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authorRoger Frank <rfrank@pglaf.org>2025-10-15 02:12:02 -0700
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+The Project Gutenberg EBook of Das Motiv der Kästchenwahl, by Sigmund Freud
+
+This eBook is for the use of anyone anywhere at no cost and with
+almost no restrictions whatsoever. You may copy it, give it away or
+re-use it under the terms of the Project Gutenberg License included
+with this eBook or online at www.gutenberg.org
+
+
+Title: Das Motiv der Kästchenwahl
+
+Author: Sigmund Freud
+
+Editor: Sigmund Freud
+ Otto Rank
+ Hanns Sachs
+
+Release Date: December 24, 2007 [EBook #24017]
+
+Language: German
+
+Character set encoding: UTF-8
+
+*** START OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK DAS MOTIV DER KÄSTCHENWAHL ***
+
+
+
+
+Produced by Jana Srna and the Online Distributed
+Proofreading Team at http://www.pgdp.net
+
+
+
+
+
+
+ IMAGO
+
+
+ ZEITSCHRIFT FÜR ANWENDUNG DER PSYCHOANALYSE
+ AUF DIE GEISTESWISSENSCHAFTEN
+
+ HERAUSGEGEBEN VON PROF. DR. SIGM. FREUD
+
+ SCHRIFTLEITUNG:
+ II. 3. DR. OTTO RANK / DR. HANNS SACHS 1913
+
+
+
+
+Das Motiv der Kästchenwahl.
+
+Von SIGM. FREUD.
+
+
+I.
+
+Zwei Szenen aus _Shakespeare_, eine heitere und eine tragische, haben
+mir kürzlich den Anlaß zu einer kleinen Problemstellung und Lösung
+gegeben.
+
+Die heitere ist die der Wahl des Freiers zwischen drei Kästchen im
+»Kaufmann von Venedig«. Die schöne und kluge Porzia ist durch den Willen
+ihres Vaters gebunden, nur den von ihren Bewerbern zum Mann zu nehmen,
+der von drei ihm vorgelegten Kästchen das richtige wählt. Die drei
+Kästchen sind von Gold, von Silber und von Blei; das richtige ist jenes,
+welches ihr Bildnis einschließt. Zwei Bewerber sind bereits erfolglos
+abgezogen, sie hatten Gold und Silber gewählt. Bassanio, der Dritte,
+entscheidet sich für das Blei; er gewinnt damit die Braut, deren Neigung
+ihm bereits vor der Schicksalsprobe gehört hat. Jeder der Freier hatte
+seine Entscheidung durch eine Rede motiviert, in welcher er das von ihm
+bevorzugte Metall anpries, während er die beiden anderen herabsetzte.
+Die schwerste Aufgabe war dabei dem glücklichen dritten Freier
+zugefallen; was er zur Verherrlichung des Bleis gegen Gold und Silber
+sagen kann, ist wenig und klingt gezwungen. Stünden wir in der
+psychoanalytischen Praxis vor solcher Rede, so würden wir hinter der
+unbefriedigenden Begründung geheimgehaltene Motive wittern.
+
+_Shakespeare_ hat das Orakel der Kästchenwahl nicht selbst erfunden, er
+nahm es aus einer Erzählung der »Gesta Romanorum«, in welcher ein
+Mädchen dieselbe Wahl vornimmt, um den Sohn des Kaisers zu gewinnen[1].
+Auch hier ist das dritte Metall, das Blei, das Glückbringende. Es ist
+nicht schwer zu erraten, daß hier ein altes Motiv vorliegt, welches nach
+Deutung, Ableitung und Zurückführung verlangt. Eine erste Vermutung,
+was wohl die Wahl zwischen Gold, Silber und Blei bedeuten möge, findet
+bald Bestätigung durch eine Äußerung von E. _Stucken_[2], der sich in
+weitausgreifendem Zusammenhang mit dem nämlichen Stoff beschäftigt. Er
+sagt: »Wer die drei Freier Porzias sind, erhellt aus dem, was sie
+wählen: Der Prinz von Marokko wählt den goldenen Kasten: er ist die
+Sonne; der Prinz von Arragon wählt den silbernen Kasten: er ist der
+Mond; Bassanio wählt den bleiernen Kasten: er ist der Sternenknabe.« Zur
+Unterstützung dieser Deutung zitiert er eine Episode aus dem estnischen
+Volksepos Kalewipoeg, in welcher die drei Freier unverkleidet als
+Sonnen-, Mond- und Sternenjüngling (»des Polarsterns ältestes Söhnchen«)
+auftreten und die Braut wiederum dem Dritten zufällt.
+
+ [1] G. _Brandes_, William Shakespeare, 1896.
+
+ [2] Ed. _Stucken_, Astralmythen, p. 655, Leipzig 1907.
+
+So führte also unser kleines Problem auf einen Astralmythus! Nur schade,
+daß wir mit dieser Aufklärung nicht zu Ende gekommen sind. Das Fragen
+setzt sich weiter fort, denn wir glauben nicht mit manchen
+Mythenforschern, daß die Mythen vom Himmel herabgelesen worden sind,
+vielmehr urteilen wir mit O. _Rank_[3], daß sie auf den Himmel
+projiziert wurden, nachdem sie anderswo unter rein menschlichen
+Bedingungen entstanden waren. Diesem menschlichen Inhalt gilt aber unser
+Interesse.
+
+ [3] O. _Rank_, Der Mythus von der Geburt des Helden, p. 8 fg., Wien
+ und Leipzig 1909.
+
+Fassen wir unseren Stoff nochmals ins Auge. Im estnischen Epos wie in
+der Erzählung der Gesta Romanorum handelt es sich um die Wahl eines
+Mädchens zwischen drei Freiern, in der Szene des »Kaufmann von Venedig«
+anscheinend um das nämliche, aber gleichzeitig tritt an dieser letzten
+Stelle etwas wie eine Umkehrung des Motivs auf: Ein Mann wählt zwischen
+drei -- Kästchen. Wenn wir es mit einem Traum zu tun hätten, würden wir
+sofort daran denken, daß die Kästchen auch Frauen sind, Symbole des
+Wesentlichen an der Frau und darum der Frau selbst, wie Büchsen, Dosen,
+Schachteln, Körbe usw. Gestatten wir uns eine solche symbolische
+Ersetzung auch beim Mythus anzunehmen, so wird die Kästchenszene im
+»Kaufmann von Venedig« wirklich zur Umkehrung, die wir vermutet haben.
+Mit einem Ruck, wie er sonst nur im Märchen beschrieben wird, haben wir
+unserem Thema das astrale Gewand abgestreift und sehen nun, es behandelt
+ein menschliches Motiv, die _Wahl eines Mannes zwischen drei Frauen_.
+
+Dasselbe ist aber der Inhalt einer anderen Szene _Shakespeare_s in einem
+der erschütterndsten seiner Dramen, keine Brautwahl diesmal, aber doch
+durch so viel geheime Ähnlichkeiten mit der Kästchenwahl im »Kaufmann«
+verknüpft. Der alte König Lear beschließt noch bei Lebzeiten sein Reich
+unter seine drei Töchter zu verteilen, je nach Maßgabe der Liebe, die
+sie für ihn äußern. Die beiden älteren, _Goneril_ und _Regan_,
+erschöpften sich in Beteuerungen und Anpreisungen ihrer Liebe, die
+dritte, _Cordelia_, weigert sich dessen. Er hätte diese unscheinbare,
+wortlose Liebe der Dritten erkennen und belohnen sollen, aber er
+verkennt sie, verstößt Cordelia und teilt das Reich unter die beiden
+anderen, zu seinem und zu aller Unheil. Ist das nicht wieder eine Szene
+der Wahl zwischen drei Frauen, von denen die jüngste die beste, die
+vorzüglichste ist?
+
+Sofort fallen uns nun aus Mythus, Märchen und Dichtung andere Szenen
+ein, welche die nämliche Situation zum Inhalt haben: Der Hirte Paris hat
+die Wahl zwischen drei Göttinnen, von denen er die dritte zur Schönsten
+erklärt. Aschenputtel ist eine ebensolche Jüngste, die der Königssohn
+den beiden Älteren vorzieht, Psyche im Märchen des Apulejus ist die
+jüngste und schönste von drei Schwestern, Psyche, die einerseits als
+menschlich gewordene Aphrodite verehrt wird, anderseits von dieser
+Göttin behandelt wird wie Aschenputtel von ihrer Stiefmutter, einen
+vermischten Haufen von Samenkörnern schlichten soll und es mit Hilfe von
+kleinen Tieren (Tauben bei Aschenputtel, Ameisen bei Psyche)
+zustandebringt[4]. Wer sich weiter im Material umsehen wollte, würde
+gewiß noch andere Gestaltungen desselben Motivs mit Erhaltung derselben
+wesentlichen Züge auffinden können.
+
+ [4] Den Hinweis auf diese Übereinstimmungen verdanke ich Dr. O. _Rank_.
+
+Begnügen wir uns mit Cordelia, Aphrodite, Aschenputtel und Psyche! Die
+drei Frauen, von denen die dritte die vorzüglichste ist, sind wohl als
+irgendwie gleichartig aufzufassen, wenn sie als Schwestern vorgeführt
+werden. Es soll uns nicht irre machen, wenn es bei Lear die drei Töchter
+des Wählenden sind, das bedeutet vielleicht nichts anderes, als daß Lear
+als alter Mann dargestellt werden soll. Den alten Mann kann man nicht
+leicht anders zwischen drei Frauen wählen lassen; darum werden diese zu
+seinen Töchtern.
+
+Wer sind aber diese drei Schwestern und warum muß die Wahl auf die
+Dritte fallen? Wenn wir diese Frage beantworten könnten, wären wir im
+Besitz der gesuchten Deutung. Nun haben wir uns bereits einmal der
+Anwendung psychoanalytischer Techniken bedient, als wir uns die drei
+Kästchen symbolisch als drei Frauen aufklärten. Haben wir den Mut, ein
+solches Verfahren fortzusetzen, so betreten wir einen Weg, der zunächst
+ins Unvorhergesehene, Unbegreifliche, auf Umwegen vielleicht zu einem
+Ziele führt.
+
+Es darf uns auffallen, daß jene vorzügliche Dritte in mehreren Fällen
+außer ihrer Schönheit noch gewisse Besonderheiten hat. Es sind
+Eigenschaften, die nach irgendeiner Einheit zu streben scheinen; wir
+dürfen gewiß nicht erwarten, sie in allen Beispielen gleich gut
+ausgeprägt zu finden. Cordelia macht sich unkenntlich, unscheinbar wie
+das Blei, sie bleibt stumm, sie »liebt und schweigt«. Aschenputtel
+verbirgt sich, so daß sie nicht aufzufinden ist. Wir dürfen vielleicht
+das sich Verbergen dem Verstummen gleichsetzen. Dies wären allerdings
+nur zwei Fälle von den fünf, die wir herausgesucht haben. Aber eine
+Andeutung davon findet sich merkwürdigerweise auch noch bei zwei
+anderen. Wir haben uns ja entschlossen, die widerspenstig ablehnende
+Cordelia dem Blei zu vergleichen. Von diesem heißt es in der kurzen Rede
+des Bassanio während der Kästchenwahl, eigentlich so ganz unvermittelt:
+
+ _Thy paleness moves me more than eloquence._
+ (_plainness_ nach anderer Leseart).
+
+Also: Deine Schlichtheit geht mir näher als der beiden anderen
+schreiendes Wesen. Gold und Silber sind »laut«, das Blei ist stumm,
+wirklich wie Cordelia, die »liebt und schweigt«[5].
+
+ [5] In der _Schlegel_schen Übersetzung geht diese Anspielung ganz
+ verloren, ja sie wird zur Gegenseite gewendet:
+
+ Dein schlichtes Wesen spricht beredt mich an.
+
+In den altgriechischen Erzählungen des Parisurteils ist von einer
+solchen Zurückhaltung der Aphrodite nichts enthalten. Jede der drei
+Göttinnen spricht zu dem Jüngling und sucht ihn durch Verheißungen zu
+gewinnen. Aber in einer ganz modernen Bearbeitung derselben Szene kommt
+der uns auffällig gewordene Zug der Dritten sonderbarerweise wieder zum
+Vorschein. Im Libretto der »Schönen Helena« erzählt Paris, nachdem er
+von den Werbungen der beiden anderen Göttinnen berichtet, wie sich
+Aphrodite in diesem Wettkampf um den Schönheitspreis benommen:
+
+ Und die Dritte -- ja die Dritte --
+ Stand daneben und blieb _stumm_.
+ Ihr mußt' ich den Apfel geben usw.
+
+Entschließen wir uns, die Eigentümlichkeit unserer Dritten in der
+»Stummheit« konzentriert zu sehen, so sagt uns die Psychoanalyse:
+Stummheit ist im Traume eine gebräuchliche Darstellung des Todes[6].
+
+ [6] Auch in _Stekel_s »Sprache des Traumes« 1911 unter den
+ Todessymbolen angeführt. (p. 351.)
+
+Vor mehr als zehn Jahren teilte mir ein hochintelligenter Mann einen
+Traum mit, den er als Beweis für die telepathische Natur der Träume
+verwerten wollte. Er sah einen abwesenden Freund, von dem er überlange
+keine Nachricht erhalten hatte, und machte ihm eindringliche Vorwürfe
+über sein Stillschweigen. Der Freund gab keine Antwort. Es stellte sich
+dann heraus, daß er ungefähr um die Zeit dieses Traumes durch Selbstmord
+geendet hatte. Lassen wir das Problem der Telepathie beiseite; daß die
+Stummheit im Traume zur Darstellung des Todes wird, scheint hier nicht
+zweifelhaft. Auch das sich Verbergen, Unauffindbarsein, wie es der
+Märchenprinz dreimal beim Aschenputtel erlebt, ist im Traume ein
+unverkennbares Todessymbol; nicht minder die auffällige Blässe, an
+welche die paleness des Bleis in der einen Leseart des _Shakespeare_schen
+Textes erinnert[7]. Die Übertragung dieser Deutungen aus der Sprache des
+Traumes auf die Ausdrucksweise des uns beschäftigenden Mythus wird uns
+aber wesentlich erleichtert, wenn wir wahrscheinlich machen können, daß
+die Stummheit auch in anderen Produktionen, die nicht Träume sind, als
+Zeichen des Totseins gedeutet werden muß.
