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authorRoger Frank <rfrank@pglaf.org>2025-10-14 20:03:45 -0700
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+The Project Gutenberg EBook of Gehirne, by Gottfried Benn
+
+This eBook is for the use of anyone anywhere at no cost and with
+almost no restrictions whatsoever. You may copy it, give it away or
+re-use it under the terms of the Project Gutenberg License included
+with this eBook or online at www.gutenberg.org
+
+
+Title: Gehirne
+ Novellen
+
+Author: Gottfried Benn
+
+Release Date: March 1, 2011 [EBook #35435]
+
+Language: German
+
+Character set encoding: ISO-8859-1
+
+*** START OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK GEHIRNE ***
+
+
+
+
+Produced by Jens Sadowski
+
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+
+
+Gehirne
+
+Novellen
+von
+Gottfried Benn
+
+
+
+
+Leipzig
+Kurt Wolff Verlag
+1916
+
+
+
+
+
+Gedruckt bei E. Haberland in Leipzig-R.
+Oktober 1916 als fünfunddreißigster Band
+der Bücherei »Der jüngste Tag«
+
+
+
+
+Copyright 1916 by Kurt Wolff Verlag · Leipzig
+
+
+
+
+Inhalt
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+Gehirne
+Die Eroberung
+Die Reise
+Die Insel
+Der Geburtstag
+
+
+
+
+
+
+Gehirne
+
+
+Rönne, ein junger Arzt, der früher viel seziert hatte, fuhr durch
+Süddeutschland dem Norden zu. Er hatte die letzten Monate tatenlos
+verbracht; er war zwei Jahre lang an einem pathologischen Institut
+angestellt gewesen, das bedeutet, es waren ungefähr zweitausend Leichen
+ohne Besinnen durch seine Hände gegangen, und das hatte ihn in einer
+merkwürdigen und ungeklärten Weise erschöpft.
+
+Jetzt saß er auf einem Eckplatz und sah in die Fahrt: es geht also durch
+Weinland, besprach er sich, ziemlich flaches, vorbei an Scharlachfeldern,
+die rauchen von Mohn. Es ist nicht allzu heiß; ein Blau flutet durch den
+Himmel, feucht und aufgeweht von Ufern; an Rosen ist jedes Haus gelehnt,
+und manches ganz versunken. Ich will mir ein Buch kaufen und einen Stift;
+ich will mir jetzt möglichst vieles aufschreiben, damit nicht alles so
+herunterfließt. So viele Jahre lebte ich, und alles ist versunken. Als ich
+anfing, blieb es bei mir? Ich weiß es nicht mehr.
+
+Dann lagen in vielen Tunneln die Augen auf dem Sprung, das Licht wieder
+aufzufangen; Männer arbeiteten im Heu, Brücken aus Holz, Brücken aus Stein;
+eine Stadt und ein Wagen über Berge vor ein Haus.
+
+Veranden, Hallen und Remisen, auf der Höhe eines Gebirges, in einen Wald
+gebaut -- hier wollte Rönne den Chefarzt ein paar Wochen vertreten. Das
+Leben ist so allmächtig, dachte er, diese Hand wird es nicht unterwühlen
+können, und sah seine Rechte an.
+
+Im Gelände war niemand außer Angestellten und Kranken; die Anstalt lag
+hoch; Rönne war feierlich zu Mute; umleuchtet von seiner Einsamkeit
+besprach er mit den Schwestern die dienstlichen Angelegenheiten fern und
+kühl.
+
+Er überließ ihnen alles zu tun: das Herumdrehen der Hebel, das Befestigen
+der Lampen, den Antrieb der Motore, mit einem Spiegel dies und jenes zu
+beleuchten -- es tat ihm wohl, die Wissenschaft in eine Reihe von
+Handgriffen aufgelöst zu sehen, die gröberen eines Schmiedes, die feineren
+eines Uhrmachers wert. Dann nahm er selber seine Hände, führte sie über die
+Röntgenröhre, verschob das Quecksilber der Quarzlampe, erweiterte oder
+verengte einen Spalt, durch den Licht auf einen Rücken fiel, schob einen
+Trichter in ein Ohr, nahm Watte und ließ sie im Gehörgang liegen und
+vertiefte sich in die Folgen dieser Verrichtung bei dem Inhaber des Ohrs:
+wie sich Vorstellungen bildeten von Helfer, Heilung, guter Arzt von
+allgemeinem Zutrauen und Weltfreude, und wie sich die Entfernung von
+Flüssigkeiten in das Seelische verwob. Dann kam ein Unfall und er nahm ein
+Holzbrettchen mit Watte gepolstert, schob es unter den verletzten Finger,
+wickelte eine Stärkebinde herum und überdachte, wie dieser Finger durch den
+Sprung über einen Graben oder eine übersehene Wurzel, durch einen Übermut
+oder einen Leichtsinn, kurz, in wie tiefem Zusammenhange mit dem Lauf und
+dem Schicksal dieses Lebens er gebrochen schien, während er ihn jetzt
+versorgen mußte wie einen Fernen und Entlaufenen, und er horchte in die
+Tiefe, wie in dem Augenblick, wo der Schmerz einsetzte, eine fernere Stimme
+sich vernehmen ließe.
+
+Es war in der Anstalt üblich, die Aussichtslosen unter Verschleierung
+dieses Tatbestandes in ihre Familien zu entlassen wegen der Schreibereien
+und des Schmutzes, den der Tod mit sich bringt. Auf einen solchen trat
+Rönne zu, besah ihn sich: die künstliche Öffnung auf der Vorderseite, den
+durchgelegenen Rücken, dazwischen etwas mürbes Fleisch; beglückwünschte ihn
+zu der gelungenen Kur und sah ihm nach, wie er von dannen trottete. Er wird
+nun nach Hause gehen, dachte Rönne, die Schmerzen als eine lästige
+Begleiterscheinung der Genesung empfinden, unter den Begriff der Erneuerung
+treten, den Sohn anweisen, die Tochter heranbilden, den Bürger hochhalten,
+die Allgemeinvorstellung des Nachbars auf sich nehmen, bis die Nacht kommt
+mit dem Blut im Hals. Wer glaubt, daß man mit Worten lügen könne, könnte
+meinen, daß es hier geschähe. Aber wenn ich mit Worten lügen könnte, wäre
+ich wohl nicht hier. Überall wohin ich sehe, bedarf es eines Wortes, um zu
+leben. Hätte ich doch gelogen, als ich zu diesem sagte: Glück auf!
+
+Erschüttert saß er eines Morgens vor seinem Frühstückstisch; er fühlte so
+tief: der Chefarzt würde verreisen, ein Vertreter würde kommen, in dieser
+Stunde aus diesem Bette steigen und das Brötchen nehmen: man denkt, man
+ißt, und das Frühstück arbeitet an einem herum. Trotzdem verrichtete er
+weiter, was an Fragen und Befehlen zu verrichten war; klopfte mit einem
+Finger der rechten Hand auf einen der linken, dann stand eine Lunge
+darunter; trat an Betten: guten Morgen, was macht Ihr Leib? Aber es konnte
+jetzt hin und wieder vorkommen, daß er durch die Hallen ging, ohne jeden
+einzelnen ordnungsgemäß zu befragen, sei es nach der Zahl seiner
+Hustenstöße, sei es nach der Wärme seines Darms. Wenn ich durch die
+Liegehallen gehe -- dies beschäftigte ihn zu tief -- in je zwei Augen falle
+ich, werde wahrgenommen und bedacht. Mit freundlichen und ernsten
+Gegenständen werde ich verbunden, vielleicht nimmt ein Haus mich auf, in
+das sie sich sehnen, vielleicht ein Stück Gerbholz, das sie einmal
+schmeckten. Und ich hatte auch einmal zwei Augen, die liefen rückwärts mit
+ihren Blicken; jawohl, ich war vorhanden: fraglos und gesammelt. Wo bin ich
+hingekommen? Wo bin ich? Ein kleines Flattern, ein Verwehn.
+
+Er sann nach, wann es begonnen hätte, aber er wußte es nicht mehr: ich gehe
+durch eine Straße und sehe ein Haus und erinnere mich eines Schlosses, das
+ähnlich war in Florenz, aber sie streifen sich nur mit einem Schein und
+sind erloschen.
+
+Es schwächt mich etwas von oben. Ich habe keinen Halt mehr hinter den
+Augen. Der Raum wogt so endlos; einst floß er doch auf eine Stelle.
+Zerfallen ist Rinde, die mich trug.
+
+Oft, wenn er von solchen Gängen in sein Zimmer zurückgekehrt war, drehte er
+seine Hände hin und her und sah sie an. Und einmal beobachtete eine
+Schwester, wie er sie beroch oder vielmehr, wie er über sie hinging, als
+prüfe er ihre Luft, und wie er dann die leicht gebeugten Handflächen, nach
+oben offen, an den kleinen Fingern zusammenlegte, um sie dann einander zu
+und ab zu bewegen, als bräche er eine große, weiche Frucht auf oder als
+böge er etwas auseinander. Sie erzählte es den anderen Schwestern, aber
+niemand wußte, was es zu bedeuten habe. Bis es sich ereignete, daß in der
+Anstalt ein größeres Tier geschlachtet wurde. Rönne kam scheinbar zufällig
+herbei, als der Kopf aufgeschlagen wurde, nahm den Inhalt in die Hände und
+bog die beiden Hälften auseinander. Da durchfuhr es die Schwester, daß dies
+die Bewegung gewesen sei, die sie auf dem Gang beobachtet hatte. Aber sie
+wußte keinen Zusammenhang herzustellen und vergaß es bald.
+
+Rönne aber ging durch die Gärten. Es war Sommer; Otternzungen schaukelten
+das Himmelsblau, die Rosen blühten, süß geköpft. Er spürte den Drang der
+Erde: bis vor seine Sohlen, und das Schwellen der Gewalten: nicht mehr
+durch sein Blut. Vornehmlich aber ging er Wege, die im Schatten lagen und
+solche mit vielen Bänken; häufig mußte er ruhen vor der Hemmungslosigkeit
+des Lichtes, und preisgegeben fühlte er sich einem atemlosen Himmel.
+
+Allmählich fing er an, seinen Dienst nur noch unregelmäßig zu versehen;
+namentlich aber, wenn er sich gesprächsweise zu dem Verwalter oder der
+Oberin über irgendeinen Gegenstand äußern sollte, wenn er fühlte, jetzt sei
+es daran, eine Äußerung seinerseits dem in Frage stehenden Gegenstand
+zukommen zu lassen, brach er förmlich zusammen. Was solle man denn zu einem
+Geschehen sagen? Geschähe es nicht so, geschähe es ein wenig anders. Leer
+würde die Stelle nicht bleiben. Er aber möchte nur leise vor sich hinsehn
+und in seinem Zimmer ruhn.
+
+Wenn er aber lag, lag er nicht wie einer, der erst vor ein paar Wochen
+gekommen war, von einem See und über die Berge; sondern als wäre er mit der
+Stelle, auf der sein Leib jetzt lag, emporgewachsen und von den langen
+Jahren geschwächt; und etwas Steifes und Wächsernes war an ihm lang, wie
+abgenommen von den Leibern, die sein Umgang gewesen waren.
+
+Auch in der Folgezeit beschäftigte er sich viel mit seinen Händen. Die
+Schwester, die ihn bediente, liebte ihn sehr; er sprach immer so
+flehentlich mit ihr, obschon sie nicht recht wußte, um was es ging. Oft
+fing er etwas höhnisch an: er kenne diese fremden Gebilde, seine Hände
+hätten sie gehalten. Aber gleich verfiel er wieder: sie lebten in Gesetzen,
+die nicht von uns seien und ihr Schicksal sei uns so fremd wie das eines
+Flusses, auf dem wir fahren. Und dann ganz erloschen, den Blick schon in
+einer Nacht: um zwölf chemische Einheiten handele es sich, die
+zusammengetreten wären nicht auf sein Geheiß, und die sich trennen würden,
+ohne ihn zu fragen. Wohin solle man sich dann sagen? Es wehe nur über sie
+hin.
+
+Er sei keinem Ding mehr gegenüber; er habe keine Macht mehr über den Raum,
+äußerte er einmal; lag fast ununterbrochen und rührte sich kaum.
+
+Er schloß sein Zimmer hinter sich ab, damit niemand auf ihn einstürmen
+könne; er wollte öffnen und gefaßt gegenüberstehen.
+
+Anstaltswagen, ordnete er an, möchten auf der Landstraße hin und her
+fahren; er hatte beobachtet, es tat ihm wohl, Wagenrollen zu hören: das war
+so fern, das war wie früher, das ging in eine fremde Stadt.
+
+Er lag immer in einer Stellung: steif auf dem Rücken. Er lag auf dem
+Rücken, in einem langen Stuhl, der Stuhl stand in einem geraden Zimmer, das
+Zimmer stand im Haus und das Haus auf einem Hügel. Außer ein paar Vögeln
+war er das höchste Tier. So trug ihn die Erde leise durch den Äther und
+ohne Erschüttern an allen Sternen vorbei.
+
+Eines Abends ging er hinunter zu den Liegehallen; er blickte die
+Liegestühle entlang, wie sie alle still unter ihren Decken die Genesung
+erwarteten; er sah sie an, wie sie dalagen: alle aus Heimaten, aus Schlaf
+voll Traum, aus Abendheimkehr, aus Gesängen von Vater zu Sohn, zwischen
+Glück und Tod -- er sah die Halle entlang und ging zurück.
+
+Der Chefarzt wurde zurückgerufen; er war ein freundlicher Mann, er sagte,
+eine seiner Töchter sei erkrankt. Rönne aber sagte: sehen Sie, in diesen
+meinen Händen hielt ich sie, hundert oder auch tausend Stück; manche waren
+weich, manche waren hart, alle sehr zerfließlich; Männer, Weiber, mürbe und
+voll Blut. Nun halte ich immer mein eigenes in meinen Händen und muß immer
+darnach forschen, was mit mir möglich sei. Wenn die Geburtszange hier ein
+bißchen tiefer in die Schläfe gedrückt hätte . . .? Wenn man mich immer
+über eine bestimmte Stelle des Kopfes geschlagen hätte . . .? Was ist es
+denn mit den Gehirnen? Ich wollte immer auffliegen wie ein Vogel aus der
+Schlucht; nun lebe ich außen im Kristall. Aber nun geben Sie mir bitte den
+Weg frei, ich schwinge wieder -- ich war so müde -- auf Flügeln geht dieser
+Gang -- mit meinem blauen Anemonenschwert -- in Mittagsturz des Lichts --
+in Trümmern des Südens -- in zerfallendem Gewölk -- Zerstäubungen der
+Stirne -- Entschweifungen der Schläfe.
+
+
+
+
+Die Eroberung
+
+
+Aus der Ohnmacht langer Monate und unaufhörlichen Vertriebenheiten --: Dies
+Land will ich besetzen, dachte Rönne, und seine Augen rissen den weißen
+Schein der Straße an sich, befühlten ihn, verglichen ihn mit den Schichten
+nah am Himmel und mit der Helle der Mauer eines Hauses, und schon verging
+er vor Glück in den Abend, in die deutliche Verlängerung des Lichtes, in
+dieses kühle Ende eines Tages, der voll Frühling war.
+
+Die Eroberung ist zu Ende, sagte er sich, es ist fester Fuß gefaßt. Sie
+tragen ihre Ohnmacht noch in Farben an ihre Hütten, in Schleifen, rot und
+gelb, und kleinen Fahnen an der Jacke; aber vertrieben werden wir hier
+zunächst nicht werden. Dagegen alles, was geschieht, geschieht erstmalig.
+Eine fremde Sprache, alles ist haßerfüllt und kommt zögernd über einen
+Abgrund her. Hier will ich Schritt für Schritt vorgehen. Wenn irgendwo, muß
+es mir hier gelingen.
+
+Er schritt aus; schon blühte um ihn die Stadt. Sie wogte auf ihn zu, sie
+erhob sich von den Hügeln, schlug Brücken über die Inseln, ihre Krone
+rauschte. Über Plätze, vor Jahrhunderten liegen geblieben und von keinem
+Fuß berührt, drängten alle Straßen hernieder in ein Tal; es war ein Abstieg
+in der Stadt, sie ließ sich sinken in die Ebene, sie entsteinte ihr Gemäuer
+einem Weinberg zu.
+
+Er verhielt auf einem Platz, sank auf eine Mauer, schloß die Augen, spürte
+mit den Händen durch die Luft wie durch Wasser und drängte: Liebe Stadt,
+laß Dich doch besetzen! Beheimate mich! Nimm mich auf in die Gemeinschaft!
+Du wächst nicht auf, Du schwillst oben nicht an, alles das ermüdet so. Du
+bist so südlich; Deine Kirche betet in den Abend, ihr Stein ist weiß, der
+Himmel blau. Du irrst so an das Ufer der Ferne, Du wirst Dich erbarmen,
+schon umschweifst Du mich.
+
+Er fühlte sich gefestigt. Er schwang über die Boulevards; es war ein Wogen
+hin und her. Er ging beschwingt; die Frauen trug er in seinen Falten wie
+Staub; die Entthronten; was gab es denn: kleine Höhlen und ein Büschel Erde
+in der Achsel. Einer Blonden wogte beim Atmen eine Rose hin und her. Die
+roch nun mit dem Blut der Brust zusammen irgendeinem Manne zu.
+
+Ihr trieb er nach in ein Café. Er setzte sich und atmete tief: ja hier ist
+die Gemeinschaft. Er sah sich um: Ein Mann versenkte sein Weiches in ein
+Mädchen; die dachte, es käme von Gott, und strich sich glatt. Der
+Unterkiefer eines Zurückgebliebenen meisterte mit Hilfe von zwei
+verwachsenen Händen eine Tasse, die Eltern saßen dabei und verwahrten sich.
+Auf allen Tischen standen Geräte, welche für den Hunger, welche für den
+Durst. Ein Herr machte ein Angebot; Treue trat in sein Auge, Weib und Kind
+verernsteten seine Züge. Einer bewertete sachlich ein Gespräch. Einer kaute
+eine Landschaft an, der Wände Schmuck. Ja, hier ist das Glück, sagte er
+sich und blähte seine Nüstern, als versenke er sich, -- das tiefe, gedehnte
+Glück. Nehmt mich auf in die Gemeinschaft!
+
+Schon erhob er die Blicke wie zu seinesgleichen. Seine Augen schweiften wie
+die des Kauenden. Nicht mehr leugnen ließ sich, daß das Licht auf der
+Straße sich verdunkelte, und daß tief gebeugt ein Mädchen sang. Klar zutage
+lagen die Lüste zwischen den Soldaten und den Frauen, und der Kellner
+gewann an Geltung. Und er fühlte, wie er wuchs und still ward, so kühl
+umstanden zu sein von lauter Dingen, die geschahen.
+
+Nun wurde er kühner; er entlastete sich auf die Stühle, und siehe -- sie
+standen da. Er verteilte, was er unter der Stirne trug, um der Säulen Samt.
+Die Marmorplatten wuchsen sich aus, die Klinken traten selbständig hervor.
+Er schweifte sich innen aus: auf die Borde, auf die Simse häufte er aus
+allen Höhlen und Falten Last um Last.
+
+Nun hing sogar ein Bild an der Wand: eine Kuh auf einer Weide. Eine Kuh auf
+einer Weide, dachte er; eine runde braune Kuh, Himmel und ein Feld. Nein,
+was für ein namenloses Glück aus diesem Bild entstehen kann! Da steht sie
+nun mit vier Beinen, mit eins, zwei, drei, vier Beinen, das läßt sich gar
+nicht leugnen; sie steht mit vier Beinen auf einer Wiese aus Gras und sieht
+drei Schafe an, eins, zwei, drei Schafe, -- o die Zahl, wie liebe ich die
+Zahl, sie sind so hart, sie sind rundherum gleich unantastbar, sie starren
+von Unangreifbarkeit, ganz unzweideutig sind sie, es wäre lächerlich,
+irgend etwas an ihnen aussetzen zu wollen; wenn ich noch jemals traurig
+bin, will ich immer Zahlen vor mich her sagen; er lachte froh und ging.
+
+Himmel um sein Haupt, blühte er durch das leise Spiel der Nacht. Sein waren
+die Gassen, für seine Gänge, ohne Demütigung vernahm er seiner Schritte
+Widerhall. Er fühlte ein Erschließen, er stieg auf; eine Pore war er, aus
+der es grünen wollte, eingeebnet fühlte er sich in das Schlenkern der Arme
+eines Mannes, der hastig über die Straße schritt, gehürnt von einem Ziel.
+
+Weich und mahlend bewältigte er die Schaufenster durch Gedanken über
+Gegenstände in den Läden, stand herum prüfenden Blickes, als beabsichtige
+er einzukaufen, ging weiter, nicht befriedigt von dem, was man ihm bot.
+
+Hart heran an Gangart und Gesichtsausdruck von anderen Männern trat er,
+schloß sich dem an, glättete seine Züge, um sie gelegentlich aufzucken zu
+lassen in der Erinnerung an ein Vorkommnis im Laufe des Tages, sei es
+heiterer, sei es ernster Art. Einen belebten großen Platz vollends nahm er
+wahr, um plötzlich stehen zu bleiben, erschrocken mit der Hand an die Stirn
+zu fassen und den Kopf zu schütteln: nein, zu ärgerlich! nun hatte er etwas
+vergessen; entfallen war ihm etwas, das zu tun ihm oblag; ein Versäumnis
+lag vor, das trotz aller bevorstehender Verabredungen des Abends
+unverzüglich nachzuholen ihm die Pflicht gebot. Weitergehen erübrigte sich.
+Es hieß jetzt, der Umkehr ins Auge sehen und vollbringen, was einmal als
+Recht erkannt.
+
+Erregt machte er kehrt; die einreihenden Gedanken der Nachblickenden
+wärmten ihn und trieben ihn an: Vielleicht erzählte nun einer von ihm zu
+Hause, vielleicht spöttelte er ein wenig, vielleicht sagte er etwas
+schadenfroh: ein Herr, der etwas vergessen hatte -- vielleicht kam er nun
+zu spät zu seiner Verabredung -- vielleicht blieb ihm nun die Tür
+verschlossen während der Ouverture, -- er mußte noch einmal zurückgehen --
+wahrscheinlich in sein Bureau --, wahrscheinlich ein Brief an einen
+Geschäftsfreund --, man kennt das ja selbst -- ja ja, so ist das Leben --
+man erzieht sich selbst -- man muß manches opfern -- aber nur den Kopf
+nicht sinken lassen --, erhebt die Herzen, -- Sursum corda -- der gestirnte
+Himmel -- das dienende Glied.
+
+Er bog in ein Friseurgeschäft und unterzog sich der Pflege.
+
+Ein Herr bekam den Hinterkopf gepudert. Warum, fragte sich Rönne, ich
+bekomme ihn nicht gepudert. Er überlegte. Er war blond. Es geht daraus
+hervor, daß das Prinzip des Weißen mit dem Prinzip des Blonden für diesen
+Zweck identisch ist. Es dürfte sich um den Lichtreflex handeln, um den
+Brechungskoeffizienten sozusagen. Jawohl, Brechungskoeffizient, sehr gut,
+und er verweilte einen Augenblick.
+
+Man muß nur an alles, was man sieht, etwas anzuknüpfen vermögen, es mit
+früheren Erfahrungen in Einklang bringen und es unter allgemeine
+Gesichtspunkte stellen, das ist die Wirkungsweise der Vernunft, dessen
+entsinne ich mich.
+
+Stark und gerüstet dehnte er sich in dem Rasierstuhl. Der junge Mann
+tänzelte herum, tupfte hin und her und puderte und strich.
+
+Er war wieder auf der Straße. Eine Frau bot einen flachen Korb herum mit
+Veilchensträußen, blau wie Stücke der Nacht, mit Orchideenbündeln, weichen
+Zusammenflusses aus hellblau und orange.
+
+Die Orchidee, lachte er selbstgefällig, die Blüte des heißen Afrika, der
+Liebling der Sammler, der Gegenstand so mancher Ausstellungen des In- und
+Auslandes, jawohl, ich weiß Bescheid, jawohl, ich bin nicht unkundig,
+selbst zu einem Fachmann fände ich Beziehungen.
+
+Da fiel sein Blick auf die Inschrift eines Hauses, die hieß etwa:
+Schlachthof.
+
+Nun mußte er sich eingehend über Schlachthof äußern. Der Dresdener
+Schlachthof vergleichsweise, erbaut Anfang der siebziger Jahre von Baurat
+Köhler, versehen mit den hygienisch-sanitären Vorrichtungen modernsten
+Systems -- bahnbrechend war in dieser Richtung die Entdeckung des Dänen
+Johannsen. Es war ein Junitag des denkwürdigen Jahres der finnischen
+Expedition. Da ging er am Morgen durch die Östergaade und sah zwei Kühe
+ankommen, alter jütländischer Art -- -- heraus aus einer solchen Fülle des
+Tatsächlichen sprach er; so äußerte er sich, so stand er Antwort und Rede,
+klärte manches auf, half über Irrtümer hinweg, diente der Sache und
+unterstand der Allgemeinheit, die ihm dankte.
+
+Messer und Geräte, Griffe und Anerkennung des Raumes Erforderndes, traten
+ihm entgegen. Nun wurde er gar ein Jäger, eine starke, geschlossene
+Gestalt. Er scheute sich nicht, durch grüne Joppe und Hornknöpfe Aufschluß
+über sein Gewerbe jedem Vorübergehenden zu geben. Er war wetterhart und
+gebräunt und einen kräftigen Schluck zum zweiten Frühstück, jawohl die
+Herren, und noch einmal! Er erzählte in einem größeren Kreise von dem
+Sechserbock, wie er den Drilling an die Backe nahm, und das Silberkorn
+flimmerte in der Kimme. Er prüfte und begutachtete einen Standhauer,
+erinnerte an die ungünstigen Erfahrungen mit dem Modell eines Försters aus
+der Nachbarschaft; er nickte bedächtig, schüttelte mit dem Kopf und sprach
+starken Atems in die rauhe Morgenluft, kurz, er war der geachtete Mann, dem
+im Umfang seines Faches Vertrauen zukam, eine bodenständige Natur, festen
+Schrittes und aufrechter Art.
+
+Nun erkrankte ihm vollends sein Kind; an einem Frühlingsmorgen, das junge
+Geschöpf! Er schluchzte mit seinem Weibe; aber mit dem kurzen Daumen des
+Broterwerbers strich er sich durch den Bart, den Schmerz zu meistern. Er
+stand demütig vor dem Unbegreiflichen; aller Rätsel wurde auch er nicht
+Herr; das Mythische ragte in sein Leben hinein, die guten und die bösen
+Dinge, die Träne und das Blut.
+
+Allmählich aber war die Nacht tiefer geworden und schloß ihn ein. Nun
+schwoll wirklich um ihn der Wald. Er sank auf Moos unter Stern und stillen
+Lauten. Blau stand zwischen Bäumen, Tier und Dorf. In ihrem Bett die
+Quelle. In ihrem Silberheim die Hügel. Und im Schauer seiner Haut, im
+Sprunge seiner Glieder, im Trunk der Augen, in seines Ohres Rausch: er, als
+der Blüten eine, er, als der Tiere Beischlaf, unter einem Himmel, unter
+einer Nacht --
+
+Im Taumel halb, und halb weil Klänge riefen, stieg er die Stufen hinunter
+in den Saal.
+
+Da tanzte eine hinter Schleiern, die Brüste gebunden, und ein
+Korallengaumen, aus dem sie lachte. Zwei wehten mit ihren Händen an ihren
+Leibern vorbei und trieben Geruch und Lust den Männern zu. Eine stieß Leib
+und Brüste hervor nach Enthüllungen. Zwei, die sich lieben wollten,
+streiften die Ringe ab, die hatten rauhe Steine.
