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authorRoger Frank <rfrank@pglaf.org>2025-10-15 05:04:04 -0700
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+Project Gutenberg's Alice's Abenteuer im Wunderland, by Lewis Carroll
+
+This eBook is for the use of anyone anywhere at no cost and with
+almost no restrictions whatsoever. You may copy it, give it away or
+re-use it under the terms of the Project Gutenberg License included
+with this eBook or online at www.gutenberg.org
+
+
+Title: Alice's Abenteuer im Wunderland
+
+Author: Lewis Carroll
+
+Illustrator: John Tenniel
+
+Translator: Antonie Zimmermann
+
+Release Date: February 28, 2007 [EBook #19778]
+[This file was first posted on November 13, 2006]
+[Last updated: June 22, 2011]
+
+Language: German
+
+Character set encoding: ISO-8859-1
+
+*** START OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK ALICE'S ABENTEUER IM WUNDERLAND ***
+
+
+
+
+Produced by Ralph Janke, David Starner, Marilynda
+Fraser-Cunliffe and the Online Distributed Proofreading
+Team at http://www.pgdp.net
+
+
+
+
+
+
+
+
+
+[Illustration]
+
+
+Alice's Abenteuer
+
+im Wunderland
+
+von
+
+Lewis Carroll.
+
+Aus dem Englischen von Antonie Zimmermann.
+
+
+
+
+Mit zweiundvierzig Illustrationen
+
+von
+
+John Tenniel.
+
+Autorisirte Ausgabe.
+
+
+Leipzig
+
+Johann Friedrich Hartknoch.
+
+Originally published in 1869.
+
+
+
+
+ O schöner, goldner Nachmittag,
+ Wo Flut und Himmel lacht!
+ Von schwacher Kindeshand bewegt,
+ Die Ruder plätschern sacht --
+ Das Steuer hält ein Kindesarm
+ Und lenket unsre Fahrt.
+
+ So fuhren wir gemächlich hin
+ Auf träumerischen Wellen --
+ Doch ach! die drei vereinten sich,
+ Den müden Freund zu quälen --
+ Sie trieben ihn, sie drängten ihn,
+ Ein Mährchen zu erzählen.
+
+ Die erste gab's Commandowort;
+ O schnell, o fange an!
+ Und mach' es so, die Zweite bat,
+ Daß man recht lachen kann!
+ Die Dritte ließ ihm keine Ruh
+ Mit wie? und wo? und wann?
+
+ Jetzt lauschen sie vom Zauberland
+ Der wunderbaren Mähr';
+ Mit Thier und Vogel sind sie bald
+ In freundlichem Verkehr,
+ Und fühlen sich so heimisch dort,
+ Als ob es Wahrheit wär'. --
+
+ Und jedes Mal, wenn Fantasie
+ Dem Freunde ganz versiegt: --
+ »Das Uebrige ein ander Mal!«
+ O nein, sie leiden's nicht.
+ »»Es ist ja schon ein ander Mal!«« --
+ So rufen sie vergnügt.
+
+ So ward vom schönen Wunderland
+ Das Märchen ausgedacht,
+ So langsam Stück für Stück erzählt,
+ Beplaudert und belacht,
+ Und froh, als es zu Ende war,
+ Der Weg nach Haus gemacht.
+
+ Alice! o nimm es freundlich an!
+ Leg' es mit güt'ger Hand
+ Zum Strauße, den Erinnerung
+ Aus Kindheitsträumen band,
+ Gleich welken Blüthen, mitgebracht
+ Aus liebem, fernen Land.
+
+
+
+
+[Der Verfasser wünscht hiermit seine Anerkennung gegen die Uebersetzerin
+auszusprechen, die einige eingestreute Parodien englischer Kinderlieder,
+welche der deutschen Jugend unverständlich gewesen wären, durch
+dergleichen von bekannten deutschen Gedichten ersetzt hat. Ebenso sind
+für die oft unübersetzbaren englischen Wortspiele passende deutsche
+eingeschoben worden, welche das Buch allein der Gewandtheit der
+Uebersetzerin verdankt.]
+
+
+
+
+Inhalt.
+
+
+1. Hinunter in den Kaninchenbau 1
+
+2. Der Thränenpfuhl 14
+
+3. Caucus-Rennen, und was daraus wird 27
+
+4. Die Wohnung des Kaninchens 39
+
+5. Guter Rath von einer Raupe 55
+
+6. Ferkel und Pfeffer 71
+
+7. Die tolle Theegesellschaft 88
+
+8. Das Croquetfeld der Königin 104
+
+9. Die Geschichte der falschen Schildkröte 121
+
+10. Das Hummerballet 137
+
+11. Wer hat die Kuchen gestohlen? 150
+
+12. Alice ist die Klügste 163
+
+
+
+
+[Illustration]
+
+
+
+
+Erstes Kapitel
+
+Hinunter in den Kaninchenbau.
+
+
+Alice fing an sich zu langweilen; sie saß schon lange bei ihrer
+Schwester am Ufer und hatte nichts zu thun. Das Buch, das ihre Schwester
+las, gefiel ihr nicht; denn es waren weder Bilder noch Gespräche darin.
+»Und was nützen Bücher,« dachte Alice, »ohne Bilder und Gespräche?«
+
+Sie überlegte sich eben, (so gut es ging, denn sie war schläfrig und
+dumm von der Hitze,) ob es der Mühe werth sei aufzustehen und
+Gänseblümchen zu pflücken, um eine Kette damit zu machen, als plötzlich
+ein weißes Kaninchen mit rothen Augen dicht an ihr vorbeirannte.
+
+Dies war grade nicht _sehr_ merkwürdig; Alice fand es auch nicht _sehr_
+außerordentlich, daß sie das Kaninchen sagen hörte: »O weh, o weh! Ich
+werde zu spät kommen!« (Als sie es später wieder überlegte, fiel ihr
+ein, daß sie sich darüber hätte wundern sollen, doch zur Zeit kam es ihr
+Alles ganz natürlich vor.) Aber als das Kaninchen _seine Uhr aus der
+Westentasche zog_, nach der Zeit sah und eilig fortlief, sprang Alice
+auf; denn es war ihr doch noch nie vorgekommen, ein Kaninchen mit einer
+Westentasche und eine Uhr darin zu sehen. Vor Neugierde brennend, rannte
+sie ihm nach, über den Grasplatz, und kam noch zur rechten Zeit, um es
+in ein großes Loch unter der Hecke schlüpfen zu sehen.
+
+Den nächsten Augenblick war sie ihm nach in das Loch hineingesprungen,
+ohne zu bedenken, wie in aller Welt sie wieder herauskommen könnte.
+
+Der Eingang zum Kaninchenbau lief erst geradeaus, wie ein Tunnel und
+ging dann plötzlich abwärts; ehe Alice noch den Gedanken fassen konnte
+sich schnell festzuhalten, fühlte sie schon, daß sie fiel, wie es
+schien, in einen tiefen, tiefen Brunnen.
+
+Entweder mußte der Brunnen sehr tief sein, oder sie fiel sehr langsam;
+denn sie hatte Zeit genug, sich beim Fallen umzusehen und sich zu
+wundern, was nun wohl geschehen würde. Zuerst versuchte sie hinunter zu
+sehen, um zu wissen wohin sie käme, aber es war zu dunkel etwas zu
+erkennen. Da besah sie die Wände des Brunnens und bemerkte, daß sie mit
+Küchenschränken und Bücherbrettern bedeckt waren; hier und da erblickte
+sie Landkarten und Bilder, an Haken aufgehängt. Sie nahm im Vorbeifallen
+von einem der Bretter ein Töpfchen mit der Aufschrift: »_Eingemachte
+Apfelsinen_«, aber zu ihrem großen Verdruß war es leer. Sie wollte es
+nicht fallen lassen, aus Furcht Jemand unter sich zu tödten; und es
+gelang ihr, es in einen andern Schrank, an dem sie vorbeikam, zu
+schieben.
+
+»Nun!« dachte Alice bei sich, »nach einem solchen Fall werde ich mir
+nichts daraus machen, wenn ich die Treppe hinunter stolpere. Wie muthig
+sie mich zu Haus finden werden! Ich würde nicht viel Redens machen, wenn
+ich selbst von der Dachspitze hinunter fiele!« (Was sehr wahrscheinlich
+war.)
+
+Hinunter, hinunter, hinunter! Wollte denn der Fall nie endigen? »Wie
+viele Meilen ich wohl jetzt gefallen bin!« sagte sie laut. »Ich muß
+ungefähr am Mittelpunkt der Erde sein. Laß sehen: das wären achthundert
+und funfzig Meilen, glaube ich --« (denn ihr müßt wissen, Alice hatte
+dergleichen in der Schule gelernt, und obgleich dies keine _sehr_ gute
+Gelegenheit war, ihre Kenntnisse zu zeigen, da Niemand zum Zuhören da
+war, so übte sie es sich doch dabei ein) -- »ja, das ist ungefähr die
+Entfernung; aber zu welchem Länge- und Breitegrade ich wohl gekommen
+sein mag?« (Alice hatte nicht den geringsten Begriff, was weder
+Längegrad noch Breitegrad war; doch klangen ihr die Worte großartig und
+nett zu sagen.)
+
+Bald fing sie wieder an. »Ob ich wohl ganz durch die Erde fallen werde!
+Wie komisch das sein wird, bei den Leuten heraus zu kommen, die auf dem
+Kopfe gehen! die Antipathien, glaube ich.« (Diesmal war es ihr ganz
+lieb, daß Niemand zuhörte, denn das Wort klang ihr gar nicht recht.)
+»Aber natürlich werde ich sie fragen müssen, wie das Land heißt. Bitte,
+liebe Dame, ist dies Neu-Seeland oder Australien?« (Und sie versuchte
+dabei zu knixen, -- denkt doch, knixen, wenn man durch die Luft fällt!
+Könntet ihr das fertig kriegen?) »Aber sie werden mich für ein
+unwissendes kleines Mädchen halten, wenn ich frage! Nein, es geht nicht
+an zu fragen; vielleicht sehe ich es irgendwo angeschrieben.«
+
+Hinunter, hinunter, hinunter! Sie konnte nichts weiter thun, also fing
+_Alice_ bald wieder zu sprechen an. »_Dinah_ wird mich gewiß heut Abend
+recht suchen!« (_Dinah_ war die Katze.) »Ich hoffe, sie werden ihren Napf
+Milch zur Theestunde nicht vergessen. _Dinah!_ Mies! ich wollte, du wärest
+hier unten bei mir. Mir ist nur bange, es giebt keine Mäuse in der Luft;
+aber du könntest einen Spatzen fangen; die wird es hier in der Luft wohl
+geben, glaubst du nicht? Und Katzen fressen doch Spatzen?« Hier wurde
+Alice etwas schläfrig und redete halb im Traum fort. »Fressen Katzen
+gern Spatzen? Fressen Katzen gern Spatzen? Fressen Spatzen gern Katzen?«
+Und da ihr Niemand zu antworten brauchte, so kam es gar nicht darauf
+an, wie sie die Frage stellte. Sie fühlte, daß sie einschlief und hatte
+eben angefangen zu träumen, sie gehe Hand in Hand mit _Dinah_ spazieren,
+und frage sie ganz ernsthaft: »Nun, _Dinah_, sage die Wahrheit, hast du je
+einen Spatzen gefressen?« da mit einem Male, plump! plump! kam sie auf
+einen Haufen trocknes Laub und Reisig zu liegen, -- und der Fall war aus.
+
+Alice hatte sich gar nicht weh gethan. Sie sprang sogleich auf und sah
+in die Höhe; aber es war dunkel über ihr. Vor ihr lag ein zweiter langer
+Gang, und sie konnte noch eben das weiße Kaninchen darin entlang laufen
+sehen. Es war kein Augenblick zu verlieren: fort rannte Alice wie der
+Wind, und hörte es gerade noch sagen, als es um eine Ecke bog: »O, Ohren
+und Schnurrbart, wie spät es ist!« Sie war dicht hinter ihm, aber als
+sie um die Ecke bog, da war das Kaninchen nicht mehr zu sehen. Sie
+befand sich in einem langen, niedrigen Corridor, der durch eine Reihe
+Lampen erleuchtet war, die von der Decke herabhingen.
+
+Zu beiden Seiten des Corridors waren Thüren; aber sie waren alle
+verschlossen. Alice versuchte jede Thür erst auf einer Seite, dann auf
+der andern; endlich ging sie traurig in der Mitte entlang, überlegend,
+wie sie je heraus kommen könnte.
+
+Plötzlich stand sie vor einem kleinen dreibeinigen Tische, _ganz von
+dickem Glas_. Es war nichts darauf als ein winziges goldenes
+Schlüsselchen, und _Alice's_ erster Gedanke war, dies möchte zu einer der
+Thüren des Corridors gehören. Aber ach! entweder waren die Schlösser zu
+groß, oder der Schlüssel war zu klein; kurz, er paßte zu keiner
+einzigen. Jedoch, als sie das zweite Mal herum ging, kam sie an einen
+niedrigen Vorhang, den sie vorher nicht bemerkt hatte, und dahinter war
+eine Thür, ungefähr funfzehn Zoll hoch. Sie steckte das goldene
+Schlüsselchen in's Schlüsselloch, und zu ihrer großen Freude paßte es.
+
+Alice schloß die Thür auf und fand, daß sie zu einem kleinen Gange
+führte, nicht viel größer als ein Mäuseloch. Sie kniete nieder und sah
+durch den Gang in den reizendsten Garten, den man sich denken kann. Wie
+wünschte sie, aus dem dunkeln Corridor zu gelangen, und unter den bunten
+Blumenbeeten und kühlen Springbrunnen umher zu wandern; aber sie konnte
+kaum den Kopf durch den Eingang stecken. »Und wenn auch mein Kopf
+hindurch ginge,« dachte die arme Alice, »was würde es nützen ohne die
+Schultern. O, ich möchte mich zusammenschieben können wie ein Teleskop!
+Das geht gewiß, wenn ich nur wüßte, wie man es anfängt.« Denn es war
+kürzlich so viel Merkwürdiges mit ihr vorgegangen, daß Alice anfing zu
+glauben, es sei fast nichts unmöglich.
+
+[Illustration]
+
+Es schien ihr ganz unnütz, länger bei der kleinen Thür zu warten. Daher
+ging sie zum Tisch zurück, halb und halb hoffend, sie würde noch einen
+Schlüssel darauf finden, oder jedenfalls ein Buch mit Anweisungen, wie
+man sich als Teleskop zusammenschieben könne. Diesmal fand sie ein
+Fläschchen darauf. »Das gewiß vorhin nicht hier stand,« sagte Alice; und
+um den Hals des Fläschchens war ein Zettel gebunden, mit den Worten
+»_Trinke mich!_« wunderschön in großen Buchstaben drauf gedruckt.
+
+[Illustration]
+
+Es war bald gesagt, »Trinke mich«, aber die altkluge kleine Alice wollte
+sich damit nicht übereilen. »Nein, ich werde erst nachsehen,« sprach
+sie, »ob ein Todtenkopf darauf ist oder nicht.« Denn sie hatte mehre
+hübsche Geschichten gelesen von Kindern, die sich verbrannt hatten oder
+sich von wilden Thieren hatten fressen lassen, und in andere unangenehme
+Lagen gerathen waren, nur weil sie nicht an die Warnungen dachten, die
+ihre Freunde ihnen gegeben hatten; zum Beispiel, daß ein rothglühendes
+Eisen brennt, wenn man es anfaßt; und daß wenn man sich mit einem
+Messer tief in den Finger schneidet, es gewöhnlich blutet. Und sie hatte
+nicht vergessen, daß wenn man viel aus einer Flasche mit einem
+Todtenkopf darauf trinkt, es einem unfehlbar schlecht bekommt.
