesenliche Verfassung wird die Elemente feinerer +Bildung mit der Kraft naturwüchsigen Talentes unausgesetzt durchdringen, +eine edle künstlerische Gesinnung sich geltend machen können. + +=Darum ist es menschlich und gerecht, wenn man dem Schauspieler endlich +eine Verfassung zugesteht, die seine Selbständigkeit anerkennt, ihm +Bildung und höhere Gesittung garantirt=; den Anspruch daran erhebe ich +im Interesse meines Standes mit diesen Reformvorschlägen. =Wir haben +ein Recht: endliche Gleichstellung mit den übrigen Ständen zu +verlangen, Gleichstellung in Unterricht und moralischer Verpflichtung.= +Wir sind die einzigen davon Ausgeschlossenen, wir sind die Parias unter +den Ständen. Willig sind wir zu leisten, was man von uns fordern kann, +aber wir können es nicht, wenn man es nicht fordern, wenn man die +Leistung nicht ermöglichen will. Erst wenn Alles geschehen ist, wie +bisher Nichts geschehen ist, unsern Stand zu heben und er sich unfähig +dazu erwiesen, erst wenn man ihm höhere Zwecke gegeben und er ihnen +nicht entsprochen -- dann mag man ihn verwerfen, aber erst dann. Jetzt +hat die Gesellschaft kein Recht dazu, sie hat verschuldet, was sie uns +vorwirft. + +Ueber diese höhere Lebensfrage unseres Standes wird zugleich mit der +über die deutsche Bühne entschieden werden. + +Der bisherige Zustand hat keine Dauer mehr. Das deutsche Volk, an seiner +Spitze seine Fürsten, muß sich erklären, was es von seiner Schaubühne +will? + +Soll sie ihm nur zum Vergnügungsort, zur Zuflucht des Zeitvertreibes, +zur Reunion der feinen Welt, zur Gelegenheit: Toilette zu machen und +sich Rendezvous zu geben, daneben zur Befriedigung der Schaulust oder +des Bedürfnisses der Erschütterung durch Lachen oder Weinen dienen -- +wozu dann die enormen Summen, welche aus Landesmitteln zu Gunsten so +frivoler Anstalten fließen? Dann mögen diejenigen das Vergnügen +bezahlen, die es genießen, man ziehe alle Subventionen zurück, verpachte +die Theater und lasse den Unfug auf der Bahn industrieller Speculation +dahinschießen. Die englische Bühne zeigt: wohin sie führt; die +französische wird vor ihren Gefahren bis jetzt nur noch durch den +angeborenen richtigen Sinn ihres Volkes für die dramatische Kunst +bewahrt. Gewiß ist, daß auf diesem Wege keine Bühne zur =Veredlung= des +Volkes wirken, ja daß sie vom Strome der Vergnügungslust so weit +fortgerissen werden kann, daß ihre Existenz für die öffentliche Moral +bedenklich wird. + +Soll aber dem deutschen Volke sein Nationaltheater sein, was die +Folgerichtigkeit seines geistigen und sittlichen Bildungsstrebens +fordert, soll es ihm ein Spiegel des Lebens, eine Stätte der +Selbsterkenntniß, ein heiterer Tempel der Begeisterung für Schönes, +Edles und Erhabenes sein, so müssen ihm auch ernster Wille und volle +Mittel dafür zugewendet werden. =Ein ächtes Nationaltheater wird die +Erwartungen der Nation niemals täuschen.= + +Mögen zu der alsdann nothwendig werdenden durchgreifenden Umgestaltung +des heutigen Theaterwesens meine Ansichten und Vorschläge behülflich +sein, sie sind ein Ergebniß dreißigjähriger Erfahrung in allen Zweigen +der Dramatik und einer unzerstörbaren Ueberzeugung von der erhabenen +Bestimmung des Theaters. + +=Dresden= im December 1848. + + =Eduard Devrient.= + + + + +Druck von =Otto Wigand= in Leipzig. + + + + + +End of the Project Gutenberg EBook of Das Nationaltheater des Neuen +Deutschlands. Eine Reformschrift, by Eduard Devrient + +*** END OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK NATIONALTHEATER--NEUEN DEUTSCHLANDS *** + +***** This file should be named 39480-8.txt or 39480-8.zip ***** +This and all associated files of various formats will be found in: + http://www.gutenberg.org/3/9/4/8/39480/ + +Produced by Thorsten Kontowski, Karl Eichwalder, La Monte +H.P. Yarroll and the Online Distributed Proofreading Team +at http://www.pgdp.net (This book was produced from scanned +images of public domain material from the Google Print +project.) + + +Updated editions will replace the previous one--the old editions +will be renamed. + +Creating the works from public domain print editions means that no +one owns a United States copyright in these works, so the Foundation +(and you!) can copy and distribute it in the United States without +permission and without paying copyright royalties. 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Hart was the originator of the Project Gutenberg-tm +concept of a library of electronic works that could be freely shared +with anyone. For forty years, he produced and distributed Project +Gutenberg-tm eBooks with only a loose network of volunteer support. + +Project Gutenberg-tm eBooks are often created from several printed +editions, all of which are confirmed as Public Domain in the U.S. +unless a copyright notice is included. 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Eine Reformschrift, by Devrient, Eduard</title> + <link rel="coverpage" href="images/cover.jpg" /> + + +<style type="text/css"> +body { font-size:1em;text-align:justify;margin-left:10%;margin-right:10%; } +h1 span { display:block;text-align:center;margin-top:2%;margin-bottom:5%; } +h2 span { display:block;text-align:left;margin-top:7.5%;margin-bottom:1%;font-size:x-small;font-weight:normal;text-indent:2em; } +#id1 { font-size:50%;margin-top:6%;margin-bottom:.5%; } +#id2 { font-size:95%;margin-top:2%;margin-bottom:.5%; } +#id3 { font-size:50%;margin-top:2%;margin-bottom:.5%; } +#id4 { font-size:75%;margin-top:2%;margin-bottom:7.5%; } +#id5 { font-size:50%;margin-top:3%;margin-bottom:.5%; } +#id6 { font-size:35%;margin-top:2%;margin-bottom:.5%; } +#id7 { font-size:65%;margin-top:2%;margin-bottom:5%; } + +p { text-indent:1em;margin-top:.75%;margin-bottom:.75%; } +a:focus, a:active { outline:yellow solid thin;background-color:yellow; } +a:focus img, a:active img { outline:yellow solid thin; } +.author { font-size:smaller;text-align:right;margin-left:10%;margin-right:57%;margin-top:.5em;margin-bottom:1em; } +.bla { font-style:italic; } +.blockquot { text-indent:0em;margin-left:5%;margin-right:5%;margin-top:1.5%;margin-bottom:2%; } +.botnum { font-size:x-small;vertical-align:text-bottom; } +.box { margin-top:2%;margin-bottom:2%;margin-left:5%;margin-right:5%;text-indent:0em;padding:.5em; } +.box1 { margin-top:2%;margin-bottom:2%;margin-left:25%;margin-right:25%;text-indent:0em;padding:.5em; } +.boxad { margin-top:2%;margin-bottom:2%;margin-left:25%;margin-right:25%;border-top:thin dotted;border-bottom:thin solid;font-size:smaller; } +.boxad1 { margin-top:2%;margin-bottom:2%;text-indent:0em;padding:.5em;border-top:thin dashed; } +.boxad2 { font-size:92%;margin-top:2%;margin-bottom:2%;text-indent:0em;border-top:thin dashed; } +.center { text-align:center;text-indent:0em; } +.center1 { text-align:center;font-size:112%;margin-top:5%;margin-bottom:2.5%;text-indent:0em; } +.center2 { text-align:center;font-size:150%;text-indent:0em; } +.fnanchor { font-size: x-small;vertical-align:text-top; } +.footnote .label { font-size: x-small;vertical-align:text-top; } +.footnote { text-indent:0em;margin-left: 5%;margin-right: 25%; } +hr.small { width: 15%;margin-top:2.5%;margin-bottom:3%; } +.i1 { padding-left:1em; } +.i3 { padding-left:3em; } +.i5 { padding-left:5em; } +.i7 { padding-left:7em; } +.i9 { padding-left:9em; } +.i11 { padding-left:11em; } +.indh { text-indent:-2em;padding-left:2em;text-align:left; } +.indh6 {margin-left:3em;margin-right:3em;text-indent:-6em;padding-left:6em;padding-right:6em;text-align:left; } + ins { text-decoration:none;border-bottom:thin dotted } +.larger { font-size:larger;font-weight:bold; } +.left { text-align:left;font-size:smaller;margin-top:0em;margin-bottom:2%;margin-left:14%;margin-right:5%;text-indent:-3em; } +.lowercase { text-transform: lowercase; } +.noindent { text-indent: 0em; } +.pagenum { font-size:x-small;color:silver;background-color:inherit;position:absolute;left:2%;text-align:left;text-indent:0em; + font-variant:normal;text-decoration:none; } +p.cap:first-letter { float:left; clear: left; margin:0 0.1em 0 0;padding:0;font-weight:bold;font-size: x-large; } +.poem { margin-left:8%;margin-right:8%;margin-top:1%;margin-bottom:1%;padding-left:5%; } +.poem .stanza { margin:1.5em 0em 1.5em 0em; } +.right { text-align:right;font-size:smaller;margin-top:0em;margin-bottom:2%;margin-left:5%;margin-right:15%; } +.right1 { text-align:right;margin-top:1.5em;margin-bottom:.5em;margin-left:5%;margin-right:7.5%; } +.smaller { font-size:smaller; } +.x-small { font-size: x-small; } +.smcap { font-variant:small-caps; } +strong { font-weight: normal; letter-spacing: 0.2em; margin-right: -0.2em; } +.strong1 { font-weight:bold; } +table { margin-left:auto;margin-right:auto;width:45em;border-collapse:collapse; } +.table1 { width:28em;border-collapse:collapse; } +td { vertical-align:bottom;padding-left:1em;padding-right:1em; } +td.tdleft { text-align:left;margin-left:0;text-indent:0; } +td.tdleft1 { text-align:left;margin-left:0;text-indent:0;font-size:108%; } +td.tdright { text-align:right; } +td.tdcenter { text-align:center; } +td.tdhang { text-align:left;margin-left:2em;padding-left:4em;text-indent:-2em;padding-right:1em;vertical-align:top; } +.tnbox { margin-left:5%;margin-right:5%;margin-top:5%;margin-bottom:.5%;text-indent:0em;padding:.5em;border-top:thin dashed; } +.toc { margin-left: 5%;margin-right: 15%;margin-top: 1.5%;margin-bottom: 3%;text-align: left; } +.topnum { font-size:x-small;vertical-align:text-top; } + + + </style> + </head> + +<body> + + +<pre> + +The Project Gutenberg EBook of Das Nationaltheater des Neuen Deutschlands. +Eine Reformschrift, by Eduard Devrient + +This eBook is for the use of anyone anywhere at no cost and with +almost no restrictions whatsoever. You may copy it, give it away or +re-use it under the terms of the Project Gutenberg License included +with this eBook or online at www.gutenberg.org + + +Title: Das Nationaltheater des Neuen Deutschlands. Eine Reformschrift + +Author: Eduard Devrient + +Release Date: April 19, 2012 [EBook #39480] + +Language: German + +Character set encoding: ISO-8859-1 + +*** START OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK NATIONALTHEATER--NEUEN DEUTSCHLANDS *** + + + + +Produced by Thorsten Kontowski, Karl Eichwalder, La Monte +H.P. Yarroll and the Online Distributed Proofreading Team +at http://www.pgdp.net (This book was produced from scanned +images of public domain material from the Google Print +project.) + + + + + + +</pre> + + + + +<h1> <span id="id1"> Das</span> +<span id="id2"> Nationaltheater</span> + <span id="id3"> des</span> + <span id="id4"> Neuen Deutschlands.</span> + <span id="id5"> Eine Reformschrift</span> +<span id="id6"> von</span> +<span id="id7"> Eduard Devrient.</span></h1> + + +<p class="noindent center smaller strong1"> Leipzig,</p> +<p class="noindent center smaller"> <strong>Verlag von J. J. Weber.</strong></p> +<p class="noindent center x-small strong1">1849.</p> + + + + +<h2> +<span>[I.]</span> +</h2> + +<p>Das preußische Cultusministerium hat mich durch den Auftrag geehrt, ihm +meine Ansichten mitzutheilen: welche Gestaltung dem Theater zu geben +sei, um es, zu einem gedeihlichen Wirken, in Uebereinstimmung mit den +übrigen Künsten zu setzen.</p> + +<p>Dieser Auftrag hat mich zur Abfassung der vorliegenden Schrift +veranlaßt. In dem Glauben, daß sie von zeitgemäßem und allgemein +deutschem Interesse sei, übergebe ich sie hiermit der Oeffentlichkeit.</p> + +<p> Dresden, im December 1848.</p> + + <p class="right"><strong>Eduard Devrient.</strong></p> + + + + +<h2> +<span>[II.]</span> +</h2> + +<p>Noch in keinem Momente des Völkerlebens ist die höhere Sendung der +Künste zur Veredlung des Menschengeschlechtes so leuchtend +hervorgetreten, hat sich noch nie zu so kräftiger, tiefgreifender +Wirkung angeboten, als in der großen Wendung unserer Tage.</p> + +<p>Schule und Kirche, die bisher allein anerkannten Erziehungsstätten, sind +einem Streite verfallen, der noch langehin ein heftiges Sträuben des +mündig gewordenen Volkes gegen jeden fühlbaren Zwang erhalten wird. Was +kann daher willkommener sein, als die sanfte Gewalt der Künste, die es +allein vermag, die Gemüther zu beschwichtigen, in rein menschlichem +Antheil die Herzen<a id="Page_8"></a> +<span class="pagenum">[8]</span> aller Parteien zu vereinigen, durch unmerklichen +Zwang wieder Achtung vor Sitte, Friede und stillem Glück zu verbreiten, +auf diesem heitren Wege die Geister wieder den strengen +Erziehungsstätten zuzuführen und der großen, gemeinsamen Begeisterung +für eine neue, edle Freiheit des Völkerlebens den höchsten Schwung und +den schönsten Ausdruck zu verleihen!</p> + +<p>Ueberall muß es daher als ein Zeugniß sorgsamer Staatsweisheit anerkannt +werden, wo die Organisation des Kunsteinflusses auf das Volksleben von +der Landesregierung in thätigen Angriff genommen wird.</p> + +<p>Daß unter allen Künsten keine von so allgemeiner und volksthümlicher +Wirkung ist, als die Schauspielkunst, bedarf hier keiner Beweisführung, +die tägliche Erfahrung liefert sie. Keine Kunst wird also in dem Maße +die Aufmerksamkeit der Staatsgewalt verdienen, so wie keine einer +Organisation so dringend bedürftig ist, welche sie mit allen anderen +höheren Culturmitteln des Staates in Uebereinstimmung setzt, als die +Schauspielkunst.</p> + +<p>Faßt man ihre rein künstlerische Wichtigkeit in's Auge, so drängt sich +als ihre wesentliche Eigenheit hervor: daß sie alle übrigen Künste +umfaßt; sie erhebt sich<a id="Page_9"></a> + <span class="pagenum">[9]</span> +auf allen anderen und wird so zur Spitze +der Pyramide; sie ist die Kunst der Künste.</p> + +<p>Plastik, Malerei, Dichtkunst, Musik, Redekunst, Mimik und Tanzkunst +sammelt sie in den gewaltigen Brennpunkt unmittelbaren Lebens, und +dieser trifft in eine versammelte Menge, wo die Gemeinsamkeit des +Antheils das Feuer des Enthusiasmus um so mächtiger entzündet. +Wenngleich daher die schon vollendeten Werke der übrigen Künste, welche +der Schauspielkunst zum Stoffe dienen, dabei an ihrer Selbständigkeit +einbüßen müssen, so macht dennoch keine Kunst für sich schlagendere +Wirkungen, als von der Bühne herab.</p> + +<p>Wie dringend nothwendig ist es also, daß die Schauspielkunst endlich in +den Kreis der akademischen Bildung aufgenommen werde, damit ihre +drastischen Wirkungen eine grundsätzliche Uebereinstimmung mit den +übrigen Künsten gewinnen!</p> + +<p>Die Bühne vermag den Schönheitssinn, des Volkes sowohl als der Künstler, +in die größte Verwirrung zu bringen, sie vermag ihn aber auch zu heben +und zu reinigen. Daß so viel Unpoetisches, Unmusikalisches und +Unmalerisches auf der Bühne Glück macht, bleibt ein unablässig +fortwirkendes Moment der Verführung und<a id="Page_10"></a> + <span class="pagenum">[10]</span> + Corruption für Dichter, +Musiker, Maler und Bildhauer; dagegen hat an die einzelnen, im rechten +Geiste gelungenen Erscheinungen der Bühne sich von jeher eine Kette der +fruchtbringendsten Anregungen geknüpft. <strong>Die Fähigkeit der +Schauspielkunst: den wohlthätigsten Einfluß auf die übrigen Künste, also +auf den Kunstsinn überhaupt, zu äußern, ist außer Zweifel, es muß daher +als Pflicht erkannt werden: diese Fähigkeit zum wesentlichen Zweck der +Bühne zu erheben.</strong></p> + +<p>Und nun, den Einfluß auf die <strong>Sittlichkeit</strong> in's Auge gefaßt, welche Kunst +übt ihn stärker, als die der Bühne? — Der Gegenstand ist zu oft +erörtert worden, als daß es nöthig wäre, ihn hier noch einmal +aufzunehmen; wer damit unbekannt ist, sei zunächst auf Schiller's +Vorlesung: »die Schaubühne, als eine moralische Anstalt betrachtet«, +verwiesen.</p> + +<p>Gewiß ist — das gestehen selbst die Feinde der Bühne nicht nur zu, +sondern sie machen es als ihre größte Gefahr geltend — daß die +Schauspielkunst die gewaltigsten Wirkungen auf das Volk hervorbringt. +Starke Wirkungen aber sind entweder wohlthätig oder<a id="Page_11"></a> + <span class="pagenum">[11]</span> +nachtheilig, +gleichgültig können sie nicht sein. Wenn also die Bühne den Geschmack +und die Versittlichung nicht <strong>fördert</strong>, so muß sie ihnen <strong>schaden</strong>; +<strong>unabweisbar wird daher die Verpflichtung für den Staat sein: sich der +Wirkung seiner Schaubühnen zu vergewissern, dafür zu sorgen, daß sie die +Bahn seiner Grundsätze über Volkscultur innehalten</strong>.