+
+Er aber spürte die Hände alle auf den Hüften, den Drang, sich abzuflachen
+auf die Erde, die Zuckungen, das Zusammenströmen und den Aufwuchs, und
+plötzlich stand vor ihm die Schwangere: breites, schweres Fleisch, triefend
+von Säften aus Brust und Leib; ein magerer, verarmter Schädel über feuchtem
+Blattwerk, über einer Landschaft aus Blut, über Schwellungen aus tierischen
+Geweben, hervorgerufen durch eine unzweifelhafte Berührung.
+
+Da sprang er eine an, brach sie auf biß in Gebein, das wie seines war,
+entriß ihm Schreie, die wie seine klangen, und verging an einer Hüfte,
+erstürmt von einem fremden Rund. --
+
+Dann stieß der Morgen hervor, rot und siegreich. Rönne schritt durch die
+Wellen der Frühe, durch das Meer, das über die Wolken brach.
+
+Rein und klar sah er hinter sich die Nacht, nun ging er den Weg zu den
+Palmengärten am Rande der Stadt.
+
+Das Licht wuchs an, der Tag erhob sich; immer der gleiche ewige Tag, immer
+das unverlierbare Licht.
+
+Die letzten Straßen, Brut quoll aus den Kellern; vorbei schabte ein Mönch,
+der Triumph des Inhalts; Frauen, Geruch aus Nestern und Begattung hinter
+sich herschleifend, führten ihre bejahenden Versenkungen dem Nachbar zu. Zu
+ihnen gehörten sie alle: Der Jäger und der Krüppel, der Vergeßliche und der
+Tänzer, -- alle glaubten, versteckt oder frei, an die großen Gehirne, um
+die die Götter schwebten.
+
+Er, der Einsame; blauer Himmel, schweigendes Licht. Über ihm die weiße
+Wolke: die sanftgekappten Rande, das schweifende Vergehen.
+
+Er wehte sich über die Stirn: Am Abend, als ich ausging, schien ich mir
+noch des Schmerzes wert. Nun mag ich unter Farren liegen, die Stämme
+anschielen und überall die Fläche sehen.
+
+Die Türen sanken nieder, die Glashäuser bebten, auf einer Kuppel aus
+Kristall zerbarst ein Strom des unverlierbaren Lichts: -- so trat er ein
+--.
+
+Ich wollte eine Stadt erobern, nun streicht ein Palmenblatt über mich hin.
+
+Er wühlte sich in das Moos: am Schaft, wasserernährt, meine Stirn,
+handbreit, und dann beginnt es.
+
+Bald darauf ertönte eine Glocke. Die Gärtner gingen an ihre Arbeit; da
+schritt auch er an eine Kanne und streute Wasser über die Farren, die aus
+einer Sonne kamen, wo viel verdunstete.
+
+
+
+
+Die Reise
+
+
+Rönne wollte nach Antwerpen fahren, aber wie ohne Zerrüttung? Er konnte
+nicht zu Mittag kommen. Er mußte angeben, er könne heute nicht zu Mittag
+kommen, er fahre nach Antwerpen. Nach Antwerpen hätte der Zuhörer gedacht?
+Betrachtung? Aufnahme? Sich ergehen? Das erschien ihm ausgeschlossen. Er
+zielte auf Bereicherung und den Aufbau des Seelischen.
+
+Und nun stellte er sich vor, er säße im Zug und müßte sich plötzlich
+erinnern, wie jetzt bei Tisch davon gesprochen wurde, daß er fort sei; wenn
+auch nur nebenbei, als Antwort auf eine kurz hingeworfene Frage, jedenfalls
+aber doch so viel, er seinerseits suche Beziehungen zu der Stadt, dem
+Mittelalter und den Scheldequais.
+
+Erschlagen fühlte er sich, Schweißausbrüche. Eine Krümmung befiel ihn, als
+er seine unbestimmten und noch gar nicht absehbaren, jedenfalls aber doch
+so geringen und armseligen Vorgänge zusammengefaßt erblickte in Begriffen
+aus dem Lebensweg eines Herrn.
+
+Ein Wolkenbruch von Hemmungen und Schwäche brach auf ihn nieder. Denn wo
+waren Garantien, daß er überhaupt etwas von der Reise erzählen könnte,
+mitbringen, verlebendigen, daß etwas in ihn träte im Sinne des Erlebnisses?
+
+Große Rauheiten, wie die Eisenbahn, sich einem Herrn gegenüber gesetzt
+fühlen, das Heraustreten vor den Ankunftsbahnhof mit der zielstrebigen
+Bewegung zu dem Orte der Verrichtung, das alles waren Dinge, die konnten
+nur im geheimen vor sich gehen, in sich selber erlitten, trostlos und tief.
+
+Wie war er denn überhaupt auf den Gedanken gekommen, zu verlassen, darin er
+seinen Tag erfüllte? War er tollkühn, herauszutreten aus der Form, die ihn
+trug? Glaubte er an Erweiterung, trotzte er dem Zusammenbruch?
+
+Nein sagte er sich, nein. Ich kann es beschwören: nein. Nur als ich vorhin
+aus dem Geschäft ging, nach Veilchen roch man wieder, gepudert war man
+auch, ein Mädchen kam heran mit weißer Brust, es erschien nicht
+ausgeschlossen, daß man sie eröffnet. Es erschien nicht ausgeschlossen, daß
+man prangen würde und strömen. Ein Strand rückte in den Bereich der
+Möglichkeiten, an den die blaue Brust des Meeres schlug. Aber nun zur
+Versöhnung will ich essen gehn.
+
+ * * *
+
+Durch Verbeugung in der Türe anerkannte er die Individualitäten. Wer wäre
+er gewesen? Still nahm er Platz. Groß wuchteten die Herren.
+
+Nun erzählte Herr Friedhoff von den Eigentümlichkeiten einer tropischen
+Frucht, die einen Kern enthalte von Eigröße. Das Weiche äße man mit einem
+Löffel, es habe gallertartige Konsistenz. Einige meinten, es schmecke nach
+Nuß. Er demgegenüber habe immer gefunden, es schmecke nach Ei. Man äße es
+mit Pfeffer und Salz. Es handelte sich um eine schmackhafte Frucht. Er habe
+davon das Tages 3--4 gegessen und einen ernstlichen Schaden nie bemerkt.
+
+Hierin trat Herrn Körner das Außerordentliche entgegen. Mit Pfeffer und
+Salz eine Frucht? Das erschien ihm ungewöhnlich, und er nahm dazu Stellung.
+
+Wenn es ihm doch aber nach Ei schmeckt, wies Herr Mau auf das Subjektive
+des Urteils hin, gleichzeitig etwas wegwerfend, als ob er seinerseits
+nichts Unüberbrückbares sähe. Außerdem so ungewöhnlich sei es doch nun
+nicht, führte Herr Offenberg zur Norm zurück, denn z. B. die Tomate? Wie
+nun vollends, wenn Herr Kritzler einen Oheim aufzuweisen hatte, der noch
+mit 70 Jahren Melone mit Senf gegessen hatte, und zwar in den Abendstunden,
+wo Derartiges bekanntlich am wenigsten bekömmlich sei?
+
+Alles in allem: Lag denn in der Tat eine Erscheinung von so ungewöhnlicher
+Art vor, ein Vorkommnis sozusagen, das die Aufmerksamkeit weiterer Kreise
+auf sich zu lenken geeignet war, sei es, weil es in seinen
+Verallgemeinerungen bedenkliche Folgeerscheinungen hätte zeitigen können,
+sei es, weil es als Erlebnis aus der besonderen Atmosphäre des Tropischen
+zum Nachdenken anzuregen geeignet war?
+
+Soweit war es gediehen, als Rönne zitterte, Erstickung auf seinem Teller
+fand und nur mit Mühe das Fleisch aß.
+
+Ob er aber nicht doch vielleicht eine Banane gemeint habe, bestand Herr
+Körner, diese weiche, etwas mürbe und längliche Frucht?
+
+Eine Banane, wuchs Herrn Friedhoff auf? Er, der Kongokenner?? Der
+langjährige Befahrer des Moabangi? Nein, das nötigte ihm geradezu ein
+Lächeln ab! Weit entschwand er über diesen Kreis. Was hatten sie denn für
+Vergleiche? Eine Erdbeere oder eine Nuß, vielleicht hie und da eine Marone,
+etwas südlicher. Er aber, der beamtete Vertreter in Hulemakong, der aus den
+Dschungeln des Jambo kam?
+
+Jetzt oder nie, Aufstieg oder Vernichtung, fühlte Rönne, und: wirklich nie
+einen ernstlichen Schaden bemerkt? tastete er sich beherrschten Lautes in
+das Gewoge, Erstaunen malend und am Zweifel des Fachmanns: Vor dem Nichts
+stand er; ob Antwort käme?
+
+Aber saß denn nicht schließlich auf dem Stuhl aus Holz er, schlicht
+umrauscht von dem Wissen um das Gefahrvolle der Tropenfrucht, wie in Sinnen
+und Vergleichen mit Angaben und Erzählungen ähnlicher Erlebnisse, der
+schweigsame Forscher, der durch Beruf und Anlage wortkarge Arzt? Dünn sah
+er durch die Lider, vom Fleisch auf, die Reihe entlang, langsam erglänzend.
+Hoffnung war es noch nicht, aber ein Wehen ohne Not. Und nun eine
+Festigung: mehreren Herren schien in der Tat die nochmalige Bestätigung
+dieser Tatsache zur Behebung von etwa aufgestiegenen Bedenken von Wert zu
+sein. Und nun war kein Zweifel mehr: einige nickten kauend.
+
+Jubel brach aus, Triumphgesänge. Nun hallte Antwort mit Aufrechterhaltung
+gegenüber Zweiflern, und das galt ihm. Einreihung geschah, Bewertung trat
+ein; Fleisch aß er, ein wohlbekanntes Gericht; Äußerungen knüpften an ihn
+an, zu Ansammlungen trat er, unter ein Gewölbe von großem Glück; selbst
+Verabredung für den Nachmittag zuckte einen Augenblick lang ohne Erbeben
+durch sein Herz.
+
+Aus Erz saßen die Männer. Voll kostete Rönne seinen Triumph. Er erlebte
+tief, wie aus jedem der Mitesser ihm der Titel eines Herrn zustieg, der
+nach der Mahlzeit einen kleinen Schnaps nicht verschmähte und ihn mit einem
+bescheidenen Witzwort zu sich nimmt, in dem Ermunterung für die andern,
+aber auch die entschiedene Abwehr jeglichen übermäßigen Alkoholgenusses
+eine gewisse Atmosphäre der Behaglichkeit verbreitete. Der Eindruck der
+Redlichkeit war er und des schlichten Eintretens für die eigene
+Überzeugung; aber auch einer anderweitigen Auffassung gegenüber würde er
+gern zugeben; da ist was Wahres dran. Geordnet fühlte er seine Züge; kühler
+Gelassenheit, ja Unerschütterlichkeit auf seinem Gesicht zum Siege
+verholfen, und das trug er bis an die Tür, die er hinter sich schloß.
+
+ * * *
+
+Schattenhaft ging er durch den Gang, nun wieder im Gefühl des Schlafes, in
+den man sank ohne einen Wirbel über sich zu lassen, negativ verendet, nur
+als Schnittpunkt bejaht. Zwei Huren wuschen den Gang auf, von weitem schon
+ihn wahrnehmend, aber sich in die Arbeit versunken stellend, bis er da war.
+Nun erst trat in die Augen das jähe Erkennen, Keuschheit und Verheißung aus
+der Reife des Bluts.
+
+Rönne aber dachte, ich kenne euch Tiere, über dreihundert Nackte jeden
+Morgen! aber wie stark ihr die Liebe spielt! Eine kannte ich, die war an
+einem Tag von Männern einem Viertelhundert der Rausch gewesen, die Schauer
+und der Sommer, um den sie blühten. Sie stellte die Form, und es geschah
+das Wirkliche. Ich will Formen suchen und mich hinterlassen; Wirklichkeiten
+eine Hügelkette, o von Dingen ein Gelände.
+
+Er trat aus dem Haus. Helle Avenuen waren da, Licht voll Entrückung,
+Daphneen im Erblühn. Es war eine Vorstadt; Armes aus Kellern, Krüppel und
+Gräber, soviel Ungelacht. Rönne aber dachte, jeder Mensch dem ich begegne,
+ist noch ein Sturm zu seinem Glück. Nirgends meine schwere, drängende
+Zerrüttung.
+
+Er ging langsam, er schürfte sich vor. Es war eine ungewohnte
+Straßenstunde, ihm seit Monaten nicht mehr bekannt. Er blätterte das
+Entgegenkommende behutsam auseinander mit seinen tastenden, an der Spitze
+leicht ermüdbaren Augen.
+
+Aufzunehmen gilt es, rief er sich zu, einzuordnen oder prüfend zu übergehn.
+Aus dem Einstrom der Dinge, dem Rauschen der Klänge, dem Fluten des Lichts
+die stille Ebene herzustellen, die er bedeutete.
+
+Es war eine fremde Gegend, durch die er ging, aber es mochte immerhin ein
+Bekannter kommen und fragen, woher und wohin. Und obschon er einen
+Patienten jederzeit hierfür zur Hand gehabt hätte, so war es doch nicht der
+Fall, und ihm graute vor dem Erlebnis, vor dem er stehen würde: daß er aus
+dem Nichts in das Fragwürdige schritt, im Antrieb eines Schatten, keiner
+Verknotung mächtig, und dennoch auf Erhaltung rechnend.
+
+Scheu sah er sich um; höhnisch standen Haus und Baum; unterwürfig eilte er
+vorbei. Haus, sagte er zum nächsten Gebäude; Haus zum übernächsten; Baum zu
+allen Linden seines Wegs. Nur um Vermittelung handele es sich, in
+Unberührtheit blieben die Einzeldinge; wer wäre er gewesen, an sich zu
+nehmen oder zu übersehen oder, sich auflehnend, zu erschaffen? Ein bißchen
+durch die Sonne gehen, mehr wollte er ja nicht; es warm haben, und der
+Himmel hatte ein Blau: nie endend, mütterlich und sanft vergehend.
+
+Weit war er noch nicht von seinem Krankenhaus entfernt, da übermannte ihn
+schon die Not. Wohin trug er sich denn, etwa in das All? War er der Träumer
+denn, weich streifend den Hang, oder der Hirt auf den Hügeln? Trat an die
+Maikastanie vielleicht er, den Ast beklopfend mit dem Hornmesser, bis in
+Saft vom Zweige die Rinde glitt und wurde die gehöhlte Flöte? Gesänge,
+hatte er sie? War er vielleicht der Freie, der in Segeln schritt, und
+überall die Erde, löschend mit seinem Blick? O, er war wohl schon zuweit
+gegangen! Schon schwankte vor der Straße Feld unter gelben Stürmen
+gefleckter Himmel, und ein Wagen hielt am Saum der Stadt. Zurück! hieß es;
+denn heran wogte das Ungeformte, und das Uferlose lag lauernd.
+
+Nun nahm ihn wieder die Straße auf, schnurgerade und unter einem flachen
+Licht. Von Tür zu Tür lief sie, und sachlich um den Fuß der Botenfrau; aus
+den Kellern über sie wehte die Küche Nahrung und Notdurft; vor dem Spiegel
+der Herr kämmte achtbar seinen Bart; klang der Fuß auf Metall, sorgte für
+Entwässerung das Gemeinwohl; lag ein Gitterchen an der Mauer, kam im Winter
+nicht der Frost, und in ihr Recht traten Förder und Schacht?
+
+Wie einsam steht es um die Straße, dachte Rönne, sie ist eindeutig fixiert
+und wird entwicklungsgeschichtlich kaum durchdacht; aber schön und sicher
+ist es, hier zu wandeln, so dicht am Leib mündet sie, und eigentlich ist es
+kein Gehen mehr, sondern ein Träumen auf dem Rücken des Zwecks.
+
+Dann prangten zwischen Pelz und Locken Damen in den Abend ihr Geschlecht.
+Blühen, Züngeln, Fliedern der Scham aus Samt und Bänder über Hüften. Rönne
+labte sich an dem Geordneten einer Samtmantille, an der restlos gelungenen
+Unterordnung des Stofflichen unter den Begriff der Verhüllung; ein Triumph
+trat ihm entgegen zielstrebigen, kausal geleiteten Handelns. Aber -- und
+plötzlich sah er die Frau nackt -- diese nicht; es müßte die Ernüchterte
+sein, die sich noch einmal krümmen ließe.
+
+Da trat ein Herr auf ihn zu, und ha ha, und schön Wetter ging es hin und
+her, Vergangenheit und Zukunft eine Weile im kategorialen Raum. Als er fort
+war, taumelte Rönne. Sie alle lebten mit Schwerpunkten auf Meridianen
+zwischen Refraktor und Barometer, er nur sandte Blicke über die Dinge,
+gelähmt von Sehnsüchten nach einem Azimuth, nach einer klaren logischen
+Säuberung schrie er, nach einem Wort, das ihn erfaßte. Wann würde er der
+erzene Mann, um den tags die Dinge brandeten und des Nachts der Schlaf, der
+gelassen vor einem Bahnhof stände, wieviel Erde es auch gäbe, der
+Verwurzelte, der Unerschütterliche!
+
+Reisen hatte er gewollt, aber nun schienen Gleise über die Straße, und
+schon sank sein Blick. Oh, daß es eine Erde gab, wirklich grün, stark
+irden, silbern verfernt, über die die Augen strichen wie ein Flügel, und
+Städte, flache weiße, an Küsten, und Kutter, braune, die man hinnahm,
+liebte und vergaß.
+
+Oder ein Leben um das Radwerk einer Uhr. Um Hyazinthenknollen die Hand. Die
+Schulter, die das Fischnetz zog, silbern und ihr Abwurf auf den Strand.
+
+Da, durch die helle dünne Luft, in die die Knospen ragten, und unter dem
+ersten Stern, kam eine Frau vorbei und roch blau und langte Rönne nach dem
+Schädel und legte ihn tief in den Nacken, bettend, und über der Stirn stand
+die frühe Nacht.
+
+Rönne schluchzte auf: wer knirschte so tief wie ich unter dem Stoff, wer
+ist so geknechtet von den Dingen nach Zusammenhang als ich, aber eben dies
+schweifende Gewässer, tief, dunkel und veilchenfarben, aus dem Aufklaff
+einer Achsel -- mich stäubt Zermalmung an.
+
+Zwischen die Straßen rinnt Nacht, über die weißen Steine blaut es, es
+verdichtet sich die Entrückung; die Sträucher schmelzen, welches Vergehn!
+--
+
+Nun fiel ein Regen und löste die Form. Wohnungen traten unter laues Wasser,
+in Frühlingsgewölke stand alle Stadt. Über ihr aber schwebte er, entrückt,
+einsam, mit einer Krone irgendwoher. Jäh wurde er der Herr mit Koffer, der
+auf die Reise ging durch Aue und Rand. Schon wogten Hügel heran, weich
+bewäldert; nun brüderlich die Äcker, die Versöhnung kam.
+
+Er sah die Straße entlang und fand wohin.
+
+Einrauschte er in die Dämmerung eines Kinos, in das Unbewußte des
+Parterres. In weiten Kelchen flacher Blumen bis an die verhüllten Ampeln
+stand rötliches Licht. Aus Geigen ging es, nah und warm gespielt, auf der
+Ründung seines Hirns, entlockend einen wirklich süßen Ton. Schulter neigte
+sich an Schulter, eine Hingebung; Geflüster, ein Zusammenschluß;
+Betastungen, das Glück. Ein Herr kam auf ihn zu, mit Frau und Kind,
+Bekanntschaft zuwerfend, breiten Mund und frohes Lachen. Rönne aber
+erkannte ihn nicht mehr.
+
+Er war eingetreten in den Film, in die scheidende Geste, in die mythische
+Wucht.
+
+Groß vor dem Meer wölkte er um sich den Mantel, in hellen Briesen stand in
+Falten der Rock; durch die Luft schlug er wie auf ein Tier, und wie kühlte
+der Trunk den Letzten des Stamms.
+
+Wie er stampfte, wie rüstig blähte er das Knie. Die Asche streifte er ab,
+lässig, benommen von den großen Dingen, die seiner harrten aus dem Brief,
+den der alte Diener brachte, auf dessen Knien der Ahn geschaukelt.
+
+Zu der Frau am Bronnen trat edel der Greis. Wie stutzte die Amme, am Busen
+das Tuch. Wie holde Gespielin! Wie Reh zwischen Farren! Wie ritterlich
+Weidwerk! Wie Silberbart!
+
+Rönne atmete kaum, behutsam, es nicht zu zerbrechen. Denn es war
+vollbracht, es hatte sich vollzogen.
+
+Über den Trümmern einer kranken Zeit hatte sich zusammengefunden die
+Bewegung und der Geist, ohne Zwischentritt. Klar aus den Reizen segelte der
+Arm; vom Licht zur Hüfte, ein heller Schwung, von Ast zu Ast.
+
+In sich rauschte der Strom. Oder wenn es kein Strom war, ein Wurf von
+Formen, ein Spiel in Fiebern, sinnlos und das Ende um allen Saum.
+
+Rönne, ein Gebilde, ein heller Zusammentritt, zerfallend, von blauen
+Buchten benagt, über den Lidern kichernd das Licht.
+
+Er trat auf die Avenue. Er endete in einem Park.
+
+Dunkel drohte es auf, bewölkt und schauernd, wieder aus dem Gefühl des
+Schlafs, in den man sank, ohne einen Wirbel über sich zu lassen, negativ
+verendet, nur als Schnittpunkt bejaht; aber noch ging er durch den
+Frühling, und erschuf sich an den hellen Anemonen des Rasens entlang und
+lehnte an eine Herme, verstorben weiß, ewig marmorn, hierher zerfallen aus
+den Brüchen, vor denen nie verging das südliche Meer.
+
+
+
+
+Die Insel
+
+
+Daß dies das Leben sei, war eine Annahme, zu der Rönne, einen Arzt, das von
+leitender Stelle aus Geregelte seiner Tage, das staatliche Genehmigte, ja
+Vorgeschriebene seiner Bestimmung wohl berechtigte.
+
+Tat es etwas, daß die Insel klein war, übersehbar von einem Hügel, ein
+Streifen Stein zwischen Möwen und Meer -- es gab das Gefängnis da mit den
+Sträflingen, daran Arzt zu sein er ausersehen, und dann gab es Strand, eine
+große Strauchwiese voll Gezwitscher, ein Vogelhort, und weiter unten ein
+elendes Dorf mit Fischern, das allerdings galt es noch näher zu beleuchten.
+
+Ein Rachen war bepinselt, einer Meineidigen das Knie massiert, da erhob
+sich Rönne und verließ das ummäuerte Gehöft. Davor lag weißer Strand;
+darauf blühte Hafer und Distel; denn der Sommer war über das Meer gekommen
+wie ein Gewitter: der Himmel donnerte von Bläue und es goß Wärme und Licht.
+
+Unter Gedanken, wie die freie Zeit, die ihm nach Erledigung seiner
+Dienstpflichten zur Verfügung stand, zweckmäßig zu verwenden sei, welches
+ihr Sinn sei in Hinsicht des Staates und der Person, schritt er aus. Er
+atmete tief die reine Seeluft ein, die schmächtige Brust ihr entgegen
+spülend, dem Gesundheitlichen, das die bekanntermaßen dem Wanderer bot,
+willig hingegeben. Eins fühlte er sich mit dem Geiste, der ihn hier
+herberufen und gestellt, der sich ohne Zaudern zur Sicherstellung der
+vorwärtszielenden bürgerlichen Verrichtung entschloß; der dem Schutze galt,
+die die Öffentlichkeit dem strebenden Bemühen schuldete, mit einem Wort:
+der die Ausmerzung des Schädlings anstrebte, ohne jedoch selbst hier außer
+acht zu lassen das allgemein Menschliche noch des Gefallenen und in einer
+Art stummer Anerkenntnis des großen allumschließenden Bandes des Seelischen
+schlechthin nicht die Vernichtung wollte, sondern den Arzt beigab.
+
+Und nun, die karge Schindel der ersten Hütte, war sie nicht Hut gegen Sturm
+und Regen, der Unbill Abwehr, Traute und Behaglichkeit bedachend? Das Netz,
+das vom Fang kommend der Gatte ausbreitete, sorgsam über Pfahl und Stein,
+war es nicht umwittert vom Geruch der Diele, wo es sich vollzog, das
+Natürliche, das Urgesunde? Und nun wehte gar ein Windstoß an eine Ölkappe,
+und ein Arm griff an die Krempe --: jawohl, auf Reize antwortete hier
+Organisches; betrieben wurden seine Symptome: der Stoffwechsel und die
+Vermehrung; der Reflexbogen herrschte, hier war gut ruhn.
+
+Vor einer Kneipe saßen Männer. Ihr Sinn? Sie saßen! Sie gingen nicht, sie
+schonten Kraft. Sie tranken aus Krügen! Reine Lust? Niemals! Nährwert war
+nicht zu leugnen. Und wenn? Erholung von Mann zu Mann?!
+Erfahrungsaustausch?! Bestätigungen!!!?
+
+Und der Düstere abseits? Der Grübeler, der sich ernster nahm? Flammte nicht
+auch auf seiner Stirn noch durch das Dämonische, selbst gegen Götter
+gerichtet, der geschlossenere Akt, der stärkere Aufbau, das
+Lichtbringerische in eventuellen Abgrund?
+
+Kurz und gut: lauter Wahrnehmungen, die wohl befriedigen durften. Nirgends
+eine Störung, überall Sonne und heller Ablauf.
+
+Rönne setzte sich. Ich habe etwas freie Zeit, sagte er sich, jetzt will ich
+etwas denken. Also, eine Insel und etwas südliches Meer. Es sind nicht da,
+aber es könnten da sein: Zimtwälder. Jetzt ist Juni, und es begönne die
+Entborkung, und ein Zweiglein bräche dabei wohl ab. Ein überaus lieblicher
+Geruch würde sich verbreiten, auch beim Abreißen eines Blattes ein
+aromatisches Geschehen.
+
+Denn alles in allem: vier bis sechs Fuß hohe Stauden, weiche grüne
+lorbeerähnliche Blätter, indeß der Blütenstempel gelb getönt ist. Ist der
+Schößling daumenstark, tritt die Einsammlung heran und es erfordert viele
+Hände, Bündel, krumme Messer, Rinde und Bast; mit diesen Worten ist manches
+schon erwiesen, aber erst in der Hütte wird das Häutchen abgeschält.
+
+Ja, das war eine Insel, die in einem Meer vor Indien lag. Es nahte sich ein
+Schiff, plötzlich trat es in den Wind, der das Land umfaßt hatte und nun
+stand es im Atem des bräunlichen Walds. Der Zimtwald, dachte der Reisende,
+und der Zimtwald, dachte Rönne. Schneeweiß war der Boden, und die Staude
+saftig. Und durch die Insel schritt er, zwischen Roggen und Wein,
+abgeschlossen und still umgrenzt. Sein Urteil ist Begehren, der Satzbau
+Stellung nehmend. Er grübelt, doch über die Polle einer Pflanze, denn er
+ist gewillt, sie einzusäen. Ferne ist die Zeit der Trauer, da er in der
+Bahn hierher fuhr mit den Damen: das ist sehr hübsch hier, sagte die Mutter
+zu den Töchtern, seht doch mal! und nun verarbeiteten sie aus den
+Kupeefenstern heraus die Hügelkette, matt im blauen Dunst, davor das Tal
+und eine Stadt, die hinter Wäldern und Klee versank; denn wenn die Mutter
+es nicht gesagt hätte, mußte Rönne immer denken, wäre der Aufstieg nicht
+erfolgt.
+
+Hier aber herrschten keine solchen vagen Ausrufe. Hier wurde hingenommen,
+was ins Auge traf. Sachliche Verarbeitung trat ein in bezug auf ein Netz,
+im Hinblick auf eine Reuse. Und auch wenn er wie eben etwas dachte, lag
+Andersartiges vor, keine Bereicherung, mehr ein Traum.