+
+Diese Flasche jedoch hatte keinen Todtenkopf. Daher wagte Alice zu
+kosten; und da es ihr gut schmeckte (es war eigentlich wie ein Gemisch
+von Kirschkuchen, Sahnensauce, Ananas, Putenbraten, Naute und Armen
+Rittern), so trank sie die Flasche aus.
+
+ * * * * *
+
+»Was für ein komisches Gefühl!« sagte Alice. »Ich gehe gewiß zu wie ein
+Teleskop.«
+
+Und so war es in der That: jetzt war sie nur noch zehn Zoll hoch, und
+ihr Gesicht leuchtete bei dem Gedanken, daß sie nun die rechte Höhe
+habe, um durch die kleine Thür in den schönen Garten zu gehen. Doch
+erst wartete sie einige Minuten, ob sie noch mehr einschrumpfen werde.
+Sie war einigermaßen ängstlich; »denn es könnte damit aufhören,« sagte
+Alice zu sich selbst, »daß ich ganz ausginge, wie ein Licht. Mich
+wundert, wie ich dann aussähe?« Und sie versuchte sich vorzustellen, wie
+die Flamme von einem Lichte aussieht, wenn das Licht ausgeblasen ist;
+aber sie konnte sich nicht erinnern, dies je gesehen zu haben.
+
+Nach einer Weile, als sie merkte daß weiter nichts geschah, beschloß
+sie, gleich in den Garten zu gehen. Aber, arme Alice! als sie an die
+Thür kam, hatte sie das goldene Schlüsselchen vergessen. Sie ging nach
+dem Tische zurück, es zu holen, fand aber, daß sie es unmöglich
+erreichen konnte. Sie sah es ganz deutlich durch das Glas, und sie gab
+sich alle Mühe an einem der Tischfüße hinauf zu klettern, aber er war zu
+glatt; und als sie sich ganz müde gearbeitet hatte, setzte sich das
+arme, kleine Ding hin und weinte.
+
+»Still, was nützt es so zu weinen!« sagte Alice ganz böse zu sich
+selbst; »ich rathe dir, den Augenblick aufzuhören!« Sie gab sich oft
+sehr guten Rath (obgleich sie ihn selten befolgte), und manchmal schalt
+sie sich selbst so strenge, daß sie sich zum Weinen brachte; und
+einmal, erinnerte sie sich, hatte sie versucht sich eine Ohrfeige zu
+geben, weil sie im Croquet betrogen hatte, als sie gegen sich selbst
+spielte; denn dieses eigenthümliche Kind stellte sehr gern zwei Personen
+vor. »Aber jetzt hilft es zu nichts,« dachte die arme Alice, »zu thun
+als ob ich zwei verschiedene Personen wäre. Ach! es ist ja kaum genug
+von mir übrig zu _einer_ anständigen Person!«
+
+Bald fiel ihr Auge auf eine kleine Glasbüchse, die unter dem Tische lag;
+sie öffnete sie und fand einen sehr kleinen Kuchen darin, auf welchem
+die Worte »_Iß mich!_« schön in kleinen Rosinen geschrieben standen. »Gut,
+ich will ihn essen,« sagte Alice, »und wenn ich davon größer werde, so
+kann ich den Schlüssel erreichen; wenn ich aber kleiner davon werde, so
+kann ich unter der Thür durchkriechen. So, auf jeden Fall, gelange ich
+in den Garten, -- es ist mir einerlei wie.«
+
+Sie aß ein Bißchen, und sagte neugierig zu sich selbst: »Aufwärts oder
+abwärts?« Dabei hielt sie die Hand prüfend auf ihren Kopf und war ganz
+erstaunt zu bemerken, daß sie dieselbe Größe behielt. Freilich geschieht
+dies gewöhnlich, wenn man Kuchen ißt; aber Alice war schon so an
+wunderbare Dinge gewöhnt, daß es ihr ganz langweilig schien, wenn das
+Leben so natürlich fortging.
+
+Sie machte sich also daran, und verzehrte den Kuchen völlig.
+
+
+
+
+Zweites Kapitel.
+
+Der Thränenpfuhl.
+
+
+[Illustration]
+
+»Verquerer und verquerer!« rief Alice. (Sie war so überrascht, daß sie
+im Augenblick ihre eigene _Sprache ganz vergaß_.) »Jetzt werde ich
+auseinander geschoben wie das längste Teleskop das es je gab! Lebt wohl,
+Füße!« (Denn als sie auf ihre Füße hinabsah, konnte sie sie kaum mehr zu
+Gesicht bekommen, so weit fort waren sie schon.) »O meine armen Füßchen!
+wer euch wohl nun Schuhe und Strümpfe anziehen wird, meine Besten? denn
+ich kann es unmöglich thun! Ich bin viel zu weit ab, um mich mit euch
+abzugeben! ihr müßt sehen, wie ihr fertig werdet. Aber gut muß ich zu
+ihnen sein,« dachte Alice, »sonst gehen sie vielleicht nicht, wohin ich
+gehen möchte. Laß mal sehen: ich will ihnen jeden Weihnachten ein Paar
+neue Stiefel schenken.«
+
+Und sie dachte sich aus, wie sie das anfangen würde. »Sie müssen per
+Fracht gehen,« dachte sie; »wie drollig es sein wird, seinen eignen
+Füßen ein Geschenk zu schicken! und wie komisch die Adresse aussehen
+wird! --
+
+ _An_
+ _Alice's rechten Fuß, Wohlgeboren,_
+ _Fußteppich,_
+ _nicht weit vom Kamin,_
+ _mit Alice's Grüßen_.
+
+»Oh, was für Unsinn ich schwatze!«
+
+Gerade in dem Augenblick stieß sie mit dem Kopf an die Decke: sie war in
+der That über neun Fuß groß. Und sie nahm sogleich den kleinen goldenen
+Schlüssel auf und rannte nach der Gartenthür.
+
+Arme Alice! das Höchste was sie thun konnte war, auf der Seite liegend,
+mit einem Auge nach dem Garten hinunterzusehen; aber an Durchgehen war
+weniger als je zu denken. Sie setzte sich hin und fing wieder an zu
+weinen.
+
+»Du solltest dich schämen,« sagte Alice, »solch großes Mädchen« (da
+hatte sie wohl recht) »noch so zu weinen! Höre gleich auf, sage ich
+dir!« Aber sie weinte trotzdem fort, und vergoß Thränen eimerweise, bis
+sich zuletzt ein großer Pfuhl um sie bildete, ungefähr vier Zoll tief
+und den halben Corridor lang.
+
+Nach einem Weilchen hörte sie Schritte in der Entfernung und trocknete
+schnell ihre Thränen, um zu sehen wer es sei. Es war das weiße
+Kaninchen, das prachtvoll geputzt zurückkam, mit einem Paar weißen
+Handschuhen in einer Hand und einen Fächer in der andern. Es trippelte
+in großer Eile entlang vor sich hin redend: »Oh! die Herzogin, die
+Herzogin! die wird mal außer sich sein, wenn ich sie warten lasse!«
+Alice war so rathlos, daß sie Jeden um Hülfe angerufen hätte. Als das
+Kaninchen daher in ihre Nähe kam, fing sie mit leiser, schüchterner
+Stimme an: »Bitte, lieber Herr. --« Das Kaninchen fuhr zusammen, ließ
+die weißen Handschuhe und den Fächer fallen und lief davon in die Nacht
+hinein, so schnell es konnte.
+
+[Illustration]
+
+Alice nahm den Fächer und die Handschuhe auf, und da der Gang sehr heiß
+war, fächelte sie sich, während sie so zu sich selbst sprach:
+»Wunderbar! -- wie seltsam heute Alles ist! Und gestern war es ganz wie
+gewöhnlich. Ob ich wohl in der Nacht umgewechselt worden bin? Laß mal
+sehen: war ich dieselbe, als ich heute früh aufstand? Es kommt mir fast
+vor, als hätte ich wie eine Veränderung in mir gefühlt. Aber wenn ich
+nicht dieselbe bin, dann ist die Frage: wer in aller Welt bin ich? Ja,
+das ist das Räthsel!« So ging sie in Gedanken alle Kinder ihres Alters
+durch, die sie kannte, um zu sehen, ob sie in eins davon verwandelt
+wäre.
+
+»Ich bin sicherlich nicht Ida,« sagte sie, »denn die trägt lange Locken,
+und mein Haar ist gar nicht lockig; und bestimmt kann ich nicht Clara
+sein, denn ich weiß eine ganze Menge, und sie, oh! sie weiß so sehr
+wenig! Außerdem, sie ist sie selbst, und ich bin ich, und, o wie confus
+es Alles ist! Ich will versuchen, ob ich noch Alles weiß, was ich sonst
+wußte. Laß sehen: vier mal fünf ist zwölf, und vier mal sechs ist
+dreizehn, und vier mal sieben ist -- o weh! auf die Art komme ich nie
+bis zwanzig! Aber, das Einmaleins hat nicht so viel zu sagen; ich will
+Geographie nehmen. London ist die Hauptstadt von Paris, und Paris ist
+die Hauptstadt von Rom, und Rom -- nein, ich wette, das ist Alles
+falsch! Ich muß in Clara verwandelt sein! Ich will doch einmal sehen, ob
+ich sagen kann: »Bei einem Wirthe --« und sie faltete sie Hände, als ob
+sie ihrer Lehrerin hersagte, und fing an; aber ihre Stimme klang rauh
+und ungewohnt, und die Worte kamen nicht wie sonst: --
+
+ »Bei einem Wirthe, wunderwild,
+ Da war ich jüngst zu Gaste,
+ Ein Bienennest das war sein Schild
+ In einer braunen Tatze.
+
+ Es war der grimme Zottelbär,
+ Bei dem ich eingekehret;
+ Mit süßem Honigseim hat er
+ Sich selber wohl genähret!«
+
+»Das kommt mir gar nicht richtig vor,« sagte die arme Alice, und Thränen
+kamen ihr in die Augen, als sie weiter sprach: »Ich muß doch Clara sein,
+und ich werde in dem alten kleinen Hause wohnen müssen, und beinah keine
+Spielsachen zum Spielen haben, und ach! so viel zu lernen! Nein, das
+habe ich mir vorgenommen: wenn ich Clara bin, will ich hier unten
+bleiben! Es soll ihnen nichts helfen, wenn sie die Köpfe
+zusammenstecken und herunter rufen: »Komm wieder herauf, Herzchen!« Ich
+will nur hinauf sehen und sprechen: wer bin ich denn? Sagt mir das erst,
+und dann, wenn ich die Person gern bin, will ich kommen; wo nicht, so
+will ich hier unten bleiben, bis ich jemand Anderes bin. -- Aber o weh!«
+schluchzte Alice plötzlich auf, »ich wünschte, sie sähen herunter! Es
+ist mir so langweilig, hier ganz allein zu sein!«
+
+Als sie so sprach, sah sie auf ihre Hände hinab und bemerkte mit
+Erstaunen, daß sie beim Reden einen von den weißen Glacee-Handschuhen
+des Kaninchens angezogen hatte. »Wie habe ich das nur angefangen?«
+dachte sie. »Ich muß wieder klein geworden sein.« Sie stand auf, ging
+nach dem Tische, um sich daran zu messen, und fand, daß sie noch
+ungefähr zwei Fuß hoch sei, dabei schrumpfte sie noch zusehends ein: sie
+merkte bald, daß die Ursache davon der Fächer war, den sie hielt; sie
+warf ihn schnell hin, noch zur rechten Zeit, sich vor gänzlichem
+Verschwinden zu retten.
+
+»Das war glücklich davon gekommen!« sagte Alice, sehr erschrocken über
+die plötzliche Veränderung, aber froh, daß sie noch existirte; »und nun
+in den Garten!« und sie lief eilig nach der kleinen Thür: aber ach! die
+kleine Thür war wieder verschlossen und das goldene Schlüsselchen lag
+auf dem Glastische wie vorher. »Und es ist schlimmer als je,« dachte das
+arme Kind, »denn so klein bin ich noch nie gewesen, nein, nie! Und ich
+sage, es ist zu schlecht, ist es!«
+
+[Illustration]
+
+Wie sie diese Worte sprach, glitt sie aus, und den nächsten Augenblick,
+platsch! fiel sie bis an's Kinn in Salzwasser. Ihr erster Gedanke war,
+sie sei in die See gefallen, »und in dem Fall kann ich mit der Eisenbahn
+zurückreisen,« sprach sie bei sich. (Alice war einmal in ihrem Leben an
+der See gewesen und war zu dem allgemeinen Schluß gelangt, daß wo man
+auch an's Seeufer kommt, man eine Anzahl Bademaschinen im Wasser
+findet, Kinder, die den Sand mit hölzernen Spaten aufgraben, dann eine
+Reihe Wohnhäuser und dahinter eine Eisenbahn-Station); doch merkte sie
+bald, daß sie sich in dem Thränenpfuhl befand, den sie geweint hatte,
+als sie neun Fuß hoch war.
+
+»Ich wünschte, ich hätte nicht so sehr geweint!« sagte Alice, als sie
+umherschwamm und sich herauszuhelfen suchte; »jetzt werde ich wohl dafür
+bestraft werden und in meinen eigenen Thränen ertrinken! Das _wird_
+sonderbar sein, das! Aber Alles ist heut so sonderbar.«
+
+In dem Augenblicke hörte sie nicht weit davon etwas in dem Pfuhle
+plätschern, und sie schwamm danach, zu sehen was es sei: erst glaubte
+sie, es müsse ein Wallroß oder ein Nilpferd sein; dann aber besann sie
+sich, wie klein sie jetzt war, und merkte bald, daß es nur eine Maus
+sei, die wie sie hineingefallen war.
+
+»Würde es wohl etwas nützen,« dachte Alice, »diese Maus anzureden? Alles
+ist so wunderlich hier unten, daß ich glauben möchte, sie kann sprechen;
+auf jeden Fall habe ich das Fragen umsonst.« Demnach fing sie an: »O
+Maus, weißt du, wie man aus diesem Pfuhle gelangt, ich bin von dem
+Herumschwimmen ganz müde, o Maus!« (Alice dachte, so würde eine Maus
+richtig angeredet; sie hatte es zwar noch nie gethan, aber sie erinnerte
+sich ganz gut, in ihres Bruders lateinischer Grammatik gelesen zu haben
+»Eine Maus -- einer Maus -- einer Maus -- eine Maus -- o Maus!«) Die
+Maus sah sie etwas neugierig an und schien ihr mit dem einen Auge zu
+blinzeln, aber sie sagte nichts.
