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diff --git a/.gitattributes b/.gitattributes new file mode 100644 index 0000000..6833f05 --- /dev/null +++ b/.gitattributes @@ -0,0 +1,3 @@ +* text=auto +*.txt text +*.md text diff --git a/30628-8.txt b/30628-8.txt new file mode 100644 index 0000000..87c734d --- /dev/null +++ b/30628-8.txt @@ -0,0 +1,1686 @@ +The Project Gutenberg EBook of Das rasende Leben, by Kasimir Edschmid + +This eBook is for the use of anyone anywhere at no cost and with +almost no restrictions whatsoever. You may copy it, give it away or +re-use it under the terms of the Project Gutenberg License included +with this eBook or online at www.gutenberg.org + + +Title: Das rasende Leben + Zwei Novellen + +Author: Kasimir Edschmid + +Release Date: December 8, 2009 [EBook #30628] + +Language: German + +Character set encoding: ISO-8859-1 + +*** START OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK DAS RASENDE LEBEN *** + + + + +Produced by Jens Sadowski + + + + +Transcriber's Note: +Text that was s p a c e d - o u t has been changed to _italics_. Double +quotation marks have been encoded as » and « and single quotation marks +as > and <, respectively. + + + + + + +DAS RASENDE +LEBEN + +ZWEI NOVELLEN + +von + +KASIMIR EDSCHMID + + + + + +LEIPZIG + +KURT WOLFF VERLAG + +Bücherei »DER JÜNGSTE TAG« Band 20 + +Gedruckt bei E. Haberland in Leipzig. + + + + + + + +COPYRIGHT/KURT WOLFF VERLAG, LEIPZIG/1915 + + + + + +Diese Novellen reden im hauptsächlichen Sinn nicht +(wie das vorausgegangene Buch) vom Tod als einer +letzten Station, nicht von Trauer und vom Verzichte. +Sie sagen auch nicht: leben. Sie sagen: rasend +leben. -- -- Mit vierundzwanzig Jahren starb, ein +ungeheueres zersprungenes Gefäß der Kraft, zu +früh mein Landsmann und sehr großer toter Bruder +Georg Büchner. Er stammte aus Darmstadt, liebte +den Elsaß und ist mir auch sonst seltsam nahe. +Schrieb Lenz, Danton, Wozzek und die unendliche +Süßigkeit Leonce und Lenas. +Ich widme dies Buch des größten +Lebenswillens seinem großen +Andenken. + + + + + + +DAS BESCHÄMENDE ZIMMER + +DEN ABEND war ich bei einem Freunde. Wir waren allein. Wir hatten uns in +politischen Dingen ausgerast. Wir hatten Tee getrunken, der -- ich glaube +-- sehr leicht nach dem Haar von Kamelen roch. Er sprach von einer Jagd in +Turkestan. Darauf sagte ich einiges und beiläufig von Wintertagen bei +Utrecht. Dann redeten wir lange wieder von Paris. Ich hatte gerade die +Schattenspiele der Connards erwähnt und wollte anfangen, von dem +merkwürdigen Effekt zu erzählen, als ich Wolfsberg ohne Bart am Square de +Vaugirard traf . . . da war mein Freund, der ganz ruhig gesessen hatte, wie +unter einem lang zurückgehaltenen Entschluß rapid aufgestanden und hatte +mich durch sein Bad in ein Zimmer geführt, von dessen Existenz ich keine +Ahnung hatte. + +Er hob den Arm. Zwei Lichter am Fuß der Wände füllten sich langsam mit +prächtigem Licht und strichen in warmen Flutungen und Bündeln die +honiggelben Seiten hinauf. Dann öffnete er das große Fenster nach der +Straße und schob eine Jalousie vor das Loch. Sein Profil stand rasch, von +Abenteuern zerfetzt, aber gütig, vor dem hellen Tuch . . . dann waren nur +seine Hände da, die grotesk waren in ihrer Röte und noch mehr wie sonst +denen eines Matrosen ähnlich schienen, wo sie allein von Licht überspielt +dastanden. Kraft, die in Weichheit gebändigt war, ging von allen seinen +Bewegungen aus. + +Dann öffnete er gegenüber zwischen zwei Schränken das Schiebefenster zum +Garten. Sommerliche Nacht strich herein. Das Tuch lehnte sich tief aus der +Füllung. Schatten überschaukelten den Teppich und an den Wänden zog ein +Klappern hin. Es war ein melancholisches unangenehmes Geräusch. Als ich +aufsah, lächelte der Freund, wies mit halbgedrehter Hand auf die Bilder, +die die hohe und breite Mauer in einem Gurt durchschnürten, daß über und +unter ihnen eine gleiche Fläche glänzender Tapete freiblieb. Sie hingen an +Stricken, Bändern, Seidenkordeln und Tauen. Einige bedeckten sich fast +völlig, manche überschnitten sich mit den Rahmen und bildeten in allen +Stufen und Farben zusammenhängend ein eigentümliches Mosaik. + +Wies auf die Bilder und sagte: »Es ist keines darunter, in dem nicht ein +Erlebnis wühlte. Es ist eine Laune oder ein Experiment. Ich muß es +abwarten. Ich habe sie hier aufgehängt ohne Auswahl, ohne Ordnung, je wie +ich hierher zurückkehrte und wie es mir gefiel. Es liegen Jahre in manchem +eingeschlossen und strömen sich aus. + +Oft ist mein ganzes Zimmer hier voll von dem Frühling in Paris. Dieses Bild +ist die Schaukelnde des Fragonard. Sie hat das eine Bein zurückgezogen, das +andere zieht in dem trotzigen Aufschwung noch die Volute der +losgeschnippten Pantoufle nach, und um diese graziöse Entblößung fällt das +Schwebende der weiten Robe und der Duft der Farbe, der gleich einer Wolke +darübersteht. + +Ich kaufte es eines Abends an einem Tag, da wir morgens nach St. Germain +gefahren waren. Es war der erste jener bezwingenden Tage, die aufquellen +aus einer gleichgültigen Nacht und voll sind von der Zärtlichkeit des Blaus +und der warmen Stille einer Verheißung. Wir standen auf den Dächern der +Waggons, die starrten von Ruß. In den Gärten brachen die Mandelbäume auf. +Wir liefen wie ganz junge Hunde die Quere durch den Park. Es gibt in dieser +Zeit nur eine Seligkeit: fühlen, wie das Spiel der Muskeln um eine Freude +herum erwacht. Wir lachten und liefen, sprangen über Hürden, öffneten eine +Holztür mit Lilien . . . und dann wußten wir erst, daß wir Eindringlinge +seien: als wir gerade hineintraten in das Rondell. + +Aus einem Bogengang ließ sich eine Schaukel nieder. Eine Dame saß darin. +Sie trug ein dünnes hellrosa Kleid. Wir sahen sie vom Rücken. Ihre Arme +umfingen die beiden Schnüre und zogen sie in einer lässigen Knickung +zusammen, wobei sie sich etwas nach rechts lehnte. Ihre nach vorn +vereinigten Hände mußten etwas halten, über das sie den Kopf senkte. Es war +so still, daß man die Schaukel quietschen hörte, wenn die Dame am vorderen +Auslauf sich mit dem einen Bein an einem in rotpunktierten Blüten stehenden +Aprikosenbaum abstieß, während sie das andere hastig zurückzog. Dabei +senkten sich jedesmal eine Handbreit Spitzen unter dem Brett +augenblickslang über ein sehr zierliches Bein. + +Dann hörte sie uns. Sie glitt von dem Holz. Ihr schmaler weißer Kopf senkte +sich schräg. Sie raffte mit einer schützenden Bewegung die dünne und kurze +Matinee. Damit gab sie sich noch mehr preis. Wieder erschien ihre Wade in +dem glänzenden Strumpf und der noch hellere Schuh. Allein das merkwürdige +war . . . sie ward nicht rot, nicht verlegen, sagte nur mit einer Stimme, +die kindlich war, anklagend, alles war und umschloß in Inhalt, Tiefe und +Modulation dieses >Good morning< -- nur dieses --, schritt langsam, ohne +wieder herzusehen, in einen Seitenweg. + +Wir zogen uns zurück. + +Ein Erlebnis wie ein Pastell . . . sagte einer. + +Kindlich, dachte ich, niedlich, ästhetisch! Verstehen Sie! Es war kein Herr +dazugekommen, niemand hatte gerufen, etwas gesagt, nur ein Geräusch: good +morning. + +Aber am Abend im aufheulenden Lärm des Boulevards kaufte ich dies Bild. +Manchmal hörte ich den Klang der Stimme nachts im ganz Stillen, oft am +Meer, im Orkan der Versammlungen, im Räderstampfen und in der Explosion der +Dampfer. Jetzt im Augenblick rieche ich, physisch -- Sie lächeln -- ich +rieche jeden Geruch jenes Morgens, das Feuchte vom Boden, das Arom der Luft +zwischen den Knospen, den Aprikosenbaum und das Warme darüber. Sie sehen, +mit welch wahnsinniger Intensität sich ein Erlebnis einfressen kann, das +wir zuerst flach empfinden und leicht ablösbar wie die Spur des Atmens an +einem Spiegel . . . und das bleibt, stärker und nachwirkender wie das +Ungeheuere im ersten Erblicken eines anderen Erdteils, wie verstörter +Ehrgeiz und Tod der Schwester. -- -- -- + +Ich habe stets das gedacht, was mich retten konnte. Darum liebe ich jenes +Bild. Es ist wenig daran. Eine alte Radierung, zwei alte Menschen, ganz +dunkel, um die Köpfe nur ein wenig Licht. Ich dachte mir einiges Angenehme +dazu. Es half mir. Ich lag damals immer zu Bett, krank und mutlos. Ein +kleines Mädchen schenkte es mir, das abends in den Vorstädten geigte. Ich +besinne mich vergeblich auf ihre Haltung. Ich weiß keinen Zug mehr von +ihrem Gesicht. Aber ich weiß, wie sie das Bild auf meine Decke legte und +ihren grauen baumwollenen Handschuh daneben, der irgendwo dunkler geflickt +war. -- -- -- + +Der Goya da kam eines Morgens als Paket in graues Sackpapier eingeschlagen. +Mag sein, daß ich mißmutig war. Riß es auf, und der Riß fuhr in ihn hinein, +klaffend bis mitten in die Kampfszene. Genau zwischen Stier, der den Nacken +zum Stoß einzieht, und Pferdebauch und gerade über den schnelleren Heft der +Lanze. + +Er kam von einem Brasilianer, mit dem ich eine Nacht fuhr von Kowno nach +der Grenze. Es war Schneesturm. Er sagte mir mit Leidenschaft vieles von +seiner Heimat: dem fürstlichen Meer des Amazonenstroms, den glühenden +Nächten, die sie erträglicher machten durch das Genießen unzähliger Kannen +sehr heißen Kaffees, und dem Gekreisch der Papageienherden. + +Der Sturm brach sich an der Böschung, drückte mit blödsinnigen Stößen auf +den langen Leib des Zuges. Wir wurden warm und zogen zusammen das Fenster +herunter. Sofort zerbrach es. Die Scheibe spritzte uns ins Gesicht. Wir +bluteten mit vielen kleinen Wunden. Der Wind knallte das andere Fenster +hinaus, die Rahmen krachten. Schnee stopfte uns den Mund voll, wenn wir +sprechen, rufen wollten, wir würgten, konnten nicht atmen. Pse! lachte der +Brasilianer. Mehr hörte ich nicht. + +Hagel klatschte uns gegen das Gesicht, das anschwoll, schmolz daran, und +fror im gleichen Augenblick in einer Maske von Eis wieder vor. Wir sahen +aus, als hätten wir Gesichter aus Glas oder von roter Gelatine. Denn wir +bluteten sehr und lachten. + +Es ist auf dem Bild des Stierkampfs nur die unterste Reihe der Zuschauer zu +erkennen. Doch es scheint: eine Welle von Wut und Ekstase sei das +Amphitheater in einer Kaskade hinuntergestürzt und habe sich in diesem +Parkett bäumend gestaut. + +Es ist eine schwere Lache Blut auf dem Bild. + +Der Stich liegt auf einem alten gelben Papier, das vor Leidenschaft +knistert, wenn die Sonne durch das kleine Fenster in einer Säule darauf +steht. + +Ich denke gern an diese Nacht. + +Aber ich liebe noch mehr jenen Sommer, in dem alle Tage waren wie jene +Nacht.« (Er hob mit steifem Arm eine breite, weißgerahmte Radierung heraus, +daß die Schnur sich straff ins Zimmer spannte, und blieb, sie auf der +hohlen Hand wiegend -- die andere in der Tasche -- stehen.) -- »Man kann +nicht anders empfinden: Alles ist hier bezwungen von dem bleichen Weg. Sei +es, daß er zwischen dunklen Hügeln in einer geheimnisvollen Biegung läuft, +. . . ob dämmrige, schwere Fischerhäuser nebenan der Düne liegen mit +verglasten Luken und dann der Spuk der Telegraphenstangen ihn begleitet bis +zu dem Kreuz auf dem Hügel . . . mag sein, daß das alles die geballte +Atmosphäre gibt von Trauer, Unheil und ganz schwachem süßem Licht am +Horizont . . . ganz groß und so, daß er all dies missen könnte, ist nur der +lange weiße Gang des Wegs, der sich langsam mit unheimlichem Wollen, +steigend, verblassend, in den grauen Himmel über den Dünen wie in +ungeheure, frevelhafte Übersinnlichkeiten hinausschraubt. + +Es ist ein Sujet aus Bornholm von dem jungen Radierer Georgi. Ich traf ihn +auf einem Petroleumsegler von Kopenhagen nach den Faeroers. Wir waren die +einzigen Passagiere. Und die einzigen Fremden (wenn wir einen kleinen +Botaniker, der nach drei Tagen von einem unmöglichen Hügel abstürzte, nicht +rechnen) auf den Faeroers von Anfang Juli bis in den Oktober hinein, der +schon Eis brachte von Island her. + +Wir lebten jeder in einem anderen Fischerdorf. Er zeichnete. Ich schrieb, +nein ich fischte, schoß mit einem siebenendigen Kugellazo nach Vögeln und +liebte die breiten Mädchen. Meistens war Sturm. Er kam und man fühlte ihn +rund oder blau und so stets wie als könne man ihn packen irgendwo. Oft +schien es, er flösse aus einer immer breiteren metallenen Hülse, dann stieg +er auf der See hoch gleich einem Segel und überschwemmte in einer +plastischen Strömung den Strand. + +Häufig lagen wir einen ganzen Tag auf einer Klippe, die in rechtem Winkel +hinabsauste zum Meer. Wir hatten die Köpfe in den Arm gewühlt. So raste der +Wind. Ganz hell, fast weiß war der Himmel. Wir konnten nicht aufstehn. Er +hätte uns hinuntergeweht. Ganz sacht vielleicht, spielend wie ein Stück +Tuch, locker es aufhebend, kreisend, rasch senkend und dann aufs Wasser +legend. Wer weiß! Zeitweis hielt ich mit aller Kraft (er machte eine Parade +als zerknackte er etwas im Armgelenk) einen Block vor den andern, auf den +er Striche setzte. Wie hinter einer Barrikade verschanzt und in atemloser +Eile. So raste der Wind. + +Ich lag ein anderesmal allein einen Tag in brennender Sonne und dann noch +eine Nacht auf einem Felsen und wagte _einen_ Tritt nicht zurück, bis +morgens unten die Mädchen der Fischer vorüberfuhren. Eine trug einen roten +Rock. Sie winkte. Sie rief: Du bist früh hinaufgestiegen . . . Sie war aus +Store Dimon. Da tat ich es. + +Wir trugen keine Schuhe in dieser Zeit. Bündel Bast lagen um unsere Füße. +Unsere Insel hatte einen kleinen Strand. Schwarze Felsen lagen um sie herum +in Aufstiegen von hundert Metern. Unten formten sie kleine in sich selbst +strudelnde Fjords von hinreißender Elastizität der Linie. Ganz schwarz +waren sie und am Abend wie Basalt dunkelblau. Manchmal lösten sich hellere +aus den anderen und wurden Mövenschwärme, die den Himmel zuzogen und das +Meer überschrien. + +Aller acht Tage kam der Dampfer von Edinburgh, der Konserven brachte und +Tabak. Er legte nur bei gutem Wetter an. Während der großen Sturmzeit kam +er vier Wochen nicht. Mit dem Glas sahen wir ein paar Amerikaner an der +Reling stehen, die nach Island fuhren. In dieser Zeit versäumte ich die +wichtigste Post in meinem Leben. Was lag mir an Post? + +Teufel lag mir daran. Merde lag mir daran . . . + +Freund! in diesen Tagen fingen wir eine Art Delphin. Größer als ein Mann. +Aufgesperrt den Rachen mit Lamellen aus samtnem Weiß. Die Augen ganz +dunkles Violett mit einem rötlichen dünnen Schein drüber von der Sonne, die +ihm gerade hineinschien. Einer der Fischer mit einer farbigen Mütze, die +lang, spitz über den Rücken fiel, stieß ihm eine Harpune in den Rachen, +stieß immer noch nach, als die Augen schon hinstarben, keine Sonne mehr +brachen und der Leib aufbrandete in drei zuckenden Sprüngen. Der +scharfgefloßte Schwanz wühlte ein Loch in den Sand, schlug, rasend wie der +Kolben eines Preßlufthammers, wütenden Takt und machte Wind an dem stillen +Tag. Seltsames Ding, dieser Schwanz: Porös, wie gewebt aus Gallerte, +weichem Stahl und etwas, das war, als ob es köstlich sein müsse auf der +Zunge oder schön in einem merkwürdigen Gefäß und vor allem von einer so +maßlosen feuchten Fremdheit. Ich glaube, daß ich nie etwas Neueres erlebte, +etwas Seltsameres sah als die Flosse des Fisches, die mit einer nie +empfundenen Ekstase auf meine Seele stieß. + +Was war mir der wichtigste Brief meines Lebens? + +Zut . . . ein Dreck war er mir. + +Zwischen Georgis und meinem Dorf lag eine schwierige Klippe. Morgens +schossen wir, ließen die Echos hinüber- und herüberrollen, grüßten uns so. +Abends trafen wir uns darauf. Dann sahen wir ins Innere der Insel, das wie +eine Arena war, in deren Mitte das große, weiße Viereck lag, das Gebäude +für die einzige Krankheit, die diese Menschen hinfrißt, Männer Frauen, +Frauen Männer, durcheinander, wie es kam, aus ihren Hütten heraus in dies +Gebäude, das in das Dunkel noch lange hinausblitzt wie der Bauch eines +Hais. -- -- -- + +Um zu diesem tief vorwachsenden holländischen Rahmen zu kommen, von dem ich +wollte, daß er aus dem siebzehnten Jahrhundert sei . . . vielleicht ein +wenig früher, aber keine Minute mehr, mußte ich achtundzwanzig +Seineantiquariate durchsuchen vier Tage lang, dann fand ich ihn . . . und +sollte dazwischen das Überfahrenwerden eines blonden Kindes erleben, das +mir jeden Morgen um zehn Uhr auf der ersten Straße des Jardin des Plantes +ein Lächeln ins Gesicht warf. Es hatte ein Kleid aus schwarzer Seide und +eine gelbe, schöne Krause an. + +Von dem Bild in diesem Rahmen, das Segelboote zeigt, will ich nicht +erzählen. -- -- -- + +An dem kältesten Tag, den ich in Deutschland erlebte, stand ich vor dem +Bildzyklus in der Ecke dort, Hallo . . . ich stand nicht. Ging! + +So kalt war es. Ging auf den Holzfliesen. Aber die Kälte brannte mir in die +Füße. Ich ging rascher und dann sehr rasch. Drei Schritte auf das Bild zu, +drei kleinere es entlang nach rechts, sechs die ganze Fläche hinunter nach +links, zurück zur Mitte und drei wieder, langsamer, rückwärts . . . und so +fortfahrend eilender im Schauen, unheimlich und lautlos gleich der Parade +des schwarzen Panthers vor seinem Gitter im ersten Käfig in Frankfurt. + +Es ist der Isenheimer Altar des Grünewald. Sehen Sie die übersinnliche +Kraft des Lichtstrahls aus der oberen Ecke und den Leib dieses Leprösen, +der schon grün ist und überfault und so vegetativ, daß er sich nach Erde +sehnt und halb schon Erde ist, aber hier aufgefangen steht als