</p> + +<p>Daß dies bisher nicht, oder nur sehr lau und mangelhaft geschehen ist, +der Einfluß der Bühne daher oft in den schreiendsten Widerspruch mit den +Staatsmaximen gerathen,<a id="ger1"></a><a title="Go to footnote 1." href="#fn1" class="fnanchor">[1]</a> das liegt ebenso vor Aller Augen, als daß die +Schauspielkunst noch immer ganz außerhalb des Kreises einer, mit den +übrigen Künsten übereinstimmenden Bildung sich bewegt; ganz außerhalb +der Kettenglieder, welche die Regierungen zur Versittlichung und +Veredlung des Volkes so sorgfältig ineinanderfügen.</p> + +<p class="footnote"><a id="fn1"></a><a title="Return to text." href="#ger1" class="label">[1]</a> Mit welchem strengen Eifer hat z. B. der Staat den neuen +socialen Theorien entgegenzuwirken und die Achtung vor der Ehe, der +Familie und allen Gliederungen der gesellschaftlichen Ordnung, welche +daraus hervorgehen, aufrecht zu erhalten gesucht, während die +Theaterrepertoire — die der Hofbühnen keinesweges ausgeschlossen — von +Stücken wimmelten, in denen die Heiligkeit der Ehe verhöhnt, die +Familienpietät lächerlich gemacht, ja eine förmliche Verherrlichung der +Nichtswürdigkeit getrieben wird!<a id="Page_12"></a> + <span class="pagenum">[12]</span> +</p> + +<p>Die Forderung, diesem Zustande ein Ende zu machen, dem deutschen Theater +eine andere, grundsätzliche Basis und Einrichtungen zu geben und es +dadurch in Stand zu setzen: seine künstlerische und sociale Bestimmung +zu erfüllen, ist seit lange schon laut genug geworden. Sie wird bei der +Bewegung unserer Zeit immer lauter und ungestümer, sie wird unabweislich +werden und sich natürlich zunächst gegen die bedeutendsten, +tonangebenden Theater richten, die reich dotirt, den höheren Forderungen +des Volksgeistes am ehesten zu entsprechen verpflichtet erscheinen.</p> + +<p>Es sind die <strong>Hoftheater</strong>.</p> + +<p>In ihrer Entstehung rühmlich für die Fürsten und wohlthätig für Kunst, +sind sie im Verlaufe der Zeit —wie dies allen menschlichen +Einrichtungen begegnet —von ihrer ursprünglichen Bestimmung abgewichen; +ihre heutige Erscheinung entspricht ihrer ersten Idee nicht mehr.</p> + +<p>Als in der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts die deutschen Höfe +sich ernstlich und dauernd der vaterländischen Schauspielkunst annahmen, +repräsentirten die<a id="Page_13"></a> + <span class="pagenum">[13]</span> + Fürsten noch alle Staatsgewalt. Es war der +Staat, welcher durch sie der wandernden Kunst heimische Stätten, +Anerkennung, Schutz und Unterstützung gab. Fürsten waren es, der edle +Kaiser Joseph II. an der Spitze, welche den höheren Staatszweck der +Bühne thatsächlich proklamirten. Kaiser Joseph gab seiner Hofbühne den +Namen und die Grundsätze eines <strong>Nationaltheaters</strong>, er erklärte: es solle +keine andere Bestimmung haben, als <strong>zur Verbreitung des guten Geschmacks +und zur Veredlung der Sitten zu wirken</strong>.<a id="wir2"></a><a title="Go to footnote 2." href="#fn2" class="fnanchor">[2]</a> Fast überall folgten Höfe und +Magistrate des Kaisers Beispiele, die Nationaltheater wurden allgemein +und die Schauspielkunst gewann eine bewunderungswürdig rasche und +nationale Entwickelung, weil sie ihr in einer gewissen Freiheit und +Selbständigkeit gegönnt war. Die Höfe nämlich übten im Allgemeinen nur +Schutz und Oberaufsicht über ihre Theater aus, die künstlerische +Thätigkeit wurde fort und fort von künstlerischen<a id="Page_14"></a> + <span class="pagenum">[14]</span> + Directoren +geleitet. Ja Kaiser Joseph erkannte die Nothwendigkeit der +Selbstregierung der Künstler so vollständig an, daß er dem Wiener +Nationaltheater eine ganz republikanische Verfassung gab, deren +Grundsätze in Mannheim unter Dalberg eine denkwürdige Fortbildung +fanden.<a id="fan3"></a><a title="Go to footnote 3." href="#fn3" class="fnanchor">[3]</a> </p> + +<p class="footnote"><a id="fn2"></a><a title="Return to text." href="#wir2" class="label">[2]</a> Das Genauere über diesen geschichtlichen Moment ist in +meiner »Geschichte der deutschen Schauspielkunst« (Leipzig 1848, bei J. +J. Weber) im II. B. zu finden. Ich muß mich hier und fernerhin auf dies +Buch beziehen, weil es bis jetzt das einzige über diesen Gegenstand +ist.</p> + +<p class="footnote"><a id="fn3"></a><a title="Return to text." href="#fan3" class="label">[3]</a> Gesch. der deutsch. Schauspielkunst II. B., S. 402, und +III. B., S. 16.</p> + +<p>Aus solchem Geiste und unter solchem Schutze wuchs die deutsche +Schauspielkunst, geführt von Meistern, wie Eckhoff, Schröder, Iffland, +zu der kräftigen Reife, welche unter Schiller's und Goethe's Einfluß +ihre poetische Vollendung erhielt.</p> + +<p>Als aber nach dem Wiener Congreß die Höfe den alten Glanz wieder +gewannen, neue Theater in den Residenzen errichtet, die bestehenden in +größeren Flor gebracht wurden, da veränderte sich Stellung und +Organisation der Bühnen wesentlich.</p> + +<p>Die Verbreitung der constitutionellen Regierungsform trennte die +Staatsgewalten, der Fürst vertrat nicht mehr allein den Willen der +Nation; indem also die Höfe das Theater an sich behielten, gab der +Staat, gab<a id="Page_15"></a> + <span class="pagenum">[15]</span> + die Nation stillschweigend den Anspruch auf, den sie +bisher daran zu haben glaubten.</p> + +<p>Es war ganz folgerichtig, daß der Name »<strong>Nationaltheater</strong>« überall dem +Titel »<strong>Hoftheater</strong>« Platz machen mußte und Kaiser Joseph's Principien +aufgegeben wurden. Da die Höfe immer reichlichere Geldmittel für die +Bühnen bewilligten, so wollten sie diese auch ganz in ihrem Sinne +verwendet sehen und dehnten daher die Verantwortung der Hofintendanten +über den ganzen Umfang der theatralischen Leistungen aus. So kam es +denn, daß fast überall die künstlerischen Directionen — selbst die +eines <strong>Goethe</strong> — der neuen Ordnung der Dinge weichen mußten und die +Hofintendanten in die falsche Stellung geriethen: die specielle +künstlerische Leitung der Bühne zu übernehmen. <strong>Das Bureau wurde nun der +Mittelpunkt der Kunstthätigkeit.</strong></p> + +<p>Diese Veränderung der Theaterorganisation erwies sich viel tiefer +greifend, als man wohl vorausgesehen hatte. Die dramatische Kunst war +dadurch nicht nur dem Staatsinteresse entfremdet, auch die +unausweichbare Nothwendigkeit ihres inneren Verfalles war damit +ausgesprochen.<a id="Page_16"></a> + <span class="pagenum">[16]</span></p> + +<p>Eine Kunst, die sich nur in Totalwirkungen vollendet, kann den +Sammelpunkt einer künstlerischen Direction schlechterdings nicht +entbehren. Der einige Geist, welcher in der Uebereinstimmung aller +Theile lebendig werden soll, kann nur aus innerstem, praktischen +Verständniß der Kunstthätigkeit selbst hervorgehen. <strong>Der Schauspielkunst +die künstlerische Direction nehmen, hieß: ihr das Herz ausschneiden.</strong></p> + +<p>Umsonst haben die Intendanten, theils mit Talent, meistens mit gutem +Willen und redlichem Eifer das Naturwidrige ihrer Stellung zu überwinden +gesucht; es konnte nicht gelingen. Erwägt man, wie mannichfache +specielle Kenntnisse, Fähigkeiten und Erfahrungen für die Leitung eines +Theaters erforderlich sind, so ist es leicht zu begreifen, daß diese +nicht bei Männern gefunden werden können, welche, bis dahin +Kammerherren, Hofmarschälle, Oberstall- oder Oberjägermeister, Officiere +u. s. w. gar keine Veranlassung gehabt hatten irgend einem dieser +Erfordernisse genug zu thun. Zwar hat man geglaubt, dem Wesen der Kunst +hinlänglich Rechnung zu tragen, indem dem nichtsachverständigen Director +die sachverständigen Regisseure zur Seite gestellt blieben, denen das +augenfällig Technische<a id="Page_17"></a> + <span class="pagenum">[17]</span> der Leitung und die Abhaltung der Proben u. +s. w. überlassen ist; <strong>in diesem Irrthume aber liegt eben der eigentliche +Knotenpunkt der Verwirrung unseres heutigen Theaterwesens</strong>.</p> + +<p>Die Leistungen der Bühnenkunst sollen einheitliches Leben haben, darum +verträgt ihre Leitung keine Theilung der Gewalt. Indem die +wesentlichsten Bestimmungen: Wahl, Besetzung und Ausstattung der +aufzuführenden Werke, Zusammensetzung des Kunstpersonals durch +Anstellungen und Entlassungen, Urlaube, Gastrollen u. dergl. vom +Intendanten, wohl auch von höheren Verfügungen, abhängig sind, bleibt +der Regie nur ein beschränkter und durchaus bedingter Kreis des Wirkens, +in welchem sie keine absolute Verantwortung für das Gelingen der +Kunstwerke übernehmen kann, weil alle Vorbedingungen dazu nicht in ihren +Händen liegen. Rühmend muß es anerkannt werden, daß einige Intendanten +durch Anstellung von Oberregisseuren oder Dramaturgen der künstlerischen +Autorität eine größere Ausdehnung gegeben und eine Annäherung an die +alten Zustände bewirkt haben, in welchen die Intendantur nur +Oberaufsicht und administrative Gewalt ausübte; aber es ist auch nur +eine Annäherung. So lange die Intendanten<a id="Page_18"></a> + <span class="pagenum">[18]</span> noch für alle +Einzelheiten der theatralischen Thätigkeit verantwortlich gelten, können +sie sich auch der Bestimmung über dieselben nicht entschlagen, und so +muß, bei diesen bestgemeinten Einrichtungen, der Nachtheil kreuzender +Anordnungen ebenfalls lähmend für die Ausführung bleiben.</p> + +<p>Das Theater soll lebendige Kunstwerke schaffen, seine Thätigkeit muß +also eine organische, von <strong>einem</strong> Lebenspunkte ausgehende sein. Die ganze +complicirte Kette der Maßregeln, welche bis zum Aufsteigen des Vorhanges +nothwendig sind, darf <strong>eine</strong> Hand nur halten, wenn das Werk in Einheit zur +Erscheinung kommen soll; und das muß die Hand eines Sachverständigen +sein. Nur der versteht aber eine Sache, der sie ausübt. <strong>Halbheit in der +Machtvollkommenheit der künstlerischen Leitung, Einmischung kunstfremder +Gewalten muß nothwendig Halbheit und Zerfahrenheit in ihre Resultate +bringen.</strong></p> + +<p>Nicht glücklicher ist die Hofintendanz in anderer Beziehung gestellt; +die innere Selbständigkeit, welche sie der Kunst entzog, gewann sie +nicht für sich, ja sie gerieth in Abhängigkeit, da, wo sie absolut zu +herrschen unternommen<a id="Page_19"></a> + <span class="pagenum">[19]</span> + hatte. Außerdem immer im Gedränge der +widersprechendsten Forderungen: hier den Wünschen des Hofes zu genügen, +dort den Forderungen der höhern Bildung der Nation, entgegen denen der +bloßen rohen Vergnügungslust der Menge, unvermögend sich auf eine dieser +Parteien mit Sicherheit zu stützen, unausgesetzt im Schaukelsystem: es +bald hier, bald dort recht zu machen —mußte sie es zuletzt mit Allen +verderben. Zum Ueberfluß noch verantwortlich gegen eine Oberbehörde, +(das Hausministerium) die, ihrer Natur nach blos verwaltend, für das +Kunstinstitut nur den Geldmaßstab haben kann, überwuchs die Verlegenheit +um vortheilhafte Kassenabschlüsse zuletzt fast alle übrigen, und so +sehen wir alle, so reich dotirten Hoftheater in unausgesetzter +ängstlicher Bemühung um die Einnahme. Der Zuschuß aus Staatsmitteln +scheint seinen eigentlichen Zweck: <strong>die Kunst unabhängig zu machen</strong>, gar +nicht zu erfüllen; er hat die Kassenverlegenheit nur auf größere +Zahlenverhältnisse gebracht, hat den vornehmen Hofbühnen dieselbe +plebejische industrielle Richtung der Privatunternehmungen gegeben. In +stetem Kreislaufe von hazardirten Ausgaben und kleinlicher Noth sie +wieder zu decken, erinnert man sich kaum zu welchem höhern<a id="Page_20"></a> + <span class="pagenum">[20]</span> Zweck +sie eigentlich in Bewegung gesetzt werden? Das Mittel ist zum Zweck +geworden und der Zweck (die Kunst) zum Mittel; das Theater scheint +lediglich eine Anstalt für den Geldumsatz zu sein.</p> + +<p>Consequent war es da freilich, daß man auf den Gedanken gerieth: +administrativen Capacitäten müsse die Leitung des Theaters übergeben +werden; der Mann der Ersparnisse galt nun für den wünschenswerthesten +Intendanten. Man hatte vergessen, daß ein Theater für jeden +festzustellenden Etat zu führen ist, daß es nicht darauf ankommt: wie +viel oder wie wenig <strong>ausgegeben</strong>, sondern was für das Ausgegebene +<strong>geleistet</strong> wird, und daß nur der Sachverständige für den möglichst +geringen Preis das möglichst Beste herzustellen vermag. Die +Controllansicht der Hausministerien siegte, die Höfe bemühten sich um +die Wette den knappsten Haushalter zum Intendanten zu machen. Mit diesem +Experimente büßte die Hofintendanz ihren unbestreitbaren Vorzug ein: den +einer würdigen, achtunggebietenden Haltung, einer edlen, kunstbelebenden +Liberalität. Mehr als ein Hoftheater ist, bei solcher Umwandlung, an +Würde, Anstand und künstlerischem Geiste tief herabgekommen,<a id="Page_21"></a> + <span class="pagenum">[21]</span> obenein ohne die goldenen Hoffnungen auf Kassenüberschüsse erfüllt zu +sehen.</p> + +<p>Daß dieser Zustand unhaltbar geworden, daß die Mission der Hofintendanz +an ihr Ziel gelangt sei, ist eine allgemeine Ueberzeugung; es fragt sich +nur: was an deren Stelle gesetzt werden soll?</p> + +<p>Es fehlt nicht an Stimmen, welche jede Unterstützung des Theaters +verwerfen und verlangen: es solle ganz frei gegeben, d. h. sich selbst +und der Concurrenz der Privatunternehmung überlassen werden; es solle +aus eigener Kraft bewähren: was es werden und was es der Nation nützen +könne.</p> + +<p>Aus dieser Forderung spricht eine untergeordnete Anschauung der Kunst +überhaupt: <strong>Alles, was die Menschheit bilden und veredeln soll, muß vom +Staate gestützt, vom bloßen Erwerbe unabhängig gemacht werden; das gilt +von der Kunst, wie von der Schule und der Kirche.</strong> Die Concurrenz ist in +unsern Tagen, selbst in ihrer Anwendung auf die Gewerbe, verdächtig +geworden, und sicherlich birgt sie ein so starkes Moment der Verführung +zu schlechten Hülfsmitteln, daß sie von den Maßregeln zur Hebung der +Künste ein für allemal<a id="Page_22"></a> + <span class="pagenum">[22]</span> ausgeschlossen sein sollte. +Privatindustrie, in Pachtverhältnissen wie in selbständigen +Unternehmungen, kann, bei den Bedingungen unserer Zeit, dem Theater kein +höheres Gedeihen bringen; <strong>ohne den Rückhalt kräftiger Geldunterstützung, +welche den Bühnen Unabhängigkeit von der geldbringenden Menge sichert, +ist ihre Führung nach reinen Grundsätzen unmöglich</strong>. Die Erfahrungen der +Geschichte und unsere täglichen Erlebnisse beweisen es, daß alle Bühnen, +welche auf Selbsterhaltung angewiesen sind, kleine und große, den Kampf +der reinen Kunstrichtung gegen die Forderungen der materiellen Existenz +nicht bestehen können. Männer wie Schröder selbst sind ihm unterlegen, +auch seine Direction zielte zuletzt nur auf Gewinn.</p> + +<p>Befreit aber soll die Kunst allerdings werden, befreit von allen +Bedingungen, die ihrer Natur zuwider sind, unter denen die erste die der +unbedingten Abhängigkeit vom Erwerbe ist. Frei auf sich selbst und ihre +hohe Bestimmung: <strong>den Menschen die Menschheit darzustellen, dem Volke das +Leben der Völker abzuspiegeln</strong>, soll die dramatische Kunst gestellt +werden. Unabhängig von der Herrschaft des Geschmacks<a id="Page_23"></a> + <span class="pagenum">[23]</span> einzelner +Standesschichten, seien es die höchsten, seien es die niedrigsten, nur +auf die Vernunft und den besseren Willen der Nation gestützt, soll sie +die Opposition gegen das wandelbare Urtheil der Massen halten können, +eine unbestechliche Priesterschaft der Wahrheit und des Adels der +menschlichen Natur.</p> + +<p>Diese Freiheit aber der Schaubühne kann nur auf dem Boden einer höheren +Gesetzlichkeit stehen, einer ernsten Verpflichtung zur Treue gegen ihre +Bestimmung. Streng gehalten muß sie werden: der Nation zu leisten, was +diese berechtigt ist von ihr zu fordern.</p> + +<p>Kein Zweifel also, <strong>daß die Staatsregierung selbst die Schaubühnen des +ganzen Landes unter ihre Oberleitung nehmen muß</strong>, daß dasjenige +Ministerium, welches die Erziehung und Veredlung des Volkes zur Aufgabe +hat, welches Religion, Wissenschaft und Kunst — diese dreieinige +Beglaubigung unserer höhern Natur — in ihrem Zusammenwirken überwacht, +nicht länger säumen darf sich auch der Schauspielkunst zu bemächtigen.</p> + +<p>Nehme Niemand Anstoß an der frivolen Miene, die noch die Bühne unserer +Tage zeigt und die sie der Verbindung mit Schule und Kirche unwerth zu +machen<a id="Page_24"></a> + <span class="pagenum">[24]</span> scheint; ihrer inneren Natur nach ist Schauspielkunst zu +hohen Dingen bestimmt, bei allen Völkern war sie die Trägerin des +ursprünglichen Gottesdienstes. <strong>Auch muß durch diese einzige Maßregel: +die Bühne zur Staatsanstalt zu erklären, unausbleiblich ihre ganze +Beschaffenheit sich verwandeln.