+
+ [7] _Stekel_, l. c.
+
+Ich greife hier das neunte der _Grimm_schen Volksmärchen heraus, welches
+die Überschrift hat: »Die zwölf Brüder«[8]. Ein König und eine Königin
+hatten zwölf Kinder, lauter Buben. Da sagte der König, wenn das
+dreizehnte Kind ein Mädchen ist, müssen die Buben sterben. In Erwartung
+dieser Geburt läßt er zwölf Särge machen. Die zwölf Söhne flüchten sich
+mit Hilfe der Mutter in einen versteckten Wald und schwören jedem
+Mädchen den Tod, dem sie begegnen sollten.
+
+ [8] P. 50 der Reklamausgabe, I. Bd.
+
+Ein Mädchen wird geboren, wächst heran und erfährt einmal von der
+Mutter, daß es zwölf Brüder gehabt hat. Es beschließt, sie aufzusuchen
+und findet im Walde den Jüngsten, der sie erkennt aber verbergen möchte
+wegen des Eides der Brüder. Die Schwester sagt: Ich will gerne sterben,
+wenn ich damit meine zwölf Brüder erlösen kann. Die Brüder nehmen sie
+aber herzlich auf, sie bleibt bei ihnen und besorgt ihnen das Haus.
+
+In einem kleinen Garten bei dem Haus wachsen zwölf Lilienblumen; die
+bricht das Mädchen ab, um jedem Bruder eine zu schenken. In diesem
+Augenblicke werden die Brüder in Raben verwandelt und verschwinden mit
+Haus und Garten. -- Die Raben sind Seelenvögel, die Tötung der zwölf
+Brüder durch ihre Schwester wird durch das Abpflücken der Blumen von
+neuem dargestellt, wie zu Eingang durch die Särge und das Verschwinden
+der Brüder. -- Das Mädchen, das wiederum bereit ist, seine Brüder vom
+Tod zu erlösen, erfährt nun als Bedingung, daß sie sieben Jahre stumm
+sein, kein einziges Wort sprechen darf. Sie unterzieht sich dieser
+Probe, durch die sie selbst in Lebensgefahr gerät, d. h. sie stirbt
+selbst für die Brüder, wie sie es vor dem Zusammentreffen mit den
+Brüdern gelobt hat. Durch die Einhaltung der Stummheit gelingt ihr
+endlich die Erlösung der Raben.
+
+Ganz ähnlich werden im Märchen von den »sechs Schwänen« die in Vögel
+verwandelten Brüder durch die Stummheit der Schwester erlöst, d. h.
+wiederbelebt. Das Mädchen hat den festen Entschluß gefaßt, seine Brüder
+zu erlösen, und »wenn es auch sein Leben kostete« und bringt als
+Gemahlin des Königs wiederum ihr eigenes Leben in Gefahr, weil sie gegen
+böse Anklagen ihre Stummheit nicht aufgeben will.
+
+Wir würden sicherlich aus den Märchen noch andere Beweise erbringen
+können, daß die Stummheit als Darstellung des Todes verstanden werden
+muß. Wenn wir diesem Anzeichen folgen dürfen, so wäre die dritte unserer
+Schwestern, zwischen denen die Wahl stattfindet, eine Tote. Sie kann
+aber auch etwas anderes sein, nämlich der Tod selbst, die Todesgöttin.
+Vermöge einer gar nicht seltenen Verschiebung werden die Eigenschaften,
+die eine Gottheit den Menschen zuteilt, ihr selbst zugeschrieben. Am
+wenigsten wird uns solche Verschiebung bei der Todesgöttin befremden,
+denn in der modernen Auffassung und Darstellung, die hier vorweggenommen
+würde, ist der Tod selbst nur ein Toter.
+
+Wenn aber die dritte der Schwestern die Todesgöttin ist, so kennen wir
+die Schwestern. Es sind die Schicksalsschwestern, die _Moiren_ oder
+Parzen oder Nornen, deren dritte _Atropos_ heißt: die Unerbittliche.
+
+
+II.
+
+Stellen wir die Sorge, wie die gefundene Deutung in unseren Mythus
+einzufügen ist, einstweilen beiseite, und holen wir uns bei den
+Mythologen Belehrung über Rolle und Herkunft der Schicksalsgöttinnen[9].
+
+ [9] Das folgende nach _Roscher_s Lexikon der griechischen und
+ römischen Mythologie unter den entsprechenden Titeln.
+
+Die älteste griechische Mythologie kennt nur eine Μοῖρα als
+Personifikation des unentrinnbaren Schicksals (bei Homer). Die
+Fortentwicklung dieser einen Moira zu einem Schwesterverein von drei
+(seltener zwei) Gottheiten erfolgte wahrscheinlich in Anlehnung an
+andere Göttergestalten, denen die Moiren nahestehen, die Chariten und
+die Horen.
+
+Die Horen sind ursprünglich Gottheiten der himmlischen Gewässer, die
+Regen und Tau spenden, der Wolken, aus denen der Regen niederfällt, und
+da diese Wolken als Gespinst erfaßt werden, ergibt sich für diese
+Göttinnen der Charakter der Spinnerinnen, der dann an den Moiren fixiert
+wird. In den von der Sonne verwöhnten Mittelmeerländern ist es der
+Regen, von dem die Fruchtbarkeit des Bodens abhängig wird, und darum
+wandeln sich die Horen zu Vegetationsgottheiten. Man dankt ihnen die
+Schönheit der Blumen und den Reichtum der Früchte, stattet sie mit einer
+Fülle von liebenswürdigen und anmutigen Zügen aus. Sie werden zu den
+göttlichen Vertreterinnen der Jahreszeiten und erwerben vielleicht durch
+diese Beziehung ihre Dreizahl, wenn die heilige Natur der Drei zu deren
+Aufklärung nicht genügen sollte. Denn diese alten Völker unterschieden
+zuerst nur drei Jahreszeiten: Winter, Frühling und Sommer. Der Herbst
+kam erst in späten griechisch-römischen Zeiten hinzu; dann bildete die
+Kunst häufig vier Horen ab.
+
+Die Beziehung zur Zeit blieb den Horen erhalten; sie wachten später über
+die Tageszeiten wie zuerst über die Zeiten des Jahres; endlich sank ihr
+Name zur Bezeichnung der Stunde (heure, ora) herab. Die den Horen und
+Moiren wesensverwandten Nornen der deutschen Mythologie tragen diese
+Zeitbedeutung in ihren Namen zur Schau. Es konnte aber nicht ausbleiben,
+daß das Wesen dieser Gottheiten tiefer erfaßt und in das Gesetzmäßige im
+Wandel der Zeiten verlegt wurde; die Horen wurden so zu Hüterinnen des
+Naturgesetzes und der heiligen Ordnung, welche mit unabänderlicher
+Reihenfolge in der Natur das gleiche wiederkehren läßt.
+
+Diese Erkenntnis der Natur wirkte zurück auf die Auffassung des
+menschlichen Lebens. Der Naturmythus wandelte sich zum Menschenmythus;
+aus den Wettergöttinnen wurden Schicksalsgottheiten. Aber diese Seite
+der Horen kam erst in den Moiren zum Ausdruck, die über die notwendige
+Ordnung im Menschenleben so unerbittlich wachen wie die Horen über die
+Gesetzmäßigkeit der Natur. Das unabwendbar Strenge des Gesetzes, die
+Beziehung zu Tod und Untergang, die an den lieblichen Gestalten der
+Horen vermieden worden waren, sie prägten sich nun an den Moiren aus,
+als ob der Mensch den ganzen Ernst des Naturgesetzes erst dann empfände,
+wenn er die eigene Person ihm unterordnen soll.
+
+Die Namen der drei Spinnerinnen haben auch bei den Mythologen
+bedeutsames Verständnis gefunden. Die zweite _Lachesis_ scheint das
+»innerhalb der Gesetzmäßigkeit des Schicksals Zufällige« zu
+bezeichnen[10] -- wir würden sagen: das Erleben -- wie _Atropos_ das
+Unabwendbare, den Tod, und dann bliebe für _Klotho_ die Bedeutung der
+verhängnisvollen, mitgebrachten Anlage.
+
+ [10] J. _Roscher_ nach Preller-Robert, Griech. Mythologie.
+
+Und nun ist es Zeit, zu dem der Deutung unterliegenden Motiv der Wahl
+zwischen drei Schwestern zurückzukehren. Mit tiefem Mißvergnügen werden
+wir bemerken, wie unverständlich die betrachteten Situationen werden,
+wenn wir in sie die gefundene Deutung einsetzen, und welche Widersprüche
+zum scheinbaren Inhalt derselben sich dann ergeben. Die dritte der
+Schwestern soll die Todesgöttin sein, der Tod selbst, und im Parisurteil
+ist es die Liebesgöttin, im Märchen des Apulejus eine dieser letzteren
+vergleichbare Schönheit, im Kaufmann die schönste und klügste Frau, im
+Lear die einzig treue Tochter. Kann ein Widerspruch vollkommener gedacht
+werden? Doch vielleicht ist diese unwahrscheinliche Steigerung ganz in
+der Nähe. Sie liegt wirklich vor, wenn in unserem Motiv jedesmal
+zwischen den Frauen frei gewählt wird, und wenn die Wahl dabei auf den
+Tod fallen soll, den doch niemand wählt, dem man durch ein Verhängnis
+zum Opfer fällt.
+
+Indes Widersprüche von einer gewissen Art, Ersetzungen durch das volle
+kontradiktorische Gegenteil bereiten der analytischen Deutungsarbeit
+keine ernste Schwierigkeit. Wir werden uns hier nicht darauf berufen,
+daß Gegensätze in den Ausdrucksweisen des Unbewußten wie im Traume so
+häufig durch eines und das nämliche Element dargestellt werden. Aber wir
+werden daran denken, daß es Motive im Seelenleben gibt, welche die
+Ersetzung durch das Gegenteil als sogenannte Reaktionsbildung
+herbeiführen, und können den Gewinn unserer Arbeit gerade in der
+Aufdeckung solcher verborgener Motive suchen. Die Schöpfung der Moiren
+ist der Erfolg einer Einsicht, welche den Menschen mahnt, auch er sei
+ein Stück der Natur und darum dem unabänderlichen Gesetz des Todes
+unterworfen. Gegen diese Unterwerfung mußte sich etwas im Menschen
+sträuben, der nur höchst ungern auf seine Ausnahmsstellung verzichtet.
+Wir wissen, daß der Mensch seine Phantasietätigkeit zur Befriedigung
+seiner von der Realität unbefriedigten Wünsche verwendet. So lehnte sich
+denn seine Phantasie gegen die im Moirenmythus verkörperte Einsicht auf
+und schuf den davon abgeleiteten Mythus, in dem die Todesgöttin durch
+die Liebesgöttin, und was ihr an menschlichen Gestaltungen gleichkommt,
+ersetzt ist. Die dritte der Schwestern ist nicht mehr der Tod, sie ist
+die schönste, beste, begehrenswerteste, liebenswerteste der Frauen. Und
+diese Ersetzung war technisch keineswegs schwer; sie war durch eine alte
+Ambivalenz vorbereitet, sie vollzog sich längs eines uralten
+Zusammenhanges, der noch nicht lange vergessen sein konnte. Die
+Liebesgöttin selbst, die jetzt an die Stelle der Todesgöttin trat, war
+einst mit ihr identisch gewesen. Noch die griechische Aphrodite
+entbehrte nicht völlig der Beziehungen zur Unterwelt, obwohl sie ihre
+chthonische Rolle längst an andere Göttergestalten, an die Persephone,
+die dreigestaltige Artemis-Hekate, abgegeben hatte. Die großen
+Muttergottheiten der orientalischen Völker scheinen aber alle ebensowohl
+Zeugerinnen wie Vernichterinnen, Göttinnen des Lebens und der
+Befruchtung wie Todesgöttinnen gewesen zu sein. So greift die Ersetzung
+durch ein Wunschgegenteil bei unserem Motiv auf eine uralte Identität
+zurück.
+
+Dieselbe Erwägung beantwortet uns die Frage, woher der Zug der Wahl in
+den Mythus von den drei Schwestern geraten ist. Es hat hier wiederum
+eine Wunschverkehrung stattgefunden. Wahl steht an der Stelle von
+Notwendigkeit, von Verhängnis. So überwindet der Mensch den Tod, den er
+in seinem Denken anerkannt hat. Es ist kein stärkerer Triumph der
+Wunscherfüllung denkbar. Man wählt dort, wo man in Wirklichkeit dem
+Zwange gehorcht, und die man wählt, ist nicht die Schreckliche, sondern
+die Schönste und Begehrenswerteste.
+
+Bei näherem Zusehen merken wir freilich, daß die Entstellungen des
+ursprünglichen Mythus nicht gründlich genug sind, um sich nicht durch
+Resterscheinungen zu verraten. Die freie Wahl zwischen den drei
+Schwestern ist eigentlich keine freie Wahl, denn sie muß
+notwendigerweise die dritte treffen, wenn nicht, wie im Lear, alles
+Unheil aus ihr entstehen soll. Die Schönste und Beste, welche an Stelle
+der Todesgöttin getreten ist, hat Züge behalten, die an das Unheimliche
+streifen, so daß wir aus ihnen das Verborgene erraten konnten[11].
+
+ [11] Auch die Psyche des Apulejus hat reichlich Züge bewahrt, welche
+ an ihre Beziehung zum Tode mahnen. Ihre Hochzeit wird gerüstet wie
+ eine Leichenfeier, sie muß in die Unterwelt hinabsteigen und versinkt
+ nachher in einen totenähnlichen Schlaf (O. _Rank_).
+
+ Über die Bedeutung der Psyche als Frühlingsgottheit und als »Braut des
+ Todes« s. A. _Zinzow_: »Psyche und Eros« (Halle 1881).