qualvoller +Schrei des Fleisches zwischen Sehnsucht und Hiersein und Bestimmung zum +Ende. Ganz Kolmar klirrte an diesem Tag vor Kälte. + +Ich liebe das Bild, weil es mich plötzlich mit einer überflutenden +Intuition mehr als durch tausend Bücher wie durch eine klaffende Wunde +hineinschauen ließ in das aufzischende Herz des Mittelalters. -- -- --« + +(Nun hob er den Arm, als wollte er eine Lanze werfen und beschoß mit den +zitternden Kreisen der elektrischen Taschenlampe ein ganz kleines Bild) +»Erinnerungen eines Monats in einem schottischen Landhaus. Abends Silber, +Kerzen, Toaste. Sonst Gehen auf geraden Wegen im Park, Rasen, zwei +Schwestern, Lilith und Jane, Rudern mit den Brüdern, die auf Ferien aus +Oxford waren, und zwischen all diesem Frischen endlose Ruhe. Holte mir +Arbeitslust für ein paar Jahre. Stahl, als ich wegging, von der Diele +diesen winzigen Stich. Es ist eine Szene mit Affen. Einer trägt das Kostüm +Voltaires. Steht darunter: the travelling monkey. -- -- -- + +Weheste und zarteste Erlebnisse, die wahllos ineinanderstürzen, aber binden +sich an diese Silhouette. Germaine schnitt sie mir, ultramarin auf orange, +in unserem kleinen Haus an den Tuilerien, als der Sommer dunkel und mit +Gerüchen durch unsere Gardinen wehte. Niemals in der grenzenlosen Flucht +der Zeit habe ich den Leib einer Frau mit dieser Hingebung geliebt wie den +Germaines. Ich ließ sie alle Tänze lernen, die ihren Gliedern neue Linien, +tiefere Inbrunst und glänzendere Seligkeit geben konnten. Am schönsten war +sie, wenn sie auf einem Fell abends neben meinen Füßen lag. + +Sie trug ein langes weißes Hemd, träumte und färbte die Nägel ihrer Zehen. +Draußen der dunkle Garten bewegte sich manchmal. In Pausen ging jemand +vorüber, roter Himmel wuchs über die Rideaux, und wir wußten, wie nah und +brennend Paris über der Seine sei. + +Germaine saß oft tagelang auf ihrem sechsbeinigen Schemel und schnitt +Silhouetten. Dann nahm ich sie mit ans Meer in ein kleines Nest der +Bretagne. Tagelang wieder lagen wir da im Sand, ihr Leib an meinem Leib, +und wenn sie anfing zu zittern, dann ward es Abend, und die Nacht schliefen +wir in einem Bett, das Boot war, und Germaines Glieder lagen auf den +schweren roten Decken wie Achat. + +Paul Fort sagte von ihr, sie sei rührender als ein Papillon und +schmerzender als ein Gedicht von Francis Jammes. + +Germaine liebte mich, ehe sie mich verließ, aber sie hatte keine Seele. +Allein sie besaß -- unsagbarstes Wunder -- besaß Knie von ungeheurer Süße, +kleiner, zärtlicher als die Brust eines schlanken norddeutschen Mädchens +von dreizehn Jahren. -- -- -- + +Den Carrière in dem ovalen Rahmen nahm ich aus dem Zimmer des Malers +Binetti, als er nach dreitägigem Kranksein an Cholera starb. Stunde auf +Stunde, den ganzen letzten Tag rief er einen seltsamen Namen. Er diktierte +mir einen Brief, dessen Adresse ich nicht verstand. Binetti schrie. Ich +habe ihm Wasser gereicht. Habe ihn in Eis gepackt. Ich habe ihn gebadet mit +einer alten Frau. Binetti schrie den Namen. Ich habe ihn nicht verstanden. +Am Abend gestikulierte er und formte immer eine merkwürdige Gebärde in die +Luft. Sein Blick wollte mich zwingen, zu begreifen. Immer wieder machte er +die Bewegung, und eine maßlose wütende Angst löste sich von seinen Augen +ab. Er stieß mit der Zunge noch lange wie mit einem Dolch in die Luft, +rascher, qualvoller, spitzer. Aber ich verstand es nicht. + +Der Brief ist das Furchtbarste an Weh. Ich habe die Adresse nie gefunden. +Es war in Marseille. Der Mond bewarf das Meer von flachen Dächern mit einem +Licht, daß sie, eine aufflammende Kette von Spiegeln, Feuer in den Himmel +brannten. + +Vom Hafen her heulte das wahnsinnige Schmerzgeschrei eines Arabers die +Straße herauf. + +Ich und Binetti, wir hatten nach Tunis fahren wollen. + +Ich trug diesen Brief in der Tasche, und manchmal machte ich die vage Geste +in die Luft und wunderte mich und erschrak und wollte mich zwingen, es zu +lassen. Aber sie hatte Macht über mich bekommen und meinen Nachahmungstrieb +vergewaltigt, und so lief ich, ein Automat der fürchterlichen Gebärde des +Sterbenden, den Quai entlang. Und ich fühlte, wie ich anfing einen Namen zu +rufen, der sich langsam rundete wie aus einem zu A hin erhellten O mit +fremden Palatallauten dahinter. Bis ich mich plötzlich wiederfand und den +Kopf in die Fäuste geklammert aus dem Hafen rannte. Zwei Sergeanten traten +mir in den Weg. Ich kam in eine Allee, wo ein Weinen mich nahm und über +eine Bank warf. + +Dies war die einzige Nacht, in der ich sterben wollte. -- -- + +Den mennigroten Tod aus Wachs über Ihrer linken Schulter . . . nein so +. . . ja . . . schön . . . schenkte mir der finnische Dichter Karelainen, +der eigentlich Grönquist heißt. Grönquist ist schwedisch. Karelainen ist +finnisch, Darin besteht der wesentliche Wert Karelainens, daß er sich +eindeutig so und nicht anders heißt. Denn seine Verse sind schlecht. Für +den Adel und die Intelligenz ist das Schwedische die höhere Sprache, und +sie heißen sich mit solchen Namen. Karelainen stemmte dem aber seine breite +Brust entgegen, seine feinen Hände dazu und vor allem das helle Wunder +seines Mezzosoprans und propagierte mit dieser dreifachen Opposition das +Finnische. + +Aber es handelt sich nun keineswegs um Finnland. Wir saßen in einer +schmutzigen Schenke einer kleinen Stadt an dem litauischen See Ssilkine, in +dem wir gefischt hatten. + +»Die litauischen Weiber sind Klötze Fleisch. Die Liebe der Männer geht über +sie hin, Unempfindliche, wie eine Welle beim Krebsen oder ein Schlag auf +den Schenkel. Sie atmen kaum. + +Die litauischen Männer haben einen seltsamen Gang. Ihr Blut ist dick und +ihre Brunst ist die der Zugtiere. + +Aber es gibt keinen Treubruch, niemals . . .« sagte Karelainen. + +Er sah mich forschend an. Ich schaute an ihm vorbei Da winkte er ungeduldig +einem Hausierer, der, ein Grubenlicht vor den Bauch geschnallt, in der Ecke +Spiritus trank, kaufte den roten, wächsernen Tod und schenkte ihn mir. + +Er wußte, daß ich jede Nacht bei der jungen Frau des Wirtes war, die +neunzehn Jahre und ganz weiße Haare hatte und eine Haut, glatt wie ein Aal. + +Es ist nicht wahr, daß die Litauerinnen in ihren Betten liegen wie Klötze +Fleisch . . . + +Dann hob Karelainen seine Hand, die flach auf dem Tisch lag, bis auf die +Kante des schmalen kleinen Fingers, und indem er sie viele Male zart aber +scharf auf den Tisch hakte, erzählte er, daß es im Finnischen nur drei +Flüche gebe, deren erster ist »Perkala«, deren zweiter ist »Perrrkala« und +deren dritter ist ein rasches schneidendes Streichen eines jener Messer, +deren Griff aus Horn ist und deren Spitze etwas nach der Seite gebogen +scheint fast wie eine Rosenschere. + +Es ist nicht wahr, daß es im Finnischen nur drei Flüche gibt. + +Es gibt viele Stufen dazwischen. + +Denn hier stehe ich. + +Und es ist unwahr, daß es niemals Treubruch gibt in Litauen. + +Karelainen war klug. Allein seine Fallen lagen zu plump, weil er zu sehr +voll war von Eifersucht und Gift. Denn erstlich habe ich nie Angst vor +Männern und dann in diesem Falle, seine Stimme war -- Mezzosopran. + +Im übrigen war er auch darum wütend auf mich, weil ich eine Forelle +fischte, einen halben Fuß größer als seine längste. Er vergaß mir dies nie. + +Auch ist an dem billigen Symbolismus seines Geschenks apriorisch +ersichtlich, daß er ein mieser Dichter war. -- -- --« + +(Nun ging der Freund zögernd und unentschlossen um einen Schnitt herum, der +eine japanische Marterszene darstellte, und wechselte den Kopf zwischen +träumerischem Mich-Anschauen und einem Anstarren des Bildes. Dann warf er +rasch die Schultern herum und dachte aber, eh die entschlossene Bewegung +beendet war, -- es schien mir -- wieder eine Flut neuer Dinge. Auch sein +Profil hatte schärfere Linien. Und sagte dann:) »Ja.« + +Nur: ja. + +Ich sagte auch: »Ja.« + +Ich wußte nichts anderes zu sagen. Auch fand ich es heiß und drückend. + +Er sah mich sehr fremd und erstaunt an. »Ja« . . . sagte ich. + +Da antwortete er ganz kurz: »Gut.« Und dann: + +»Auch dies war in Marseille. Viele Städte haben mich geschlagen. Doch mein +bestes hellstes Blut ließ ich in dieser. Wenn ich im Traum Schiff fahre und +strande: es ist die Mole von Marseille. Wenn man im Traum (herrlicher +Rimbaud!) mich amputiert: es ist das gelbe Spital dort im östlichen +Viertel. Und auch dies, man krönt mich mit allen Insignien meines +Ehrgeizes: es ist das Stadthaus von Marseille, aus dem ich in das +Hohngelächter des Erwachens fahre. + +So hasse ich diese Stadt . . . Die Pest . . . + +Ich fuhr viel damals nach Aix. Es ist nicht weit. An der Universität hatte +ich einen Bekannten, der über Bakteriologie las. Abends spielten wir zur +Besänftigung Ecarté zu viert, ein jüdisch-russischer Flieger und ein +japanischer Schüler meines Freundes, der noch kleiner war, als Japaner +gewöhnlich scheinen. Er hatte eine sympathische Weichheit der Bewegungen +und hinter den Augen: Energie. Er besuchte mich oft in Marseille und +verstand es, was Ecarté allein ermöglicht, beim Kartenspiel entzückend zu +plaudern. Einmal traf ich ihn mit einer Dame. Doch grüßte er mich nicht. + +Auf Karneval waren wir alle zusammen in eines der großen mehrstöckigen +Cafés gezogen, mußten uns aber bald zerstreuen. Nach einer Weile bekam ich +Streit mit einem kleinen Kolonialoffizier, dem ich seine Jungfrau abnehmen +wollte, die ich als Modell des roten Malers Hessemer von Lausanne erkannte +-- es ist ja nur ein Sprung --, die Kleine hatte ein Kostüm als Nymphe, +loses Haar mit einem Reif, kurzes Kleid und nackte Beine. Ich faßte sie um +die Taille, doch sie wollte, halbbetrunken, zu ihrem Leutnant. Sie wollte +sich losreißen. Da legte der Flieger Blumenthal seine Pranke um ihr Gelenk. +Jetzt gab es kein Loskommen mehr. Sie riß, warf sich mir schäumend um die +Brust und biß mich durch den Frack tief in die Schulter, + +Blumenthal sah es, ließ sie los, sie riß sich frei. Lief davon, ich folgte. +Der Leutnant nahm den Flieger auf sich. Ich glaube, er wollte ihn in die +Tasche stecken. Doch ich verlor die Nymphe. + +Auf der Treppe zum dritten Stock sah ich aber eine junge Frau, die ein +gelbes Kleid trug, das schönste an diesem Abend. Ich griff nach ihr. Sie +lachte und stieß mir, rückwärts steigend, stets über mir, immer mit dem +Knie an die Brust. Ich lachte. Plötzlich entlief sie mir. + +Ich folgte ihr über ein paar Treppen, und da ich sie küssen wollte, führte +ich sie in eine Nische gerade unter einen Streif Sternhimmel, der zwischen +zwei Firsten lag. Sie legte mit Grazie und Wissen zwei halbvolle, leicht +nach Wein duftende Lippen, die sehr warm waren, auf meinen Mund und +flüsterte jedesmal -- denn ich tat es öfters -- dazwischen: maman . . . +Dann lief sie wieder. Ich hinter ihr. + +Sie rannte in einen Schminkraum. Ich wartete und sah auf dem Milchglas der +Tür ihre Silhouette. Sie legte Rot auf. Ich lugte hinter einer Säule. Als +sie herauskam, trat ich vor, und sie lief wie sehr erschreckt im Spiel +davon. Wir rannten durch einen Saal, durch Lauben und Séparés, und kamen +auf einen Korridor, ich wollte sie greifen -- da sah ich an einem hohen +Fenster gleich einem überraschend aufgestellten Marionettenspiel die Szene: +Der kleine Japaner gestikulierend . . . ihm gegenüber ein Mann mit stark +südlichem, fast spanischem Aussehen, in tückischer Haltung. Daneben an die +Draperie des Fensterbogens gelehnt, bleich, halb leblos, sehr gerade, eine +Dame. + +Ich sah, wie der Japaner den Arm leise hob, wie das Gesicht seines Partners +zu bluten anfing, und wie der Japaner dessen Arm über den Rücken hochriß +. . .« + +Da geschah etwas Seltsames. + +Der Freund stockte, er keuchte. Sein Atem pfiff über die Stimmbänder mit +einem Ton, als geige jemand über gebrochenes Glas. Ich fuhr auf. Er hob +befehlend die Hand, ein wenig gebückt. Ich setzte mich wieder. + +Er schellte rasch: »Wasser . . .!« + +»Verzeihen Sie!« rief er. »Ich habe Sie geblufft . . . es hat mich +überwältigt . . . ich wollte zuerst nicht erzählen . . . dann mußte ich +doch. Aber ich travestierte, tauschte alles um . . . Alle Personen sind +unwahr. Keine ist echt . . . keine Kontur. Glauben Sie es! . . .« + +Ich sah ihn kalt an. + +»Diese Geschichte ist ganz anders,« sagte er nun. »Ich habe geglaubt, sie +von mir abtun zu können, wenn ich sie erzählte, aber ich konnte sie nicht +erzählen. Da phantasierte ich sie. Aber das war noch schlimmer, zu sehen, +wie etwas hätte werden können . . .« + +Er sah starr nach dem Fenster. + +Dann brach er in ein häßliches Gelächter aus. Sein Mund zog sich nach dem +Kinn hinunter wie im Zwang von zwei Fäusten. + +Dann drehte er stumm den Schnitt gegen die Wand, verbeugte sich und bat, +nachdem er die Lichter gelöscht hatte und indem sein Gesicht wieder langsam +in die alte Form zurückkehrte, ihn hinüber zu begleiten. + +Allein ich blieb in der Türe stehen. + +Alles stürzte mit verdoppelter Wut, mit erneuter Wucht über mich hin. + +Ich fühlte: Abenteuerlichkeit fraß sich in die Wände. Schicksal brannte in +den Rahmen und wollte heraus. Sehnsüchte ohne Maß, gelebte, nur gestreifte, +schwellten den Raum, daß er fast barst, und Jahre rasten auf dem +Sekundenblatt der Pendüle herunter. + +Ich sah in diesem Zimmer alles wie in einem glänzenden Kaleidoskop +verwirrt. + +Und als ich über die Schwelle zurücktrat und das Gebeugte im Gang meines +Freundes sah, ward mir plötzlich das Straffe meiner Brust bewußt und das +Brutale meiner Haltung, und da wußte ich, daß ich mein Leben gut gelebt +hatte. Denn dies ist nicht die Frage, ob wir aufleuchtende Dinge erleben +und in heiß aufklaffenden Abenteuern stehen (wie wäre das klein und +subaltern), sondern es ist dieses, was dem Geschehenen erst Form gibt und +Würde: was wir mit den Erlebnissen tun . . . Und ich wußte bei diesem +Zusammenbruch, was mir immer klar war, das war recht: + +Man soll keine Erinnerungen haben. Niemals. Nein! Und am wenigsten noch +armselig Fetische bilden und seine Erlebnisse in Dinge tun. Man soll keine +Beichtstühle in seine Wohnungen tun. Sie zwingen in die Knie. Dann oder +wann. + +Man soll die Dinge von sich werfen. Weit. Und die Erlebnisse abstreifen wie +einen Seifenschaum mit nachlässiger Hand von der Brust am Morgen und am +Abend und jeden Tag, damit sie uns nicht demütigen einmal früher oder +später so und so. + +Denn der Genuß des Abenteuers ist das ungewiß Beschwebende: Wissen, vieles +Bunte getan zu haben, aber eine Luft hinter sich zu fühlen ohne Halt und +ohne Farbe. _Tosendes_ . . . _rasendes Leben_ . . . -- + +_So ist es._ + +Aber auch ohne dies war das Zimmer eine Sünde gegen die Kraft: Sein Rausch +war ein Anreiz im einen, und ein Opiat im andern, und eine Hemmung im +Ganzen. Denn es lagen in ihm (wie ein Hohn) zusammen das Große und +Schwache, und das Ungeheure wie das Süße . . . die Erhebungen, zwischen +deren Polen sich die Skala unserer Erlebnisse bewegt und beglänzt, und die +in dieser Spaltung, das Eine oder das Andere, maßlos entfernt und fremd +voneinander und niemals zu packen in einem Griff, unser Leben ausmachen und +erfüllen und so sind (im täglichen Leben) wie diese beiden Beispiele: + +Die Sensation eines Expreß, der eine kleine abendliche Station durchrast -- +und das Erleben eines Ladens mit ausgebreiteten Seiden an einem +allzuschnellen Frühlingstag auf der Meisengasse zu Straßburg. + +DER TÖDLICHE MAI + +ALS es nun um Ende der Woche kam, daß der Tod ihm (dem Maler und Offizier) +die Eingeweide zerriß und er brüllend lag zwei Stunden lang, geschah es, +daß die Pflegende erstaunte, denn das Geschrei bog sich langsam um in eine +Stille, und aus der plötzlich sanften Ruhe seines Mundes stiegen jauchzende +Rufe wie bunte Kugeln mählich in die Höhe und ketteten sich ineinander zu +Jodlern, wie sie im Sommer der Schweiz tagelang von Berg zu Berg +hinüberschweben. + +Sie trat dicht an ihn heran und wusch ihm mit einem getränkten Lappen den +Schweiß, der um den Mund herum austrat, aber er sang durch ihre kreisenden +Handbewegungen weiter, verdrehte die Augen, streckte sich scharf in die +Länge, legte sich auf die Seite und schwieg. + +Nach einer halben Stunde rief er die Pflegende. + +Seine Augen lagen tief in den Deckeln der Lider begraben, ein rötliches +Weiß schimmerte heraus und der halbe Abschnitt der Pupille. Der Mund und +das Kinn glänzten in leiser Seligkeit, die Stirn war rein und hell trotz +der Bräune. Die Schläfen waren eingefallen, die Nase angespannt und an den +Nüstern unbewegt wie über eine Pauke gezogenes Pergament. + +»Die Bäume . . .« sagte er. »Die Bäume . . .