+
+»Vielleicht versteht sie nicht Englisch,« dachte Alice, »es ist
+vielleicht eine französische Maus, die mit Wilhelm dem Eroberer herüber
+gekommen ist« (denn, trotz ihrer Geschichtskenntiß hatte Alice keinen
+ganz klaren Begriff, wie lange irgend ein Ereigniß her sei). Sie fing
+also wieder an: »=Où est ma chatte?=« was der erste Satz in ihrem
+französischen Conversationsbuche war. Die Maus sprang hoch auf aus dem
+Wasser, und schien vor Angst am ganzen Leibe zu beben. »O, ich bitte um
+Verzeihung!« rief Alice schnell, erschrocken, daß sie das arme Thier
+verletzt habe. »Ich hatte ganz vergessen, daß Sie Katzen nicht mögen.«
+
+»Katzen nicht mögen!« schrie die Maus mit kreischender, wüthender
+Stimme. »Würdest du Katzen mögen, wenn du an meiner Stelle wärest?«
+
+[Illustration]
+
+»Nein, wohl kaum,« sagte Alice in zuredendem Tone: »sei nicht mehr böse
+darüber. Und doch möchte ich dir unsere Katze Dinah zeigen können. Ich
+glaube, du würdest Geschmack für Katzen bekommen, wenn du sie nur sehen
+könntest. Sie ist ein so liebes ruhiges Thier,« sprach Alice fort, halb
+zu sich selbst, wie sie gemüthlich im Pfuhle daherschwamm; »sie sitzt
+und spinnt so nett beim Feuer, leckt sich die Pfoten und wäscht sich das
+Schnäuzchen -- und sie ist so hübsch weich auf dem Schoß zu haben -- und
+sie ist solch famoser Mäusefänger -- oh, ich bitte um Verzeihung!« sagte
+Alice wieder, denn diesmal sträubte sich das ganze Fell der armen Maus,
+und Alice dachte, sie müßte sicherlich sehr beleidigt sein. »Wir wollen
+nicht mehr davon reden, wenn du es nicht gern hast.«
+
+»Wir, wirklich!« entgegnete die Maus, die bis zur Schwanzspitze
+zitterte. »Als ob ich je über solchen Gegenstand spräche! Unsere Familie
+hat von jeher Katzen verabscheut: häßliche, niedrige, gemeine Dinger!
+Laß mich ihren Namen nicht wieder hören!«
+
+»Nein, gewiß nicht!« sagte Alice, eifrig bemüht, einen andern Gegenstand
+der Unterhaltung zu suchen. »Magst du -- magst du gern Hunde?« Die Maus
+antwortete nicht, daher fuhr Alice eifrig fort: »Es wohnt ein so
+reizender kleiner Hund nicht weit von unserm Hause. Den möchte ich dir
+zeigen können! Ein kleiner klaräugiger Wachtelhund, weißt du, ach, mit
+solch krausem braunen Fell! Und er apportirt Alles, was man ihm
+hinwirft, und er kann aufrecht stehen und um sein Essen betteln, und so
+viel Kunststücke -- ich kann mich kaum auf die Hälfte besinnen -- und er
+gehört einem Amtmann, weißt du, und er sagt, er ist so nützlich, er ist
+ihm hundert Pfund werth! Er sagt, er vertilgt alle Ratten und -- oh wie
+dumm!« sagte Alice in reumüthigem Tone. »Ich fürchte, ich habe ihr
+wieder weh gethan!« Denn die Maus schwamm so schnell sie konnte von ihr
+fort und brachte den Pfuhl dadurch in förmliche Bewegung.
+
+Sie rief ihr daher zärtlich nach: »Liebes Mäuschen! Komm wieder zurück,
+und wir wollen weder von Katzen noch von Hunden reden, wenn du sie nicht
+gern hast!« Als die Maus das hörte, wandte sie sich um und schwamm
+langsam zu ihr zurück; ihr Gesicht war ganz blaß (vor Aerger, dachte
+Alice), und sie sagte mit leiser, zitternder Stimme: »Komm mit mir an's
+Ufer, da will ich dir meine Geschichte erzählen; dann wirst du
+begreifen, warum ich Katzen und Hunde nicht leiden kann.«
+
+Es war hohe Zeit sich fortzumachen; denn der Pfuhl begann von allerlei
+Vögeln und Gethier zu wimmeln, die hinein gefallen waren: da war eine
+Ente und ein Dodo, ein rother Papagei und ein junger Adler, und mehre
+andere merkwürdige Geschöpfe. Alice führte sie an, und die ganze
+Gesellschaft schwamm an's Ufer.
+
+
+
+
+[Illustration]
+
+
+
+
+Drittes Kapitel.
+
+Caucus-Rennen und was daraus wird.
+
+
+Es war in der That eine wunderliche Gesellschaft, die sich am Strande
+versammelte -- die Vögel mit triefenden Federn, die übrigen Thiere mit
+fest anliegendem Fell, Alle durch und durch naß, verstimmt und
+unbehaglich. --
+
+Die erste Frage war, wie sie sich trocknen könnten: es wurde eine
+Berathung darüber gehalten, und nach wenigen Minuten kam es Alice
+ganz natürlich vor, vertraulich mit ihnen zu schwatzen, als ob sie
+sie ihr ganzes Leben gekannt hätte. Sie hatte sogar eine lange
+Auseinandersetzung mit dem Papagei, der zuletzt brummig wurde und nur
+noch sagte: »ich bin älter als du und muß es besser wissen;« dies wollte
+Alice nicht zugeben und fragte nach seinem Alter, und da der Papagei es
+durchaus nicht sagen wollte, so blieb die Sache unentschieden.
+
+Endlich rief die Maus, welche eine Person von Gewicht unter ihnen zu
+sein schien: »Setzt euch, ihr Alle, und hört mir zu! ich will euch bald
+genug trocken machen!« Alle setzten sich sogleich in einen großen Kreis
+nieder, die Maus in der Mitte. Alice hatte die Augen erwartungsvoll auf
+sie gerichtet, denn sie war überzeugt, sie werde sich entsetzlich
+erkälten, wenn sie nicht sehr bald trocken würde.
+
+»Hm!« sagte die Maus mit wichtiger Miene, »seid ihr Alle so weit? Es ist
+das Trockenste, worauf ich mich besinnen kann. Alle still, wenn ich
+bitten darf! -- Wilhelm der Eroberer, dessen Ansprüche vom Papste
+begünstigt wurden, fand bald Anhang unter den Engländern, die einen
+Anführer brauchten, und die in jener Zeit sehr an Usurpation und
+Eroberungen gewöhnt waren. Edwin und Morcar, Grafen von Mercia und
+Northumbria --«
+
+»_Oooh_!« gähnte der Papagei und schüttelte sich.
+
+»Bitte um Verzeihung!« sprach die Maus mit gerunzelter Stirne, aber sehr
+höflich; »bemerkten Sie etwas?«
+
+»Ich nicht!« erwiederte schnell der Papagei.
+
+»Es kam mir so vor,« sagte die Maus. -- »Ich fahre fort: Edwin und
+Morcar, Grafen von Mercia und Northumbria, erklärten sich für ihn; und
+selbst Stigand, der patriotische Erzbischof von Canterbury fand es
+rathsam --«
+
+»Fand _was_?« unterbrach die Ente.
+
+»Fand _es_,« antwortete die Maus ziemlich aufgebracht: »du wirst doch wohl
+wissen, was _es_ bedeutet.«
+
+»Ich weiß sehr wohl, was _es_ bedeutet, wenn _ich_ etwas finde«, sagte die
+Ente: »_es_ ist gewöhnlich ein Frosch oder ein Wurm. Die Frage ist, was
+fand der Erzbischof?«
+
+Die Maus beachtete die Frage nicht, sondern fuhr hastig fort: -- »fand
+es rathsam, von Edgar Atheling begleitet, Wilhelm entgegen zu gehen und
+ihm die Krone anzubieten. Wilhelms Benehmen war zuerst gemäßigt, aber
+die Unverschämtheit der Normannen -- wie steht's jetzt, Liebe?« fuhr sie
+fort, sich an Alice wendend.
+
+»Noch ganz eben so naß,« sagte Alice schwermüthig; »es scheint mich gar
+nicht trocken zu machen.«
+
+»In dem Fall,« sagte der Dodo feierlich, indem er sich erhob, »stelle
+ich den Antrag, daß die Versammlung sich vertage und zur unmittelbaren
+Anwendung von wirksameren Mitteln schreite.«
+
+»Sprich deutlich!« sagte der Adler. »Ich verstehe den Sinn von deinen
+langen Wörtern nicht, und ich wette, du auch nicht!« Und der Adler
+bückte sich, um ein Lächeln zu verbergen; einige der andern Vögel
+kicherten hörbar.
+
+»Was sich sagen wollte,« sprach der Dodo in gereiztem Tone, »war, daß
+das beste Mittel uns zu trocknen ein Caucus-Rennen wäre.«
+
+»Was ist ein Caucus-Rennen?« sagte Alice, nicht daß ihr viel daran lag
+es zu wissen; aber der Dodo hatte angehalten, als ob er eine Frage
+erwarte, und Niemand anders schien aufgelegt zu reden.
+
+»Nun,« meinte der Dodo, »die beste Art, es zu erklären, ist, es zu
+spielen.« (Und da ihr vielleicht das Spiel selbst einen
+Winter-Nachmittag versuchen möchtet, so will ich erzählen, wie der Dodo
+es anfing.)
+
+Erst bezeichnete er die Bahn, eine Art Kreis (»es kommt nicht genau auf
+die Form an,« sagte er), und dann wurde die ganze Gesellschaft hier und
+da auf der Bahn aufgestellt. Es wurde kein »eins, zwei drei, fort!«
+gezählt, sondern sie fingen an zu laufen wenn es ihnen einfiel, hörten
+auf wie es ihnen einfiel, so daß es nicht leicht zu entscheiden war,
+wann das Rennen zu Ende war. Als sie jedoch ungefähr eine halbe Stunde
+gerannt und vollständig getrocknet waren, rief der Dodo plötzlich: »Das
+Rennen ist aus!« und sie drängten sich um ihn, außer Athem, mit der
+Frage: »Aber wer hat gewonnen?«
+
+Diese Frage konnte der Dodo nicht ohne tiefes Nachdenken beantworten,
+und er saß lange mit einem Finger an die Stirn gelegt (die Stellung, in
+der ihr meistens Shakespeare in seinen Bildern seht), während die
+Uebrigen schweigend auf ihn warteten. Endlich sprach der Dodo: »Jeder
+hat gewonnen, und Alle sollen Preise haben.«
+
+»Aber wer soll die Preise geben?« fragte ein ganzer Chor von Stimmen.
+
+»Versteht sich, sie!« sagte der Dodo, mit dem Finger auf Alice zeigend,
+und sogleich umgab sie die ganze Gesellschaft, Alle durch einander
+rufend: »Preise Preise!«
+
+Alice wußte nicht im Geringsten, was da zu thun sei; in ihrer
+Verzweiflung fuhr sie mit der Hand in die Tasche und zog eine Schachtel
+Zuckerplätzchen hervor (glücklicherweise war das Salzwasser nicht hinein
+gedrungen); die vertheilte sie als Preise. Sie reichten gerade herum,
+eins für Jeden.
+
+»Aber sie selbst muß auch einen Preis bekommen, wißt ihr,« sagte die
+Maus.
+
+»Versteht sich,« entgegnete der Dodo ernst. »Was hast du noch in der
+Tasche?« fuhr er zu Alice gewandt fort.
+
+»Nur einen Fingerhut,« sagte Alice traurig.
+
+»Reiche ihn mir herüber,« versetzte der Dodo. Darauf versammelten sich
+wieder Alle um sie, während der Dodo ihr den Fingerhut feierlich
+überreichte, mit den Worten: »Wir bitten, Sie wollen uns gütigst mit der
+Annahme dieses eleganten Fingerhutes beehren;« und als er diese kurze
+Rede beendigt hatte, folgte allgemeines Beifallklatschen.
+
+[Illustration]
+
+Alice fand dies Alles höchst albern; aber die ganze Gesellschaft sah so
+ernst aus, daß sie sich nicht zu lachen getraute, und da ihr keine
+passende Antwort einfiel, verbeugte sie sich einfach und nahm den
+Fingerhut ganz ehrbar in Empfang.
+
+Nun mußten zunächst die Zuckerplätzchen verzehrt werden, was nicht wenig
+Lärm und Verwirrung hervorrief; die großen Vögel nämlich beklagten sich,
+daß sie nichts schmecken konnten, die kleinen aber verschluckten sich
+und mußten auf den Rücken geklopft werden. Endlich war auch dies
+vollbracht, und Alle setzten sich im Kreis herum und drangen in das
+Mäuslein, noch etwas zu erzählen.
+
+»Du hast mir deine Geschichte versprochen,« sagte Alice -- »und woher es
+kommt, daß du K. und H. nicht leiden kannst,« fügte sie leise hinzu, um
+nur das niedliche Thierchen nicht wieder böse zu machen.
+
+»Ach,« seufzte das Mäuslein, »ihr macht euch ja aus meinem Erzählen doch
+nichts; ich bin euch mit meiner Geschichte zu langschwänzig und zu
+tragisch.« Dabei sah sie Alice fragend an.
+
+»Langschwänzig! das muß wahr sein!« rief Alice und sah nun erst mit
+rechter Verwunderung auf den geringelten Schwanz der Maus hinab; »aber
+wie so tragisch? was trägst du denn?« Während sie noch darüber nachsann,
+fing die langschwänzige Erzählung schon an, folgendergestalt:
+
+ Filax sprach zu
+ der Maus, die
+ er traf
+ in dem
+ Haus:
+ »Geh' mit
+ mir vor
+ Gericht,
+ daß ich
+ dich
+ verklage.
+ Komm und
+ wehr' dich
+ nicht mehr;
+ ich muß
+ haben ein
+ Verhör,
+ denn ich
+ habe
+ nichts
+ zu thun
+ schon
+ zwei
+ Tage.«
+ Sprach die
+ Maus zum
+ Köter:
+ »Solch
+ Verhör,
+ lieber Herr,
+ ohne
+ Richter,
+ ohne
+ Zeugen
+ thut nicht
+ Noth.«
+ »Ich bin
+ Zeuge,
+ ich bin
+ Richter,«
+ sprach
+ er schlau
+ und schnitt
+ Gesichter,
+ »das Verhör
+ leite ich
+ und
+ verdamme
+ dich
+ zum
+ Tod!«
+
+»Du paßt nicht auf!« sagte die Maus strenge zu Alice. »Woran denkst du?«
+
+»Ich bitte um Verzeihung,« sagte Alice sehr bescheiden: »du warst bis
+zur fünften Biegung gekommen, glaube ich?«
+
+»Mit nichten!« sagte die Maus entschieden und sehr ärgerlich.
+
+»Nichten!« rief Alice, die gern neue Bekanntschaften machte, und sah
+sich neugierig überall um. »O, wo sind sie, deine Nichten? Laß mich
+gehen und sie her holen!«
+
+»Das werde ich schön bleiben lassen,« sagte die Maus, indem sie aufstand
+und fortging. »Deinen Unsinn kann ich nicht mehr mit anhören!«
+
+»Ich meinte es nicht böse!« entschuldigte sich die arme Alice. »Aber du
+bist so sehr empfindlich, du!«
+
+Das Mäuslein brummte nur als Antwort.
+
+»Bitte, komm wieder, und erzähle deine Geschichte aus!« rief Alice ihr
+nach; und die Andern wiederholten im Chor: »ja bitte!« aber das Mäuschen
+schüttelte unwillig mit dem Kopfe und ging schnell fort.
+
+»Wie schade, daß es nicht bleiben wollte!« seufzte der Papagei, sobald
+es nicht mehr zu sehen war; und eine alte Unke nahm die Gelegenheit
+wahr, zu ihrer Tochter zu sagen, »Ja, mein Kind! laß dir dies eine Lehre
+sein, niemals _übler_ Laune zu sein!« »Halt den Mund, Mama!« sagte die
+junge Unke, etwas naseweis.
+
+»Wahrhaftig, du würdest die Geduld einer Auster erschöpfen!«
+
+»Ich wünschte, ich hätte unsere Dinah hier, das wünschte ich!« sagte
+Alice laut, ohne Jemand insbesondere anzureden. »Sie würde sie bald
+zurückholen!«
+
+»Und wer ist Dinah, wenn ich fragen darf?« sagte der Papagei.
+
+Alice antwortete eifrig, denn sie sprach gar zu gern von ihrem Liebling:
+»Dinah ist unsere Katze, und sie ist euch so geschickt im Mäusefangen,
+ihr könnt's euch gar nicht denken! Und ach, hättet ihr sie nur Vögel
+jagen sehen. Ich sage euch, sie frißt einen kleinen Vogel, so wie sie
+ihn zu Gesicht bekommt.«
+
+Diese Mittheilung verursachte große Aufregung in der Gesellschaft.
+Einige der Vögel machten sich augenblicklich davon; eine alte Elster
+fing an, sich sorgfältig einzuwickeln, indem sie bemerkte: »Ich muß
+wirklich nach Hause gehen; die Nachtluft ist nicht gut für meinen Hals!«
+und ein Canarienvogel piepte zitternd zu seinen Kleinen, »Kommt fort,
+Kinder! es ist die höchste Zeit für euch, zu Bett zu gehen!« Unter
+verschiedenen Entschuldigungen entfernten sie sich Alle, und Alice war
+bald ganz allein.
+
+»Hätte ich nur Dinah nicht erwähnt!« sprach sie bei sich mit betrübtem
+Tone. »Niemand scheint sie gern zu haben, hier unten, und dabei ist sie
+doch die beste Katze von der Welt! Oh, meine liebe Dinah! ob ich dich
+wohl je wieder sehen werde!« dabei fing die arme Alice von Neuem zu
+weinen an, denn sie fühlte sich gar zu einsam und muthlos. Nach einem
+Weilchen jedoch hörte sie wieder ein Trappeln von Schritten in der
+Entfernung und blickte aufmerksam hin, halb in der Hoffnung, daß die
+Maus sich besonnen habe und zurückkomme, ihre Geschichte auszuerzählen.
+
+
+
+
+Viertes Kapitel.
+
+Die Wohnung des Kaninchens.
+
+
+Es war das weiße Kaninchen, das langsam zurückgewandert kam, indem es
+sorgfältig beim Gehen umhersah, als ob es etwas verloren hätte, und sie
+hörte wie es für sich murmelte: »die Herzogin! die Herzogin! Oh, meine
+weichen Pfoten! o mein Fell und Knebelbart! Sie wird mich hängen lassen,
+so gewiß Frettchen Frettchen sind! Wo ich sie kann haben fallen lassen,
+begreife ich nicht!« Alice errieth augenblicklich, daß es den Fächer und
+die weißen Glaceehandschuhe meinte, und gutmüthig genug fing sie an,
+danach umher zu suchen, aber sie waren nirgends zu sehen -- Alles schien
+seit ihrem Bade in dem Pfuhl verwandelt zu sein, und der große Corridor
+mit dem Glastische und der kleinen Thür war gänzlich verschwunden.
+
+Das Kaninchen erblickte Alice bald, und wie sie überall suchte, rief es
+ihr ärgerlich zu: »Was, Marianne, was hast du hier zu schaffen? Renne
+augenblicklich nach Hause, und hole mir ein Paar Handschuhe und einen
+Fächer! Schnell, vorwärts!« Alice war so erschrocken, daß sie schnell in
+der angedeuteten Richtung fortlief, ohne ihm zu erklären, daß es sich
+versehen habe.
+
+»Es hält mich für sein Hausmädchen,« sprach sie bei sich selbst und lief
+weiter. »Wie es sich wundern wird, wenn es erfährt, wer ich bin! Aber
+ich will ihm lieber seinen Fächer und seine Handschuhe bringen
+-- nämlich, wenn ich sie finden kann.« Wie sie so sprach, kam sie an ein
+nettes kleines Haus, an dessen Thür ein glänzendes Messingschild war mit
+dem Namen »W. _Kaninchen_« darauf. Sie ging hinein ohne anzuklopfen, lief
+die Treppe hinauf, in großer Angst, der wirklichen Marianne zu begegnen
+und zum Hause hinausgewiesen zu werden, ehe sie den Fächer und die
+Handschuhe gefunden hätte.
+
+»Wie komisch es ist,« sagte Alice bei sich, »Besorgungen für ein
+Kaninchen zu machen! Vermuthlich wird mir Dinah nächstens Aufträge
+geben!« Und sie dachte sich schon aus, wie es Alles kommen würde:
+
+»Fräulein Alice! Kommen Sie gleich, es ist Zeit zum Ausgehen für Sie!«
+»Gleich Kinderfrau! aber ich muß dieses Mäuseloch hier bewachen bis
+Dinah wiederkommt, und aufpassen, daß die Maus nicht herauskommt.« »Nur
+würde Dinah,« dachte Alice weiter, »gewiß nicht im Hause bleiben dürfen,
+wenn sie anfinge, die Leute so zu commandiren.«
+
+Mittlerweile war sie in ein sauberes kleines Zimmer gelangt, mit einem
+Tisch vor dem Fenster und darauf (wie sie gehofft hatte) ein Fächer und
+zwei oder drei Paar winziger weißer Glaceehandschuhe; sie nahm den
+Fächer und ein Paar Handschuhe und wollte eben das Zimmer verlassen, als
+ihr Blick auf ein Fläschchen fiel, das bei dem Spiegel stand. Diesmal
+war kein Zettel mit den Worten: »_Trink mich_« darauf, aber trotzdem zog
+sie den Pfropfen heraus und setzte es an die Lippen. »Ich weiß, _etwas_
+Merkwürdiges muß geschehen, sobald ich esse oder trinke; drum will ich
+versuchen, was dies Fläschchen thut. Ich hoffe, es wird mich wieder
+größer machen; denn es ist mir sehr langweilig, solch winzig kleines
+Ding zu sein!«
+
+Richtig, und zwar schneller, als sie erwartete: ehe sie das Fläschchen
+halb ausgetrunken hatte fühlte sie, wie ihr Kopf an die Decke stieß,
+und mußte sich rasch bücken, um sich nicht den Hals zu brechen. Sie
+stellte die Flasche hin, indem sie zu sich sagte: »Das ist ganz genug --
+ich hoffe, ich werde nicht weiter wachsen -- ich kann so schon nicht zur
+Thüre hinaus -- hätte ich nur nicht so viel getrunken!«
+
+[Illustration]
+
+O weh! es war zu spät, dies zu wünschen. Sie wuchs und wuchs, und mußte
+sehr bald auf den Fußboden niederknien; den nächsten Augenblick war
+selbst dazu nicht Platz genug, sie legte sich nun hin, mit einem
+Ellbogen gegen die Thür gestemmt und den andern Arm unter dem Kopfe.
+Immer noch wuchs sie, und als letzte Hülfsquelle streckte sie einen Arm
+zum Fenster hinaus und einen Fuß in den Kamin hinauf, und sprach zu sich
+selbst: »Nun kann ich nicht mehr thun, was auch geschehen mag. Was _wird_
+nur aus mir werden?«
+
+Zum Glück für Alice hatte das Zauberfläschchen nun seine volle Wirkung
+gehabt, und sie wuchs nicht weiter. Aber es war sehr unbequem, und da
+durchaus keine Aussicht war, daß sie je wieder aus dem Zimmer hinaus
+komme, so war sie natürlich sehr unglücklich.
+
+»Es war viel besser zu Hause,« dachte die arme Alice, »wo man nicht
+fortwährend größer und kleiner wurde, und sich nicht von Mäusen und
+Kaninchen commandiren zu lassen brauchte. Ich wünschte fast, ich wäre
+nicht in den Kaninchenbau hineingelaufen -- aber -- aber, es ist doch
+komisch, diese Art Leben! Ich möchte wohl wissen, _was_ eigentlich mit mir
+vorgegangen ist! Wenn ich Märchen gelesen habe, habe ich immer gedacht,
+so etwas käme nie vor, nun bin ich mitten drin in einem! Es sollte ein
+Buch von mir geschrieben werden, und wenn ich groß bin, will ich eins
+schreiben -- aber ich bin ja jetzt groß,« sprach sie betrübt weiter,
+»wenigstens _hier_ habe ich keinen Platz übrig, noch größer zu werden.«
+
+»Aber,« dachte Alice, »werde ich denn nie älter werden, als ich jetzt
+bin? das ist ein Trost -- nie eine alte Frau zu sein -- aber dann --
+immer Aufgaben zu lernen zu haben! Oh, _das_ möchte ich nicht gern!«
+
+»O, du einfältige Alice,« schalt sie sich selbst. »Wie kannst du hier
+Aufgaben lernen? Sieh doch, es ist kaum Platz genug für dich, viel
+weniger für irgend ein Schulbuch!«
+
+Und so redete sie fort; erst als eine Person, dann die andere, und hatte
+so eine lange Unterhaltung mit sich selbst; aber nach einigen Minuten
+hörte sie draußen eine Stimme und schwieg still, um zu horchen.
+
+»Marianne! Marianne!« sagte die Stimme, »hole mir gleich meine
+Handschuhe!« dann kam ein Trappeln von kleinen Füßen die Treppe herauf.
+Alice wußte, daß es das Kaninchen war, das sie suchte, und sie zitterte
+so sehr, daß sie das ganze Haus erschütterte; sie hatte ganz vergessen,
+daß sie jetzt wohl tausend Mal so groß wie das Kaninchen war und keine
+Ursache hatte, sich vor ihm zu fürchten.
+
+Jetzt kam das Kaninchen an die Thür und wollte sie aufmachen; da aber
+die Thür nach innen aufging und Alice's Ellbogen fest dagegen gestemmt
+war, so war es ein vergeblicher Versuch. Alice hörte, wie es zu sich
+selbst sprach: »dann werde ich herum gehen und zum Fenster
+hineinsteigen.«
+
+[Illustration]
+
+»Das wirst du nicht thun,« dachte Alice, und nachdem sie gewartet hatte,
+bis sie das Kaninchen dicht unter dem Fenster zu hören glaubte, streckte
+sie mit einem Male ihre Hand aus und griff in die Luft. Sie faßte zwar
+nichts, hörte aber einen schwachen Schrei und einen Fall, dann das
+Geklirr von zerbrochenem Glase, woraus sie schloß, daß es wahrscheinlich
+in ein Gurkenbeet gefallen sei, oder etwas dergleichen.
+
+Demnächst kam eine ärgerliche Stimme -- die des Kaninchens -- »Pat! Pat!
+wo bist du?« und dann eine Stimme, die sie noch nicht gehört hatte: »Wo
+soll ich sind? ich bin hier! grabe Aepfel aus, Euer Jnaden!«
+
+»Aepfel ausgraben? so!« sagte das Kaninchen ärgerlich. »Hier! komm und
+hilf mir heraus!« (Noch mehr Geklirr von Glasscherben.)
+
+»Nun sage mir, Pat, was ist das da oben im Fenster?«
+
+»Wat soll's sind? 's is en Arm, Euer Jnaden!« (Er sprach es »Arrum«
+aus.)
+
+»Ein Arm, du Esel! Wer hat je einen so großen Arm gesehen? er nimmt ja
+das ganze Fenster ein!«
+
+»Zu dienen, des thut er, Euer Jnaden; aber en Arm is es, und en Arm
+bleebt es.«
+
+»Jedenfalls hat er da nichts zu suchen: geh' und schaffe ihn fort!«
+
+Darauf folgte eine lange Pause, während welcher Alice sie nur einzelne
+Worte flüstern hörte, wie: »Zu dienen, des scheint mer nich, Euer
+Jnaden, jar nich, jar nich!« »Thu', was ich dir sage, feige Memme!«
+zuletzt streckte sie die Hand wieder aus und that einen Griff in die
+Luft. Diesmal hörte sie ein leises Wimmern und noch mehr Geklirr von
+Glasscherben. »Wie viel Gurkenbeete da sein müssen!« dachte Alice. »Mich
+soll doch wundern, was sie nun thun werden! Mich zum Fenster hinaus
+ziehen? ja, wenn sie das nur könnten! Ich bliebe wahrlich nicht gern
+länger hier!«
+
+Sie wartete eine Zeit lang, ohne etwas zu hören; endlich kam ein Rollen
+von kleinen Leiterwagen, und ein Lärm von einer Menge Stimmen, alle
+durcheinander; sie verstand die Worte: »Wo ist die andere Leiter? -- Ich
+sollte ja nur eine bringen; Wabbel hat die andere -- Wabbel, bringe sie
+her, Junge! -- Lehnt sie hier gegen diese Ecke -- Nein, sie müssen erst
+zusammengebunden werden -- sie reichen nicht halb hinauf -- Ach, was
+werden sie nicht reichen: seid nicht so umständlich -- Hier, Wabbel!
+fange den Strick -- Wird das Dach auch tragen? -- Nimm dich mit dem losen
+Schiefer in Acht -- oh, da fällt er! Köpfe weg!« (ein lautes Krachen) --
+»Wessen Schuld war das? -- Wabbel's, glaube ich -- Wer soll in den
+Schornstein steigen? -- Ich nicht, so viel weiß ich! Ihr aber doch,
+nicht wahr? -- Nicht ich, meiner Treu! -- Wabbel kann hineinsteigen --
+Hier, Wabbel! der Herr sagt, du sollst in den Schornstein steigen!«
+
+»So, also Wabbel soll durch den Schornstein hereinkommen, wirklich?«
+sagte Alice zu sich selbst. »Sie scheinen mir Alles auf Wabbel zu
+schieben: ich möchte um Alles nicht an Wabbel's Stelle sein; der Kamin
+ist freilich eng, aber etwas werde ich doch wohl mit dem Fuße
+ausschlagen können!«
+
+[Illustration]
+
+Sie zog ihren Fuß so weit herunter, wie sie konnte, und wartete, bis sie
+ein kleines Thier (sie konnte nicht rathen, was für eine Art es sei) in
+dem Schornstein kratzen und klettern hörte; als es dicht über ihr war,
+sprach sie bei sich: »Dies ist Wabbel,« gab einen kräftigen Stoß in die
+Höhe, und wartete dann der Dinge, die da kommen würden.
+
+Zuerst hörte sie einen allgemeinen Chor: »Da fliegt Wabbel!« dann die
+Stimme des Kaninchens allein: -- »Fangt ihn auf, ihr da bei der Hecke!«
+darauf Stillschweigen, dann wieder verworrene Stimmen: -- »Haltet ihm
+den Kopf -- etwas Branntwein -- Ersticke ihn doch nicht -- Wie geht's,
+alter Kerl? Was ist dir denn geschehen? erzähle uns Alles!«
+
+Zuletzt kam eine kleine schwache, quiekende Stimme (»das ist Wabbel,«
+dachte Alice): »Ich weiß es ja selbst nicht -- Keinen mehr, danke! Ich
+bin schon viel besser -- aber ich bin viel zu aufgeregt, um euch zu
+erzählen -- Ich weiß nur, da kommt ein Ding in die Höhe, wie'n
+Dosen-Stehauf, und auf fliege ich wie 'ne Rackete!«
+
+»Ja, das hast du gethan, alter Kerl!« sagten die Andern.
+
+»Wir müssen das Haus niederbrennen!« rief das Kaninchen; da schrie Alice
+so laut sie konnte: »Wenn ihr das thut, werde ich Dinah über euch
+schicken!«
+
+Sogleich entstand tiefes Schweigen, und Alice dachte bei sich: »_Was_ sie
+wohl jetzt thun werden? Wenn sie Menschenverstand hätten, würden sie das
+Dach abreißen.« Nach einer oder zwei Minuten fingen sie wieder an sich
+zu rühren, und Alice hörte das Kaninchen sagen: »Eine Karre voll ist vor
+der Hand genug.«
+
+»Eine Karre voll was?« dachte Alice; doch blieb sie nicht lange im
+Zweifel, denn den nächsten Augenblick kam ein Schauer von kleinen
+Kieseln zum Fenster herein geflogen, von denen ein Paar sie gerade in's
+Gesicht trafen. »Dem will ich ein Ende machen,« sagte sie bei sich und
+schrie hinaus: »Das laßt mir gefälligst bleiben!« worauf wieder tiefe
+Stille erfolgte.