+
+Hell saß er am Strand. Er fühlte sich leicht und durchsichtig und schien
+sich nicht mehr unsauberer zu sein als ein bewegter Stein, als ein
+abgerundeter Block, gehalten von einer leichten Organisation.
+
+Und wenn er auf die Insel aus dem Gefühl einer Aufgabe heraus gekommen war,
+an Gegenständen, die er möglichst isoliert unter wenig veränderlichen
+Bedingungen beobachten konnte, den Begriff nachzuprüfen, so spürte er jetzt
+schon etwas wie Erfüllung: Die Begriffe, schien ihm, sanken herab. Wie
+hatte zum Beispiel Meer auf ihm gelegen, ein sprachlicher Bestand,
+abgeschnürt von allen hellen Wässern, beweglich, aber doch höchstens als
+Systemwiesel, das Ergebnis eines Denkprozesses, ein allgemeinster Ausdruck.
+Jetzt aber, schien es ihm, wanderte er dahin zurück, wo es unabsehbare
+Wässer gab im Süden und im Norden brackige Flut, und Wellen eine Lippe
+unerwartet salzten. Leise schwand der Drang, es schärfer aufzurichten, es
+unantastbarer zu umreißen gegenüber Dünen und einem See. Leise fühlte er
+ihn vergessen, ihn zurückerstatten an seine Wesenheit, an die Möwe und den
+Tang, den Sturmgeruch und alles Ruhelose. -- -- -- -- --
+
+ * * *
+
+Rönne lebte einsam seiner Entwicklung hingegeben und arbeitete viel. Seine
+Studien galten der Schaffung der neuen Syntax. Die Weltanschauung, die die
+Arbeit des vergangenen Jahrhunderts erschaffen hatte, sie galt es zu
+vollenden. Den Du-Charakter des Grammatischen auszuschalten, schien ihm
+ehrlicherweise notwendig, denn die Anrede war mythisch geworden.
+
+Er fühlte sich seiner Entwicklung verpflichtet und die ging auf
+Jahrtausende zurück.
+
+Die Umgestaltung der Bewegung zu einer Handlung unter Vorwegnahme des
+Zieles lag im Unentschleierbaren, wo der Mensch begann. Das war gegeben.
+Auch daß er hin und her die Augen aufschlug: in helle Himmel, über Wüsten,
+am Nil, und an den Myrtenlagunen die Geigenvölker -- -- aber hier im Norden
+drängte es zur Entscheidung: zwischen Hunger und Liebe war der dritte Trieb
+getreten. Aus dem schlechten Atem der Asketen, aus ermatteten
+Geschlechtlichkeiten unter den verdickten Lüften der Nebelländer wuchs sie
+hervor, die Erkenntnis, Hekatomben röchelnd nach der Einheit des Denkens,
+und die Stunde der Erfüllung schien gekommen.
+
+Hatte Kartesius noch die Zirbeldrüse für den Sitz der Seele angenommen, da
+ihr Äußeres dem Finger Gottes: gelblich, langgestreckt, milde und doch
+drohend, gleichen mochte, so hatten die Hirnphysiologen festgestellt, wann
+beim Einstich in die Hirnmasse Zucker im Harn, wann Indigo auftrat, ja wann
+korrelativ der Speichel floß. Die Psychologie hatte den Begleitcharakter
+des Gefühls zu den Empfindungen erkannt, den ihnen zustehenden generellen
+Wert der Abwehr des Schädlichen in genauen Kurven festgelegt, die
+Ablesbarkeit der individuellen Differenzen war vollendet. Die
+Erkenntnistheorie schloß ab, mit der Erneuerung Berkeleyischer Ideen einem
+Panpsychismus zum Durchbruch zu verhelfen, der dem Wirklichen den Rang
+kondensierter Begriffe in der Bedeutung geschlechtlich besonders betonter
+Umwelt zum Zwecke bequemer Arterhaltung zuwies.
+
+Dies alles gilt als ausgemacht, sagte sich Rönne. Dies wird seit
+Jahrfünften gelehrt und hingenommen. Wo aber blieb die Auseinandersetzung
+innerhalb seiner selbst, wo fand die statt? Ihr Ausdruck, das Sprachliche,
+wo vollzog sich das?
+
+Unter Grübeln trat er vor ein Feld mit einem Mann, den er aus der Anstalt
+mitgenommen hatte:
+
+»Mohn, pralle Form des Sommers«, rief er, »Nabelhafter: Gruppierend
+Bauchiges, Dynamit des Dualismus: Hier steht der Farbenblinde, die
+Röte-Nacht. Ha, wie Du hinklirrst! Ins Feld gestürzt, Du Ausgezackter,
+Reiz-Felsen, ins Kraut geschwemmt, -- und alle süßen Mittage, da mein Auge
+auf Dir schlief letzte stille Schlafe, treue Stunden -- -- An Deiner Narbe
+Blauschatten, an Deine Flatterglut gelehnt, gewärmt, getröstet, hingesunken
+an Deine Feuer: angeblüht!: nun dieser Mann --: auch Du! Auch Du! -- -- An
+meinen Randen spielend, in Sommersweite, all mein Gegenglück -- und nun: wo
+bin ich nicht?«
+
+Wo bin ich nicht, dachte er, und wandte sich in der Richtung nach der
+Anstalt, und wo tritt das Ereignis nicht in das Gegebene? Da unten sind
+Zimmer. An Tischen sitzen Männer, Direktoren und Beamte, zwischen
+Denkanstößen geht der Zahnstocher hin und her.
+
+Aus Ereignissen des täglichen Daseins und Rennberichten spielt der
+psychische Komplex sich ab. Es tritt auf das Befremdende, das Abweichende,
+ja bis zum Widersprechenden stellt es sich ein. Wachgerufen wird in den
+Bewußtseinsabläufen das Bestreben, das Ungeklärte zu entwirren, das
+Zweifelhafte sicherzustellen, der Überbrückung des Zwiespalts gilt das
+Wort. Es tritt die Erfahrung hervor, Beweis und Abwehr gibt sie an die
+Hand; und die Beobachtung, hier und da gemacht, wenn auch nicht eindeutig,
+soll sie völlig wertlos sein? Schon weicht das Dunkle. Schon glättet sich
+das Krause, und daß kein Widerspruch mehr besteht, nun blaut es herab.
+
+Immer blaut bald etwas herab, zum Beispiel der Kalbsbraten, den doch jeder
+kennt. Jäh tritt er an einem Stammtisch auf, und es ranken sich um ihn die
+Individualitäten. Geographische Besonderheiten, Eigentümlichkeiten des
+Geschmacklichen werden hervortreten, der Drang zur Nuance um ihn sein. Es
+wird branden der Streit und das Erschlaffen, der Angriff und die Versöhnung
+um den Kalbsbraten, den Entfesseler des Psychischen.
+
+Und das Morgendliche, wem begegnet es? Einer Frau, die sich außergewöhnlich
+in der Frühe erhebt; alle Kühle und sein Tau rinnen in das Wesen, das
+schreitet. Weiterleitung tritt ein, ein Ausruf wird erfolgen, Bestände von
+Erzählungen über frühe Gänge werden gebildet: -- Überall stehen die
+Verarbeitungsbehälter und was und wird, ist längst geschehen.
+
+Wann gab es Umströmte? Ich muß alles denken, ich muß alles zusammenfassen,
+nichts entgeht der logischen Verknüpfung. Anfang und Ende, aber ich
+geschehe. Ich lebe auf dieser Insel und denke Zimtwälder. In mir
+durchwächst sich Wirkliches und Traum. Was blüht der Mohn, wenn er sich
+entrötet; der Knabe spricht, aber der psychische Komplex ist vorhanden,
+auch ohne ihn. --
+
+Die Konkurrenz zwischen den Associationen, das ist das letzte Ich -- dachte
+er und schritt zurück zur Anstalt, die auf einem Hügel am Meere lag. Hängt
+aus meiner Tasche eine Zeitung, ein buchhändlerisches Phänomen, bietet es
+Anknüpfungen zu Bewegungsvorgängen an Mitmenschen, sozusagen zu einem
+Geschehnis zwischen Individualitäten. Sagt der Kollege, Sie gestatten das
+Journal, liegt ein Reiz vor, der wirkt, ein Wille, der sich auf etwas
+richtet, motorische Konkurrenzen, aber jedenfalls immer das Schema der
+Seele, die Vitalreihe ist es, die die Fallen stellt.
+
+Wir sind am Ende; fühlte er, wir überwanden unser letztes Organ. Ich werde
+den Korridor entlang gehen, und mein Schritt wird hallen. Denn muß im
+Korridor der Schritt nicht hallen? Jawohl, das ist das Leben, und im
+Vorbeigehen ein Scherzwort an die Beamtin? Jawohl, auch dies! --
+
+ * * *
+
+Da landete das Schiff, das alle Wochen an die Insel kam, und mit den Gästen
+stieg eine Frau ans Land, die eine Weile hier wohnen wollte.
+
+Rönne lernte sie kennen, warum sollte er sie nicht kennen lernen: einen
+Haufen sekundärer Geschlechtsmerkmale, anthropoid gruppiert.
+
+Aber bald fragte er sich beunruhigt, ich suche ihren Umgang, doch das
+Denkerische ist es nicht, was aber ist es? Sie ist mittelgroß, blond, mit
+Wasserstoff gebleicht und grau an den Schläfen. Ihre Augen liegen in der
+Ferne, unverrückbar grau von Nebel die Pupille -- aber ich spüre es wie
+Flucht, ich muß sie beformeln:
+
+Ihr Wesen: sie liebt weiße Blumen, Katzen und Kristalle und sie kann des
+Nachts allein nicht schlafen, denn sie liebt es so, ein Herz zu hören, wo
+aber soll das Prinzip ansetzen und die Zusammenfassung erfolgen? Nie
+begehrt sie eine Zärtlichkeit, aber wenn man sich ihr nähert, tritt man
+unter das Dach der Liebe, und plötzlich steht sie über mir in einer
+Stellung; die ihr Schmerzen machen muß, unbeweglich und lange -- -- welch
+erschütternde Verwirrung!
+
+Witternd Gefahr, hörend aus der Ferne einen Strom, der herangurgelte, ihn
+aufzulösen, schlug er um sich die soziologischen Bestände.
+
+Wie, auf der Nachbarinsel war die Hirse stockig? War es gut gehandelt an
+dem kleinen Mann? Wo blieb Redlichkeit und Bruderkuß? Wenn die verging, was
+blieb? -- Oder: wirklich hingegeben an die übliche Menge gemahlenen Tees,
+in einer Flasche geschüttelt, gefüllt, gekorkt und nochmals geschüttelt,
+und die übermittelt dem Bekannten, dem Nachbar oder dem Wißbegierigen
+redlichen Sinnes und helfender Gesinnung, was blieb dann noch der
+Verführung zugänglich; er, der schlichte Schamträger in seiner staatlichen
+Verquickung, -- nun durfte wohl Friede sein, endlich, ja?
+
+Aber schon wieder war die Lockung da, die Frau, das Strömende, und befreit
+atmete er der Wärterin entgegen, die kam: ein krankes Knie! Wie verdichtet
+es sich zur Wirklichkeit. Welch starke Formel! Amtlich verpflichtet zur
+Anerkennung meinerseits! Kniekrankheiten, Schwellungen,
+Entzündungsvorgänge. -- Fester Boden -- Männlichkeiten!
+
+Dann wieder: Jede Erscheinung hat ihr oberstes Prinzip, und er schritt
+getröstet an den Strand; es gilt nur festzulegen, welches das ihre ist; das
+System ist allgütig, es enthält auch sie. Es enthält auch sie, die keine
+Treue und keinen Wortbruch kennt, die zur Stunde nicht kommen kann, weil
+die Fischerin eine Angel trug, und die Salpen glänzten -- Erfahrung
+sammeln, Deduktionen, sein stiller Himmel auch über ihr! Aber dann: Ihre
+Hüfte, wenn sie neben ihm ging, rauschte wie das Sinnlose und ihre Schulter
+war behaart vom Chaos.
+
+Tiefer warf er sich über seine Bücher, hämmernd seine Welt. Aber wie? In
+den angesehendsten naturwissenschaftlichen Journalen konnten neuerdings
+Raum finden, ja anerkennend besprochen werden Arbeiten dieses
+eigentümlichen Inhalts?
+
+Das Werk eines unbekannten jüdischen Arztes aus Danzig, der wörtlich über
+die Gefühle aussagte, daß sie tiefer reichten als die geistige Funktion?
+Daß das Gefühl das große Geheimnis unseres Lebens sei und die Frage seiner
+Entstehung unbeantwortbar?? Um es vollends zu Ende zu denken: das Gefühl
+gehöre nicht mehr zu den Empfindungen??
+
+Wußte er denn, was es bedeutete, wenn die Gefühle nicht mehr vom Reiz
+abhingen, wie er, Rönne, gelernt; wenn er sie den dunklen Strom nannte, der
+aus dem Leibe brach? Das Unberechenbare?
+
+Wußte der Verfasser wohl, vor welche Fragen die Konsequenzen seiner neuen
+Lehre führten, wußte dieser völlig unbekannte Mann wohl die ganze Schwere
+seiner Behauptung, die er ohne jede Ankündigung, ohne Sichtbarmachung auf
+dem Titelblatt einfach in einem Buch mit farblosem grauen Deckel in die
+Welt schickte, wußte er vielleicht, daß er die Frage beantwortete, ob es
+Neues gäbe?
+
+Rönne atmete tief. War dies etwa schon eine neue Wissenschaft, die nach ihm
+kam? Jede Befruchtung enthielte den Keim eines unerhört Neuen, der
+Zusammentritt von Einheiten war in der Generationsfolge fortgesetzt in der
+Gestalt der Zweigeschlechtlichkeit, und in ihr galt es, die gewaltige
+schöpferische Macht anzuerkennen, die das Leben zur Höhe erhoben hatte?
+
+Rönne bebte. Er sah nochmals auf das Journal, das die Besprechung gebracht
+hatte, auf den Namen des Referenten, der die Kritik gezeichnet hatte: er
+war sein Lehrer gewesen.
+
+Schöpferischer Mensch! Neuformung des Entwickelungsgedankens aus dem
+Mathematischen ins Intuitive --: was aber wurde aus ihm, dem Arzt, gebannt
+in das Quantitative, dem beruflichen Bejaher der Erfahrung?
+
+Trat er vor einen Rachen, und die Schwellung war bedrohlich -- war sie
+intuitiv coupierbar? mußte er sich nicht zusammenraffen zu analytischen
+Phänomenen, Empirien, zielstrebigen Gesten, dem ganzen Grauen bejahter
+Wirklichkeiten, zu einer Hypothese von Realität, die er
+erkenntnistheoretisch nicht mehr halten konnte, um des Kindes willen, das
+schon blau war, des Rachens halber, der erstickte, und der Geld abwarf und
+von Amts wegen?
+
+Plötzlich fühlte er sich tief ermüdet und ein Gift in seinen Gliedern. Er
+trat an ein Fenster, das in den Garten ging. In dem stand schattenlos die
+Blüte weiß, und voll Spiel die Hecke; an allen Gräsern hing etwas, das
+zitterte; in den Abend lösten sich Düfte aus Sträuchern, die leuchteten,
+grenzenlos und für immer.
+
+Einen Augenblick streifte es ihn am Haupt: eine Lockerung, ein leises
+Klirren der Zersprengung, und in sein Auge fuhr ein Bild: klares Land,
+schwingend in Bläue und Glut und zerklüftet von den Rosen, in der Ferne
+eine Säule, umwuchert am Fuß; darin er und die Frau, tierisch und verloren,
+still vergießend Säfte und Hauch.
+
+Aber schon war es vergangen. Er fuhr sich über die Augen. Schon sprang der
+Reifen wieder um seine Stirn und eine Kühle an die Schläfen: was lag denn
+hier vor? Er hatte mit einer Frau zusammengelebt und hatte einmal gesehen,
+daß sie Rosenblätter, die welkten, von einer Kante zusammengelesen hatte,
+zusammen zu einem kleinem Haufen auf einen gesteinten bunten Tisch, dann
+setzte sie sich wieder, verloren an einen hellen Strauch. Das war alles,
+was er wirklich von ihr wußte; der Rest war, daß er sich genommen war, es
+rauschte und er blutete -- -- -- aber wo führte das hin?
+
+Hart wurde sein Blick. Gestählt drang er in den Garten, ordnend die Büsche,
+messend den Pfad. Und nun kam es über ihn: er stand am Ausgang eines
+Jahrtausends, aber die Frau war stets; er schuldete seine Entwicklung einer
+Epoche, die das System erschaffen hatte, und was auch kommen mochte, dies
+war er!
+
+Fordernd jagte er seinen Blick in den Abend und siehe, es blaute das
+Hyazinthenwesen unten Duftkurven reiner Formeln, einheitliche
+Geschlossenheiten, in den Gartenraum; und eine versickernde
+Streichholzvettel rann teigig über die Stufen eines Anstaltgebäudes unter
+Glutwerk berechenbarer Lichtstrahlen einer untergehenden Sonne senkrecht in
+die Erde. --
+
+
+
+
+Der Geburtstag
+
+
+Allmählich war ein Arzt über neunundzwanzig Jahre geworden und sein
+Gesamteindruck war nicht darnach, Empfindungen besonderer Art zu erwecken.
+
+Aber so alt er war, er fragte sich dies und das. Ein Drängen nach dem Sinn
+des Daseins warf sich ihm wiederholt entgegen: wer erfüllte ihn: der Herr,
+der rüstig schritt, den Schirm im Arm; die Hökerin, die vor dem Flieder
+saß, der Markt war aus, im Abendwehn; der Gärtner, der alle Namen wußte:
+Kirschlorbeer und Kakteen, und dem die rote Beere im toten Busch vorjährig
+war?
+
+Aus der norddeutschen Ebene stammte er. In südlichen Ländern natürlich war
+der Sand leicht und lose; ein Wind konnte -- das war nachgewiesen -- Körner
+um die ganze Erde tragen; hier war das Staubkorn, groß und schwer.
+
+Was hatte er erlebt: Liebe, Armut und Röntgenröhren; Kaninchenställe und
+kürzlich einen schwarzen Hund, der stand auf einem freien Platz, bemüht um
+ein großes rotes Organ zwischen den Hinterbeinen hin und her, beruhigend
+und gewinnend; herum standen Kinder, Blicke von Damen suchten das Tier,
+halbwüchsige Jugend wechselte die Stellung, den Vorgang im Profil zu sehen.
+
+Wie hatte er das alles erlebt: er hatte Gerste eingefahren von den Feldern,
+auf Erntewagen, und das groß: Mandel, Kober und Kimme vom Pferd. Dann war
+der Leib eines Fräuleins voll Wasser und es galt Abfluß und Drainage. Aber
+über allem schwebte ein leises zweifelndes Als ob: als ob Ihr wirklich
+wäret Raum und Sterne.
+
+Und nun? Ein grauer nichtssagender Tag würde es sein, wenn man ihn begrub.
+Die Frau war tot; das Kind weinte ein paar Tränen. Er hatte sich nie viel
+um es gekümmert, es war Lehrerin und mußte abends noch in Hefte sehen. Dann
+war es aus. Beeinflussung von Gehirnen durch und über ihn zu Ende. Es trat
+in ihr Recht die Erhaltung der Kraft.
+
+Wie hieß er mit Vornamen? Werff.
+
+Wie hieß er überhaupt? Werff Rönne.
+
+Was war er? Arzt in einem Hurenhaus.
+
+Was schlug die Uhr? Zwölf. Es war Mitternacht. Er wurde dreißig Jahre. In
+der Ferne rauschte ein Gewitter. In Maiwälder brach die Wolke auf.
+
+Nun ist es Zeit, sagte er sich, daß ich beginne. In der Ferne rauscht ein
+Gewitter, aber ich geschehe. In Maiwälder bricht die Wolke auf, aber
+_meine_ Nacht. Ich habe nördliches Blut, das will ich nie vergessen. Meine
+Väter fraßen alles, aus Trögen und Stall. Aber ich will mich, sprach er
+sich Mut zu, auch nur ergehen. Dann wollte er sich etwas Bildhaftes
+zurufen, aber es mißlang. Dies wieder fand er bedeutungsvoll und
+zukunftsträchtig: vielleicht sei schon die Metapher ein Fluchtversuch, eine
+Art Vision und ein Mangel an Treue.
+
+ * * *
+
+Durch stille blaue Nebel, vom nahen Meer in das Land getrieben, schritt
+Rönne, als er am nächsten Morgen in sein Krankenhaus ging.
+
+Das lag außerhalb der Stadt und aller Pflasterwege. Er mußte über Boden
+gehen, der war weich, der ließ Veilchen durch; gelöst und durchronnen
+schwankte er um den Fuß.
+
+Da aus Gärten warf sich ihm der Krokus entgegen, die Kerze der Frühmett des
+Dichtermunds, und zwar gerade die gelbe Art, die Griechen und Römern der
+Inbegriff alles Lieblichen gewesen, was Wunder, daß sie ihn in das Reich
+der Himmlischen versetzten? In Teichen von Krokussäften badete der Gott.
+Ein Kranz von Blüten wehrte dem Rausch. Am Mittelmeer die Safranfelder: die
+dreiteilige Narbe; flache Pfannen; Roßhaarsiebe über Feuern, leicht und
+offen.
+
+Er trieb sich an: arabisches Za-fara, griechisches Kroké. Es stellte sich
+ein Korvinius, König der Ungarn, der es verstanden hatte, beim Speisen
+Safranflecke zu vermeiden. Mühelos nahte sich der Färbestoff, das Gewürze,
+die Blütenmatte und das Alpental.
+
+Noch hingegeben der Befriedigung, so ausgiebig zu assoziieren, stieß er auf
+ein Glasschild mit der Aufschrift: Cigarette Maita, beleuchtet von einem
+Sonnenstrahl. Und nun vollzog sich über Maita -- Malta -- Strände --
+leuchtend -- Fähre -- Hafen -- Muschelfressen -- Verkommenheiten -- der
+helle klingende Ton einer leisen Zersplitterung, und Rönne schwankte in
+einem Glück. Dann aber betrat er das Hospital: ein unnachgiebiger Blick,
+ein unerschütterlicher Wille: die heute ihm entgegentretenden Reize und
+Empfindungen anzuknüpfen an den bisherigen Bestand, keine auszulassen, jede
+zu verbinden. Ein geheimer Aufbau schwebte ihm vor, etwas von Panzerung und
+Adlerflug, eine Art Napoleonischen Gelüstes, etwa die Eroberung einer
+Hecke, hinter der er ruhte, Werff Rönne, dreißigjährig, gefestigt, ein
+Arzt.
+
+ * * *
+
+Ha, heute nicht einfach, Beine breit und herab vom Stuhl, mein Fräulein,
+die feine blaue Ader von der Hüfte in das Haar, die wollen wir uns merken!
+Ich kenne Schläfen mit diesen Adern, es sind schmale weiße Schläfen, müde
+Gebilde, aber diese will ich mir merken, geschlängelt, ein Ästchen
+Veilchenblut! Wie? Wenn nun das Gespräch auf Äderchen kommt -- gepanzert
+stehe ich da, in Sonderheit auf Hautäderchen: An der Schläfe?? O meine
+Herren!! Ich sah sie auch an anderen Organen, fein geschlängelt, ein
+Ästchen Veilchenblut. Vielleicht eine Skizze gefällig? So verlief sie --,
+soll ich aufsteigen? Die Einmündung? Die große Hohlvene? Die Herzkammer?
+Die Entdeckung des Blutkreislaufes -- -- --? Nicht wahr, eine Fülle von
+Eindrücken steht Ihnen gegenüber? Sie tuscheln, wer ist der Herr? Gesammelt
+steht er da? Rönne ist mein Name, meine Herren. Ich sammle hin und wieder
+so kleine Beobachtungen; nicht uninteressant, aber natürlich gänzlich
+belanglos, kleiner Beitrag zum großen Aufbau des Wissens und Erkennens des
+Wirklichen, ha! ha!
+
+Und Sie, meine Damen, wir kennen uns doch! Gestatten Sie, daß ich Sie
+erschaffe, umkleide mit Ihren Wesenheiten, mit Ihren Eindrücken in mir,
+unzerfallen ist das Leitorgan, es wird sich erweisen, wie es sich erinnert,
+schon steigen Sie auf.
+
+Sie sprechen den Teil an, den Sie lieben. In sein Auge sehen Sie, geben
+Seele und Hauch. -- Sie haben die Narben zwischen den Schenkeln, ein
+Araberbey; große Wunden müssen es gewesen sein, gerissen von der
+lasterhaften Lippe Afrikas. -- Sie aber schlafen mit der weißen ägyptischen
+Ratte, Ihre Augen sind rosarot; Sie schlafen auf der Seite, an der Hüfte
+das Tier. Seine Augen sind gläsern und klein wie zwei rote Kaviarkörner. In
+der Nacht befällt sie der Hunger. Über die Schlafende steigt das Tier. Auf
+dem Nachttisch steht ein Teller mit Mandeln. Leise steigt es zurück an die
+Hüfte, schnuppernd und stutzend. Oft erwachen Sie, wenn sich der Schwanz
+über die Oberlippe schlängelt, kühl und hager.
+
+Einen Augenblick prüfte er in sich hinein. Aber machtvoll stand er da.
+Erinnerungsbild an Erinnerungsbild gereiht, dazwischen rauschten die Fäden
+hin und her.
+
+Und Sie aus dem Freudenhaus in Aden, brütend an Wüste und Rotem Meer. Über
+die Marmorwände rinnt alle Stunde bläuliches Wasser. Aus Gittern am Boden
+steigen Wolken aus räucherndem Kraut. Alle Völker der Erde kennen Sie nach
+der Liebe. Ihre Sehnsucht ist ein bescheidenes Haus am dänischen Sund.
+Kommen letzte Wallungen, ein Billard, vor dem Knaben im leichten Anzug
+spielen. -- Und Sie, in dem Bordell, durch das der Krieg gezogen, zwischen
+Geschirr und Leder täglich hundertfach zerborsten unter unbekannten
+Gliedern oder auch unter Ballen aus Blutungen und Kot.
+
+Verklärt stand er vor sich selbst. Wie er es hervorspielte, ach, spielte!
+regenbogente! grünte! eine Mainacht ganz unnennbar! Er kannte sie alle.
+Gegenüber stand er ihnen, sauber und ursprünglich. Er war nicht schwach
+gewesen. Starkes Leben blutete durch sein Haupt.
+
+Er kannte sie alle; aber er wollte mehr. An ein sehr gewagtes Gebiet wollte
+er heran; es gab wohl ein Bewußtseinsleben ohne Gefühle oder hatte es
+gegeben, aber unsere Neigungen -- dieses Satzes entsann er sich deutlichst
+-- sind unser Erbteil. In ihnen erleben wir, was uns beschieden ist: nun
+wollte er eine lieben.
+
+Er sah den Gang entlang, und da stand sie. Sie hatte ein Muttermal,
+erdbeerfarben, vom Hals über eine Schulter bis zur Hüfte und in den Augen,
+blumenhaft, eine Reinheit ohne Ende und um die Lider eine Anemone, still
+und glücklich im Licht.
+
+Wie sollte sie heißen? Edmée, das war hinreißend. Wie weiter? Edmée Denso,
+das war überirdisch; das war wie der Ruf der neuen sich vorbereitenden
+Frau, der kommenden, der ersehnten, die der Mann sich zu schaffen im Gange
+war: blond, und Lust und Skepsis aus ernüchterten Gehirnen.
+
+Also: nun liebte er. Er spürte in sich hinein: Das Gefühl. Den Überschwang
+galt es zu erschaffen gegen das Nichts. Lust und Qual zu treiben in den
+Mittag, in ein kahles graues Licht. Aber nun mußte es auch flirren! Es
+waren starke Empfindungen, denen er gegenüberstand. Er konnte in diesem
+Land nicht bleiben. --: Südlichkeiten! Überhöhung!