« und jubelte mit der Hand. + +Die Pflegende schauderte. Sie sah, wie der Tod seinen Leib aufwirbelte und +blähte und empfand zugleich, wie der Raum sich furchtbar unter seiner +Heiterkeit anfüllte. + +Er sang das Wort »Diebäume« im wechselnden Umschwung aller Melodien. Er +hielt mitten in den Buchstaben ein, ließ den Ton verrollen und schob +zwischen den bläulichen Lippen rasch und lachend den Rest nach. Er knickte +die Silben wie Weidengerten, warf die schwachen Vokale glitzernd hoch und +duckte die saftigen. Manchmal schien das Wort ein explosiver Ton, andermal +eine verwirrende Skala. Oft bog und verengte er die Laute, ließ sie wie +Brandblasen aufglühn und zerplatzen und schrie sie plötzlich in gleicher +Folge wütend hinaus. Er spielte mit dem Wort wie mit einer Beute, +katzenhaft, tückisch, selig, feig, lind und grenzenlos erbost. + +Er klomm die letzte Krise der Krankheit hinauf, das Wort wie einen Säbel +zwischen den Lippen. + +Manchmal warf sich ein Lächeln über sein Gesicht. Trunken spannte er die +Nasenflügel und sog. Die letzten Stunden der Nacht waren höllisch. + +Das Fieber kurbelte an die äußerste Grenze. Der Bauch sackte ein und wand +sich in Zuckungen. Das Weiß des Auges war über Gelb zu dickem Grün +geworden. + +Er brach blutigen Kot, schüttelte die Hand und sang das Wort + +Das Herz war im Brechen. Der Puls lief lächerlich dünn. Seine Zähne stießen +kleinen Schaum auf den Lippenrand, der sich unmerklich rundete: es war das +Wort. + +Er hing an ihm zäh wie ein Affe, verbissen an einem Trapez. Und es riß ihn +heraus. + +Schlank wie ein Tänzer lief er auf ihm durch die Nacht, das Fieber und den +blutigen Auswurf. + +Segelte dumpf genesend durch das Aufundabgehen der Gestirne, der tödlichen +schweren Sonne und den leichteren Aufflug des glänzenderen Mondes wie durch +ein Spiel mit wechselnden bunten Ballonen hin mit unsäglicher und +berauschend linder Bewegung. + +Schwamm mit beruhigendem Opium in den Adern durch die breite Schwermut der +ersten Abende und sehr frühen Morgen und das harte massive Dunkel der +Wolkendämmerungen mit einem Weiß auf der Stirn, das alle erstaunte, und +einem unmerklichen Flüstern auf den Lippen, die stets bewegt waren gleich +der Brust einer weich Schlafenden. + +Eines Morgens stieß die Sonne in einem langen und schönen Streifen durch +sein Fenster und fiel hart unter sein Kinn. Da lief eine schwache Erregung +über ihn, er verdrehte die Augen nach links, warf sie dann nach rechts +hinüber, starr, daß die Pupillen, nach oben gestemmt und aus den Höhlen +getreten, in das Innere des Kopfes hinein zu bohren drohten, ließ sie dann +sanft zurücksinken, schüttelte sich, machte den Mund auf, groß und weit und +schloß ihn wieder. + +Schloß ihn hart und fest, lag nach diesem Signal noch zwei Tage und war +darauf völlig durch die Gefahr hindurch. Er war mimosenhaft zart und sehr +scheu in den Stunden des genesenden Körpers und des kommenden Bewußtseins. +Seine Soldaten kamen zu ihm und gratulierten ihm zu dem Sieg gegen den Tod. +Er winkte mit der Hand hinauszugehen, erkannte sie kaum. Die Pflegende +sagte ihm, sie seien traurig, wo sie unter ihm in tausend überschwemmenden +tödlichen Minuten gestanden hätten, nun, wie er krank, nicht von ihm +geliebt zu sein. »So . . .« sagte er. Assistenten, Ärzte kamen. Sie +versicherten ihm alle, daß er ihr Kopfschütteln ignoriert und stramm und +siegreich über ihren Unglauben in die Gesundung hineingesprungen sei, +zweibeinig und massiv. Er sah sie verwirrt an. + +Apathische Wochen folgten. Der Vorsteher des Genesungsheims erzählte ihm. +Krieg . . . ja . . . gewiß . . . er freue sich. Er legte den Kopf herum. + +»Bücher?« + +»Danke . . . nein.« + +»Palette . . . Wollen Sie wieder malen? . . . Bedenken der Überanstrengung +zwar. Allein . . . ich wäre stolz --« + +Er schüttelte langsam den Kopf. + +Das Gewicht des Körpers nahm geringfügig nur zu. Wenig Interesse füllte ihn +für den Umkreis der Dinge, noch weniger für sich selbst. Lag eine Schwebe +zwischen Lebenwollen und Lebenmüssen, der Funktion aller Physis fähig, ein +Fragezeichen der Bejahung, allen Möglichkeiten neuen Lebens ausgesetzt +. . . aber ohne Schwung. + +Oft trat er abends auf den Balkon des Hauses, der verwachsen und kühl war. +Die Ebene betäubte ihn anfangs mit ihrer Grenzenlosigkeit, langsam empfand +er sie aber -- um ein an das Endliche stoßendes Bild zu haben -- als eine +riesige Kreisbewegung, die um ihn herum, zuerst stark, dann sich im Silber +der Ferne verzehrend, gegen den Horizont schwinge. An einer Seite hingen +ein paar Wellenschläge ferner Gebirge, runde Hügel, gleich nach unten +gekehrten Wolken, zittrig in der Luft. Diese Gegend aus Fläche, Gras und +Steppe, von brüchiger Luft überstanden, gab ihm das Gefühl, Mittelpunkt +einer gläsernen Glocke zu sein. Sonne schlief reglos auf Bach und Moos und +kleinem Gestrüpp. Die Tage hatten katzenhaften Ablauf, stumpf und +aufreizend in dem währenden Gespanntsein dieser Leblosigkeit. + +Da warf ihn eine Wagenfahrt, zu der der Arzt ihn zwang, in die unmittelbare +Nähe einer wenig entfernten Königsstadt in eine Schloßanlage. Der große +Dogcart mit den polierten roten Rädern schaukelte einen Nachmittag lang +über geschwungene Wege und über Brücken. Er erlebte dichtes Dunkel des +Parks, unendliche Stille um pagodenhafte Pavillons, den raschen +Vorbeischwung weißer Nebenschlösser. Dann befanden sie sich mitten im +Gewühl weiter Auffahrten, auf die ganz am Ende der Alleen die Kaskaden +fesselloser Terrassen herabstürzten. Hier empfand er Weite und Herrlichkeit +der Welt an sich vorbeiziehn. Der Wagen schwamm an dem langen +Wasserspielwerk, das von der Fassade bis in den blauen Horizont +hinunterlief, entlang zwischen Hunderten spazierender Menschen, zwischen +farbigen Jacken, weichgelben Handschuhen und der Orgie aufgeblasen roter +Sonnenschirme. + +Er kehrte nachdenklich nach Hause zurück. + +Am Morgen erwartete er den Aufgang der Sonne von seinem Balkon. Er sah den +Aufstieg über die schmalen Hügel und die langsame Belichtung der Ebene, die +sich sinnlos und schwer mit dem Rot anfüllte. Da ging eine unfaßbare +Sehnsucht nach Glühendem, Rasendem in ihm auf, er bog sich vor Gier nach +der Stadt. Der Arzt war dafür, er brach auf, durchstreifte Straßen, die +voll Anmut, Gärten, die voll Jugend waren. Am Abend landete er in einem +Lokal, das mit jubelnden Tapeten überzogen war. Es war gefüllt mit schönen +weißen Tischen und Stühlen. Viele bunte Laternen glühten darüber. Der Wind +bewegte sie leicht. Alle Gesichter waren von schwankendem Rot überströmt. +Feine Frauen saßen in den Sesseln, zurückgelehnt, lässig und mit Herren +plaudernd. Es gab Musik. Manchmal lief der Wind heftig durch die +ausgehängten Fenster und es gab ein Gewoge von Licht, das alle überstürmte. +Dann hoben sich die Geigen aus der Musik in die Höhe und übergitterten mit +namenlosen Spitzen den Raum. + +Da ergriff ihn das Gewühl des Daseins mit einer tobenden Berauschtheit. Er +fühlte sich von heißester Erregung in starre Kälte geschleudert und dann +von neuem beißender Hitze entgegengeworfen. In seiner Brust wütete ein +Orchester, Orgeln brannten auf, und in langen, grausamen Voluten hoben sich +die Bläser zu einem furchtbaren Stoß. + +Es war zuviel: Man sah einen Offizier die Arme dehnen, die Brust +herauspressen, einen seltsamen Jodler über das Lokal hinfeuern und die +Hände auf den Tisch zurückhauen. + +Er zerschlug die Lampe und einiges Geschirr. + +Der Kellner tat sehr ruhig. Fernersitzende dachten an Zufall und +Mißgeschick. Er gab dem Kellner märchenhaftes Trinkgeld, nahm die Mütze und +ging breitspurig, säbelschleifend hinaus. + +Draußen begann er sofort zu weinen. Toll tanzten die wunderbaren Frauen, +die er wie zum erstenmal wieder sah (wieviele er gemalt hatte, wußte er +nicht mehr, denn Dasein dünkte ihm noch neues Leben nach halbem Tod) vor +seinen Augen, die Seiden, die Funken der Lichter. Unbegreiflich schluchzend +empfand er die Wärme der Nacht, flüsternd . . . »le . . . ben . . .« -- + +Dann ballte er die Fäuste, und als er von der kleinen Station nach dem +Landhaus fuhr, stand sein Kopf scharf und sehr entschlossen auf seinem +Körper. + +Es kamen rasche Tage. Er rieb sich den Buckel an der blitzenden Scheibe der +Stadt. Freude umgab ihn lind. Trieb und Wonne füllten golden seine Adern. +Säfte rannen über seine Haut. Leben umspielte ihn reich. Es war die Rede, +daß er zur Front zurückkehre. Er nickte. + +Er nickte. Es war gut. + +Der Mond kam abends aus der Ebene durchsichtig und schön wie aus dem +weichen Munde eines Glasbläsers gebildet, und gleichsam von seinem Atem +gehoben, so schlank und zart überflog er die stumme und dunkle Festlichkeit +des Himmels. + +Bald gab es tagelangen Sturm. Böen überschütteten die Steppe. Wolken +schlugen übereinander mit Geheul. Schwere Regen knallten an den Fenstern. +Geduckt sprang brüllender Wind in jede Spalte und zersprang dort in Fetzen +von niederreißendem Radau. Nachts, wenn die Regenschwaden vom Sturm schräg +herabgehauen auf die Ebene knatterten, schien es, Tausende von Eskadronen +überritten die Steppe und die Bäuche aller Pferde schlügen langgestreckt +zwischen den rasenden Sprüngen in einem Takt gegen die Erde. + +Da zog er rocklos durch das Haus, probte die Muskeln, steckte Lichter an +und sang mit jubelnd gesteigerter Stimme. + +Er sagte (als der Wind eine Pause einschob) »Sehen Sie die Kassiopeia?« zur +Pflegenden, zog sie in die Fensternische, hob die Flügel, deutete nach oben +und lachte, als der Staunenden ein Nebelstreifen glitzernden Regen ins Haar +schmiß. + +Später einmal kam, heiß und verstaubt, ein schmaler Zug die Ebene herunter. +Er tauchte grau und wie ein Punkt auf und wurde ein dünnes Gerinnsel durch +das vergilbte Gras. Sie defilierten am Haus auf die Entfernung von zwanzig +Metern. + +Zuerst ging ein großer Mann, braun mit Narben von Hieben durch das Gesicht. +Sein Kleid war Polichinell. Enganliegend mit Dreiecken gemustert +zitronengelb und weiches Blau. Der Hals war unbedeckt und gefurcht. Seine +Beine traten wie ein Pferd einen nach vorne ausbiegenden Trab, der stets +Silhouetten vor dem vergrauten Horizont spannte und von trauriger Müdigkeit +war. Hinter ihm kam ein Elefant, ein Dromedar und ein Wagen voll von +farbigen Kindern. + +Er trug zwei Stangen über der Schulter, um deren Spitzen ein Netz geknotet +war, in dessen Maschen ein kläffender Hund saß und ein perlweißer Fasan. + +Es war so süß langweilig in diesen Tagen, daß die Insassen des Hauses alle +staunend und lachend hinausliefen, die Taschen umwandten, Geld über die +Menschen warfen und in Eile Stühle aufschlugen. O Rausch eines unerwarteten +Zirkus. + +Es gab eine glänzende Vorstellung. + +Der lange Führer wirbelte in die heiße Luft, mit Fahnen in der Hand, +Sprünge und Verrenkungen, strahlend und bunt. + +Alle Soldaten suchten auf dem Dromedar zu reiten; Die farbigen Kinder +warteten gespannt, bis ein zufälliger Blick auf ihnen zu ruhen begann, +sprangen in die Höhe, überschlugen sich grotesk, setzten sich fest auf die +Hintern und streckten bettelnd die Hand vor. + +Der Elefant rückte verlegen auf seinen Beinen, verengte den Raum unter sich +und ließ sich endlich mit seiner Rückseite auf einem Fünfzigliterfaß nieder +und zog die Vorderbeine hoch wie ein Pudel. + +Der Führer gab ihm eine Mandoline in den Rüssel und band ihm ein rosa Band +an die Spitze des Ohrs. Sein Gesicht blieb unbewegt und verächtlich wie bei +seinen Sprüngen. + +Indem fuhr auf der anderen Seite des Hauses ein Wagen an. Der Maler sprang +heraus mit zwei geschossenen Lapins und die Augen voll Träumerei von +Frauen, mit denen ihn die Einsamkeit der Heide überfallen hatte. Er trat in +das Haus und schaute durch das Fenster. + +Da schwoll sein Gesicht hochrot, er blies die Backen auf vor Zorn, und +einen dumpfen Laut ausschreiend, sprang er heraus. In seiner Hand lag ein +Säbel. Er machte einige Sätze und schlug dann die flache Klinge mit einem +sirrenden Ton dem Elefanten ausgestreckten Arms klatschend auf das Blatt. + +Das Tier sprang auf. Es stand. Es spreizte langsam die Beine, schob die +Ohren zurück und hob den langen Rüssel ganz wagrecht. + +Da ließ er, während alle anderen starr gebannt steif zuschauten, den Stahl +fallen und strich andächtig und bewundernd den Rüssel mit der Hand entlang +und hob ihn hoch, daß das weißliche Rosa des Mauls, das gleich einer +fremden von Überreife angefaulten Frucht zwischen der harten Seltsamkeit +der elfenbeinenen Hauer lag, aufklaffte. Dahinein legte er die Hand. Der +Pulcinell brachte unter Bücklingen Zucker und legte sie in den untersten +Rüssel. Der Elefant bog sie mit schlangenhafter Windung in das Maul. + +Dann warf er wie einen Springbrunnen den Rüssel hoch und schoß überraschend +und plötzlich einen so ungeheuren dunklen und wilden Schrei gegen die +Menschen, daß sie einen Augenblick alle schwiegen. + +»So . . . gefällst du«, sagte der Maler und steckte den Säbel ein. + +Das Gesicht des Führers blieb über den Verbeugungen unbewegt und +verächtlich wie bei seinen Sprüngen. + +Es lag den Abend ein gewaltiger Druck auf der Landschaft. + +Sie waren, als die Sonne sank, heiß und verstaubt, ein schmaler Zug, die +Ebene hinuntergezogen. Sie flossen ein dünnes Gerinnsel durch das vergilbte +Gras und verschwanden grau und wie ein Punkt. + +Am späten Mittag saß die Pflegende bei dem Maler, der auf einem +Schaukelstuhl lang lag und rauchte. Sie schwiegen lange Zeit. + +»Können Sie sich den Urwald vorstellen«, fragte er. Sie lächelte: »Nein --« + +». . . den Rand des Urwalds, Schwester. Ein Elefant reißt Lianen +auseinander, erscheint. Die Sonne schwingt auf, rot. Er schreit ihr +entgegen . . . Und hier: o Müdigkeit . . . o Müdigkeit . . .« + +Sie sah nachdenklich auf ihn. Dann stach sie eine Nadel durch ein +Fliederblatt und sagte langsam: »Es ist Ihre Sehnsucht, Wald, ich weiß es. +Ich weiß, daß Sie sich stets daran klammerten, als Ihre Krise war! Sie +wissen nichts?« + +Er wußte es nicht. + +Er schüttelte den Kopf, lächelte und verneinte. + +Da sagte sie leis: »Die Bäu . . . me.« + +Wieder kam das Lächeln über sein Gesicht Aber ihr war, als ob es Gewalt +bekomme über den Inhalt des Gesichts und als ob es sich einforme wie eine +fressende Säure. Seine gespannten Muskeln waren einem sekundenhaften +Verfall unterworfen. Sie schwanden unter der Haut. + +Ganz weiß hob er den Kopf: »Habe ich . . . ha -- -- -- be ich . . .« + +Von schwerem Entsetzen geschüttelt wand er die Arme durch die Luft. Seine +Augen wurden rund, kugelhaft und fast wie Glas und starrten über die Ebene. +Er keuchte und deutete vor sich: »Geben Sie mir diesen Stein.« + +Ihm schien die Schwelle eines seltsamen Unterbewußtseins durchstoßen. Er +hatte alle die Wochen nur ein Leben gehabt, das seine Wurzeln hatte in +seiner letzten Krankheit. Wohl wußte er die Dinge und Vorgänge der Zeit und +seines Lebens auch vorher. Aber in diesem Augenblick schien es ihm, daß +eine dünne Haut darüber gewesen sei und daß ihm die Erkenntnis nach deren +Platzen nun erst neu, groß und unendlich furchtbar wieder zuströme. + +Er nahm den Stein, den ihm die Pflegende reichte. Er war sehr schwer und +kantig. Er drückte seine Hände hinein, hielt ihn an die Stirn, hob und +prüfte ihn und legte ihn fest auf das Knie. Er empfand, wie die Angst vor +der plötzlichen Leere um ihn herum schwinde und wie das Gewicht des realen +Steins ihn wieder an das natürliche Leben und die geliebte Erde +(prometheisch) zurückriß. + +Dann warf er den Stein weg und sagte: + +»Schwester, Sie kennen das nicht. Sie kennen das nicht, daß der Himmel +plötzlich ein Abgrund scheint und entflieht und die Erde unter Ihnen sanft +entweicht und am Horizont ein Strudel unermeßlich aufgeht und beginnt Sie +aufzusaugen, der Sie sich schon langsam zu drehen scheinen. Schwester, +bleiben Sie sitzen. Es könnte mich sehr stören, wenn Sie sich bewegten. +Hören Sie: ich war niemals feig . . . nie . . .« + +Sie bewegte ihr stilles Gesicht hin und her. + +»Sie denken an meine Auszeichnungen,« schrie er sie an. »Nein. Sagen Sie +nichts. Daran sollen Sie nicht denken. Das liegt außerhalb meiner +Betrachtung. Bleiben Sie sitzen. Sie sollen an meine Seele und Ihren Mut +denken. Können Sie das? He -- -- --« + +Sie sagte, ihr sei das Leben keine so besondere Sache, daß sie nicht auch +dies vermöge. + +Da fing er an zu weinen, wurde sehr still und flüsterte: »Sie haben +unrecht, Schwester . . . es ist alles . . . al . . . es -- --« + +Er schluchzte mit einem zerreißend stillen Laut. + +Darauf begann er wieder zu sprechen, kalt und hart. + +Seine Stimme flog aus seinem Munde, als sei sie durch ihn, beziehungslos zu +den Lippen, die sie formten, aus irgendeiner dunklen Ferne geflossen. Sein +Kopf hob sich bleich und edel über der Kante des Stuhls, und die Haut der +Schläfen zitterte über dem blauen Geäder. + +»Mitteldeutschland . . . Schwester, beim zweiten Rücktransport von der +Front nach der Passion von fünf durchlegenen Lazaretten . . . +Mitteldeutschland im Westen . . . und es war Mai . . . das ist fabelhaft. +Der Rhein war nicht fern. Himmel seidig und bebte vor Blau. + +Wir waren da fast alles Offiziere im letzten Stadium des Genesens aus böser +Erkrankung wie hier fast . . . nur anders, süßer -- unbeschreiblicher. Es +war ein modernes Schloß mit säuligen Bogen und Wiener Keramik, mein Gott. +Dahinter Wälder und überall herum schweifige Hügel und Täler, leicht +gesenkt. Es gab eine phantastische Hygiene. Marmor, weißes Gemöbel, +Staubsektoren, Sonnenfenster, Duschen von oben, Duschen von unten. Es gab +einen unendlichen von Weite ausgedehnten blauen Tanzsaal mit einem großen +glänzenden Flügel. Pariser Millionäre hatten diesen strenglinigen Tempel +gebaut und ihn einer südamerikanischen Tänzerin gegeben, die da die +schönsten Mädchen Europas in die gleitende Form körperlicher Musik hinein +erzog. Die Mädchen waren in einer nahen Stadt damals. + +Die Kirschblüte kam. Die unzähligen Bäume beschwebten sich weiß. Es flaggte +drei Tage. Dann ging das flaumige Strahlen in einem wahnsinnigen Wind zum +Teufel. Ich liebe diese Blüte nicht. Sie ist zu weich. Kennen Sie +worpswedische Maler? + +Nein, -- ja, Schwester, was soll Ihnen Kunst, was soll Ihnen Bildnis? + +O Nebensache, o Nebensache! Leben ist hundsföttisch mehr, ich weiß. + +Nun ebenso schwach, so zag, ekelhaft überfein ist diese Blüte wie Zweige, +gemalt von diesen Menschen, hypertrophierten Empfindungsdestillatoren des +Seins. Leben ist breiter, saftiger, spritzender, Schwester: Weinernte am +Rhein, Heringsfang in Holland, bürgerliches Schmausen im Elsaß . . . + +Dann brachen alle Apfelbäume aus. Unten die Blüten ein wenig rot, oben +kräftig weiß. Die Hügelkette war zum Platzen voll von ihnen. Manchmal +standen sie wie Haine zusammen. Ich liebe sie. + +Es roch, Schwester --« + +Er warf das Gesicht zurück in einer wahnsinnigen Spannung: »Ich fürchte +mich,« flüsterte er. + +Sie legte ihre Hand auf seine. + +Aber er schüttelte sie ab: »Lassen Sie das --.