+
+Alice bemerkte mit einigem Erstaunen, daß die Kiesel sich alle in kleine
+Kuchen verwandelten, als sie auf dem Boden lagen, und dies brachte sie
+auf einen glänzenden Gedanken. »Wenn ich einen von diesen Kuchen esse,«
+dachte sie, »wird es gewiß meine Größe verändern; und da ich unmöglich
+noch mehr wachsen kann, so wird es mich wohl kleiner machen, vermuthe
+ich.«
+
+Sie schluckte demnach einen kleinen Kuchen herunter, und merkte zu ihrem
+Entzücken, daß sie sogleich abnahm. Sobald sie klein genug war, um durch
+die Thür zu gehen, rannte sie zum Hause hinaus, und fand einen
+förmlichen Auflauf von kleinen Thieren und Vögeln davor. Die arme kleine
+Eidechse, Wabbel, war in der Mitte, von zwei Meerschweinchen
+unterstützt, die ihm etwas aus einer Flasche gaben. Es war ein
+allgemeiner Sturm auf Alice, sobald sie sich zeigte; sie lief aber so
+schnell sie konnte davon, und kam sicher in ein dichtes Gebüsch.
+
+»Das Nöthigste, was ich nun zu thun habe,« sprach Alice bei sich, wie
+sie in dem Wäldchen umher wanderte, »ist, meine richtige Größe zu
+erlangen; und das Zweite, den Weg zu dem wunderhübschen Garten zu
+finden. Ja, das wird der beste Plan sein.«
+
+Es klang freilich wie ein vortrefflicher Plan, und recht nett und
+einfach ausgedacht; die einzige Schwierigkeit war, daß sie nicht den
+geringsten Begriff hatte, wie sie ihn ausführen sollte; und während sie
+so ängstlich zwischen den Bäumen umherguckte, hörte sie plötzlich ein
+scharfes feines Bellen gerade über ihrem Kopfe und sah eilig auf.
+
+Ein ungeheuer großer junger Hund sah mit seinen hervorstehenden runden
+Augen auf sie herab und machte einen schwachen Versuch, eine Pfote
+auszustrecken und sie zu berühren. »Armes kleines Ding!« sagte Alice in
+liebkosendem Tone, und sie gab sich alle Mühe, ihm zu pfeifen; dabei
+hatte sie aber große Angst, ob er auch nicht hungrig wäre, denn dann
+würde er sie wahrscheinlich auffressen trotz allen Liebkosungen.
+
+[Illustration]
+
+Ohne recht zu wissen was sie that, nahm sie ein Stäbchen auf und hielt
+es ihm hin; worauf das ungeschickte Thierchen mit allen vier Füßen
+zugleich in die Höhe sprang, vor Entzücken laut aufbellte, auf das
+Stäbchen losrannte und that, als wolle es es zerreißen; da wich Alice
+ihm aus hinter eine große Distel, um nicht zertreten zu werden; und so
+wie sie auf der andern Seite hervorkam, lief der junge Hund wieder auf
+das Stäbchen los und fiel kopfüber in seiner Eile, es zu fangen. Alice,
+der es vorkam, als wenn Jemand mit einem Fuhrmannspferde Zeck spielt,
+und die jeden Augenblick fürchtete, unter seine Füße zu gerathen, lief
+wieder hinter die Distel; da machte der junge Hund eine Reihe von kurzen
+Anläufen auf das Stäbchen, wobei er jedes Mal ein klein wenig vorwärts
+und ein gutes Stück zurück rannte und sich heiser bellte, bis er sich
+zuletzt mit zum Munde heraushängender Zunge und halb geschlossenen
+Augen, ganz außer Athem hinsetzte.
+
+Dies schien Alice eine gute Gelegenheit zu sein, fortzukommen; sie
+machte sich also gleich davon, und rannte bis sie ganz müde war und
+keine Luft mehr hatte, und bis das Bellen nur noch ganz schwach in der
+Ferne zu hören war.
+
+»Und doch war es ein lieber kleiner Hund!« sagte Alice, indem sie sich
+an eine Butterblume lehnte um auszuruhen, und sich mit einem der Blätter
+fächelte. »Ich hätte ihn gern Kunststücke gelehrt, wenn -- wenn ich nur
+groß genug dazu gewesen wäre! O ja! das hätte ich beinah vergessen, ich
+muß ja machen, daß ich wieder wachse! Laß sehen -- wie fängt man es doch
+an? Ich dächte, ich sollte irgend etwas essen oder trinken; aber die
+Frage ist, was?«
+
+Das war in der That die Frage. Alice blickte um sich nach allen Blumen
+und Grashalmen; aber gar nichts sah aus, als ob es das Rechte sei, das
+sie unter den Umständen essen oder trinken müsse. In der Nähe wuchs ein
+großer Pilz, ungefähr so hoch wie sie; nachdem sie ihn sich von unten,
+von beiden Seiten, rückwärts und vorwärts betrachtet hatte, kam es ihr
+in den Sinn zu sehen, was oben darauf sei. Sie stellte sich also auf die
+Fußspitzen und guckte über den Rand des Pilzes, und sogleich begegnete
+ihr Blick dem einer großen blauen Raupe, die mit kreuzweise gelegten
+Armen da saß und ruhig aus einer großen Huhka rauchte, ohne die
+geringste Notiz von ihr noch sonst irgend Etwas zu nehmen.
+
+
+
+
+[Illustration]
+
+
+
+
+Fünftes Kapitel.
+
+Guter Rath von einer Raupe.
+
+
+Die Raupe und Alice sahen sich eine Zeit lang schweigend an; endlich
+nahm die Raupe die Huhka aus dem Munde und redete sie mit schmachtender,
+langsamer Stimme an. »Wer bist du?« fragte die Raupe.
+
+Das war kein sehr ermuthigender Anfang einer Unterhaltung. Alice
+antwortete, etwas befangen: »Ich -- ich weiß nicht recht, diesen
+Augenblick -- vielmehr ich weiß, wer ich heut früh war, als ich
+aufstand; aber ich glaube, ich muß seitdem ein paar Mal verwechselt
+worden sein.«
+
+»Was meinst du damit?« sagte die Raupe strenge. »Erkläre dich
+deutlicher!«
+
+»Ich kann mich nicht deutlicher erklären, fürchte ich, Raupe,« sagte
+Alice, »weil ich nicht ich bin, sehen Sie wohl?«
+
+»Ich sehe nicht wohl,« sagte die Raupe.
+
+»Ich kann es wirklich nicht besser ausdrücken,« erwiederte Alice sehr
+höflich, »denn ich kann es selbst nicht begreifen; und wenn man an einem
+Tage so oft klein und groß wird, wird man ganz verwirrt.«
+
+»Nein, das wird man nicht,« sagte die Raupe.
+
+»Vielleicht haben Sie es noch nicht versucht,« sagte Alice, »aber wenn
+Sie sich in eine Puppe verwandeln werden, das müssen Sie über kurz oder
+lang wie Sie wissen -- und dann in einen Schmetterling, das wird sich
+doch komisch anfühlen, nicht wahr?«
+
+»Durchaus nicht,« sagte die Raupe.
+
+»Sie fühlen wahrscheinlich anders darin,« sagte Alice; »so viel weiß
+ich, daß es mir sehr komisch sein würde.«
+
+»Dir!« sagte die Raupe verächtlich. »Wer bist _du_ denn?«
+
+Was sie wieder auf den Anfang der Unterhaltung zurückbrachte. Alice war
+etwas ärgerlich, daß die Raupe so sehr kurz angebunden war; sie warf den
+Kopf in die Höhe und sprach sehr ernst: »Ich dächte, Sie sollten mir
+erst sagen, wer _Sie_ sind?«
+
+»Weshalb?« fragte die Raupe.
+
+Das war wieder eine schwierige Frage; und da sich Alice auf keinen guten
+Grund besinnen konnte und die Raupe _sehr_ schlechter Laune zu sein
+schien, so ging sie ihrer Wege.
+
+»Komm zurück!« rief ihr die Raupe nach, »ich habe dir etwas Wichtiges zu
+sagen!«
+
+Das klang sehr einladend; Alice kehrte wieder um und kam zu ihr zurück.
+
+»Sei nicht empfindlich,« sagte die Raupe.
+
+»Ist das Alles?« fragte Alice, ihren Aerger so gut sie konnte
+verbergend.
+
+»Nein,« sagte die Raupe.
+
+Alice dachte, sie wollte doch warten, da sie sonst nichts zu thun habe,
+und vielleicht würde sie ihr etwas sagen, das der Mühe werth sei. Einige
+Minuten lang rauchte die Raupe fort ohne zu reden; aber zuletzt nahm sie
+die Huhka wieder aus dem Munde und sprach: »Du glaubst also, du bist
+verwandelt?«
+
+»Ich fürchte es fast, Raupe,« sagte Alice, »ich kann Sachen nicht
+behalten wie sonst, und ich werde alle zehn Minuten größer oder
+kleiner!«
+
+»Kannst _welche_ Sachen nicht behalten?« fragte die Raupe.
+
+»Ach, ich habe versucht zu sagen: Bei einem Wirthe &c.; aber es kam ganz
+anders!« antwortete Alice in niedergeschlagenem Tone.
+
+»Sage her: Ihr seid alt, Vater Martin,« sagte die Raupe.
+
+Alice faltete die Hände und fing an: --
+
+[Illustration]
+
+ »Ihr seid alt, Vater Martin,« so sprach Junker Tropf,
+ »Euer Haar ist schon lange ganz weiß;
+ Doch steht ihr so gerne noch auf dem Kopf.
+ Macht Euch denn das nicht zu heiß?«
+
+ »Als ich jung war,« der Vater zur Antwort gab,
+ »Da glaubt' ich, für's Hirn sei's nicht gut;
+ Doch seit ich entdeckt, daß ich gar keines hab'
+ So thu' ich's mit fröhlichem Muth.«
+
+[Illustration]
+
+ »Ihr seid alt,« sprach der Sohn, »wie vorhin schon gesagt,
+ Und geworden ein gar dicker Mann;
+ Drum sprecht, wie ihr rücklings den Purzelbaum schlagt.
+ Potz tausend! wie fangt ihr's nur an?«
+
+ »Als ich jung war,« der Alte mit Kopfschütteln sagt',
+ »Da rieb ich die Glieder mir ein
+ Mit der Salbe hier, die sie geschmeidig macht.
+ Für zwei Groschen Courant ist sie dein.«
+
+[Illustration]
+
+ »Ihr seid alt,« sprach der Bub', »und könnt nicht recht kau'n,
+ Und solltet euch nehmen in Acht;
+ Doch aßt ihr die Ganz mit Schnabel und Klau'n;
+ Wie habt ihr das nur gemacht?«
+
+ »Ich war früher Jurist und hab' viel disputirt,
+ Besonders mit meiner Frau;
+ Das hat so mir die Kinnbacken einexercirt,
+ Daß ich jetzt noch mit Leichtigkeit kau!«
+
+[Illustration]
+
+ »Ihr seid alt,« sagte der Sohn, »und habt nicht viel Witz,
+ Und doch seid ihr so geschickt;
+ Balancirt einen Aal auf der Nasenspitz'!
+ Wie ist euch das nur geglückt?«
+
+ »Drei Antworten hast du, und damit genug,
+ Nun laß mich kein Wort mehr hören;
+ Du Guck in die Welt thust so überklug,
+ Ich werde dich Mores lehren!«
+
+»Das ist nicht richtig,« sagte die Raupe.
+
+»Nicht ganz richtig, glaube ich,« sagte Alice schüchtern; »manche Wörter
+sind anders gekommen.«
+
+»Es ist von Anfang bis zu Ende falsch,« sagte die Raupe mit
+Entschiedenheit, worauf eine Pause von einigen Minuten eintrat.
+
+Die Raupe sprach zuerst wieder.
+
+»Wie groß möchtest du gern sein?« fragte sie.
+
+»Oh, es kommt nicht so genau darauf an,« erwiederte Alice schnell; »nur
+das viele Wechseln ist nicht angenehm, nicht wahr?«
+
+»Nein, es ist nicht wahr!« sagte die Raupe.
+
+Alice antwortete nichts; es war ihr im Leben nicht so viel widersprochen
+worden, und sie fühlte, daß sie wieder anfing, empfindlich zu werden.
+
+»Bist du jetzt zufrieden?« sagte die Raupe.
+
+»Etwas größer, Frau Raupe, wäre ich gern, wenn ich bitten darf,« sagte
+Alice; »drei und einen halben Zoll ist gar zu winzig.«
+
+»Es ist eine sehr angenehme Größe, finde ich,« sagte die Raupe zornig
+und richtete sich dabei in die Höhe (sie war gerade drei Zoll hoch).
+
+»Aber ich bin nicht daran gewöhnt!« vertheidigte sich die arme Alice in
+weinerlichem Tone. Bei sich dachte sie: »Ich wünschte, alle diese
+Geschöpfe nähmen nicht Alles gleich übel.«
+
+»Dur wirst es mit der Zeit gewohnt werden,« sagte die Raupe, steckte
+ihre Huhka in den Mund und fing wieder an zu rauchen.
+
+Diesmal wartete Alice geduldig, bis es ihr gefällig wäre zu reden. Nach
+zwei oder drei Minuten nahm die Raupe die Huhka aus dem Munde, gähnte
+ein bis zwei Mal und schüttelte sich. Dann kam sie von dem Pilze
+herunter, kroch in's Gras hinein und bemerkte blos bei'm Weggehen: »Die
+eine Seite macht dich größer, die andere Seite macht dich kleiner.«
+
+»Eine Seite wovon? die andere Seite wovon?« dachte Alice bei sich.
+
+»Von dem Pilz,« sagte die Raupe, gerade als wenn sie laut gefragt hätte;
+und den nächsten Augenblick war sie nicht mehr zu sehen.
+
+Alice blieb ein Weilchen gedankenvoll vor dem Pilze stehen, um ausfindig
+zu machen, welches seine beiden Seiten seien; und da er vollkommen rund
+war, so fand sie die Frage schwierig zu beantworten. Zuletzt aber
+reichte sie mit beiden Armen, so weit sie herum konnte, und brach mit
+jeder Hand etwas vom Rande ab.
+
+»Nun aber, welches ist das rechte?« sprach sie zu sich, und biß ein
+wenig von dem Stück in ihrer rechten Hand ab, um die Wirkung
+auszuprobiren; den nächsten Augenblick fühlte sie einen heftigen Schmerz
+am Kinn, es hatte an ihren Fuß angestoßen!
+
+Ueber diese plötzliche Verwandlung war sie sehr erschrocken, aber da war
+keine Zeit zu verlieren, da sie sehr schnell kleiner wurde; sie machte
+sich also gleich daran, etwas von dem andern Stück zu essen. Ihr Kinn
+war so dicht an ihren Fuß gedrückt, daß ihr kaum Platz genug blieb, den
+Mund aufzumachen; endlich aber gelang es ihr, ein wenig von dem Stück in
+ihrer linken Hand herunter zu schlucken.
+
+ * * * * *
+
+»Ah! endlich ist mein Kopf frei!« rief Alice mit Entzücken, das sich
+jedoch den nächsten Augenblick in Angst verwandelte, da sie merkte, daß
+ihre Schultern nirgends zu finden waren: als sie hinunter sah, konnte
+sie weiter nichts erblicken, als einen ungeheuer langen Hals, der sich
+wie eine Stange aus einem Meer von grünen Blättern erhob, das unter ihr
+lag.
+
+»Was mag all das grüne Zeug sein?« sagte Alice. »Und wo sind meine
+Schultern nur hingekommen? Und ach, meine armen Hände, wie geht es zu,
+daß ich euch nicht sehen kann?« Sie griff bei diesen Worten um sich,
+aber es erfolgte weiter nichts, als eine kleine Bewegung in den
+entfernten grünen Blättern.