+
+ In einem anderen _Grimm_schen Märchen (Nr. 179, Die Gänsehirtin am
+ Brunnen) findet sich wie beim Aschenputtel die Abwechslung von schöner
+ und häßlicher Gestalt der dritten Tochter, in der man wohl eine
+ Andeutung von deren Doppelnatur -- vor und nach der Ersetzung --
+ erblicken darf. Diese dritte wird von ihrem Vater nach einer Probe
+ verstoßen, welche mit der im König Lear fast zusammenfällt. Sie soll
+ wie die anderen Schwestern angeben, wie lieb sie den Vater hat, findet
+ aber keinen anderen Ausdruck ihrer Liebe als den Vergleich mit dem
+ Salz. (Freundliche Mitteilung von Dr. _Hanns Sachs_.)
+
+Wir haben bisher den Mythus und seine Wandlung verfolgt und hoffen die
+geheimen Gründe dieser Wandlung aufgezeigt zu haben. Nun darf uns wohl
+die Verwendung des Motivs beim Dichter interessieren. Wir bekommen den
+Eindruck, als ginge beim Dichter eine Reduktion des Motivs auf den
+ursprünglichen Mythus vor sich, so daß der ergreifende, durch die
+Entstellung abgeschwächte Sinn des letzteren von uns wieder verspürt
+wird. Durch diese Reduktion der Entstellung, die teilweise Rückkehr zum
+Ursprünglichen, erziele der Dichter die tiefere Wirkung, die er bei uns
+erzeugt.
+
+Um Mißverständnissen vorzubeugen will ich sagen, ich habe nicht die
+Absicht zu widersprechen, daß das Drama vom König Lear die beiden weisen
+Lehren einschärfen wolle, man solle auf sein Gut und seine Rechte nicht
+zu Lebzeiten verzichten, und man müsse sich hüten, Schmeichelei für bare
+Münze zu nehmen. Diese und ähnliche Mahnungen ergeben sich wirklich aus
+dem Stück, aber es erscheint mir ganz unmöglich, die ungeheure Wirkung
+des Lear aus dem Eindruck dieses Gedankeninhaltes zu erklären oder
+anzunehmen, daß die persönlichen Motive des Dichters mit der Absicht
+diese Lehren vorzutragen erschöpft seien. Auch die Auskunft, der Dichter
+habe uns die Tragödie der Undankbarkeit vorspielen wollen, deren Bisse
+er wohl am eigenen Leib verspürt, und die Wirkung des Spiels beruhe auf
+dem rein formalen Moment der künstlerischen Einkleidung, scheint mir das
+Verständnis nicht zu ersetzen, welches uns durch die Würdigung des
+Motivs der Wahl zwischen den drei Schwestern eröffnet wird.
+
+Lear ist ein alter Mann. Wir sagten schon, darum erscheinen die drei
+Schwestern als seine Töchter. Das Vaterverhältnis, aus dem so viel
+fruchtbare dramatische Antriebe erfließen könnten, wird im Drama weiter
+nicht verwertet. Lear ist aber nicht nur ein Alter, sondern auch ein
+Sterbender. Die so absonderliche Voraussetzung der Erbteilung verliert
+dann alles Befremdende. Dieser dem Tode Verfallene will aber auf die
+Liebe des Weibes nicht verzichten, er will hören, wie sehr er geliebt
+wird. Nun denke man an die erschütternde letzte Szene, einen der
+Höhepunkte der Tragik im modernen Drama: Lear trägt den Leichnam der
+Cordelia auf die Bühne. Cordelia ist der Tod. Wenn man die Situation
+umkehrt, wird sie uns verständlich und vertraut. Es ist die Todesgöttin,
+die den verstorbenen Helden vom Kampfplatze wegträgt, wie die Walküre in
+der deutschen Mythologie. Ewige Weisheit im Gewand des uralten Mythus
+rät dem alten Manne, der Liebe zu entsagen, den Tod zu wählen, sich mit
+der Notwendigkeit des Sterbens zu befreunden.
+
+Der Dichter bringt uns das alte Motiv näher, indem er die Wahl zwischen
+den drei Schwestern von einem Gealterten und Sterbenden vollziehen läßt.
+Die regressive Bearbeitung, die er so mit dem durch Wunschverwandlung
+entstellten Mythus vorgenommen, läßt dessen alten Sinn so weit
+durchschimmern, daß uns vielleicht auch eine flächenhafte, allegorische
+Deutung der drei Frauengestalten des Motivs ermöglicht wird. Man könnte
+sagen, es seien die drei für den Mann unvermeidlichen Beziehungen zum
+Weibe, die hier dargestellt sind: Die Gebärerin, die Genossin und die
+Verderberin. Oder die drei Formen, zu denen sich ihm das Bild der Mutter
+im Lauf des Lebens wandelt: Die Mutter selbst, die Geliebte, die er nach
+deren Ebenbild gewählt, und zuletzt die Mutter Erde, die ihn wieder
+aufnimmt. Der alte Mann aber hascht vergebens nach der Liebe des Weibes,
+wie er sie zuerst von der Mutter empfangen; nur die dritte der
+Schicksalsfrauen, die schweigsame Todesgöttin, wird ihn in ihre Arme
+nehmen.
+
+
+
+
+
+End of Project Gutenberg's Das Motiv der Kästchenwahl, by Sigmund Freud
+
+*** END OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK DAS MOTIV DER KÄSTCHENWAHL ***
+
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+To learn more about the Project Gutenberg Literary Archive Foundation
+and how your efforts and donations can help, see Sections 3 and 4
+and the Foundation web page at http://www.pglaf.org.
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+Foundation
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+The Project Gutenberg Literary Archive Foundation is a non profit
+501(c)(3) educational corporation organized under the laws of the
+state of Mississippi and granted tax exempt status by the Internal
+Revenue Service. The Foundation's EIN or federal tax identification
+number is 64-6221541. Its 501(c)(3) letter is posted at
+http://pglaf.org/fundraising. Contributions to the Project Gutenberg
+Literary Archive Foundation are tax deductible to the full extent
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+throughout numerous locations. Its business office is located at
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+status with the IRS.
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+The Foundation is committed to complying with the laws regulating
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+Section 5. General Information About Project Gutenberg-tm electronic
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+Professor Michael S. Hart is the originator of the Project Gutenberg-tm
+concept of a library of electronic works that could be freely shared
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+editions, all of which are confirmed as Public Domain in the U.S.
+unless a copyright notice is included. Thus, we do not necessarily
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+The Project Gutenberg EBook of Das Motiv der Kstchenwahl, by Sigmund Freud
+
+This eBook is for the use of anyone anywhere at no cost and with
+almost no restrictions whatsoever. You may copy it, give it away or
+re-use it under the terms of the Project Gutenberg License included
+with this eBook or online at www.gutenberg.org
+
+
+Title: Das Motiv der Kstchenwahl
+
+Author: Sigmund Freud
+
+Editor: Sigmund Freud
+ Otto Rank
+ Hanns Sachs
+
+Release Date: December 24, 2007 [EBook #24017]
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+Language: German
+
+Character set encoding: ISO-8859-1
+
+*** START OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK DAS MOTIV DER KSTCHENWAHL ***
+
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+
+
+Produced by Jana Srna and the Online Distributed
+Proofreading Team at http://www.pgdp.net
+
+
+
+
+
+
+ IMAGO
+
+
+ ZEITSCHRIFT FR ANWENDUNG DER PSYCHOANALYSE
+ AUF DIE GEISTESWISSENSCHAFTEN
+
+ HERAUSGEGEBEN VON PROF. DR. SIGM. FREUD
+
+ SCHRIFTLEITUNG:
+ II. 3. DR. OTTO RANK / DR. HANNS SACHS 1913
+
+
+
+
+Das Motiv der Kstchenwahl.
+
+Von SIGM. FREUD.
+
+
+I.
+
+Zwei Szenen aus _Shakespeare_, eine heitere und eine tragische, haben
+mir krzlich den Anla zu einer kleinen Problemstellung und Lsung
+gegeben.
+
+Die heitere ist die der Wahl des Freiers zwischen drei Kstchen im
+Kaufmann von Venedig. Die schne und kluge Porzia ist durch den Willen
+ihres Vaters gebunden, nur den von ihren Bewerbern zum Mann zu nehmen,
+der von drei ihm vorgelegten Kstchen das richtige whlt. Die drei
+Kstchen sind von Gold, von Silber und von Blei; das richtige ist jenes,
+welches ihr Bildnis einschliet. Zwei Bewerber sind bereits erfolglos
+abgezogen, sie hatten Gold und Silber gewhlt. Bassanio, der Dritte,
+entscheidet sich fr das Blei; er gewinnt damit die Braut, deren Neigung
+ihm bereits vor der Schicksalsprobe gehrt hat. Jeder der Freier hatte
+seine Entscheidung durch eine Rede motiviert, in welcher er das von ihm
+bevorzugte Metall anpries, whrend er die beiden anderen herabsetzte.
+Die schwerste Aufgabe war dabei dem glcklichen dritten Freier
+zugefallen; was er zur Verherrlichung des Bleis gegen Gold und Silber
+sagen kann, ist wenig und klingt gezwungen. Stnden wir in der
+psychoanalytischen Praxis vor solcher Rede, so wrden wir hinter der
+unbefriedigenden Begrndung geheimgehaltene Motive wittern.
+
+_Shakespeare_ hat das Orakel der Kstchenwahl nicht selbst erfunden, er
+nahm es aus einer Erzhlung der Gesta Romanorum, in welcher ein
+Mdchen dieselbe Wahl vornimmt, um den Sohn des Kaisers zu gewinnen[1].
+Auch hier ist das dritte Metall, das Blei, das Glckbringende. Es ist
+nicht schwer zu erraten, da hier ein altes Motiv vorliegt, welches nach
+Deutung, Ableitung und Zurckfhrung verlangt. Eine erste Vermutung,
+was wohl die Wahl zwischen Gold, Silber und Blei bedeuten mge, findet
+bald Besttigung durch eine uerung von E. _Stucken_[2], der sich in
+weitausgreifendem Zusammenhang mit dem nmlichen Stoff beschftigt. Er
+sagt: Wer die drei Freier Porzias sind, erhellt aus dem, was sie
+whlen: Der Prinz von Marokko whlt den goldenen Kasten: er ist die
+Sonne; der Prinz von Arragon whlt den silbernen Kasten: er ist der
+Mond; Bassanio whlt den bleiernen Kasten: er ist der Sternenknabe. Zur
+Untersttzung dieser Deutung zitiert er eine Episode aus dem estnischen
+Volksepos Kalewipoeg, in welcher die drei Freier unverkleidet als
+Sonnen-, Mond- und Sternenjngling (des Polarsterns ltestes Shnchen)
+auftreten und die Braut wiederum dem Dritten zufllt.
+
+ [1] G. _Brandes_, William Shakespeare, 1896.
+
+ [2] Ed. _Stucken_, Astralmythen, p. 655, Leipzig 1907.
+
+So fhrte also unser kleines Problem auf einen Astralmythus! Nur schade,
+da wir mit dieser Aufklrung nicht zu Ende gekommen sind. Das Fragen
+setzt sich weiter fort, denn wir glauben nicht mit manchen
+Mythenforschern, da die Mythen vom Himmel herabgelesen worden sind,
+vielmehr urteilen wir mit O. _Rank_[3], da sie auf den Himmel
+projiziert wurden, nachdem sie anderswo unter rein menschlichen
+Bedingungen entstanden waren. Diesem menschlichen Inhalt gilt aber unser
+Interesse.
+
+ [3] O. _Rank_, Der Mythus von der Geburt des Helden, p. 8 fg., Wien
+ und Leipzig 1909.
+
+Fassen wir unseren Stoff nochmals ins Auge. Im estnischen Epos wie in
+der Erzhlung der Gesta Romanorum handelt es sich um die Wahl eines
+Mdchens zwischen drei Freiern, in der Szene des Kaufmann von Venedig
+anscheinend um das nmliche, aber gleichzeitig tritt an dieser letzten
+Stelle etwas wie eine Umkehrung des Motivs auf: Ein Mann whlt zwischen
+drei -- Kstchen. Wenn wir es mit einem Traum zu tun htten, wrden wir
+sofort daran denken, da die Kstchen auch Frauen sind, Symbole des
+Wesentlichen an der Frau und darum der Frau selbst, wie Bchsen, Dosen,
+Schachteln, Krbe usw. Gestatten wir uns eine solche symbolische
+Ersetzung auch beim Mythus anzunehmen, so wird die Kstchenszene im
+Kaufmann von Venedig wirklich zur Umkehrung, die wir vermutet haben.
+Mit einem Ruck, wie er sonst nur im Mrchen beschrieben wird, haben wir
+unserem Thema das astrale Gewand abgestreift und sehen nun, es behandelt
+ein menschliches Motiv, die _Wahl eines Mannes zwischen drei Frauen_.
+
+Dasselbe ist aber der Inhalt einer anderen Szene _Shakespeare_s in einem
+der erschtterndsten seiner Dramen, keine Brautwahl diesmal, aber doch
+durch so viel geheime hnlichkeiten mit der Kstchenwahl im Kaufmann
+verknpft. Der alte Knig Lear beschliet noch bei Lebzeiten sein Reich
+unter seine drei Tchter zu verteilen, je nach Magabe der Liebe, die
+sie fr ihn uern. Die beiden lteren, _Goneril_ und _Regan_,
+erschpften sich in Beteuerungen und Anpreisungen ihrer Liebe, die
+dritte, _Cordelia_, weigert sich dessen. Er htte diese unscheinbare,
+wortlose Liebe der Dritten erkennen und belohnen sollen, aber er
+verkennt sie, verstt Cordelia und teilt das Reich unter die beiden
+anderen, zu seinem und zu aller Unheil. Ist das nicht wieder eine Szene
+der Wahl zwischen drei Frauen, von denen die jngste die beste, die
+vorzglichste ist?