</strong></p> + +<p>Soll aber die Grundlage der nothwendigen Theaterreform in Uebertragung +der Oberleitung, von der unverantwortlichen Autorität des Hofes auf die, +dem Lande verantwortliche, der Regierung, bestehen, so darf dabei doch +nicht aus den Augen gelassen werden: was die Hoftheater der Kunst +genützt haben, damit diese Vortheile einem neuen Zustande der Dinge +möglichst erhalten werden. Allen Glanz, alle Sicherstellung und Würde, +alle äußere Vervollkommnung und Achtung verdankt das Theater dem Schutze +und der Intimität der Höfe. Ohne das bisherige Verhältniß der +Zugehörigkeit würde kein Theater so hoch dotirt, würden die Ansprüche +des Publikums daran nie so hoch gesteigert worden sein. Auch hat der +gewähltere Geschmack der höheren Gesellschaft allem künstlerischen +Streben nach Adel, Feinheit, Grazie und Eleganz, den derberen +Forderungen des großen<a id="Page_25"></a> + <span class="pagenum">[25]</span> Publikums gegenüber, einen wichtigen +Rückenhalt dargeboten. Alles dies darf künftig nicht verloren gehen.</p> + +<p>Nicht nur die bisherigen Geldzuschüsse, auch der permanente Antheil des +Hofes muß dem Theater erhalten bleiben.</p> + +<p>Der hin und wieder laut gewordene Vorschlag: das Theater lediglich zur +Landessache zu machen und dem Fürsten anheim zu geben, seine Logen darin +zu bezahlen — wie dieß in Frankreich und England üblich — ist +unbedingt und aus Staatsprincip zurückzuweisen. In jedem wahrhaften +Nationalinstitute muß der Erste der Nation, der Träger der Majestät des +Volkes, ohne alle Bedingung zu Haus sein, und sein Interesse an der +Kunst zu nähren muß ein Antrieb des Ehrgeizes bleiben.</p> + +<p>Allerdings wird es selbst politisch consequent sein, in dieser Zeit, +welche die Fürsten von Verantwortung frei zu machen trachtet, den Höfen +auch die für das Theater — dessen Oeffentlichkeit unablässige Angriffe +jedes Einzelnen herausfordert — abzunehmen; aber damit darf doch, zum +Vortheil der Kunst, das Protectorat der Fürsten nicht aufgegeben werden.</p> + +<p>Der Landesfürst hat nur die Organe seines Willens zu wechseln, anstatt +Hofbeamten, die von seiner Willkür<a id="Page_26"></a> + <span class="pagenum">[26]</span> abhängig, die Oberleitung des +Theaters Staatsbeamten zu übergeben, die außer ihm auch dem Lande +verantwortlich sind.</p> + +<p>Der jetzige Moment ist entscheidend. Die Umgestaltung unserer +staatlichen und bürgerlichen Verhältnisse muß auch das Theater +ergreifen; es kann nicht anders sein, denn das Theater ist zu jeder Zeit +das kleine Spiegelbild des großen Außenlebens gewesen. Jetzt kommt es +darauf an: was es dem Vaterlande werden soll?</p> + +<p>Wie vor hundert Jahren alle Stimmen die Höfe um Schutz für die +heimathliche Kunst anriefen, wie es als eine That ruhmwürdigen +Patriotismus gepriesen wurde, wenn ein Fürst seinen Mantel über ein +Nomadenhäuflein deutscher Comödianten ausbreitete, so blicken die +Freunde der Kunst und des Vaterlandes jetzt wieder auf die Fürsten, +verhoffend: sie werden die erste Wohlthat durch die zweite, +großmüthigere vollenden, sie werden den verweichlichenden Gnadenmantel +zurückschlagen und den üppig aufgeschossenen Pflegling ihrer Gunst in +die ernste Pflicht: <strong>der höheren Wohlfahrt des Volkes dienstbar zu sein</strong>, +entlassen.<a id="Page_27"></a> + <span class="pagenum">[27]</span></p> + + +<h2> +<span>[III.]</span> +</h2> + +<p>Nun aber die praktische Ausführung dieser tiefgreifenden Theaterreform! +Was ist zu thun, wenn sie den angekündigten Zwecken entsprechen soll?</p> + +<p>Hier meine Vorschläge:</p> + +<p>Der Landesfürst überträgt dem Ministerium für Cultus, Wissenschaft u. +Kunst, neben der Oberaufsicht über die Institute für Musik und bildende +Künste —Conservatorien, Akademien, Museen — auch die über die +bisherigen Hoftheater. Er gewährt die Uebertragung der Summen, welche +die Hofkasse bisher jährlich zur Erhaltung des Theaters zugeschossen, +auf die Staatskasse. Alle Unterstützungen und Vortheile, welche andre +Theater des Landes von Staats wegen genießen, so wie die Aufsicht über +dieselben, welche bis jetzt meistentheils<a id="Page_28"></a> + <span class="pagenum">[28]</span> von dem Ministerium des +Innern ausgeübt worden, alles dieß wird ebenfalls in die Hand des +Cultusministeriums gelegt, <strong>so daß die Staatspflege aller Kunst im ganzen +Lande durch eine Abtheilung dieses Ministeriums vollkommen vertreten und +ihr organisches Leben gesichert ist</strong>.</p> + +<p>Der Beamte, dem die Generaldirection der Landesbühnen übertragen wird, +braucht keine specielle Kenntniß vom Theaterwesen zu besitzen; — er +soll sich in die künstlerische Thätigkeit nicht mischen — ein +ästhetisch gebildeter Sinn, das genaue Verständniß dessen, was die Bühne +für die höhere Volksbildung zu leisten habe, ein richtiger +administrativer Ueberblick werden die Erfordernisse für dieses Amt sein. +Eine würdige persönliche Repräsentation wird die Wirksamkeit dieses +Beamten wesentlich unterstützen. Erleichtern wird es die Theaterreform, +wenn bisherige Hofintendanten von geeigneten Fähigkeiten, in dieses +Ministerialamt eintreten. In welcher Weise dasselbe auf die eigentliche +Theaterdirection einzuwirken hat, wird sich aus der Organisation +derselben ergeben.</p> + +<p>Die Residenztheater sind es, welche die nächste und hauptsächlichste +Aufmerksamkeit in Anspruch nehmen;<a id="Page_29"></a> + <span class="pagenum">[29]</span> nichts darf versäumt werden, um +ihnen eine wahre Mustergültigkeit zu verleihen. Ihre künstlerische +Verfassung wird am wesentlichsten dazu wirken.</p> + +<hr class="small" /> + +<p>Die bisherigen <strong>Hoftheater</strong> erhalten unter dem Namen: <strong>Nationaltheater</strong> eine +<strong>von künstlerischen Vorständen gebildete, selbständig abgeschlossene, der +Landesregierung verantwortliche Direction</strong>.</p> + +<p>Dieselbe besteht aus den Vertretern derjenigen Künste, welche den +wesentlichen Kern der Dramatik ausmachen: Dichtkunst, Musik und +Schauspielkunst; also aus einem <strong>Theaterdichter</strong> und <strong>Schriftführer</strong> (dem +bisherigen Theatersecretair), einem <strong>Kapellmeister</strong> und einem +<strong>darstellenden Künstler</strong>.</p> + +<p><strong>Diese drei Männer berathen und beschließen</strong> — mit Hinzuziehung der +weiter unten zu besprechenden Vorstände zweiten Ranges — <strong>über alle +Angelegenheiten des Theaters</strong>; aber <strong>Einem unter ihnen steht die endliche +Entscheidung in allen Beschlüssen und ihre Ausführung mit<a id="Page_30"></a> + <span class="pagenum">[30]</span> +vollkommener Gewalt und unter seiner alleinigen Verantwortlichkeit zu</strong>.</p> + +<p>Weil nun die Schauspielkunst diejenige ist, in welche alle übrigen +aufgehen, weil es auf sie ankommt: was die Dicht- und Musikwerke von der +Bühne herab wirken, weil sie in letzter Instanz für Alles verantwortlich +sein muß, was auf der Bühne geschieht, so wird auch die Direction des +Theaters nur dann naturgemäß organisirt sein, wenn <strong>ein darstellender +Künstler an ihrer Spitze</strong> steht.</p> + +<p>Man pflegt gegen die Direction eines Schauspielers vielfache Bedenken +geltend zu machen. Man sagt: er mißbrauche gewöhnlich seine Macht zur +Befriedigung der, dem Schauspieler nahe liegenden Rollensucht, säe +dadurch Mißtrauen und Zwietracht im Personal, benachtheilige wohl auch +dadurch die Wirkung der Darstellungen.</p> + +<p>Wahr ist es, fast alle Schauspielerdirectoren in der ganzen +Kunstgeschichte haben diesen Vorwurf verschuldet. Aber da jede Direction +ihre Mängel haben wird, so ist dieser, gegen den unermeßlichen Vorzug +einer kunstverständigen Leitung, sehr gering anzuschlagen; wird auch +zudem, aus Rollensucht der übrigen Schauspieler, gewöhnlich übertrieben +angegeben. Den Meistern <strong>Eckhof</strong>,<a id="Page_31"></a> + <span class="pagenum">[31]</span> <strong>Schröder</strong>, <strong>Iffland</strong> u. A., obschon +sie manche Rolle, die ihnen nicht zukam, sich aneigneten, hat dennoch +die deutsche Kunst ihr erstaunlich rasches Wachsthum zu danken. +Uebrigens ist in der Organisation des Theaters ein hinlängliches +Gegengewicht gegen egoistische Uebergriffe aufzustellen, wie die weitern +Vorschläge zeigen werden.</p> + +<p>Ferner macht man den Einwand geltend: die erforderliche Bildung und +Charakterwürde sei unter den Schauspielern zu selten anzutreffen, um dem +Stande die Selbstregierung überall anvertrauen zu können.</p> + +<p>Der Vorwurf ist, in seiner Anwendung wenigstens, unbegründet. An jeder +irgend bedeutenden Bühne wird ein darstellender Künstler zu finden sein, +der hinlänglich befähigt ist, die Direction — wenn auch nicht tadellos +—jedenfalls besser zu führen, als sie bisher von Nichtschauspielern +geführt worden ist. Ein Fortschritt also wäre der Bühne damit jedenfalls +garantirt, selbst bei dem gegenwärtigen Bildungsstande. Dieser aber wird +sich durch Einführung künstlerischer Directionen erstaunlich schnell +verändern. Die Directionstalente unter den Schauspielern, seit 30 Jahren +niedergehalten und vom Steuer entfernt, weil sie der Bureauherrschaft +unbequem<a id="Page_32"></a> + <span class="pagenum">[32]</span> sein mußten, werden sich wieder erheben, die Bühne, zur +Staatsanstalt erklärt, wird immer mehr an Mitgliedern aus den gebildeten +Ständen gewinnen, es werden Talente, welche vielleicht, wegen +mangelhafter Begabung, auf der Bühne nicht die größten Erfolge zu +erlangen vermögen, andere von vorherrschender Verstandesrichtung, sich +mehr auf Ausbildung der künstlerischen <strong>Einsicht</strong> legen, und wenn sie +einen Weg praktischer Entwicklung in der Theaterorganisation offen +finden, eine Vervollkommnung erlangen, wie wir sie ähnlich in andern +Künsten bei Talenten antreffen, die vortrefflich als Lehrer und +Directoren, in ihren Werken selbst aber nicht bedeutend sind. Und diese +Entwicklung wird man um so geduldiger abwarten können, als bei der +vorgeschlagenen Directionseinrichtung von dem Schauspielerdirector nicht +aller Verstand und alle Einsicht allein gefordert wird, weil ihm die, in +den Berathungen gleichberechtigten musikalischen und literarischen +Vorstände zur Seite stehen, hier also der <strong>Geist</strong> der dramatischen Kunst +und die <strong>praktische Ausführbarkeit</strong> sich lebendig durchdringen können.</p> + +<p>Man hat vielfach der Direction eines Dichters vor der eines +Schauspielers den Vorzug gegeben um der höhern Bildung willen, welche +sein Beruf ihm aneignet,<a id="Page_33"></a> + <span class="pagenum">[33]</span> die Directionen von Goethe, Schreyvogel +(West), Klingemann und Immermann scheinen diesen Vorzug zu +rechtfertigen; und wo es zur Zeit nicht möglich sein sollte, einem +Schauspieler das volle Directionsvertrauen zu schenken, dagegen, was +selten genug der Fall sein wird, der Theaterdichter besonders +vorragendes schauspielerisches und praktisches Talent zeigen sollte, mag +man ausnahmsweise den Literaten an die Spitze stellen.</p> + +<p>Der Natur der Dinge wird es immer widersprechen, und der Mißstand, den +dies erzeugt, ist jederzeit, auch bei den besten Literaten-Directionen, +hervorgetreten. Wie der Dichter den geistigen Stoff hergiebt in der +Dramatik, der Schauspieler aber ihm Gestalt und sinnliches Leben +verleiht, <strong>so muß auch bei der Leitung der Kunst im Ganzen der Dichter +die berathende Stimme haben, die künstlerische Praxis aber das letzte +Wort behalten</strong>.</p> + +<hr class="small" /> + +<p>Die Frage: wie der künstlerische Vorstand gefunden, wie die bis jetzt +unerkannten Directionstalente unter den Schauspielern hervorgezogen +werden sollen? muß sich<a id="Page_34"></a> + <span class="pagenum">[34]</span> wiederum aus der Natur und dem Wesen der +Kunst beantworten.</p> + +<p>Das Wesen der Schauspielkunst aber ist vollkommene Vergesellschaftung +<strong>Aller</strong>, mit Erhaltung der Eigenheit des <strong>Einzelnen</strong>. Sie fordert gänzliche +Hingebung an den Gesammtvortheil der Totalwirkungen, fordert +Selbstverläugnung in einer Thätigkeit, welche Ehrgeiz und Eitelkeit am +gewaltigsten aufregt, fordert, daß der Einzelne die Befriedigung seines +<strong>eignen</strong> Vortheils in der Befriedigung des <strong>allgemeinen</strong> finde, <strong>die +Schauspielkunst fordert also republikanische Tugend in höchster Potenz</strong>.</p> + +<p>Um diese zu wecken und zu pflegen bedarf das Theater folgerichtig auch +republikanischer Einrichtungen. Diese Erkenntniß datirt nicht etwa aus +den politischen Bewegungen unserer Tage, schon die absolutesten +Herrscher haben ihr gemäß gehandelt. Ludwig XIV. gab dem <i>théâtre +français</i> die erste Verfassung, die Napoleon späterhin ausbildete. Joseph +II. führte eine ähnliche am Wiener Nationaltheater ein. Dalberg in +Mannheim, Schröder in Hamburg u. A. m. nahmen ihre Grundsätze auf. Es +ist also nichts Neues, wenn das Theater eine künstlerische +Selbstregierung durch Vertretung, und aus freiem Vertrauen<a id="Page_35"></a> + <span class="pagenum">[35]</span> +gewählte Vorstände erhält, es ist eine Nothwendigkeit, die sich aus +tausend Hemmungen und Mißhelligkeiten in der Theaterpraxis ergiebt. Denn +es sind nicht blos mechanische Verrichtungen, welche von dem Personal — +selbst dem untergeordneten — gefordert werden, der gute Wille, der +lebendige Antheil an der gemeinsamen Sache, die eifrige Betheiligung +müssen überall das Beste thun. Dies Alles aber ist nicht zu erlangen, +wenn nicht jeder Einzelne fühlt, daß er wirklichen Theil hat an dem +organischen Leben des Institutes, dem er angehört, wenn die Führer nicht +Männer des allgemeinen Vertrauens sind.</p> + +<p>Darum muß die Gliederung der verschiedenen Körperschaften im Personale +festgestellt und der Grundsatz der <strong>Wahl</strong> von Vertretern und Führern, von +unten auf geltend gemacht werden; die Direction wird dadurch erleichtert +und vereinfacht.</p> + +<p>Die Mitglieder des <strong>Orchesters</strong>, des <strong>Chors</strong> und des <strong>Balletts</strong> wählen sich +alljährlich <strong>Ausschüsse</strong> von drei bis fünf Männern etwa. Bei Chor und +Ballett übernehmen diese das bereits eingeführte Geschäft der +Inspicienten, handhaben Ordnung in Vorübungen, Proben und Vorstellungen +u. s. w.; alle aber vertreten<a id="Page_36"></a> + <span class="pagenum">[36]</span> ihre Körperschaft der Direction +gegenüber, bei Wahl von Vorständen, bei Verwaltung gemeinsamer Kassen +und in Streit- und Beschwerdesachen. Zum Theil besteht diese Einrichtung +bereits an einigen Bühnen, sie bedarf aber grundsätzlicher Regelung.</p> + +<p>Diese Ausschüsse mit ihren Vorständen — Kapellmeister, Musikdirector +und Conzertmeister, Chordirector und Ballettmeister — treten mit +sämmtlichen darstellenden Mitgliedern, männlichen und weiblichen, +zusammen<a id="zus4"></a><a title="Go to footnote 4." href="#fn4" class="fnanchor">[4]</a> und <strong>wählen den Künstler, dem sie die meisten Fähigkeiten +zutrauen, die Ehre und Würde des Institutes zu fördern</strong>, durch mindestens +zwei Drittel Mehrheit der Stimmen, <strong>zum Director</strong>.</p> + +<p class="footnote"><a id="fn4"></a><a title="Return to text." href="#zus4" class="label">[4]</a> Obwohl die darstellenden Mitglieder ebenfalls einen +vertretenden Ausschuß haben müssen, von dem nachher die Rede sein wird, +so betheiligen sie sich doch bei der Wahl des Directors <strong>unmittelbar</strong>, +weil jeder Einzelne in unmittelbarer Beziehung zu diesem steht. Die +übrigen Genossenschaften, Orchester, Chor und Ballett, stehen +größtentheils nur in ihrer Gesammtheit — da sie in dieser nur wirken — +in Bezug zum Director, darum wählen sie nur als Genossenschaft durch +Vertretung. Auch würde ihre Stimmenüberzahl ein unrichtiges +Betheiligungsverhältniß ergeben.</p> + +<p>Dem Ministerium steht es zu, die Wahl zu bestätigen.<a id="Page_37"></a> + <span class="pagenum">[37]</span></p> + +<p>Man darf sich überzeugt halten, daß der rechte Mann auf diese Weise +gefunden wird. Wie gering man auch den allgemeinen Bildungsstand der +Theatermitglieder anschlagen mag, was zu ihrem Fache taugt, verstehen +sie besser, als irgend sonst Jemand, und wo es sich um Ehre und Gedeihen +des Theaters handelt, wird persönliche Parteilichkeit die Freiheit des +Urtheils nicht mehr benachtheiligen, als dies bei anderen Wahlen +geschieht.