+
+Edmée, in Luxor ein flaches weißes Haus oder in Kairo den Palast? Das Leben
+in der Stadt ist heiter und offen, berühmt ist das Licht, klar vor Glut,
+und plötzlich kommt die Nacht. Du hast unzählige Fellachenfrauen zu deiner
+Bedienung, zu Gesang und Tänzen. Du wirst zu Isis beten, die Stirn an
+Säulen lehnen, deren Kapitäle an den Ecken die platten Köpfe mit den langen
+Ohren tragen; zwischen Stelzvögeln in Schluchten von Sykomoren stehen.
+
+Einen Augenblick suchte er. Es war etwas wie Kopthe aufgestiegen, aber er
+vermochte es nicht zu fördern. Nun sang er wieder, der Weiche im Glück.
+
+Der Winter kommt, und die Felder grünen; einige Blätter des Granatstrauchs
+fallen, aber das Korn schießt auf vor deinen Augen. Was willst du haben:
+Narzissen oder Veilchen das Jahr hindurch in dein Bad geschüttet morgens,
+wenn du dich spät erhebst; willst du nachts durch kleine Nildörfer
+streichen, wenn auf die krummen Straßen die großen klaren Schatten fallen
+durch den hellen südlichen Mond? Ibiskäfige oder Reiherhäuser?
+Orangengärten, gelbflammend und Saft und Dunst über die Stadt wölkend in
+der Mittagsstunde, von Ptolomäertempeln einen geschnittenen Fries?
+
+Er hielt inne. War das Ägypten? War das Afrika um einen Frauenleib, Golf
+und Liane um der Schultern Flut? Er suchte hin und her. War etwas
+zurückgeblieben?? War Hinzufügbares vorhanden? Hatte er es erschaffen:
+Glut, Wehmut und Traum?
+
+Aber was für ein eigentümliches Wehen in seiner Brust! Eine Erregung, als
+ströme er hin. Er verließ das Untersuchungszimmer, durchschritt die Halle
+in den Park. Es zog ihn nieder, auf den Rasen zog es ihn, leichthingemäht.
+
+Wie hat es mich müde gemacht, dachte er, mit welcher Stärke! Da durchschlug
+ihn, daß Erblassen die Frucht sei und die Träne der Schmerz --:
+Erschütterungen! Klaffende Ferne!
+
+Üppig glühte der Park. Ein Busch auf dem Rasen trug Blattwerk wie Farren,
+jeder Fächer groß und fleischig wie ein Reh. Um jeden Baum, der blühte, lag
+die Erde, geschlossen, ein Kübel, ihn tränkend und ihm völlig preisgegeben.
+Himmel und Blüten: weich, aus Augen, kamen Bläue und Schnee.
+
+-- Schluchzender, Edmée, dir immer näher! Eine Marmorbrüstung beschlägt das
+Meer. Südlich versammelt Lilien und Barken. Eine Geige eröffnet dich bis in
+dein Schweigendes hinein. --
+
+Er blinzelte empor. Er zitterte: Gegen den Rasen stürmte der Glanz, feucht
+aus einer goldenen Hüfte; und Erde, die den Himmel bestieg. Am Ranft gegen
+die Schatten rang gebreitet das Licht. Hin und her war die Zunge einer
+Lockung: aus ihrem Gefieder Blütengüsse entwichen der Magnolie in ein
+Wehen, das vorübertrieb.
+
+Edmée lachte: Rosen und helles Wasser.
+
+Edmée ging: Durch Steige, zwischen Veilchen, in einem Licht von Inseln, aus
+osmiumblauen Meeren, kurz von Quader und Stern; Tauben, Feldflüchter,
+hackten Silber mit den Schwingen.
+
+Edmée bräunte sich, ein bläuliches Oval. Vor Palmen spielte sie, sie hatte
+viel geliebt. Wie eine Schale trug sie ihre Scham kühl durch die Beugung
+des erwärmten Schritts, auf der Hüfte die Hand schwer, erntegelb, unter
+Korn und Samen.
+
+Im Garten wurde Vermischung. Nicht mehr von Farben hallte das Beet,
+Bienengesumm nicht mehr bräunte die Hecke. Erloschen war Richtung und
+Gefälle: Eine Blüte, die trieb, hielt inne und stand im Blauen, Angel der
+Welt. Kronen lösten sich weich, Kelche sanken ein, der Park ging unter im
+Blute des Entformten. Edmée breitete sich hin. Ihre Schultern glätteten
+sich, zwei warme Teiche. Nun schloß sie die Hand, langsam, um einen Schaft,
+die Reife in ihrer Fülle, bräunlich abgemäht an den Fingern, unter großen
+Garben verklärter Lust -- --:
+
+Nun war ein Strömen in ihm, nun ein laues Entweichen. Und nun verwirrte
+sich das Gefüge, es entsank fleischlich sein Ich --:
+
+-- Es hallten Schritte über das Gefälle eines Tals durch eine flache weiße
+Stadt; dunkle Gärten schlossen die Gassen. Auf Simsen und Architraven, die
+zerfallend Götter und Mysterien herhielten, verteilt durch ein
+florentinisches Land, lagen Tropfen hellen Bluts. Ein Schatten taumelte
+zwischen Gliedern, die stumm waren, zwischen Trauben und einer Herde; ein
+Brunnen rann, ein splitterndes Spiel.
+
+Im Rasen lag ein Leib. Aus Kellern spülte ein Dunst; es war Essenszeit,
+Pfeifen und Grieben, der schlechte Atem eines Sterbenden.
+
+Aufsah der Leib: Fleisch, Ordnung und Erhaltung riefen. Er lächelte und
+schloß sich wieder; schon vergehend sah er auf das Haus: was war geschehen?
+Welches war der Weg der Menschheit gewesen bis hierher? Sie hatte Ordnung
+herstellen wollen in etwas, das hätte Spiel bleiben sollen. Aber
+schließlich war es doch Spiel geblieben, denn nichts war wirklich. War er
+wirklich? Nein; nur alles möglich, das war er.
+
+Tiefer bettete er den Nacken in das Maikraut, das roch nach Thyrsos und
+Walpurgen. Schmelzend durch den Mittag kieselte bächern das Haupt.
+
+Er bot es hin: das Licht, die starke Sonne rann unaufhaltsam zwischen das
+Hirn. Da lag es: kaum ein Maulwurfshügel, mürbe, darin scharrend das Tier.
+
+ * * *
+
+Was aber ist mit dem Morellenviertel, fragte er sich bald darauf? Hinter
+dem Palast, um dessen Pfeiler Lorbeer steht, brechen Gassen in die Tiefe,
+den Hang hinunter steht Haus bei Haus klein herab.
+
+Einäugige lungern um Schneckenwagen. Sie legen Geld hin. Frauen kerben die
+Schale auf. Ein Schnitt im Kreis und das Fleisch hängt rosa aus der
+Muschel. Sie tauchen es in eine Tasse mit Brühe und beißen. Die Frau
+hustet, und sie müssen weiter.
+
+Wahrsager mit Hilfe von Ideenübertragung klingeln unaufhörlich schrill
+namentlich an Damen gewandt und haben Batterien.
+
+Zigeunerinnen vor Karren, Rochen, flacher, violett und silbern, mit
+abgehackten Köpfen; welche zur Hälfte gespalten, eingekerbt und zum
+Trocknen gehangen; dazwischen krumme, dürre Fische, kupfern und schillernd.
+
+Es riecht nach Brand und alten Fetten. Unzählige Kinder verrichten ihre
+Notdurft, ihre Sprache ist fremd.
+
+Was ist es mit dem Morellenviertel, fragte sich Rönne. Ich muß es bestehen!
+Auf! Hinab! Ich schwor mir, nie will ich dieses Bild vergessen: des
+Sommers, der eine Mauer schlug mit Büschen, flammend von Gefieder, mit
+Strauchgerten, beißend von dichten, blauen Fleischen, gegen eine Mauer, die
+nicht strömte, die feuchte, blaue Ranke!
+
+Er jagte herunter. Um die hohe Gasse rann es zusammen: kleine Häuser,
+unterwühlt von langen, schmalen Höhlen, die spieen Gebein aus, Junges
+strotzend, Altes mürbe, hochgegürtet die Scham.
+
+Was wurde verkauft: Holzpantoffeln für die Notdurft, grüne Klöße für das
+Ich, Ankerschnäpse für die Lust, Nötigstes des Leibes und der Seele,
+Salbenbüchsen und Madonnen.
+
+Was ging vor sich: kleine Kinder vor Knieenden, dicht, eben ihrer Brust
+entsprungen; rauhe Stimmen, verkommen über verbranntes Gestein; tiefer als
+denkbar grub ein Herr in die Tasche; Schädel, eine Wüste, Leiber, eine
+Gosse, tretend Erde, kauend: Ich und du.
+
+Auge, fernevolles, Blut, traumrauschend, rief er sich zu, deine
+Mittagsflüge, wehe sie! muß Rönne schon vergehen, unverschanzt?:
+
+Große Woge ist die Frau, gute Mutter, die die Fische wendet hin und her,
+auf dem Rücken sind sie braun gefleckt, Bröckel Blütenstaub und
+Samenpulver?
+
+Eines Rahmens wert erschien das schlichte Bild: Einbrecher, böser Mann am
+Kassentisch, die brave Besitzerin niedergeschlagen, letzter Blick vom Boden
+gilt dem Hund??:
+
+Und du ins Gras gelümmelt, Mittagshengst -- und jetzt schon Überwölkung???
+Dreißigjährig -- und Kahlkropf ungefiedert??
+
+Er floh tiefer in die Gasse. Aber da: ein kleines Denkmal: dem Gründer
+eines Jugendstifts: die Menschenseele, das Gemeinsystem, die
+Lebensverlängerung und der Stadtrat strotzten Vollbart und Vermehrung. Der
+Aufbau tat sich auf: Proben der Tüchtigkeit wurden abgelegt und zwar dies
+wiederholt, Untersuchungen vorgenommen, die zu Feststellungen führten.
+
+Wo war sein Süden hin? Der Efeufelsen? Der Eukalyptos, wo am Meer? Ponente,
+Küste des Niedergangs, silberblaue die Woge her!
+
+Er hetzte in eine Kaschemme; er schlug sich mit Getränken heißen, braunen.
+Er legte sich auf die Bank, damit der Kopf nach unten hinge wegen der
+Schwerkraft und des Bluts. Hilfe, schrie er! Überhöhung!
+
+Stühle, Gegenstände für Herren, die bei nach vorn gebogenen Knien einen
+Stützpunkt unter der Hinterfläche der Beine haben wollten, trockneten dumpf
+und nördlich. Tische für Gespräche wie diese: Na, wie geht's, schelmisch
+und männlich und um die Schenkel herum liefen ehrbar durch die Zeit. Kein
+Tod schleuderte die triefäugige Mamsell stündlich, wenn die Uhr schlug, vor
+das Nichts. Krämer scharrten; keine Lava über den toten Schotter!
+
+Und er? Was war er? Da saß er zwischen seinen Reizen, das Pack geschah mit
+ihm. Sein Mittag war Hohn.
+
+Wieder quoll das Gehirn herauf, der dumpfe Ablauf des ersten Tages. Immer
+noch zwischen seiner Mutter Schenkel -- so geschah er. Wie der Vater stieß,
+so rollte er ab. Die Gasse hatte ihn gebrochen, zurück: die Hure schrie.
+
+Schon wollte er gehen, da geschah ein Ton. Eine Flöte schlug auf der grauen
+Gasse, zwischen den Hütten blau ein Lied. Es mußte ein Mann gehen, der sie
+blies. Ein Mund war tätig an dem Klang, der aufstieg und verhallte. Nun hub
+er wieder an.
+
+Von Ohngefähr. Wer hieß ihn blasen? Keiner dankte ihm. Wer hätte denn
+gefragt, wo die Flöte bliebe? Doch wie Gewölke zog er ein: wehend seinen
+weißen Augenblick und schon verwehend in alle Schluchten der Bläue.
+
+Rönne sah sich um: verklärt, doch nichts hatte sich verändert. Aber ihm:
+bis an die Lippen stand das Glück. Sturz auf Sturz, Donner um Donner;
+rauschend das Segel, lohend der Mast: Zwischen kleinen Becken dröhnte
+gestreckt das Dock: Groß glühte heran der Hafenkomplex:
+
+Über die Felsen steigt das Licht, schon nimmt es Schatten an, die Villen
+schimmern und der Hintergrund ist bergerfüllt. Eine schwarze Rauchpinne
+verfinstert die Mole, indes mit der gekräuselten Welle das winzige
+Lokalboot kämpft. Über die Landungsbrücke, die schwankt, eilt der
+geschäftige Facchini; Hojo -- tirra -- Hoy --, klingt es; es flutet der
+volle Lebensstrom. Gegen tropische und subtropische Striche, Salzminen und
+Lotosflüsse, Berberkarawanen, ja gegen den Antipoden selbst steht der
+Schiffsbauch gerichtet; eine Ebene, die die Mimose säumt, entleert
+rötliches Harz, ein Abhang zwischen Kalkmergel, den fetten Ton. Europa,
+Asien, Afrika: Bisse, tödliche Wirkungen, gehörnte Vipern; am Kai das
+Freudenhaus tritt dem Ankömmling entgegen, in der Wüste schweigend steht
+das Sultanhuhn. --
+
+Noch stand es schweigend, schon geschah ihm die Olive.
+
+Auch die Agave war schön, aber die Taggiaska kam, feinölig, die
+blauschwarze, schwermütig vor dem Ligurischen Meer.
+
+Himmel, selten bewölkt, Rosen ein Gefälle; durch alle Büsche der blaue
+Golf, aber die endlosen lichten Wälder, welch ein schattenschwerer Hain!
+
+Wurde um den Stamm das Tuch gebreitet, lag Arbeit vor. Gemisch von Hörnern,
+Klauen, Ledern und wollenen Lumpen, jedes vierte Jahr war Speisung gewesen.
+Jetzt aber schlugen Männer, sonst dem Kegelspiel mit spannungsvollem Eifer
+hingegeben, die Kronen, jäh den Früchten zugewandt.
+
+In der Mulme der Rüsselkäfer. Eine Zygäne flackernd aus der Myrte. Kleine
+Presse wird gedreht, schieferner Keller still durchgangen. Ernte naht sich,
+Blut der Hügel, um den Hain, bacchantisch, die Stadt.
+
+Kam Venedig, rann er über den Tisch. Er fühlte Lagune, und ein Lösen,
+schluchzend. Scholl dumpf das Lied aus alten Tagen des Dogen Dandolo,
+stäubte er in ein warmes Wehn.
+
+Ein Ruderschlag: Ein Eratmen; ein Barke: Stütze des Haupts.
+
+Fünf eherne Rosse, die Asien gab, und um die Säulen sang es: manchmal eine
+Stunde, da bist Du; der Rest ist das Geschehen. Manchmal die beiden Fluten
+schlagen hoch zu einem Traum. Manchmal rauscht es: wenn Du zerbrochen bist.
+
+Rönne lauschte. Tieferes mußte es noch geben. Aber der Abend kam schnell
+vom Meer.
+
+Blute, rausche, dulde, sagte er vor sich hin. Männer sahen ihn an. Jawohl,
+sagte er, ihre Sommersprossen, ihr kahler Hals, über dessen Adamsapfel das
+Haar stachelt -- unter meine Kreuzigung, ich will zur Rüste gehen.
+
+Er bezahlte rasch und erhob sich. Aber an der Tür nahm er den Blick noch
+einmal zurück an das Dunkel der Taverne, an die Tische und Stühle, an denen
+er so gelitten hatte und immer wieder leiden würde. Aber da, aus dem
+gerippten Schaft des Tafelaufsatzes neben der leckäugigen Frau glühte aus
+großem, sagenhaftem Mohn das Schweigen unantastbaren Landes, rötlichen,
+toten, den Göttern geweiht. Dahin ging, daß fühlte er tief, nun für immer
+sein Weg. Eine Hingebung trat in ihn, ein Verlust von letzten Rechten,
+still bot er die Stirn, laut klaffte ihr Blut.
+
+Es war dunkel geworden. Die Straße nahm ihn auf darüber der Himmel, grüner
+Nil der Nacht.
+
+Über das Morellenviertel aber klang noch einmal der Ton der Flöte: manchmal
+die beiden Fluten schlagen hoch zu einem Traum.
+
+Da enteilte ein Mann. Da schwang sich einer in seine Ernte, Schnitter
+banden ihn, gaben Kränze und Spruch. Da trieb einer, glühend aus seinen
+Feldern, unter Krone und Gefieder, unabsehbar: er, Rönne.
+
+
+
+Ende.
+
+
+
+
+
+End of the Project Gutenberg EBook of Gehirne, by Gottfried Benn
+
+*** END OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK GEHIRNE ***
+
+***** This file should be named 35435-8.txt or 35435-8.zip *****
+This and all associated files of various formats will be found in:
+ https://www.gutenberg.org/3/5/4/3/35435/
+
+Produced by Jens Sadowski
+
+Updated editions will replace the previous one--the old editions
+will be renamed.
+
+Creating the works from public domain print editions means that no
+one owns a United States copyright in these works, so the Foundation
+(and you!) can copy and distribute it in the United States without
+permission and without paying copyright royalties. Special rules,
+set forth in the General Terms of Use part of this license, apply to
+copying and distributing Project Gutenberg-tm electronic works to
+protect the PROJECT GUTENBERG-tm concept and trademark. Project
+Gutenberg is a registered trademark, and may not be used if you
+charge for the eBooks, unless you receive specific permission. If you
+do not charge anything for copies of this eBook, complying with the
+rules is very easy. You may use this eBook for nearly any purpose
+such as creation of derivative works, reports, performances and
+research. They may be modified and printed and given away--you may do
+practically ANYTHING with public domain eBooks. Redistribution is
+subject to the trademark license, especially commercial
+redistribution.
+
+
+
+*** START: FULL LICENSE ***
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+THE FULL PROJECT GUTENBERG LICENSE
+PLEASE READ THIS BEFORE YOU DISTRIBUTE OR USE THIS WORK
+
+To protect the Project Gutenberg-tm mission of promoting the free
+distribution of electronic works, by using or distributing this work
+(or any other work associated in any way with the phrase "Project
+Gutenberg"), you agree to comply with all the terms of the Full Project
+Gutenberg-tm License (available with this file or online at
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+1.A. By reading or using any part of this Project Gutenberg-tm
+electronic work, you indicate that you have read, understand, agree to
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+the terms of this agreement, you must cease using and return or destroy
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+If you paid a fee for obtaining a copy of or access to a Project
+Gutenberg-tm electronic work and you do not agree to be bound by the
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+entity to whom you paid the fee as set forth in paragraph 1.E.8.
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+1.B. "Project Gutenberg" is a registered trademark. It may only be
+used on or associated in any way with an electronic work by people who
+agree to be bound by the terms of this agreement. There are a few
+things that you can do with most Project Gutenberg-tm electronic works
+even without complying with the full terms of this agreement. See
+paragraph 1.C below. There are a lot of things you can do with Project
+Gutenberg-tm electronic works if you follow the terms of this agreement
+and help preserve free future access to Project Gutenberg-tm electronic
+works. See paragraph 1.E below.
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+1.C. The Project Gutenberg Literary Archive Foundation ("the Foundation"
+or PGLAF), owns a compilation copyright in the collection of Project
+Gutenberg-tm electronic works. Nearly all the individual works in the
+collection are in the public domain in the United States. If an
+individual work is in the public domain in the United States and you are
+located in the United States, we do not claim a right to prevent you from
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+are removed. Of course, we hope that you will support the Project
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+the laws of your country in addition to the terms of this agreement
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+
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+unless you comply with paragraph 1.E.8 or 1.E.9.
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+ the use of Project Gutenberg-tm works calculated using the method
+ you already use to calculate your applicable taxes. The fee is
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+ returns. Royalty payments should be clearly marked as such and
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+ address specified in Section 4, "Information about donations to
+ the Project Gutenberg Literary Archive Foundation."
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+ you in writing (or by e-mail) within 30 days of receipt that s/he
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+ License. You must require such a user to return or
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+electronic work or group of works on different terms than are set
+forth in this agreement, you must obtain permission in writing from
+both the Project Gutenberg Literary Archive Foundation and Michael
+Hart, the owner of the Project Gutenberg-tm trademark. Contact the
+Foundation as set forth in Section 3 below.
+
+1.F.
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+effort to identify, do copyright research on, transcribe and proofread
+public domain works in creating the Project Gutenberg-tm
+collection. Despite these efforts, Project Gutenberg-tm electronic
+works, and the medium on which they may be stored, may contain
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+PROVIDED IN PARAGRAPH 1.F.3. YOU AGREE THAT THE FOUNDATION, THE
+TRADEMARK OWNER, AND ANY DISTRIBUTOR UNDER THIS AGREEMENT WILL NOT BE
+LIABLE TO YOU FOR ACTUAL, DIRECT, INDIRECT, CONSEQUENTIAL, PUNITIVE OR
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+DAMAGE.
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+receive the work electronically in lieu of a refund. If the second copy
+is also defective, you may demand a refund in writing without further
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+in paragraph 1.F.3, this work is provided to you 'AS-IS' WITH NO OTHER
+WARRANTIES OF ANY KIND, EXPRESS OR IMPLIED, INCLUDING BUT NOT LIMITED TO
+WARRANTIES OF MERCHANTIBILITY OR FITNESS FOR ANY PURPOSE.
+
+1.F.5. Some states do not allow disclaimers of certain implied
+warranties or the exclusion or limitation of certain types of damages.
+If any disclaimer or limitation set forth in this agreement violates the
+law of the state applicable to this agreement, the agreement shall be
+interpreted to make the maximum disclaimer or limitation permitted by
+the applicable state law. The invalidity or unenforceability of any
+provision of this agreement shall not void the remaining provisions.
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+1.F.6. INDEMNITY - You agree to indemnify and hold the Foundation, the
+trademark owner, any agent or employee of the Foundation, anyone
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+with this agreement, and any volunteers associated with the production,
+promotion and distribution of Project Gutenberg-tm electronic works,
+harmless from all liability, costs and expenses, including legal fees,
+that arise directly or indirectly from any of the following which you do
+or cause to occur: (a) distribution of this or any Project Gutenberg-tm
+work, (b) alteration, modification, or additions or deletions to any
+Project Gutenberg-tm work, and (c) any Defect you cause.
+
+
+Section 2. Information about the Mission of Project Gutenberg-tm
+
+Project Gutenberg-tm is synonymous with the free distribution of
+electronic works in formats readable by the widest variety of computers
+including obsolete, old, middle-aged and new computers. It exists
+because of the efforts of hundreds of volunteers and donations from
+people in all walks of life.
+
+Volunteers and financial support to provide volunteers with the
+assistance they need are critical to reaching Project Gutenberg-tm's
+goals and ensuring that the Project Gutenberg-tm collection will
+remain freely available for generations to come. In 2001, the Project
+Gutenberg Literary Archive Foundation was created to provide a secure
+and permanent future for Project Gutenberg-tm and future generations.
+To learn more about the Project Gutenberg Literary Archive Foundation
+and how your efforts and donations can help, see Sections 3 and 4
+and the Foundation web page at https://www.pglaf.org.
+
+
+Section 3. Information about the Project Gutenberg Literary Archive
+Foundation
+
+The Project Gutenberg Literary Archive Foundation is a non profit
+501(c)(3) educational corporation organized under the laws of the
+state of Mississippi and granted tax exempt status by the Internal
+Revenue Service. The Foundation's EIN or federal tax identification
+number is 64-6221541. Its 501(c)(3) letter is posted at
+https://pglaf.org/fundraising. Contributions to the Project Gutenberg
+Literary Archive Foundation are tax deductible to the full extent
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+The Foundation's principal office is located at 4557 Melan Dr. S.
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+throughout numerous locations. Its business office is located at
+809 North 1500 West, Salt Lake City, UT 84116, (801) 596-1887, email
+business@pglaf.org. Email contact links and up to date contact
+information can be found at the Foundation's web site and official
+page at https://pglaf.org
+
+For additional contact information:
+ Dr. Gregory B. Newby
+ Chief Executive and Director
+ gbnewby@pglaf.org
+
+
+Section 4. Information about Donations to the Project Gutenberg
+Literary Archive Foundation
+
+Project Gutenberg-tm depends upon and cannot survive without wide
+spread public support and donations to carry out its mission of
+increasing the number of public domain and licensed works that can be
+freely distributed in machine readable form accessible by the widest
+array of equipment including outdated equipment. Many small donations
+($1 to $5,000) are particularly important to maintaining tax exempt
+status with the IRS.
+
+The Foundation is committed to complying with the laws regulating
+charities and charitable donations in all 50 states of the United
+States. Compliance requirements are not uniform and it takes a
+considerable effort, much paperwork and many fees to meet and keep up
+with these requirements. We do not solicit donations in locations
+where we have not received written confirmation of compliance. To
+SEND DONATIONS or determine the status of compliance for any
+particular state visit https://pglaf.org
+
+While we cannot and do not solicit contributions from states where we
+have not met the solicitation requirements, we know of no prohibition
+against accepting unsolicited donations from donors in such states who
+approach us with offers to donate.
+
+International donations are gratefully accepted, but we cannot make
+any statements concerning tax treatment of donations received from
+outside the United States. U.S. laws alone swamp our small staff.
+
+Please check the Project Gutenberg Web pages for current donation
+methods and addresses. Donations are accepted in a number of other
+ways including including checks, online payments and credit card
+donations. To donate, please visit: https://pglaf.org/donate
+
+
+Section 5. General Information About Project Gutenberg-tm electronic
+works.
+
+Professor Michael S. Hart was the originator of the Project Gutenberg-tm
+concept of a library of electronic works that could be freely shared
+with anyone. For thirty years, he produced and distributed Project
+Gutenberg-tm eBooks with only a loose network of volunteer support.
+
+
+Project Gutenberg-tm eBooks are often created from several printed
+editions, all of which are confirmed as Public Domain in the U.S.
+unless a copyright notice is included. Thus, we do not necessarily
+keep eBooks in compliance with any particular paper edition.
+
+
+Most people start at our Web site which has the main PG search facility:
+
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+
+This Web site includes information about Project Gutenberg-tm,
+including how to make donations to the Project Gutenberg Literary
+Archive Foundation, how to help produce our new eBooks, and how to
+subscribe to our email newsletter to hear about new eBooks.
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+<p>&nbsp;</p>
+<p>&nbsp;</p>
+<p>&nbsp;</p>
+
+<p class="center"><img src="images/logo.jpg" alt="Verlagslogo"/></p>
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+<p>&nbsp;</p>
+<p>&nbsp;</p>
+<p>&nbsp;</p>
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+Leipzig<br />
+Kurt Wolff Verlag<br />
+1916
+</p>
+<p>&nbsp;</p>
+
+<p class="center" style="letter-spacing: .2em;page-break-before:always;">
+Gedruckt bei E. Haberland in Leipzig-R.<br />
+Oktober 1916 als fünfunddreißigster Band<br />
+der Bücherei »Der jüngste Tag«
+</p>
+
+<p>&nbsp;</p>
+<p>&nbsp;</p>
+<p>&nbsp;</p>
+<p>&nbsp;</p>
+<p>&nbsp;</p>
+<p>&nbsp;</p>
+
+<p class="center" style="text-transform:uppercase; font-size:small">
+Copyright 1916 by Kurt Wolff Verlag · Leipzig
+</p>
+
+<p>&nbsp;</p>
+
+<h2 class="chapter">Inhalt</h2>
+
+<p class="contents"><a href="#chapter-1">Gehirne</a></p>
+<p class="contents"><a href="#chapter-2">Die Eroberung</a></p>
+<p class="contents"><a href="#chapter-3">Die Reise</a></p>
+<p class="contents"><a href="#chapter-4">Die Insel</a></p>
+<p class="contents"><a href="#chapter-5">Der Geburtstag</a></p>
+
+<p>&nbsp;</p>
+<p>&nbsp;</p>
+
+<p>
+</p>
+<h2 class="chapter" id="chapter-1">Gehirne</h2><p>
+
+</p><p class="first"><span class="firstchar">R</span>önne, ein junger Arzt, der früher viel seziert
+hatte, fuhr durch Süddeutschland dem Norden zu.