+
+Sofort fallen uns nun aus Mythus, Mrchen und Dichtung andere Szenen
+ein, welche die nmliche Situation zum Inhalt haben: Der Hirte Paris hat
+die Wahl zwischen drei Gttinnen, von denen er die dritte zur Schnsten
+erklrt. Aschenputtel ist eine ebensolche Jngste, die der Knigssohn
+den beiden lteren vorzieht, Psyche im Mrchen des Apulejus ist die
+jngste und schnste von drei Schwestern, Psyche, die einerseits als
+menschlich gewordene Aphrodite verehrt wird, anderseits von dieser
+Gttin behandelt wird wie Aschenputtel von ihrer Stiefmutter, einen
+vermischten Haufen von Samenkrnern schlichten soll und es mit Hilfe von
+kleinen Tieren (Tauben bei Aschenputtel, Ameisen bei Psyche)
+zustandebringt[4]. Wer sich weiter im Material umsehen wollte, wrde
+gewi noch andere Gestaltungen desselben Motivs mit Erhaltung derselben
+wesentlichen Zge auffinden knnen.
+
+ [4] Den Hinweis auf diese bereinstimmungen verdanke ich Dr. O. _Rank_.
+
+Begngen wir uns mit Cordelia, Aphrodite, Aschenputtel und Psyche! Die
+drei Frauen, von denen die dritte die vorzglichste ist, sind wohl als
+irgendwie gleichartig aufzufassen, wenn sie als Schwestern vorgefhrt
+werden. Es soll uns nicht irre machen, wenn es bei Lear die drei Tchter
+des Whlenden sind, das bedeutet vielleicht nichts anderes, als da Lear
+als alter Mann dargestellt werden soll. Den alten Mann kann man nicht
+leicht anders zwischen drei Frauen whlen lassen; darum werden diese zu
+seinen Tchtern.
+
+Wer sind aber diese drei Schwestern und warum mu die Wahl auf die
+Dritte fallen? Wenn wir diese Frage beantworten knnten, wren wir im
+Besitz der gesuchten Deutung. Nun haben wir uns bereits einmal der
+Anwendung psychoanalytischer Techniken bedient, als wir uns die drei
+Kstchen symbolisch als drei Frauen aufklrten. Haben wir den Mut, ein
+solches Verfahren fortzusetzen, so betreten wir einen Weg, der zunchst
+ins Unvorhergesehene, Unbegreifliche, auf Umwegen vielleicht zu einem
+Ziele fhrt.
+
+Es darf uns auffallen, da jene vorzgliche Dritte in mehreren Fllen
+auer ihrer Schnheit noch gewisse Besonderheiten hat. Es sind
+Eigenschaften, die nach irgendeiner Einheit zu streben scheinen; wir
+drfen gewi nicht erwarten, sie in allen Beispielen gleich gut
+ausgeprgt zu finden. Cordelia macht sich unkenntlich, unscheinbar wie
+das Blei, sie bleibt stumm, sie liebt und schweigt. Aschenputtel
+verbirgt sich, so da sie nicht aufzufinden ist. Wir drfen vielleicht
+das sich Verbergen dem Verstummen gleichsetzen. Dies wren allerdings
+nur zwei Flle von den fnf, die wir herausgesucht haben. Aber eine
+Andeutung davon findet sich merkwrdigerweise auch noch bei zwei
+anderen. Wir haben uns ja entschlossen, die widerspenstig ablehnende
+Cordelia dem Blei zu vergleichen. Von diesem heit es in der kurzen Rede
+des Bassanio whrend der Kstchenwahl, eigentlich so ganz unvermittelt:
+
+ _Thy paleness moves me more than eloquence._
+ (_plainness_ nach anderer Leseart).
+
+Also: Deine Schlichtheit geht mir nher als der beiden anderen
+schreiendes Wesen. Gold und Silber sind laut, das Blei ist stumm,
+wirklich wie Cordelia, die liebt und schweigt[5].
+
+ [5] In der _Schlegel_schen bersetzung geht diese Anspielung ganz
+ verloren, ja sie wird zur Gegenseite gewendet:
+
+ Dein schlichtes Wesen spricht beredt mich an.
+
+In den altgriechischen Erzhlungen des Parisurteils ist von einer
+solchen Zurckhaltung der Aphrodite nichts enthalten. Jede der drei
+Gttinnen spricht zu dem Jngling und sucht ihn durch Verheiungen zu
+gewinnen. Aber in einer ganz modernen Bearbeitung derselben Szene kommt
+der uns auffllig gewordene Zug der Dritten sonderbarerweise wieder zum
+Vorschein. Im Libretto der Schnen Helena erzhlt Paris, nachdem er
+von den Werbungen der beiden anderen Gttinnen berichtet, wie sich
+Aphrodite in diesem Wettkampf um den Schnheitspreis benommen:
+
+ Und die Dritte -- ja die Dritte --
+ Stand daneben und blieb _stumm_.
+ Ihr mut' ich den Apfel geben usw.
+
+Entschlieen wir uns, die Eigentmlichkeit unserer Dritten in der
+Stummheit konzentriert zu sehen, so sagt uns die Psychoanalyse:
+Stummheit ist im Traume eine gebruchliche Darstellung des Todes[6].
+
+ [6] Auch in _Stekel_s Sprache des Traumes 1911 unter den
+ Todessymbolen angefhrt. (p. 351.)
+
+Vor mehr als zehn Jahren teilte mir ein hochintelligenter Mann einen
+Traum mit, den er als Beweis fr die telepathische Natur der Trume
+verwerten wollte. Er sah einen abwesenden Freund, von dem er berlange
+keine Nachricht erhalten hatte, und machte ihm eindringliche Vorwrfe
+ber sein Stillschweigen. Der Freund gab keine Antwort. Es stellte sich
+dann heraus, da er ungefhr um die Zeit dieses Traumes durch Selbstmord
+geendet hatte. Lassen wir das Problem der Telepathie beiseite; da die
+Stummheit im Traume zur Darstellung des Todes wird, scheint hier nicht
+zweifelhaft. Auch das sich Verbergen, Unauffindbarsein, wie es der
+Mrchenprinz dreimal beim Aschenputtel erlebt, ist im Traume ein
+unverkennbares Todessymbol; nicht minder die auffllige Blsse, an
+welche die paleness des Bleis in der einen Leseart des _Shakespeare_schen
+Textes erinnert[7]. Die bertragung dieser Deutungen aus der Sprache des
+Traumes auf die Ausdrucksweise des uns beschftigenden Mythus wird uns
+aber wesentlich erleichtert, wenn wir wahrscheinlich machen knnen, da
+die Stummheit auch in anderen Produktionen, die nicht Trume sind, als
+Zeichen des Totseins gedeutet werden mu.
+
+ [7] _Stekel_, l.c.
+
+Ich greife hier das neunte der _Grimm_schen Volksmrchen heraus, welches
+die berschrift hat: Die zwlf Brder[8]. Ein Knig und eine Knigin
+hatten zwlf Kinder, lauter Buben. Da sagte der Knig, wenn das
+dreizehnte Kind ein Mdchen ist, mssen die Buben sterben. In Erwartung
+dieser Geburt lt er zwlf Srge machen. Die zwlf Shne flchten sich
+mit Hilfe der Mutter in einen versteckten Wald und schwren jedem
+Mdchen den Tod, dem sie begegnen sollten.
+
+ [8] P. 50 der Reklamausgabe, I. Bd.
+
+Ein Mdchen wird geboren, wchst heran und erfhrt einmal von der
+Mutter, da es zwlf Brder gehabt hat. Es beschliet, sie aufzusuchen
+und findet im Walde den Jngsten, der sie erkennt aber verbergen mchte
+wegen des Eides der Brder. Die Schwester sagt: Ich will gerne sterben,
+wenn ich damit meine zwlf Brder erlsen kann. Die Brder nehmen sie
+aber herzlich auf, sie bleibt bei ihnen und besorgt ihnen das Haus.
+
+In einem kleinen Garten bei dem Haus wachsen zwlf Lilienblumen; die
+bricht das Mdchen ab, um jedem Bruder eine zu schenken. In diesem
+Augenblicke werden die Brder in Raben verwandelt und verschwinden mit
+Haus und Garten. -- Die Raben sind Seelenvgel, die Ttung der zwlf
+Brder durch ihre Schwester wird durch das Abpflcken der Blumen von
+neuem dargestellt, wie zu Eingang durch die Srge und das Verschwinden
+der Brder. -- Das Mdchen, das wiederum bereit ist, seine Brder vom
+Tod zu erlsen, erfhrt nun als Bedingung, da sie sieben Jahre stumm
+sein, kein einziges Wort sprechen darf. Sie unterzieht sich dieser
+Probe, durch die sie selbst in Lebensgefahr gert, d.h. sie stirbt
+selbst fr die Brder, wie sie es vor dem Zusammentreffen mit den
+Brdern gelobt hat. Durch die Einhaltung der Stummheit gelingt ihr
+endlich die Erlsung der Raben.
+
+Ganz hnlich werden im Mrchen von den sechs Schwnen die in Vgel
+verwandelten Brder durch die Stummheit der Schwester erlst, d.h.
+wiederbelebt. Das Mdchen hat den festen Entschlu gefat, seine Brder
+zu erlsen, und wenn es auch sein Leben kostete und bringt als
+Gemahlin des Knigs wiederum ihr eigenes Leben in Gefahr, weil sie gegen
+bse Anklagen ihre Stummheit nicht aufgeben will.
+
+Wir wrden sicherlich aus den Mrchen noch andere Beweise erbringen
+knnen, da die Stummheit als Darstellung des Todes verstanden werden
+mu. Wenn wir diesem Anzeichen folgen drfen, so wre die dritte unserer
+Schwestern, zwischen denen die Wahl stattfindet, eine Tote. Sie kann
+aber auch etwas anderes sein, nmlich der Tod selbst, die Todesgttin.
+Vermge einer gar nicht seltenen Verschiebung werden die Eigenschaften,
+die eine Gottheit den Menschen zuteilt, ihr selbst zugeschrieben. Am
+wenigsten wird uns solche Verschiebung bei der Todesgttin befremden,
+denn in der modernen Auffassung und Darstellung, die hier vorweggenommen
+wrde, ist der Tod selbst nur ein Toter.
+
+Wenn aber die dritte der Schwestern die Todesgttin ist, so kennen wir
+die Schwestern. Es sind die Schicksalsschwestern, die _Moiren_ oder
+Parzen oder Nornen, deren dritte _Atropos_ heit: die Unerbittliche.
+
+
+II.
+
+Stellen wir die Sorge, wie die gefundene Deutung in unseren Mythus
+einzufgen ist, einstweilen beiseite, und holen wir uns bei den
+Mythologen Belehrung ber Rolle und Herkunft der Schicksalsgttinnen[9].
+
+ [9] Das folgende nach _Roscher_s Lexikon der griechischen und
+ rmischen Mythologie unter den entsprechenden Titeln.
+
+Die lteste griechische Mythologie kennt nur eine =Moira= als
+Personifikation des unentrinnbaren Schicksals (bei Homer). Die
+Fortentwicklung dieser einen Moira zu einem Schwesterverein von drei
+(seltener zwei) Gottheiten erfolgte wahrscheinlich in Anlehnung an
+andere Gttergestalten, denen die Moiren nahestehen, die Chariten und
+die Horen.
+
+Die Horen sind ursprnglich Gottheiten der himmlischen Gewsser, die
+Regen und Tau spenden, der Wolken, aus denen der Regen niederfllt, und
+da diese Wolken als Gespinst erfat werden, ergibt sich fr diese
+Gttinnen der Charakter der Spinnerinnen, der dann an den Moiren fixiert
+wird. In den von der Sonne verwhnten Mittelmeerlndern ist es der
+Regen, von dem die Fruchtbarkeit des Bodens abhngig wird, und darum
+wandeln sich die Horen zu Vegetationsgottheiten. Man dankt ihnen die
+Schnheit der Blumen und den Reichtum der Frchte, stattet sie mit einer
+Flle von liebenswrdigen und anmutigen Zgen aus. Sie werden zu den
+gttlichen Vertreterinnen der Jahreszeiten und erwerben vielleicht durch
+diese Beziehung ihre Dreizahl, wenn die heilige Natur der Drei zu deren
+Aufklrung nicht gengen sollte. Denn diese alten Vlker unterschieden
+zuerst nur drei Jahreszeiten: Winter, Frhling und Sommer. Der Herbst
+kam erst in spten griechisch-rmischen Zeiten hinzu; dann bildete die
+Kunst hufig vier Horen ab.
+
+Die Beziehung zur Zeit blieb den Horen erhalten; sie wachten spter ber
+die Tageszeiten wie zuerst ber die Zeiten des Jahres; endlich sank ihr
+Name zur Bezeichnung der Stunde (heure, ora) herab. Die den Horen und
+Moiren wesensverwandten Nornen der deutschen Mythologie tragen diese
+Zeitbedeutung in ihren Namen zur Schau. Es konnte aber nicht ausbleiben,
+da das Wesen dieser Gottheiten tiefer erfat und in das Gesetzmige im
+Wandel der Zeiten verlegt wurde; die Horen wurden so zu Hterinnen des
+Naturgesetzes und der heiligen Ordnung, welche mit unabnderlicher
+Reihenfolge in der Natur das gleiche wiederkehren lt.
+
+Diese Erkenntnis der Natur wirkte zurck auf die Auffassung des
+menschlichen Lebens. Der Naturmythus wandelte sich zum Menschenmythus;
+aus den Wettergttinnen wurden Schicksalsgottheiten. Aber diese Seite
+der Horen kam erst in den Moiren zum Ausdruck, die ber die notwendige
+Ordnung im Menschenleben so unerbittlich wachen wie die Horen ber die
+Gesetzmigkeit der Natur. Das unabwendbar Strenge des Gesetzes, die
+Beziehung zu Tod und Untergang, die an den lieblichen Gestalten der
+Horen vermieden worden waren, sie prgten sich nun an den Moiren aus,
+als ob der Mensch den ganzen Ernst des Naturgesetzes erst dann empfnde,
+wenn er die eigene Person ihm unterordnen soll.
+
+Die Namen der drei Spinnerinnen haben auch bei den Mythologen
+bedeutsames Verstndnis gefunden. Die zweite _Lachesis_ scheint das
+innerhalb der Gesetzmigkeit des Schicksals Zufllige zu
+bezeichnen[10] -- wir wrden sagen: das Erleben -- wie _Atropos_ das
+Unabwendbare, den Tod, und dann bliebe fr _Klotho_ die Bedeutung der
+verhngnisvollen, mitgebrachten Anlage.