« + +Sie ließ es. Sie setzte sich näher zu ihm. Seine Stimme fing wieder an: + +»Abends sanken Herden von Nachtigallen in die Bäume und verwüsteten die +Nacht mit Süßigkeit. + +Niemand weiß das, der es nicht sah: Sie werfen ihren Hals hoch, daß er +plötzlich mit Gesang, der nicht Ton wurde, rasend gefüllt steht gleich +einer runden Trommel, eine glühende Blase, größer schier als ihr Leib, an +der sie wie an Montgolfieren in die weiche Unendlichkeit verschweben +könnten -- und dann werfen sie die stählerne Wärme der langen aufblitzenden +Laute ergreifendsten Verzücktseins in die entzündete Dunkelheit. + +Wir hatten einen blonden Kameraden aus Bornholm. Er wurde verrückt, als +nach einem Gewitter aus einem nassen Fliederbusch ein Dutzend Nachtigallen +plötzlich mit Gesang aufklirrend sein Gleichgewicht zu schwer +erschütterten. + +Ja, daß Schönheit tausendfach mehr tötet als Haß und Wut, Sie sollen es +wissen. Was sage ich Ihnen, Schwester. Wo will ich hin . . . hören -- hören +Sie mich? . . .« + +»Sie erzählen die Verzücktheit des Lebens . . .« sagte die Schwester innig +und bewegt. + +»Ich erzähle die Verzücktheit des Lebens. Ja. O Rausch, o Sonne, o Ruhm, o +Süßigkeit . . .« Er stemmte die Fäuste im äußersten Schmerz und +schwärmerisch gegen die Brust. + +»An einem Abend kamen dreißig Damen, ein Fürst und viele Herren. Es hatte +eine märchenhafte Art. Sie trugen seidige Kleider, Schwester, o von so +feinen Firmen, die Sie nicht kennen. Und es gab wie Glas schimmernde Namen +und schwermütige Profile. + +Es gab Lampione. + +Es gab Mond. + +Unter den Apfelbäumen war eine Lichtung. Der Hügel schob sich leicht und +schräg gegen den Horizont. + +Wir saßen alle auf Stühlen, die auf der Wiese standen. Der Fürst hatte +einen Säbel in einer Hand, in der anderen Blüten. + +Dann kamen die Mädchen, Jungfrauen im Alter bis gegen Zwanzig, die kein +Mann berührt hatte und die nur wenige sahen, die sich, weibliche Narzisse, +nur in der entrollten Geschmeidigkeit sälelang ins Uferlose gestellter +Spiegel in ihren Körpern empfanden. Sie trugen kleine Tuniken, die wie +nichts waren, und tanzten auf dieser schrägen Ebene uns gegenüber zwischen +den Bäumen, tanzten mit Hüften, fließend wie die glatten Sprünge der +Leoparden, Beinen . . . stumm vor Berauschtheit, und Armen, die sie im +wilden Entsetzen der Schönheit in den Mond hinein schwangen. + +Alle gingen dann zurück zum Schloß, ich stieg zum höchsten Hügel . . .« + +Er hielt ein. Sein Blick tauchte verschleiert in die Tiefe des späten +Mittags. Seine Worte fielen dann, als er wieder anhub, heftig, immer +schärfer und in monotoner Geschwindigkeit. Sie fielen, als stünde einer im +Licht in voller Rüstung und schlüge im riesigen Kreisschwung beider Arme +zwei Schwerter pfeifend immer rascher durch die Luft. + +Er sagte: + +»Es war still geworden, fast tonlos. Manchmal allein in langen brausenden +Linien stürzten schwere Hummeln auf die weiße Ebene der Bäume. Es war lau, +weich, Wasserdampf schwebte in der Luft. Das ließ die Ferne vibrieren und +die Sterne hatten davon etwas feuchten Schimmer. Hügel schob glatt über +Hügel, Linie über Linie schwingend, in die Rheinebene. Bäume sprangen +Abhänge hinauf, in der Nacht hin und her, und standen näher, tänzerisch +zueinandergeneigt. Oben hing der Mond. + +Diese Nacht war ungeheuerlich in ihrer Üppigkeit. In ihrer nassen Glut. In +ihrem unheimlich gesteigerten stummen Gebrüll nach Dasein und trunkenster +Fülle des Lebens. + +Schwester: ich dachte da mit einemmal blitzhaft an die wüstesten und +größten Dinge meines Lebens. + +Ich wußte um Grate im bayrischen Gebirg, die ich spielerisch als Knabe +überrannt hatte. Ich sah den schweren Wahnsinn der afrikanischen Hetzen. +Sah den zerschlagenen beuligen Kopf im Dirnenhaus des Genuesischen +Hafenviertels im Augenblick des Erwachens verzerrt in schmutzigen Kissen. +Ich wußte um das aufschreiende Werben fetzender Granaten, die trunkene +Explosion der Abendschlacht. Ich sah ein Segelboot kentern im Starnberger +See, sah den großen Verzicht eines feinen Mädchenauges (o weinen, weinen), +sah den verwesten Leichnam des Freundes aus der Konfirmation im Park +erhängt, sah das Sterben Maria Anderssons, die ich geliebt habe, die Schöne +und Tanzende, wie einen bunten Vogel. Ich wußte um den Augenblick, der +bewegungslos in der Pupille des Persers hing, als er in einer Pariser +Spielspelunke den Dolch mir über die Achsel in den Rücken schlug -- -- + +Was wissen Sie, Schwester, was einem Mann schwer und Gefahr ist . . . + +Aber ich wußte in dieser Minute: daß ich lächelnd dies alles wiederholen +würde, daß ich singend wie ein Engel van Dycks gegen tausend Mündungen +Kanonen gehen könne . . . statt dieser Minute . . . daß dies alles Erlebte +eine kleine Prüfung, ein verächtlicher Vergleich und ein Geringes und +Unwirkliches an Schwere sei gegen diesen _einen_ Augenblick des Erlebens. + +Denn es kam, daß ich vor der tobenden Süßigkeit der Nacht, in der das Leben +dunkel rauschte wie ein verschlossener Schwarm von Bienen, daß ich vor der +ungeheuerlichen Berauschtheit des Daseins mich hinwarf und weinte und +grenzenlos den Tod zu fürchten begann. + +Den Tod, der mir eine gemeine Sache, Oberfläche und sehr gering zu schätzen +erschien, wo er mir nahe war wie eine Kugel, ein Gift oder ein Dolch +. . . und es mir blieb . . . in dieser Form . . . auch späterhin. In dieser +Form . . . in dieser Form. + +Ich weinte. + +Und da schwamm aus dem Schloß das hungrige Begehren einer Geige, hob sich, +klirrte wie ein scharfer Käfer, raste um die Hügel, hieb sich verzweifelt +sehnsuchtsvoll in die starke Brunst der weißen Bäume und kreiste den +Horizont ein in zuckende Tiraden. + +Und ich spürte die Hand, welche sie führte, fühlte mit gleichem Gefühl das +weiche Fleisch des jungen Mädchens, das sie spielte, die rasche Berührung +ihrer Brust, ihres streifenden Beines, das erzitternde weiche Fleisch mit +dem silbernen Flaum, die mädchenhafte Weise des wiegenden Gangs, die +königliche Süßigkeit . . . und ich brüllte, Schwester! Ich lief in den Hain +und brüllte: -- Nicht sterben! -- brüllte ich. Riß kleine Zweige und +zerkaute sie, bohrte das Gesicht in überschäumte Äste, betete, fluchte, +weinte . . . es gab keinen Gott, der dies löste. + +Ich begriff es nicht: Den Tod belächeln, das Leben fürchten . . . + +Aber überall war Tod. Die Blüten brannten furchtbar an den unteren Flächen. +Tausendfach schwoll Blut in der Luft. Eine riesige Spinne krampfte +schnürend das Getanz der Apfelbäume zusammen, sie zitterten unter +entsetztem Schrecken. Regenbogen schnellten durch die Nacht. Mord saß +dunkel im Geäst. Ich ängstete auf der Stirn. Der Mond war mild. Aber die +Sterne bogen sich herum und blitzten kalt wie die Spitzen unzähliger +hingehaltener Schwerter. + +Und das Schweigen dehnte sich, als ob es zerreißen müsse, und die +Stummheit, die volle maßlose Trunkenheit der Nacht kam in Bewegung, drehte +einmal um und begann zu kreisen und ward ganz fern am Himmel ein dunkler +Strudel, der sog und sog -- + +Ich schrie. Hell. Entsetzt und außer mir . . . Ich wollte nicht sterben. + +Wollte nicht sterben. Nein . . schrie -- + +Schwester, ich habe nachher noch, eh ich herkam, vor meinem Typhus, den Tod +gekannt in vielen Phasen, nahe an mir vorbei oder sich zurückwerfend vor +mir im letzten Moment des Anlaufs. Ich stand in ihm wie der Mittelpunkt +einer Explosion zahlloser Schrapnells. + +Ich lüge nicht. Ich hob die Hand, ihn zu zerdrücken. + +Ich hob die Hand, verächtlich, und schlug nach seinem Gesicht -- + +Aber in jener Nacht, da . . . da erkannte ich tiefer den Tod in der +ungeheuerlichsten Schwellung des Lebens. + +Ich lief ins Schloß, kroch in eine Ecke und fürchtete mich. + +Ich wurde verachtet, geschmäht, verlacht. Man tat das Äußerste zur +Erklärung des Unbegreiflichen im zivilen Dasein: man zweifelte an meiner +Zurechnungsfähigkeit. Man hätte mich anspeien können. + +Ich hätte gebettelt: Leben . . . leben . . . + +So ist es. + +Schwester -- aber ich weiß, ich weiß nun mehr, unerträglich mehr wie alle +anderen Menschen. Ich weiß: ungeheure Taten mögen geschehen, endloser Ruhm +errafft werden von Dichtern, Feldherrn, Musikanten und Malern . . . im +letzten Ziel ist Tod. Andere wissen das nicht, ahnen es, haben aber nicht +die Schärfe ewigverkündlichen Wissens und Umsichfühlens. + +Wie ist die Welt bunt! Leichte Karussells laufen über die Jahrmärkte. +Flieger erschwimmen die betäubende Höhe der Gestirne, gewiegt vom Nichts. +Kapellen spielen in Theatern und Gärten. Mädchen tragen Schürzen im Hause +und Bänder zum Ball. Und die Pferde . . . auch die Hunde sind schön und von +Andacht . . . Städte erleuchten sich abends mit sanftem Gas. + +Wie kann ich dieses Beschwingte fürder noch spüren, den feinen Reiz und die +breite Schönheit, wenn ich den Tod darin sehe jederzeit? Und muß sie doch +lieben grenzenloser als immer und brennender wie jeder, weil ich weiß, daß +das Leben so schwer und so gewaltig hoch das Letzte ist. Aber meine +glühende Liebe wird stets auf den Tod stoßen, und so werde ich hin und her +geschleudert sein, ahasverisch und in einem verzehrenden Tosen, zwischen +ungeheuerer Anbetung und tödlicher Erkenntnis. + +Ich werde in unmenschlichen Spannungen leben müssen, denn das Spannungslose +saugt mich auf. Ich werde lächeln und, von Gefahr und höchstem Erleben zu +anderen springend, mich bewegen wie aus dem Arm von unzähligen Frauen in +den von neuen Namenlosen. Es ist eine tolle übersinnliche Liebe zum Leben +dies, Schwester. + +Ich werde nicht mehr ruhen können. + +Denn Gefahr ist ein kleiner Augenblick und Sterben darin eine strahlende +Sekunde. Schönheit der Welt aber dem Wissenden eine unendliche Qual und +Bedrohung und ewige Leere. + +Ich möchte nicht, daß Sie an diese Erkenntnis streiften, Schwester, weil +Sie ein schönes und ruhiges Gesicht haben. + +Ich bin von Freude geschwellt für den Augenblick, wo ich hier abziehe. Denn +alles da ist trostlos und müd und ohne Heroischkeit. + +Sehn Sie, es ist furchtbar, wenn ich müßig in die Ferne schaue . . . +Schwester, liebe Schwester . . . wie der Horizont sich dann zusammenzieht, +wie Hügel hineinschwanken und gleichsam in einem Rachen verschwinden. +Manchmal blinkt es silbern. Nun hebt sich die Ebene. Taumelnd gurgelt die +Welt in den Strudel. Die Leere . . . die Leere -- + +Glauben Sie nichts. Ich weiß, daß das eine Vision ist, daß wir fest stehen +und unerschütterlich, wie wir es glauben. Aber ich empfinde alles im +Gleichnis, und oft ist Gleichnis uns die nächste und verwirrend deutlichste +Realität. Ich sehe vieles im Bilde, weil ich in einer übersteigerten +Sekunde über das Leben und gewöhnte Maß hinaus _erkannt_ habe.« + +Er schwieg und schloß die Augen. + +Er sagte noch: »_Wo ich das Grauen vor dem Tod am zerschmetterndsten +empfunden habe, an dieser Stelle, meine ich, muß die ungeheuerlichste Kraft +des Lebens sitzen --_ + +Darum rief ich, wie ich sterben sollte, nach diesen Bäumen.« + +Er sann nach. Und plötzlich schien Furchtbares auf ihn zu stürzen. + +Aber bald formte sich sein verzerrter Mund in lächelnde Ruhe, und er +flüsterte halb singend, somnambul: »Die Bäu . . . me --« + +Dann schüttelte er kurz den Kopf, lächelte rasch und sagte: ». . . Liebe +Schwester -- müssen Sie nicht bei all diesem auch dem Tode näher sein als +dem Leben?« + +»Nein,« sagte die Pflegende unendlich mild und fest, »es ist das +Gegenteil.« + +Er sah sie staunend an. + +Dann aber war es, als rase das entsetzliche Erleben in einer letzten +grauenhaften Spannung noch einmal in ihm hoch. + +Er warf die Hände in die Luft und rannte hinaus. + +Die Pflegende ging ans Fenster und lehnte sich ruhig hinaus. Sie sah ihn +eilig hinauslaufen und in den Hof einbiegen. + +Dort stolperte er über eine Gießkanne, schwebte kurz in der Luft und +taumelte dann zur Seite. Er fiel, die Hände vorgestreckt, in einen Hügel +und bohrte auch sein Gesicht hinein. + +Es war Kuhdünger aus den Ställen vom Morgen her. + +Der Hügel dampfte in einer weißen Wolke warm und schön. + +Er aber tat den Kopf nicht gleich zurück, sondern ließ ihn wenige +Herzschläge lang da noch liegen, denn er fühlte in einem wunderbaren +Gefühl, daß diese Lage unschön sei und schmutzig vielleicht und auch wohl +manchem großen Ekel machend, aber (was viel größer sei) tief und warm und +so unendlich voll Dasein. + +Die Pflegende am Fenster hob ihr Gesicht ein wenig höher und dachte: O +diese Hölle in _einer_ Brust. Er wird das Leben furchtbar packen wie eine +unendliche Geliebte. Wie ich ihn lieben muß. + + + + + + + +End of the Project Gutenberg EBook of Das rasende Leben, by Kasimir Edschmid + +*** END OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK DAS RASENDE LEBEN *** + +***** This file should be named 30628-8.txt or 30628-8.zip ***** +This and all associated files of various formats will be found in: + https://www.gutenberg.org/3/0/6/2/30628/ + +Produced by Jens Sadowski + +Updated editions will replace the previous one--the old editions +will be renamed. + +Creating the works from public domain print editions means that no +one owns a United States copyright in these works, so the Foundation +(and you!) can copy and distribute it in the United States without +permission and without paying copyright royalties. Special rules, +set forth in the General Terms of Use part of this license, apply to +copying and distributing Project Gutenberg-tm electronic works to +protect the PROJECT GUTENBERG-tm concept and trademark. 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Thus, we do not necessarily +keep eBooks in compliance with any particular paper edition. + + +Most people start at our Web site which has the main PG search facility: + + https://www.gutenberg.org + +This Web site includes information about Project Gutenberg-tm, +including how to make donations to the Project Gutenberg Literary +Archive Foundation, how to help produce our new eBooks, and how to +subscribe to our email newsletter to hear about new eBooks. diff --git a/30628-8.zip b/30628-8.zip Binary files differnew file mode 100644 index 0000000..d0b91e3 --- /dev/null +++ b/30628-8.zip diff --git a/30628-h.zip b/30628-h.zip Binary files differnew file mode 100644 index 0000000..6aded84 --- /dev/null +++ b/30628-h.zip diff --git a/30628-h/30628-h.htm b/30628-h/30628-h.htm new file mode 100644 index 0000000..bebf54a --- /dev/null +++ b/30628-h/30628-h.htm @@ -0,0 +1,2041 @@ +<!DOCTYPE html PUBLIC "-//W3C//DTD XHTML 1.0 Strict//EN" +"http://www.w3.org/TR/xhtml1/DTD/xhtml1-strict.dtd"> +<html xmlns="http://www.w3.org/1999/xhtml"> +<head> +<meta http-equiv="Content-Type" content="text/html;charset=iso-8859-1" /> +<title> +The Project Gutenberg eBook of Das rasende Leben by Kasimir Edschmid (German). +</title> + +<style type='text/css'> +h1 { text-align: center; margin-top: 10%; page-break-before: always} +h2 { text-align: center; margin-top: 5%; margin-bottom: 10%} +p { margin-left: 0%; + margin-right: 0%; + margin-top: 0%; + margin-bottom: 0%; + text-align: justify; + text-indent: 4% + } +p.noindent { text-indent: 0%; } +p.right { text-indent: 0%; + text-align: right; + margin-left: 8%; margin-right: 4%; + margin-top: 0%; margin-bottom: 2%; + } +p.poem {text-indent: 0%; + margin-left: 8%; margin-right: 0%; + margin-top: 2%; margin-bottom: 2%; + font-size: small; + } +p.blockquote {text-indent: 0%; + margin-left: 8%; margin-right: 4%; + margin-top: 2%; margin-bottom: 2%; + } +p.center { text-indent: 0%; text-align: center; margin-top: 5%; margin-bottom: 5%; } +p.first { text-indent: 0% } +p.first:first-letter { font-size:xx-large} +</style> +</head> + +<body> + + +<pre> + +The Project Gutenberg EBook of Das rasende Leben, by Kasimir Edschmid + +This eBook is for the use of anyone anywhere at no cost and with +almost no restrictions whatsoever. You may copy it, give it away or +re-use it under the terms of the Project Gutenberg License included +with this eBook or online at www.gutenberg.org + + +Title: Das rasende Leben + Zwei Novellen + +Author: Kasimir Edschmid + +Release Date: December 8, 2009 [EBook #30628] + +Language: German + +Character set encoding: ISO-8859-1 + +*** START OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK DAS RASENDE LEBEN *** + + + + +Produced by Jens Sadowski + + + + + +</pre> + + +<p style="font-size:small;text-indent:0%"> +Transcriber's Note: +Text that was s p a c e d - o u t has been changed to <i>italics</i>. +</p> + + +<h1> +<span style="font-size:xx-large">DAS RASENDE<br /> +LEBEN</span> +<br /> +<br /> +<span style="font-size:small">ZWEI NOVELLEN<br/> +<br /> +von</span><br/> +<br /> +<span style="font-size:large">KASIMIR EDSCHMID</span> +</h1> + + + + + +<p class="center">LEIPZIG<br /> +<br /><br /><br /><br /><br /><br /> +KURT WOLFF VERLAG +</p> + +<p class="center" style="page-break-before:always"> +Bücherei »DER JÜNGSTE TAG« Band 20<br /> +Gedruckt bei E. Haberland in Leipzig. +</p> + + + + + + +<p class="center"> +<br /><br /><br /><br /><br /><br /> +<br /><br /><br /><br /><br /><br /> +<br /><br /><br /><br /><br /><br /> +<br /><br /><br /><br /> +<span style="font-size:small"> +COPYRIGHT/KURT WOLFF VERLAG, LEIPZIG/1915 +</span></p> + +<p class="center" style="page-break-before:always"> +Diese Novellen reden im hauptsächlichen Sinn nicht<br /> +(wie das vorausgegangene Buch) vom Tod als einer<br /> +letzten Station, nicht von Trauer und vom Verzichte.