+Er hatte die letzten Monate tatenlos verbracht; er
+war zwei Jahre lang an einem pathologischen Institut
+angestellt gewesen, das bedeutet, es waren ungefähr
+zweitausend Leichen ohne Besinnen durch seine Hände
+gegangen, und das hatte ihn in einer merkwürdigen und
+ungeklärten Weise erschöpft.
+
+</p><p>Jetzt saß er auf einem Eckplatz und sah in die Fahrt:
+es geht also durch Weinland, besprach er sich, ziemlich
+flaches, vorbei an Scharlachfeldern, die rauchen von
+Mohn. Es ist nicht allzu heiß; ein Blau flutet durch
+den Himmel, feucht und aufgeweht von Ufern; an
+Rosen ist jedes Haus gelehnt, und manches ganz versunken.
+Ich will mir ein Buch kaufen und einen Stift;
+ich will mir jetzt möglichst vieles aufschreiben, damit
+nicht alles so herunterfließt. So viele Jahre lebte ich,
+und alles ist versunken. Als ich anfing, blieb es bei
+mir? Ich weiß es nicht mehr.
+
+</p><p>Dann lagen in vielen Tunneln die Augen auf dem
+Sprung, das Licht wieder aufzufangen; Männer arbeiteten
+im Heu, Brücken aus Holz, Brücken aus
+Stein; eine Stadt und ein Wagen über Berge vor ein
+Haus.
+
+</p><p>Veranden, Hallen und Remisen, auf der Höhe eines
+Gebirges, in einen Wald gebaut &mdash; hier wollte Rönne
+den Chefarzt ein paar Wochen vertreten. Das Leben
+ist so allmächtig, dachte er, diese Hand wird es nicht
+unterwühlen können, und sah seine Rechte an.
+
+</p><p>Im Gelände war niemand außer Angestellten und
+Kranken; die Anstalt lag hoch; Rönne war feierlich zu
+Mute; umleuchtet von seiner Einsamkeit besprach er
+mit den Schwestern die dienstlichen Angelegenheiten
+fern und kühl.
+
+</p><p>Er überließ ihnen alles zu tun: das Herumdrehen
+der Hebel, das Befestigen der Lampen, den Antrieb der
+Motore, mit einem Spiegel dies und jenes zu beleuchten
+&mdash; es tat ihm wohl, die Wissenschaft in eine Reihe
+von Handgriffen aufgelöst zu sehen, die gröberen eines
+Schmiedes, die feineren eines Uhrmachers wert. Dann
+nahm er selber seine Hände, führte sie über die Röntgenröhre,
+verschob das Quecksilber der Quarzlampe,
+erweiterte oder verengte einen Spalt, durch den Licht
+auf einen Rücken fiel, schob einen Trichter in ein Ohr,
+nahm Watte und ließ sie im Gehörgang liegen und vertiefte
+sich in die Folgen dieser Verrichtung bei dem Inhaber
+des Ohrs: wie sich Vorstellungen bildeten von
+Helfer, Heilung, guter Arzt von allgemeinem Zutrauen
+und Weltfreude, und wie sich die Entfernung von Flüssigkeiten
+in das Seelische verwob. Dann kam ein Unfall
+und er nahm ein Holzbrettchen mit Watte gepolstert,
+schob es unter den verletzten Finger, wickelte
+eine Stärkebinde herum und überdachte, wie dieser Finger
+durch den Sprung über einen Graben oder eine
+übersehene Wurzel, durch einen Übermut oder einen
+Leichtsinn, kurz, in wie tiefem Zusammenhange mit dem
+Lauf und dem Schicksal dieses Lebens er gebrochen
+schien, während er ihn jetzt versorgen mußte wie einen
+Fernen und Entlaufenen, und er horchte in die Tiefe,
+wie in dem Augenblick, wo der Schmerz einsetzte, eine
+fernere Stimme sich vernehmen ließe.
+
+</p><p>Es war in der Anstalt üblich, die Aussichtslosen unter
+Verschleierung dieses Tatbestandes in ihre Familien zu
+entlassen wegen der Schreibereien und des Schmutzes,
+den der Tod mit sich bringt. Auf einen solchen trat
+Rönne zu, besah ihn sich: die künstliche Öffnung auf
+der Vorderseite, den durchgelegenen Rücken, dazwischen
+etwas mürbes Fleisch; beglückwünschte ihn zu der gelungenen
+Kur und sah ihm nach, wie er von dannen
+trottete. Er wird nun nach Hause gehen, dachte Rönne,
+die Schmerzen als eine lästige Begleiterscheinung der
+Genesung empfinden, unter den Begriff der Erneuerung
+treten, den Sohn anweisen, die Tochter heranbilden,
+den Bürger hochhalten, die Allgemeinvorstellung des
+Nachbars auf sich nehmen, bis die Nacht kommt mit
+dem Blut im Hals. Wer glaubt, daß man mit Worten
+lügen könne, könnte meinen, daß es hier geschähe. Aber
+wenn ich mit Worten lügen könnte, wäre ich wohl nicht
+hier. Überall wohin ich sehe, bedarf es eines Wortes,
+um zu leben. Hätte ich doch gelogen, als ich zu diesem
+sagte: Glück auf!
+
+</p><p>Erschüttert saß er eines Morgens vor seinem Frühstückstisch;
+er fühlte so tief: der Chefarzt würde verreisen,
+ein Vertreter würde kommen, in dieser Stunde
+aus diesem Bette steigen und das Brötchen nehmen:
+man denkt, man ißt, und das Frühstück arbeitet an
+einem herum. Trotzdem verrichtete er weiter, was an
+Fragen und Befehlen zu verrichten war; klopfte mit
+einem Finger der rechten Hand auf einen der linken,
+dann stand eine Lunge darunter; trat an Betten: guten
+Morgen, was macht Ihr Leib? Aber es konnte jetzt
+hin und wieder vorkommen, daß er durch die Hallen
+ging, ohne jeden einzelnen ordnungsgemäß zu befragen,
+sei es nach der Zahl seiner Hustenstöße, sei es nach
+der Wärme seines Darms. Wenn ich durch die Liegehallen
+gehe &mdash; dies beschäftigte ihn zu tief &mdash; in je zwei
+Augen falle ich, werde wahrgenommen und bedacht.
+Mit freundlichen und ernsten Gegenständen werde ich
+verbunden, vielleicht nimmt ein Haus mich auf, in das
+sie sich sehnen, vielleicht ein Stück Gerbholz, das sie
+einmal schmeckten. Und ich hatte auch einmal zwei
+Augen, die liefen rückwärts mit ihren Blicken; jawohl,
+ich war vorhanden: fraglos und gesammelt. Wo bin
+ich hingekommen? Wo bin ich? Ein kleines Flattern,
+ein Verwehn.
+
+</p><p>Er sann nach, wann es begonnen hätte, aber er wußte
+es nicht mehr: ich gehe durch eine Straße und sehe ein
+Haus und erinnere mich eines Schlosses, das ähnlich
+war in Florenz, aber sie streifen sich nur mit einem
+Schein und sind erloschen.
+
+</p><p>Es schwächt mich etwas von oben. Ich habe keinen
+Halt mehr hinter den Augen. Der Raum wogt so endlos;
+einst floß er doch auf eine Stelle. Zerfallen ist
+Rinde, die mich trug.
+
+</p><p>Oft, wenn er von solchen Gängen in sein Zimmer
+zurückgekehrt war, drehte er seine Hände hin und her
+und sah sie an. Und einmal beobachtete eine Schwester,
+wie er sie beroch oder vielmehr, wie er über sie
+hinging, als prüfe er ihre Luft, und wie er dann die
+leicht gebeugten Handflächen, nach oben offen, an den
+kleinen Fingern zusammenlegte, um sie dann einander
+zu und ab zu bewegen, als bräche er eine große, weiche
+Frucht auf oder als böge er etwas auseinander. Sie erzählte
+es den anderen Schwestern, aber niemand wußte,
+was es zu bedeuten habe. Bis es sich ereignete, daß
+in der Anstalt ein größeres Tier geschlachtet wurde.
+Rönne kam scheinbar zufällig herbei, als der Kopf aufgeschlagen
+wurde, nahm den Inhalt in die Hände und
+bog die beiden Hälften auseinander. Da durchfuhr es
+die Schwester, daß dies die Bewegung gewesen sei, die
+sie auf dem Gang beobachtet hatte. Aber sie wußte
+keinen Zusammenhang herzustellen und vergaß es bald.
+
+</p><p>Rönne aber ging durch die Gärten. Es war Sommer;
+Otternzungen schaukelten das Himmelsblau, die Rosen
+blühten, süß geköpft. Er spürte den Drang der Erde:
+bis vor seine Sohlen, und das Schwellen der Gewalten:
+nicht mehr durch sein Blut. Vornehmlich aber ging er
+Wege, die im Schatten lagen und solche mit vielen Bänken;
+häufig mußte er ruhen vor der Hemmungslosigkeit
+des Lichtes, und preisgegeben fühlte er sich einem
+atemlosen Himmel.
+
+</p><p>Allmählich fing er an, seinen Dienst nur noch unregelmäßig
+zu versehen; namentlich aber, wenn er sich
+gesprächsweise zu dem Verwalter oder der Oberin über
+irgendeinen Gegenstand äußern sollte, wenn er fühlte,
+jetzt sei es daran, eine Äußerung seinerseits dem in
+Frage stehenden Gegenstand zukommen zu lassen, brach
+er förmlich zusammen. Was solle man denn zu einem
+Geschehen sagen? Geschähe es nicht so, geschähe es
+ein wenig anders. Leer würde die Stelle nicht bleiben.
+Er aber möchte nur leise vor sich hinsehn und in seinem
+Zimmer ruhn.
+
+</p><p>Wenn er aber lag, lag er nicht wie einer, der erst
+vor ein paar Wochen gekommen war, von einem See
+und über die Berge; sondern als wäre er mit der Stelle,
+auf der sein Leib jetzt lag, emporgewachsen und von
+den langen Jahren geschwächt; und etwas Steifes und
+Wächsernes war an ihm lang, wie abgenommen von
+den Leibern, die sein Umgang gewesen waren.
+
+</p><p>Auch in der Folgezeit beschäftigte er sich viel mit
+seinen Händen. Die Schwester, die ihn bediente, liebte
+ihn sehr; er sprach immer so flehentlich mit ihr, obschon
+sie nicht recht wußte, um was es ging. Oft fing
+er etwas höhnisch an: er kenne diese fremden Gebilde,
+seine Hände hätten sie gehalten. Aber gleich verfiel er
+wieder: sie lebten in Gesetzen, die nicht von uns seien
+und ihr Schicksal sei uns so fremd wie das eines Flusses,
+auf dem wir fahren. Und dann ganz erloschen, den
+Blick schon in einer Nacht: um zwölf chemische Einheiten
+handele es sich, die zusammengetreten wären
+nicht auf sein Geheiß, und die sich trennen würden,
+ohne ihn zu fragen. Wohin solle man sich dann sagen?
+Es wehe nur über sie hin.
+
+</p><p>Er sei keinem Ding mehr gegenüber; er habe keine
+Macht mehr über den Raum, äußerte er einmal; lag
+fast ununterbrochen und rührte sich kaum.
+
+</p><p>Er schloß sein Zimmer hinter sich ab, damit niemand
+auf ihn einstürmen könne; er wollte öffnen und gefaßt
+gegenüberstehen.
+
+</p><p>Anstaltswagen, ordnete er an, möchten auf der Landstraße
+hin und her fahren; er hatte beobachtet, es tat
+ihm wohl, Wagenrollen zu hören: das war so fern,
+das war wie früher, das ging in eine fremde Stadt.
+
+</p><p>Er lag immer in einer Stellung: steif auf dem Rücken.
+Er lag auf dem Rücken, in einem langen Stuhl, der
+Stuhl stand in einem geraden Zimmer, das Zimmer
+stand im Haus und das Haus auf einem Hügel. Außer
+ein paar Vögeln war er das höchste Tier. So trug ihn
+die Erde leise durch den Äther und ohne Erschüttern
+an allen Sternen vorbei.
+
+</p><p>Eines Abends ging er hinunter zu den Liegehallen;
+er blickte die Liegestühle entlang, wie sie alle still unter
+ihren Decken die Genesung erwarteten; er sah sie an,
+wie sie dalagen: alle aus Heimaten, aus Schlaf voll
+Traum, aus Abendheimkehr, aus Gesängen von Vater
+zu Sohn, zwischen Glück und Tod &mdash; er sah die Halle
+entlang und ging zurück.
+
+</p><p>Der Chefarzt wurde zurückgerufen; er war ein freundlicher
+Mann, er sagte, eine seiner Töchter sei erkrankt.
+Rönne aber sagte: sehen Sie, in diesen meinen Händen
+hielt ich sie, hundert oder auch tausend Stück; manche
+waren weich, manche waren hart, alle sehr zerfließlich;
+Männer, Weiber, mürbe und voll Blut. Nun halte ich
+immer mein eigenes in meinen Händen und muß immer
+darnach forschen, was mit mir möglich sei. Wenn die
+Geburtszange hier ein bißchen tiefer in die Schläfe gedrückt
+hätte .&nbsp;.&nbsp;.? Wenn man mich immer über eine bestimmte
+Stelle des Kopfes geschlagen hätte .&nbsp;.&nbsp;.? Was
+ist es denn mit den Gehirnen? Ich wollte immer auffliegen
+wie ein Vogel aus der Schlucht; nun lebe ich
+außen im Kristall. Aber nun geben Sie mir bitte den
+Weg frei, ich schwinge wieder &mdash; ich war so müde &mdash;
+auf Flügeln geht dieser Gang &mdash; mit meinem blauen
+Anemonenschwert &mdash; in Mittagsturz des Lichts &mdash; in
+Trümmern des Südens &mdash; in zerfallendem Gewölk &mdash; Zerstäubungen
+der Stirne &mdash; Entschweifungen der Schläfe.
+
+</p>
+<h2 class="chapter" id="chapter-2">Die Eroberung</h2><p>
+
+</p><p class="first"><span class="firstchar">A</span>us der Ohnmacht langer Monate und unaufhörlichen
+Vertriebenheiten &mdash;: Dies Land will ich
+besetzen, dachte Rönne, und seine Augen rissen
+den weißen Schein der Straße an sich, befühlten ihn, verglichen
+ihn mit den Schichten nah am Himmel und mit
+der Helle der Mauer eines Hauses, und schon verging
+er vor Glück in den Abend, in die deutliche Verlängerung
+des Lichtes, in dieses kühle Ende eines Tages, der voll
+Frühling war.
+
+</p><p>Die Eroberung ist zu Ende, sagte er sich, es ist fester
+Fuß gefaßt. Sie tragen ihre Ohnmacht noch in Farben
+an ihre Hütten, in Schleifen, rot und gelb, und kleinen
+Fahnen an der Jacke; aber vertrieben werden wir hier
+zunächst nicht werden. Dagegen alles, was geschieht,
+geschieht erstmalig. Eine fremde Sprache, alles ist haßerfüllt
+und kommt zögernd über einen Abgrund her. Hier
+will ich Schritt für Schritt vorgehen. Wenn irgendwo, muß
+es mir hier gelingen.
+
+</p><p>Er schritt aus; schon blühte um ihn die Stadt. Sie
+wogte auf ihn zu, sie erhob sich von den Hügeln, schlug
+Brücken über die Inseln, ihre Krone rauschte. Über Plätze,
+vor Jahrhunderten liegen geblieben und von keinem Fuß
+berührt, drängten alle Straßen hernieder in ein Tal; es
+war ein Abstieg in der Stadt, sie ließ sich sinken in die
+Ebene, sie entsteinte ihr Gemäuer einem Weinberg zu.
+
+</p><p>Er verhielt auf einem Platz, sank auf eine Mauer,
+schloß die Augen, spürte mit den Händen durch die Luft
+wie durch Wasser und drängte: Liebe Stadt, laß Dich doch
+besetzen! Beheimate mich! Nimm mich auf in die Gemeinschaft!
+Du wächst nicht auf, Du schwillst oben nicht
+an, alles das ermüdet so. Du bist so südlich; Deine Kirche
+betet in den Abend, ihr Stein ist weiß, der Himmel blau.
+Du irrst so an das Ufer der Ferne, Du wirst Dich erbarmen,
+schon umschweifst Du mich.
+
+</p><p>Er fühlte sich gefestigt. Er schwang über die Boulevards;
+es war ein Wogen hin und her. Er ging beschwingt; die
+Frauen trug er in seinen Falten wie Staub; die Entthronten;
+was gab es denn: kleine Höhlen und ein
+Büschel Erde in der Achsel. Einer Blonden wogte beim
+Atmen eine Rose hin und her. Die roch nun mit dem
+Blut der Brust zusammen irgendeinem Manne zu.
+
+</p><p>Ihr trieb er nach in ein Café. Er setzte sich und atmete
+tief: ja hier ist die Gemeinschaft. Er sah sich um:
+Ein Mann versenkte sein Weiches in ein Mädchen; die
+dachte, es käme von Gott, und strich sich glatt. Der Unterkiefer
+eines Zurückgebliebenen meisterte mit Hilfe von
+zwei verwachsenen Händen eine Tasse, die Eltern saßen
+dabei und verwahrten sich. Auf allen Tischen standen
+Geräte, welche für den Hunger, welche für den Durst.
+Ein Herr machte ein Angebot; Treue trat in sein Auge,
+Weib und Kind verernsteten seine Züge. Einer bewertete
+sachlich ein Gespräch. Einer kaute eine Landschaft
+an, der Wände Schmuck. Ja, hier ist das Glück,
+sagte er sich und blähte seine Nüstern, als versenke er
+sich, &mdash; das tiefe, gedehnte Glück. Nehmt mich auf in die
+Gemeinschaft!
+
+</p><p>Schon erhob er die Blicke wie zu seinesgleichen. Seine
+Augen schweiften wie die des Kauenden. Nicht mehr
+leugnen ließ sich, daß das Licht auf der Straße sich verdunkelte,
+und daß tief gebeugt ein Mädchen sang. Klar
+zutage lagen die Lüste zwischen den Soldaten und den
+Frauen, und der Kellner gewann an Geltung. Und er
+fühlte, wie er wuchs und still ward, so kühl umstanden
+zu sein von lauter Dingen, die geschahen.
+
+</p><p>Nun wurde er kühner; er entlastete sich auf die Stühle,
+und siehe &mdash; sie standen da. Er verteilte, was er unter
+der Stirne trug, um der Säulen Samt. Die Marmorplatten
+wuchsen sich aus, die Klinken traten selbständig
+hervor. Er schweifte sich innen aus: auf die Borde, auf
+die Simse häufte er aus allen Höhlen und Falten Last
+um Last.
+
+</p><p>Nun hing sogar ein Bild an der Wand: eine Kuh auf
+einer Weide. Eine Kuh auf einer Weide, dachte er;
+eine runde braune Kuh, Himmel und ein Feld. Nein,
+was für ein namenloses Glück aus diesem Bild entstehen
+kann! Da steht sie nun mit vier Beinen, mit eins, zwei,
+drei, vier Beinen, das läßt sich gar nicht leugnen; sie
+steht mit vier Beinen auf einer Wiese aus Gras und
+sieht drei Schafe an, eins, zwei, drei Schafe, &mdash; o die
+Zahl, wie liebe ich die Zahl, sie sind so hart, sie sind
+rundherum gleich unantastbar, sie starren von Unangreifbarkeit,
+ganz unzweideutig sind sie, es wäre lächerlich,
+irgend etwas an ihnen aussetzen zu wollen; wenn
+ich noch jemals traurig bin, will ich immer Zahlen vor
+mich her sagen; er lachte froh und ging.
+
+</p><p>Himmel um sein Haupt, blühte er durch das leise Spiel
+der Nacht. Sein waren die Gassen, für seine Gänge,
+ohne Demütigung vernahm er seiner Schritte Widerhall.
+Er fühlte ein Erschließen, er stieg auf; eine Pore war
+er, aus der es grünen wollte, eingeebnet fühlte er sich
+in das Schlenkern der Arme eines Mannes, der hastig
+über die Straße schritt, gehürnt von einem Ziel.
+
+</p><p>Weich und mahlend bewältigte er die Schaufenster
+durch Gedanken über Gegenstände in den Läden, stand
+herum prüfenden Blickes, als beabsichtige er einzukaufen,
+ging weiter, nicht befriedigt von dem, was man
+ihm bot.
+
+</p><p>Hart heran an Gangart und Gesichtsausdruck von anderen
+Männern trat er, schloß sich dem an, glättete seine
+Züge, um sie gelegentlich aufzucken zu lassen in der
+Erinnerung an ein Vorkommnis im Laufe des Tages,
+sei es heiterer, sei es ernster Art. Einen belebten großen
+Platz vollends nahm er wahr, um plötzlich stehen zu
+bleiben, erschrocken mit der Hand an die Stirn zu fassen
+und den Kopf zu schütteln: nein, zu ärgerlich! nun hatte
+er etwas vergessen; entfallen war ihm etwas, das zu
+tun ihm oblag; ein Versäumnis lag vor, das trotz aller
+bevorstehender Verabredungen des Abends unverzüglich
+nachzuholen ihm die Pflicht gebot. Weitergehen erübrigte
+sich. Es hieß jetzt, der Umkehr ins Auge sehen
+und vollbringen, was einmal als Recht erkannt.
+
+</p><p>Erregt machte er kehrt; die einreihenden Gedanken
+der Nachblickenden wärmten ihn und trieben ihn an:
+Vielleicht erzählte nun einer von ihm zu Hause, vielleicht
+spöttelte er ein wenig, vielleicht sagte er etwas
+schadenfroh: ein Herr, der etwas vergessen hatte &mdash;
+vielleicht kam er nun zu spät zu seiner Verabredung &mdash;
+vielleicht blieb ihm nun die Tür verschlossen während
+der Ouverture, &mdash; er mußte noch einmal zurückgehen
+&mdash; wahrscheinlich in sein Bureau &mdash;, wahrscheinlich ein
+Brief an einen Geschäftsfreund &mdash;, man kennt das ja
+selbst &mdash; ja ja, so ist das Leben &mdash; man erzieht sich
+selbst &mdash; man muß manches opfern &mdash; aber nur den Kopf
+nicht sinken lassen &mdash;, erhebt die Herzen, &mdash; Sursum
+corda &mdash; der gestirnte Himmel &mdash; das dienende Glied.
+
+</p><p>Er bog in ein Friseurgeschäft und unterzog sich der
+Pflege.
+
+</p><p>Ein Herr bekam den Hinterkopf gepudert. Warum,
+fragte sich Rönne, ich bekomme ihn nicht gepudert. Er
+überlegte. Er war blond. Es geht daraus hervor, daß
+das Prinzip des Weißen mit dem Prinzip des Blonden
+für diesen Zweck identisch ist. Es dürfte sich um den
+Lichtreflex handeln, um den Brechungskoeffizienten sozusagen.
+Jawohl, Brechungskoeffizient, sehr gut, und er
+verweilte einen Augenblick.
+
+</p><p>Man muß nur an alles, was man sieht, etwas anzuknüpfen
+vermögen, es mit früheren Erfahrungen in
+Einklang bringen und es unter allgemeine Gesichtspunkte
+stellen, das ist die Wirkungsweise der Vernunft,
+dessen entsinne ich mich.
+
+</p><p>Stark und gerüstet dehnte er sich in dem Rasierstuhl.
+Der junge Mann tänzelte herum, tupfte hin und her und
+puderte und strich.
+
+</p><p>Er war wieder auf der Straße. Eine Frau bot einen
+flachen Korb herum mit Veilchensträußen, blau wie Stücke
+der Nacht, mit Orchideenbündeln, weichen Zusammenflusses
+aus hellblau und orange.
+
+</p><p>Die Orchidee, lachte er selbstgefällig, die Blüte des
+heißen Afrika, der Liebling der Sammler, der Gegenstand
+so mancher Ausstellungen des In- und Auslandes,
+jawohl, ich weiß Bescheid, jawohl, ich bin nicht unkundig,
+selbst zu einem Fachmann fände ich Beziehungen.
+
+</p><p>Da fiel sein Blick auf die Inschrift eines Hauses, die
+hieß etwa: Schlachthof.
+
+</p><p>Nun mußte er sich eingehend über Schlachthof äußern.
+Der Dresdener Schlachthof vergleichsweise, erbaut Anfang
+der siebziger Jahre von Baurat Köhler, versehen
+mit den hygienisch-sanitären Vorrichtungen modernsten
+Systems &mdash; bahnbrechend war in dieser Richtung die
+Entdeckung des Dänen Johannsen. Es war ein Junitag
+des denkwürdigen Jahres der finnischen Expedition. Da
+ging er am Morgen durch die Östergaade und sah zwei
+Kühe ankommen, alter jütländischer Art &mdash; &mdash; heraus
+aus einer solchen Fülle des Tatsächlichen sprach er; so
+äußerte er sich, so stand er Antwort und Rede, klärte
+manches auf, half über Irrtümer hinweg, diente der Sache
+und unterstand der Allgemeinheit, die ihm dankte.
+
+</p><p>Messer und Geräte, Griffe und Anerkennung des
+Raumes Erforderndes, traten ihm entgegen. Nun wurde
+er gar ein Jäger, eine starke, geschlossene Gestalt. Er
+scheute sich nicht, durch grüne Joppe und Hornknöpfe
+Aufschluß über sein Gewerbe jedem Vorübergehenden
+zu geben. Er war wetterhart und gebräunt und einen
+kräftigen Schluck zum zweiten Frühstück, jawohl die
+Herren, und noch einmal! Er erzählte in einem größeren
+Kreise von dem Sechserbock, wie er den Drilling an
+die Backe nahm, und das Silberkorn flimmerte in der
+Kimme. Er prüfte und begutachtete einen Standhauer,
+erinnerte an die ungünstigen Erfahrungen mit dem Modell
+eines Försters aus der Nachbarschaft; er nickte bedächtig,
+schüttelte mit dem Kopf und sprach starken
+Atems in die rauhe Morgenluft, kurz, er war der geachtete
+Mann, dem im Umfang seines Faches Vertrauen
+zukam, eine bodenständige Natur, festen Schrittes und
+aufrechter Art.
+
+</p><p>Nun erkrankte ihm vollends sein Kind; an einem
+Frühlingsmorgen, das junge Geschöpf! Er schluchzte
+mit seinem Weibe; aber mit dem kurzen Daumen des
+Broterwerbers strich er sich durch den Bart, den Schmerz
+zu meistern. Er stand demütig vor dem Unbegreiflichen;
+aller Rätsel wurde auch er nicht Herr; das Mythische
+ragte in sein Leben hinein, die guten und die bösen
+Dinge, die Träne und das Blut.
+
+</p><p>Allmählich aber war die Nacht tiefer geworden und
+schloß ihn ein. Nun schwoll wirklich um ihn der Wald.
+Er sank auf Moos unter Stern und stillen Lauten. Blau
+stand zwischen Bäumen, Tier und Dorf. In ihrem Bett
+die Quelle. In ihrem Silberheim die Hügel. Und im
+Schauer seiner Haut, im Sprunge seiner Glieder, im
+Trunk der Augen, in seines Ohres Rausch: er, als
+der Blüten eine, er, als der Tiere Beischlaf, unter einem
+Himmel, unter einer Nacht &mdash;
+
+</p><p>Im Taumel halb, und halb weil Klänge riefen, stieg
+er die Stufen hinunter in den Saal.