+
+ [10] J. _Roscher_ nach Preller-Robert, Griech. Mythologie.
+
+Und nun ist es Zeit, zu dem der Deutung unterliegenden Motiv der Wahl
+zwischen drei Schwestern zurckzukehren. Mit tiefem Mivergngen werden
+wir bemerken, wie unverstndlich die betrachteten Situationen werden,
+wenn wir in sie die gefundene Deutung einsetzen, und welche Widersprche
+zum scheinbaren Inhalt derselben sich dann ergeben. Die dritte der
+Schwestern soll die Todesgttin sein, der Tod selbst, und im Parisurteil
+ist es die Liebesgttin, im Mrchen des Apulejus eine dieser letzteren
+vergleichbare Schnheit, im Kaufmann die schnste und klgste Frau, im
+Lear die einzig treue Tochter. Kann ein Widerspruch vollkommener gedacht
+werden? Doch vielleicht ist diese unwahrscheinliche Steigerung ganz in
+der Nhe. Sie liegt wirklich vor, wenn in unserem Motiv jedesmal
+zwischen den Frauen frei gewhlt wird, und wenn die Wahl dabei auf den
+Tod fallen soll, den doch niemand whlt, dem man durch ein Verhngnis
+zum Opfer fllt.
+
+Indes Widersprche von einer gewissen Art, Ersetzungen durch das volle
+kontradiktorische Gegenteil bereiten der analytischen Deutungsarbeit
+keine ernste Schwierigkeit. Wir werden uns hier nicht darauf berufen,
+da Gegenstze in den Ausdrucksweisen des Unbewuten wie im Traume so
+hufig durch eines und das nmliche Element dargestellt werden. Aber wir
+werden daran denken, da es Motive im Seelenleben gibt, welche die
+Ersetzung durch das Gegenteil als sogenannte Reaktionsbildung
+herbeifhren, und knnen den Gewinn unserer Arbeit gerade in der
+Aufdeckung solcher verborgener Motive suchen. Die Schpfung der Moiren
+ist der Erfolg einer Einsicht, welche den Menschen mahnt, auch er sei
+ein Stck der Natur und darum dem unabnderlichen Gesetz des Todes
+unterworfen. Gegen diese Unterwerfung mute sich etwas im Menschen
+struben, der nur hchst ungern auf seine Ausnahmsstellung verzichtet.
+Wir wissen, da der Mensch seine Phantasiettigkeit zur Befriedigung
+seiner von der Realitt unbefriedigten Wnsche verwendet. So lehnte sich
+denn seine Phantasie gegen die im Moirenmythus verkrperte Einsicht auf
+und schuf den davon abgeleiteten Mythus, in dem die Todesgttin durch
+die Liebesgttin, und was ihr an menschlichen Gestaltungen gleichkommt,
+ersetzt ist. Die dritte der Schwestern ist nicht mehr der Tod, sie ist
+die schnste, beste, begehrenswerteste, liebenswerteste der Frauen. Und
+diese Ersetzung war technisch keineswegs schwer; sie war durch eine alte
+Ambivalenz vorbereitet, sie vollzog sich lngs eines uralten
+Zusammenhanges, der noch nicht lange vergessen sein konnte. Die
+Liebesgttin selbst, die jetzt an die Stelle der Todesgttin trat, war
+einst mit ihr identisch gewesen. Noch die griechische Aphrodite
+entbehrte nicht vllig der Beziehungen zur Unterwelt, obwohl sie ihre
+chthonische Rolle lngst an andere Gttergestalten, an die Persephone,
+die dreigestaltige Artemis-Hekate, abgegeben hatte. Die groen
+Muttergottheiten der orientalischen Vlker scheinen aber alle ebensowohl
+Zeugerinnen wie Vernichterinnen, Gttinnen des Lebens und der
+Befruchtung wie Todesgttinnen gewesen zu sein. So greift die Ersetzung
+durch ein Wunschgegenteil bei unserem Motiv auf eine uralte Identitt
+zurck.
+
+Dieselbe Erwgung beantwortet uns die Frage, woher der Zug der Wahl in
+den Mythus von den drei Schwestern geraten ist. Es hat hier wiederum
+eine Wunschverkehrung stattgefunden. Wahl steht an der Stelle von
+Notwendigkeit, von Verhngnis. So berwindet der Mensch den Tod, den er
+in seinem Denken anerkannt hat. Es ist kein strkerer Triumph der
+Wunscherfllung denkbar. Man whlt dort, wo man in Wirklichkeit dem
+Zwange gehorcht, und die man whlt, ist nicht die Schreckliche, sondern
+die Schnste und Begehrenswerteste.
+
+Bei nherem Zusehen merken wir freilich, da die Entstellungen des
+ursprnglichen Mythus nicht grndlich genug sind, um sich nicht durch
+Resterscheinungen zu verraten. Die freie Wahl zwischen den drei
+Schwestern ist eigentlich keine freie Wahl, denn sie mu
+notwendigerweise die dritte treffen, wenn nicht, wie im Lear, alles
+Unheil aus ihr entstehen soll. Die Schnste und Beste, welche an Stelle
+der Todesgttin getreten ist, hat Zge behalten, die an das Unheimliche
+streifen, so da wir aus ihnen das Verborgene erraten konnten[11].
+
+ [11] Auch die Psyche des Apulejus hat reichlich Zge bewahrt, welche
+ an ihre Beziehung zum Tode mahnen. Ihre Hochzeit wird gerstet wie
+ eine Leichenfeier, sie mu in die Unterwelt hinabsteigen und versinkt
+ nachher in einen totenhnlichen Schlaf (O. _Rank_).
+
+ ber die Bedeutung der Psyche als Frhlingsgottheit und als Braut des
+ Todes s. A. _Zinzow_: Psyche und Eros (Halle 1881).
+
+ In einem anderen _Grimm_schen Mrchen (Nr. 179, Die Gnsehirtin am
+ Brunnen) findet sich wie beim Aschenputtel die Abwechslung von schner
+ und hlicher Gestalt der dritten Tochter, in der man wohl eine
+ Andeutung von deren Doppelnatur -- vor und nach der Ersetzung --
+ erblicken darf. Diese dritte wird von ihrem Vater nach einer Probe
+ verstoen, welche mit der im Knig Lear fast zusammenfllt. Sie soll
+ wie die anderen Schwestern angeben, wie lieb sie den Vater hat, findet
+ aber keinen anderen Ausdruck ihrer Liebe als den Vergleich mit dem
+ Salz. (Freundliche Mitteilung von Dr. _Hanns Sachs_.)
+
+Wir haben bisher den Mythus und seine Wandlung verfolgt und hoffen die
+geheimen Grnde dieser Wandlung aufgezeigt zu haben. Nun darf uns wohl
+die Verwendung des Motivs beim Dichter interessieren. Wir bekommen den
+Eindruck, als ginge beim Dichter eine Reduktion des Motivs auf den
+ursprnglichen Mythus vor sich, so da der ergreifende, durch die
+Entstellung abgeschwchte Sinn des letzteren von uns wieder versprt
+wird. Durch diese Reduktion der Entstellung, die teilweise Rckkehr zum
+Ursprnglichen, erziele der Dichter die tiefere Wirkung, die er bei uns
+erzeugt.
+
+Um Miverstndnissen vorzubeugen will ich sagen, ich habe nicht die
+Absicht zu widersprechen, da das Drama vom Knig Lear die beiden weisen
+Lehren einschrfen wolle, man solle auf sein Gut und seine Rechte nicht
+zu Lebzeiten verzichten, und man msse sich hten, Schmeichelei fr bare
+Mnze zu nehmen. Diese und hnliche Mahnungen ergeben sich wirklich aus
+dem Stck, aber es erscheint mir ganz unmglich, die ungeheure Wirkung
+des Lear aus dem Eindruck dieses Gedankeninhaltes zu erklren oder
+anzunehmen, da die persnlichen Motive des Dichters mit der Absicht
+diese Lehren vorzutragen erschpft seien. Auch die Auskunft, der Dichter
+habe uns die Tragdie der Undankbarkeit vorspielen wollen, deren Bisse
+er wohl am eigenen Leib versprt, und die Wirkung des Spiels beruhe auf
+dem rein formalen Moment der knstlerischen Einkleidung, scheint mir das
+Verstndnis nicht zu ersetzen, welches uns durch die Wrdigung des
+Motivs der Wahl zwischen den drei Schwestern erffnet wird.
+
+Lear ist ein alter Mann. Wir sagten schon, darum erscheinen die drei
+Schwestern als seine Tchter. Das Vaterverhltnis, aus dem so viel
+fruchtbare dramatische Antriebe erflieen knnten, wird im Drama weiter
+nicht verwertet. Lear ist aber nicht nur ein Alter, sondern auch ein
+Sterbender. Die so absonderliche Voraussetzung der Erbteilung verliert
+dann alles Befremdende. Dieser dem Tode Verfallene will aber auf die
+Liebe des Weibes nicht verzichten, er will hren, wie sehr er geliebt
+wird. Nun denke man an die erschtternde letzte Szene, einen der
+Hhepunkte der Tragik im modernen Drama: Lear trgt den Leichnam der
+Cordelia auf die Bhne. Cordelia ist der Tod. Wenn man die Situation
+umkehrt, wird sie uns verstndlich und vertraut. Es ist die Todesgttin,
+die den verstorbenen Helden vom Kampfplatze wegtrgt, wie die Walkre in
+der deutschen Mythologie. Ewige Weisheit im Gewand des uralten Mythus
+rt dem alten Manne, der Liebe zu entsagen, den Tod zu whlen, sich mit
+der Notwendigkeit des Sterbens zu befreunden.
+
+Der Dichter bringt uns das alte Motiv nher, indem er die Wahl zwischen
+den drei Schwestern von einem Gealterten und Sterbenden vollziehen lt.
+Die regressive Bearbeitung, die er so mit dem durch Wunschverwandlung
+entstellten Mythus vorgenommen, lt dessen alten Sinn so weit
+durchschimmern, da uns vielleicht auch eine flchenhafte, allegorische
+Deutung der drei Frauengestalten des Motivs ermglicht wird. Man knnte
+sagen, es seien die drei fr den Mann unvermeidlichen Beziehungen zum
+Weibe, die hier dargestellt sind: Die Gebrerin, die Genossin und die
+Verderberin. Oder die drei Formen, zu denen sich ihm das Bild der Mutter
+im Lauf des Lebens wandelt: Die Mutter selbst, die Geliebte, die er nach
+deren Ebenbild gewhlt, und zuletzt die Mutter Erde, die ihn wieder
+aufnimmt. Der alte Mann aber hascht vergebens nach der Liebe des Weibes,
+wie er sie zuerst von der Mutter empfangen; nur die dritte der
+Schicksalsfrauen, die schweigsame Todesgttin, wird ihn in ihre Arme
+nehmen.
+
+
+
+
+
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+
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+The Project Gutenberg EBook of Das Motiv der Kästchenwahl, by Sigmund Freud
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+This eBook is for the use of anyone anywhere at no cost and with
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+with this eBook or online at www.gutenberg.org
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+Title: Das Motiv der Kästchenwahl
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+Author: Sigmund Freud
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+Editor: Sigmund Freud
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+Release Date: December 24, 2007 [EBook #24017]
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+*** START OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK DAS MOTIV DER KÄSTCHENWAHL ***
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+Produced by Jana Srna and the Online Distributed
+Proofreading Team at http://www.pgdp.net
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+<p class="center gesperrt" style="font-size: xx-large; margin-top: 80px;">IMAGO</p>
+
+<p class="center" style="font-size: larger;">ZEITSCHRIFT F&Uuml;R ANWENDUNG DER PSYCHOANALYSE<br/>
+AUF DIE GEISTESWISSENSCHAFTEN</p>
+
+<p class="center" style="font-size: larger;">HERAUSGEGEBEN VON PROF. DR. SIGM. FREUD</p>
+
+<p class="center">SCHRIFTLEITUNG:<br />
+<span style="padding-right: 1.5em; font-size: larger;">II. 3.</span> DR. OTTO RANK / DR. HANNS SACHS <span style="padding-left: 1.5em; font-size: larger;">1913</span></p>
+
+<div style="width: 600px; margin: auto;">
+<img src="images/bar.png" width="600" height="19" alt="" title=""/>
+</div>
+
+<h1>Das Motiv der K&auml;stchenwahl.</h1>
+
+<p class="center">Von SIGM. FREUD.</p>
+
+
+<h2>I.</h2>
+
+<p class="dropcap">Zwei Szenen aus <span class="gesperrt">Shakespeare</span>, eine heitere und eine tragische,
+haben mir k&uuml;rzlich den Anla&szlig; zu einer kleinen Problemstellung
+und L&ouml;sung gegeben.</p>
+
+<p>Die heitere ist die der Wahl des Freiers zwischen drei K&auml;stchen
+im &raquo;Kaufmann von Venedig&laquo;. Die sch&ouml;ne und kluge Porzia
+ist durch den Willen ihres Vaters gebunden, nur den von ihren
+Bewerbern zum Mann zu nehmen, der von drei ihm vorgelegten
+K&auml;stchen das richtige w&auml;hlt. Die drei K&auml;stchen sind von Gold, von
+Silber und von Blei; das richtige ist jenes, welches ihr Bildnis einschlie&szlig;t.
+Zwei Bewerber sind bereits erfolglos abgezogen, sie hatten
+Gold und Silber gew&auml;hlt. Bassanio, der Dritte, entscheidet sich f&uuml;r
+das Blei; er gewinnt damit die Braut, deren Neigung ihm bereits
+vor der Schicksalsprobe geh&ouml;rt hat. Jeder der Freier hatte seine
+Entscheidung durch eine Rede motiviert, in welcher er das von ihm
+bevorzugte Metall anpries, w&auml;hrend er die beiden anderen herabsetzte.