</p> + +<p>Dem Ministerium sowohl, als den künstlerischen Ausschüssen steht es +frei: Wahlcandidaten, auch von andern Bühnen, vorzuschlagen.</p> + +<p>Eine Dauer der Amtsführung kann im Voraus nicht vorgeschrieben werden, +ein Theaterdirector kann so wenig, als ein Staatsminister, auf +Lebenszeit oder auf eine bestimmte Anzahl von Jahren eingesetzt werden. +Es muß ihm freistehen, den Posten aufzugeben, wenn er Muth, Kraft und +Lust dazu verliert, — was in diesem Amte schneller, als in jedem +anderen geschieht, — aber es muß auch möglich sein, ihn des Postens zu +entheben, wenn er stumpf wird, ohne es zu merken, oder er dem Vertrauen +der Kunstgenossenschaft und der Regierung nicht entspricht.<a id="Page_38"></a> + <span class="pagenum">[38]</span></p> + +<p>Diese Enthebung darf aber nur — um Gewaltsamkeit oder Intrigue zu +entwaffnen — in derselben Weise, wie die Wahl geschehen, durch Beschluß +des Ministeriums und der zwei Drittel Mehrheit der Stimmberechtigten.</p> + +<p>Der austretende Director — wenn nicht Straffälligkeit ihn aus der +Genossenschaft entfernt — nimmt seine frühere Stellung im Personale, +oder diejenige ein, welche auf diesen Fall mit dem Ministerium +verabredet worden. Es leuchtet ein, daß das Ministerium überhaupt in +jedem einzelnen Falle mit dem gewählten Director über die Bedingungen +der Annahme übereinkommen muß. Dazu ist aber die dringende Warnung +auszusprechen: den Director der Residenztheater in keiner Weise bei den +Einnahmen zu betheiligen. Er darf niemals persönlichen Gewinn, sondern +nur die Ehre und Würde des Institutes im Auge haben.</p> + +<p>Die Stellung des Directors wird sich erst übersehen lassen, wenn die +ganze Organisation des Theatervorstandes klar ist.<a id="Page_39"></a> + <span class="pagenum">[39]</span></p> + +<hr class="small" /> + +<p><strong>Der Kapellmeister in der Direction hat die Verantwortung für das +gesammte Musikwesen des Theaters zu übernehmen.</strong> Ihm sind die übrigen +Orchesterdirigenten, so wie der Chorlehrer untergeben, mit deren Beirath +er über Anstellungen, Verabschiedungen und Pensionirungen im Orchester, +über Wahl, Reihefolge und Ausführung der Musikwerke Vorschläge zu +machen, und sobald diese durch die Direction zum Beschluß erhoben +worden, für Betreibung des Studiums und für die Vollkommenheit der +Ausführung zu sorgen hat.</p> + +<p>Der Kreis dieser Wirksamkeit wird bereits an vielen Bühnen von dem +Kapellmeister beherrscht, darum würden die in Amt befindlichen fast +überall für die neue Organisation passen. Es gälte nur: den Umfang ihrer +Machtvollkommenheit und also ihrer Verantwortlichkeit zweifellos +festzustellen und da, wo die musikalischen Angelegenheiten in +verschiedenen Händen liegen, sie in einer einzigen zu centralisiren. Wo +zwei gleichberechtigte Kapellmeister im Amte sind, müßte der eine dem +anderen untergeordnet oder die Directionsgewalt jährlich abwechselnd in +ihre Hand gelegt werden, bis ein Personenwechsel über diese Auskunft +hinweghilft. Denn unverrückt<a id="Page_40"></a> + <span class="pagenum">[40]</span> muß an dem Grundsatze festgehalten +werden, daß die Verantwortung überall in eine einzige Person auslaufe, +damit die so geregelten einzelnen Kreise schnell und gelenkig für den +allgemeinen Zweck bewegt werden können.</p> + +<p>Diese Einrichtungen dürfen natürlich nur in Uebereinkunft mit dem +Director getroffen werden, weil derselbe sich mit dem musikalischen +Mitdirector in grundsätzlicher Uebereinstimmung fühlen muß. Wenn daher +die Stelle des Kapellmeisters neu zu besetzen ist, so muß der Director +sich mit der Aufstellung der Candidaten, welche das Ministerium oder der +musikalische Ausschuß, neben den von ihm selbst vorzuschlagenden, +präsentiren will, einverstanden erklären.</p> + +<p><strong>Die Ernennung eines neuen Kapellmeisters geschieht durch Wahl der +musikalisch Betheiligten</strong> mit zwei Drittel Stimmenmehrheit und +Bestätigung der Regierung. Stimmberechtigt sind — in Analogie mit der +Wahl des Directors — die Sänger und Sängerinnen der Oper, die übrigen +musikalischen Vorstände und die Ausschüsse des Orchesters<a id="Orc5"></a><a title="Go to footnote 5." href="#fn5" class="fnanchor">[5]</a> und des +Chors.</p> + +<p class="footnote"><a id="fn5"></a><a title="Return to text." href="#Orc5" class="label">[5]</a> Ob man alle Orchestermitglieder für stimmberechtigt +erklären will, muß lokalen Bestimmungen überlassen bleiben. +<a id="Page_41"></a> + <span class="pagenum">[41]</span></p> + +<p>Ob die Anstellung auf Zeit oder auf Lebensdauer geschehen soll, wird von +den Bedingnissen jedes einzelnen Falles abhängen. Zu erwägen ist nur, +daß der Rücktritt, lediglich von der Theilnahme an der Direction, nur da +möglich ist, wo ein zweiter Kapellmeister dafür einzutreten vorhanden +ist.</p> + +<hr class="small" /> + +<p>Der <strong>Theaterdichter</strong> und <strong>Schriftführer</strong> —man mag ihn auch <strong>Dramaturg</strong> nennen +— hat, wie herkömmlich, für das Bedürfniß der Bühne an +Gelegenheitsgedichten, Bearbeitungen, Abänderungen, Verbesserungen der +Operntexte u. s. w. zu sorgen, auch die Bureaugeschäfte und +Correspondenz zu führen, so weit ihm letztere nicht vom Kapellmeister +und Director erleichtert wird. Seine wesentliche Aufgabe aber wird sein, +<strong>die Literatur, den Geist der Dramatik zu vertreten</strong>. Er soll von dieser +Seite her immer neue Anregungen geben, damit die Direction sich nicht +einer blos herkömmlich theatralischen Richtung und den gewöhnlichen +Tagesforderungen hingebe. Er soll also der wichtigste Rathgeber des +Directors sein in Allem, was die<a id="Page_42"></a> + <span class="pagenum">[42]</span> höhere Bedeutung der Bühne +berührt; besonders also in der Wahl der aufzuführenden dramatischen +Werke. Er soll den Director vornehmlich unterstützen: im Kunstpersonale +ein allgemeines Bildungsbestreben zu wecken und zu nähren. Durch +Anregungen aller Art, durch Vorträge, Regelung der Lectüre, Aufsicht +über Vervollständigung und Benutzung der Theaterbibliothek in diesem +Sinne, durch bereite Auskunft über wissenschaftliche Fragen, durch +Vermittelung eines innigen Verkehrs mit literarischen Capacitäten und +eines Zusammenhanges mit den Vereinen dramatischer Autoren — deren +Bildung durch die Reorganisation des Theaters gewiß angeregt werden wird +— soll er den Geist des Institutes heben und erweitern.</p> + +<p>Daß dieser Posten von der allergrößten Wichtigkeit, leuchtet ebensowohl +ein, als daß die meisten zur Zeit fungirenden Theatersecretaire — die +ebensowohl beim Post-oder Steuerfache angestellt sein könnten — diesen +Forderungen nicht entsprechen werden; diese Stelle wird also bei einer +Bühnenreform fast überall neu besetzt werden müssen.</p> + +<p>Aus einer Wahl kann dieses Mitglied der Direction nicht hervorgehen, +weil keine wahlberechtigte Körperschaft<a id="Page_43"></a> + <span class="pagenum">[43]</span> dazu vorhanden ist.<a id="ist6"></a><a title="Go to footnote 6." href="#fn6" class="fnanchor">[6]</a> Die +darstellenden Mitglieder können in ihrer Mehrheit kein Urtheil über +seine Befähigung haben, auch sind sie in dienstlicher Beziehung nicht +dergestalt von ihm abhängig, daß er der Mann ihres Vertrauens sein +müßte. Es wird genügen, wenn die Majorität des Ausschusses der +darstellenden Künstler der Ernennung beistimmt, welche vom Ministerium, +in Uebereinkunft mit den beiden andern Directionsmitgliedern, +vorgenommen wird.</p> + +<p class="footnote"><a id="fn6"></a><a title="Return to text." href="#ist6" class="label">[6]</a> Bis jetzt existiren keine Vereine dramatischer Autoren, +denen eine corporative Vertretung beizumessen wäre und denen man darum +eine Betheiligung bei der Wahl dieses Vertreters der dramatischen +Literatur zumuthen könnte.</p> + +<hr class="small" /> + +<p>Dieser <strong>Ausschuß der darstellenden Künstler</strong> ist für die +Gesammtorganisation überhaupt von großer Wichtigkeit.</p> + +<p>Gleich den Musikern, Choristen und Tänzern erwählt alljährlich das +darstellende Personal, Herren und Damen, einen Ausschuß von mindestens +fünf Männern, darunter wenigstens je zwei aus Oper und Schauspiel.<a id="Page_44"></a> + <span class="pagenum">[44]</span></p> + + +<p>Von diesen Vertrauensmännern des Personals hat der Director sich die +<strong>Regisseure</strong> zu seinen künstlerischen Mitarbeitern zu wählen. Im Fall +längerer Krankheit oder Abwesenheit eines derselben ernennt der Director +aus den übrigen Ausschußmitgliedern einen <strong>Stellvertreter</strong>. Die Entfernung +eines Regisseurs von seinem Posten muß natürlich in der Gewalt des +Directors stehen, doch hat er sich mit dem übrigen Ausschusse deshalb zu +benehmen.</p> + +<p>In ähnlicher Weise, d. h. unter Beirath der betreffenden Ausschüsse, +werden <strong>alle Vorstände zweiten Ranges</strong> eingesetzt: <strong>Orchesterdirigenten</strong>, +<strong>Chordirector</strong>, <strong>Ballettmeister</strong>. Diese können natürlich nicht aus +Vertrauensmännern ernannt werden, welche das Personal bezeichnet, weil +sie oft von andern Theatern berufen werden müssen, immerhin aber wird es +wichtig sein, daß die Direction verpflichtet sei: sich der Zustimmung +des betreffenden Ausschusses zu versichern, damit das unentbehrliche +Moment des ausgesprochenen Vertrauens zu allen Vorständen die ganze +Bühnenverfassung durchdringe.</p> + +<p>Der, nach Wahl zweier Regisseure mindestens aus drei Personen bestehende +Ausschuß der darstellenden +<a id="Page_45"></a> + <span class="pagenum">[45]</span> Künstler wird in dieser Zahl jährlich +neu gewählt, wenn nicht der Austritt eines oder beider Regisseure eine +Ergänzungswahl nöthig macht.</p> + +<p>Der Ausschuß der drei Künstler ist, wie bei den andern Genossenschaften, +Vorstand der Almosen-, Pensions-und Wittwenkassen u. s. w., zugleich +aber übt er die Vertretung des Kunstpersonals der Direction gegenüber. +Er wird dadurch zum Mittelgliede der Ausgleichung für die +entgegenstehenden Interessen, die sich so oft in der Theaterpraxis +geltend machen. In vielen Streitfällen, welche nach dem Buchstaben der +Theatergesetze nicht, sondern nur nach dem Urtheile Sachverständiger zu +entscheiden sind, bei Beschwerden über parteiische Rollenvertheilung, +über Beeinträchtigung künstlerischer Rechte, welche durch kein +geschriebenes Wort zu sichern sind, hingegen auch bei bestrittenen +Ansprüchen der Direction wird das Hinzutreten des Ausschusses zu +denjenigen Vorständen, in deren Gebiet der Fall schlägt, eine Jury +bilden, welche dem Ausspruche eine größere Unparteilichkeit verleihen +muß. Alle Gesetze, Ordnungs- und Strafverfügungen, Entlassungen wegen +Dienstvergehungen oder gröblicher Vernachlässigung — welche auch +lebenslänglich Angestellten nicht erspart werden dürfen — werden, +unter<a id="Page_46"></a> + <span class="pagenum">[46]</span> Mitwirkung des Ausschusses erlassen, eine gerechtere +Anerkennung erlangen und verdienen. Der Ausschuß, die Interessen des +Personals vertretend und zugleich auf der Schwelle der Direction +stehend, wird das Gleichgewicht zwischen dem allgemeinen und dem +Einzelinteresse am sichersten halten können. Und was noch überaus +wichtig ist, der Ausschuß wird eine Vorbereitungsstufe abgeben für die +Directionstalente, die rascher als bisher in die künstlerischen Aemter +eintreten werden, wenn sie sich auszeichnen, weil die kräftigere +Bewegung, welche die Selbstregierung in den Genossenschaften +hervorbringen muß, die abgenutzten Vorstände nicht lange an der Spitze +dulden, überhaupt die Hemmnisse der Anciennetät, des Rollenmonopols u. +s. w. beseitigen wird.</p> + +<p>Vor Allem aber muß diese allgemeine Betheiligung an der künstlerischen +Selbstregierung das eine wichtigste Lebenselement der Schauspielkunst +stärken, das der <strong>künstlerischen Gesinnung</strong>, des <strong>Gesammtgeistes</strong>. Das +selbstsüchtige Sonderinteresse einzelner Talente, durch hervorragende +Fähigkeiten und durch geschickte und dreiste Ausbeutung der bisherigen +Verhältnisse, fast an allen Hofbühnen zu einer Gewalt gelangt, die das +allgemeine Gedeihen schlechterdings unmöglich<a id="Page_47"></a> + <span class="pagenum">[47]</span> macht, dieser +Krebsschaden des heutigen Theaterwesens, der die beste Lebenskraft der +Institute zur Beute der Eitelkeit und Eigensucht weniger Bevorrechteter +macht, kann nur durch die Gesundheit und Kräftigung der gesammten +Körperschaft geheilt werden. Entweder werden die Theatermatadore durch +eine edlere Richtung der Bühne zu einer edlen Hingebung an die +Herrschaft des Gemeinwesens der Kunst bewogen, oder ihre Anmaßung wird +durch die gehobene Gesinnung der Kunstgenossen beschämt und +niedergehalten werden. Dies wird um so eher geschehen, als das +Sonderinteresse sich nicht mehr in dem Mißbrauch der Hofgunst nähren +wird, die Direction dagegen, auf bestimmte Staatsgrundsätze gestützt und +dem Lande verantwortlich, das allgemeine Interesse dem einzelnen +gegenüber energischer wird vertreten können und müssen.</p> + +<hr class="small" /> + +<p>Bei einer solchen Bühnenverfassung wird die Direction — aus dem +besonnenen Vertrauen der Genossenschaft hervorgegangen, deren beste +Einsicht sie repräsentirt — an und für sich stark sein,<a id="Page_48"></a> + <span class="pagenum">[48]</span> aber die +Oberbehörde darf sie auch in keiner Machtvollkommenheit beschränken, +welche es ihr möglich macht, die ganze Verantwortung für die Leistungen +der Bühne zu übernehmen und dem Personal gegenüber die vollkommenste +Autorität zu behaupten.</p> + +<p>Von der künstlerischen Direction müssen daher alle <strong>Anstellungen</strong>, +<strong>Verabschiedungen</strong>, <strong>Beurlaubungen</strong> und <strong>Pensionirungen</strong> abhängig sein. Dem +Ministerium bleibe die Bestätigung, damit Ueberschreitungen im +Ausgabeetat oder Uebereilungen vermieden werden. Die Beurtheilung aber +und Entscheidung über die Zusammensetzung des Personals muß der +Direction durchaus anheim gegeben werden. Ebenso hat sie allein über die +Zulässigkeit der <strong>Gastspiele</strong> zu entscheiden; wobei ihr nur zur Pflicht +gemacht werden muß, dem allgemein eingerissenen tief verderblichen +Mißbrauche derselben zu steuern, der die Geldmittel der Theater +vergeudet, das künstlerische Ensemble untergräbt, das vereinzelte +Virtuosenspiel bei den Künstlern und das Vergnügen daran bei dem +Publikum hervorruft, auch dessen Neuigkeitsgier und Parteinahme +steigert.</p> + +<p>Der Direction muß ferner die Entscheidung über <strong>Wahl und Reihenfolge der +aufzuführenden Werke</strong>,<a id="Page_49"></a> + <span class="pagenum">[49]</span> die <strong>Rollenbesetzung</strong>, <strong>Ausstattung</strong> in +<strong>Decorationen</strong> und <strong>Costüm</strong>, die Aufstellung des <strong>Repertoirs</strong> überlassen sein. +Daß ein verderblicher Eigenwille sich in den Entscheidungen des +Directors geltend machen werde, ist nicht zu fürchten, weil alle Dinge +mit den übrigen Vorständen berathen werden müssen, der Director nur der +Erste unter Gleichen, er auch der Ueberwachung und zuletzt der Anklage +bei der Ministerialdirection von Seiten des Ausschusses ausgesetzt ist.</p> + +<p>Mit unbeschränkter Gewalt soll aber der künstlerischen Führung die Kunst +zurückgegeben, der Mittelpunkt ihrer Thätigkeit aus dem Bureau wieder +auf den Regieplatz in's Proscenium der Bühne, wo er naturgemäß liegt, +versetzt werden. <strong>Die künstlerische Arbeit sei wieder die Hauptaufgabe +der Theaterdirection.</strong></p> + +<p>Dabei aber darf sie, ebensowenig wie von der Ministerialdirection, von +der Einmischung des Ausschusses beeinträchtigt werden. An der +regelmäßigen Geschäftsführung darf demselben kein Theil zustehen, die +schon so complicirte Theaterpraxis würde sonst in babylonische +Verwirrung gerathen, der Ausschuß würde dadurch ein integrirender<a id="Page_50"></a> + <span class="pagenum">[50]</span> +Theil der Direction werden und seinen Charakter als Vertreter der +Genossenschaft, der Direction <strong>gegenüber</strong>, einbüßen.</p> + +<p>Die Stärke der Theaterdirection soll aber keinesweges den Einfluß der +Staatsbehörde ausschließen. Die Direction — abgesehen von ihrer später +zu besprechenden administrativen Abhängigkeit — hat alle ihre Pläne, +vorhabenden Einrichtungen und vorzubereitenden Arbeiten, vierteljährlich +etwa, dem Ministerialdirector vorzulegen, damit er sich überzeuge, ob +das Institut die Staatstendenzen innehalte.