+
+</p><p>Da tanzte eine hinter Schleiern, die Brüste gebunden,
+und ein Korallengaumen, aus dem sie lachte. Zwei
+wehten mit ihren Händen an ihren Leibern vorbei und
+trieben Geruch und Lust den Männern zu. Eine stieß
+Leib und Brüste hervor nach Enthüllungen. Zwei, die
+sich lieben wollten, streiften die Ringe ab, die hatten
+rauhe Steine.
+
+</p><p>Er aber spürte die Hände alle auf den Hüften, den
+Drang, sich abzuflachen auf die Erde, die Zuckungen,
+das Zusammenströmen und den Aufwuchs, und plötzlich
+stand vor ihm die Schwangere: breites, schweres
+Fleisch, triefend von Säften aus Brust und Leib; ein
+magerer, verarmter Schädel über feuchtem Blattwerk,
+über einer Landschaft aus Blut, über Schwellungen aus
+tierischen Geweben, hervorgerufen durch eine unzweifelhafte
+Berührung.
+
+</p><p>Da sprang er eine an, brach sie auf biß in Gebein,
+das wie seines war, entriß ihm Schreie, die wie seine
+klangen, und verging an einer Hüfte, erstürmt von einem
+fremden Rund. &mdash;
+
+</p><p>Dann stieß der Morgen hervor, rot und siegreich.
+Rönne schritt durch die Wellen der Frühe, durch das
+Meer, das über die Wolken brach.
+
+</p><p>Rein und klar sah er hinter sich die Nacht, nun ging
+er den Weg zu den Palmengärten am Rande der Stadt.
+
+</p><p>Das Licht wuchs an, der Tag erhob sich; immer der
+gleiche ewige Tag, immer das unverlierbare Licht.
+
+</p><p>Die letzten Straßen, Brut quoll aus den Kellern; vorbei
+schabte ein Mönch, der Triumph des Inhalts; Frauen,
+Geruch aus Nestern und Begattung hinter sich herschleifend,
+führten ihre bejahenden Versenkungen dem
+Nachbar zu. Zu ihnen gehörten sie alle: Der Jäger und
+der Krüppel, der Vergeßliche und der Tänzer, &mdash; alle
+glaubten, versteckt oder frei, an die großen Gehirne,
+um die die Götter schwebten.
+
+</p><p>Er, der Einsame; blauer Himmel, schweigendes Licht.
+Über ihm die weiße Wolke: die sanftgekappten Rande,
+das schweifende Vergehen.
+
+</p><p>Er wehte sich über die Stirn: Am Abend, als ich
+ausging, schien ich mir noch des Schmerzes wert. Nun
+mag ich unter Farren liegen, die Stämme anschielen und
+überall die Fläche sehen.
+
+</p><p>Die Türen sanken nieder, die Glashäuser bebten, auf
+einer Kuppel aus Kristall zerbarst ein Strom des unverlierbaren
+Lichts: &mdash; so trat er ein &mdash;.
+
+</p><p>Ich wollte eine Stadt erobern, nun streicht ein Palmenblatt
+über mich hin.
+
+</p><p>Er wühlte sich in das Moos: am Schaft, wasserernährt,
+meine Stirn, handbreit, und dann beginnt es.
+
+</p><p>Bald darauf ertönte eine Glocke. Die Gärtner gingen
+an ihre Arbeit; da schritt auch er an eine Kanne und
+streute Wasser über die Farren, die aus einer Sonne
+kamen, wo viel verdunstete.
+
+</p>
+<h2 class="chapter" id="chapter-3">Die Reise</h2><p>
+
+</p><p class="first"><span class="firstchar">R</span>önne wollte nach Antwerpen fahren, aber wie
+ohne Zerrüttung? Er konnte nicht zu Mittag kommen.
+Er mußte angeben, er könne heute nicht zu
+Mittag kommen, er fahre nach Antwerpen. Nach Antwerpen
+hätte der Zuhörer gedacht? Betrachtung? Aufnahme?
+Sich ergehen? Das erschien ihm ausgeschlossen.
+Er zielte auf Bereicherung und den Aufbau des Seelischen.
+
+</p><p>Und nun stellte er sich vor, er säße im Zug und
+müßte sich plötzlich erinnern, wie jetzt bei Tisch davon
+gesprochen wurde, daß er fort sei; wenn auch nur nebenbei,
+als Antwort auf eine kurz hingeworfene Frage,
+jedenfalls aber doch so viel, er seinerseits suche Beziehungen
+zu der Stadt, dem Mittelalter und den
+Scheldequais.
+
+</p><p>Erschlagen fühlte er sich, Schweißausbrüche. Eine
+Krümmung befiel ihn, als er seine unbestimmten und
+noch gar nicht absehbaren, jedenfalls aber doch so geringen
+und armseligen Vorgänge zusammengefaßt erblickte
+in Begriffen aus dem Lebensweg eines Herrn.
+
+</p><p>Ein Wolkenbruch von Hemmungen und Schwäche
+brach auf ihn nieder. Denn wo waren Garantien, daß
+er überhaupt etwas von der Reise erzählen könnte, mitbringen,
+verlebendigen, daß etwas in ihn träte im Sinne
+des Erlebnisses?
+
+</p><p>Große Rauheiten, wie die Eisenbahn, sich einem Herrn
+gegenüber gesetzt fühlen, das Heraustreten vor den Ankunftsbahnhof
+mit der zielstrebigen Bewegung zu dem
+Orte der Verrichtung, das alles waren Dinge, die konnten
+nur im geheimen vor sich gehen, in sich selber erlitten,
+trostlos und tief.
+
+</p><p>Wie war er denn überhaupt auf den Gedanken gekommen,
+zu verlassen, darin er seinen Tag erfüllte?
+War er tollkühn, herauszutreten aus der Form, die
+ihn trug? Glaubte er an Erweiterung, trotzte er dem
+Zusammenbruch?
+
+</p><p>Nein sagte er sich, nein. Ich kann es beschwören:
+nein. Nur als ich vorhin aus dem Geschäft ging, nach
+Veilchen roch man wieder, gepudert war man auch, ein
+Mädchen kam heran mit weißer Brust, es erschien nicht
+ausgeschlossen, daß man sie eröffnet. Es erschien nicht
+ausgeschlossen, daß man prangen würde und strömen.
+Ein Strand rückte in den Bereich der Möglichkeiten, an
+den die blaue Brust des Meeres schlug. Aber nun zur
+Versöhnung will ich essen gehn.
+
+</p><p class="tb">&nbsp;
+
+</p><p class="noindent">Durch Verbeugung in der Türe anerkannte er die
+Individualitäten. Wer wäre er gewesen? Still nahm er
+Platz. Groß wuchteten die Herren.
+
+</p><p>Nun erzählte Herr Friedhoff von den Eigentümlichkeiten
+einer tropischen Frucht, die einen Kern enthalte
+von Eigröße. Das Weiche äße man mit einem Löffel,
+es habe gallertartige Konsistenz. Einige meinten, es
+schmecke nach Nuß. Er demgegenüber habe immer gefunden,
+es schmecke nach Ei. Man äße es mit Pfeffer
+und Salz. Es handelte sich um eine schmackhafte Frucht.
+Er habe davon das Tages 3&mdash;4 gegessen und einen
+ernstlichen Schaden nie bemerkt.
+
+</p><p>Hierin trat Herrn Körner das Außerordentliche entgegen.
+Mit Pfeffer und Salz eine Frucht? Das erschien
+ihm ungewöhnlich, und er nahm dazu Stellung.
+
+</p><p>Wenn es ihm doch aber nach Ei schmeckt, wies Herr
+Mau auf das Subjektive des Urteils hin, gleichzeitig
+etwas wegwerfend, als ob er seinerseits nichts Unüberbrückbares
+sähe. Außerdem so ungewöhnlich sei es
+doch nun nicht, führte Herr Offenberg zur Norm zurück,
+denn z. B. die Tomate? Wie nun vollends, wenn
+Herr Kritzler einen Oheim aufzuweisen hatte, der noch
+mit 70 Jahren Melone mit Senf gegessen hatte, und
+zwar in den Abendstunden, wo Derartiges bekanntlich
+am wenigsten bekömmlich sei?
+
+</p><p>Alles in allem: Lag denn in der Tat eine Erscheinung
+von so ungewöhnlicher Art vor, ein Vorkommnis
+sozusagen, das die Aufmerksamkeit weiterer Kreise auf
+sich zu lenken geeignet war, sei es, weil es in seinen
+Verallgemeinerungen bedenkliche Folgeerscheinungen
+hätte zeitigen können, sei es, weil es als Erlebnis aus
+der besonderen Atmosphäre des Tropischen zum Nachdenken
+anzuregen geeignet war?
+
+</p><p>Soweit war es gediehen, als Rönne zitterte, Erstickung
+auf seinem Teller fand und nur mit Mühe das
+Fleisch aß.
+
+</p><p>Ob er aber nicht doch vielleicht eine Banane gemeint
+habe, bestand Herr Körner, diese weiche, etwas mürbe
+und längliche Frucht?
+
+</p><p>Eine Banane, wuchs Herrn Friedhoff auf? Er, der
+Kongokenner?? Der langjährige Befahrer des Moabangi?
+Nein, das nötigte ihm geradezu ein Lächeln ab! Weit
+entschwand er über diesen Kreis. Was hatten sie denn
+für Vergleiche? Eine Erdbeere oder eine Nuß, vielleicht
+hie und da eine Marone, etwas südlicher. Er aber, der
+beamtete Vertreter in Hulemakong, der aus den Dschungeln
+des Jambo kam?
+
+</p><p>Jetzt oder nie, Aufstieg oder Vernichtung, fühlte
+Rönne, und: wirklich nie einen ernstlichen Schaden bemerkt?
+tastete er sich beherrschten Lautes in das Gewoge,
+Erstaunen malend und am Zweifel des Fachmanns:
+Vor dem Nichts stand er; ob Antwort käme?
+
+</p><p>Aber saß denn nicht schließlich auf dem Stuhl aus
+Holz er, schlicht umrauscht von dem Wissen um das
+Gefahrvolle der Tropenfrucht, wie in Sinnen und Vergleichen
+mit Angaben und Erzählungen ähnlicher Erlebnisse,
+der schweigsame Forscher, der durch Beruf und
+Anlage wortkarge Arzt? Dünn sah er durch die Lider,
+vom Fleisch auf, die Reihe entlang, langsam erglänzend.
+Hoffnung war es noch nicht, aber ein Wehen ohne Not.
+Und nun eine Festigung: mehreren Herren schien in
+der Tat die nochmalige Bestätigung dieser Tatsache zur
+Behebung von etwa aufgestiegenen Bedenken von Wert
+zu sein. Und nun war kein Zweifel mehr: einige nickten
+kauend.
+
+</p><p>Jubel brach aus, Triumphgesänge. Nun hallte Antwort
+mit Aufrechterhaltung gegenüber Zweiflern, und
+das galt ihm. Einreihung geschah, Bewertung trat ein;
+Fleisch aß er, ein wohlbekanntes Gericht; Äußerungen
+knüpften an ihn an, zu Ansammlungen trat er, unter
+ein Gewölbe von großem Glück; selbst Verabredung
+für den Nachmittag zuckte einen Augenblick lang ohne
+Erbeben durch sein Herz.
+
+</p><p>Aus Erz saßen die Männer. Voll kostete Rönne
+seinen Triumph. Er erlebte tief, wie aus jedem der Mitesser
+ihm der Titel eines Herrn zustieg, der nach der
+Mahlzeit einen kleinen Schnaps nicht verschmähte und
+ihn mit einem bescheidenen Witzwort zu sich nimmt,
+in dem Ermunterung für die andern, aber auch die
+entschiedene Abwehr jeglichen übermäßigen Alkoholgenusses
+eine gewisse Atmosphäre der Behaglichkeit
+verbreitete. Der Eindruck der Redlichkeit war er und
+des schlichten Eintretens für die eigene Überzeugung;
+aber auch einer anderweitigen Auffassung gegenüber
+würde er gern zugeben; da ist was Wahres dran. Geordnet
+fühlte er seine Züge; kühler Gelassenheit, ja
+Unerschütterlichkeit auf seinem Gesicht zum Siege verholfen,
+und das trug er bis an die Tür, die er hinter
+sich schloß.
+
+</p><p class="tb">&nbsp;
+
+</p><p class="noindent">Schattenhaft ging er durch den Gang, nun wieder
+im Gefühl des Schlafes, in den man sank ohne einen
+Wirbel über sich zu lassen, negativ verendet, nur als
+Schnittpunkt bejaht. Zwei Huren wuschen den Gang
+auf, von weitem schon ihn wahrnehmend, aber sich in
+die Arbeit versunken stellend, bis er da war. Nun erst
+trat in die Augen das jähe Erkennen, Keuschheit und
+Verheißung aus der Reife des Bluts.
+
+</p><p>Rönne aber dachte, ich kenne euch Tiere, über dreihundert
+Nackte jeden Morgen! aber wie stark ihr die
+Liebe spielt! Eine kannte ich, die war an einem Tag
+von Männern einem Viertelhundert der Rausch gewesen,
+die Schauer und der Sommer, um den sie blühten.
+Sie stellte die Form, und es geschah das Wirkliche. Ich
+will Formen suchen und mich hinterlassen; Wirklichkeiten
+eine Hügelkette, o von Dingen ein Gelände.
+
+</p><p>Er trat aus dem Haus. Helle Avenuen waren da,
+Licht voll Entrückung, Daphneen im Erblühn. Es war
+eine Vorstadt; Armes aus Kellern, Krüppel und Gräber,
+soviel Ungelacht. Rönne aber dachte, jeder Mensch
+dem ich begegne, ist noch ein Sturm zu seinem Glück.
+Nirgends meine schwere, drängende Zerrüttung.
+
+</p><p>Er ging langsam, er schürfte sich vor. Es war eine
+ungewohnte Straßenstunde, ihm seit Monaten nicht mehr
+bekannt. Er blätterte das Entgegenkommende behutsam
+auseinander mit seinen tastenden, an der Spitze
+leicht ermüdbaren Augen.
+
+</p><p>Aufzunehmen gilt es, rief er sich zu, einzuordnen
+oder prüfend zu übergehn. Aus dem Einstrom der
+Dinge, dem Rauschen der Klänge, dem Fluten des Lichts
+die stille Ebene herzustellen, die er bedeutete.
+
+</p><p>Es war eine fremde Gegend, durch die er ging, aber
+es mochte immerhin ein Bekannter kommen und fragen,
+woher und wohin. Und obschon er einen Patienten
+jederzeit hierfür zur Hand gehabt hätte, so war es doch
+nicht der Fall, und ihm graute vor dem Erlebnis, vor dem
+er stehen würde: daß er aus dem Nichts in das Fragwürdige
+schritt, im Antrieb eines Schatten, keiner Verknotung
+mächtig, und dennoch auf Erhaltung rechnend.
+
+</p><p>Scheu sah er sich um; höhnisch standen Haus und Baum;
+unterwürfig eilte er vorbei. Haus, sagte er zum nächsten
+Gebäude; Haus zum übernächsten; Baum zu allen
+Linden seines Wegs. Nur um Vermittelung handele es
+sich, in Unberührtheit blieben die Einzeldinge; wer wäre
+er gewesen, an sich zu nehmen oder zu übersehen oder,
+sich auflehnend, zu erschaffen? Ein bißchen durch die
+Sonne gehen, mehr wollte er ja nicht; es warm haben,
+und der Himmel hatte ein Blau: nie endend, mütterlich
+und sanft vergehend.
+
+</p><p>Weit war er noch nicht von seinem Krankenhaus
+entfernt, da übermannte ihn schon die Not. Wohin
+trug er sich denn, etwa in das All? War er der Träumer
+denn, weich streifend den Hang, oder der Hirt auf
+den Hügeln? Trat an die Maikastanie vielleicht er, den
+Ast beklopfend mit dem Hornmesser, bis in Saft vom
+Zweige die Rinde glitt und wurde die gehöhlte Flöte?
+Gesänge, hatte er sie? War er vielleicht der Freie, der
+in Segeln schritt, und überall die Erde, löschend mit
+seinem Blick? O, er war wohl schon zuweit gegangen!
+Schon schwankte vor der Straße Feld unter gelben
+Stürmen gefleckter Himmel, und ein Wagen hielt am
+Saum der Stadt. Zurück! hieß es; denn heran wogte
+das Ungeformte, und das Uferlose lag lauernd.
+
+</p><p>Nun nahm ihn wieder die Straße auf, schnurgerade
+und unter einem flachen Licht. Von Tür zu Tür lief
+sie, und sachlich um den Fuß der Botenfrau; aus den
+Kellern über sie wehte die Küche Nahrung und Notdurft;
+vor dem Spiegel der Herr kämmte achtbar seinen
+Bart; klang der Fuß auf Metall, sorgte für Entwässerung
+das Gemeinwohl; lag ein Gitterchen an der
+Mauer, kam im Winter nicht der Frost, und in ihr
+Recht traten Förder und Schacht?
+
+</p><p>Wie einsam steht es um die Straße, dachte Rönne,
+sie ist eindeutig fixiert und wird entwicklungsgeschichtlich
+kaum durchdacht; aber schön und sicher ist es, hier
+zu wandeln, so dicht am Leib mündet sie, und eigentlich
+ist es kein Gehen mehr, sondern ein Träumen auf
+dem Rücken des Zwecks.
+
+</p><p>Dann prangten zwischen Pelz und Locken Damen in
+den Abend ihr Geschlecht. Blühen, Züngeln, Fliedern
+der Scham aus Samt und Bänder über Hüften. Rönne
+labte sich an dem Geordneten einer Samtmantille, an
+der restlos gelungenen Unterordnung des Stofflichen
+unter den Begriff der Verhüllung; ein Triumph trat ihm
+entgegen zielstrebigen, kausal geleiteten Handelns. Aber
+&mdash; und plötzlich sah er die Frau nackt &mdash; diese nicht;
+es müßte die Ernüchterte sein, die sich noch einmal
+krümmen ließe.
+
+</p><p>Da trat ein Herr auf ihn zu, und ha ha, und schön
+Wetter ging es hin und her, Vergangenheit und Zukunft
+eine Weile im kategorialen Raum. Als er fort
+war, taumelte Rönne. Sie alle lebten mit Schwerpunkten
+auf Meridianen zwischen Refraktor und Barometer,
+er nur sandte Blicke über die Dinge, gelähmt von
+Sehnsüchten nach einem Azimuth, nach einer klaren
+logischen Säuberung schrie er, nach einem Wort, das
+ihn erfaßte. Wann würde er der erzene Mann, um
+den tags die Dinge brandeten und des Nachts der
+Schlaf, der gelassen vor einem Bahnhof stände, wieviel
+Erde es auch gäbe, der Verwurzelte, der Unerschütterliche!
+
+</p><p>Reisen hatte er gewollt, aber nun schienen Gleise
+über die Straße, und schon sank sein Blick. Oh, daß
+es eine Erde gab, wirklich grün, stark irden, silbern
+verfernt, über die die Augen strichen wie ein Flügel,
+und Städte, flache weiße, an Küsten, und Kutter, braune,
+die man hinnahm, liebte und vergaß.
+
+</p><p>Oder ein Leben um das Radwerk einer Uhr. Um
+Hyazinthenknollen die Hand. Die Schulter, die das
+Fischnetz zog, silbern und ihr Abwurf auf den Strand.
+
+</p><p>Da, durch die helle dünne Luft, in die die Knospen
+ragten, und unter dem ersten Stern, kam eine Frau
+vorbei und roch blau und langte Rönne nach dem Schädel
+und legte ihn tief in den Nacken, bettend, und über
+der Stirn stand die frühe Nacht.
+
+</p><p>Rönne schluchzte auf: wer knirschte so tief wie ich
+unter dem Stoff, wer ist so geknechtet von den Dingen
+nach Zusammenhang als ich, aber eben dies schweifende
+Gewässer, tief, dunkel und veilchenfarben, aus dem
+Aufklaff einer Achsel &mdash; mich stäubt Zermalmung an.
+
+</p><p>Zwischen die Straßen rinnt Nacht, über die weißen
+Steine blaut es, es verdichtet sich die Entrückung; die
+Sträucher schmelzen, welches Vergehn! &mdash;
+
+</p><p>Nun fiel ein Regen und löste die Form. Wohnungen
+traten unter laues Wasser, in Frühlingsgewölke stand
+alle Stadt. Über ihr aber schwebte er, entrückt, einsam,
+mit einer Krone irgendwoher. Jäh wurde er
+der Herr mit Koffer, der auf die Reise ging durch
+Aue und Rand. Schon wogten Hügel heran, weich
+bewäldert; nun brüderlich die Äcker, die Versöhnung
+kam.
+
+</p><p>Er sah die Straße entlang und fand wohin.
+
+</p><p>Einrauschte er in die Dämmerung eines Kinos, in das
+Unbewußte des Parterres. In weiten Kelchen flacher
+Blumen bis an die verhüllten Ampeln stand rötliches
+Licht. Aus Geigen ging es, nah und warm gespielt,
+auf der Ründung seines Hirns, entlockend einen wirklich
+süßen Ton. Schulter neigte sich an Schulter, eine
+Hingebung; Geflüster, ein Zusammenschluß; Betastungen,
+das Glück. Ein Herr kam auf ihn zu, mit Frau
+und Kind, Bekanntschaft zuwerfend, breiten Mund und
+frohes Lachen. Rönne aber erkannte ihn nicht mehr.
+
+</p><p>Er war eingetreten in den Film, in die scheidende
+Geste, in die mythische Wucht.
+
+</p><p>Groß vor dem Meer wölkte er um sich den Mantel,
+in hellen Briesen stand in Falten der Rock; durch die
+Luft schlug er wie auf ein Tier, und wie kühlte der
+Trunk den Letzten des Stamms.
+
+</p><p>Wie er stampfte, wie rüstig blähte er das Knie. Die
+Asche streifte er ab, lässig, benommen von den großen
+Dingen, die seiner harrten aus dem Brief, den der alte
+Diener brachte, auf dessen Knien der Ahn geschaukelt.
+
+</p><p>Zu der Frau am Bronnen trat edel der Greis. Wie
+stutzte die Amme, am Busen das Tuch. Wie holde
+Gespielin! Wie Reh zwischen Farren! Wie ritterlich
+Weidwerk! Wie Silberbart!
+
+</p><p>Rönne atmete kaum, behutsam, es nicht zu zerbrechen.
+Denn es war vollbracht, es hatte sich vollzogen.
+
+</p><p>Über den Trümmern einer kranken Zeit hatte sich
+zusammengefunden die Bewegung und der Geist, ohne
+Zwischentritt. Klar aus den Reizen segelte der Arm;
+vom Licht zur Hüfte, ein heller Schwung, von Ast zu
+Ast.
+
+</p><p>In sich rauschte der Strom. Oder wenn es kein Strom
+war, ein Wurf von Formen, ein Spiel in Fiebern, sinnlos
+und das Ende um allen Saum.
+
+</p><p>Rönne, ein Gebilde, ein heller Zusammentritt, zerfallend,
+von blauen Buchten benagt, über den Lidern
+kichernd das Licht.
+
+</p><p>Er trat auf die Avenue. Er endete in einem Park.
+
+</p><p>Dunkel drohte es auf, bewölkt und schauernd, wieder
+aus dem Gefühl des Schlafs, in den man sank, ohne
+einen Wirbel über sich zu lassen, negativ verendet, nur
+als Schnittpunkt bejaht; aber noch ging er durch den
+Frühling, und erschuf sich an den hellen Anemonen des
+Rasens entlang und lehnte an eine Herme, verstorben
+weiß, ewig marmorn, hierher zerfallen aus den Brüchen,
+vor denen nie verging das südliche Meer.
+
+</p>
+<h2 class="chapter" id="chapter-4">Die Insel</h2><p>
+
+</p><p class="first"><span class="firstchar">D</span>aß dies das Leben sei, war eine Annahme, zu
+der Rönne, einen Arzt, das von leitender Stelle
+aus Geregelte seiner Tage, das staatliche Genehmigte,
+ja Vorgeschriebene seiner Bestimmung wohl berechtigte.
+
+</p><p>Tat es etwas, daß die Insel klein war, übersehbar
+von einem Hügel, ein Streifen Stein zwischen Möwen
+und Meer &mdash; es gab das Gefängnis da mit den Sträflingen,
+daran Arzt zu sein er ausersehen, und dann gab
+es Strand, eine große Strauchwiese voll Gezwitscher, ein
+Vogelhort, und weiter unten ein elendes Dorf mit
+Fischern, das allerdings galt es noch näher zu beleuchten.
+
+</p><p>Ein Rachen war bepinselt, einer Meineidigen das Knie
+massiert, da erhob sich Rönne und verließ das ummäuerte
+Gehöft. Davor lag weißer Strand; darauf blühte
+Hafer und Distel; denn der Sommer war über das Meer
+gekommen wie ein Gewitter: der Himmel donnerte von
+Bläue und es goß Wärme und Licht.
+
+</p><p>Unter Gedanken, wie die freie Zeit, die ihm nach
+Erledigung seiner Dienstpflichten zur Verfügung stand,
+zweckmäßig zu verwenden sei, welches ihr Sinn sei in
+Hinsicht des Staates und der Person, schritt er aus.
+Er atmete tief die reine Seeluft ein, die schmächtige
+Brust ihr entgegen spülend, dem Gesundheitlichen, das
+die bekanntermaßen dem Wanderer bot, willig hingegeben.
+Eins fühlte er sich mit dem Geiste, der ihn hier herberufen
+und gestellt, der sich ohne Zaudern zur Sicherstellung
+der vorwärtszielenden bürgerlichen Verrichtung
+entschloß; der dem Schutze galt, die die Öffentlichkeit
+dem strebenden Bemühen schuldete, mit einem Wort:
+der die Ausmerzung des Schädlings anstrebte, ohne jedoch
+selbst hier außer acht zu lassen das allgemein
+Menschliche noch des Gefallenen und in einer Art stummer
+Anerkenntnis des großen allumschließenden Bandes des
+Seelischen schlechthin nicht die Vernichtung wollte, sondern
+den Arzt beigab.
+
+</p><p>Und nun, die karge Schindel der ersten Hütte, war
+sie nicht Hut gegen Sturm und Regen, der Unbill Abwehr,
+Traute und Behaglichkeit bedachend? Das Netz,
+das vom Fang kommend der Gatte ausbreitete, sorgsam
+über Pfahl und Stein, war es nicht umwittert vom
+Geruch der Diele, wo es sich vollzog, das Natürliche,
+das Urgesunde? Und nun wehte gar ein Windstoß an
+eine Ölkappe, und ein Arm griff an die Krempe &mdash;:
+jawohl, auf Reize antwortete hier Organisches; betrieben
+wurden seine Symptome: der Stoffwechsel und die Vermehrung;
+der Reflexbogen herrschte, hier war gut ruhn.
+
+</p><p>Vor einer Kneipe saßen Männer. Ihr Sinn? Sie saßen!
+Sie gingen nicht, sie schonten Kraft. Sie tranken aus
+Krügen! Reine Lust? Niemals! Nährwert war nicht
+zu leugnen. Und wenn? Erholung von Mann zu Mann?!
+Erfahrungsaustausch?! Bestätigungen!!!?
+
+</p><p>Und der Düstere abseits? Der Grübeler, der sich
+ernster nahm? Flammte nicht auch auf seiner Stirn noch
+durch das Dämonische, selbst gegen Götter gerichtet, der
+geschlossenere Akt, der stärkere Aufbau, das Lichtbringerische
+in eventuellen Abgrund?
+
+</p><p>Kurz und gut: lauter Wahrnehmungen, die wohl befriedigen
+durften. Nirgends eine Störung, überall Sonne
+und heller Ablauf.