+Die schwerste Aufgabe war dabei dem gl&uuml;cklichen dritten
+Freier zugefallen; was er zur Verherrlichung des Bleis gegen Gold
+und Silber sagen kann, ist wenig und klingt gezwungen. St&uuml;nden
+wir in der psychoanalytischen Praxis vor solcher Rede, so w&uuml;rden
+wir hinter der unbefriedigenden Begr&uuml;ndung geheimgehaltene Motive
+wittern.</p>
+
+<p><span class="gesperrt">Shakespeare</span> hat das Orakel der K&auml;stchenwahl nicht selbst
+erfunden, er nahm es aus einer Erz&auml;hlung der &raquo;<span lang="la" xml:lang="la">Gesta Romanorum</span>&laquo;,
+in welcher ein M&auml;dchen dieselbe Wahl vornimmt, um den Sohn des
+Kaisers zu gewinnen<a name="FNanchor_1_1" href="#Footnote_1_1" class="fnanchor">[1]</a>. Auch hier ist das dritte Metall, das Blei, das
+Gl&uuml;ckbringende. Es ist nicht schwer zu erraten, da&szlig; hier ein altes
+Motiv vorliegt, welches nach Deutung, Ableitung und Zur&uuml;ckf&uuml;hrung
+verlangt. Eine erste Vermutung, was wohl die Wahl
+zwischen Gold, Silber und Blei bedeuten m&ouml;ge, findet bald Best&auml;tigung
+durch eine &Auml;u&szlig;erung von E. <span class="gesperrt">Stucken</span><a name="FNanchor_2_2" href="#Footnote_2_2" class="fnanchor">[2]</a>, der sich in weitausgreifendem
+Zusammenhang mit dem n&auml;mlichen Stoff besch&auml;ftigt. Er
+sagt: &raquo;Wer die drei Freier Porzias sind, erhellt aus dem, was sie
+w&auml;hlen: Der Prinz von Marokko w&auml;hlt den goldenen Kasten: er
+ist die Sonne; der Prinz von Arragon w&auml;hlt den silbernen Kasten:
+er ist der Mond; Bassanio w&auml;hlt den bleiernen Kasten: er ist der
+Sternenknabe.&laquo; Zur Unterst&uuml;tzung dieser Deutung zitiert er eine
+Episode aus dem estnischen Volksepos Kalewipoeg, in welcher die
+drei Freier unverkleidet als Sonnen-, Mond- und Sternenj&uuml;ngling
+(&raquo;des Polarsterns &auml;ltestes S&ouml;hnchen&laquo;) auftreten und die Braut
+wiederum dem Dritten zuf&auml;llt.</p>
+
+<p>So f&uuml;hrte also unser kleines Problem auf einen Astralmythus!
+Nur schade, da&szlig; wir mit dieser Aufkl&auml;rung nicht zu Ende gekommen
+sind. Das Fragen setzt sich weiter fort, denn wir glauben
+nicht mit manchen Mythenforschern, da&szlig; die Mythen vom Himmel
+herabgelesen worden sind, vielmehr urteilen wir mit O. <span class="gesperrt">Rank</span><a name="FNanchor_3_3" href="#Footnote_3_3" class="fnanchor">[3]</a>,
+da&szlig; sie auf den Himmel projiziert wurden, nachdem sie anderswo
+unter rein menschlichen Bedingungen entstanden waren. Diesem
+menschlichen Inhalt gilt aber unser Interesse.</p>
+
+<p>Fassen wir unseren Stoff nochmals ins Auge. Im estnischen
+Epos wie in der Erz&auml;hlung der Gesta Romanorum handelt es sich
+um die Wahl eines M&auml;dchens zwischen drei Freiern, in der Szene
+des &raquo;Kaufmann von Venedig&laquo; anscheinend um das n&auml;mliche, aber
+gleichzeitig tritt an dieser letzten Stelle etwas wie eine Umkehrung
+des Motivs auf: Ein Mann w&auml;hlt zwischen drei &ndash; K&auml;stchen.
+Wenn wir es mit einem Traum zu tun h&auml;tten, w&uuml;rden wir sofort
+daran denken, da&szlig; die K&auml;stchen auch Frauen sind, Symbole des
+Wesentlichen an der Frau und darum der Frau selbst, wie B&uuml;chsen,
+Dosen, Schachteln, K&ouml;rbe usw. Gestatten wir uns eine solche symbolische
+Ersetzung auch beim Mythus anzunehmen, so wird die
+K&auml;stchenszene im &raquo;Kaufmann von Venedig&laquo; wirklich zur Umkehrung,
+die wir vermutet haben. Mit einem Ruck, wie er sonst nur im
+M&auml;rchen beschrieben wird, haben wir unserem Thema das astrale
+Gewand abgestreift und sehen nun, es behandelt ein menschliches
+Motiv, die <em class="gesperrt">Wahl eines Mannes zwischen drei Frauen</em>.</p>
+
+<p>Dasselbe ist aber der Inhalt einer anderen Szene <span class="gesperrt">Shakespeare</span>s
+in einem der ersch&uuml;tterndsten seiner Dramen, keine Brautwahl
+diesmal, aber doch durch so viel geheime &Auml;hnlichkeiten mit
+der K&auml;stchenwahl im &raquo;Kaufmann&laquo; verkn&uuml;pft. Der alte K&ouml;nig Lear
+beschlie&szlig;t noch bei Lebzeiten sein Reich unter seine drei T&ouml;chter zu
+verteilen, je nach Ma&szlig;gabe der Liebe, die sie f&uuml;r ihn &auml;u&szlig;ern. Die
+beiden &auml;lteren, <span class="gesperrt">Goneril</span> und <span class="gesperrt">Regan</span>, ersch&ouml;pften sich in Beteuerungen
+und Anpreisungen ihrer Liebe, die dritte, <span class="gesperrt">Cordelia</span>, weigert
+sich dessen. Er h&auml;tte diese unscheinbare, wortlose Liebe der Dritten
+erkennen und belohnen sollen, aber er verkennt sie, verst&ouml;&szlig;t Cordelia
+und teilt das Reich unter die beiden anderen, zu seinem und
+zu aller Unheil. Ist das nicht wieder eine Szene der Wahl zwischen
+drei Frauen, von denen die j&uuml;ngste die beste, die vorz&uuml;glichste ist?</p>
+
+<p>Sofort fallen uns nun aus Mythus, M&auml;rchen und Dichtung
+andere Szenen ein, welche die n&auml;mliche Situation zum Inhalt haben:
+Der Hirte Paris hat die Wahl zwischen drei G&ouml;ttinnen, von denen
+er die dritte zur Sch&ouml;nsten erkl&auml;rt. Aschenputtel ist eine ebensolche
+J&uuml;ngste, die der K&ouml;nigssohn den beiden &Auml;lteren vorzieht, Psyche im
+M&auml;rchen des Apulejus ist die j&uuml;ngste und sch&ouml;nste von drei
+Schwestern, Psyche, die einerseits als menschlich gewordene Aphrodite
+verehrt wird, anderseits von dieser G&ouml;ttin behandelt wird wie
+Aschenputtel von ihrer Stiefmutter, einen vermischten Haufen von
+Samenk&ouml;rnern schlichten soll und es mit Hilfe von kleinen Tieren
+(Tauben bei Aschenputtel, Ameisen bei Psyche) zustandebringt<a name="FNanchor_4_4" href="#Footnote_4_4" class="fnanchor">[4]</a>.
+Wer sich weiter im Material umsehen wollte, w&uuml;rde gewi&szlig; noch
+andere Gestaltungen desselben Motivs mit Erhaltung derselben
+wesentlichen Z&uuml;ge auffinden k&ouml;nnen.</p>
+
+<p>Begn&uuml;gen wir uns mit Cordelia, Aphrodite, Aschenputtel und
+Psyche! Die drei Frauen, von denen die dritte die vorz&uuml;glichste
+ist, sind wohl als irgendwie gleichartig aufzufassen, wenn sie als
+Schwestern vorgef&uuml;hrt werden. Es soll uns nicht irre machen, wenn
+es bei Lear die drei T&ouml;chter des W&auml;hlenden sind, das bedeutet
+vielleicht nichts anderes, als da&szlig; Lear als alter Mann dargestellt
+werden soll. Den alten Mann kann man nicht leicht anders zwischen
+drei Frauen w&auml;hlen lassen; darum werden diese zu seinen
+T&ouml;chtern.</p>
+
+<p>Wer sind aber diese drei Schwestern und warum mu&szlig; die
+Wahl auf die Dritte fallen? Wenn wir diese Frage beantworten
+k&ouml;nnten, w&auml;ren wir im Besitz der gesuchten Deutung. Nun haben
+wir uns bereits einmal der Anwendung psychoanalytischer Techniken
+bedient, als wir uns die drei K&auml;stchen symbolisch als drei Frauen
+aufkl&auml;rten. Haben wir den Mut, ein solches Verfahren fortzusetzen,
+so betreten wir einen Weg, der zun&auml;chst ins Unvorhergesehene, Unbegreifliche,
+auf Umwegen vielleicht zu einem Ziele f&uuml;hrt.</p>
+
+<p>Es darf uns auffallen, da&szlig; jene vorz&uuml;gliche Dritte in mehreren
+F&auml;llen au&szlig;er ihrer Sch&ouml;nheit noch gewisse Besonderheiten hat. Es
+sind Eigenschaften, die nach irgendeiner Einheit zu streben scheinen;
+wir d&uuml;rfen gewi&szlig; nicht erwarten, sie in allen Beispielen gleich gut
+ausgepr&auml;gt zu finden. Cordelia macht sich unkenntlich, unscheinbar
+wie das Blei, sie bleibt stumm, sie &raquo;liebt und schweigt&laquo;. Aschenputtel
+verbirgt sich, so da&szlig; sie nicht aufzufinden ist. Wir d&uuml;rfen
+vielleicht das sich Verbergen dem Verstummen gleichsetzen. Dies
+w&auml;ren allerdings nur zwei F&auml;lle von den f&uuml;nf, die wir herausgesucht
+haben. Aber eine Andeutung davon findet sich merkw&uuml;rdigerweise
+auch noch bei zwei anderen. Wir haben uns ja entschlossen,
+die widerspenstig ablehnende Cordelia dem Blei zu vergleichen.
+Von diesem hei&szlig;t es in der kurzen Rede des Bassanio
+w&auml;hrend der K&auml;stchenwahl, eigentlich so ganz unvermittelt:</p>
+
+<div class="poem"><div class="stanza">
+<span class="i0 gesperrt">Thy paleness moves me more than eloquence.<br/></span>
+<span class="i0">(<em class="gesperrt">plainness</em> nach anderer Leseart).</span>
+</div></div>
+
+<p>Also: Deine Schlichtheit geht mir n&auml;her als der beiden anderen
+schreiendes Wesen. Gold und Silber sind &raquo;laut&laquo;, das Blei ist stumm,
+wirklich wie Cordelia, die &raquo;liebt und schweigt&laquo;<a name="FNanchor_5_5" href="#Footnote_5_5" class="fnanchor">[5]</a>.</p>
+
+<p>In den altgriechischen Erz&auml;hlungen des Parisurteils ist von einer
+solchen Zur&uuml;ckhaltung der Aphrodite nichts enthalten. Jede der drei
+G&ouml;ttinnen spricht zu dem J&uuml;ngling und sucht ihn durch Verhei&szlig;ungen
+zu gewinnen. Aber in einer ganz modernen Bearbeitung
+derselben Szene kommt der uns auff&auml;llig gewordene Zug der
+Dritten sonderbarerweise wieder zum Vorschein. Im Libretto der
+&raquo;Sch&ouml;nen Helena&laquo; erz&auml;hlt Paris, nachdem er von den Werbungen
+der beiden anderen G&ouml;ttinnen berichtet, wie sich Aphrodite in diesem
+Wettkampf um den Sch&ouml;nheitspreis benommen:</p>
+
+<div class="poem"><div class="stanza">
+<span class="i0">Und die Dritte &ndash; ja die Dritte &ndash;<br /></span>
+<span class="i0">Stand daneben und blieb <em class="gesperrt">stumm</em>.<br /></span>
+<span class="i0">Ihr mu&szlig;t' ich den Apfel geben usw.<br /></span>
+</div></div>
+
+<p>Entschlie&szlig;en wir uns, die Eigent&uuml;mlichkeit unserer Dritten in
+der &raquo;Stummheit&laquo; konzentriert zu sehen, so sagt uns die Psychoanalyse:
+Stummheit ist im Traume eine gebr&auml;uchliche Darstellung
+des Todes<a name="FNanchor_6_6" href="#Footnote_6_6" class="fnanchor">[6]</a>.</p>
+
+<p>Vor mehr als zehn Jahren teilte mir ein hochintelligenter Mann
+einen Traum mit, den er als Beweis f&uuml;r die telepathische Natur
+der Tr&auml;ume verwerten wollte. Er sah einen abwesenden Freund,
+von dem er &uuml;berlange keine Nachricht erhalten hatte, und machte
+ihm eindringliche Vorw&uuml;rfe &uuml;ber sein Stillschweigen. Der Freund
+gab keine Antwort. Es stellte sich dann heraus, da&szlig; er ungef&auml;hr
+um die Zeit dieses Traumes durch Selbstmord geendet hatte. Lassen
+wir das Problem der Telepathie beiseite; da&szlig; die Stummheit im
+Traume zur Darstellung des Todes wird, scheint hier nicht zweifelhaft.