<br /> +Sie sagen auch nicht: leben. Sie sagen: rasend<br /> +leben. — — Mit vierundzwanzig Jahren starb, ein<br /> +ungeheueres zersprungenes Gefäß der Kraft, zu<br /> +früh mein Landsmann und sehr großer toter Bruder<br /> +Georg Büchner. Er stammte aus Darmstadt, liebte<br /> +den Elsaß und ist mir auch sonst seltsam nahe.<br /> +Schrieb Lenz, Danton, Wozzek und die unendliche<br /> +Süßigkeit Leonce und Lenas.<br /> +Ich widme dies Buch des größten<br /> +Lebenswillens seinem großen<br /> +Andenken. + + +</p> +<h2 class="chapter">DAS BESCHÄMENDE ZIMMER</h2> + +<p class="first">DEN ABEND war ich bei einem Freunde. Wir +waren allein. Wir hatten uns in politischen Dingen +ausgerast. Wir hatten Tee getrunken, der — ich +glaube — sehr leicht nach dem Haar von Kamelen roch. +Er sprach von einer Jagd in Turkestan. Darauf sagte +ich einiges und beiläufig von Wintertagen bei Utrecht. +Dann redeten wir lange wieder von Paris. Ich hatte gerade +die Schattenspiele der Connards erwähnt und wollte +anfangen, von dem merkwürdigen Effekt zu erzählen, +als ich Wolfsberg ohne Bart am Square de Vaugirard +traf . . . da war mein Freund, der ganz ruhig gesessen +hatte, wie unter einem lang zurückgehaltenen Entschluß +rapid aufgestanden und hatte mich durch sein Bad in +ein Zimmer geführt, von dessen Existenz ich keine +Ahnung hatte. + +</p><p>Er hob den Arm. Zwei Lichter am Fuß der Wände +füllten sich langsam mit prächtigem Licht und strichen in +warmen Flutungen und Bündeln die honiggelben Seiten +hinauf. Dann öffnete er das große Fenster nach der +Straße und schob eine Jalousie vor das Loch. Sein Profil +stand rasch, von Abenteuern zerfetzt, aber gütig, vor +dem hellen Tuch . . . dann waren nur seine Hände da, +die grotesk waren in ihrer Röte und noch mehr wie +sonst denen eines Matrosen ähnlich schienen, wo sie allein +von Licht überspielt dastanden. Kraft, die in Weichheit +gebändigt war, ging von allen seinen Bewegungen aus. + +</p><p>Dann öffnete er gegenüber zwischen zwei Schränken +das Schiebefenster zum Garten. Sommerliche Nacht +strich herein. Das Tuch lehnte sich tief aus der Füllung. +Schatten überschaukelten den Teppich und an den Wänden +zog ein Klappern hin. Es war ein melancholisches +unangenehmes Geräusch. Als ich aufsah, lächelte der +Freund, wies mit halbgedrehter Hand auf die Bilder, +die die hohe und breite Mauer in einem Gurt durchschnürten, +daß über und unter ihnen eine gleiche Fläche +glänzender Tapete freiblieb. Sie hingen an Stricken, Bändern, +Seidenkordeln und Tauen. Einige bedeckten sich +fast völlig, manche überschnitten sich mit den Rahmen +und bildeten in allen Stufen und Farben zusammenhängend +ein eigentümliches Mosaik. + +</p><p>Wies auf die Bilder und sagte: „Es ist keines darunter, +in dem nicht ein Erlebnis wühlte. Es ist eine +Laune oder ein Experiment. Ich muß es abwarten. Ich +habe sie hier aufgehängt ohne Auswahl, ohne Ordnung, +je wie ich hierher zurückkehrte und wie es mir gefiel. +Es liegen Jahre in manchem eingeschlossen und strömen +sich aus. + +</p><p>Oft ist mein ganzes Zimmer hier voll von dem Frühling +in Paris. Dieses Bild ist die Schaukelnde des Fragonard. +Sie hat das eine Bein zurückgezogen, das andere +zieht in dem trotzigen Aufschwung noch die Volute der +losgeschnippten Pantoufle nach, und um diese graziöse +Entblößung fällt das Schwebende der weiten Robe und +der Duft der Farbe, der gleich einer Wolke darübersteht. + +</p><p>Ich kaufte es eines Abends an einem Tag, da wir +morgens nach St. Germain gefahren waren. Es war der +erste jener bezwingenden Tage, die aufquellen aus einer +gleichgültigen Nacht und voll sind von der Zärtlichkeit +des Blaus und der warmen Stille einer Verheißung. Wir +standen auf den Dächern der Waggons, die starrten von +Ruß. In den Gärten brachen +die Mandelbäume auf. Wir liefen wie ganz junge Hunde die +Quere durch den Park. Es gibt in dieser Zeit nur eine Seligkeit: +fühlen, wie das Spiel der Muskeln um eine Freude herum +erwacht. Wir lachten und liefen, sprangen über Hürden, öffneten +eine Holztür mit Lilien . . . und dann wußten wir erst, +daß wir Eindringlinge seien: als wir gerade hineintraten in das +Rondell. + +</p><p>Aus einem Bogengang ließ sich eine Schaukel nieder. Eine +Dame saß darin. Sie trug ein dünnes hellrosa Kleid. Wir sahen +sie vom Rücken. Ihre Arme umfingen die beiden Schnüre und +zogen sie in einer lässigen Knickung zusammen, wobei sie sich +etwas nach rechts lehnte. Ihre nach vorn vereinigten Hände +mußten etwas halten, über das sie den Kopf senkte. Es war +so still, daß man die Schaukel quietschen hörte, wenn die +Dame am vorderen Auslauf sich mit dem einen Bein an einem +in rotpunktierten Blüten stehenden Aprikosenbaum abstieß, +während sie das andere hastig zurückzog. Dabei senkten sich +jedesmal eine Handbreit Spitzen unter dem Brett augenblickslang +über ein sehr zierliches Bein. + +</p><p>Dann hörte sie uns. Sie glitt von dem Holz. Ihr schmaler +weißer Kopf senkte sich schräg. Sie raffte mit einer schützenden +Bewegung die dünne und kurze Matinee. Damit gab +sie sich noch mehr preis. Wieder erschien ihre Wade in dem +glänzenden Strumpf und der noch hellere Schuh. Allein das +merkwürdige war . . . sie ward nicht rot, nicht verlegen, sagte +nur mit einer Stimme, die kindlich war, anklagend, alles war +und umschloß in Inhalt, Tiefe und Modulation dieses ‚Good +morning‘ — nur dieses —, schritt langsam, ohne +wieder herzusehen, in einen Seitenweg. + +</p><p>Wir zogen uns zurück. + +</p><p>Ein Erlebnis wie ein Pastell . . . sagte einer. + +</p><p>Kindlich, dachte ich, niedlich, ästhetisch! Verstehen Sie! +Es war kein Herr dazugekommen, niemand hatte gerufen, +etwas gesagt, nur ein Geräusch: good morning. + +</p><p>Aber am Abend im aufheulenden Lärm des Boulevards +kaufte ich dies Bild. Manchmal hörte ich den Klang +der Stimme nachts im ganz Stillen, oft am Meer, im +Orkan der Versammlungen, im Räderstampfen und in der +Explosion der Dampfer. Jetzt im Augenblick rieche ich, +physisch — Sie lächeln — ich rieche jeden Geruch jenes +Morgens, das Feuchte vom Boden, das Arom der Luft +zwischen den Knospen, den Aprikosenbaum und das +Warme darüber. Sie sehen, mit welch wahnsinniger Intensität +sich ein Erlebnis einfressen kann, das wir zuerst +flach empfinden und leicht ablösbar wie die Spur des +Atmens an einem Spiegel . . . und das bleibt, stärker und +nachwirkender wie das Ungeheuere im ersten Erblicken +eines anderen Erdteils, wie verstörter Ehrgeiz und Tod +der Schwester. — — — + +</p><p>Ich habe stets das gedacht, was mich retten konnte. +Darum liebe ich jenes Bild. Es ist wenig daran. Eine +alte Radierung, zwei alte Menschen, ganz dunkel, um +die Köpfe nur ein wenig Licht. Ich dachte mir einiges +Angenehme dazu. Es half mir. Ich lag damals immer +zu Bett, krank und mutlos. Ein kleines Mädchen schenkte +es mir, das abends in den Vorstädten geigte. Ich besinne +mich vergeblich auf ihre Haltung. Ich weiß keinen Zug +mehr von ihrem Gesicht. Aber ich weiß, wie sie das +Bild auf meine Decke legte und ihren grauen baumwollenen +Handschuh daneben, der irgendwo dunkler geflickt +war. — — — + +</p><p>Der Goya da kam eines Morgens als Paket in graues +Sackpapier eingeschlagen. Mag sein, daß ich mißmutig +war. Riß es auf, und der Riß fuhr in ihn hinein, klaffend +bis mitten in die Kampfszene. Genau zwischen Stier, +der den Nacken zum Stoß einzieht, und Pferdebauch und +gerade über den schnelleren Heft der Lanze. + +</p><p>Er kam von einem Brasilianer, mit dem ich eine Nacht +fuhr von Kowno nach der Grenze. Es war Schneesturm. +Er sagte mir mit Leidenschaft vieles von seiner Heimat: +dem fürstlichen Meer des Amazonenstroms, den glühenden +Nächten, die sie erträglicher machten durch das Genießen +unzähliger Kannen sehr heißen Kaffees, und dem +Gekreisch der Papageienherden. + +</p><p>Der Sturm brach sich an der Böschung, drückte mit +blödsinnigen Stößen auf den langen Leib des Zuges. +Wir wurden warm und zogen zusammen das Fenster +herunter. Sofort zerbrach es. Die Scheibe spritzte uns +ins Gesicht. Wir bluteten mit vielen kleinen Wunden. +Der Wind knallte das andere Fenster hinaus, die +Rahmen krachten. Schnee stopfte uns den Mund voll, +wenn wir sprechen, rufen wollten, wir würgten, konnten +nicht atmen. Pse! lachte der Brasilianer. Mehr hörte +ich nicht. + +</p><p>Hagel klatschte uns gegen das Gesicht, das anschwoll, +schmolz daran, und fror im gleichen Augenblick in einer +Maske von Eis wieder vor. Wir sahen aus, als hätten +wir Gesichter aus Glas oder von roter Gelatine. Denn +wir bluteten sehr und lachten. + +</p><p>Es ist auf dem Bild des Stierkampfs nur die unterste +Reihe der Zuschauer zu erkennen. Doch es scheint: eine +Welle von Wut und Ekstase sei das Amphitheater in +einer Kaskade hinuntergestürzt und habe sich in diesem +Parkett bäumend gestaut. + +</p><p>Es ist eine schwere Lache Blut auf dem Bild. + +</p><p>Der Stich liegt auf einem alten gelben Papier, das +vor Leidenschaft knistert, wenn die Sonne durch das +kleine Fenster in einer Säule darauf steht. + +</p><p>Ich denke gern an diese Nacht. + +</p><p>Aber ich liebe noch mehr jenen Sommer, in dem alle +Tage waren wie jene Nacht.“ (Er hob mit steifem Arm +eine breite, weißgerahmte Radierung heraus, daß die +Schnur sich straff ins Zimmer spannte, und blieb, sie auf +der hohlen Hand wiegend — die andere in der Tasche — +stehen.) — „Man kann nicht anders empfinden: Alles +ist hier bezwungen von dem bleichen Weg. Sei es, daß +er zwischen dunklen Hügeln in einer geheimnisvollen +Biegung läuft, . . . ob dämmrige, schwere Fischerhäuser +nebenan der Düne liegen mit verglasten Luken und +dann der Spuk der Telegraphenstangen ihn begleitet bis +zu dem Kreuz auf dem Hügel . . . mag sein, daß das +alles die geballte Atmosphäre gibt von Trauer, Unheil +und ganz schwachem süßem Licht am Horizont . . . ganz +groß und so, daß er all dies missen könnte, ist nur der +lange weiße Gang des Wegs, der sich langsam mit unheimlichem +Wollen, steigend, verblassend, in den grauen +Himmel über den Dünen wie in ungeheure, frevelhafte +Übersinnlichkeiten hinausschraubt. + +</p><p>Es ist ein Sujet aus Bornholm von dem jungen Radierer +Georgi. Ich traf ihn auf einem Petroleumsegler +von Kopenhagen nach den Faeroers. Wir waren die +einzigen Passagiere. Und die einzigen Fremden (wenn +wir einen kleinen Botaniker, der nach drei Tagen von +einem unmöglichen Hügel abstürzte, nicht rechnen) auf +den Faeroers von Anfang Juli bis in den Oktober hinein, +der schon Eis brachte von Island her. + +</p><p>Wir lebten jeder in einem anderen Fischerdorf. Er +zeichnete. Ich schrieb, nein ich fischte, schoß mit einem +siebenendigen Kugellazo nach Vögeln und liebte die breiten +Mädchen. Meistens war Sturm. Er kam und man +fühlte ihn rund oder blau und so stets wie als könne +man ihn packen irgendwo. Oft schien es, er flösse aus +einer immer breiteren metallenen Hülse, dann stieg er +auf der See hoch gleich einem Segel und überschwemmte +in einer plastischen Strömung den Strand. + +</p><p>Häufig lagen wir einen ganzen Tag auf einer Klippe, +die in rechtem Winkel hinabsauste zum Meer. Wir +hatten die Köpfe in den Arm gewühlt. So raste der +Wind. Ganz hell, fast weiß war der Himmel. Wir +konnten nicht aufstehn. Er hätte uns hinuntergeweht. +Ganz sacht vielleicht, spielend wie ein Stück Tuch, locker +es aufhebend, kreisend, rasch senkend und dann aufs +Wasser legend. Wer weiß! Zeitweis hielt ich mit aller +Kraft (er machte eine Parade als zerknackte er etwas +im Armgelenk) einen Block vor den andern, auf den er +Striche setzte. Wie hinter einer Barrikade verschanzt +und in atemloser Eile. So raste der Wind. + +</p><p>Ich lag ein anderesmal allein einen Tag in brennender +Sonne und dann noch eine Nacht auf einem Felsen und +wagte <i>einen</i> Tritt nicht zurück, bis morgens unten die +Mädchen der Fischer vorüberfuhren. Eine trug einen +roten Rock. Sie winkte. Sie rief: Du bist früh hinaufgestiegen +. . . Sie war aus Store Dimon. Da tat ich es. + +</p><p>Wir trugen keine Schuhe in dieser Zeit. Bündel Bast +lagen um unsere Füße. Unsere Insel hatte einen kleinen +Strand. Schwarze Felsen lagen um sie herum in Aufstiegen +von hundert Metern. Unten formten sie kleine +in sich selbst strudelnde Fjords von hinreißender Elastizität +der Linie. Ganz schwarz waren sie und am Abend +wie Basalt dunkelblau. Manchmal lösten sich hellere +aus den anderen und wurden Mövenschwärme, die +den Himmel zuzogen und das Meer überschrien. + +</p><p>Aller acht Tage kam der Dampfer von Edinburgh, der +Konserven brachte und Tabak. Er legte nur bei gutem +Wetter an. Während der großen Sturmzeit kam er vier +Wochen nicht. Mit dem Glas sahen wir ein paar Amerikaner +an der Reling stehen, die nach Island fuhren. In +dieser Zeit versäumte ich die wichtigste Post in meinem +Leben. Was lag mir an Post? + +</p><p>Teufel lag mir daran. Merde lag mir daran . . . + +</p><p>Freund! in diesen Tagen fingen wir eine Art Delphin. +Größer als ein Mann. Aufgesperrt den Rachen mit Lamellen +aus samtnem Weiß. Die Augen ganz dunkles +Violett mit einem rötlichen dünnen Schein drüber von +der Sonne, die ihm gerade hineinschien. Einer der Fischer +mit einer farbigen Mütze, die lang, spitz über den Rücken +fiel, stieß ihm eine Harpune in den Rachen, stieß immer +noch nach, als die Augen schon hinstarben, keine Sonne +mehr brachen und der Leib aufbrandete in drei zuckenden +Sprüngen. Der scharfgefloßte Schwanz wühlte ein +Loch in den Sand, schlug, rasend wie der Kolben eines +Preßlufthammers, wütenden Takt und machte Wind an +dem stillen Tag. Seltsames Ding, dieser Schwanz: Porös, +wie gewebt aus Gallerte, weichem Stahl und etwas, das +war, als ob es köstlich sein müsse auf der Zunge oder +schön in einem merkwürdigen Gefäß und vor allem von +einer so maßlosen feuchten Fremdheit. Ich glaube, daß +ich nie etwas Neueres erlebte, etwas Seltsameres sah als +die Flosse des Fisches, die mit einer nie empfundenen +Ekstase auf meine Seele stieß. + +</p><p>Was war mir der wichtigste Brief meines Lebens? + +</p><p>Zut . . . ein Dreck war er mir. + +</p><p>Zwischen Georgis und meinem Dorf lag eine schwierige +Klippe. Morgens schossen wir, ließen die Echos hinüber- +und herüberrollen, grüßten uns so. Abends trafen +wir uns darauf. Dann sahen wir ins Innere der Insel, +das wie eine Arena war, in deren Mitte das große, weiße +Viereck lag, das Gebäude für die einzige Krankheit, +die diese Menschen hinfrißt, Männer Frauen, Frauen +Männer, durcheinander, wie es kam, aus ihren Hütten +heraus in dies Gebäude, das in das Dunkel noch lange +hinausblitzt wie der Bauch eines Hais. — — — + +</p><p>Um zu diesem tief vorwachsenden holländischen Rahmen +zu kommen, von dem ich wollte, daß er aus dem +siebzehnten Jahrhundert sei . . . vielleicht ein wenig früher, +aber keine Minute mehr, mußte ich achtundzwanzig +Seineantiquariate durchsuchen vier Tage lang, dann fand +ich ihn . . . und sollte dazwischen das Überfahrenwerden +eines blonden Kindes erleben, das mir jeden +Morgen um zehn Uhr auf der ersten Straße des Jardin +des Plantes ein Lächeln ins Gesicht warf. Es hatte ein Kleid +aus schwarzer Seide und eine gelbe, schöne Krause an. + +</p><p>Von dem Bild in diesem Rahmen, das Segelboote zeigt, +will ich nicht erzählen. — — — + +</p><p>An dem kältesten Tag, den ich in Deutschland erlebte, +stand ich vor dem Bildzyklus in der Ecke dort, +Hallo . . . ich stand nicht. Ging! + +</p><p>So kalt war es. Ging auf den Holzfliesen. Aber die +Kälte brannte mir in die Füße. Ich ging rascher und +dann sehr rasch. Drei Schritte auf das Bild zu, drei +kleinere es entlang nach rechts, sechs die ganze Fläche +hinunter nach links, zurück zur Mitte und drei wieder, +langsamer, rückwärts . . . und so fortfahrend eilender +im Schauen, unheimlich und lautlos gleich der Parade +des schwarzen Panthers vor seinem Gitter im ersten +Käfig in Frankfurt. + +</p><p>Es ist der Isenheimer Altar des Grünewald. Sehen +Sie die übersinnliche Kraft des Lichtstrahls aus der oberen +Ecke und den Leib dieses Leprösen, der schon grün ist +und überfault und so vegetativ, daß er sich nach Erde +sehnt und halb schon Erde ist, aber hier aufgefangen +steht als qualvoller Schrei des Fleisches zwischen Sehnsucht +und Hiersein und Bestimmung zum Ende. Ganz +Kolmar klirrte an diesem Tag vor Kälte. + +</p><p>Ich liebe das Bild, weil es mich plötzlich mit einer überflutenden +Intuition mehr als durch tausend Bücher wie +durch eine klaffende Wunde hineinschauen ließ in das +aufzischende Herz des Mittelalters. — — —“ + +</p><p>(Nun hob er den Arm, als wollte er eine Lanze werfen +und beschoß mit den zitternden Kreisen der elektrischen +Taschenlampe ein ganz kleines Bild) „Erinnerungen eines +Monats in einem schottischen Landhaus. Abends Silber, +Kerzen, Toaste. Sonst Gehen auf geraden Wegen im +Park, Rasen, zwei Schwestern, Lilith und Jane, Rudern +mit den Brüdern, die auf Ferien aus Oxford waren, und +zwischen all diesem Frischen endlose Ruhe. Holte mir +Arbeitslust für ein paar Jahre. Stahl, als ich wegging, von +der Diele diesen winzigen Stich. Es ist eine Szene mit +Affen. Einer trägt das Kostüm Voltaires. Steht darunter: +the travelling monkey. — — — + +</p><p>Weheste und zarteste Erlebnisse, die wahllos ineinanderstürzen, +aber binden sich an diese Silhouette. Germaine +schnitt sie mir, ultramarin auf orange, in unserem +kleinen Haus an den Tuilerien, als der Sommer dunkel +und mit Gerüchen durch unsere Gardinen wehte. Niemals +in der grenzenlosen Flucht der Zeit habe ich den +Leib einer Frau mit dieser Hingebung geliebt wie den +Germaines. Ich ließ sie alle Tänze lernen, die ihren Gliedern +neue Linien, tiefere Inbrunst und glänzendere Seligkeit +geben konnten. Am schönsten war sie, wenn sie auf +einem Fell abends neben meinen Füßen lag. + +</p><p>Sie trug ein langes weißes Hemd, träumte und färbte +die Nägel ihrer Zehen. Draußen der dunkle Garten bewegte +sich manchmal. In Pausen ging jemand vorüber, +roter Himmel wuchs über die Rideaux, und wir wußten, +wie nah und brennend Paris über der Seine sei. + +</p><p>Germaine saß oft tagelang auf ihrem sechsbeinigen +Schemel und schnitt Silhouetten. Dann nahm ich sie mit +ans Meer in +ein kleines Nest der Bretagne. Tagelang wieder lagen wir da +im Sand, ihr Leib an meinem Leib, und wenn sie anfing zu +zittern, dann ward es Abend, und die Nacht schliefen wir in +einem Bett, das Boot war, und Germaines Glieder lagen auf +den schweren roten Decken wie Achat. + +</p><p>Paul Fort sagte von ihr, sie sei rührender als ein Papillon und +schmerzender als ein Gedicht von Francis Jammes. + +</p><p>Germaine liebte mich, ehe sie mich verließ, aber sie hatte keine +Seele. Allein sie besaß — unsagbarstes Wunder — besaß +Knie von ungeheurer Süße, kleiner, zärtlicher als die Brust +eines schlanken norddeutschen Mädchens von dreizehn +Jahren. — — — + +</p><p>Den Carrière in dem ovalen Rahmen nahm ich aus dem +Zimmer des Malers Binetti, als er nach dreitägigem Kranksein +an Cholera starb. Stunde auf Stunde, den ganzen letzten Tag +rief er einen seltsamen Namen. Er diktierte mir einen Brief, +dessen Adresse ich nicht verstand. Binetti schrie. Ich habe ihm +Wasser gereicht. Habe ihn in Eis gepackt. Ich habe ihn gebadet +mit einer alten Frau. Binetti schrie den Namen. Ich habe ihn +nicht verstanden. Am Abend gestikulierte er und formte +immer eine merkwürdige Gebärde in die Luft. Sein Blick +wollte mich zwingen, zu begreifen. Immer wieder machte er +die Bewegung, und eine maßlose wütende Angst löste sich von +seinen Augen ab. Er stieß mit der Zunge noch lange wie mit einem +Dolch in die Luft, rascher, qualvoller, spitzer. Aber ich verstand +es nicht. + +</p><p>Der Brief ist das Furchtbarste an Weh. Ich habe die Adresse +nie gefunden. Es war in Marseille. Der Mond bewarf das Meer +von flachen Dächern mit einem Licht, daß sie, eine aufflammende +Kette von Spiegeln, Feuer in den Himmel brannten. + + +</p><p>Vom Hafen her heulte das wahnsinnige Schmerzgeschrei +eines Arabers die Straße herauf. + +</p><p>Ich und Binetti, wir hatten nach Tunis fahren wollen. + +</p><p>Ich trug diesen Brief in der Tasche, und manchmal +machte ich die vage Geste in die Luft und wunderte +mich und erschrak und wollte mich zwingen, es zu lassen. +Aber sie hatte Macht über mich bekommen und meinen +Nachahmungstrieb vergewaltigt, und so lief ich, ein Automat +der fürchterlichen Gebärde des Sterbenden, den Quai +entlang. Und ich fühlte, wie ich anfing einen Namen zu +rufen, der sich langsam rundete wie aus einem zu A hin +erhellten O mit fremden Palatallauten dahinter. Bis ich +mich plötzlich wiederfand und den Kopf in die Fäuste +geklammert aus dem Hafen rannte. Zwei Sergeanten +traten mir in den Weg. Ich kam in eine Allee, wo ein +Weinen mich nahm und über eine Bank warf. + +</p><p>Dies war die einzige Nacht, in der ich sterben wollte. — — + +</p><p>Den mennigroten Tod aus Wachs über Ihrer linken +Schulter . . . nein so . . . ja . . . schön . . . schenkte mir der +finnische Dichter Karelainen, der eigentlich Grönquist +heißt. Grönquist ist schwedisch. Karelainen ist finnisch, +Darin besteht der wesentliche Wert Karelainens, daß er +sich eindeutig so und nicht anders heißt. Denn seine Verse +sind schlecht. Für den Adel und die Intelligenz ist das +Schwedische die höhere Sprache, und sie heißen sich mit +solchen Namen. Karelainen stemmte dem aber seine +breite Brust entgegen, seine feinen Hände dazu und vor +allem das helle Wunder seines Mezzosoprans und propagierte +mit dieser dreifachen Opposition das Finnische. + +</p><p>Aber es handelt sich nun keineswegs um Finnland. +Wir saßen in einer schmutzigen Schenke einer kleinen +Stadt an dem litauischen See Ssilkine, in dem wir gefischt +hatten. + +</p><p>„Die litauischen Weiber sind Klötze Fleisch. Die Liebe +der Männer geht über sie hin, Unempfindliche, wie eine +Welle beim Krebsen oder ein Schlag auf den Schenkel. +Sie atmen kaum. + +</p><p>Die litauischen Männer haben einen seltsamen Gang. +Ihr Blut ist dick und ihre Brunst ist die der Zugtiere. + +</p><p>Aber es gibt keinen Treubruch, niemals . . .“ sagte +Karelainen. + +</p><p>Er sah mich forschend an. Ich schaute an ihm vorbei +Da winkte er ungeduldig einem Hausierer, der, ein +Grubenlicht vor den Bauch geschnallt, in der Ecke Spiritus +trank, kaufte den roten, wächsernen Tod und schenkte +ihn mir. + +</p><p>Er wußte, daß ich jede Nacht bei der jungen Frau des +Wirtes war, die neunzehn Jahre und ganz weiße Haare +hatte und eine Haut, glatt wie ein Aal. + +</p><p>Es ist nicht wahr, daß die Litauerinnen in ihren Betten +liegen wie Klötze Fleisch . . . + +</p><p>Dann hob Karelainen seine Hand, die flach auf dem +Tisch lag, bis auf die Kante des schmalen kleinen Fingers, +und indem er sie viele Male zart aber scharf auf den +Tisch hakte, erzählte er, daß es im Finnischen nur drei +Flüche gebe, deren erster ist „Perkala“, deren zweiter +ist „Perrrkala“ und deren dritter ist ein rasches schneidendes +Streichen eines jener Messer, deren Griff aus +Horn ist und deren Spitze etwas nach der Seite gebogen +scheint fast wie eine Rosenschere. + +</p><p>Es ist nicht wahr, daß es im Finnischen nur drei +Flüche gibt. + +</p><p>Es gibt viele Stufen dazwischen. + +</p><p>Denn hier stehe ich. + +</p><p>Und es ist unwahr, daß es niemals Treubruch gibt in +Litauen. + +</p><p>Karelainen war klug. Allein seine Fallen lagen zu +plump, weil er zu sehr voll war von Eifersucht und Gift. +Denn erstlich habe ich nie Angst vor Männern und dann +in diesem Falle, seine Stimme war — Mezzosopran. + +</p><p>Im übrigen war er auch darum wütend auf mich, weil +ich eine Forelle fischte, einen halben Fuß größer als seine +längste. Er vergaß mir dies nie. + +</p><p>Auch ist an dem billigen Symbolismus seines Geschenks +apriorisch ersichtlich, daß er ein mieser Dichter +war. — — —“ + +</p><p>(Nun ging der Freund zögernd und unentschlossen +um einen Schnitt herum, der eine japanische Marterszene +darstellte, und wechselte den Kopf zwischen träumerischem +Mich-Anschauen und einem Anstarren des Bildes. +Dann warf er rasch die Schultern herum und dachte +aber, eh die entschlossene Bewegung beendet war, — es +schien mir — wieder eine Flut neuer Dinge. Auch sein +Profil hatte schärfere Linien. Und sagte dann:) „Ja.“ + +</p><p>Nur: ja. + +</p><p>Ich sagte auch: „Ja.“ + +</p><p>Ich wußte nichts anderes zu sagen. Auch fand ich es +heiß und drückend. + +</p><p>Er sah mich sehr fremd und erstaunt an. „Ja“ . . . +sagte ich. + +</p><p>Da antwortete er ganz kurz: „Gut.“ Und dann: + +</p><p>„Auch dies war in Marseille. Viele Städte haben mich +geschlagen. Doch mein bestes hellstes Blut ließ ich in +dieser. Wenn ich im Traum Schiff fahre und strande: +es ist die Mole von Marseille. Wenn man im Traum +(herrlicher Rimbaud!) mich amputiert: es ist das gelbe +Spital dort im östlichen Viertel. Und auch dies, man +krönt mich mit allen Insignien meines Ehrgeizes: es ist +das Stadthaus von Marseille, aus dem ich in das Hohngelächter +des Erwachens fahre. + +</p><p>So hasse ich diese Stadt . . . Die Pest . . . + +</p><p>Ich fuhr viel damals nach Aix. Es ist nicht weit. An +der Universität hatte ich einen Bekannten, der über +Bakteriologie las. Abends spielten wir zur Besänftigung +Ecarté zu viert, ein jüdisch-russischer Flieger und ein +japanischer Schüler meines Freundes, der noch kleiner +war, als Japaner gewöhnlich scheinen. Er hatte eine +sympathische Weichheit der Bewegungen und hinter den +Augen: Energie. Er besuchte mich oft in Marseille und +verstand es, was Ecarté allein ermöglicht, beim Kartenspiel +entzückend zu plaudern. Einmal traf ich ihn mit +einer Dame. Doch grüßte er mich nicht. + +</p><p>Auf Karneval waren wir alle zusammen in eines der +großen mehrstöckigen Cafés gezogen, mußten uns aber +bald zerstreuen. Nach einer Weile bekam ich Streit mit +einem kleinen Kolonialoffizier, dem ich seine Jungfrau +abnehmen wollte, die ich als Modell des roten Malers +Hessemer von Lausanne erkannte — es ist ja nur ein +Sprung —, die Kleine hatte ein Kostüm als Nymphe, +loses Haar mit einem Reif, kurzes Kleid und nackte +Beine. Ich faßte sie um die Taille, doch sie wollte, halbbetrunken, +zu ihrem Leutnant. Sie wollte sich losreißen. +Da legte der Flieger Blumenthal seine Pranke um ihr +Gelenk. Jetzt gab es kein Loskommen mehr. Sie riß, +warf sich mir schäumend um die Brust und biß mich +durch den Frack tief in die Schulter, + +</p><p>Blumenthal sah es, ließ sie los, sie riß sich frei. Lief +davon, ich folgte. Der Leutnant nahm den Flieger auf +sich. Ich glaube, er wollte ihn in die Tasche stecken. Doch +ich verlor die Nymphe. + +</p><p>Auf der Treppe zum dritten Stock sah ich aber eine +junge Frau, die ein gelbes Kleid trug, das schönste an +diesem Abend. Ich griff nach ihr. Sie lachte und stieß +mir, rückwärts steigend, stets über mir, immer mit dem +Knie an die Brust. Ich lachte. Plötzlich entlief sie mir. + +</p><p>Ich folgte ihr über ein paar Treppen, und da ich sie +küssen wollte, führte ich sie in eine Nische gerade unter +einen Streif Sternhimmel, der zwischen zwei Firsten lag. +Sie legte mit Grazie und Wissen zwei halbvolle, leicht +nach Wein duftende Lippen, die sehr warm waren, auf +meinen Mund und flüsterte jedesmal — denn ich tat es +öfters — dazwischen: maman . . . Dann lief sie wieder. +Ich hinter ihr. + +</p><p>Sie rannte in einen Schminkraum. Ich wartete und sah +auf dem Milchglas der Tür ihre Silhouette. Sie legte Rot +auf. Ich lugte hinter einer Säule. Als sie herauskam, +trat ich vor, und sie lief wie sehr erschreckt im Spiel davon. +Wir rannten durch einen Saal, durch Lauben und +Séparés, und kamen auf einen Korridor, ich wollte sie +greifen — da sah ich an einem hohen Fenster gleich einem +überraschend aufgestellten Marionettenspiel die Szene: +Der kleine Japaner gestikulierend . . . ihm gegenüber ein +Mann mit stark südlichem, fast spanischem Aussehen, in +tückischer Haltung. Daneben an die Draperie des Fensterbogens +gelehnt, bleich, halb leblos, sehr gerade, eine +Dame. + +</p><p>Ich sah, wie der Japaner den Arm leise hob, wie das +Gesicht seines Partners zu bluten anfing, und wie der +Japaner dessen Arm über den Rücken hochriß . . .“ + +</p><p>Da geschah etwas Seltsames. + +</p><p>Der Freund stockte, er keuchte. Sein Atem pfiff über +die Stimmbänder mit einem Ton, als geige jemand +über gebrochenes Glas. Ich fuhr auf. Er hob befehlend +die Hand, ein wenig gebückt. Ich setzte mich wieder. + +</p><p>Er schellte rasch: „Wasser . . .!“ + +</p><p>„Verzeihen Sie!“ rief er. „Ich habe Sie geblufft . . . es +hat mich überwältigt . . . ich wollte zuerst nicht erzählen +. . . dann mußte ich doch. Aber ich travestierte, tauschte +alles um . . . Alle Personen sind unwahr. Keine ist echt +. . . keine Kontur. Glauben Sie es! . . .“ + +</p><p>Ich sah ihn kalt an. + +</p><p>„Diese Geschichte ist ganz anders,“ sagte er nun. „Ich +habe geglaubt, sie von mir abtun zu können, wenn ich +sie erzählte, aber ich konnte sie nicht erzählen. Da phantasierte +ich sie. Aber das war noch schlimmer, zu sehen, +wie etwas hätte werden können . . .“ + +</p><p>Er sah starr nach dem Fenster. + +</p><p>Dann brach er in ein häßliches Gelächter aus. Sein +Mund zog sich nach dem Kinn hinunter wie im Zwang +von zwei Fäusten. + +</p><p>Dann drehte er stumm den Schnitt gegen die Wand, +verbeugte sich und bat, nachdem er die Lichter gelöscht +hatte und indem sein Gesicht wieder langsam in die alte +Form zurückkehrte, ihn hinüber zu begleiten. + +</p><p>Allein ich blieb in der Türe stehen. + +</p><p>Alles stürzte mit verdoppelter Wut, mit erneuter Wucht +über mich hin. + +</p><p>Ich fühlte: Abenteuerlichkeit fraß sich in die Wände. +Schicksal brannte in den Rahmen und wollte heraus. +Sehnsüchte ohne Maß, gelebte, nur gestreifte, schwellten +den Raum, daß er fast barst, und Jahre rasten auf dem +Sekundenblatt der Pendüle herunter. + +</p><p>Ich sah in diesem Zimmer alles wie in einem glänzenden +Kaleidoskop verwirrt. + +</p><p>Und als ich über die Schwelle zurücktrat und das Gebeugte +im Gang meines Freundes sah, ward mir plötzlich +das Straffe meiner Brust bewußt und das Brutale meiner +Haltung, und da wußte ich, daß ich mein Leben gut gelebt +hatte. Denn dies ist nicht die Frage, ob wir aufleuchtende +Dinge erleben und in heiß aufklaffenden Abenteuern stehen +(wie wäre das klein und subaltern), sondern es ist dieses, +was dem Geschehenen erst Form gibt und Würde: was +wir mit den Erlebnissen tun . . . Und ich wußte bei diesem +Zusammenbruch, was mir immer klar war, das war recht: + +</p><p>Man soll keine Erinnerungen haben. Niemals. Nein! +Und am wenigsten noch armselig Fetische bilden und seine +Erlebnisse in Dinge tun. Man soll keine Beichtstühle in +seine Wohnungen tun. Sie zwingen in die Knie. Dann +oder wann. + +</p><p>Man soll die Dinge von sich werfen. Weit. Und die +Erlebnisse abstreifen wie einen Seifenschaum mit nachlässiger +Hand von der Brust am Morgen und am Abend +und jeden Tag, damit sie uns nicht demütigen einmal +früher oder später so und so. + +</p><p>Denn der Genuß des Abenteuers ist das ungewiß +Beschwebende: Wissen, vieles Bunte getan zu haben, aber +eine Luft hinter sich zu fühlen ohne Halt und ohne Farbe. +<i>Tosendes</i> . . . <i>rasendes Leben</i> . . . — + +<i>So ist es.</i> + +</p><p>Aber auch ohne dies war das Zimmer eine Sünde +gegen die Kraft: Sein Rausch war ein Anreiz im einen, +und ein Opiat im andern, und eine Hemmung im Ganzen. +Denn es lagen in ihm (wie ein Hohn) zusammen das +Große und Schwache, und das Ungeheure wie das Süße +. . . die Erhebungen, zwischen deren Polen sich die Skala +unserer Erlebnisse bewegt und beglänzt, und die in dieser +Spaltung, das Eine oder das Andere, maßlos entfernt und +fremd voneinander und niemals zu packen in einem Griff, +unser Leben ausmachen und erfüllen und so sind (im täglichen +Leben) wie diese beiden Beispiele: + +</p><p>Die Sensation eines Expreß, der eine kleine abendliche +Station durchrast — und das Erleben eines Ladens mit +ausgebreiteten Seiden an einem allzuschnellen Frühlingstag +auf der Meisengasse zu Straßburg. + +</p> +<h2 class="chapter">DER TÖDLICHE MAI</h2> + +<p class="first">ALS es nun um Ende der Woche kam, daß der +Tod ihm (dem Maler und Offizier) die Eingeweide +zerriß und er brüllend lag zwei Stunden +lang, geschah es, daß die Pflegende erstaunte, denn das +Geschrei bog sich langsam um in eine Stille, und aus der +plötzlich sanften Ruhe seines Mundes stiegen jauchzende +Rufe wie bunte Kugeln mählich in die Höhe und ketteten +sich ineinander zu Jodlern, wie sie im Sommer der Schweiz +tagelang von Berg zu Berg hinüberschweben. + +</p><p>Sie trat dicht an ihn heran und wusch ihm mit einem +getränkten Lappen den Schweiß, der um den Mund herum +austrat, aber er sang durch ihre kreisenden Handbewegungen +weiter, verdrehte die Augen, streckte sich +scharf in die Länge, legte sich auf die Seite und schwieg. + +</p><p>Nach einer halben Stunde rief er die Pflegende. + +</p><p>Seine Augen lagen tief in den Deckeln der Lider begraben, +ein rötliches Weiß schimmerte heraus und der +halbe Abschnitt der Pupille. Der Mund und das Kinn +glänzten in leiser Seligkeit, die Stirn war rein und hell +trotz der Bräune. Die Schläfen waren eingefallen, die +Nase angespannt und an den Nüstern unbewegt wie +über eine Pauke gezogenes Pergament. + +</p><p>„Die Bäume . . .“ sagte er. „Die Bäume . . .