+
+Da es ihr nicht gelang, die Hände zu ihrem Kopfe zu erheben, so
+versuchte sie, den Kopf zu ihnen hinunter zu bücken, und fand zu ihrem
+Entzücken, daß sie ihren Hals in allen Richtungen biegen und wenden
+konnte, wie eine Schlange. Sie hatte ihn gerade in ein malerisches
+Zickzack gewunden und wollte eben in das Blättermeer hinunter tauchen,
+das, wie sie sah, durch die Gipfel der Bäume gebildet wurde, unter denen
+sie noch eben herumgewandert war, als ein lautes Rauschen sie plötzlich
+zurückschreckte: eine große Taube kam ihr in's Gesicht geflogen und
+schlug sie heftig mit den Flügeln.
+
+»Schlange!« kreischte die Taube.
+
+»Ich bin _keine_ Schlange!« sagte Alice mit Entrüstung. »Laß mich in
+Ruhe!«
+
+»Schlange sage ich!« wiederholte die Taube, aber mit gedämpfter Stimme,
+und fuhr schluchzend fort: »Alles habe ich versucht, und nichts ist
+ihnen genehm!«
+
+»Ich weiß gar nicht, wovon du redest,« sagte Alice.
+
+»Baumwurzeln habe ich versucht, Flußufer habe ich versucht, Hecken habe
+ich versucht,« sprach die Taube weiter, ohne auf sie zu achten; »aber
+diese Schlangen! Nichts ist ihnen recht!«
+
+Alice verstand immer weniger; aber sie dachte, es sei unnütz etwas zu
+sagen, bis die Taube fertig wäre.
+
+»Als ob es nicht Mühe genug wäre, die Eier auszubrüten,« sagte die
+Taube, »da muß ich noch Tag und Nacht den Schlangen aufpassen! Kein Auge
+habe ich die letzten drei Wochen zugethan!«
+
+»Es thut mir sehr leid, daß du so viel Verdruß gehabt hast,« sagte
+Alice, die zu verstehen anfing, was sie meinte.
+
+»Und gerade da ich mir den höchsten Baum im Walde ausgesucht habe,« fuhr
+die Taube mit erhobener Stimme fort, »und gerade da ich dachte, ich wäre
+sie endlich los, müssen sie sich sogar noch vom Himmel herunterwinden!
+Pfui! Schlange!«
+
+»Aber ich bin _keine_ Schlange, sage ich dir!« rief Alice, »ich bin ein --
+ich bin ein --«
+
+»Nun, was bist du denn?« fragte die Taube. »Ich merke wohl, daß du dir
+etwas ausdenken willst!«
+
+»Ich -- ich bin ein kleines Mädchen,« sagte Alice etwas unsicher, da sie
+an die vielfachen Verwandlungen dachte, die sie den Tag über schon
+durchgemacht hatte.
+
+»Eine schöne Ausrede, wahrhaftig!« sagte die Taube im Tone tiefster
+Verachtung. »Ich habe mein Lebtag genug kleine Mädchen gesehen, aber nie
+eine mit solch einem Hals! Nein, nein! du bist eine Schlange! das kannst
+du nicht abläugnen. Du wirst am Ende noch behaupten, daß du nie ein Ei
+gegessen hast.«
+
+»Ich _habe_ Eier gegessen, freilich,« sagte Alice, die ein sehr
+wahrheitsliebendes Kind war; »aber kleine Mädchen essen Eier eben so gut
+wie Schlangen.«
+
+»Das glaube ich nicht,« sagte die Taube; »wenn sie es aber thun, nun
+dann sind sie eine Art Schlangen, so viel weiß ich.«
+
+Das war etwas so Neues für Alice, daß sie ein Paar Minuten ganz still
+schwieg; die Taube benutzte die Gelegenheit und fuhr fort: »Du suchst
+Eier, das weiß ich nur zu gut, und was kümmert es mich, ob du ein
+kleines Mädchen oder eine Schlange bist?«
+
+»Aber _mich_ kümmert es sehr,« sagte Alice schnell; »übrigens suche ich
+zufällig nicht Eier, und wenn ich es thäte, so würde ich deine nicht
+brauchen können; ich esse sie nicht gern roh.«
+
+»Dann mach', daß du fortkommst!« sagte die Taube verdrießlich, indem sie
+sich in ihrem Nest wieder zurecht setzte. Alice duckte sich unter die
+Bäume so gut sie konnte; denn ihr Hals verwickelte sich fortwährend in
+die Zweige, und mehre Male mußte sie anhalten und ihn losmachen. Nach
+einer Weile fiel es ihr wieder ein, daß sie noch die Stückchen Pilz in
+den Händen hatte, und sie machte sich sorgfältig daran, knabberte bald
+an dem einen, bald an dem andern, und wurde abwechselnd größer und
+kleiner, bis es ihr zuletzt gelang, ihre gewöhnliche Größe zu bekommen.
+
+Es war so lange her, daß sie auch nur ungefähr ihre richtige Höhe gehabt
+hatte, daß es ihr erst ganz komisch vorkam; aber nach einigen Minuten
+hatte sie sich daran gewöhnt und sprach mit sich selbst wie gewöhnlich.
+»Schön, nun ist mein Plan halb ausgeführt! Wie verwirrt man von dem
+vielen Wechseln wird! Ich weiß nie, wie ich den nächsten Augenblick
+sein werde! Doch jetzt habe ich meine richtige Größe: nun kommt es
+darauf an, in den schönen Garten zu gelangen -- wie _kann_ ich das
+anstellen? das möchte ich wissen!« Wie sie dies sagte, kam sie in eine
+Lichtung mit einem Häuschen in der Mitte, ungefähr vier Fuß hoch. »Wer
+auch darin wohnen mag, es geht nicht an, daß ich so groß wie ich jetzt
+bin hineingehe: sie würden vor Angst nicht wissen wohin!« Also knabberte
+sie wieder an dem Stückchen in der rechten Hand, und wagte sich nicht an
+das Häuschen heran, bis sie sich auf neun Zoll herunter gebracht hatte.
+
+
+
+
+Sechstes Kapitel.
+
+Ferkel und Pfeffer.
+
+
+Noch ein bis zwei Augenblicke stand sie und sah das Häuschen an, ohne
+recht zu wissen was sie nun thun solle, als plötzlich ein Lackei in
+Livree vom Walde her gelaufen kam -- (sie hielt ihn für einen Lackeien,
+weil er Livree trug, sonst, nach seinem Gesichte zu urtheilen, würde sie
+ihn für einen Fisch angesehen haben) -- und mit den Knöcheln laut an die
+Thür klopfte. Sie wurde von einem andern Lackeien in Livree geöffnet,
+der ein rundes Gesicht und große Augen wie ein Frosch hatte, und beide
+Lackeien hatten, wie Alice bemerkte, gepuderte Lockenperücken über den
+ganzen Kopf. Sie war sehr neugierig, was nun geschehen würde, und
+schlich sich etwas näher, um zuzuhören.
+
+[Illustration]
+
+Der Fisch-Lackei fing damit an, einen ungeheuren Brief, beinah so groß
+wie er selbst, unter dem Arme hervorzuziehen; diesen überreichte er dem
+anderen, in feierlichem Tone sprechend: »Für die Herzogin. Eine
+Einladung von der Königin, Croquet zu spielen.« Der Frosch-Lackei
+erwiederte in demselben feierlichen Tone, indem er nur die
+Aufeinanderfolge der Wörter etwas veränderte: »Von der Königin. Eine
+Einladung für die Herzogin, Croquet zu spielen.«
+
+Dann verbeugten sich Beide tief, und ihre Locken verwickelten sich in
+einander.
+
+Darüber lachte Alice so laut, daß sie in das Gebüsch zurücklaufen mußte,
+aus Furcht, sie möchten sie hören, und als sie wieder herausguckte, war
+der Fisch-Lackei fort, und der andere saß auf dem Boden bei der Thür und
+sah dumm in den Himmel hinauf.
+
+Alice ging furchtsam auf die Thür zu und klopfte.
+
+»Es ist durchaus unnütz, zu klopfen,« sagte der Lackei, »und das wegen
+zweier Gründe. Erstens weil ich an derselben Seite von der Thür bin wie
+du, zweitens, weil sie drinnen einen solchen Lärm machen, daß man dich
+unmöglich hören kann.« Und wirklich war ein ganz merkwürdiger Lärm
+drinnen, ein fortwährendes Heulen und Niesen, und von Zeit zu Zeit ein
+lautes Krachen, als ob eine Schüssel oder ein Kessel zerbrochen wäre.
+
+»Bitte,« sagte Alice, »wie soll ich denn hineinkommen?«
+
+»Es wäre etwas Sinn und Verstand darin, anzuklopfen,« fuhr der Lackei
+fort, ohne auf sie zu hören, »wenn wir die Thür zwischen uns hätten. Zum
+Beispiel, wenn du drinnen wärest, könntest du klopfen, und ich könnte
+dich herauslassen, nicht wahr?« Er sah die ganze Zeit über, während er
+sprach, in den Himmel hinauf, was Alice entschieden sehr unhöflich fand.
+»Aber vielleicht kann er nicht dafür,« sagte sie bei sich; »seine Augen
+sind so hoch oben auf seiner Stirn. Aber jedenfalls könnte er mir
+antworten. -- Wie soll ich denn hineinkommen?« wiederholte sie laut.
+
+»Ich werde hier sitzen,« sagte der Lackei, »bis morgen --«
+
+In diesem Augenblicke ging die Thür auf, und ein großer Teller kam
+heraus geflogen, gerade auf den Kopf des Lackeien los; er strich aber
+über seine Nase hin und brach an einem der dahinterstehenden Bäume in
+Stücke.
+
+»-- oder übermorgen, vielleicht,« sprach der Lackei in demselben Tone
+fort, als ob nichts vorgefallen wäre.
+
+»Wie soll ich denn hineinkommen?« fragte Alice wieder, lauter als
+vorher.
+
+»Sollst du überhaupt hineinkommen?« sagte der Lackei. »Das ist die erste
+Frage, nicht wahr?«
+
+Das war es allerdings; nur ließ sich Alice das nicht gern sagen. »Es ist
+wirklich schrecklich,« murmelte sie vor sich hin, »wie naseweis alle
+diese Geschöpfe sind. Es könnte Einen ganz verdreht machen!«
+
+Der Lackei schien dies für eine gute Gelegenheit anzusehen, seine
+Bemerkung zu wiederholen, und zwar mit Variationen. »Ich werde hier
+sitzen,« sagte er, »ab und an, Tage und Tage lang.«
+
+»Was soll _ich_ aber thun?« fragte Alice.
+
+»Was dir gefällig ist,« sagte der Lackei, und fing an zu pfeifen.
+
+»Es hilft zu nichts, mit ihm zu reden,« sagte Alice außer sich, »er ist
+vollkommen blödsinnig!« Sie klinkte die Thür auf und ging hinein.
+
+Die Thür führte geradewegs in eine große Küche, welche von einem Ende
+bis zum andern voller Rauch war; in der Mitte saß auf einem dreibeinigen
+Schemel die Herzogin, mit einem Wickelkinde auf dem Schoße; die Köchin
+stand über das Feuer gebückt und rührte in einer großen Kasserole, die
+voll Suppe zu sein schien.
+
+»In der Suppe ist gewiß zu viel Pfeffer!« sprach Alice für sich, so gut
+sie vor Niesen konnte.
+
+Es war wenigstens zu viel in der Luft. Sogar die Herzogin nieste hin und
+wieder; was das Wickelkind anbelangt, so nieste und schrie es
+abwechselnd ohne die geringste Unterbrechung. Die beiden einzigen Wesen
+in der Küche, die nicht niesten, waren die Köchin und eine große Katze,
+die vor dem Herde saß und grinste, sodaß die Mundwinkel bis an die Ohren
+reichten.
+
+[Illustration]
+
+»Wollen Sie mir gütigst sagen,« fragte Alice etwas furchtsam, denn sie
+wußte nicht recht, ob es sich für sie schicke zuerst zu sprechen, »warum
+Ihre Katze so grinst?«
+
+»Es ist eine Grinse-Katze,« sagte die Herzogin, »darum! Ferkel!«
+
+Das letzte Wort sagte sie mit solcher Heftigkeit, daß Alice auffuhr;
+aber den nächsten Augenblick sah sie, daß es dem Wickelkinde galt, nicht
+ihr; sie faßte also Muth und redete weiter: --
+
+»Ich wußte nicht, daß Katzen manchmal grinsen; ja ich wußte nicht, daß
+Katzen überhaupt grinsen _können_.«
+
+»Sie können es alle,« sagte die Herzogin, »und die meisten thun es.«
+
+»Ich kenne keine, die es thut,« sagte Alice sehr höflich, da sie ganz
+froh war, eine Unterhaltung angeknüpft haben.
+
+»Du kennst noch nicht viel,« sagte die Herzogin, »und das ist die
+Wahrheit.«
+
+Alice gefiel diese Bemerkung gar nicht, und sie dachte daran, welchen
+andern Gegenstand der Unterhaltung sie einführen könnte. Während sie
+sich auf etwas Passendes besann, nahm die Köchin die Kasserole mit Suppe
+vom Feuer und fing sogleich an, Alles was sie erreichen konnte nach der
+Herzogin und dem Kinde zu werfen -- die Feuerzange kam zuerst, dann
+folgte ein Hagel von Pfannen, Tellern und Schüsseln. Die Herzogin
+beachtete sie gar nicht, auch wenn sie sie trafen; und das Kind heulte
+schon so laut, daß es unmöglich war zu wissen, ob die Stöße ihm weh
+thaten oder nicht.
+
+»Oh, bitte, nehmen Sie sich in Acht, was Sie thun!« rief Alice, die in
+wahrer Herzensangst hin und her sprang. »Oh, seine liebe kleine Nase!«
+als eine besonders große Pfanne dicht daran vorbeifuhr und sie beinah
+abstieß.
+
+»Wenn Jeder nur vor seiner Thür fegen wollte,« brummte die Herzogin mit
+heiserer Stimme, »würde die Welt sich bedeutend schneller drehen, als
+jetzt.«
+
+»Was kein Vortheil wäre,« sprach Alice, die sich über die Gelegenheit
+freute, ihre Kenntnisse zu zeigen. »Denken Sie nur, wie es Tag und Nacht
+in Unordnung bringen würde! Die Erde braucht doch jetzt vier und zwanzig
+Stunden, sich um ihre Achse zu drehen --«
+
+»Was, du redest von Axt?« sagte die Herzogin, »Hau' ihr den Kopf ab!«
+
+Alice sah sich sehr erschrocken nach der Köchin um, ob sie den Wink
+verstehen würde; aber die Köchin rührte die Suppe unverwandt und schien
+nicht zuzuhören, daher fuhr sie fort: »Vier und zwanzig Stunden, glaube
+ich; oder sind es zwölf? Ich --«
+
+»Ach, laß mich in Frieden,« sagte die Herzogin, »ich habe Zahlen nie
+ausstehen können!« Und damit fing sie an, ihr Kind zu warten und eine
+Art Wiegenlied dazu zu singen, wovon jede Reihe mit einem derben Puffe
+für das Kind endigte: --
+
+ »Schilt deinen kleinen Jungen aus,
+ Und schlag' ihn, wenn er niest;
+ Er macht es gar so bunt und kraus,
+ Nur weil es uns verdrießt.«
+
+_Chor_
+
+(in welchen die Köchin und das Wickelkind einfielen).