</p> + +<p>Ferner ist das Ministerium in allen Streitsachen letzter und oberster +Gerichtshof, sowohl in Differenzen zwischen Direction und Untergebenen, +als zwischen den Mitgliedern der Direction selbst, oder in Klagen gegen +dieselbe von Seiten der Autoren, des Publikums u. s. w., sie mögen sich +nun auf materielle Forderungen oder auf solche, welche den Geist des +Institutes betreffen, richten.</p> + +<hr class="small" /> + +<p>Die Aufgaben, welche dem so reformirten Nationaltheater gestellt werden +müssen, sind nicht gering.<a id="Page_51"></a> + <span class="pagenum">[51]</span></p> + +<p>Vor allem thut es Noth, ein <strong>Stammrepertoir</strong> der bedeutendsten Dicht- und +Musikwerke aufzustellen, das in alljährlicher Wiederkehr die Künstler in +der Uebung am Vortrefflichen erhält, dem Volke den Genuß seines +Kunstschatzes in Musteraufführungen sichert, ihm den ganzen +Entwicklungsproceß des Theaters zugleich klar macht und ihm Ehrfurcht +für das, was es leistet, einflößt.<a id="ein7"></a><a title="Go to footnote 7." href="#fn7" class="fnanchor">[7]</a> </p> + +<p class="footnote"><a id="fn7"></a><a title="Return to text." href="#ein7" class="label">[7]</a> Was Goethe davon sagt, siehe Geschichte der deutschen +Schauspielkunst B. III. S. 379-382.</p> + +<p>Auf einem Nationaltheater soll keine Woche vergehen, in welcher nicht +eins der Werke aus diesem klassischen Cyklus gegeben wird. Jedes +kirchliche oder politische Fest, jeder für die Nation merkwürdige Tag — +bezeichne er eine große Begebenheit oder die Geburt eines großen +Künstlers u. s. w. — werde durch eine entsprechende Vorstellung +gefeiert und in die Sympathie der Gegenwart gezogen. Auch die wichtigen +Ereignisse des Tages sollen ihren Ausdruck auf der Nationalbühne finden; +sie soll nicht bestimmt sein, die Eindrücke des Lebens vergessen zu +machen, sondern dem Volke ein höheres und heiteres Verständniß derselben +zu eröffnen.<a id="Page_52"></a> + <span class="pagenum">[52]</span></p> + +<p>Um all dieser Zwecke willen wird dem Nationaltheater die <strong>Ermuthigung und +Befeuerung der Autoren</strong> dringend angelegen sein müssen. Auffordernde +Anregungen aller Art, angemessenere Regulirung des Honorars, Eröffnung +einer achtungsvollen Stellung zur Bühne — wie sie den Schöpfern der +geistigen Nahrung derselben gebührt — werden die nächsten Schritte dazu +sein.</p> + +<p>Dagegen fordert gerade die Achtung vor der Autorschaft, daß eine strenge +Auswahl unter den Tageserzeugnissen vorgenommen, das Mittelmäßige und +Schlechte nicht gleichberechtigt mit dem Guten betrachtet werde. Es +fordert die Achtung und Rücksicht für die darstellenden Künstler, daß +ihre Kraft und ihr Eifer nicht durch die Beschäftigung mit +nichtsbedeutenden Arbeiten abgestumpft werden. Es fordert die Achtung +vor dem Publikum: daß man es sicher stelle gegen die Langeweile an der +Darstellung von Arbeiten, wie sie zufällig einlaufen und worüber dem +Publikum hinterher das Urtheil überlassen wird. Die Direction ist dazu +eingesetzt, ein Urtheil im Voraus zu haben und dem Publikum nur wahrhaft +Erfreuendes oder Begeisterndes anzubieten, nicht aber das Vertrauen zu +täuschen, mit dem das Volk sein Theater betritt, nicht die Kräfte und +Mittel, die es ihr zur Verwendung<a id="Page_53"></a> + <span class="pagenum">[53]</span> übergiebt, aus persönlicher +Rücksicht oder Furcht vor Journalartikeln abgewiesener Autoren zu +vergeuden. Die Direction eines Nationaltheaters soll ihre Bühne nicht +zum Tummelplatz für bloße Neuigkeiten und unreife Versuche eröffnen, +dagegen sie mit aller Hingebung den werthvollen Arbeiten anbieten und +das Interesse der Autoren bei der Darstellung zu ihrem eigenen machen.</p> + +<p>Die ganze Praxis der künstlerischen Leitung hier zu besprechen, ist +weder zulässig noch nöthig, einige Momente aber scheinen mir anregender +Erwähnung zu bedürfen.</p> + +<p>So wird unter Allem, was für die möglichste Vollendung der Darstellungen +geschehen muß, auf das <strong>Malerische</strong> derselben eine größere Sorgfalt, als +sie bisher in Deutschland üblich, zu wenden sein.</p> + +<p>Die <strong>Decorationen</strong> werden meist auf einzelne Bestellung, bald hier bald +dort, oder doch von verschiedenen Malern gefertigt. Natürlich entsteht +dadurch die größte Ungleichartigkeit. Werden auch die auffallendsten +Mißgriffe dabei vermieden, so sieht man doch selten die Decorationen ein +und desselben Stückes in übereinstimmender Farbe und Behandlungsart. Oft +sieht man in ein und derselben Scene Prospect, Coulissen und Setzstücke +von dreifach grell verschiedener Manier. Hierin<a id="Page_54"></a> + <span class="pagenum">[54]</span> Uebereinstimmung +zu schaffen, die richtige Unterordnung der Farbe bei den Decorationen +überhaupt einzuführen, genügt aber nicht allein, auch auf die Farben der +<strong>Costüme</strong> und ihre Stimmung zum Hintergrunde der Handlung sollte +Aufmerksamkeit gewendet werden. Das ganze Gebiet der Theatertracht +bedarf im Allgemeinen einer gründlichen Regelung. Bei den wenigsten +Bühnen sind Costümiers angestellt, Unkenntniß, Laune, Geschmacklosigkeit +und Putzsucht erzeugen daher das grundsatzloseste, bunteste +Durcheinander, das für jedes einigermaßen gebildete Auge eine wahre +Beleidigung ist.</p> + +<p>Costümier und Decorateur müssen also in genauem Einverständniß gehalten +werden. Wo es die Verhältnisse gestatten, muß ihnen der Rath großer +malerischer Capacitäten gewonnen werden; wie denn überhaupt mit den +Höchstbefähigten in Literatur, Plastik, Musik, auch aller Wissenschaft, +die sonst der Bühne dienen kann, die Verbindung mehr gesucht und +unterhalten werden muß, als es bisher der Fall war. Zu diesen Zwecken +müssen die Theatervorstände zugleich Mitglieder der Kunstakademie sein. +Auch wird die ministerielle Gesammtleitung aller Künste dem Theater +große Unterstützung verschaffen, sich<a id="Page_55"></a> + <span class="pagenum">[55]</span> von allen Künsten das Beste +anzueignen, sich stets mitten in der Strömung allseitigen Lebens zu +halten, um so in seinen Werken der Nation das Trefflichste bieten zu +können.</p> + +<p>Ihre Eigenheit dabei zu bewahren, wird freilich eine neue Aufgabe der +Schauspielkunst und ihrer Leitung sein. Indem sie aber von Allen +entlehnt, das Entlehnte jedoch anders und frei benutzt, werden in ihr +auch die übrigen Künste ihr eignes Wesen schärfer erkennen; sie wird so +den Kreis der akademischen Künste erst verständigend abschließen.</p> + +<p>Selbständig muß die Theaterdirection sich durchaus erhalten, unabhängig +von allen Forderungen, in deren Erfüllung die einzelnen Künste sich +selbst gern auf dem Theater fänden. Die Schauspielkunst muß wissen, was +sie auszuführen vermag, und darum Alles abweisen was sie nicht lebendig +machen kann. Sie muß die Productionen der andern Künste zu verwenden +wissen, nicht aber sich ihnen dienstbar machen. Gleichweit von +theatralischer Herkömmlichkeit, wie von unfruchtbaren Experimenten, hat +sie den schwierig einzuhaltenden Weg einer unablässigen Fortentwicklung +und Bereicherung der Kunst in den Grenzen ihrer eigensten Natur zu +finden.<a id="Page_56"></a> + <span class="pagenum">[56]</span></p> + +<p>Um dies ausführen zu können, wird die Direction es aber auch nicht an +Anregungen zur <strong>Bildung</strong> und zum <strong>Kunstverständniß des Personals</strong> fehlen +lassen dürfen. Was die Eckhof'sche Schauspielerakademie,<a id="Sch8"></a><a title="Go to footnote 8." href="#fn8" class="fnanchor">[8]</a> die +Manheimer Ausschußsitzungen,<a id="Aus9"></a><a title="Go to footnote 9." href="#fn9" class="fnanchor">[9]</a> der Berliner Schauspielerverein in der +neuern Zeit, gesollt: die Schauspieler nämlich zu gemeinsamem +Kunststreben und gegenseitiger Forthülfe sammeln, das dürfte bei +wahrhaft künstlerisch organisirten Theatern endlich, zu unberechenbarem +Vortheil des Gesammtgeistes und des nachwachsenden Geschlechtes, Bestand +gewinnen.</p> + +<p class="footnote"><a id="fn8"></a><a title="Return to text." href="#Sch8" class="label">[8]</a> Gesch. d. deutschen Schauspielkunst. Bd. II. S. 88.</p> + +<p class="footnote"><a id="fn9"></a><a title="Return to text." href="#Aus9" class="label">[9]</a> Ebendas. Bd. III. S. 18.</p> + +<p>Von großer Wichtigkeit wird es sein, wenn die Nationaltheater <strong>die +Spieltage vermindern</strong>. Die Alltäglichkeit des Schauspiels ernüchtert +Publicum und Künstler. Könnten zwei Tage, oder auch nur einer in der +Woche ausfallen, so würden die Vorstellungen wieder einen größeren, +einen festlichen Reiz für das Publicum gewinnen, und der um so +lebhaftere Besuch den Kassenverlust der ausfallenden Tage hinlänglich +ersetzen. Die Künstler aber gewönnen durch die Ruhetage größere +Elasticität und<a id="Page_57"></a> + <span class="pagenum">[57]</span> wärmere Begeisterung und, was nicht minder wichtig +ist, mehr Zeit und Sammlung, um die Vorstellungen mit der letzten +Sorgfalt vorzubereiten. Die Hast und Noth für jeden Tag eine Vorstellung +zu schaffen, ist eines der wesentlichsten Hindernisse für die heutige +Bühne: höhere Kunstforderungen zu befriedigen.</p> + +<p>Die Abende, an denen das Theater feiert, würden, für das Publicum um so +gelegener, durch Concerte oder Kunstgenüsse anderer Art ausgefüllt +werden.</p> + +<p>Ferner müßte das Nationaltheater dahin streben, die <strong>Eintrittspreise</strong>, +besonders für die wohlfeileren und mittleren Plätze zu <strong>ermäßigen</strong>. Der +Theaterbesuch ist noch viel zu kostspielig, als daß er seine volle +Wirkung auf alle Schichten des Volkes äußern könnte. Der durch +wohlfeilere Preise vermehrte Besuch würde die Kasse entschädigen, oder +Ersparnisse im Ausgabeetat müßten es thun, deren nähere Angaben hier zu +weit führen würden.</p> + +<hr class="small" /> + +<p>Es ist noch übrig, den Punkt, welcher bisher als der wichtigste +gegolten, zu erörtern, den der <strong>Finanzen</strong>, des richtigen Verhältnisses +zwischen Einnahme und Ausgabe.<a id="Page_58"></a> + <span class="pagenum">[58]</span></p> + +<p>Nach dem Prinzip des Nationaltheaters sollen die <strong>Einnahmen</strong> nur durch +würdige Mittel, durch möglichst vollkommene, dem Volksgeschmacke +wahrhaft gedeihliche Vorstellungen erzielt werden; diese können durch +die künstlerische Direction als gesichert erachtet werden, denn bessere +Leistungen bringen auch bessere Einnahmen. Die Verwaltungsfrage wird +sich daher wesentlich um die richtige <strong>Verwendung</strong> der Geldmittel, welche +dem Theater zu Gebote stehen, drehen.</p> + +<p>Der Ausgabeetat werde nach der Summe, welche der Staatszuschuß und dem +Minimalsatz der jährlichen Einnahme ergeben, festgesetzt. Derselbe müsse +nur nach Maßgabe erworbener Ueberschüsse überschritten werden dürfen, +jährlich aber ein Theil des Staatszuschusses zu einem Reservefonds +zurückgelegt werden, damit die mannichfachen Wechselfälle, denen das +Theater durch die Zeitereignisse ausgesetzt ist, dasselbe niemals +mittellos finden. Von diesen Grundzügen der Theaterökonomie müsse +niemals gewichen werden, damit der Staat die Garantie hätte: nur in den +außer aller menschlichen Berechnung liegenden Fällen vor den Riß treten +zu müssen.</p> + +<p>Daß der Theaterhaushalt auf dieser Basis zu führen ist, steht bei einer +künstlerischen Direction außer Zweifel,<a id="Page_59"></a> + <span class="pagenum">[59]</span> die durch bestimmte +Staatsgrundsätze geschützt ist: nicht jedem kostspieligen Gelüsten eines +dominirenden Geschmackes, nicht jeder unmäßigen Geldprätension +hervorragender Talente fröhnen zu müssen. <strong>Bei jedem, wenn nur irgend +gesicherten, hohen oder niedrigen Einnahmeetat ist ein Theater +herzustellen, in dem der Geist lebendig ist</strong>, und wenn hierauf nur der +Accent gelegt wird, ergiebt sich alles Uebrige leicht. Man nehme keinen +Anstand, einer selbständigen, künstlerischen Direction die Aufgabe +zuzuschieben, sie kann, sie wird sie lösen. Sie wird bei einer sicherer +berechneten und geleiteten Verwendung der Talente schon im Gehaltetat, +gewiß aber in den Ausgaben für allen Apparat, der so ungeheure Summen +verzehrt, große Ersparnisse herbeiführen können. Inmitten der Production +stehend, kann sie das Auge überall haben, sie versteht mit Wenigem Viel +auszurichten, Dinge doppelt und dreifach zu benutzen, welche bei mancher +Hofbühne — die in der Fülle ihres aufgehäuften Apparates fast erstickt +— bereits doppelt und dreifach existiren und doch immer wieder aufs +Neue beschafft werden.</p> + +<p>Der Ausgabeetat werde nach monatlichen Durchschnittssummen, je nach den +verschiedenen Zweigen geordnet,<a id="Page_60"></a> + <span class="pagenum">[60]</span> wie dies schon jetzt gebräuchlich +ist. Das Ministerium hat diese Eintheilung zu bestätigen, aber auch +speciell darüber zu wachen, daß sie nicht ohne Noth überschritten werde. +Künstler sind selten geschickte Haushalter, daher muß der Regierung +zustehen: die Direction, in Bezug auf die Geldverwendung genau zu +controlliren und jeden Augenblick darüber Rechenschaft fordern zu +dürfen.</p> + +<p>Erleichtert wird dies, wenn der ganze Theaterhaushalt, wie dies bereits +bei einigen Hofbühnen der Fall ist, in die Hand eines einzigen Beamten +gelegt ist, der jede materielle Beschaffung vermittelt, das gesammte +Theaterinventarium unter seiner Aufsicht hat und die Controlle der +Einnahme und Ausgabe führt. Damit ist auch die Verantwortlichkeit für +die materielle Verwaltung in der Person dieses <strong>ökonomischen Inspectors</strong> +concentrirt und durch ihn kann die Oberbehörde in jedem Augenblick +vollständigen Aufschluß über den complicirten Theaterhaushalt erlangen.</p> + +<p>Dieser Posten, so wie der des Cassirers und anderer bloß verwaltenden +Beamten, wird durch die Regierung, in Uebereinkunft mit der +künstlerischen Direction, besetzt.</p> + +<p>Mit der Bemerkung: daß Anordnungen über Baulichkeiten in den Theatern, +über Hausordnung, die Aufnahme<a id="Page_61"></a> + <span class="pagenum">[61]</span> des Publicums u. s. w. von der +künstlerischen Direction, aber nur unter specieller Bestätigung der +Oberbehörde vorzunehmen sind, daß also die Direction, wie frei sie auch +auf rein künstlerischem Gebiete zu schalten habe, aus dem der +Administration doch entschieden abhängig sein müsse — wird die +Auseinandersetzung des Verhältnisses zwischen Ministerium und +Theaterdirection abgeschlossen sein.</p> + +<hr class="small" /> + +<p>Diese hier vorgeschlagene Reorganisation der großen und tonangebenden +Bühnen in Deutschland müßte sich am vortheilhaftesten in Wien und Berlin +erweisen, wo mehrere Theater vorhanden, welche eine Trennung der +verschiedenen dramatischen Gattungen und dadurch eine um so vollkommnere +Ausbildung jeder einzelnen begünstigen. Denn die Schwierigkeit: das +ganze recitirende Schauspiel, vom Trauerspiel bis zur Posse, daneben +heroische und komische Oper und Ballett, kurz die ganze dramatische +Möglichkeit auf ein und derselben Bühne, mit ein und demselben Personal +zur Vollkommenheit zu bringen, wird immer ungeheuer bleiben; selbst wenn +die vorgeschlagene organische Gliederung einer Direction von<a id="Page_62"></a> + <span class="pagenum">[62]</span> +Kunstverständigen die Lösung dieses Problems erleichtert.<a id="erl10"></a><a title="Go to footnote 10." href="#fn10" class="fnanchor">[10]</a> In <strong>Wien</strong> +aber z. B., wo Schauspiel, Oper und Posse bereits abgesonderte Theater +und abgesonderte Directionen besitzen, wo noch zwei andere Bühnen +vorhanden sind, mit deren Hinzuziehung sich eine noch weitere +Eintheilung nach dem Muster der Pariser Theater vornehmen ließe, wonach +dem <strong>Burgtheater</strong> sein bisheriges Gebiet des <strong>recitirenden Schauspiels</strong> +verbliebe, dem <strong>Kärnthnerthortheater</strong> die <strong>große Oper</strong> (nach dem Muster der +<i>Academie royale</i>), dem <strong>Josephstädter Theater</strong> die <strong>komische Oper</strong> und das +<strong>Singspiel</strong>, dem <strong>Wiedner-Theater</strong> das <strong>Spektakelstück und Melodram</strong>, dem +<strong>Leopoldstädter Theater</strong> die <strong>Volksposse</strong> zufiele — dort würde jede +Gattung, bei der vorgeschlagenen Organisation, sich ihrer Vollendung zuführen lassen.