“ und +jubelte mit der Hand. + +</p><p>Die Pflegende schauderte. Sie sah, wie der Tod seinen +Leib aufwirbelte und blähte und empfand zugleich, wie +der Raum sich furchtbar unter seiner Heiterkeit anfüllte. + +</p><p>Er sang das Wort „Diebäume“ im wechselnden Umschwung +aller Melodien. Er hielt mitten in den Buchstaben +ein, ließ den Ton verrollen und schob zwischen +den bläulichen Lippen rasch und lachend den Rest nach. +Er knickte die Silben wie Weidengerten, warf die schwachen +Vokale glitzernd hoch und duckte die saftigen. Manchmal +schien das Wort ein explosiver Ton, andermal eine +verwirrende Skala. Oft bog und verengte er die Laute, +ließ sie wie Brandblasen aufglühn und zerplatzen und +schrie sie plötzlich in gleicher Folge wütend hinaus. Er +spielte mit dem Wort wie mit einer Beute, katzenhaft, +tückisch, selig, feig, lind und grenzenlos erbost. + +</p><p>Er klomm die letzte Krise der Krankheit hinauf, das +Wort wie einen Säbel zwischen den Lippen. + +</p><p>Manchmal warf sich ein Lächeln über sein Gesicht. +Trunken spannte er die Nasenflügel und sog. Die letzten +Stunden der Nacht waren höllisch. + +</p><p>Das Fieber kurbelte an die äußerste Grenze. Der +Bauch sackte ein und wand sich in Zuckungen. Das Weiß +des Auges war über Gelb zu dickem Grün geworden. + +</p><p>Er brach blutigen Kot, schüttelte die Hand und sang +das Wort + +</p><p>Das Herz war im Brechen. Der Puls lief lächerlich +dünn. Seine Zähne stießen kleinen Schaum auf den +Lippenrand, der sich unmerklich rundete: es war das Wort. + +</p><p>Er hing an ihm zäh wie ein Affe, verbissen an einem +Trapez. Und es riß ihn heraus. + +</p><p>Schlank wie ein Tänzer lief er auf ihm durch die Nacht, +das Fieber und den blutigen Auswurf. + +</p><p>Segelte dumpf genesend durch das Aufundabgehen der +Gestirne, der tödlichen schweren Sonne und den leichteren +Aufflug des glänzenderen Mondes wie durch ein +Spiel mit wechselnden bunten Ballonen hin mit unsäglicher +und berauschend linder Bewegung. + +</p><p>Schwamm mit beruhigendem Opium in den Adern +durch die breite Schwermut der ersten Abende und sehr +frühen Morgen und das harte massive Dunkel der Wolkendämmerungen +mit einem Weiß auf der Stirn, das alle +erstaunte, und einem unmerklichen Flüstern auf den Lippen, +die stets bewegt waren gleich der Brust einer weich +Schlafenden. + +</p><p>Eines Morgens stieß die Sonne in einem langen und +schönen Streifen durch sein Fenster und fiel hart unter +sein Kinn. Da lief eine schwache Erregung über ihn, er +verdrehte die Augen nach links, warf sie dann nach rechts +hinüber, starr, daß die Pupillen, nach oben gestemmt und +aus den Höhlen getreten, in das Innere des Kopfes hinein +zu bohren drohten, ließ sie dann sanft zurücksinken, +schüttelte sich, machte den Mund auf, groß und weit und +schloß ihn wieder. + +</p><p>Schloß ihn hart und fest, lag nach diesem Signal noch +zwei Tage und war darauf völlig durch die Gefahr hindurch. +Er war mimosenhaft zart und sehr scheu in den Stunden +des genesenden Körpers und des kommenden Bewußtseins. +Seine Soldaten kamen zu ihm und gratulierten +ihm zu dem Sieg gegen den Tod. Er winkte mit der Hand +hinauszugehen, erkannte sie kaum. Die Pflegende sagte +ihm, sie seien traurig, wo sie unter ihm in tausend überschwemmenden +tödlichen Minuten gestanden hätten, nun, +wie er krank, nicht von ihm geliebt zu sein. „So . . .“ +sagte er. Assistenten, Ärzte kamen. Sie versicherten +ihm alle, daß er ihr Kopfschütteln ignoriert und stramm +und siegreich über ihren Unglauben in die Gesundung +hineingesprungen sei, zweibeinig und massiv. Er sah sie +verwirrt an. + +</p><p>Apathische Wochen folgten. Der Vorsteher des Genesungsheims +erzählte ihm. Krieg . . . ja . . . gewiß . . . +er freue sich. Er legte den Kopf herum. + +</p><p>„Bücher?“ + +</p><p>„Danke . . . nein.“ + +</p><p>„Palette . . . Wollen Sie wieder malen? . . . Bedenken +der Überanstrengung zwar. Allein . . . ich wäre stolz —“ + +</p><p>Er schüttelte langsam den Kopf. + +</p><p>Das Gewicht des Körpers nahm geringfügig nur zu. +Wenig Interesse füllte ihn für den Umkreis der Dinge, +noch weniger für sich selbst. Lag eine Schwebe zwischen +Lebenwollen und Lebenmüssen, der Funktion aller Physis +fähig, ein Fragezeichen der Bejahung, allen Möglichkeiten +neuen Lebens ausgesetzt . . . aber ohne Schwung. + +</p><p>Oft trat er abends auf den Balkon des Hauses, der +verwachsen und kühl war. Die Ebene betäubte ihn anfangs +mit ihrer Grenzenlosigkeit, langsam empfand er sie +aber — um ein an das Endliche stoßendes Bild zu haben — +als eine riesige Kreisbewegung, die um ihn herum, zuerst +stark, dann sich im Silber der Ferne verzehrend, gegen +den Horizont schwinge. An einer Seite hingen ein paar +Wellenschläge ferner Gebirge, runde Hügel, gleich nach +unten gekehrten Wolken, zittrig in der Luft. Diese Gegend +aus Fläche, Gras und Steppe, von brüchiger Luft +überstanden, gab ihm das Gefühl, Mittelpunkt einer gläsernen +Glocke zu sein. Sonne schlief reglos auf Bach und +Moos und kleinem Gestrüpp. Die Tage hatten katzenhaften +Ablauf, stumpf und aufreizend in dem währenden +Gespanntsein dieser Leblosigkeit. + +</p><p>Da warf ihn eine Wagenfahrt, zu der der Arzt ihn +zwang, in die unmittelbare Nähe einer wenig entfernten +Königsstadt in eine Schloßanlage. Der große Dogcart +mit den polierten roten Rädern schaukelte einen Nachmittag +lang über geschwungene Wege und über Brücken. +Er erlebte dichtes Dunkel des Parks, unendliche Stille +um pagodenhafte Pavillons, den raschen Vorbeischwung +weißer Nebenschlösser. Dann befanden sie sich mitten im +Gewühl weiter Auffahrten, auf die ganz am Ende der +Alleen die Kaskaden fesselloser Terrassen herabstürzten. +Hier empfand er Weite und Herrlichkeit der Welt an +sich vorbeiziehn. Der Wagen schwamm an dem langen +Wasserspielwerk, das von der Fassade bis in den blauen +Horizont hinunterlief, entlang zwischen Hunderten spazierender +Menschen, zwischen farbigen Jacken, weichgelben +Handschuhen und der Orgie aufgeblasen roter +Sonnenschirme. + +</p><p>Er kehrte nachdenklich nach Hause zurück. + +</p><p>Am Morgen erwartete er den Aufgang der Sonne von +seinem Balkon. Er sah den Aufstieg über die schmalen +Hügel und die langsame Belichtung der Ebene, die sich +sinnlos und schwer mit dem Rot anfüllte. Da ging eine +unfaßbare Sehnsucht nach Glühendem, Rasendem in ihm +auf, er bog sich vor Gier nach der Stadt. Der Arzt war +dafür, er brach auf, durchstreifte Straßen, die voll Anmut, +Gärten, die voll Jugend waren. Am Abend landete +er in einem Lokal, das mit jubelnden Tapeten überzogen +war. Es war gefüllt mit schönen weißen Tischen und +Stühlen. Viele bunte Laternen glühten darüber. Der +Wind bewegte sie leicht. Alle Gesichter waren von +schwankendem Rot überströmt. Feine Frauen saßen in +den Sesseln, zurückgelehnt, lässig und mit Herren plaudernd. +Es gab Musik. Manchmal lief der Wind heftig +durch die ausgehängten Fenster und es gab ein Gewoge +von Licht, das alle überstürmte. Dann hoben sich die +Geigen aus der Musik in die Höhe und übergitterten +mit namenlosen Spitzen den Raum. + +</p><p>Da ergriff ihn das Gewühl des Daseins mit einer +tobenden Berauschtheit. Er fühlte sich von heißester +Erregung in starre Kälte geschleudert und dann von +neuem beißender Hitze entgegengeworfen. In seiner +Brust wütete ein Orchester, Orgeln brannten auf, und in +langen, grausamen Voluten hoben sich die Bläser zu +einem furchtbaren Stoß. + +</p><p>Es war zuviel: Man sah einen Offizier die Arme dehnen, +die Brust herauspressen, einen seltsamen Jodler über das +Lokal hinfeuern und die Hände auf den Tisch zurückhauen. + +</p><p>Er zerschlug die Lampe und einiges Geschirr. + +</p><p>Der Kellner tat sehr ruhig. Fernersitzende dachten +an Zufall und Mißgeschick. Er gab dem Kellner märchenhaftes +Trinkgeld, nahm die Mütze und ging breitspurig, +säbelschleifend hinaus. + +</p><p>Draußen begann er sofort zu weinen. Toll tanzten die +wunderbaren Frauen, die er wie zum erstenmal wieder +sah (wieviele er gemalt hatte, wußte er nicht mehr, denn +Dasein dünkte ihm noch neues Leben nach halbem Tod) +vor seinen Augen, die Seiden, die Funken der Lichter. +Unbegreiflich schluchzend empfand er die Wärme der +Nacht, flüsternd . . . „le . . . ben . . .“ — + +</p><p>Dann ballte er die Fäuste, und als er von der kleinen +Station nach dem Landhaus fuhr, stand sein Kopf scharf +und sehr entschlossen auf seinem Körper. + +</p><p>Es kamen rasche Tage. Er rieb sich den Buckel an der +blitzenden Scheibe der Stadt. Freude umgab ihn lind. +Trieb und Wonne füllten golden seine Adern. Säfte +rannen über seine Haut. Leben umspielte ihn reich. Es +war die Rede, daß er zur Front zurückkehre. Er nickte. + +</p><p>Er nickte. Es war gut. + +</p><p>Der Mond kam abends aus der Ebene durchsichtig +und schön wie aus dem weichen Munde eines Glasbläsers +gebildet, und gleichsam von seinem Atem gehoben, so +schlank und zart überflog er die stumme und dunkle Festlichkeit +des Himmels. + +</p><p>Bald gab es tagelangen Sturm. Böen überschütteten +die Steppe. Wolken schlugen übereinander mit Geheul. +Schwere Regen knallten an den Fenstern. Geduckt sprang +brüllender Wind in jede Spalte und zersprang dort in +Fetzen von niederreißendem Radau. Nachts, wenn die +Regenschwaden vom Sturm schräg herabgehauen auf die +Ebene knatterten, schien es, Tausende von Eskadronen +überritten die Steppe und die Bäuche aller Pferde schlügen +langgestreckt zwischen den rasenden Sprüngen in +einem Takt gegen die Erde. + +</p><p>Da zog er rocklos durch das Haus, probte die Muskeln, +steckte Lichter an und sang mit jubelnd gesteigerter Stimme. + +</p><p>Er sagte (als der Wind eine Pause einschob) „Sehen +Sie die Kassiopeia?“ zur Pflegenden, zog sie in die +Fensternische, hob die Flügel, deutete nach oben und +lachte, als der Staunenden ein Nebelstreifen glitzernden +Regen ins Haar schmiß. + +</p><p>Später einmal kam, heiß und verstaubt, ein schmaler +Zug die Ebene herunter. Er tauchte grau und wie ein +Punkt auf und wurde ein dünnes Gerinnsel durch das +vergilbte Gras. Sie defilierten am Haus auf die Entfernung +von zwanzig Metern. + +</p><p>Zuerst ging ein großer Mann, braun mit Narben von +Hieben durch das Gesicht. Sein Kleid war Polichinell. +Enganliegend mit Dreiecken gemustert zitronengelb und +weiches Blau. Der Hals war unbedeckt und gefurcht. +Seine Beine traten wie ein Pferd einen nach vorne ausbiegenden +Trab, der stets Silhouetten vor dem vergrauten +Horizont spannte und von trauriger Müdigkeit war. +Hinter ihm kam ein Elefant, ein Dromedar und ein +Wagen voll von farbigen Kindern. + +</p><p>Er trug zwei Stangen über der Schulter, um deren +Spitzen ein Netz geknotet war, in dessen Maschen ein +kläffender Hund saß und ein perlweißer Fasan. + +</p><p>Es war so süß langweilig in diesen Tagen, daß die Insassen +des Hauses alle staunend und lachend hinausliefen, +die Taschen umwandten, Geld über die Menschen +warfen und in Eile Stühle aufschlugen. O Rausch eines +unerwarteten Zirkus. + +</p><p>Es gab eine glänzende Vorstellung. + +</p><p>Der lange Führer wirbelte in die heiße Luft, mit +Fahnen in der Hand, Sprünge und Verrenkungen, strahlend +und bunt. + +</p><p>Alle Soldaten suchten auf dem Dromedar zu reiten; +Die farbigen Kinder warteten gespannt, bis ein zufälliger +Blick auf ihnen zu ruhen begann, sprangen in die Höhe, +überschlugen sich grotesk, setzten sich fest auf die Hintern +und streckten bettelnd die Hand vor. + +</p><p>Der Elefant rückte verlegen auf seinen Beinen, verengte +den Raum unter sich und ließ sich endlich mit seiner +Rückseite auf einem Fünfzigliterfaß nieder und zog die +Vorderbeine hoch wie ein Pudel. + +</p><p>Der Führer gab ihm eine Mandoline in den Rüssel +und band ihm ein rosa Band an die Spitze des Ohrs. +Sein Gesicht blieb unbewegt und verächtlich wie bei seinen +Sprüngen. + +</p><p>Indem fuhr auf der anderen Seite des Hauses ein +Wagen an. Der Maler sprang heraus mit zwei geschossenen +Lapins und die Augen voll Träumerei von +Frauen, mit denen ihn die Einsamkeit der Heide überfallen +hatte. Er trat in das Haus und schaute durch das +Fenster. + +</p><p>Da schwoll sein Gesicht hochrot, er blies die Backen +auf vor Zorn, und einen dumpfen Laut ausschreiend, +sprang er heraus. In seiner Hand lag ein Säbel. Er machte +einige Sätze und schlug dann die flache Klinge mit einem +sirrenden Ton dem Elefanten ausgestreckten Arms klatschend +auf das Blatt. + +</p><p>Das Tier sprang auf. Es stand. Es spreizte langsam +die Beine, schob die Ohren zurück und hob den langen +Rüssel ganz wagrecht. + +</p><p>Da ließ er, während alle anderen starr gebannt steif zuschauten, +den Stahl fallen und strich andächtig und bewundernd den +Rüssel mit der Hand entlang und hob ihn hoch, daß das +weißliche Rosa des Mauls, das gleich einer fremden von Überreife +angefaulten Frucht zwischen der harten Seltsamkeit der elfenbeinenen +Hauer lag, aufklaffte. Dahinein legte er die Hand. +Der Pulcinell brachte unter Bücklingen Zucker und legte sie +in den untersten Rüssel. Der Elefant bog sie mit schlangenhafter +Windung in das Maul. + +</p><p>Dann warf er wie einen Springbrunnen den Rüssel hoch und +schoß überraschend und plötzlich einen so ungeheuren dunklen +und wilden Schrei gegen die Menschen, daß sie einen Augenblick +alle schwiegen. + +</p><p>„So . . . gefällst du“, sagte der Maler und steckte den Säbel +ein. + +</p><p>Das Gesicht des Führers blieb über den Verbeugungen unbewegt +und verächtlich wie bei seinen Sprüngen. + +</p><p>Es lag den Abend ein gewaltiger Druck auf der Landschaft. + +</p><p>Sie waren, als die Sonne sank, heiß und verstaubt, ein schmaler +Zug, die Ebene hinuntergezogen. Sie flossen ein dünnes Gerinnsel +durch das vergilbte Gras und verschwanden grau und +wie ein Punkt. + +</p><p>Am späten Mittag saß die Pflegende bei dem Maler, der auf +einem Schaukelstuhl lang lag und rauchte. Sie schwiegen lange +Zeit. + +</p><p>„Können Sie sich den Urwald vorstellen“, fragte er. Sie lächelte: +„Nein —“ + +</p><p>„. . . den Rand des Urwalds, Schwester. Ein Elefant reißt +Lianen auseinander, erscheint. Die Sonne schwingt auf, rot. +Er schreit ihr entgegen . . . Und hier: o Müdigkeit . . . o Müdigkeit +. . .“ + +</p><p>Sie sah nachdenklich auf ihn. Dann stach sie eine +Nadel durch ein Fliederblatt und sagte langsam: „Es +ist Ihre Sehnsucht, Wald, ich weiß es. Ich weiß, daß Sie +sich stets daran klammerten, als Ihre Krise war! Sie +wissen nichts?“ + +</p><p>Er wußte es nicht. + +</p><p>Er schüttelte den Kopf, lächelte und verneinte. + +</p><p>Da sagte sie leis: „Die Bäu . . . me.“ + +</p><p>Wieder kam das Lächeln über sein Gesicht Aber ihr +war, als ob es Gewalt bekomme über den Inhalt des +Gesichts und als ob es sich einforme wie eine fressende +Säure. Seine gespannten Muskeln waren einem sekundenhaften +Verfall unterworfen. Sie schwanden unter +der Haut. + +</p><p>Ganz weiß hob er den Kopf: „Habe ich . . . ha — — — be +ich . . .“ + +</p><p>Von schwerem Entsetzen geschüttelt wand er die +Arme durch die Luft. Seine Augen wurden rund, kugelhaft +und fast wie Glas und starrten über die Ebene. Er +keuchte und deutete vor sich: „Geben Sie mir diesen +Stein.“ + +</p><p>Ihm schien die Schwelle eines seltsamen Unterbewußtseins +durchstoßen. Er hatte alle die Wochen nur ein Leben +gehabt, das seine Wurzeln hatte in seiner letzten +Krankheit. Wohl wußte er die Dinge und Vorgänge der +Zeit und seines Lebens auch vorher. Aber in diesem +Augenblick schien es ihm, daß eine dünne Haut darüber +gewesen sei und daß ihm die Erkenntnis nach deren +Platzen nun erst neu, groß und unendlich furchtbar +wieder zuströme. + +</p><p>Er nahm den Stein, den ihm die Pflegende reichte. Er +war sehr schwer und kantig. Er drückte seine Hände +hinein, hielt ihn an die Stirn, hob und prüfte ihn und +legte ihn fest auf das Knie. Er empfand, wie die Angst +vor der plötzlichen Leere um ihn herum schwinde und +wie das Gewicht des realen Steins ihn wieder an das +natürliche Leben und die geliebte Erde (prometheisch) +zurückriß. + +</p><p>Dann warf er den Stein weg und sagte: + +</p><p>„Schwester, Sie kennen das nicht. Sie kennen das nicht, +daß der Himmel plötzlich ein Abgrund scheint und entflieht +und die Erde unter Ihnen sanft entweicht und am +Horizont ein Strudel unermeßlich aufgeht und beginnt +Sie aufzusaugen, der Sie sich schon langsam zu drehen +scheinen. Schwester, bleiben Sie sitzen. Es könnte mich +sehr stören, wenn Sie sich bewegten. Hören Sie: ich war +niemals feig . . . nie . . .