+
+ »Wau! wau! wau!«
+
+Während die Herzogin den zweiten Vers des Liedes sang, schaukelte sie
+das Kind so heftig auf und nieder, und das arme kleine Ding schrie so,
+daß Alice kaum die Worte verstehen konnte: --
+
+ »Ich schelte meinen kleinen Wicht,
+ Und schlag' ihn, wenn er niest;
+ Ich weiß, wie gern er Pfeffer riecht,
+ Wenn's ihm gefällig ist.«
+
+_Chor._
+
+ »Wau! wau! wau!«
+
+»Hier! du kannst ihn ein Weilchen warten, wenn du willst!« sagte die
+Herzogin zu Alice, indem sie ihr das Kind zuwarf. »Ich muß mich zurecht
+machen, um mit der Königin Croquet zu spielen,« damit rannte sie aus dem
+Zimmer. Die Köchin warf ihr eine Bratpfanne nach; aber sie verfehlte sie
+noch eben.
+
+Alice hatte das Kind mit Mühe und Noth aufgefangen, da es ein kleines
+unförmliches Wesen war, das seine Arme und Beinchen nach allen Seiten
+ausstreckte, »gerade wie ein Seestern,« dachte Alice. Das arme kleine
+Ding stöhnte wie eine Locomotive, als sie es fing, und zog sich zusammen
+und streckte sich wieder aus, so daß sie es die ersten Paar Minuten nur
+eben halten konnte.
+
+Sobald sie aber die rechte Art entdeckt hatte, wie man es tragen mußte
+(die darin bestand, es zu einer Art Knoten zu drehen, und es dann fest
+beim rechten Ohr und linken Fuß zu fassen, damit es sich nicht wieder
+aufwickeln konnte), brachte sie es in's Freie. »Wenn ich dies Kind nicht
+mit mir nehme,« dachte Alice, »so werden sie es in wenigen Tagen
+umgebracht haben; wäre es nicht Mord, es da zu lassen?« Sie sprach die
+letzten Worte laut, und das kleine Geschöpf grunzte zur Antwort (es
+hatte mittlerweile aufgehört zu niesen). »Grunze nicht,« sagte Alice;
+»es paßt sich gar nicht für dich, dich so auszudrücken.«
+
+Der Junge grunzte wieder, so daß Alice ihm ganz ängstlich in's Gesicht
+sah, was ihm eigentlich fehle. Er hatte ohne Zweifel eine _sehr_
+hervorstehende Nase, eher eine Schnauze als eine wirkliche Nase; auch
+seine Augen wurden entsetzlich klein für einen kleinen Jungen: Alles
+zusammen genommen, gefiel Alice das Aussehen des Kindes gar nicht. »Aber
+vielleicht hat es nur geweint,« dachte sie und sah ihm wieder in die
+Augen, ob Thränen da seien.
+
+Nein, es waren keine Thränen da. »Wenn du ein kleines Ferkel wirst, höre
+mal,« sagte Alice sehr ernst, »so will ich nichts mehr mit dir zu
+schaffen haben, das merke dir!« Das arme kleine Ding schluchzte (oder
+grunzte, es war unmöglich, es zu unterscheiden), und dann gingen sie
+eine Weile stillschweigend weiter.
+
+Alice fing eben an, sich zu überlegen: »Nun, was soll ich mit diesem
+Geschöpf anfangen, wenn ich es mit nach Hause bringe?« als es wieder
+grunzte, so laut, daß Alice erschrocken nach ihm hinsah. Diesmal konnte
+sie sich nicht mehr irren: es war nichts mehr oder weniger als ein
+Ferkel, und sie sah, daß es höchst lächerlich für sie wäre, es noch
+weiter zu tragen.
+
+Sie setzte also das kleine Ding hin und war ganz froh, als sie es ruhig
+in den Wald traben sah. »Das wäre in einigen Jahren ein furchtbar
+häßliches Kind geworden; aber als Ferkel macht es sich recht nett, finde
+ich.« Und so dachte sie alle Kinder durch, die sie kannte, die gute
+kleine Ferkel abgeben würden, und sagte gerade für sich: »wenn man nur
+die rechten Mittel wüßte, sie zu verwandeln --« als sie einen Schreck
+bekam; die Grinse-Katze saß nämlich wenige Fuß von ihr auf einem
+Baumzweige.
+
+[Illustration]
+
+Die Katze grinste nur, als sie Alice sah. »Sie sieht gutmüthig aus,«
+dachte diese; aber doch hatte sie _sehr_ lange Krallen und eine Menge
+Zähne. Alice fühlte wohl, daß sie sie rücksichtsvoll behandeln müsse.
+
+»Grinse-Mies,« fing sie etwas ängstlich an, da sie nicht wußte, ob ihr
+der Name gefallen würde: jedoch grinste sie noch etwas breiter. »Schön,
+so weit gefällt es ihr,« dachte Alice und sprach weiter: »willst du mir
+wohl sagen, wenn ich bitten darf, welchen Weg ich hier nehmen muß?«
+
+»Das hängt zum guten Theil davon ab, wohin du gehen willst,« sagte die
+Katze.
+
+»Es kommt mir nicht darauf an, wohin --« sagte Alice.
+
+»Dann kommt es auch nicht darauf an, welchen Weg du nimmst,« sagte die
+Katze.
+
+»-- wenn ich nur _irgendwo_ hinkomme,« fügte Alice als Erklärung hinzu.
+
+»O, das wirst du ganz gewiß,« sagte die Katze, »wenn du nur lange genug
+gehest.«
+
+Alice sah, daß sie nichts dagegen einwenden konnte; sie versuchte daher
+eine andere Frage. »Was für Art Leute wohnen hier in der Nähe?«
+
+»In _der_ Richtung,« sagte die Katze, die rechte Pfote schwenkend, »wohnt
+ein Hutmacher, und in jener Richtung,« die andere Pfote schwenkend,
+»wohnt ein Faselhase. Besuche welchen du willst: sie sind beide toll.«
+
+»Aber ich mag nicht zu tollen Leuten gehen,« bemerkte Alice.
+
+[Illustration]
+
+»Oh, das kannst du nicht ändern,« sagte die Katze: »wir sind alle toll
+hier. Ich bin toll. Du bist toll.«
+
+»Woher weißt du, daß ich toll bin?« fragte Alice.
+
+»Du mußt es sein,« sagte die Katze, »sonst wärest du nicht hergekommen.«
+
+Alice fand durchaus nicht, daß das ein Beweis sei; sie fragte jedoch
+weiter: »Und woher weißt du, daß du toll bist?«
+
+»Zu allererst,« sagte die Katze, »ein Hund ist nicht toll. Das giebst du
+zu?«
+
+»Zugestanden!« sagte Alice.
+
+»Nun, gut,« fuhr die Katze fort, »nicht wahr ein Hund knurrt, wenn er
+böse ist, und wedelt mit dem Schwanze, wenn er sich freut. Ich hingegen
+knurre, wenn ich mich freue, und wedle mit dem Schwanze, wenn ich
+ärgerlich bin. Daher bin ich toll.«
+
+»Ich nenne es spinnen, nicht knurren,« sagte Alice.
+
+»Nenne es, wie du willst,« sagte die Katze. »Spielst du heut Croquet mit
+der Königin?«
+
+»Ich möchte es sehr gern,« sagte Alice, »aber ich bin noch nicht
+eingeladen worden.«
+
+»Du wirst mich dort sehen,« sagte die Katze und verschwand.
+
+Alice wunderte sich nicht sehr darüber; sie war so daran gewöhnt, daß
+sonderbare Dinge geschahen. Während sie noch nach der Stelle hinsah, wo
+die Katze gesessen hatte, erschien sie plötzlich wieder.
+
+»Uebrigens, was ist aus dem Jungen geworden?« sagte die Katze. »Ich
+hätte beinah vergessen zu fragen.«
+
+[Illustration]
+
+»Er ist ein Ferkel geworden,« antwortete Alice sehr ruhig, gerade wie
+wenn die Katze auf gewöhnliche Weise zurückgekommen wäre.
+
+»Das dachte ich wohl,« sagte die Katze und verschwand wieder.
+
+Alice wartete noch etwas, halb und halb erwartend, sie wieder erscheinen
+zu sehen; aber sie kam nicht, und ein Paar Minuten nachher ging sie in
+der Richtung fort, wo der Faselhase wohnen sollte. »Hutmacher habe ich
+schon gesehen,« sprach sie zu sich, »der Faselhase wird viel
+interessanter sein.« Wie sie so sprach, blickte sie auf, und da saß die
+Katze wieder auf einem Baumzweige. »Sagtest du Ferkel oder Fächer?«
+fragte sie. »Ich sagte Ferkel,« antwortete Alice, »und es wäre mir sehr
+lieb, wenn du nicht immer so schnell erscheinen und verschwinden
+wolltest: du machst Einen ganz schwindlig.«
+
+»Schon gut,« sagte die Katze, und diesmal verschwand sie ganz langsam,
+wobei sie mit der Schwanzspitze anfing und mit dem Grinsen aufhörte, das
+noch einige Zeit sichtbar blieb, nachdem das Uebrige verschwunden war.
+
+»Oho, ich habe oft eine Katze ohne Grinsen gesehen,« dachte Alice, »aber
+ein Grinsen ohne Katze! so etwas Merkwürdiges habe ich in meinem Leben
+noch nicht gesehen!«
+
+Sie brauchte nicht weit zu gehen, so erblickte sie das Haus des
+Faselhasen; sie dachte, es müsse das rechte Haus sein, weil die
+Schornsteine wie Ohren geformt waren, und das Dach war mit Pelz gedeckt.
+Es war ein so großes Haus, daß, ehe sie sich näher heran wagte, sie ein
+wenig von dem Stück Pilz in ihrer linken Hand abknabberte, und sich bis
+auf zwei Fuß hoch brachte: trotzdem näherte sie sich etwas furchtsam,
+für sich sprechend: »Wenn er nur nicht ganz rasend ist! Wäre ich doch
+lieber zu dem Hutmacher gegangen!«
+
+
+
+
+Siebentes Kapitel.
+
+Die tolle Theegesellschaft.
+
+
+Vor dem Hause stand ein gedeckter Theetisch, an welchem der Faselhase
+und der Hutmacher saßen; ein Murmelthier saß zwischen ihnen, fest
+eingeschlafen, und die beiden Andern benutzten es als Kissen, um ihre
+Ellbogen darauf zu stützen, und redeten über seinem Kopfe mit einander.
+»Sehr unbequem für das Murmelthier,« dachte Alice; »nun, da es schläft,
+wird es sich wohl nichts daraus machen.«
+
+Der Tisch war groß, aber die Drei saßen dicht zusammengedrängt an einer
+Ecke: »Kein Platz! Kein Platz!« riefen sie aus, sobald sie Alice kommen
+sahen. »Ueber und über genug Platz!« sagte Alice unwillig und setzte
+sich in einen großen Armstuhl am Ende des Tisches.
+
+»Ist dir etwas Wein gefällig?« nöthigte sie der Faselhase.
+
+Alice sah sich auf dem ganzen Tische um, aber es war nichts als Thee
+darauf. »Ich sehe keinen Wein,« bemerkte sie.
+
+»Es ist keiner hier,« sagte der Faselhase.
+
+»Dann war es gar nicht höflich von dir, mir welchen anzubieten,« sagte
+Alice ärgerlich.
+
+»Es war gar nicht höflich von dir, dich ungebeten herzusetzen,« sagte
+der Faselhase.
+
+»Ich wußte nicht, das es _dein_ Tisch ist; er ist für viel mehr als drei
+gedeckt.«
+
+»Dein Haar muß verschnitten werden,« sagte der Hutmacher. Er hatte Alice
+eine Zeit lang mit großer Neugierde angesehen, und dies waren seine
+ersten Worte.
+
+»Du solltest keine persönlichen Bemerkungen machen,« sagte Alice mit
+einer gewissen Strenge, »es ist sehr grob.«
+
+Der Hutmacher riß die Augen weit auf, als er dies hörte; aber er sagte
+weiter nichts als: »Warum ist ein Rabe wie ein Reitersmann?«
+
+»Ei, jetzt wird es Spaß geben,« dachte Alice. »Ich bin so froh, daß sie
+anfangen Räthsel aufzugeben -- Ich glaube, das kann ich rathen,« fuhr sie
+laut fort.
+
+[Illustration]
+
+»Meinst du, daß du die Antwort dazu finden kannst?« fragte der
+Faselhase.
+
+»Ja, natürlich,« sagte Alice.
+
+»Dann solltest du sagen, was du meinst,« sprach der Hase weiter.
+
+»Das thue ich ja,« warf Alice schnell ein, »wenigstens -- wenigstens
+meine ich, was ich sage -- und das ist dasselbe.«
+
+»Nicht im Geringsten dasselbe!« sagte der Hutmacher. »Wie, du könntest
+eben so gut behaupten, daß »ich sehe, was ich esse« dasselbe ist wie
+»ich esse, was ich sehe.«
+
+»Du könntest auch behaupten,« fügte der Faselhase hinzu, »ich mag, was
+ich kriege« sei dasselbe wie »ich kriege, was ich mag!«
+
+»Du könntest eben so gut behaupten,« fiel das Murmelthier ein, das im
+Schlafe zu sprechen schien, »ich athme, wenn ich schlafe« sei dasselbe
+wie »ich schlafe, wenn ich athme!«
+
+»Es _ist_ dasselbe bei dir,« sagte der Hutmacher, und damit endigte die
+Unterhaltung, und die Gesellschaft saß einige Minuten schweigend,
+während Alice Alles durchdachte, was sie je von Raben und Reitersmännern
+gehört hatte, und das war nicht viel.
+
+Der Hutmacher brach das Schweigen zuerst. »Den wievielsten haben wir
+heute?« sagte er, sich an Alice wendend; er hatte seine Uhr aus der
+Tasche genommen, sah sie unruhig an, schüttelte sie hin und her und
+hielt sie an's Ohr.
+
+Alice besann sich ein wenig und sagte: »Den vierten.«
+
+»Zwei Tage falsch!« seufzte der Hutmacher. »Ich sagte dir ja, daß Butter
+das Werk verderben würde,« setzte er hinzu, indem er den Hasen ärgerlich
+ansah.
+
+»Es war die beste Butter,« sagte der Faselhase demüthig.
+
+»Ja, aber es muß etwas Krume mit hinein gerathen sein,« brummte der
+Hutmacher; »du hättest sie nicht mit dem Brodmesser hinein thun sollen.«
+
+Der Faselhase nahm die Uhr und betrachtete sie trübselig; dann tunkte er
+sie in seine Tasse Thee und betrachtete sie wieder, aber es fiel ihm
+nichts Besseres ein, als seine erste Bemerkung: »Es war wirklich die
+beste Butter.«
+
+Alice hatte ihm neugierig über die Schulter gesehen. »Was für eine
+komische Uhr!« sagte sie. »Sie zeigt das Datum, und nicht wie viel Uhr
+es ist!«
+
+»Warum sollte sie?« brummte der Hase; »zeigt deine Uhr, welches Jahr es
+ist?«
+
+»Natürlich nicht,« antwortete Alice schnell, »weil es so lange
+hintereinander dasselbe Jahr bleibt.«
+
+»Und so ist es gerade mit meiner,« sagte der Hutmacher.
+
+Alice war ganz verwirrt. Die Erklärung des Hutmachers schien ihr gar
+keinen Sinn zu haben, und doch waren es deutlich gesprochne Worte. »Ich
+verstehe dich nicht ganz,« sagte sie, so höflich sie konnte.
+
+»Das Murmelthier schläft schon wieder,« sagte der Hutmacher, und goß ihm
+etwas heißen Thee auf die Nase.
+
+Das Murmelthier schüttelte ungeduldig den Kopf und sagte, ohne die Augen
+aufzuthun: »Freilich, freilich, das wollte ich eben auch bemerken.«
+
+»Hast du das Räthsel schon gerathen?« wandte sich der Hutmacher an
+Alice.