+Auch das sich Verbergen, Unauffindbarsein, wie es der
+M&auml;rchenprinz dreimal beim Aschenputtel erlebt, ist im Traume ein
+unverkennbares Todessymbol; nicht minder die auff&auml;llige Bl&auml;sse, an
+welche die paleness des Bleis in der einen Leseart des <span class="gesperrt">Shakespeare</span>schen
+Textes erinnert<a name="FNanchor_7_7" href="#Footnote_7_7" class="fnanchor">[7]</a>. Die &Uuml;bertragung dieser Deutungen
+aus der Sprache des Traumes auf die Ausdrucksweise des uns besch&auml;ftigenden
+Mythus wird uns aber wesentlich erleichtert, wenn
+wir wahrscheinlich machen k&ouml;nnen, da&szlig; die Stummheit auch in
+anderen Produktionen, die nicht Tr&auml;ume sind, als Zeichen des Totseins
+gedeutet werden mu&szlig;.</p>
+
+<p>Ich greife hier das neunte der <span class="gesperrt">Grimm</span>schen Volksm&auml;rchen
+heraus, welches die &Uuml;berschrift hat: &raquo;Die zw&ouml;lf Br&uuml;der&laquo;<a name="FNanchor_8_8" href="#Footnote_8_8" class="fnanchor">[8]</a>. Ein
+K&ouml;nig und eine K&ouml;nigin hatten zw&ouml;lf Kinder, lauter Buben. Da
+sagte der K&ouml;nig, wenn das dreizehnte Kind ein M&auml;dchen ist,
+m&uuml;ssen die Buben sterben. In Erwartung dieser Geburt l&auml;&szlig;t er
+zw&ouml;lf S&auml;rge machen. Die zw&ouml;lf S&ouml;hne fl&uuml;chten sich mit Hilfe der
+Mutter in einen versteckten Wald und schw&ouml;ren jedem M&auml;dchen
+den Tod, dem sie begegnen sollten.</p>
+
+<p>Ein M&auml;dchen wird geboren, w&auml;chst heran und erf&auml;hrt einmal
+von der Mutter, da&szlig; es zw&ouml;lf Br&uuml;der gehabt hat. Es beschlie&szlig;t,
+sie aufzusuchen und findet im Walde den J&uuml;ngsten, der sie
+erkennt aber verbergen m&ouml;chte wegen des Eides der Br&uuml;der. Die
+Schwester sagt: Ich will gerne sterben, wenn ich damit meine zw&ouml;lf
+Br&uuml;der erl&ouml;sen kann. Die Br&uuml;der nehmen sie aber herzlich auf,
+sie bleibt bei ihnen und besorgt ihnen das Haus.</p>
+
+<p>In einem kleinen Garten bei dem Haus wachsen zw&ouml;lf Lilienblumen;
+die bricht das M&auml;dchen ab, um jedem Bruder eine zu
+schenken. In diesem Augenblicke werden die Br&uuml;der in Raben verwandelt
+und verschwinden mit Haus und Garten. &ndash; Die Raben sind
+Seelenv&ouml;gel, die T&ouml;tung der zw&ouml;lf Br&uuml;der durch ihre Schwester
+wird durch das Abpfl&uuml;cken der Blumen von neuem dargestellt, wie
+zu Eingang durch die S&auml;rge und das Verschwinden der Br&uuml;der. &ndash;
+Das M&auml;dchen, das wiederum bereit ist, seine Br&uuml;der vom Tod zu
+erl&ouml;sen, erf&auml;hrt nun als Bedingung, da&szlig; sie sieben Jahre stumm
+sein, kein einziges Wort sprechen darf. Sie unterzieht sich dieser
+Probe, durch die sie selbst in Lebensgefahr ger&auml;t, d.&nbsp;h. sie stirbt
+selbst f&uuml;r die Br&uuml;der, wie sie es vor dem Zusammentreffen mit den
+Br&uuml;dern gelobt hat. Durch die Einhaltung der Stummheit gelingt
+ihr endlich die Erl&ouml;sung der Raben.</p>
+
+<p>Ganz &auml;hnlich werden im M&auml;rchen von den &raquo;sechs Schw&auml;nen&laquo;
+die in V&ouml;gel verwandelten Br&uuml;der durch die Stummheit der
+Schwester erl&ouml;st, d.&nbsp;h. wiederbelebt. Das M&auml;dchen hat den festen Entschlu&szlig;
+gefa&szlig;t, seine Br&uuml;der zu erl&ouml;sen, und &raquo;wenn es auch sein
+Leben kostete&laquo; und bringt als Gemahlin des K&ouml;nigs wiederum ihr
+eigenes Leben in Gefahr, weil sie gegen b&ouml;se Anklagen ihre Stummheit
+nicht aufgeben will.</p>
+
+<p>Wir w&uuml;rden sicherlich aus den M&auml;rchen noch andere Beweise
+erbringen k&ouml;nnen, da&szlig; die Stummheit als Darstellung des Todes
+verstanden werden mu&szlig;. Wenn wir diesem Anzeichen folgen d&uuml;rfen,
+so w&auml;re die dritte unserer Schwestern, zwischen denen die Wahl
+stattfindet, eine Tote. Sie kann aber auch etwas anderes sein,
+n&auml;mlich der Tod selbst, die Todesg&ouml;ttin. Verm&ouml;ge einer gar nicht
+seltenen Verschiebung werden die Eigenschaften, die eine Gottheit
+den Menschen zuteilt, ihr selbst zugeschrieben. Am wenigsten wird
+uns solche Verschiebung bei der Todesg&ouml;ttin befremden, denn in der
+modernen Auffassung und Darstellung, die hier vorweggenommen
+w&uuml;rde, ist der Tod selbst nur ein Toter.</p>
+
+<p>Wenn aber die dritte der Schwestern die Todesg&ouml;ttin ist, so
+kennen wir die Schwestern. Es sind die Schicksalsschwestern, die
+<span class="gesperrt">Moiren</span> oder Parzen oder Nornen, deren dritte <span class="gesperrt">Atropos</span> hei&szlig;t:
+die Unerbittliche.</p>
+
+
+<h2>II.</h2>
+
+<p>Stellen wir die Sorge, wie die gefundene Deutung in unseren
+Mythus einzuf&uuml;gen ist, einstweilen beiseite, und holen wir uns bei
+den Mythologen Belehrung &uuml;ber Rolle und Herkunft der Schicksalsg&ouml;ttinnen<a name="FNanchor_9_9" href="#Footnote_9_9" class="fnanchor">[9]</a>.</p>
+
+<p>Die &auml;lteste griechische Mythologie kennt nur eine <span lang="el" xml:lang="el">Μοῖρα</span> als
+Personifikation des unentrinnbaren Schicksals (bei Homer). Die Fortentwicklung
+dieser einen Moira zu einem Schwesterverein von drei
+(seltener zwei) Gottheiten erfolgte wahrscheinlich in Anlehnung an
+andere G&ouml;ttergestalten, denen die Moiren nahestehen, die Chariten
+und die Horen.</p>
+
+<p>Die Horen sind urspr&uuml;nglich Gottheiten der himmlischen Gew&auml;sser,
+die Regen und Tau spenden, der Wolken, aus denen der
+Regen niederf&auml;llt, und da diese Wolken als Gespinst erfa&szlig;t werden,
+ergibt sich f&uuml;r diese G&ouml;ttinnen der Charakter der Spinnerinnen, der
+dann an den Moiren fixiert wird. In den von der Sonne verw&ouml;hnten
+Mittelmeerl&auml;ndern ist es der Regen, von dem die Fruchtbarkeit des
+Bodens abh&auml;ngig wird, und darum wandeln sich die Horen zu Vegetationsgottheiten.
+Man dankt ihnen die Sch&ouml;nheit der Blumen und
+den Reichtum der Fr&uuml;chte, stattet sie mit einer F&uuml;lle von liebensw&uuml;rdigen
+und anmutigen Z&uuml;gen aus. Sie werden zu den g&ouml;ttlichen
+Vertreterinnen der Jahreszeiten und erwerben vielleicht durch diese
+Beziehung ihre Dreizahl, wenn die heilige Natur der Drei zu deren
+Aufkl&auml;rung nicht gen&uuml;gen sollte. Denn diese alten V&ouml;lker unterschieden
+zuerst nur drei Jahreszeiten: Winter, Fr&uuml;hling und Sommer.
+Der Herbst kam erst in sp&auml;ten griechisch-r&ouml;mischen Zeiten hinzu;
+dann bildete die Kunst h&auml;ufig vier Horen ab.</p>
+
+<p>Die Beziehung zur Zeit blieb den Horen erhalten; sie wachten
+sp&auml;ter &uuml;ber die Tageszeiten wie zuerst &uuml;ber die Zeiten des Jahres;
+endlich sank ihr Name zur Bezeichnung der Stunde (<span lang="fr">heure</span>, <span lang="it" xml:lang="it">ora</span>)
+herab. Die den Horen und Moiren wesensverwandten Nornen der
+deutschen Mythologie tragen diese Zeitbedeutung in ihren Namen
+zur Schau. Es konnte aber nicht ausbleiben, da&szlig; das Wesen dieser
+Gottheiten tiefer erfa&szlig;t und in das Gesetzm&auml;&szlig;ige im Wandel der
+Zeiten verlegt wurde; die Horen wurden so zu H&uuml;terinnen des
+Naturgesetzes und der heiligen Ordnung, welche mit unab&auml;nderlicher
+Reihenfolge in der Natur das gleiche wiederkehren l&auml;&szlig;t.</p>
+
+<p>Diese Erkenntnis der Natur wirkte zur&uuml;ck auf die Auffassung
+des menschlichen Lebens. Der Naturmythus wandelte sich
+zum Menschenmythus; aus den Wetterg&ouml;ttinnen wurden Schicksalsgottheiten.
+Aber diese Seite der Horen kam erst in den Moiren
+zum Ausdruck, die &uuml;ber die notwendige Ordnung im Menschenleben
+so unerbittlich wachen wie die Horen &uuml;ber die Gesetzm&auml;&szlig;igkeit
+der Natur. Das unabwendbar Strenge des Gesetzes, die Beziehung
+zu Tod und Untergang, die an den lieblichen Gestalten
+der Horen vermieden worden waren, sie pr&auml;gten sich nun an den
+Moiren aus, als ob der Mensch den ganzen Ernst des Naturgesetzes
+erst dann empf&auml;nde, wenn er die eigene Person ihm unterordnen
+soll.</p>
+
+<p>Die Namen der drei Spinnerinnen haben auch bei den Mythologen
+bedeutsames Verst&auml;ndnis gefunden. Die zweite <span class="gesperrt">Lachesis</span>
+scheint das &raquo;innerhalb der Gesetzm&auml;&szlig;igkeit des Schicksals Zuf&auml;llige&laquo;
+zu bezeichnen<a name="FNanchor_10_10" href="#Footnote_10_10" class="fnanchor">[10]</a> &ndash; wir w&uuml;rden sagen: das Erleben &ndash; wie <span class="gesperrt">Atropos</span>
+das Unabwendbare, den Tod, und dann bliebe f&uuml;r <span class="gesperrt">Klotho</span> die Bedeutung
+der verh&auml;ngnisvollen, mitgebrachten Anlage.</p>
+
+<p>Und nun ist es Zeit, zu dem der Deutung unterliegenden
+Motiv der Wahl zwischen drei Schwestern zur&uuml;ckzukehren. Mit
+tiefem Mi&szlig;vergn&uuml;gen werden wir bemerken, wie unverst&auml;ndlich die
+betrachteten Situationen werden, wenn wir in sie die gefundene
+Deutung einsetzen, und welche Widerspr&uuml;che zum scheinbaren Inhalt
+derselben sich dann ergeben. Die dritte der Schwestern soll die
+Todesg&ouml;ttin sein, der Tod selbst, und im Parisurteil ist es die Liebesg&ouml;ttin,
+im M&auml;rchen des Apulejus eine dieser letzteren vergleichbare
+Sch&ouml;nheit, im Kaufmann die sch&ouml;nste und kl&uuml;gste Frau, im Lear
+die einzig treue Tochter. Kann ein Widerspruch vollkommener gedacht
+werden? Doch vielleicht ist diese unwahrscheinliche Steigerung
+ganz in der N&auml;he. Sie liegt wirklich vor, wenn in unserem Motiv
+jedesmal zwischen den Frauen frei gew&auml;hlt wird, und wenn die
+Wahl dabei auf den Tod fallen soll, den doch niemand w&auml;hlt, dem
+man durch ein Verh&auml;ngnis zum Opfer f&auml;llt.</p>
+
+<p>Indes Widerspr&uuml;che von einer gewissen Art, Ersetzungen
+durch das volle kontradiktorische Gegenteil bereiten der analytischen
+Deutungsarbeit keine ernste Schwierigkeit. Wir werden uns hier
+nicht darauf berufen, da&szlig; Gegens&auml;tze in den Ausdrucksweisen des
+Unbewu&szlig;ten wie im Traume so h&auml;ufig durch eines und das n&auml;mliche
+Element dargestellt werden. Aber wir werden daran denken,
+da&szlig; es Motive im Seelenleben gibt, welche die Ersetzung durch das
+Gegenteil als sogenannte Reaktionsbildung herbeif&uuml;hren, und k&ouml;nnen
+den Gewinn unserer Arbeit gerade in der Aufdeckung solcher verborgener
+Motive suchen. Die Sch&ouml;pfung der Moiren ist der Erfolg
+einer Einsicht, welche den Menschen mahnt, auch er sei ein St&uuml;ck
+der Natur und darum dem unab&auml;nderlichen Gesetz des Todes
+unterworfen. Gegen diese Unterwerfung mu&szlig;te sich etwas im
+Menschen str&auml;uben, der nur h&ouml;chst ungern auf seine Ausnahmsstellung
+verzichtet. Wir wissen, da&szlig; der Mensch seine Phantasiet&auml;tigkeit
+zur Befriedigung seiner von der Realit&auml;t unbefriedigten
+W&uuml;nsche verwendet. So lehnte sich denn seine Phantasie gegen die
+im Moirenmythus verk&ouml;rperte Einsicht auf und schuf den davon
+abgeleiteten Mythus, in dem die Todesg&ouml;ttin durch die Liebesg&ouml;ttin,
+und was ihr an menschlichen Gestaltungen gleichkommt, ersetzt
+ist. Die dritte der Schwestern ist nicht mehr der Tod, sie ist
+die sch&ouml;nste, beste, begehrenswerteste, liebenswerteste der Frauen.
+Und diese Ersetzung war technisch keineswegs schwer; sie war
+durch eine alte Ambivalenz vorbereitet, sie vollzog sich l&auml;ngs eines
+uralten Zusammenhanges, der noch nicht lange vergessen sein konnte.
+Die Liebesg&ouml;ttin selbst, die jetzt an die Stelle der Todesg&ouml;ttin trat,
+war einst mit ihr identisch gewesen. Noch die griechische Aphrodite
+entbehrte nicht v&ouml;llig der Beziehungen zur Unterwelt, obwohl sie
+ihre chthonische Rolle l&auml;ngst an andere G&ouml;ttergestalten, an die Persephone,
+die dreigestaltige Artemis-Hekate, abgegeben hatte. Die
+gro&szlig;en Muttergottheiten der orientalischen V&ouml;lker scheinen aber alle
+ebensowohl Zeugerinnen wie Vernichterinnen, G&ouml;ttinnen des Lebens
+und der Befruchtung wie Todesg&ouml;ttinnen gewesen zu sein. So
+greift die Ersetzung durch ein Wunschgegenteil bei unserem Motiv
+auf eine uralte Identit&auml;t zur&uuml;ck.</p>
+
+<p>Dieselbe Erw&auml;gung beantwortet uns die Frage, woher der
+Zug der Wahl in den Mythus von den drei Schwestern geraten ist.