“ + +</p><p>Sie bewegte ihr stilles Gesicht hin und her. + +</p><p>„Sie denken an meine Auszeichnungen,“ schrie er sie +an. „Nein. Sagen Sie nichts. Daran sollen Sie nicht +denken. Das liegt außerhalb meiner Betrachtung. Bleiben +Sie sitzen. Sie sollen an meine Seele und Ihren Mut +denken. Können Sie das? He — — —“ + +</p><p>Sie sagte, ihr sei das Leben keine so besondere Sache, +daß sie nicht auch dies vermöge. + +</p><p>Da fing er an zu weinen, wurde sehr still und flüsterte: +„Sie haben unrecht, Schwester . . . es ist alles . . . al . . . +es — —“ + +</p><p>Er schluchzte mit einem zerreißend stillen Laut. + +</p><p>Darauf begann er wieder zu sprechen, kalt und hart. + +</p><p>Seine Stimme flog aus seinem Munde, als sei sie durch +ihn, beziehungslos zu den Lippen, die sie formten, aus +irgendeiner dunklen Ferne geflossen. Sein Kopf hob +sich bleich und edel über der Kante des Stuhls, und die +Haut der Schläfen zitterte über dem blauen Geäder. + +</p><p>„Mitteldeutschland . . . Schwester, beim zweiten Rücktransport +von der Front nach der Passion von fünf durchlegenen +Lazaretten . . . Mitteldeutschland im Westen . . . +und es war Mai . . . das ist fabelhaft. Der Rhein war +nicht fern. Himmel seidig und bebte vor Blau. + +</p><p>Wir waren da fast alles Offiziere im letzten Stadium +des Genesens aus böser Erkrankung wie hier fast . . . +nur anders, süßer — unbeschreiblicher. Es war ein modernes +Schloß mit säuligen Bogen und Wiener Keramik, +mein Gott. Dahinter Wälder und überall herum schweifige +Hügel und Täler, leicht gesenkt. Es gab eine phantastische +Hygiene. Marmor, weißes Gemöbel, Staubsektoren, +Sonnenfenster, Duschen von oben, Duschen +von unten. Es gab einen unendlichen von Weite ausgedehnten +blauen Tanzsaal mit einem großen glänzenden +Flügel. Pariser Millionäre hatten diesen strenglinigen +Tempel gebaut und ihn einer südamerikanischen Tänzerin +gegeben, die da die schönsten Mädchen Europas in die +gleitende Form körperlicher Musik hinein erzog. Die +Mädchen waren in einer nahen Stadt damals. + +</p><p>Die Kirschblüte kam. Die unzähligen Bäume beschwebten +sich weiß. Es flaggte drei Tage. Dann ging +das flaumige Strahlen in einem wahnsinnigen Wind zum +Teufel. Ich liebe diese Blüte nicht. Sie ist zu weich. +Kennen Sie worpswedische Maler? + +</p><p>Nein, — ja, Schwester, was soll Ihnen Kunst, was soll +Ihnen Bildnis? + +</p><p>O Nebensache, o Nebensache! Leben ist hundsföttisch +mehr, ich weiß. + +</p><p>Nun ebenso schwach, so zag, ekelhaft überfein ist +diese Blüte wie Zweige, gemalt von diesen Menschen, +hypertrophierten Empfindungsdestillatoren des Seins. Leben +ist breiter, saftiger, spritzender, Schwester: Weinernte +am Rhein, Heringsfang in Holland, bürgerliches Schmausen +im Elsaß . . . + +</p><p>Dann brachen alle Apfelbäume aus. Unten die Blüten +ein wenig rot, oben kräftig weiß. Die Hügelkette war +zum Platzen voll von ihnen. Manchmal standen sie wie +Haine zusammen. Ich liebe sie. + +</p><p>Es roch, Schwester —“ + +</p><p>Er warf das Gesicht zurück in einer wahnsinnigen +Spannung: „Ich fürchte mich,“ flüsterte er. + +</p><p>Sie legte ihre Hand auf seine. + +</p><p>Aber er schüttelte sie ab: „Lassen Sie das —.“ + +</p><p>Sie ließ es. Sie setzte sich näher zu ihm. Seine Stimme +fing wieder an: + +</p><p>„Abends sanken Herden von Nachtigallen in die +Bäume und verwüsteten die Nacht mit Süßigkeit. + +</p><p>Niemand weiß das, der es nicht sah: Sie werfen ihren +Hals hoch, daß er plötzlich mit Gesang, der nicht Ton +wurde, rasend gefüllt steht gleich einer runden Trommel, +eine glühende Blase, größer schier als ihr Leib, an der +sie wie an Montgolfieren in die weiche Unendlichkeit verschweben +könnten — und dann werfen sie die stählerne +Wärme der langen aufblitzenden Laute ergreifendsten +Verzücktseins in die entzündete Dunkelheit. + +</p><p>Wir hatten einen blonden Kameraden aus Bornholm. +Er wurde verrückt, als nach einem Gewitter aus einem +nassen Fliederbusch ein Dutzend Nachtigallen plötzlich +mit Gesang aufklirrend sein Gleichgewicht zu schwer +erschütterten. + +</p><p>Ja, daß Schönheit tausendfach mehr tötet als Haß und +Wut, Sie sollen es wissen. Was sage ich Ihnen, Schwester. +Wo will ich hin . . . hören — hören Sie mich? . . .“ + +</p><p>„Sie erzählen die Verzücktheit des Lebens . . .“ sagte +die Schwester innig und bewegt. + +</p><p>„Ich erzähle die Verzücktheit des Lebens. Ja. O Rausch, +o Sonne, o Ruhm, o Süßigkeit . . .“ Er stemmte die Fäuste +im äußersten Schmerz und schwärmerisch gegen die Brust. + +</p><p>„An einem Abend kamen dreißig Damen, ein Fürst +und viele Herren. Es hatte eine märchenhafte Art. Sie +trugen seidige Kleider, Schwester, o von so feinen Firmen, +die Sie nicht kennen. Und es gab wie Glas schimmernde +Namen und schwermütige Profile. + +</p><p>Es gab Lampione. + +</p><p>Es gab Mond. + +</p><p>Unter den Apfelbäumen war eine Lichtung. Der Hügel +schob sich leicht und schräg gegen den Horizont. + +</p><p>Wir saßen alle auf Stühlen, die auf der Wiese standen. +Der Fürst hatte einen Säbel in einer Hand, in der anderen +Blüten. + +</p><p>Dann kamen die Mädchen, Jungfrauen im Alter bis gegen +Zwanzig, die kein Mann berührt hatte und die nur wenige +sahen, die sich, weibliche Narzisse, nur in der entrollten +Geschmeidigkeit sälelang ins Uferlose gestellter Spiegel +in ihren Körpern empfanden. Sie trugen kleine Tuniken, +die wie nichts waren, und tanzten auf dieser schrägen +Ebene uns gegenüber zwischen den Bäumen, tanzten +mit Hüften, fließend wie die glatten Sprünge der Leoparden, +Beinen . . . stumm vor Berauschtheit, und Armen, +die sie im wilden Entsetzen der Schönheit in den Mond +hinein schwangen. + +</p><p>Alle gingen dann zurück zum Schloß, ich stieg zum +höchsten Hügel . . .“ + +</p><p>Er hielt ein. Sein Blick tauchte verschleiert in die Tiefe +des späten Mittags. Seine Worte fielen dann, als er +wieder anhub, heftig, immer schärfer und in monotoner +Geschwindigkeit. Sie fielen, als stünde einer im Licht in +voller Rüstung und schlüge im riesigen Kreisschwung +beider Arme zwei Schwerter pfeifend immer rascher durch +die Luft. + +</p><p>Er sagte: + +</p><p>„Es war still geworden, fast tonlos. Manchmal allein +in langen brausenden Linien stürzten schwere Hummeln +auf die weiße Ebene der Bäume. Es war lau, weich, +Wasserdampf schwebte in der Luft. Das ließ die Ferne +vibrieren und die Sterne hatten davon etwas feuchten +Schimmer. Hügel schob glatt über Hügel, Linie über Linie +schwingend, in die Rheinebene. Bäume sprangen Abhänge +hinauf, in der Nacht hin und her, und standen +näher, tänzerisch zueinandergeneigt. Oben hing der Mond. + +</p><p>Diese Nacht war ungeheuerlich in ihrer Üppigkeit. In +ihrer nassen Glut. In ihrem unheimlich gesteigerten stummen +Gebrüll nach Dasein und trunkenster Fülle des +Lebens. + +</p><p>Schwester: ich dachte da mit einemmal blitzhaft an +die wüstesten und größten Dinge meines Lebens. + +</p><p>Ich wußte um Grate im bayrischen Gebirg, die ich +spielerisch als Knabe überrannt hatte. Ich sah den schweren +Wahnsinn der afrikanischen Hetzen. Sah den zerschlagenen +beuligen Kopf im Dirnenhaus des Genuesischen +Hafenviertels im Augenblick des Erwachens verzerrt +in schmutzigen Kissen. Ich wußte um das aufschreiende +Werben fetzender Granaten, die trunkene Explosion +der Abendschlacht. Ich sah ein Segelboot kentern im +Starnberger See, sah den großen Verzicht eines feinen +Mädchenauges (o weinen, weinen), sah den verwesten +Leichnam des Freundes aus der Konfirmation im Park +erhängt, sah das Sterben Maria Anderssons, die ich geliebt +habe, die Schöne und Tanzende, wie einen bunten +Vogel. Ich wußte um den Augenblick, der bewegungslos +in der Pupille des Persers hing, als er in einer Pariser +Spielspelunke den Dolch mir über die Achsel in den +Rücken schlug — — + +</p><p>Was wissen Sie, Schwester, was einem Mann schwer +und Gefahr ist . . . + +</p><p>Aber ich wußte in dieser Minute: daß ich lächelnd dies +alles wiederholen würde, daß ich singend wie ein Engel +van Dycks gegen tausend Mündungen Kanonen gehen +könne . . . statt dieser Minute . . . daß dies alles Erlebte +eine kleine Prüfung, ein verächtlicher Vergleich und ein +Geringes und Unwirkliches an Schwere sei gegen diesen +<i>einen</i> Augenblick des Erlebens. + +</p><p>Denn es kam, daß ich vor der tobenden Süßigkeit der +Nacht, in der das Leben dunkel rauschte wie ein verschlossener +Schwarm von Bienen, daß ich vor der ungeheuerlichen +Berauschtheit des Daseins mich hinwarf und +weinte und grenzenlos den Tod zu fürchten begann. + +</p><p>Den Tod, der mir eine gemeine Sache, Oberfläche und +sehr gering zu schätzen erschien, wo er mir nahe war +wie eine Kugel, ein Gift oder ein Dolch . . . und es mir +blieb . . . in dieser Form . . . auch späterhin. In dieser +Form . . . in dieser Form. + +</p><p>Ich weinte. + +</p><p>Und da schwamm aus dem Schloß das hungrige Begehren +einer Geige, hob sich, klirrte wie ein scharfer +Käfer, raste um die Hügel, hieb sich verzweifelt sehnsuchtsvoll +in die starke Brunst der weißen Bäume und +kreiste den Horizont ein in zuckende Tiraden. + +</p><p>Und ich spürte die Hand, welche sie führte, fühlte mit +gleichem Gefühl das weiche Fleisch des jungen Mädchens, +das sie spielte, die rasche Berührung ihrer Brust, ihres +streifenden Beines, das erzitternde weiche Fleisch mit +dem silbernen Flaum, die mädchenhafte Weise des wiegenden +Gangs, die königliche Süßigkeit . . . und ich +brüllte, Schwester! Ich lief in den Hain und brüllte: — +Nicht sterben! — brüllte ich. Riß kleine Zweige und zerkaute +sie, bohrte das Gesicht in überschäumte Äste, +betete, fluchte, weinte . . . es gab keinen Gott, der dies löste. + +</p><p>Ich begriff es nicht: Den Tod belächeln, das Leben +fürchten . . . + +</p><p>Aber überall war Tod. Die Blüten brannten furchtbar +an den unteren Flächen. Tausendfach schwoll Blut in der +Luft. Eine riesige Spinne krampfte schnürend das Getanz +der Apfelbäume zusammen, sie zitterten unter entsetztem +Schrecken. Regenbogen schnellten durch die Nacht. +Mord saß dunkel im Geäst. Ich ängstete auf der Stirn. +Der Mond war mild. Aber die Sterne bogen sich herum +und blitzten kalt wie die Spitzen unzähliger hingehaltener +Schwerter. + +</p><p>Und das Schweigen dehnte sich, als ob es zerreißen +müsse, und die Stummheit, die volle maßlose Trunkenheit +der Nacht kam in Bewegung, drehte einmal um und +begann zu kreisen und ward ganz fern am Himmel ein +dunkler Strudel, der sog und sog — + +</p><p>Ich schrie. Hell. Entsetzt und außer mir . . . Ich wollte +nicht sterben. + +</p><p>Wollte nicht sterben. Nein . . schrie — + +</p><p>Schwester, ich habe nachher noch, eh ich herkam, vor +meinem Typhus, den Tod gekannt in vielen Phasen, +nahe an mir vorbei oder sich zurückwerfend vor mir im +letzten Moment des Anlaufs. Ich stand in ihm wie der +Mittelpunkt einer Explosion zahlloser Schrapnells. + +</p><p>Ich lüge nicht. Ich hob die Hand, ihn zu zerdrücken. + +</p><p>Ich hob die Hand, verächtlich, und schlug nach seinem +Gesicht — + +</p><p>Aber in jener Nacht, da . . . da erkannte ich tiefer +den Tod in der ungeheuerlichsten Schwellung des Lebens. + +</p><p>Ich lief ins Schloß, kroch in eine Ecke und fürchtete mich. + +</p><p>Ich wurde verachtet, geschmäht, verlacht. Man tat das +Äußerste zur Erklärung des Unbegreiflichen im zivilen +Dasein: man zweifelte an meiner Zurechnungsfähigkeit. +Man hätte mich anspeien können. + +</p><p>Ich hätte gebettelt: Leben . . . leben . . . + +</p><p>So ist es. + +</p><p>Schwester — aber ich weiß, ich weiß nun mehr, unerträglich +mehr wie alle anderen Menschen. Ich weiß: ungeheure +Taten mögen geschehen, endloser Ruhm errafft +werden von Dichtern, Feldherrn, Musikanten und Malern +. . . im letzten Ziel ist Tod. Andere wissen das +nicht, ahnen es, haben aber nicht die Schärfe ewigverkündlichen +Wissens und Umsichfühlens. + +</p><p>Wie ist die Welt bunt! Leichte Karussells laufen über +die Jahrmärkte. Flieger erschwimmen die betäubende Höhe +der Gestirne, gewiegt vom Nichts. Kapellen spielen in +Theatern und Gärten. Mädchen tragen Schürzen im Hause +und Bänder zum Ball. Und die Pferde . . . auch die Hunde +sind schön und von Andacht . . . Städte erleuchten sich +abends mit sanftem Gas. + +</p><p>Wie kann ich dieses Beschwingte fürder noch spüren, +den feinen Reiz und die breite Schönheit, wenn ich den +Tod darin sehe jederzeit? Und muß sie doch lieben grenzenloser +als immer und brennender wie jeder, weil ich weiß, +daß das Leben so schwer und so gewaltig hoch das Letzte +ist. Aber meine glühende Liebe wird stets auf den Tod +stoßen, und so werde ich hin und her geschleudert sein, +ahasverisch und in einem verzehrenden Tosen, zwischen +ungeheuerer Anbetung und tödlicher Erkenntnis. + +</p><p>Ich werde in unmenschlichen Spannungen leben müssen, +denn das Spannungslose saugt mich auf. Ich werde +lächeln und, von Gefahr und höchstem Erleben zu anderen +springend, mich bewegen wie aus dem Arm von +unzähligen Frauen in den von neuen Namenlosen. Es +ist eine tolle übersinnliche Liebe zum Leben dies, Schwester. + +</p><p>Ich werde nicht mehr ruhen können. + +</p><p>Denn Gefahr ist ein kleiner Augenblick und Sterben +darin eine strahlende Sekunde. Schönheit der Welt aber +dem Wissenden eine unendliche Qual und Bedrohung +und ewige Leere. + +</p><p>Ich möchte nicht, daß Sie an diese Erkenntnis streiften, +Schwester, weil Sie ein schönes und ruhiges Gesicht haben. + +</p><p>Ich bin von Freude geschwellt für den Augenblick, wo +ich hier abziehe. Denn alles da ist trostlos und müd und +ohne Heroischkeit. + +</p><p>Sehn Sie, es ist furchtbar, wenn ich müßig in die Ferne +schaue . . . Schwester, liebe Schwester . . . wie der Horizont +sich dann zusammenzieht, wie Hügel hineinschwanken +und gleichsam in einem Rachen verschwinden. Manchmal +blinkt es silbern. Nun hebt sich die Ebene. Taumelnd +gurgelt die Welt in den Strudel. Die Leere . . . die Leere — + +</p><p>Glauben Sie nichts. Ich weiß, daß das eine Vision ist, +daß wir fest stehen und unerschütterlich, wie wir es +glauben. Aber ich empfinde alles im Gleichnis, und oft +ist Gleichnis uns die nächste und verwirrend deutlichste +Realität. Ich sehe vieles im Bilde, weil ich in einer übersteigerten +Sekunde über das Leben und gewöhnte Maß +hinaus <i>erkannt</i> habe.“ + +</p><p>Er schwieg und schloß die Augen. + +</p><p>Er sagte noch: „<i>Wo ich das Grauen vor dem Tod +am zerschmetterndsten empfunden habe, an dieser +Stelle, meine ich, muß die ungeheuerlichste +Kraft des Lebens sitzen —</i> + +</p><p>Darum rief ich, wie ich sterben sollte, nach diesen +Bäumen.“ + +</p><p>Er sann nach. Und plötzlich schien Furchtbares auf +ihn zu stürzen. + +</p><p>Aber bald formte sich sein verzerrter Mund in lächelnde +Ruhe, und er flüsterte halb singend, somnambul: „Die +Bäu . . . me —“ + +</p><p>Dann schüttelte er kurz den Kopf, lächelte rasch und +sagte: „. . . Liebe Schwester — müssen Sie nicht bei all +diesem auch dem Tode näher sein als dem Leben?“ + +</p><p>„Nein,“ sagte die Pflegende unendlich mild und fest, +„es ist das Gegenteil.“ + +</p><p>Er sah sie staunend an. + +</p><p>Dann aber war es, als rase das entsetzliche Erleben +in einer letzten grauenhaften Spannung noch einmal in +ihm hoch. + +</p><p>Er warf die Hände in die Luft und rannte hinaus. + +</p><p>Die Pflegende ging ans Fenster und lehnte sich ruhig +hinaus. Sie sah ihn eilig hinauslaufen und in den Hof +einbiegen. + +</p><p>Dort stolperte er über eine Gießkanne, schwebte kurz +in der Luft und taumelte dann zur Seite. Er fiel, die +Hände vorgestreckt, in einen Hügel und bohrte auch sein +Gesicht hinein. + +</p><p>Es war Kuhdünger aus den Ställen vom Morgen her. + +</p><p>Der Hügel dampfte in einer weißen Wolke warm und +schön. + +</p><p>Er aber tat den Kopf nicht gleich zurück, sondern ließ +ihn wenige Herzschläge lang da noch liegen, denn er +fühlte in einem wunderbaren Gefühl, daß diese Lage +unschön sei und schmutzig vielleicht und auch wohl manchem +großen Ekel machend, aber (was viel größer sei) +tief und warm und so unendlich voll Dasein. + +</p><p>Die Pflegende am Fenster hob ihr Gesicht ein wenig +höher und dachte: O diese Hölle in <i>einer</i> Brust. Er wird +das Leben furchtbar packen wie eine unendliche Geliebte. +Wie ich ihn lieben muß. + +</p> + + + + + + + +<pre> + + + + + +End of the Project Gutenberg EBook of Das rasende Leben, by Kasimir Edschmid + +*** END OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK DAS RASENDE LEBEN *** + +***** This file should be named 30628-h.htm or 30628-h.zip ***** +This and all associated files of various formats will be found in: + https://www.gutenberg.org/3/0/6/2/30628/ + +Produced by Jens Sadowski + +Updated editions will replace the previous one--the old editions +will be renamed. + +Creating the works from public domain print editions means that no +one owns a United States copyright in these works, so the Foundation +(and you!) can copy and distribute it in the United States without +permission and without paying copyright royalties. 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It exists +because of the efforts of hundreds of volunteers and donations from +people in all walks of life. + +Volunteers and financial support to provide volunteers with the +assistance they need are critical to reaching Project Gutenberg-tm's +goals and ensuring that the Project Gutenberg-tm collection will +remain freely available for generations to come. In 2001, the Project +Gutenberg Literary Archive Foundation was created to provide a secure +and permanent future for Project Gutenberg-tm and future generations. +To learn more about the Project Gutenberg Literary Archive Foundation +and how your efforts and donations can help, see Sections 3 and 4 +and the Foundation web page at https://www.pglaf.org. + + +Section 3. Information about the Project Gutenberg Literary Archive +Foundation + +The Project Gutenberg Literary Archive Foundation is a non profit +501(c)(3) educational corporation organized under the laws of the +state of Mississippi and granted tax exempt status by the Internal +Revenue Service. The Foundation's EIN or federal tax identification +number is 64-6221541. Its 501(c)(3) letter is posted at +https://pglaf.org/fundraising. Contributions to the Project Gutenberg +Literary Archive Foundation are tax deductible to the full extent +permitted by U.S. federal laws and your state's laws. + +The Foundation's principal office is located at 4557 Melan Dr. S. +Fairbanks, AK, 99712., but its volunteers and employees are scattered +throughout numerous locations. Its business office is located at +809 North 1500 West, Salt Lake City, UT 84116, (801) 596-1887, email +business@pglaf.org. 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