</p> + +<p class="footnote"><a id="fn10"></a><a title="Return to text." href="#erl10" class="label">[10]</a> Ausführlicheres hierüber Gesch. d. deutsch. +Schauspielkunst. Bd. III. S. 413 u. f.</p> + +<p>Freilich müßten aber alle fünf Theater Staatsanstalten werden und ihre +abgesonderten Directionen dem gemeinsamen höheren Prinzipe und der +Beaufsichtigung der Regierung unterworfen werden.<a id="Page_63"></a> + <span class="pagenum">[63]</span></p> + +<hr class="small" /> + +<p>Die preußische Regierung hat den wichtigsten Grundsatz der aus diesen +Blättern vorgeschlagenen Theaterreform, den einer ministeriellen +Oberleitung, bereits vor vierzig Jahren auf einige Zeit anerkannt,<a id="ane11"></a><a title="Go to footnote 11." href="#fn11" class="fnanchor">[11]</a> +<strong>Berlin</strong> hat unter <strong>Iffland</strong> schon eine musterhafte künstlerische Direction +gehabt, dort würde man also nur auf schon anerkannte Zustände zurück zu +fußen brauchen.</p> + +<p class="footnote"><a id="fn11"></a><a title="Return to text." href="#ane11" class="label">[11]</a> Gesch. d. deutsch. Schauspielk. Bd. III. S. 422 u. f.</p> + +<p><strong>Die erste und unabweisbare Maßregel einer Reorganisation der Berliner +Theater würde die Trennung der dramatischen Gattungen sein müssen.</strong></p> + +<p>Berlin besitzt drei Theater, angemessen in Lage und Beschaffenheit, um +eine natürliche Scheidung mit dem schönsten Erfolge vornehmen zu können.</p> + +<p>Im <strong>Schauspielhause</strong>, das zu der, leider immer geringer werdenden Zahl +derjenigen gehört, deren glückliche mittlere Größe noch eine naturgemäße +Menschendarstellung zuläßt, wo der Schauspieler noch nicht genöthigt ist +zum Ueberbieten aller Mittel zu greifen um nur einen Eindruck +hervorzubringen, im Schauspielhause bliebe das sogenannte <strong>recitirende +Schauspiel</strong>, der eigentliche Kern<a id="Page_64"></a> + <span class="pagenum">[64]</span> der dramatischen Kunst: Tragödie, +Drama und Comödie, in reiner Gattung abgeschlossen, wie dies im Wiener +Burgtheater musterhaft und erfolgreich der Fall ist; nur ohne jene +peinliche Beschränkung, welche selbst Lieder und Chöre aus dem +Schauspiele verbannt. Im glanzvollen <strong>Opernhause</strong> die <strong>große Oper</strong> und die +<strong>komische</strong>, so weit sich diese vom Burlesken frei hält und die +musikalische Entwicklung als ihre wesentliche Aufgabe darlegt. Diesen +schlösse das <strong>Ballett</strong> sich an.</p> + +<p>Das behagliche <strong>Königsstädter Theater</strong> dagegen werde seiner ursprünglichen +Bestimmung eines <strong>Volkstheaters</strong> zurückgegeben. Hier werde der Maßstab des +höheren Schönheitsprinzipes und der Classicität nicht angelegt, in Ernst +und Scherz mögen die grellen Effecte walten, wie der Volksgeschmack sie +heischt. Dies Theater umfasse in seiner Thätigkeit das <strong>Schauerdrama</strong>, das +<strong>Spektakelstück</strong> und <strong>Melodram</strong>, die <strong>niedrig-komische Oper</strong> und <strong>Posse</strong>, das +<strong>komische Liederspiel</strong>, die <strong>Genrebilder</strong>, <strong>komische Pantomime</strong> und +<strong>Grotesktanz</strong> u. s. w. Hier kann das <strong>Berliner Localstück</strong> —wenn ihm, was +bisher nie geschehen, das Gebiet unbeeinträchtigt überlassen wird — +seine mögliche Ausbildung finden.</p> + +<p>Es wird dies ein Theater sein, am beliebtesten bei<a id="Page_65"></a> + <span class="pagenum">[65]</span> dem großen +Publicum und vielleicht mit einem geringeren Zuschuß, als ihr jetzt +durch die Krone zu Theil wird, im schönsten Flor zu erhalten.<a id="erh12"></a><a title="Go to footnote 12." href="#fn12" class="fnanchor">[12]</a> </p> + +<p class="footnote"><a id="fn12"></a><a title="Return to text." href="#erh12" class="label">[12]</a> Auf welche Weise das Königstädter Theater gänzlich in +Besitz der Krone und so der Regierung zu bringen wäre, muß Gegenstand +abgesonderter Erörterung bleiben.</p> + +<p>Die Subvention des Königl. Theaters würde zwischen Oper und Schauspiel +zu vertheilen sein. Nach der Erfahrung, welche die Trennung der Wiener +Theater an die Hand giebt, würde Oper und Ballet 2/3, das Schauspiel 1/3 +davon brauchen.</p> + +<p>Alle drei Theater erhielten abgesonderte Directionen, nach der +vorbeschriebenen Organisation, und fänden ihre gemeinsame Oberdirection +im Ministerium. Dieselbe hätte nicht nur Einsicht zu nehmen von den +Arbeitsplänen der einzelnen Directionen — wie früher angegeben — sie +hätte diese auch sämmtlich, vielleicht monatlich, zu gemeinschaftlichen +Sitzungen zu versammeln, damit die verschiedenartige Thätigkeit doch +nach einem übereinstimmenden Plane und Geiste geordnet werde, die neuen +Werke sich nicht gegenseitig im Eindruck beim Publicum hindern, die +Gattungen richtig gesondert blieben u. s. w. Zugleich<a id="Page_66"></a> + <span class="pagenum">[66]</span> würden, +durch diese gemeinschaftliche ministerielle Oberdirection, ausnahmsweise +Aufführungen von Werken, welche den Zusammentritt der ersten Talente +aller Gattungen erfordern, möglich bleiben; wie die Vorstellungen der +Antigone, des Sommernachtstraumes u. s. w. Der Uebelstand einer +absoluten Trennung des musikalischen vom recitirenden Drama, der in Wien +so oft empfunden wird, wäre dadurch vermieden und die großartigste +Entfaltung der Dramatik, dem ganzen Umfang ihrer Mittel nach, bliebe +freigegeben.</p> + +<p>Natürlich dürften solche combinirte Vorstellungen nur ausnahmsweise und +durch die hohe Bedeutung ihres Gehaltes gebotene sein, damit eine +abgesonderte Entwicklung der Gattungen und der einzelnen Theater nicht +zu oft gehindert würde.</p> + +<p>Welch eine Vollendung die dramatische Kunst in Berlin durch solche +Organisation gewinnen könnte, getragen durch die Empfänglichkeit und +Befeuerung eines, die Sommitäten der Intelligenz und des Geschmackes +repräsentirenden Publicums, ist leicht zu übersehen.</p> + +<p>Die Vereinigung der höheren Interessen der drei Directionen in der +gemeinsamen Leitung der Regierung würde auch eine gegenseitige Förderung +garantiren. Der<a id="Page_67"></a> + <span class="pagenum">[67]</span> falsche Antrieb feindseliger Concurrenz — welcher +vierundzwanzig Jahre lang dem Königl. Theater nachtheilig und dem +Königstädter an seiner Ausbildung entschieden hinderlich gewesen und gar +keinen Vortheil gebracht hat — würde dem edlen Wetteifer Platz machen: +in gleichem Interesse des Nationalruhms sich den Kranz streitig zu +machen.<a id="mac13"></a><a title="Go to footnote 13." href="#fn13" class="fnanchor">[13]</a> </p> + +<p class="footnote"><a id="fn13"></a><a title="Return to text." href="#mac13" class="label">[13]</a> Es braucht kaum noch erwähnt zu werden, daß auch hier alle +drei Theater wetteifern würden, sich den Antheil des Hofes ungeschwächt +zu erhalten und die Erfüllung eines Wunsches desselben als einen +besondern Vorzug zu betrachten. Auch bei besondern Vorstellungen in den +königl. Schlössern fände verwaltungsmäßig keine wesentliche Veränderung +statt, da diese bisher schon besonders in Rechnung kamen.</p> + +<p>Freilich müßten — wenigstens bis diese drei Theater sich ganz +consolidirt hätten — alle übrigen Bühnen in Berlin geschlossen, auch +die italiänische Oper und das französische Schauspiel verbannt werden. +Man muß Theater und Publicum erst im Geist und Sinne für ein wahrhaft +nationales Theater erstarken lassen, bis man beide verlockender und +zerstreuender Rivalität preisgeben darf.<a id="Page_68"></a> + <span class="pagenum">[68]</span></p> + +<hr class="small" /> + +<p>Soll nun aber das künstlerische Gedeihen der naturgemäß organisirten +großen Nationalbühnen gesichert sein, so dürfen ihnen die vorbereitenden +<strong>Theaterschulen</strong> nicht länger fehlen. Sie sind endlich zu einer +gebieterischen Nothwendigkeit geworden, wenn die Schauspielkunst nicht +überhaupt binnen Kurzem als ein gauklerhaftes Virtuosenthum alle Achtung +des deutschen Volkes verscherzen soll.</p> + +<p>Was ich über die Nothwendigkeit der Schulen, wie über ihre praktische +Einrichtung zu sagen weiß, habe ich bereits 1840 in einer kleinen +Schrift: <strong>Ueber Theaterschule</strong> gegen das Publicum ausgesprochen,<a id="aus14"></a><a title="Go to footnote 14." href="#fn14" class="fnanchor">[14]</a> ich +kann also hier die Wiederholung sparen. In den acht Jahren, welche +seitdem verflossen, haben alle Uebel der künstlerischen Zuchtlosigkeit +dergestalt zugenommen, daß selbst die Gegner der Schulen — die jede +methodische Vorbildung verwarfen und die Behauptung verfochten: die +Schauspieler müßten wild, wie die Pilze aufwachsen — von ihrer Ansicht +bekehrt worden sind. Sie geben jetzt zu, daß dieser Mangel an Unterricht +in den<a id="Page_69"></a> + <span class="pagenum">[69]</span> künstlerischen Elementen, die jungen Talente unserer Tage +massenhaft zu Grunde gehen läßt und alle Natur, alle Vernunft und allen +Geschmack von der Bühne zu verbannen droht.</p> + +<p class="footnote"><a id="fn14"></a><a title="Return to text." href="#aus14" class="label">[14]</a> Sie ist im IV. Bande meiner dramatischen und +dramaturgischen Schriften wieder abgedruckt.</p> + +<p>Der Zeitpunkt die Theaterschulen einzurichten, ist folgerichtig der +einer Reorganisation der Directionen. Bei unkünstlerischer Leitung der +Bühnen konnten die Schulen allerdings nur halbe Frucht bringen, viele +ihrer Vortheile würden wieder verloren gegangen sein; der künstlerischen +Direction dagegen werden sie eine organische Vervollständigung ihres +Lebens und Wirkens sein.</p> + +<p>Der Schuleinrichtung, welche ich in der angezogenen Schrift angegeben, +habe ich nur noch die dringende Empfehlung des engsten Anschlusses an +die übrigen Kunstschulen hinzuzufügen. Jeder Staat bilde <strong>eine allgemeine +umfassende Kunstakademie</strong>, entsprechend der Universität, die das +Gesammtstudium aller Wissenschaften umfaßt.</p> + +<p>Wenn der Staat alle Künste auf eine höhere Bildung des Volkes lenken +will, so muß er ihre Uebereinstimmung dazu schon in den Kunstschulen +vorbereiten. Die Künste und die Künstler müssen mit einander verständigt +werden. Indem man die Theaterschule mit den bereits<a id="Page_70"></a> + <span class="pagenum">[70]</span> bestehenden +Anstalten für Musik und für bildende Künste vereinigt, wird man eine +größere allgemeine künstlerische Bildung des heranwachsenden +Geschlechtes erreichen, die jetzt nur zu oft vermißt wird, weil Jeder in +seinen Fachstudien eingeengt bleibt.</p> + +<p>Auch die Kosten der Schulen würden geringer werden, indem viele +Gegenstände gemeinschaftliche Studien zulassen. Wie sehr Musik- und +Theaterschule in einander greifen, hat man längst erkannt — das Pariser +Conservatorium vereinigt darum beide — aber wie sehr dies auch mit den +bildenden Künsten der Fall ist, hat man sich bisher verhehlt. Nicht +allein daß Hülfswissenschaften, wie Geschichte und Mythologie, allen +Kunstjüngern übereinstimmend zu lehren sind,<a id="sin15"></a><a title="Go to footnote 15." href="#fn15" class="fnanchor">[15]</a> daß dem Theatereleven +Bildung des Auges für Schönheit und Charakteristik der Form im +Zeichnenunterricht, daß den Zöglingen der bildenden Künste dagegen zu +Förderung einer harmonischen Bildung Theilnahme an manchem Unterricht +der Theaterschule, dem Gesange, der Redekunst,<a id="Red16"></a><a title="Go to footnote 16." href="#fn16" class="fnanchor">[16]</a> der höhern Gymnastik +u. s. w.<a id="Page_71"></a> + <span class="pagenum">[71]</span> wünschenswerth sein wird, sondern es würden auch die +beiderseitigen Fachstudien sich fördernd berühren können. Die Uebungen +der Geberdensprache von den Theatereleven z. B. könnten den Schülern der +bildenden Kunst einen Reichthum lebendiger Motive zu raschen Skizzen +liefern, an denen das Urtheil über die beiderseitige Leistung sich +schärfen würde. So könnte die gegenseitige Anregung fortwachsend sich +bis auf die wirkliche theatralische Thätigkeit ausdehnen und in der +Dramatik eine wahrhafte Verschwisterung aller Künste erzeugen.</p> + +<p class="footnote"><a id="fn15"></a><a title="Return to text." href="#sin15" class="label">[15]</a> Ueber das Wie? habe ich mich in der angezogenen Schrift +erklärt.</p> + +<p class="footnote"><a id="fn16"></a><a title="Return to text." href="#Red16" class="label">[16]</a> Der Unterricht hierin wird, bei unserer parlamentarischen +Entwicklung, bald zu einer Bedingung guter Erziehung werden.</p> + +<p>Noch eine Wohlthat würde aus solch einer Universität der Künste +erwachsen, indem sie die Mißgriffe der jungen Talente über ihren Beruf +zu berichtigen vermöchte, wie dies auf den Universitäten der +Wissenschaften der Fall ist, wo mancher Jüngling zu seinem Heile — wie +man es nennt — umsattelt. Abgesehen von denen, deren Talentlosigkeit in +der Schule zur Erkenntniß kommt und die somit bei Zeiten von einer +falschen Lebenstendenz geheilt werden können, giebt es Viele, die sich +in unbestimmtem Triebe zur Kunst auf einen falschen Zweig derselben +werfen. Wie man auf den jetzigen Kunstakademien wohl junge Bildhauer zu +Malern umschlagen sieht und umgekehrt, so würde eine allgemeine +Kunstschule<a id="Page_72"></a> + <span class="pagenum">[72]</span> manchen Theatereleven belehren, daß er zum Maler oder +Bildhauer, manchen jungen Maler, daß er zum Schauspieler geboren sei. In +den Abtheilungen für Musik und Theater würden diese gegenseitigen +Berichtigungen ebensowenig ausbleiben und jeder wahrhaft zur Kunst +berufene junge Mensch würde, in noch bildungsfähiger Zeit, an den Platz +gestellt werden wohin er gehört, wo er der Kunst wahrhaft nützen und +über seine Zukunft außer Sorge sein könnte.</p> + +<p>Denn Wien und Berlin würden, auf ihren vielen Theatern, fast den ganzen +Nachwuchs aus ihren Schulen anzustellen im Stande sein, hier also würden +die darauf verwendeten Kosten augenscheinlichen Vortheil bringen. Diese +Kosten aber würden, wenn die Landesvertreter nicht geneigt wären +besondere Bewilligungen dazu zu machen, zur Noth von dem bedeutenden +Zuschusse, den die Bühnen bereits genießen, abzuzweigen sein!</p> + +<p>Die drei Theater in <strong>Berlin</strong> z. B. kosten dem Hofe jährlich an 200,000 +Thlr. Was wäre es für drei künstlerische Directionen — die unfehlbar +große Ersparungen und größere Einnahmen als bisher herbeiführen werden +—von dieser Summe gemeinschaftlich 6-8000 Thlr. an die allgemeine +Kunstakademie abzutreten? Und diese würden<a id="Page_73"></a> + <span class="pagenum">[73]</span> zureichen — wenn man +alle vereinzelte Musikinstitute des Staates und was sonst an +Deklamationslehrern, Ballettschulen u. s. w. verausgabt wird, +zusammenzöge und zu <strong>einer</strong> großen Schule vereinfachte — dem +ausgedehntesten Plane zu genügen. Im Akademiegebäude, seinem ganzen +Umfange nach, würden — wenn man Ställe und Caserne daraus entfernte — +alle Künste unter <strong>einem</strong> Dache eine Pflanzstätte finden, wie sie Europa +noch nicht kennt und wie sie doch, ohne unverhältnißmäßige Opfer, durch +guten und energischen Willen sehr wohl herzustellen wäre.</p> + +<p>Selbst der Anstalten von so großem Umfange bedürfte es nicht, um auch +mit kleineren Mitteln in kleinerem Kreise höchst Wohlthätiges zu +leisten. <strong>Das musikalische Conservatorium Sachsens</strong> z. B., auch das von +<strong>Prag</strong>, wären durch veränderte Organisation und Hinzufügung einiger +Disciplinen, leicht zu Musik- und Theaterschulen umzugestalten und im +Anschluß an die vorhandenen Akademien zu wahrhaft praktischer +Nutzbarkeit des Staates auszubringen.</p> + +<p>Und wo auch solche Anlehnungspunkte nicht vorhanden sind, sollte doch, +wenigstens an jeder stehenden Bühne, ein erfahrener Künstler dazu +angestellt sein: den<a id="Page_74"></a> + <span class="pagenum">[74]</span> Anfängern die nothdürftigsten Anweisungen zu +geben, damit die jungen Talente ihre besten Jahre nicht ganz in +irrthümlichen und verkehrten Versuchen — die das Theater selbst immer +mitbüßen muß — verlören. Der praktische Nutzen davon ist so +einleuchtend, und doch ist im ganzen großen Deutschland nirgend eine +solche Einrichtung getroffen. <strong>Unter den tausend Professoren der +verschiedenen Künste giebt es noch keinen einzigen der Schauspielkunst.</strong></p> + +<p>Künstlerische Directionen und Theaterschulen werden auch diese +Verhältnisse verändern oder sie durch die richtigen Maßregeln +ausgleichen.