+
+</p><p>Rönne setzte sich. Ich habe etwas freie Zeit, sagte er
+sich, jetzt will ich etwas denken. Also, eine Insel und
+etwas südliches Meer. Es sind nicht da, aber es könnten
+da sein: Zimtwälder. Jetzt ist Juni, und es begönne
+die Entborkung, und ein Zweiglein bräche dabei wohl
+ab. Ein überaus lieblicher Geruch würde sich verbreiten,
+auch beim Abreißen eines Blattes ein aromatisches Geschehen.
+
+</p><p>Denn alles in allem: vier bis sechs Fuß hohe Stauden,
+weiche grüne lorbeerähnliche Blätter, indeß der
+Blütenstempel gelb getönt ist. Ist der Schößling daumenstark,
+tritt die Einsammlung heran und es erfordert viele
+Hände, Bündel, krumme Messer, Rinde und Bast; mit
+diesen Worten ist manches schon erwiesen, aber erst in
+der Hütte wird das Häutchen abgeschält.
+
+</p><p>Ja, das war eine Insel, die in einem Meer vor Indien
+lag. Es nahte sich ein Schiff, plötzlich trat es in den
+Wind, der das Land umfaßt hatte und nun stand es
+im Atem des bräunlichen Walds. Der Zimtwald, dachte
+der Reisende, und der Zimtwald, dachte Rönne. Schneeweiß
+war der Boden, und die Staude saftig. Und durch
+die Insel schritt er, zwischen Roggen und Wein, abgeschlossen
+und still umgrenzt. Sein Urteil ist Begehren,
+der Satzbau Stellung nehmend. Er grübelt, doch über
+die Polle einer Pflanze, denn er ist gewillt, sie einzusäen.
+Ferne ist die Zeit der Trauer, da er in der Bahn
+hierher fuhr mit den Damen: das ist sehr hübsch hier,
+sagte die Mutter zu den Töchtern, seht doch mal! und
+nun verarbeiteten sie aus den Kupeefenstern heraus die
+Hügelkette, matt im blauen Dunst, davor das Tal und
+eine Stadt, die hinter Wäldern und Klee versank; denn
+wenn die Mutter es nicht gesagt hätte, mußte Rönne
+immer denken, wäre der Aufstieg nicht erfolgt.
+
+</p><p>Hier aber herrschten keine solchen vagen Ausrufe. Hier
+wurde hingenommen, was ins Auge traf. Sachliche Verarbeitung
+trat ein in bezug auf ein Netz, im Hinblick
+auf eine Reuse. Und auch wenn er wie eben etwas
+dachte, lag Andersartiges vor, keine Bereicherung, mehr
+ein Traum.
+
+</p><p>Hell saß er am Strand. Er fühlte sich leicht und durchsichtig
+und schien sich nicht mehr unsauberer zu sein als
+ein bewegter Stein, als ein abgerundeter Block, gehalten
+von einer leichten Organisation.
+
+</p><p>Und wenn er auf die Insel aus dem Gefühl einer
+Aufgabe heraus gekommen war, an Gegenständen, die er
+möglichst isoliert unter wenig veränderlichen Bedingungen
+beobachten konnte, den Begriff nachzuprüfen, so spürte
+er jetzt schon etwas wie Erfüllung: Die Begriffe, schien
+ihm, sanken herab. Wie hatte zum Beispiel Meer auf
+ihm gelegen, ein sprachlicher Bestand, abgeschnürt von
+allen hellen Wässern, beweglich, aber doch höchstens als
+Systemwiesel, das Ergebnis eines Denkprozesses, ein
+allgemeinster Ausdruck. Jetzt aber, schien es ihm, wanderte
+er dahin zurück, wo es unabsehbare Wässer gab
+im Süden und im Norden brackige Flut, und Wellen
+eine Lippe unerwartet salzten. Leise schwand der Drang,
+es schärfer aufzurichten, es unantastbarer zu umreißen
+gegenüber Dünen und einem See. Leise fühlte er ihn
+vergessen, ihn zurückerstatten an seine Wesenheit, an
+die Möwe und den Tang, den Sturmgeruch und alles
+Ruhelose. &mdash; &mdash; &mdash; &mdash; &mdash;
+
+</p><p class="tb">&nbsp;
+
+</p><p class="noindent">Rönne lebte einsam seiner Entwicklung hingegeben
+und arbeitete viel. Seine Studien galten der Schaffung
+der neuen Syntax. Die Weltanschauung, die die Arbeit
+des vergangenen Jahrhunderts erschaffen hatte, sie galt
+es zu vollenden. Den Du-Charakter des Grammatischen
+auszuschalten, schien ihm ehrlicherweise notwendig, denn
+die Anrede war mythisch geworden.
+
+</p><p>Er fühlte sich seiner Entwicklung verpflichtet und die
+ging auf Jahrtausende zurück.
+
+</p><p>Die Umgestaltung der Bewegung zu einer Handlung
+unter Vorwegnahme des Zieles lag im Unentschleierbaren,
+wo der Mensch begann. Das war gegeben. Auch
+daß er hin und her die Augen aufschlug: in helle Himmel,
+über Wüsten, am Nil, und an den Myrtenlagunen die
+Geigenvölker &mdash; &mdash; aber hier im Norden drängte es zur
+Entscheidung: zwischen Hunger und Liebe war der dritte
+Trieb getreten. Aus dem schlechten Atem der Asketen,
+aus ermatteten Geschlechtlichkeiten unter den verdickten
+Lüften der Nebelländer wuchs sie hervor, die Erkenntnis,
+Hekatomben röchelnd nach der Einheit des Denkens,
+und die Stunde der Erfüllung schien gekommen.
+
+</p><p>Hatte Kartesius noch die Zirbeldrüse für den Sitz
+der Seele angenommen, da ihr Äußeres dem Finger
+Gottes: gelblich, langgestreckt, milde und doch drohend,
+gleichen mochte, so hatten die Hirnphysiologen festgestellt,
+wann beim Einstich in die Hirnmasse Zucker im
+Harn, wann Indigo auftrat, ja wann korrelativ der Speichel
+floß. Die Psychologie hatte den Begleitcharakter des
+Gefühls zu den Empfindungen erkannt, den ihnen zustehenden
+generellen Wert der Abwehr des Schädlichen
+in genauen Kurven festgelegt, die Ablesbarkeit der individuellen
+Differenzen war vollendet. Die Erkenntnistheorie
+schloß ab, mit der Erneuerung Berkeleyischer
+Ideen einem Panpsychismus zum Durchbruch zu verhelfen,
+der dem Wirklichen den Rang kondensierter
+Begriffe in der Bedeutung geschlechtlich besonders betonter
+Umwelt zum Zwecke bequemer Arterhaltung
+zuwies.
+
+</p><p>Dies alles gilt als ausgemacht, sagte sich Rönne. Dies
+wird seit Jahrfünften gelehrt und hingenommen. Wo aber
+blieb die Auseinandersetzung innerhalb seiner selbst,
+wo fand die statt? Ihr Ausdruck, das Sprachliche, wo
+vollzog sich das?
+
+</p><p>Unter Grübeln trat er vor ein Feld mit einem Mann,
+den er aus der Anstalt mitgenommen hatte:
+
+</p><p>&bdquo;Mohn, pralle Form des Sommers&ldquo;, rief er, &bdquo;Nabelhafter:
+Gruppierend Bauchiges, Dynamit des Dualismus:
+Hier steht der Farbenblinde, die Röte-Nacht. Ha, wie
+Du hinklirrst! Ins Feld gestürzt, Du Ausgezackter,
+Reiz-Felsen, ins Kraut geschwemmt, &mdash; und alle süßen
+Mittage, da mein Auge auf Dir schlief letzte stille Schlafe,
+treue Stunden &mdash; &mdash; An Deiner Narbe Blauschatten, an
+Deine Flatterglut gelehnt, gewärmt, getröstet, hingesunken
+an Deine Feuer: angeblüht!: nun dieser Mann &mdash;:
+auch Du! Auch Du! &mdash; &mdash; An meinen Randen spielend,
+in Sommersweite, all mein Gegenglück &mdash; und nun: wo
+bin ich nicht?&ldquo;
+
+</p><p>Wo bin ich nicht, dachte er, und wandte sich in der
+Richtung nach der Anstalt, und wo tritt das Ereignis
+nicht in das Gegebene? Da unten sind Zimmer. An
+Tischen sitzen Männer, Direktoren und Beamte, zwischen
+Denkanstößen geht der Zahnstocher hin und her.
+
+</p><p>Aus Ereignissen des täglichen Daseins und Rennberichten
+spielt der psychische Komplex sich ab. Es tritt
+auf das Befremdende, das Abweichende, ja bis zum
+Widersprechenden stellt es sich ein. Wachgerufen wird
+in den Bewußtseinsabläufen das Bestreben, das Ungeklärte
+zu entwirren, das Zweifelhafte sicherzustellen,
+der Überbrückung des Zwiespalts gilt das Wort. Es
+tritt die Erfahrung hervor, Beweis und Abwehr gibt sie
+an die Hand; und die Beobachtung, hier und da gemacht,
+wenn auch nicht eindeutig, soll sie völlig wertlos
+sein? Schon weicht das Dunkle. Schon glättet sich das
+Krause, und daß kein Widerspruch mehr besteht, nun
+blaut es herab.
+
+</p><p>Immer blaut bald etwas herab, zum Beispiel der Kalbsbraten,
+den doch jeder kennt. Jäh tritt er an einem Stammtisch
+auf, und es ranken sich um ihn die Individualitäten.
+Geographische Besonderheiten, Eigentümlichkeiten des
+Geschmacklichen werden hervortreten, der Drang zur
+Nuance um ihn sein. Es wird branden der Streit und
+das Erschlaffen, der Angriff und die Versöhnung um
+den Kalbsbraten, den Entfesseler des Psychischen.
+
+</p><p>Und das Morgendliche, wem begegnet es? Einer Frau,
+die sich außergewöhnlich in der Frühe erhebt; alle Kühle
+und sein Tau rinnen in das Wesen, das schreitet. Weiterleitung
+tritt ein, ein Ausruf wird erfolgen, Bestände von
+Erzählungen über frühe Gänge werden gebildet: &mdash;
+Überall stehen die Verarbeitungsbehälter und was und
+wird, ist längst geschehen.
+
+</p><p>Wann gab es Umströmte? Ich muß alles denken, ich
+muß alles zusammenfassen, nichts entgeht der logischen
+Verknüpfung. Anfang und Ende, aber ich geschehe. Ich
+lebe auf dieser Insel und denke Zimtwälder. In mir
+durchwächst sich Wirkliches und Traum. Was blüht
+der Mohn, wenn er sich entrötet; der Knabe spricht,
+aber der psychische Komplex ist vorhanden, auch ohne
+ihn. &mdash;
+
+</p><p>Die Konkurrenz zwischen den Associationen, das ist
+das letzte Ich &mdash; dachte er und schritt zurück zur Anstalt,
+die auf einem Hügel am Meere lag. Hängt aus meiner
+Tasche eine Zeitung, ein buchhändlerisches Phänomen,
+bietet es Anknüpfungen zu Bewegungsvorgängen an
+Mitmenschen, sozusagen zu einem Geschehnis zwischen
+Individualitäten. Sagt der Kollege, Sie gestatten das
+Journal, liegt ein Reiz vor, der wirkt, ein Wille, der
+sich auf etwas richtet, motorische Konkurrenzen, aber
+jedenfalls immer das Schema der Seele, die Vitalreihe
+ist es, die die Fallen stellt.
+
+</p><p>Wir sind am Ende; fühlte er, wir überwanden unser
+letztes Organ. Ich werde den Korridor entlang gehen,
+und mein Schritt wird hallen. Denn muß im Korridor
+der Schritt nicht hallen? Jawohl, das ist das Leben, und
+im Vorbeigehen ein Scherzwort an die Beamtin? Jawohl,
+auch dies! &mdash;
+
+</p><p class="tb">&nbsp;
+
+</p><p class="noindent">Da landete das Schiff, das alle Wochen an die Insel
+kam, und mit den Gästen stieg eine Frau ans Land, die
+eine Weile hier wohnen wollte.
+
+</p><p>Rönne lernte sie kennen, warum sollte er sie nicht
+kennen lernen: einen Haufen sekundärer Geschlechtsmerkmale,
+anthropoid gruppiert.
+
+</p><p>Aber bald fragte er sich beunruhigt, ich suche ihren
+Umgang, doch das Denkerische ist es nicht, was aber ist
+es? Sie ist mittelgroß, blond, mit Wasserstoff gebleicht
+und grau an den Schläfen. Ihre Augen liegen in der
+Ferne, unverrückbar grau von Nebel die Pupille &mdash; aber
+ich spüre es wie Flucht, ich muß sie beformeln:
+
+</p><p>Ihr Wesen: sie liebt weiße Blumen, Katzen und
+Kristalle und sie kann des Nachts allein nicht schlafen,
+denn sie liebt es so, ein Herz zu hören, wo aber soll
+das Prinzip ansetzen und die Zusammenfassung erfolgen?
+Nie begehrt sie eine Zärtlichkeit, aber wenn
+man sich ihr nähert, tritt man unter das Dach der Liebe,
+und plötzlich steht sie über mir in einer Stellung; die
+ihr Schmerzen machen muß, unbeweglich und lange &mdash; &mdash;
+welch erschütternde Verwirrung!
+
+</p><p>Witternd Gefahr, hörend aus der Ferne einen Strom,
+der herangurgelte, ihn aufzulösen, schlug er um sich die
+soziologischen Bestände.
+
+</p><p>Wie, auf der Nachbarinsel war die Hirse stockig?
+War es gut gehandelt an dem kleinen Mann? Wo
+blieb Redlichkeit und Bruderkuß? Wenn die verging,
+was blieb? &mdash; Oder: wirklich hingegeben an die übliche
+Menge gemahlenen Tees, in einer Flasche geschüttelt,
+gefüllt, gekorkt und nochmals geschüttelt, und die übermittelt
+dem Bekannten, dem Nachbar oder dem Wißbegierigen
+redlichen Sinnes und helfender Gesinnung, was
+blieb dann noch der Verführung zugänglich; er,
+der schlichte Schamträger in seiner staatlichen Verquickung,
+&mdash; nun durfte wohl Friede sein, endlich, ja?
+
+</p><p>Aber schon wieder war die Lockung da, die Frau,
+das Strömende, und befreit atmete er der Wärterin
+entgegen, die kam: ein krankes Knie! Wie verdichtet
+es sich zur Wirklichkeit. Welch starke Formel! Amtlich
+verpflichtet zur Anerkennung meinerseits! Kniekrankheiten,
+Schwellungen, Entzündungsvorgänge. &mdash; Fester
+Boden &mdash; Männlichkeiten!
+
+</p><p>Dann wieder: Jede Erscheinung hat ihr oberstes
+Prinzip, und er schritt getröstet an den Strand; es gilt
+nur festzulegen, welches das ihre ist; das System ist
+allgütig, es enthält auch sie. Es enthält auch sie, die
+keine Treue und keinen Wortbruch kennt, die zur Stunde
+nicht kommen kann, weil die Fischerin eine Angel trug,
+und die Salpen glänzten &mdash; Erfahrung sammeln, Deduktionen,
+sein stiller Himmel auch über ihr! Aber
+dann: Ihre Hüfte, wenn sie neben ihm ging, rauschte
+wie das Sinnlose und ihre Schulter war behaart vom
+Chaos.
+
+</p><p>Tiefer warf er sich über seine Bücher, hämmernd
+seine Welt. Aber wie? In den angesehendsten naturwissenschaftlichen
+Journalen konnten neuerdings Raum
+finden, ja anerkennend besprochen werden Arbeiten
+dieses eigentümlichen Inhalts?
+
+</p><p>Das Werk eines unbekannten jüdischen Arztes aus
+Danzig, der wörtlich über die Gefühle aussagte, daß
+sie tiefer reichten als die geistige Funktion? Daß das
+Gefühl das große Geheimnis unseres Lebens sei und
+die Frage seiner Entstehung unbeantwortbar?? Um es
+vollends zu Ende zu denken: das Gefühl gehöre nicht
+mehr zu den Empfindungen??
+
+</p><p>Wußte er denn, was es bedeutete, wenn die Gefühle
+nicht mehr vom Reiz abhingen, wie er, Rönne,
+gelernt; wenn er sie den dunklen Strom nannte, der
+aus dem Leibe brach? Das Unberechenbare?
+
+</p><p>Wußte der Verfasser wohl, vor welche Fragen die
+Konsequenzen seiner neuen Lehre führten, wußte dieser
+völlig unbekannte Mann wohl die ganze Schwere seiner
+Behauptung, die er ohne jede Ankündigung, ohne Sichtbarmachung
+auf dem Titelblatt einfach in einem Buch
+mit farblosem grauen Deckel in die Welt schickte, wußte
+er vielleicht, daß er die Frage beantwortete, ob es Neues
+gäbe?
+
+</p><p>Rönne atmete tief. War dies etwa schon eine neue
+Wissenschaft, die nach ihm kam? Jede Befruchtung enthielte
+den Keim eines unerhört Neuen, der Zusammentritt
+von Einheiten war in der Generationsfolge fortgesetzt
+in der Gestalt der Zweigeschlechtlichkeit, und
+in ihr galt es, die gewaltige schöpferische Macht anzuerkennen,
+die das Leben zur Höhe erhoben hatte?
+
+</p><p>Rönne bebte. Er sah nochmals auf das Journal, das
+die Besprechung gebracht hatte, auf den Namen des
+Referenten, der die Kritik gezeichnet hatte: er war sein
+Lehrer gewesen.
+
+</p><p>Schöpferischer Mensch! Neuformung des Entwickelungsgedankens
+aus dem Mathematischen ins Intuitive &mdash;:
+was aber wurde aus ihm, dem Arzt, gebannt in das
+Quantitative, dem beruflichen Bejaher der Erfahrung?
+
+</p><p>Trat er vor einen Rachen, und die Schwellung war
+bedrohlich &mdash; war sie intuitiv coupierbar? mußte er sich
+nicht zusammenraffen zu analytischen Phänomenen, Empirien,
+zielstrebigen Gesten, dem ganzen Grauen bejahter
+Wirklichkeiten, zu einer Hypothese von Realität,
+die er erkenntnistheoretisch nicht mehr halten konnte,
+um des Kindes willen, das schon blau war, des Rachens
+halber, der erstickte, und der Geld abwarf und von
+Amts wegen?
+
+</p><p>Plötzlich fühlte er sich tief ermüdet und ein Gift in
+seinen Gliedern. Er trat an ein Fenster, das in den
+Garten ging. In dem stand schattenlos die Blüte weiß,
+und voll Spiel die Hecke; an allen Gräsern hing etwas,
+das zitterte; in den Abend lösten sich Düfte aus Sträuchern,
+die leuchteten, grenzenlos und für immer.
+
+</p><p>Einen Augenblick streifte es ihn am Haupt: eine
+Lockerung, ein leises Klirren der Zersprengung, und in
+sein Auge fuhr ein Bild: klares Land, schwingend in Bläue
+und Glut und zerklüftet von den Rosen, in der Ferne
+eine Säule, umwuchert am Fuß; darin er und die Frau,
+tierisch und verloren, still vergießend Säfte und Hauch.
+
+</p><p>Aber schon war es vergangen. Er fuhr sich über die
+Augen. Schon sprang der Reifen wieder um seine Stirn
+und eine Kühle an die Schläfen: was lag denn hier vor?
+Er hatte mit einer Frau zusammengelebt und hatte einmal
+gesehen, daß sie Rosenblätter, die welkten, von
+einer Kante zusammengelesen hatte, zusammen zu einem
+kleinem Haufen auf einen gesteinten bunten Tisch, dann
+setzte sie sich wieder, verloren an einen hellen Strauch.
+Das war alles, was er wirklich von ihr wußte; der Rest
+war, daß er sich genommen war, es rauschte und er
+blutete &mdash; &mdash; &mdash; aber wo führte das hin?
+
+</p><p>Hart wurde sein Blick. Gestählt drang er in den
+Garten, ordnend die Büsche, messend den Pfad. Und
+nun kam es über ihn: er stand am Ausgang eines Jahrtausends,
+aber die Frau war stets; er schuldete seine
+Entwicklung einer Epoche, die das System erschaffen
+hatte, und was auch kommen mochte, dies war er!
+
+</p><p>Fordernd jagte er seinen Blick in den Abend und siehe,
+es blaute das Hyazinthenwesen unten Duftkurven reiner
+Formeln, einheitliche Geschlossenheiten, in den Gartenraum;
+und eine versickernde Streichholzvettel rann teigig
+über die Stufen eines Anstaltgebäudes unter Glutwerk
+berechenbarer Lichtstrahlen einer untergehenden Sonne
+senkrecht in die Erde. &mdash;
+
+</p>
+<h2 class="chapter" id="chapter-5">Der Geburtstag</h2><p>
+
+</p><p class="first"><span class="firstchar">A</span>llmählich war ein Arzt über neunundzwanzig
+Jahre geworden und sein Gesamteindruck war
+nicht darnach, Empfindungen besonderer Art
+zu erwecken.
+
+</p><p>Aber so alt er war, er fragte sich dies und das. Ein
+Drängen nach dem Sinn des Daseins warf sich ihm
+wiederholt entgegen: wer erfüllte ihn: der Herr, der
+rüstig schritt, den Schirm im Arm; die Hökerin, die vor
+dem Flieder saß, der Markt war aus, im Abendwehn;
+der Gärtner, der alle Namen wußte: Kirschlorbeer und
+Kakteen, und dem die rote Beere im toten Busch vorjährig
+war?
+
+</p><p>Aus der norddeutschen Ebene stammte er. In südlichen
+Ländern natürlich war der Sand leicht und lose;
+ein Wind konnte &mdash; das war nachgewiesen &mdash; Körner
+um die ganze Erde tragen; hier war das Staubkorn,
+groß und schwer.
+
+</p><p>Was hatte er erlebt: Liebe, Armut und Röntgenröhren;
+Kaninchenställe und kürzlich einen schwarzen
+Hund, der stand auf einem freien Platz, bemüht um
+ein großes rotes Organ zwischen den Hinterbeinen hin
+und her, beruhigend und gewinnend; herum standen
+Kinder, Blicke von Damen suchten das Tier, halbwüchsige
+Jugend wechselte die Stellung, den Vorgang
+im Profil zu sehen.
+
+</p><p>Wie hatte er das alles erlebt: er hatte Gerste eingefahren
+von den Feldern, auf Erntewagen, und das
+groß: Mandel, Kober und Kimme vom Pferd. Dann
+war der Leib eines Fräuleins voll Wasser und es galt
+Abfluß und Drainage. Aber über allem schwebte ein
+leises zweifelndes Als ob: als ob Ihr wirklich wäret
+Raum und Sterne.
+
+</p><p>Und nun? Ein grauer nichtssagender Tag würde es
+sein, wenn man ihn begrub. Die Frau war tot; das
+Kind weinte ein paar Tränen. Er hatte sich nie viel
+um es gekümmert, es war Lehrerin und mußte abends
+noch in Hefte sehen. Dann war es aus. Beeinflussung
+von Gehirnen durch und über ihn zu Ende. Es trat
+in ihr Recht die Erhaltung der Kraft.
+
+</p><p>Wie hieß er mit Vornamen? Werff.
+
+</p><p>Wie hieß er überhaupt? Werff Rönne.
+
+</p><p>Was war er? Arzt in einem Hurenhaus.
+
+</p><p>Was schlug die Uhr? Zwölf. Es war Mitternacht.
+Er wurde dreißig Jahre. In der Ferne rauschte ein
+Gewitter. In Maiwälder brach die Wolke auf.
+
+</p><p>Nun ist es Zeit, sagte er sich, daß ich beginne. In
+der Ferne rauscht ein Gewitter, aber ich geschehe. In
+Maiwälder bricht die Wolke auf, aber <i>meine</i> Nacht.
+Ich habe nördliches Blut, das will ich nie vergessen.
+Meine Väter fraßen alles, aus Trögen und Stall. Aber
+ich will mich, sprach er sich Mut zu, auch nur ergehen.
+Dann wollte er sich etwas Bildhaftes zurufen, aber es
+mißlang. Dies wieder fand er bedeutungsvoll und zukunftsträchtig:
+vielleicht sei schon die Metapher ein
+Fluchtversuch, eine Art Vision und ein Mangel an Treue.
+
+</p><p class="tb">&nbsp;
+
+</p><p class="noindent">Durch stille blaue Nebel, vom nahen Meer in das
+Land getrieben, schritt Rönne, als er am nächsten Morgen
+in sein Krankenhaus ging.
+
+</p><p>Das lag außerhalb der Stadt und aller Pflasterwege.
+Er mußte über Boden gehen, der war weich, der ließ
+Veilchen durch; gelöst und durchronnen schwankte er
+um den Fuß.
+
+</p><p>Da aus Gärten warf sich ihm der Krokus entgegen,
+die Kerze der Frühmett des Dichtermunds, und zwar
+gerade die gelbe Art, die Griechen und Römern der
+Inbegriff alles Lieblichen gewesen, was Wunder, daß
+sie ihn in das Reich der Himmlischen versetzten? In
+Teichen von Krokussäften badete der Gott. Ein Kranz
+von Blüten wehrte dem Rausch. Am Mittelmeer die
+Safranfelder: die dreiteilige Narbe; flache Pfannen; Roßhaarsiebe
+über Feuern, leicht und offen.
+
+</p><p>Er trieb sich an: arabisches Za-fara, griechisches Kroké.
+Es stellte sich ein Korvinius, König der Ungarn, der
+es verstanden hatte, beim Speisen Safranflecke zu vermeiden.
+Mühelos nahte sich der Färbestoff, das Gewürze,
+die Blütenmatte und das Alpental.
+
+</p><p>Noch hingegeben der Befriedigung, so ausgiebig zu
+assoziieren, stieß er auf ein Glasschild mit der Aufschrift:
+Cigarette Maita, beleuchtet von einem Sonnenstrahl.
+Und nun vollzog sich über Maita &mdash; Malta &mdash;
+Strände &mdash; leuchtend &mdash; Fähre &mdash; Hafen &mdash; Muschelfressen &mdash;
+Verkommenheiten &mdash; der helle klingende Ton einer leisen
+Zersplitterung, und Rönne schwankte in einem Glück.
+Dann aber betrat er das Hospital: ein unnachgiebiger
+Blick, ein unerschütterlicher Wille: die heute ihm entgegentretenden
+Reize und Empfindungen anzuknüpfen
+an den bisherigen Bestand, keine auszulassen, jede zu
+verbinden. Ein geheimer Aufbau schwebte ihm vor,
+etwas von Panzerung und Adlerflug, eine Art Napoleonischen
+Gelüstes, etwa die Eroberung einer Hecke,
+hinter der er ruhte, Werff Rönne, dreißigjährig, gefestigt,
+ein Arzt.
+
+</p><p class="tb">&nbsp;
+
+</p><p class="noindent">Ha, heute nicht einfach, Beine breit und herab vom
+Stuhl, mein Fräulein, die feine blaue Ader von der
+Hüfte in das Haar, die wollen wir uns merken! Ich
+kenne Schläfen mit diesen Adern, es sind schmale weiße
+Schläfen, müde Gebilde, aber diese will ich mir merken,
+geschlängelt, ein Ästchen Veilchenblut! Wie? Wenn
+nun das Gespräch auf Äderchen kommt &mdash; gepanzert
+stehe ich da, in Sonderheit auf Hautäderchen: An der
+Schläfe?? O meine Herren!! Ich sah sie auch an anderen
+Organen, fein geschlängelt, ein Ästchen Veilchenblut.
+Vielleicht eine Skizze gefällig? So verlief sie &mdash;,
+soll ich aufsteigen? Die Einmündung? Die große Hohlvene?