+Es hat hier wiederum eine Wunschverkehrung stattgefunden. Wahl
+steht an der Stelle von Notwendigkeit, von Verh&auml;ngnis. So &uuml;berwindet
+der Mensch den Tod, den er in seinem Denken anerkannt
+hat. Es ist kein st&auml;rkerer Triumph der Wunscherf&uuml;llung denkbar.
+Man w&auml;hlt dort, wo man in Wirklichkeit dem Zwange gehorcht,
+und die man w&auml;hlt, ist nicht die Schreckliche, sondern die Sch&ouml;nste
+und Begehrenswerteste.</p>
+
+<p>Bei n&auml;herem Zusehen merken wir freilich, da&szlig; die Entstellungen
+des urspr&uuml;nglichen Mythus nicht gr&uuml;ndlich genug sind, um sich nicht
+durch Resterscheinungen zu verraten. Die freie Wahl zwischen den
+drei Schwestern ist eigentlich keine freie Wahl, denn sie mu&szlig; notwendigerweise
+die dritte treffen, wenn nicht, wie im Lear, alles Unheil
+aus ihr entstehen soll. Die Sch&ouml;nste und Beste, welche an
+Stelle der Todesg&ouml;ttin getreten ist, hat Z&uuml;ge behalten, die an das
+Unheimliche streifen, so da&szlig; wir aus ihnen das Verborgene erraten
+konnten<a name="FNanchor_11_11" href="#Footnote_11_11" class="fnanchor">[11]</a>.</p>
+
+<p>Wir haben bisher den Mythus und seine Wandlung verfolgt
+und hoffen die geheimen Gr&uuml;nde dieser Wandlung aufgezeigt zu
+haben. Nun darf uns wohl die Verwendung des Motivs beim
+Dichter interessieren. Wir bekommen den Eindruck, als ginge beim
+Dichter eine Reduktion des Motivs auf den urspr&uuml;nglichen Mythus
+vor sich, so da&szlig; der ergreifende, durch die Entstellung abgeschw&auml;chte
+Sinn des letzteren von uns wieder versp&uuml;rt wird. Durch
+diese Reduktion der Entstellung, die teilweise R&uuml;ckkehr zum Urspr&uuml;nglichen,
+erziele der Dichter die tiefere Wirkung, die er bei uns
+erzeugt.</p>
+
+<p>Um Mi&szlig;verst&auml;ndnissen vorzubeugen will ich sagen, ich habe
+nicht die Absicht zu widersprechen, da&szlig; das Drama vom K&ouml;nig Lear
+die beiden weisen Lehren einsch&auml;rfen wolle, man solle auf sein Gut
+und seine Rechte nicht zu Lebzeiten verzichten, und man m&uuml;sse
+sich h&uuml;ten, Schmeichelei f&uuml;r bare M&uuml;nze zu nehmen. Diese und
+&auml;hnliche Mahnungen ergeben sich wirklich aus dem St&uuml;ck, aber es
+erscheint mir ganz unm&ouml;glich, die ungeheure Wirkung des Lear aus
+dem Eindruck dieses Gedankeninhaltes zu erkl&auml;ren oder anzunehmen,
+da&szlig; die pers&ouml;nlichen Motive des Dichters mit der Absicht
+diese Lehren vorzutragen ersch&ouml;pft seien. Auch die Auskunft, der
+Dichter habe uns die Trag&ouml;die der Undankbarkeit vorspielen wollen,
+deren Bisse er wohl am eigenen Leib versp&uuml;rt, und die Wirkung
+des Spiels beruhe auf dem rein formalen Moment der k&uuml;nstlerischen
+Einkleidung, scheint mir das Verst&auml;ndnis nicht zu ersetzen, welches
+uns durch die W&uuml;rdigung des Motivs der Wahl zwischen den drei
+Schwestern er&ouml;ffnet wird.</p>
+
+<p>Lear ist ein alter Mann. Wir sagten schon, darum erscheinen
+die drei Schwestern als seine T&ouml;chter. Das Vaterverh&auml;ltnis, aus dem
+so viel fruchtbare dramatische Antriebe erflie&szlig;en k&ouml;nnten, wird im
+Drama weiter nicht verwertet. Lear ist aber nicht nur ein Alter,
+sondern auch ein Sterbender. Die so absonderliche Voraussetzung
+der Erbteilung verliert dann alles Befremdende. Dieser dem Tode
+Verfallene will aber auf die Liebe des Weibes nicht verzichten, er
+will h&ouml;ren, wie sehr er geliebt wird. Nun denke man an die ersch&uuml;tternde
+letzte Szene, einen der H&ouml;hepunkte der Tragik im
+modernen Drama: Lear tr&auml;gt den Leichnam der Cordelia auf die
+B&uuml;hne. Cordelia ist der Tod. Wenn man die Situation umkehrt,
+wird sie uns verst&auml;ndlich und vertraut. Es ist die Todesg&ouml;ttin, die
+den verstorbenen Helden vom Kampfplatze wegtr&auml;gt, wie die Walk&uuml;re
+in der deutschen Mythologie. Ewige Weisheit im Gewand des
+uralten Mythus r&auml;t dem alten Manne, der Liebe zu entsagen, den
+Tod zu w&auml;hlen, sich mit der Notwendigkeit des Sterbens zu befreunden.</p>
+
+<p>Der Dichter bringt uns das alte Motiv n&auml;her, indem er die
+Wahl zwischen den drei Schwestern von einem Gealterten und
+Sterbenden vollziehen l&auml;&szlig;t. Die regressive Bearbeitung, die er so mit
+dem durch Wunschverwandlung entstellten Mythus vorgenommen,
+l&auml;&szlig;t dessen alten Sinn so weit durchschimmern, da&szlig; uns vielleicht
+auch eine fl&auml;chenhafte, allegorische Deutung der drei Frauengestalten
+des Motivs erm&ouml;glicht wird. Man k&ouml;nnte sagen, es seien die drei
+f&uuml;r den Mann unvermeidlichen Beziehungen zum Weibe, die hier
+dargestellt sind: Die Geb&auml;rerin, die Genossin und die Verderberin.
+Oder die drei Formen, zu denen sich ihm das Bild der Mutter im
+Lauf des Lebens wandelt: Die Mutter selbst, die Geliebte, die er
+nach deren Ebenbild gew&auml;hlt, und zuletzt die Mutter Erde, die ihn
+wieder aufnimmt. Der alte Mann aber hascht vergebens nach der
+Liebe des Weibes, wie er sie zuerst von der Mutter empfangen;
+nur die dritte der Schicksalsfrauen, die schweigsame Todesg&ouml;ttin,
+wird ihn in ihre Arme nehmen.</p>
+
+<div style="width: 42px; margin: 3em auto 0 auto;">
+<img src="images/end.png" width="42" height="100" alt="" title=""/>
+</div>
+
+<div class="footnotes">
+<div class="footnote"><p><a name="Footnote_1_1" href="#FNanchor_1_1" class="label">[1]</a> G. <span class="gesperrt">Brandes</span>, William Shakespeare, 1896.</p></div>
+
+<div class="footnote"><p><a name="Footnote_2_2" href="#FNanchor_2_2" class="label">[2]</a> Ed. <span class="gesperrt">Stucken</span>, Astralmythen, p. 655, Leipzig 1907.</p></div>
+
+<div class="footnote"><p><a name="Footnote_3_3" href="#FNanchor_3_3" class="label">[3]</a> O. <span class="gesperrt">Rank</span>, Der Mythus von der Geburt des Helden, p. 8 fg., Wien und
+Leipzig 1909.</p></div>
+
+<div class="footnote"><p><a name="Footnote_4_4" href="#FNanchor_4_4" class="label">[4]</a> Den Hinweis auf diese &Uuml;bereinstimmungen verdanke ich Dr. O. <span class="gesperrt">Rank</span>.</p></div>
+
+
+<div class="footnote"><p><a name="Footnote_5_5" href="#FNanchor_5_5" class="label">[5]</a> In der <span class="gesperrt">Schlegel</span>schen &Uuml;bersetzung geht diese Anspielung ganz verloren,
+ja sie wird zur Gegenseite gewendet:
+</p>
+<div class="poem"><div class="stanza">
+<span class="i0">Dein schlichtes Wesen spricht beredt mich an.</span>
+</div></div>
+</div>
+
+<div class="footnote"><p><a name="Footnote_6_6" href="#FNanchor_6_6" class="label">[6]</a> Auch in <span class="gesperrt">Stekel</span>s &raquo;Sprache des Traumes&laquo; 1911 unter den Todessymbolen
+angef&uuml;hrt. (p. 351.)</p></div>
+
+<div class="footnote"><p><a name="Footnote_7_7" href="#FNanchor_7_7" class="label">[7]</a> <span class="gesperrt">Stekel</span>, l.&nbsp;c.</p></div>
+
+<div class="footnote"><p><a name="Footnote_8_8" href="#FNanchor_8_8" class="label">[8]</a> P. 50 der Reklamausgabe, I. Bd.</p></div>
+
+<div class="footnote"><p><a name="Footnote_9_9" href="#FNanchor_9_9" class="label">[9]</a> Das folgende nach <span class="gesperrt">Roscher</span>s Lexikon der griechischen und r&ouml;mischen
+Mythologie unter den entsprechenden Titeln.</p></div>
+
+<div class="footnote"><p><a name="Footnote_10_10" href="#FNanchor_10_10" class="label">[10]</a> J. <span class="gesperrt">Roscher</span> nach Preller-Robert, Griech. Mythologie.</p></div>
+
+<div class="footnote"><p><a name="Footnote_11_11" href="#FNanchor_11_11" class="label">[11]</a> Auch die Psyche des Apulejus hat reichlich Z&uuml;ge bewahrt, welche an
+ihre Beziehung zum Tode mahnen. Ihre Hochzeit wird ger&uuml;stet wie eine
+Leichenfeier, sie mu&szlig; in die Unterwelt hinabsteigen und versinkt nachher in einen
+toten&auml;hnlichen Schlaf (O. <span class="gesperrt">Rank</span>).
+</p><p>
+&Uuml;ber die Bedeutung der Psyche als Fr&uuml;hlingsgottheit und als &raquo;Braut des
+Todes&laquo; s. A. <span class="gesperrt">Zinzow</span>: &raquo;Psyche und Eros&laquo; (Halle 1881).
+</p><p>
+In einem anderen <span class="gesperrt">Grimm</span>schen M&auml;rchen (Nr. 179, Die G&auml;nsehirtin am
+Brunnen) findet sich wie beim Aschenputtel die Abwechslung von sch&ouml;ner und
+h&auml;&szlig;licher Gestalt der dritten Tochter, in der man wohl eine Andeutung von deren
+Doppelnatur &ndash; vor und nach der Ersetzung &ndash; erblicken darf. Diese dritte wird
+von ihrem Vater nach einer Probe versto&szlig;en, welche mit der im K&ouml;nig Lear fast
+zusammenf&auml;llt. Sie soll wie die anderen Schwestern angeben, wie lieb sie den Vater
+hat, findet aber keinen anderen Ausdruck ihrer Liebe als den Vergleich mit dem
+Salz. (Freundliche Mitteilung von Dr. <span class="gesperrt">Hanns Sachs</span>.)</p></div>
+</div>
+
+
+
+
+
+
+
+
+<pre>
+
+
+
+
+
+End of Project Gutenberg's Das Motiv der Kästchenwahl, by Sigmund Freud
+
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+including obsolete, old, middle-aged and new computers. It exists
+because of the efforts of hundreds of volunteers and donations from
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+
+Volunteers and financial support to provide volunteers with the
+assistance they need, is critical to reaching Project Gutenberg-tm's
+goals and ensuring that the Project Gutenberg-tm collection will
+remain freely available for generations to come. In 2001, the Project
+Gutenberg Literary Archive Foundation was created to provide a secure
+and permanent future for Project Gutenberg-tm and future generations.
+To learn more about the Project Gutenberg Literary Archive Foundation
+and how your efforts and donations can help, see Sections 3 and 4
+and the Foundation web page at http://www.pglaf.org.
+
+
+Section 3. Information about the Project Gutenberg Literary Archive
+Foundation
+
+The Project Gutenberg Literary Archive Foundation is a non profit
+501(c)(3) educational corporation organized under the laws of the
+state of Mississippi and granted tax exempt status by the Internal
+Revenue Service. The Foundation's EIN or federal tax identification
+number is 64-6221541. Its 501(c)(3) letter is posted at
+http://pglaf.org/fundraising. Contributions to the Project Gutenberg
+Literary Archive Foundation are tax deductible to the full extent
+permitted by U.S. federal laws and your state's laws.
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+The Foundation's principal office is located at 4557 Melan Dr. S.
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+throughout numerous locations. Its business office is located at
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+business@pglaf.org. Email contact links and up to date contact
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+
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+ Chief Executive and Director
+ gbnewby@pglaf.org
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+
+Section 4. Information about Donations to the Project Gutenberg
+Literary Archive Foundation
+
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+spread public support and donations to carry out its mission of
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+array of equipment including outdated equipment. Many small donations
+($1 to $5,000) are particularly important to maintaining tax exempt
+status with the IRS.
+
+The Foundation is committed to complying with the laws regulating
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+States. Compliance requirements are not uniform and it takes a
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+
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+works.
+
+Professor Michael S. Hart is the originator of the Project Gutenberg-tm
+concept of a library of electronic works that could be freely shared
+with anyone. For thirty years, he produced and distributed Project
+Gutenberg-tm eBooks with only a loose network of volunteer support.
+
+
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+editions, all of which are confirmed as Public Domain in the U.S.
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+
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+Archive Foundation, how to help produce our new eBooks, and how to
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