</p> + +<hr class="small" /> + +<p>Ist mit der hier besprochenen, durchgreifenden Erneuerung des ganzen +Kunstlebens für eine mögliche Vollkommenheit dessen, was die großen, +tonangebenden Theater leisten, gesorgt, so wird der wohlthätige Einfluß +davon auf die Bühnen zweiten Ranges, auf die <strong>Stadttheater</strong>, nicht +ausbleiben. Damit aber darf die Landesregierung sich nicht beruhigen, +ihre Oberleitung muß<a id="Page_75"></a> + <span class="pagenum">[75]</span> sich grundsätzlich bis auf die letzte +Wanderbühne geltend machen.</p> + +<p>Die Directionen der Stadttheater sind — man darf sich darüber nicht +täuschen — nichts anderes, als industrielle Unternehmungen. Die +Magistrate oder die Regierungspolizei, denen bis jetzt die dramatische +Kunst in den Provinzen unterworfen ist, setzen daher auch ihre höchste +Forderung an den Director, bei Uebergabe des Theaters, in seine +Zahlungsfähigkeit.</p> + +<p>In welchem <strong>Geiste</strong> er es führen werde, davon ist niemals die Frage. Gute +Einnahmen gelten für den Beweis, daß er das Publikum zu unterhalten +verstehe, und wenn dies auch in der geschmackverderblichsten Weise +geschieht, so hat die Behörde ihn deshalb nicht anzufechten.</p> + +<p>Dieser Zustand verändert sich schon durchaus, sobald die Oberaufsicht +von der Landespolizei auf das Cultusministerium übergeht, dem der <strong>Geist</strong> +der Institute als das Wesentliche, ihr <strong>materieller Bestand</strong> nur als +dessen Grundlage gilt. Das Ministerium würde vor Allem darüber wachen +müssen, <strong>daß die Directoren der Stadttheater künstlerisch befähigte und +gesinnungstüchtige Männer seien und daß sie die Verpflichtung<a id="Page_76"></a> + <span class="pagenum">[76]</span> +übernähmen: ein der Musterbühne des Landes analoges Verfahren +einzuhalten</strong>. Dies müßte der Hauptpunkt der Pachtverträge oder +Concessionsertheilungen sein. Nach Ort und Verhältnissen würde sich das +Maß für die Erfüllung dieser Bedingung bestimmen lassen, wobei die +Directionen der Residenztheater die sachverständige Regulirung +übernehmen könnten. Das Wichtigste dabei müßte die Aufstellung eines +<strong>Stammrepertoirs</strong> sein, das jeder Director — nach Maßgabe seiner Kräfte +und seines Publikums — in jährlicher Wiederkehr festzuhalten hätte. +Denn womit ein Theater sich beschäftigt, das bestimmt seine +Beschaffenheit. Ist ein Director gezwungen, alljährlich gewisse +treffliche Stücke aufzuführen, so wird er, um seines eignen Vortheils +willen, sie möglichst gut zu geben suchen und an dem Umgang mit dem +Trefflichen wird das Institut sich erheben.</p> + +<p>Die Regierung müßte ferner dahin wirken, das <strong>Repräsentativsystem der +Direction</strong> auch bei diesen Theatern einzuführen. Hier, wo die Einnahmen +zur Lebensfrage für alle Mitglieder werden, wird die Organisation bald +zu einem vollständigen <strong>Societätsverhältnisse</strong> führen, das, wenn es +gehörig geregelt und beaufsichtigt wird, die trefflichste Schule für den +schauspielerischen Gemeingeist abgeben<a id="Page_77"></a> + <span class="pagenum">[77]</span> und der Ausbeutung der +Kunst und der Künstler durch das Unternehmerwesen ein Ziel setzen muß.</p> + +<p>Freilich hätte die Regierung auch dahin zu wirken, daß die Städte den +verkehrten Grundsatz aufgäben: vom Theater Nutzen ziehen zu wollen, daß +die Stadttheater von einer Menge von Lasten und Abgaben und dadurch von +steten Sorgen befreit würden, welche die Befolgung reinerer Grundsätze +unmöglich machen.</p> + +<p>Zunächst müßte dies mit dem Miethzins der Fall sein, der für die +Benutzung der Schauspielhäuser gezahlt wird. Jede bedeutende Stadt muß +unter ihren öffentlichen Gebäuden auch ein Theater besitzen, und +<strong>ebensowenig als für Benutzung der Kirchen, Schulhäuser, Bibliotheken, +Museen u. s. w. ein Miethzins eingezogen wird, sollte er für das Theater +gefordert werden</strong>.</p> + +<p>Es sollte ein Ehrenpunkt für unsere Städte sein —wie dies in Frankreich +der Fall ist — ihre Schauspielhäuser der Kunst ohne Eigennutz zu +eröffnen, dann würden sie auch höhere Ansprüche an das, was drinnen +geleistet werden soll, machen können.</p> + +<p>Auf die Directionen solcher Theater, welche aus Staatsmitteln +Unterstützungen erhalten — wie dies in<a id="Page_78"></a> + <span class="pagenum">[78]</span> mehreren +Provinzialhauptstädten Preußens der Fall ist — würde die Regierung +einen dictatorischen Einfluß üben können, auf die andern würde dieser +zunächst ein vermittelnder, aber darum nicht weniger wichtiger sein.</p> + +<hr class="small" /> + + +<p>Entschiedener und gewaltsamer müßte dagegen der Eingriff in das Wesen +der <strong>Wanderbühnen</strong>, der großen und kleinen ausfallen; hier ist einem +Unfuge zu steuern, der nicht allein auf dem Gebiete der Volksbildung, +sondern auch der bürgerlichen Sitte und Ordnung wahre Verwüstungen +anrichtet.</p> + +<p>Aeußerst wenige der sogenannten <strong>reisenden Gesellschaften</strong> bewähren durch +dauernden Bestand ihre Achtbarkeit. Die bei Weitem größere Zahl der +Comödiantenbanden, welche schaarenweis Deutschland durchschwärmen, in +mittleren und kleinen Städten, Flecken und Dörfern sich einander auf die +Fersen treten und die Schaulust der Einwohner — auf eine, zu deren +übriger Lage, unverhältnißmäßige und meistentheils unwürdige Weise — +ausbeuten, schleppen sich von einem Bankerott zum andern. Sie entstehen +aus zusammengerafften Leuten, halten sich einige Monate, oft nur einige +Wochen,<a id="Page_79"></a> + <span class="pagenum">[79]</span> bezeichnen ihre Wanderspur mit der liederlichsten +Wirthschaft, hinterlassenen Schulden, verführter Jugend u. s. w. und +zerstreuen sich dann über das Land hin, eine Schaar vagabundirender +Bettler. Meistens sind es bethörte Menschen, die im äußersten Elende die +unergiebigen Sommermonate durchkämpfen, um mit dem Herbste den Kreislauf +ihrer verzweifelten Existenz von Neuem zu beginnen. Zu keiner +regelmäßigen Thätigkeit mehr brauchbar, gerathen diese Abenteurer des +lustigen Elends endlich bis zur untersten Stufe der physischen und +moralischen Versunkenheit.</p> + +<p>Und diese Zustände werden von den Landesbehörden recht eigentlich +herbeigeführt und gehegt. Das Uebermaß der Concessionen, die +leichtsinnige Unbedenklichkeit, mit welcher sie ertheilt werden, +erschaffen dem Staate eine ganze Klasse von bedauernswerthen und +unheilbringenden Landstreichern.</p> + +<p>Man hat zur Entschuldigung dieses laxen Regierungsverfahrens angeführt: +auch der Kleinbürger und Bauer bedürfe der Erregung seiner Phantasie, +die ihn der drückenden Alltäglichkeit enthöbe und dadurch erfrische, das +Schauspiel sei dazu das geeigneteste und unschuldigste +<a id="Page_80"></a> + <span class="pagenum">[80]</span> Mittel, wer +ihm also dies verschaffe, dürfe in seiner Gewerbthätigkeit nicht +gehindert werden.</p> + +<p>Abgesehen davon aber, daß ein Erwerb, der notorisch trügerisch ist, an +welchen entschieden polizeiwidrige Folgen geknüpft sind, nicht +unbedingten Schutz verdient, ist die Gleichgültigkeit gegen den +geistigen Einfluß dieser bettelhaften Schauspiele auf Bürger und Bauer +gewiß nicht zu rechtfertigen. Es <strong>darf</strong> dem Staate nicht gleichgültig +sein, wenn dem Volke das menschliche Leben in Zerrbildern und in +unsinniger Verkehrtheit dargestellt wird. <strong>Gerade den unteren Schichten +des Volkes, auf welche der sinnliche Eindruck ungemäßigt durch +Ueberlegung und Urtheil wirkt, muß im Schauspiele ein möglichst reiner +und lehrreicher Spiegel des Lebens geboten werden.</strong></p> + +<p>Ist es doch in unsern Tagen zur Anerkennung gekommen: das Volk habe ein +Recht, vom Staate Bildung zu verlangen. Soll sie ihm nun lediglich auf +dem Wege des Buchstabens und des Erlernens angeboten, soll sie ihm nicht +auch durch lebendige Kunsteindrücke in's Gemüth geprägt werden? Und wenn +dies nicht überall in <strong>rechter</strong> Weise geschehen kann, hat der Staat +nicht<a id="Page_81"></a> + <span class="pagenum">[81]</span> die Verpflichtung: das Volk wenigstens vor <strong>falschen</strong> +Eindrücken zu bewahren?</p> + +<p>Zudem wäre es eine sträfliche Inconsequenz, wenn die Regierung länger +zugeben wollte, daß in den Provinzen und auf dem Lande gerade das +Gegentheil von dem geschieht, was sie mit so bedeutenden Geldopfern in +den Hauptstädten zu bewirken sucht.</p> + +<p>Darum muß also die Generaldirection des Cultusministeriums ihre Hand +über das ganze Land hinstrecken, der Polizei die Beurtheilung und +Entscheidung der Bühnenangelegenheiten abnehmen, sie höchstens zur +Vollstreckerin ihrer Beschlüsse machen.</p> + +<p><strong>Alle Comödiantentruppen, welche die Würde der Menschendarstellung +geradehin verletzen, müssen ohne Weiteres abgeschafft werden.</strong> Alle +Concessionen sind nach ihrem Ablauf einzuziehen, nur dem +Cultusministeriums stehe es zu: sie nach einem neuen Modus zu erneuern.</p> + +<p>Nun grenze man bestimmte <strong>Wanderbezirke</strong> ab, welche vielleicht eine +Provinzialhauptstadt und einige nahe gelegene, oder eine genügende +Anzahl von mittleren und kleinen Städten umfassen, und übergebe ein +jedes dieser Gebiete einem erprobten Director, daß er nach Uebereinkunft +<a id="Page_82"></a> + <span class="pagenum">[82]</span> mit den betreffenden Städten sie nach einer +jährlichen Reihefolge mit seiner Truppe besuche.</p> + +<p>Man richte diese Bezirke nicht zu eng, nicht nach einer knappen, sondern +nach einer reichlichen Veranschlagung des Theaterpublikums ein, damit +diese Gesellschaften anständig bestehen, damit das kostspielige Reisen +und an verschiedenen Orten Wohnen in unanstößiger Weise geschehen könne. +Man schütze diese Truppen gegen jede Concurrenz — welche jederzeit die +Theater nur gegenseitig verschlechtert, niemals verbessert hat — man +organisire sie nach dem Muster der Residenztheater, mit angemessenem +<strong>Stammrepertoir</strong><a id="Sta17"></a><a title="Go to footnote 17." href="#fn17" class="fnanchor">[17]</a> und grundsätzlichen Verpflichtungen, mit +<strong>Repräsentativverfassung</strong>, die ganz natürlich auch hier zu +<strong>Societätsverhältnissen</strong>, mit selbstgewählten Führern, ausschlagen wird, +dann werden diese ambulanten Theater so in Flor kommen, daß manche +Stadt, die jetzt einen Ehrgeiz darein setzt, ein stabiles Theater +kümmerlich zu erhalten, es vorziehen wird, in solch einen Wanderbezirk +zu treten und lieber vier oder<a id="Page_83"></a> + <span class="pagenum">[83]</span> sechs Monate <strong>gutes</strong> Theater, als das +ganze Jahr über <strong>schlechtes</strong> zu haben. Denn diese reisenden Gesellschaften +werden den großen Vortheil genießen, nur einen kleinen Kreis von +Vorstellungen zu brauchen, um das Publikum jeder Stadt eine Zeit lang in +regem Antheil zu erhalten. Diese Vorstellungen können daher sehr +sorgfältig studirt sein und in jeder Stadt neu gespielt, vor immer neuen +Zuschauern, immer vollkommener werden. Die Truppen werden auch, wenn bei +ihrer Abwesenheit kein anderes Schauspiel stattfinden darf, das Publikum +immer wieder voll frischer Theaterlust und begierigem Antheil finden.</p> + +<p class="footnote"><a id="fn17"></a><a title="Return to text." href="#Sta17" class="label">[17]</a> Wie man den besseren dieser Truppen gewisse Vorstellungen +zu <strong>ge</strong>bieten hätte, so müßte man den untergeordneten andere <strong>ver</strong>bieten, +damit sie nicht, was über ihre Kräfte geht, herabwürdigen.</p> + +<p>Man schelte diese durchgreifende und beschränkende Einrichtung — welche +allerdings so viele Interessen berührt, daß sie, sowie die gesammte +Theaterorganisation, durch ein eignes Gesetz von den Landesvertretern +adoptirt werden müßte — nicht eine Beeinträchtigung der Freiheit des +Theaterpublikums und der Erwerbthätigkeit. <strong>Man darf das Theater nicht +länger als eine bloße Vergnügungs- und Industrieanstalt betrachten.</strong> Soll +es aber eine höhere Culturbedeutung gewinnen, so müssen die Grenzen +seiner Wirksamkeit, ebenso wie die der Kirche und Schule, vom Staate +festgestellt werden.<a id="Page_84"></a> + <span class="pagenum">[84]</span></p> + +<p>Die Zahl der reisenden Gesellschaften wird über die Hälfte vermindert +werden, das ist ein Glück für die bürgerliche Gesellschaft und für die +Kunst, denn um so eher wird der Schauspielerstand nur aus wirklich +Berufenen bestehen. Den Bewohnern der Dörfer und kleinen Städte wird es +besser sein, wenn sie nicht mehr von Wandertruppen heimgesucht werden, +dagegen ein wohlgeordnetes Theater in den Städten finden, sobald sie +diese zu Jahrmärkten oder festlichen Zeiten besuchen. Die Mittelstädte +werden nur eine bestimmte Theatersaison haben, aber sie wird ihnen auch +etwas bieten, das des Antheils werth ist.</p> + +<p>Man braucht nicht zu besorgen, daß die Bezirksgesellschaften, auf die +Ausschließlichkeit des Privilegiums pochend, sich vernachlässigen und +das Theaterbedürfniß ihres Publikums mit Bequemlichkeit ausbeuten +werden; dagegen bürgt die allgemeine Betheiligung der Mitglieder an Ehre +und Vortheil der Gesellschaft und die Abhängigkeit von der +Landesregierung, die, auf eine begründete Beschwerde des Bezirks, der +Gesellschaft das Privilegium nehmen, oder sie in einen andern Bezirk +versetzen kann.<a id="Page_85"></a> + <span class="pagenum">[85]</span></p> + +<p>Diese letzte Maßregel eines Wechsels der Gesellschaften könnte übrigens +auch unter anderen Umständen anwendbar sein.</p> + +<hr class="small" /> + +<p>Der Vortheil, der hierin aus der Centralisation der Oberleitung +sämmtlicher Landesbühnen entspringt, wird sich noch in einer Menge von +anderen Dingen darthun. In großen Staaten wird die Ausübung des +Ministerialeinflusses allerdings einer weitläuftigeren Gliederung +bedürfen, in den kleineren dagegen in ungemein abgerundetem +Zusammenhange wirken.</p> + +<p>So werden z. B. die allgemeinen und einzelnen Einrichtungen, +Bearbeitungen von Stücken, Uebersetzungen, zur dramatischen Handlung +gehörige Musiken, verbesserte Operntexte, Scenirungen u. s. w., wenn sie +sich in der Residenz als zweckmäßig erwiesen haben, sich ohne erhebliche +Kosten den übrigen Landesbühnen mittheilen lassen; mithin werden die +besten Talente, welche die Mustertheater versammeln, für die Hebung des +gesammten Theaterwesens im ganzen Lande arbeiten. Junge Leute, die sich +bei den untergeordneten Theatern auszeichnen, werden in<a id="Page_86"></a> + <span class="pagenum">[86]</span> der +Unparteilichkeit der, allen Theatern gemeinsamen Oberbehörde den Weg zu +den besseren Bühnen unversperrter finden, während, bei dem verbesserten +Zustande der Provinztheater, man künftig ohne Sorge vor Verbildung, +junge Leute, Eleven der Theaterschule, auf Lehr-und Uebungsjahre dorthin +geben kann.</p> + +<p>So manches Mitglied der ersten Theater, das unter den jetzigen +Verhältnissen bei voller, kräftiger Gesundheit pensionirt wird, — weil +es etwa die Stimme verloren hat, oder dem jugendlichen Fache entwachsen, +für ein älteres gerade kein Talent zeigt — würde als Director eines +Provinzial-Theaterbezirkes dem Staate noch gute Dienste leisten können. +Oder der Halbinvalide eignete sich für eine Professur an der +Theaterschule; eine Wirksamkeit, welche einem abgetretenen Director auch +wohl anstehen würde. Oder wenn der für die Bühne Untauglichgewordene von +untergeordneten Fähigkeiten ist, könnte er sich auf irgend einem +Beamtenposten der Bühne noch nützlich machen. Immer vermöchte so die +Ministerialdirection, durch ihre umfangreiche Verfügung, dem Staate die +ungebührlich langen Pensionsleistungen und den alternden Künstlern die +Schmach eines bezahlten Müßigganges<a id="Page_87"></a> + <span class="pagenum">[87]</span> zu ersparen, in einem Alter, +wo sie noch arbeiten können.<a id="nen18"></a><a title="Go to footnote 18." href="#fn18" class="fnanchor">[18]</a> </p> + +<p class="footnote"><a id="fn18"></a><a title="Return to text." href="#nen18" class="label">[18]</a> Uebereinstimmende und angemessene Anstalten zur +Pensionirung der Schauspieler zu treffen, würde erst möglich sein, wenn +die Reorganisation des ganzen Theaterwesens festen Fuß gefaßt hätte. +Auch diese, so überaus wichtige Angelegenheit müßte nach einem +umfassenden Plane geordnet werden, auf alle Bühnen des Landes, nach den +erweiterten Grundsätzen des preußischen Staatspensionsfonds sich +erstrecken, vielleicht, nach Eckhof's altem Entwurfe, ganz Deutschland +umfassen. Für's Erste wird man an den bestehenden Einrichtungen +festhalten müssen, mit denjenigen Modificationen, welche an den +Residenztheatern die Verwandlung der Theatermitglieder aus Hofdienern in +Staatsdiener nothwendig macht.]