+Die Herzkammer? Die Entdeckung des Blutkreislaufes
+&mdash; &mdash; &mdash;? Nicht wahr, eine Fülle von Eindrücken
+steht Ihnen gegenüber? Sie tuscheln, wer ist
+der Herr? Gesammelt steht er da? Rönne ist mein
+Name, meine Herren. Ich sammle hin und wieder so
+kleine Beobachtungen; nicht uninteressant, aber natürlich
+gänzlich belanglos, kleiner Beitrag zum großen Aufbau
+des Wissens und Erkennens des Wirklichen, ha! ha!
+
+</p><p>Und Sie, meine Damen, wir kennen uns doch! Gestatten
+Sie, daß ich Sie erschaffe, umkleide mit Ihren
+Wesenheiten, mit Ihren Eindrücken in mir, unzerfallen
+ist das Leitorgan, es wird sich erweisen, wie es sich
+erinnert, schon steigen Sie auf.
+
+</p><p>Sie sprechen den Teil an, den Sie lieben. In sein
+Auge sehen Sie, geben Seele und Hauch. &mdash; Sie haben
+die Narben zwischen den Schenkeln, ein Araberbey;
+große Wunden müssen es gewesen sein, gerissen von
+der lasterhaften Lippe Afrikas. &mdash; Sie aber schlafen mit
+der weißen ägyptischen Ratte, Ihre Augen sind rosarot;
+Sie schlafen auf der Seite, an der Hüfte das Tier.
+Seine Augen sind gläsern und klein wie zwei rote
+Kaviarkörner. In der Nacht befällt sie der Hunger.
+Über die Schlafende steigt das Tier. Auf dem Nachttisch
+steht ein Teller mit Mandeln. Leise steigt es zurück
+an die Hüfte, schnuppernd und stutzend. Oft erwachen
+Sie, wenn sich der Schwanz über die Oberlippe schlängelt,
+kühl und hager.
+
+</p><p>Einen Augenblick prüfte er in sich hinein. Aber machtvoll
+stand er da. Erinnerungsbild an Erinnerungsbild
+gereiht, dazwischen rauschten die Fäden hin und her.
+
+</p><p>Und Sie aus dem Freudenhaus in Aden, brütend an
+Wüste und Rotem Meer. Über die Marmorwände rinnt
+alle Stunde bläuliches Wasser. Aus Gittern am Boden
+steigen Wolken aus räucherndem Kraut. Alle Völker
+der Erde kennen Sie nach der Liebe. Ihre Sehnsucht
+ist ein bescheidenes Haus am dänischen Sund. Kommen
+letzte Wallungen, ein Billard, vor dem Knaben im
+leichten Anzug spielen. &mdash; Und Sie, in dem Bordell,
+durch das der Krieg gezogen, zwischen Geschirr und
+Leder täglich hundertfach zerborsten unter unbekannten
+Gliedern oder auch unter Ballen aus Blutungen und Kot.
+
+</p><p>Verklärt stand er vor sich selbst. Wie er es hervorspielte,
+ach, spielte! regenbogente! grünte! eine Mainacht
+ganz unnennbar! Er kannte sie alle. Gegenüber
+stand er ihnen, sauber und ursprünglich. Er war
+nicht schwach gewesen. Starkes Leben blutete durch
+sein Haupt.
+
+</p><p>Er kannte sie alle; aber er wollte mehr. An ein
+sehr gewagtes Gebiet wollte er heran; es gab wohl
+ein Bewußtseinsleben ohne Gefühle oder hatte es gegeben,
+aber unsere Neigungen &mdash; dieses Satzes entsann
+er sich deutlichst &mdash; sind unser Erbteil. In ihnen erleben
+wir, was uns beschieden ist: nun wollte er eine lieben.
+
+</p><p>Er sah den Gang entlang, und da stand sie. Sie
+hatte ein Muttermal, erdbeerfarben, vom Hals über eine
+Schulter bis zur Hüfte und in den Augen, blumenhaft,
+eine Reinheit ohne Ende und um die Lider eine Anemone,
+still und glücklich im Licht.
+
+</p><p>Wie sollte sie heißen? Edmée, das war hinreißend.
+Wie weiter? Edmée Denso, das war überirdisch; das
+war wie der Ruf der neuen sich vorbereitenden Frau,
+der kommenden, der ersehnten, die der Mann sich zu
+schaffen im Gange war: blond, und Lust und Skepsis
+aus ernüchterten Gehirnen.
+
+</p><p>Also: nun liebte er. Er spürte in sich hinein: Das
+Gefühl. Den Überschwang galt es zu erschaffen gegen
+das Nichts. Lust und Qual zu treiben in den Mittag,
+in ein kahles graues Licht. Aber nun mußte es auch
+flirren! Es waren starke Empfindungen, denen er gegenüberstand.
+Er konnte in diesem Land nicht bleiben.
+&mdash;: Südlichkeiten! Überhöhung!
+
+</p><p>Edmée, in Luxor ein flaches weißes Haus oder in
+Kairo den Palast? Das Leben in der Stadt ist heiter
+und offen, berühmt ist das Licht, klar vor Glut, und
+plötzlich kommt die Nacht. Du hast unzählige Fellachenfrauen
+zu deiner Bedienung, zu Gesang und Tänzen.
+Du wirst zu Isis beten, die Stirn an Säulen lehnen,
+deren Kapitäle an den Ecken die platten Köpfe mit den
+langen Ohren tragen; zwischen Stelzvögeln in Schluchten
+von Sykomoren stehen.
+
+</p><p>Einen Augenblick suchte er. Es war etwas wie
+Kopthe aufgestiegen, aber er vermochte es nicht zu fördern.
+Nun sang er wieder, der Weiche im Glück.
+
+</p><p>Der Winter kommt, und die Felder grünen; einige
+Blätter des Granatstrauchs fallen, aber das Korn schießt
+auf vor deinen Augen. Was willst du haben: Narzissen
+oder Veilchen das Jahr hindurch in dein Bad
+geschüttet morgens, wenn du dich spät erhebst; willst
+du nachts durch kleine Nildörfer streichen, wenn auf
+die krummen Straßen die großen klaren Schatten fallen
+durch den hellen südlichen Mond? Ibiskäfige oder Reiherhäuser?
+Orangengärten, gelbflammend und Saft und
+Dunst über die Stadt wölkend in der Mittagsstunde,
+von Ptolomäertempeln einen geschnittenen Fries?
+
+</p><p>Er hielt inne. War das Ägypten? War das Afrika
+um einen Frauenleib, Golf und Liane um der Schultern
+Flut? Er suchte hin und her. War etwas zurückgeblieben??
+War Hinzufügbares vorhanden? Hatte er es
+erschaffen: Glut, Wehmut und Traum?
+
+</p><p>Aber was für ein eigentümliches Wehen in seiner
+Brust! Eine Erregung, als ströme er hin. Er verließ
+das Untersuchungszimmer, durchschritt die Halle in den
+Park. Es zog ihn nieder, auf den Rasen zog es ihn,
+leichthingemäht.
+
+</p><p>Wie hat es mich müde gemacht, dachte er, mit welcher
+Stärke! Da durchschlug ihn, daß Erblassen die
+Frucht sei und die Träne der Schmerz &mdash;: Erschütterungen!
+Klaffende Ferne!
+
+</p><p>Üppig glühte der Park. Ein Busch auf dem Rasen
+trug Blattwerk wie Farren, jeder Fächer groß und
+fleischig wie ein Reh. Um jeden Baum, der blühte,
+lag die Erde, geschlossen, ein Kübel, ihn tränkend und
+ihm völlig preisgegeben. Himmel und Blüten: weich, aus
+Augen, kamen Bläue und Schnee.
+
+</p><p>&mdash; Schluchzender, Edmée, dir immer näher! Eine
+Marmorbrüstung beschlägt das Meer. Südlich versammelt
+Lilien und Barken. Eine Geige eröffnet dich bis
+in dein Schweigendes hinein. &mdash;
+
+</p><p>Er blinzelte empor. Er zitterte: Gegen den Rasen
+stürmte der Glanz, feucht aus einer goldenen Hüfte;
+und Erde, die den Himmel bestieg. Am Ranft gegen
+die Schatten rang gebreitet das Licht. Hin und her war
+die Zunge einer Lockung: aus ihrem Gefieder Blütengüsse
+entwichen der Magnolie in ein Wehen, das vorübertrieb.
+
+</p><p>Edmée lachte: Rosen und helles Wasser.
+
+</p><p>Edmée ging: Durch Steige, zwischen Veilchen, in
+einem Licht von Inseln, aus osmiumblauen Meeren,
+kurz von Quader und Stern; Tauben, Feldflüchter,
+hackten Silber mit den Schwingen.
+
+</p><p>Edmée bräunte sich, ein bläuliches Oval. Vor Palmen
+spielte sie, sie hatte viel geliebt. Wie eine Schale
+trug sie ihre Scham kühl durch die Beugung des erwärmten
+Schritts, auf der Hüfte die Hand schwer, erntegelb,
+unter Korn und Samen.
+
+</p><p>Im Garten wurde Vermischung. Nicht mehr von Farben
+hallte das Beet, Bienengesumm nicht mehr bräunte
+die Hecke. Erloschen war Richtung und Gefälle: Eine
+Blüte, die trieb, hielt inne und stand im Blauen, Angel
+der Welt. Kronen lösten sich weich, Kelche sanken
+ein, der Park ging unter im Blute des Entformten.
+Edmée breitete sich hin. Ihre Schultern glätteten sich,
+zwei warme Teiche. Nun schloß sie die Hand, langsam,
+um einen Schaft, die Reife in ihrer Fülle, bräunlich
+abgemäht an den Fingern, unter großen Garben
+verklärter Lust &mdash; &mdash;:
+
+</p><p>Nun war ein Strömen in ihm, nun ein laues Entweichen.
+Und nun verwirrte sich das Gefüge, es entsank
+fleischlich sein Ich &mdash;:
+
+</p><p>&mdash; Es hallten Schritte über das Gefälle eines Tals
+durch eine flache weiße Stadt; dunkle Gärten schlossen
+die Gassen. Auf Simsen und Architraven, die zerfallend
+Götter und Mysterien herhielten, verteilt durch
+ein florentinisches Land, lagen Tropfen hellen Bluts.
+Ein Schatten taumelte zwischen Gliedern, die stumm
+waren, zwischen Trauben und einer Herde; ein Brunnen
+rann, ein splitterndes Spiel.
+
+</p><p>Im Rasen lag ein Leib. Aus Kellern spülte ein Dunst;
+es war Essenszeit, Pfeifen und Grieben, der schlechte
+Atem eines Sterbenden.
+
+</p><p>Aufsah der Leib: Fleisch, Ordnung und Erhaltung
+riefen. Er lächelte und schloß sich wieder; schon vergehend
+sah er auf das Haus: was war geschehen?
+Welches war der Weg der Menschheit gewesen bis
+hierher? Sie hatte Ordnung herstellen wollen in etwas,
+das hätte Spiel bleiben sollen. Aber schließlich war es
+doch Spiel geblieben, denn nichts war wirklich. War
+er wirklich? Nein; nur alles möglich, das war er.
+
+</p><p>Tiefer bettete er den Nacken in das Maikraut, das
+roch nach Thyrsos und Walpurgen. Schmelzend durch
+den Mittag kieselte bächern das Haupt.
+
+</p><p>Er bot es hin: das Licht, die starke Sonne rann unaufhaltsam
+zwischen das Hirn. Da lag es: kaum ein
+Maulwurfshügel, mürbe, darin scharrend das Tier.
+
+</p><p class="tb">&nbsp;
+
+</p><p class="noindent">Was aber ist mit dem Morellenviertel, fragte er sich
+bald darauf? Hinter dem Palast, um dessen Pfeiler
+Lorbeer steht, brechen Gassen in die Tiefe, den Hang
+hinunter steht Haus bei Haus klein herab.
+
+</p><p>Einäugige lungern um Schneckenwagen. Sie legen
+Geld hin. Frauen kerben die Schale auf. Ein Schnitt
+im Kreis und das Fleisch hängt rosa aus der Muschel.
+Sie tauchen es in eine Tasse mit Brühe und beißen.
+Die Frau hustet, und sie müssen weiter.
+
+</p><p>Wahrsager mit Hilfe von Ideenübertragung klingeln
+unaufhörlich schrill namentlich an Damen gewandt und
+haben Batterien.
+
+</p><p>Zigeunerinnen vor Karren, Rochen, flacher, violett
+und silbern, mit abgehackten Köpfen; welche zur Hälfte
+gespalten, eingekerbt und zum Trocknen gehangen; dazwischen
+krumme, dürre Fische, kupfern und schillernd.
+
+</p><p>Es riecht nach Brand und alten Fetten. Unzählige
+Kinder verrichten ihre Notdurft, ihre Sprache ist fremd.
+
+</p><p>Was ist es mit dem Morellenviertel, fragte sich Rönne.
+Ich muß es bestehen! Auf! Hinab! Ich schwor mir, nie
+will ich dieses Bild vergessen: des Sommers, der eine
+Mauer schlug mit Büschen, flammend von Gefieder, mit
+Strauchgerten, beißend von dichten, blauen Fleischen,
+gegen eine Mauer, die nicht strömte, die feuchte, blaue
+Ranke!
+
+</p><p>Er jagte herunter. Um die hohe Gasse rann es
+zusammen: kleine Häuser, unterwühlt von langen,
+schmalen Höhlen, die spieen Gebein aus, Junges strotzend,
+Altes mürbe, hochgegürtet die Scham.
+
+</p><p>Was wurde verkauft: Holzpantoffeln für die Notdurft,
+grüne Klöße für das Ich, Ankerschnäpse für die Lust,
+Nötigstes des Leibes und der Seele, Salbenbüchsen
+und Madonnen.
+
+</p><p>Was ging vor sich: kleine Kinder vor Knieenden,
+dicht, eben ihrer Brust entsprungen; rauhe Stimmen,
+verkommen über verbranntes Gestein; tiefer als denkbar
+grub ein Herr in die Tasche; Schädel, eine Wüste,
+Leiber, eine Gosse, tretend Erde, kauend: Ich und du.
+
+</p><p>Auge, fernevolles, Blut, traumrauschend, rief er sich
+zu, deine Mittagsflüge, wehe sie! muß Rönne schon vergehen,
+unverschanzt?:
+
+</p><p>Große Woge ist die Frau, gute Mutter, die die
+Fische wendet hin und her, auf dem Rücken sind sie
+braun gefleckt, Bröckel Blütenstaub und Samenpulver?
+
+</p><p>Eines Rahmens wert erschien das schlichte Bild: Einbrecher,
+böser Mann am Kassentisch, die brave Besitzerin
+niedergeschlagen, letzter Blick vom Boden gilt
+dem Hund??:
+
+</p><p>Und du ins Gras gelümmelt, Mittagshengst &mdash; und
+jetzt schon Überwölkung??? Dreißigjährig &mdash; und Kahlkropf
+ungefiedert??
+
+</p><p>Er floh tiefer in die Gasse. Aber da: ein kleines
+Denkmal: dem Gründer eines Jugendstifts: die Menschenseele,
+das Gemeinsystem, die Lebensverlängerung
+und der Stadtrat strotzten Vollbart und Vermehrung.
+Der Aufbau tat sich auf: Proben der Tüchtigkeit wurden
+abgelegt und zwar dies wiederholt, Untersuchungen
+vorgenommen, die zu Feststellungen führten.
+
+</p><p>Wo war sein Süden hin? Der Efeufelsen? Der Eukalyptos,
+wo am Meer? Ponente, Küste des Niedergangs,
+silberblaue die Woge her!
+
+</p><p>Er hetzte in eine Kaschemme; er schlug sich mit Getränken
+heißen, braunen. Er legte sich auf die Bank,
+damit der Kopf nach unten hinge wegen der Schwerkraft
+und des Bluts. Hilfe, schrie er! Überhöhung!
+
+</p><p>Stühle, Gegenstände für Herren, die bei nach vorn
+gebogenen Knien einen Stützpunkt unter der Hinterfläche
+der Beine haben wollten, trockneten dumpf und
+nördlich. Tische für Gespräche wie diese: Na, wie geht&rsquo;s,
+schelmisch und männlich und um die Schenkel herum
+liefen ehrbar durch die Zeit. Kein Tod schleuderte die
+triefäugige Mamsell stündlich, wenn die Uhr schlug, vor
+das Nichts. Krämer scharrten; keine Lava über den
+toten Schotter!
+
+</p><p>Und er? Was war er? Da saß er zwischen seinen
+Reizen, das Pack geschah mit ihm. Sein Mittag war Hohn.
+
+</p><p>Wieder quoll das Gehirn herauf, der dumpfe Ablauf
+des ersten Tages. Immer noch zwischen seiner Mutter
+Schenkel &mdash; so geschah er. Wie der Vater stieß, so rollte
+er ab. Die Gasse hatte ihn gebrochen, zurück: die Hure
+schrie.
+
+</p><p>Schon wollte er gehen, da geschah ein Ton. Eine
+Flöte schlug auf der grauen Gasse, zwischen den Hütten
+blau ein Lied. Es mußte ein Mann gehen, der sie
+blies. Ein Mund war tätig an dem Klang, der aufstieg
+und verhallte. Nun hub er wieder an.
+
+</p><p>Von Ohngefähr. Wer hieß ihn blasen? Keiner dankte
+ihm. Wer hätte denn gefragt, wo die Flöte bliebe?
+Doch wie Gewölke zog er ein: wehend seinen weißen
+Augenblick und schon verwehend in alle Schluchten der
+Bläue.
+
+</p><p>Rönne sah sich um: verklärt, doch nichts hatte sich
+verändert. Aber ihm: bis an die Lippen stand das Glück.
+Sturz auf Sturz, Donner um Donner; rauschend das
+Segel, lohend der Mast: Zwischen kleinen Becken dröhnte
+gestreckt das Dock: Groß glühte heran der Hafenkomplex:
+
+</p><p>Über die Felsen steigt das Licht, schon nimmt es
+Schatten an, die Villen schimmern und der Hintergrund
+ist bergerfüllt. Eine schwarze Rauchpinne verfinstert
+die Mole, indes mit der gekräuselten Welle das winzige
+Lokalboot kämpft. Über die Landungsbrücke, die
+schwankt, eilt der geschäftige Facchini; Hojo &mdash; tirra &mdash;
+Hoy &mdash;, klingt es; es flutet der volle Lebensstrom. Gegen
+tropische und subtropische Striche, Salzminen und Lotosflüsse,
+Berberkarawanen, ja gegen den Antipoden selbst
+steht der Schiffsbauch gerichtet; eine Ebene, die die
+Mimose säumt, entleert rötliches Harz, ein Abhang
+zwischen Kalkmergel, den fetten Ton. Europa, Asien,
+Afrika: Bisse, tödliche Wirkungen, gehörnte Vipern; am
+Kai das Freudenhaus tritt dem Ankömmling entgegen,
+in der Wüste schweigend steht das Sultanhuhn. &mdash;
+
+</p><p>Noch stand es schweigend, schon geschah ihm die
+Olive.
+
+</p><p>Auch die Agave war schön, aber die Taggiaska kam,
+feinölig, die blauschwarze, schwermütig vor dem Ligurischen
+Meer.
+
+</p><p>Himmel, selten bewölkt, Rosen ein Gefälle; durch
+alle Büsche der blaue Golf, aber die endlosen lichten
+Wälder, welch ein schattenschwerer Hain!
+
+</p><p>Wurde um den Stamm das Tuch gebreitet, lag Arbeit
+vor. Gemisch von Hörnern, Klauen, Ledern und wollenen
+Lumpen, jedes vierte Jahr war Speisung gewesen. Jetzt
+aber schlugen Männer, sonst dem Kegelspiel mit spannungsvollem
+Eifer hingegeben, die Kronen, jäh den
+Früchten zugewandt.
+
+</p><p>In der Mulme der Rüsselkäfer. Eine Zygäne flackernd
+aus der Myrte. Kleine Presse wird gedreht, schieferner
+Keller still durchgangen. Ernte naht sich, Blut der Hügel,
+um den Hain, bacchantisch, die Stadt.
+
+</p><p>Kam Venedig, rann er über den Tisch. Er fühlte
+Lagune, und ein Lösen, schluchzend. Scholl dumpf das
+Lied aus alten Tagen des Dogen Dandolo, stäubte er
+in ein warmes Wehn.
+
+</p><p>Ein Ruderschlag: Ein Eratmen; ein Barke: Stütze
+des Haupts.
+
+</p><p>Fünf eherne Rosse, die Asien gab, und um die Säulen
+sang es: manchmal eine Stunde, da bist Du; der Rest
+ist das Geschehen. Manchmal die beiden Fluten schlagen
+hoch zu einem Traum. Manchmal rauscht es: wenn Du
+zerbrochen bist.
+
+</p><p>Rönne lauschte. Tieferes mußte es noch geben. Aber
+der Abend kam schnell vom Meer.
+
+</p><p>Blute, rausche, dulde, sagte er vor sich hin. Männer
+sahen ihn an. Jawohl, sagte er, ihre Sommersprossen,
+ihr kahler Hals, über dessen Adamsapfel das Haar
+stachelt &mdash; unter meine Kreuzigung, ich will zur Rüste
+gehen.
+
+</p><p>Er bezahlte rasch und erhob sich. Aber an der Tür
+nahm er den Blick noch einmal zurück an das Dunkel
+der Taverne, an die Tische und Stühle, an denen er
+so gelitten hatte und immer wieder leiden würde. Aber
+da, aus dem gerippten Schaft des Tafelaufsatzes neben
+der leckäugigen Frau glühte aus großem, sagenhaftem
+Mohn das Schweigen unantastbaren Landes, rötlichen,
+toten, den Göttern geweiht. Dahin ging, daß fühlte er
+tief, nun für immer sein Weg. Eine Hingebung trat in
+ihn, ein Verlust von letzten Rechten, still bot er die
+Stirn, laut klaffte ihr Blut.
+
+</p><p>Es war dunkel geworden. Die Straße nahm ihn auf
+darüber der Himmel, grüner Nil der Nacht.
+
+</p><p>Über das Morellenviertel aber klang noch einmal der
+Ton der Flöte: manchmal die beiden Fluten schlagen
+hoch zu einem Traum.
+
+</p><p>Da enteilte ein Mann. Da schwang sich einer in seine
+Ernte, Schnitter banden ihn, gaben Kränze und Spruch.
+Da trieb einer, glühend aus seinen Feldern, unter Krone
+und Gefieder, unabsehbar: er, Rönne.
+
+
+</p>
+
+<p>&nbsp;</p>
+<p>&nbsp;</p>
+
+<p style="text-transform:uppercase; text-align: center; font-size:large; ">
+Ende.
+</p>
+
+
+
+
+
+
+
+
+<pre>
+
+
+
+
+
+End of the Project Gutenberg EBook of Gehirne, by Gottfried Benn
+
+*** END OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK GEHIRNE ***
+
+***** This file should be named 35435-h.htm or 35435-h.zip *****
+This and all associated files of various formats will be found in:
+ https://www.gutenberg.org/3/5/4/3/35435/
+
+Produced by Jens Sadowski
+
+Updated editions will replace the previous one--the old editions
+will be renamed.
+
+Creating the works from public domain print editions means that no
+one owns a United States copyright in these works, so the Foundation
+(and you!) can copy and distribute it in the United States without
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+set forth in the General Terms of Use part of this license, apply to
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+Gutenberg is a registered trademark, and may not be used if you
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+such as creation of derivative works, reports, performances and
+research. They may be modified and printed and given away--you may do
+practically ANYTHING with public domain eBooks. Redistribution is
+subject to the trademark license, especially commercial
+redistribution.
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+work, (b) alteration, modification, or additions or deletions to any
+Project Gutenberg-tm work, and (c) any Defect you cause.
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+
+Project Gutenberg-tm is synonymous with the free distribution of
+electronic works in formats readable by the widest variety of computers
+including obsolete, old, middle-aged and new computers. It exists
+because of the efforts of hundreds of volunteers and donations from
+people in all walks of life.
+
+Volunteers and financial support to provide volunteers with the
+assistance they need are critical to reaching Project Gutenberg-tm's
+goals and ensuring that the Project Gutenberg-tm collection will
+remain freely available for generations to come. In 2001, the Project
+Gutenberg Literary Archive Foundation was created to provide a secure
+and permanent future for Project Gutenberg-tm and future generations.
+To learn more about the Project Gutenberg Literary Archive Foundation
+and how your efforts and donations can help, see Sections 3 and 4
+and the Foundation web page at https://www.pglaf.org.
+
+
+Section 3. Information about the Project Gutenberg Literary Archive
+Foundation
+
+The Project Gutenberg Literary Archive Foundation is a non profit
+501(c)(3) educational corporation organized under the laws of the
+state of Mississippi and granted tax exempt status by the Internal
+Revenue Service. The Foundation's EIN or federal tax identification
+number is 64-6221541. Its 501(c)(3) letter is posted at
+https://pglaf.org/fundraising. Contributions to the Project Gutenberg
+Literary Archive Foundation are tax deductible to the full extent
+permitted by U.S. federal laws and your state's laws.
+
+The Foundation's principal office is located at 4557 Melan Dr. S.
+Fairbanks, AK, 99712., but its volunteers and employees are scattered
+throughout numerous locations. Its business office is located at
+809 North 1500 West, Salt Lake City, UT 84116, (801) 596-1887, email
+business@pglaf.org. Email contact links and up to date contact
+information can be found at the Foundation's web site and official
+page at https://pglaf.org
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+ Dr. Gregory B. Newby
+ Chief Executive and Director
+ gbnewby@pglaf.org
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+Section 4. Information about Donations to the Project Gutenberg
+Literary Archive Foundation
+
+Project Gutenberg-tm depends upon and cannot survive without wide
+spread public support and donations to carry out its mission of
+increasing the number of public domain and licensed works that can be
+freely distributed in machine readable form accessible by the widest
+array of equipment including outdated equipment. Many small donations
+($1 to $5,000) are particularly important to maintaining tax exempt
+status with the IRS.
+
+The Foundation is committed to complying with the laws regulating
+charities and charitable donations in all 50 states of the United
+States. Compliance requirements are not uniform and it takes a
+considerable effort, much paperwork and many fees to meet and keep up
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+where we have not received written confirmation of compliance. To
+SEND DONATIONS or determine the status of compliance for any
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+While we cannot and do not solicit contributions from states where we
+have not met the solicitation requirements, we know of no prohibition
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+approach us with offers to donate.
+
+International donations are gratefully accepted, but we cannot make
+any statements concerning tax treatment of donations received from
+outside the United States. U.S. laws alone swamp our small staff.
+
+Please check the Project Gutenberg Web pages for current donation
+methods and addresses. Donations are accepted in a number of other
+ways including including checks, online payments and credit card
+donations. To donate, please visit: https://pglaf.org/donate
+
+
+Section 5. General Information About Project Gutenberg-tm electronic
+works.
+
+Professor Michael S. Hart was the originator of the Project Gutenberg-tm
+concept of a library of electronic works that could be freely shared
+with anyone. For thirty years, he produced and distributed Project
+Gutenberg-tm eBooks with only a loose network of volunteer support.
+
+
+Project Gutenberg-tm eBooks are often created from several printed
+editions, all of which are confirmed as Public Domain in the U.S.
+unless a copyright notice is included. Thus, we do not necessarily
+keep eBooks in compliance with any particular paper edition.
+
+
+Most people start at our Web site which has the main PG search facility:
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+ https://www.gutenberg.org
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+This Web site includes information about Project Gutenberg-tm,
+including how to make donations to the Project Gutenberg Literary
+Archive Foundation, how to help produce our new eBooks, and how to
+subscribe to our email newsletter to hear about new eBooks.
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+
+</pre>
+
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+This eBook, including all associated images, markup, improvements,
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+the "Copyright How-To" at https://www.gutenberg.org.
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+No investigation has been made concerning possible copyrights in
+jurisdictions other than the United States. Anyone seeking to utilize
+this eBook outside of the United States should confirm copyright
+status under the laws that apply to them.
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