</p> + +<p>Genügen werden die hier angegebenen Momente, um den Blick auf den +außerordentlichen Gewinn zu lenken, den das Theater in seinen <strong>Mitteln</strong>, +durch deren gesammelte Verwendung machen wird. Genügen wird die ganze +bisherige Darstellung, um den unermeßlichen Gewinn darzuthun, den der +<strong>Geist</strong> und die <strong>Würde</strong> der deutschen Bühne von der vorgeschlagenen Reform +ziehen und dem Volke mittheilen muß.</p> + +<p>Die Schwierigkeiten der Reorganisation sind nicht so groß, als die +Umständlichkeit dieser Besprechung vielleicht<a id="Page_88"></a> + <span class="pagenum">[88]</span> erscheinen läßt, +denn die Einrichtungen beruhen auf der Natur der Sache, gestalten und +regeln sich darum aus sich selbst.</p> + +<p><strong>In einer freien Entwicklung der künstlerischen Kräfte, bei gemeinsam +berechtigter Betheiligung, muß die auf sich selbst gestellte Kunst +werden, was sie werden kann; in ihrer Wirkung auf das Volk, vom Geiste +desselben — der sich in der Staatsregierung auszusprechen hat — +geleitet, wird sie dem Volke leisten, was sie ihm leisten kann.</strong></p> + +<p>Dies sind die Bedingungen eines wahrhaften Nationaltheaters. +Uebereinstimmend, wie in Kirche und Schule, müssen die Kräfte und Mittel +der Nation dazu wirken; <strong>nur die organisch verbundenen Landesbühnen +erschaffen ein Nationaltheater</strong>.</p> + +<hr class="small" /> + +<p>Zum Schluß noch einen Blick auf ein Moment dieses Reformvorschlages, das +in rein menschlicher Beziehung<a id="Page_89"></a> + <span class="pagenum">[89]</span> allein schon volle Beherzigung +verdient: es ist <strong>die Wirkung auf den Schauspielerstand</strong>.</p> + +<p>Allen Plänen, die Schaubühne auf eine höhere Stufe zu heben, pflegt man +den Einwurf entgegenzuhalten: sie müßten an der unabänderlichen +Beschaffenheit des Schauspielerstandes scheitern.</p> + +<p>Wäre es wahr, daß die allerdings starken und mannichfachen Versuchungen +dieses Standes unüberwindlich wären, so hätte der Staat die Pflicht, +denselben aufzuheben und nach Plato's und Rousseau's Rath das Theater +aus seinem Bereiche zu verbannen.</p> + +<p>Aber es ist nicht so. Die Kunstgeschichte zeigt uns unter den +Schauspielern wahre Muster an sittlicher Würde und Charaktergröße. Waren +diese möglich, so muß auch die Hebung des ganzen Standes möglich sein +und es hat bisher nur an den Bedingungen dazu gefehlt.</p> + +<p>Was hat der Staat, was hat die bürgerliche Gesellschaft zur Bildung und +Versittlichung des Standes gethan? Nichts! Ja schlimmer als das, man hat +Alles gethan ihn in verderblicher Stellung zu erhalten.</p> + +<p>Das erste Erforderniß zur Hebung eines Standes: <strong>Bildung</strong>, der Staat hat +ihm bis auf den heutigen<a id="Page_90"></a> + <span class="pagenum">[90]</span> Tag die <strong>Gelegenheit</strong> und damit auch die +<strong>Nöthigung</strong> dazu versagt. <strong>Der Schauspieler ist der einzige Staatsbürger, +dem keine Fachbildung geboten, dem auch keine abgefordert wird.</strong> Darf man +sich wundern, daß er sie nicht besitzt?</p> + +<p>Unsittlichkeiten unter den Theatermitgliedern — obschon sie +verhältnißmäßig kaum häufiger vorkommen, als in andern Ständen, nur bei +der Oeffentlichkeit ihrer Stellung auffallender sind — entfernen noch +immer die gute Gesellschaft von dem ganzen Stande, und Einzelne finden +nur <strong>trotz</strong> ihres Standes Zutritt. Aber um demselben eine sittlichere +Haltung aufzunöthigen, was hat denn der Staat, was die Gesellschaft +gethan? Würden wohl andere öffentliche Stände: Geistliche, Richter u. s. +w. ein im Allgemeinen sittliches Verhalten zeigen, wenn es ihnen nicht +streng abgefordert, wenn der einzelne Bescholtene nicht, als des Standes +unwürdig, ausgestoßen würde? Alle bürgerlichen Tugenden haben ihre +Grundlage im Zwange des Gesetzes und der Sitte.</p> + +<p>Dem Schauspieler aber macht die irregeleitete öffentliche Meinung +Unsittlichkeit beinahe zur Bedingung künstlerischer Anerkennung; man +läßt es ihn merken: einige Flecken Schande ständen ihm gut zu Gesicht. +Man<a id="Page_91"></a> + <span class="pagenum">[91]</span> nimmt dem Schauspieler nichts übel, aber man verachtet ihn. +Das Spiel der Leidenschaften im Privatleben des Künstlers sieht man als +in nothwendiger Beziehung zu dem auf der Bühne stehend an, läßt seine +entfesselten Neigungen als eine Würze der Kunstproduction gelten. Sogar +die ersten Grundbedingungen des rechtlichen Vertrauens legt man ihm nur +locker auf, er gilt als ein privilegirter Freibeuter im bürgerlichen +Leben. Ein contraktbrüchiger, durchgegangener Bühnenkünstler findet +selbst an Hoftheatern bereite Aufnahme.</p> + +<p>Darf man sich wundern, daß in dieser Stellung manche Theatermitglieder +es mit sittlichen Verpflichtungen nicht genau nehmen?</p> + +<p>Darf man die allerdings tief eingerissene Selbstsucht, — aus der in der +Kunstübung das vereinzelte Virtuosenspiel und die verderbliche +Effectjägerei entspringen —dem Künstler so unbedingt zum Vorwurf +machen, wenn er behaupten darf, daß die jetzigen Bühnenzustände ihm, von +allen Antrieben für seine Kunst, nur den Egoismus übrig gelassen? Daß er +sich als ein Miethling fühle, entweder gewinnsüchtiger Unternehmer oder +kunstfremder Behörden, die für seine Leistungen keinen andern Maßstab +als den Beifall der Massen und der Journale haben,<a id="Page_92"></a> + <span class="pagenum">[92]</span> der denn also +um jeden Preis errungen werden müsse, wenn man sich eine Stellung +sichern wolle.</p> + +<p><strong>Sobald das Theater zur Staatsanstalt erhoben ist, werden die Forderungen +an die Künstler strenger, die Achtung für sie aber darum auch größer +werden.</strong> Verletzungen der öffentlichen Moral werden keine Bemäntelung +mehr finden, der Stand wird an sittlicher Haltung gewinnen. Er wird für +seinen Beruf gebildet und geprüft werden, wie das in andern Künsten der +Fall ist. Die Anerkennung seiner Bedeutung und seines Nutzens im Staate +wird ihm gesellschaftliche Achtung verschaffen, er wird sich immer mehr +aus den gebildeten Schichten der Gesellschaft recrutiren. Seine +gemeinwesenliche Verfassung wird die Elemente feinerer Bildung mit der +Kraft naturwüchsigen Talentes unausgesetzt durchdringen, eine edle +künstlerische Gesinnung sich geltend machen können.</p> + +<p><strong>Darum ist es menschlich und gerecht, wenn man dem Schauspieler endlich +eine Verfassung zugesteht, die seine Selbständigkeit anerkennt, ihm +Bildung und höhere Gesittung garantirt</strong>; den Anspruch daran erhebe ich im +Interesse meines Standes mit diesen Reformvorschlägen. <strong>Wir haben +ein<a id="Page_93"></a> + <span class="pagenum">[93]</span> Recht: endliche Gleichstellung mit den übrigen Ständen zu +verlangen, Gleichstellung in Unterricht und moralischer Verpflichtung.</strong> +Wir sind die einzigen davon Ausgeschlossenen, wir sind die Parias unter +den Ständen. Willig sind wir zu leisten, was man von uns fordern kann, +aber wir können es nicht, wenn man es nicht fordern, wenn man die +Leistung nicht ermöglichen will. Erst wenn Alles geschehen ist, wie +bisher Nichts geschehen ist, unsern Stand zu heben und er sich unfähig +dazu erwiesen, erst wenn man ihm höhere Zwecke gegeben und er ihnen +nicht entsprochen — dann mag man ihn verwerfen, aber erst dann. Jetzt +hat die Gesellschaft kein Recht dazu, sie hat verschuldet, was sie uns +vorwirft.</p> + +<p>Ueber diese höhere Lebensfrage unseres Standes wird zugleich mit der +über die deutsche Bühne entschieden werden.</p> + +<p>Der bisherige Zustand hat keine Dauer mehr. Das deutsche Volk, an seiner +Spitze seine Fürsten, muß sich erklären, was es von seiner Schaubühne +will?</p> + +<p>Soll sie ihm nur zum Vergnügungsort, zur Zuflucht des Zeitvertreibes, +zur Reunion der feinen Welt, zur Gelegenheit: Toilette zu machen und +sich Rendezvous zu<a id="Page_94"></a> + <span class="pagenum">[94]</span> geben, daneben zur Befriedigung der Schaulust +oder des Bedürfnisses der Erschütterung durch Lachen oder Weinen dienen +— wozu dann die enormen Summen, welche aus Landesmitteln zu Gunsten so +frivoler Anstalten fließen? Dann mögen diejenigen das Vergnügen +bezahlen, die es genießen, man ziehe alle Subventionen zurück, verpachte +die Theater und lasse den Unfug auf der Bahn industrieller Speculation +dahinschießen. Die englische Bühne zeigt: wohin sie führt; die +französische wird vor ihren Gefahren bis jetzt nur noch durch den +angeborenen richtigen Sinn ihres Volkes für die dramatische Kunst +bewahrt. Gewiß ist, daß auf diesem Wege keine Bühne zur <strong>Veredlung</strong> des +Volkes wirken, ja daß sie vom Strome der Vergnügungslust so weit +fortgerissen werden kann, daß ihre Existenz für die öffentliche Moral +bedenklich wird.</p> + +<p>Soll aber dem deutschen Volke sein Nationaltheater sein, was die +Folgerichtigkeit seines geistigen und sittlichen Bildungsstrebens +fordert, soll es ihm ein Spiegel des Lebens, eine Stätte der +Selbsterkenntniß, ein heiterer Tempel der Begeisterung für Schönes, +Edles und Erhabenes sein, so müssen ihm auch ernster Wille und volle +Mittel dafür zugewendet werden. <strong>Ein ächtes Nationaltheater[~95] wird +die Erwartungen der Nation niemals täuschen.</strong></p> + +<p>Mögen zu der alsdann nothwendig werdenden durchgreifenden Umgestaltung +des heutigen Theaterwesens meine Ansichten und Vorschläge behülflich +sein, sie sind ein Ergebniß dreißigjähriger Erfahrung in allen Zweigen +der Dramatik und einer unzerstörbaren Ueberzeugung von der erhabenen +Bestimmung des Theaters.</p> + + + <p> <strong>Dresden</strong> im December 1848.</p> + +<p class="right"> <strong>Eduard Devrient.</strong></p> + + + +<p class="center1 x-small">Druck von <strong>Otto Wigand</strong> in Leipzig.<a id="Page_96"></a> + <span class="pagenum">[96]</span></p> + + + +<div class="tnbox"> +<p>[Transcriber's Note: Original language and spelling variations have not +been standardized (e.g. Ueberall, blos, Erkenntniß, datirt, obenein). Changes in font from Black letter to +Antiqua have been indicated by <i>italics</i> (e.g. Ludwig XIV. gab dem +<i>théâtre français</i> die erste Verfassung). In the publisher's name J. J. +Weber, the initials probably expand to Johann Jacob.</p> + +<p>Zur Transkription: Die Wortwahl und Schreibweisen des Originals wurden +beibehalten (z.B. Ueberall, blos, Erkenntniß, datirt, obenein). Der Wechsel von Fraktur +zur Antiquaschrift wurde mit <i>Kursivschrift</i> angedeutet (z.B. Ludwig +XIV. gab dem <i>théâtre français</i> die erste Verfassung). Die Abkürzung im +Verlagsnamen J. J. Weber steht wohl für Johann Jacob.]</p> + +</div> + + + + + + + + + +<pre> + + + + + +End of the Project Gutenberg EBook of Das Nationaltheater des Neuen +Deutschlands. Eine Reformschrift, by Eduard Devrient + +*** END OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK NATIONALTHEATER--NEUEN DEUTSCHLANDS *** + +***** This file should be named 39480-h.htm or 39480-h.zip ***** +This and all associated files of various formats will be found in: + http://www.gutenberg.org/3/9/4/8/39480/ + +Produced by Thorsten Kontowski, Karl Eichwalder, La Monte +H.P. Yarroll and the Online Distributed Proofreading Team +at http://www.pgdp.net (This book was produced from scanned +images of public domain material from the Google Print +project.) + + +Updated editions will replace the previous one--the old editions +will be renamed. + +Creating the works from public domain print editions means that no +one owns a United States copyright in these works, so the Foundation +(and you!) can copy and distribute it in the United States without +permission and without paying copyright royalties. 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It exists +because of the efforts of hundreds of volunteers and donations from +people in all walks of life. + +Volunteers and financial support to provide volunteers with the +assistance they need are critical to reaching Project Gutenberg-tm's +goals and ensuring that the Project Gutenberg-tm collection will +remain freely available for generations to come. In 2001, the Project +Gutenberg Literary Archive Foundation was created to provide a secure +and permanent future for Project Gutenberg-tm and future generations. +To learn more about the Project Gutenberg Literary Archive Foundation +and how your efforts and donations can help, see Sections 3 and 4 +and the Foundation information page at www.gutenberg.org + + +Section 3. Information about the Project Gutenberg Literary Archive +Foundation + +The Project Gutenberg Literary Archive Foundation is a non profit +501(c)(3) educational corporation organized under the laws of the +state of Mississippi and granted tax exempt status by the Internal +Revenue Service. The Foundation's EIN or federal tax identification +number is 64-6221541. Contributions to the Project Gutenberg +Literary Archive Foundation are tax deductible to the full extent +permitted by U.S. federal laws and your state's laws. + +The Foundation's principal office is located at 4557 Melan Dr. S. +Fairbanks, AK, 99712., but its volunteers and employees are scattered +throughout numerous locations. Its business office is located at 809 +North 1500 West, Salt Lake City, UT 84116, (801) 596-1887. Email +contact links and up to date contact information can be found at the +Foundation's web site and official page at www.gutenberg.org/contact + +For additional contact information: + Dr. Gregory B. Newby + Chief Executive and Director + gbnewby@pglaf.org + +Section 4. Information about Donations to the Project Gutenberg +Literary Archive Foundation + +Project Gutenberg-tm depends upon and cannot survive without wide +spread public support and donations to carry out its mission of +increasing the number of public domain and licensed works that can be +freely distributed in machine readable form accessible by the widest +array of equipment including outdated equipment. Many small donations +($1 to $5,000) are particularly important to maintaining tax exempt +status with the IRS. + +The Foundation is committed to complying with the laws regulating +charities and charitable donations in all 50 states of the United +States. Compliance requirements are not uniform and it takes a +considerable effort, much paperwork and many fees to meet and keep up +with these requirements. We do not solicit donations in locations +where we have not received written confirmation of compliance. 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Hart was the originator of the Project Gutenberg-tm +concept of a library of electronic works that could be freely shared +with anyone. For forty years, he produced and distributed Project +Gutenberg-tm eBooks with only a loose network of volunteer support. + +Project Gutenberg-tm eBooks are often created from several printed +editions, all of which are confirmed as Public Domain in the U.S. +unless a copyright notice is included. Thus, we do not necessarily +keep eBooks in compliance with any particular paper edition. + +Most people start at our Web site which has the main PG search facility: + + www.gutenberg.org + +This Web site includes information about Project Gutenberg-tm, +including how to make donations to the Project Gutenberg Literary +Archive Foundation, how to help produce our new eBooks, and how to +subscribe to our email newsletter to hear about new eBooks. + + +</pre> + + </body> + +</html> diff --git a/39480-h/images/cover.jpg b/39480-h/images/cover.jpg Binary files differnew file mode 100644 index 0000000..f94f04f --- /dev/null +++ b/39480-h/images/cover.jpg diff --git a/LICENSE.txt b/LICENSE.txt new file mode 100644 index 0000000..6312041 --- /dev/null +++ b/LICENSE.txt @@ -0,0 +1,11 @@ +This eBook, including all associated images, markup, improvements, +metadata, and any other content or labor, has been confirmed to be +in the PUBLIC DOMAIN IN THE UNITED STATES. + +Procedures for determining public domain status are described in +the "Copyright How-To" at https://www.gutenberg.org. + +No investigation has been made concerning possible copyrights in +jurisdictions other than the United States. 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