+
+»Nein, ich gebe es auf,« antwortete Alice; »was ist die Antwort?«
+
+»Davon habe ich nicht die leiseste Ahnung,« sagte der Hutmacher.
+
+»Ich auch nicht,« sagte der Faselhase.
+
+Alice seufzte verstimmt. »Ich dächte, ihr könntet die Zeit besser
+anwenden,« sagte sie, »als mit Räthseln, die keine Auflösung haben.«
+
+»Wenn du die Zeit so gut kenntest wie ich,« sagte der Hutmacher,
+»würdest du nicht davon reden, wie wir sie anwenden, sondern wie sie uns
+anwendet.«
+
+»Ich weiß nicht, was du meinst,« sagte Alice.
+
+»Natürlich kannst du das nicht wissen!« sagte der Hutmacher, indem er
+den Kopf verächtlich in die Höhe warf. »Du hast wahrscheinlich nie mit
+der Zeit gesprochen.«
+
+»Ich glaube kaum,« erwiederte Alice vorsichtig; »aber Mama sagte
+gestern, ich sollte zu meiner kleinen Schwester gehen und ihr die Zeit
+vertreiben.«
+
+»So? das wird sie dir schön übel genommen haben; sie läßt sich nicht
+gern vertreiben. Aber wenn man gut mit ihr steht, so thut sie Einem
+beinah Alles zu Gefallen mit der Uhr. Zum Beispiel, nimm den Fall, es
+wäre 9 Uhr Morgens, gerade Zeit, deine Stunden anzufangen, du brauchtest
+der Zeit nur den kleinsten Wink zu geben, schnurr! geht die Uhr herum,
+ehe du dich's versiehst! halb Zwei, Essenszeit!«
+
+(»Ich wünschte, das wäre es!« sagte der Faselhase leise für sich.)
+
+»Das wäre wirklich famos,« sagte Alice gedankenvoll, »aber dann würde
+ich nicht hungrig genug sein, nicht wahr?«
+
+»Zuerst vielleicht nicht,« antwortete der Hutmacher, »aber es würde so
+lange halb Zwei bleiben, wie du wolltest.«
+
+»So macht ihr es wohl hier?« fragte Alice.
+
+Der Hutmacher schüttelte traurig den Kopf. »Ich nicht!« sprach er. »Wir
+haben uns vorige Ostern entzweit -- kurz ehe er toll wurde, du weißt
+doch (mit seinem Theelöffel auf den Faselhasen zeigend) -- es war in dem
+großen Concert, das die Coeur-Königin gab; ich mußte singen:
+
+[Illustration]
+
+ »O Papagei, o Papagei!
+ Wie grün sind deine Federn!«
+
+Vielleicht kennst du das Lied?«
+
+»Ich habe etwas dergleichen gehört,« sage Alice.
+
+»Es geht weiter,« fuhr der Hutmacher fort:
+
+ »Du grünst nicht nur zur Friedenszeit,
+ Auch wenn es Teller und Töpfe schneit.
+ O Papagei, o Papagei --«
+
+Hier schüttelte sich das Murmelthier und fing an im Schlaf zu singen: »O
+Papagei, o Mamagei, o Papagei, o Mamagei --« in einem fort, so daß sie
+es zuletzt kneifen mußten, damit es nur aufhöre.
+
+»Denke dir, ich hatte kaum den ersten Vers fertig,« sagte der Hutmacher,
+»als die Königin ausrief: Abscheulich! der Mensch schlägt geradezu die
+Zeit todt mit seinem Geplärre. Aufgehängt soll er werden!«
+
+»Wie furchtbar grausam!« rief Alice.
+
+»Und seitdem,« sprach der Hutmacher traurig weiter, »hat sie mir nie
+etwas zu Gefallen thun wollen, die Zeit! Es ist nun immer sechs Uhr!«
+
+Dies brachte Alice auf einen klugen Gedanken. »Darum sind wohl so viele
+Tassen hier herumgestellt?« fragte sie.
+
+»Ja, darum,« sagte der Hutmacher mit einem Seufzer, »es ist immer
+Theestunde, und wir haben keine Zeit, die Tassen dazwischen
+aufzuwaschen.«
+
+»Dann rückt ihr wohl herum?« sagte Alice.
+
+»So ist es,« sagte der Hutmacher, »wenn die Tassen genug gebraucht
+sind.«
+
+»Aber wenn ihr wieder an den Anfang kommt?« unterstand sich Alice zu
+fragen.
+
+»Wir wollen jetzt von etwas Anderem reden,« unterbrach sie der Faselhase
+gähnend, »dieser Gegenstand ist mir nachgerade langweilig. Ich schlage
+vor, die junge Dame erzählt eine Geschichte.«
+
+»O, ich weiß leider keine,« rief Alice, ganz bestürzt über diese
+Zumuthung.
+
+»Dann soll das Murmelthier erzählen!« riefen beide; »wache auf,
+Murmelthier!« dabei kniffen sie es von beiden Seiten zugleich.
+
+Das Murmelthier machte langsam die Augen auf. »Ich habe nicht
+geschlafen,« sagte es mit heiserer, schwacher Stimme, »ich habe jedes
+Wort gehört, das ihr Jungen gesagt habt.«
+
+»Erzähle uns eine Geschichte!« sagte der Faselhase.
+
+»Ach ja, sei so gut!« bat Alice.
+
+»Und mach schnell,« fügte der Hutmacher hinzu, »sonst schläfst du ein,
+ehe sie zu Ende ist.«
+
+»Es waren einmal drei kleine Schwestern,« fing das Murmelthier eilig an,
+»die hießen Else, Lacie und Tillie, und sie lebten tief unten in einem
+Brunnen --«
+
+»Wovon lebten sie?« fragte Alice, die sich immer für Essen und Trinken
+sehr interessirte.
+
+»Sie lebten von Syrup,« versetzte das Murmelthier, nachdem es sich eine
+Minute besonnen hatte.
+
+»Das konnten sie ja aber nicht,« bemerkte Alice schüchtern, »da wären
+sie ja krank geworden.«
+
+»Das wurden sie auch,« sagte das Murmelthier, »sehr krank.«
+
+Alice versuchte es sich vorzustellen, wie eine so außergewöhnliche Art
+zu leben wohl sein möchte; aber es kam ihr zu kurios vor, sie mußte
+wieder fragen: »Aber warum lebten sie unten in dem Brunnen?«
+
+»Willst du nicht ein wenig mehr Thee?« sagte der Faselhase sehr
+ernsthaft zu Alice.
+
+»Ein wenig mehr? ich habe noch keinen gehabt,« antwortete Alice etwas
+empfindlich, »also kann ich nicht noch _mehr_ trinken.«
+
+»Du meinst, du kannst nicht _weniger_ trinken,« sagte der Hutmacher: »es
+ist sehr leicht, _mehr_ als keinen zu trinken.«
+
+»Niemand hat dich um deine Meinung gefragt,« sagte Alice.
+
+»Wer macht denn nun persönliche Bemerkungen?« rief der Hutmacher
+triumphirend.
+
+Alice wußte nicht recht, was sie darauf antworten sollte; sie nahm sich
+daher etwas Thee und Butterbrot, und dann wandte sie sich an das
+Murmelthier und wiederholte ihre Frage: »Warum lebten sie in einem
+Brunnen?«
+
+Das Murmelthier besann sich einen Augenblick und sagte dann: »Es war ein
+Syrup-Brunnen.«
+
+»Den giebt es nicht!« fing Alice sehr ärgerlich an; aber der Hutmacher
+und Faselhase machten beide: »Sch, sch!« und das Murmelthier bemerkte
+brummend: »Wenn du nicht höflich sein kannst, kannst du die Geschichte
+selber auserzählen.«
+
+»Nein, bitte, erzähle weiter!« sagte Alice ganz bescheiden; »ich will
+dich nicht wieder unterbrechen. Es wird wohl _einen_ geben.«
+
+»_Einen_, wirklich!« sagte das Murmelthier entrüstet. Doch ließ es sich
+zum Weitererzählen bewegen. »Also die drei kleinen Schwestern -- sie
+lernten zeichnen, müßt ihr wissen --«
+
+»Was zeichneten sie?« sagte Alice, ihr Versprechen ganz vergessend.
+
+»Syrup,« sagte das Murmelthier, diesmal ganz ohne zu überlegen.
+
+»Ich brauche eine reine Tasse,« unterbrach der Hutmacher, »wir wollen
+Alle einen Platz rücken.«
+
+Er rückte, wie er das sagte, und das Murmelthier folgte ihm; der
+Faselhase rückte an den Platz des Murmelthiers, und Alice nahm, obgleich
+etwas ungern, den Platz des Faselhasen ein. Der Hutmacher war der
+Einzige, der Vortheil von diesem Wechsel hatte, und Alice hatte es viel
+schlimmer als zuvor, da der Faselhase eben den Milchtopf über seinen
+Teller umgestoßen hatte.
+
+Alice wollte das Murmelthier nicht wieder beleidigen und fing daher sehr
+vorsichtig an: »Aber ich verstehe nicht. Wie konnten sie den Syrup
+zeichnen?«
+
+»Als ob nicht aller Syrup gezeichnet wäre, den man vom Kaufmann holt,«
+sagte der Hutmacher; »hast du nicht immer darauf gesehen: feinste
+Qualität, allerfeinste Qualität, superfeine Qualität -- oh, du kleiner
+Dummkopf?«
+
+»Wie gesagt,« fuhr das Murmelthier fort, »lernten sie zeichnen;« hier
+gähnte es und rieb sich die Augen, denn es fing an, sehr schläfrig zu
+werden; »und sie zeichneten Allerlei -- Alles was mit M. anfängt --«
+
+»Warum mit M?« fragte Alice.
+
+»Warum nicht?« sagte der Faselhase.
+
+Alice war still.
+
+Das Murmelthier hatte mittlerweile die Augen zugemacht, und war halb
+eingeschlafen; da aber der Hutmacher es zwickte, wachte es mit einem
+leisen Schrei auf und sprach weiter: -- »was mit M anfängt, wie
+Mausefallen, den Mond, Mangel und manches Mal -- ihr wißt, man sagt: ich
+habe das _manches liebe_ Mal gethan -- hast du je manches liebe _Mal_
+gezeichnet gesehen?«
+
+»Wirklich, da du mich selbst fragst,« sagte Alice ganz verwirrt, »ich
+denke kaum --«
+
+»Dann solltest du auch nicht reden,« sagte der Hutmacher.
+
+Dies war nachgerade zu grob für Alice: sie stand ganz beleidigt auf und
+ging fort; das Murmelthier schlief augenblicklich wieder ein, und die
+beiden Andern beachteten ihr Fortgehen nicht, obgleich sie sich ein paar
+Mal umsah, halb in der Hoffnung, daß sie sie zurückrufen würden. Als sie
+sie zuletzt sah, versuchten sie das Murmelthier in die Theekanne zu
+stecken.
+
+»Auf keinen Fall will ich _da_ je wieder hingehen!« sagte Alice, während
+sie sich einen Weg durch den Wald suchte. »Es ist die dümmste
+Theegesellschaft, in der ich in meinem ganzen Leben war!«
+
+[Illustration]
+
+Gerade wie sie so sprach, bemerkte sie, daß einer der Bäume eine kleine
+Thür hatte. »Das ist höchst komisch!« dachte sie. »Aber Alles ist heute
+komisch! Ich will lieber gleich hinein gehen.«
+
+Wie gesagt, so gethan: und sie befand sich wieder in dem langen
+Corridor, und dicht bei dem kleinen Glastische. »Diesmal will ich es
+gescheidter anfangen,« sagte sie zu sich selbst, nahm das goldne
+Schlüsselchen und schloß die Thür auf, die in den Garten führte. Sie
+machte sich daran, an dem Pilz zu knabbern (sie hatte ein Stückchen in
+ihrer Tasche behalten), bis sie ungefähr einen Fuß hoch war, dann ging
+sie den kleinen Gang hinunter; und dann -- war sie endlich in dem
+schönen Garten, unter den prunkenden Blumenbeeten und kühlen
+Springbrunnen.
+
+
+
+
+Achtes Kapitel.
+
+Das Croquetfeld der Königin.
+
+
+Ein großer hochstämmiger Rosenstrauch stand nahe bei'm Eingang; die
+Rosen, die darauf wuchsen, waren weiß, aber drei Gärtner waren damit
+beschäftigt, sie roth zu malen. Alice kam dies wunderbar vor, und da sie
+näher hinzutrat, um ihnen zuzusehen, hörte sie einen von ihnen sagen:
+»Nimm dich in Acht, Fünf! Bespritze mich nicht so mit Farbe!«
+
+»Ich konnte nicht dafür,« sagte Fünf in verdrießlichem Tone; »Sieben hat
+mich an den Ellbogen gestoßen.«
+
+Worauf Sieben aufsah und sagte: »Recht so, Fünf! Schiebe immer die
+Schuld auf andre Leute!«
+
+»Du sei nur ganz still!« sagte Fünf. »Gestern erst hörte ich die Königin
+sagen, du verdientest geköpft zu werden!«
+
+»Wofür?« fragte der, welcher zuerst gesprochen hatte.
+
+»Das geht _dich_ nichts an, Zwei!« sagte Sieben.
+
+»Ja, es _geht_ ihn an!« sagte Fünf, »und ich werde es ihm sagen -- dafür,
+daß er dem Koch Tulpenzwiebeln statt Küchenzwiebeln gebracht hat.«
+
+[Illustration]
+
+Sieben warf seinen Pinsel hin und hatte eben angefangen: »Ist je eine
+ungerechtere Anschuldigung --« als sein Auge zufällig auf Alice fiel,
+die ihnen zuhörte; er hielt plötzlich inne, die andern sahen sich auch
+um, und sie verbeugten sich Alle tief.
+
+»Wollen Sie so gut sein, mir zu sagen,« sprach Alice etwas furchtsam,
+»warum Sie diese Rosen malen?«
+
+Fünf und Sieben antworteten nichts, sahen aber Zwei an. Zwei fing mit
+leiser Stimme an: »Die Wahrheit zu gestehen, Fräulein, dies hätte hier
+ein _rother_ Rosenstrauch sein sollen, und wir haben aus Versehen einen
+weißen gepflanzt, und wenn die Königin es gewahr würde, würden wir Alle
+geköpft werden, müssen Sie wissen. So, sehen Sie Fräulein, versuchen
+wir, so gut es geht, ehe sie kommt --« In dem Augenblick rief Fünf, der
+ängstlich tiefer in den Garten hinein gesehen hatte: »Die Königin! die
+Königin!« und die drei Gärtner warfen sich sogleich flach auf's Gesicht.
+Es entstand ein Geräusch von vielen Schritten, und Alice blickte
+neugierig hin, die Königin zu sehen.
+
+Zuerst kamen zehn Soldaten, mit Keulen bewaffnet, sie hatten alle
+dieselbe Gestalt wie die Gärtner, rechteckig und flach, und an den vier
+Ecken die Hände und Füße; danach kamen zehn Herren vom Hofe, sie waren
+über und über mit Diamanten bedeckt und gingen paarweise, wie die
+Soldaten. Nach diesen kamen die königlichen Kinder, es waren ihrer zehn,
+und die lieben Kleinen kamen lustig gesprungen Hand in Hand, paarweise,
+sie waren ganz mit Herzen geschmückt. Darauf kamen die Gäste, meist
+Könige und Königinnen, und unter ihnen erkannte Alice das weiße
+Kaninchen; es unterhielt sich in etwas eiliger und aufgeregter Weise,
+lächelte bei Allem, was gesagt wurde und ging vorbei, ohne sie zu
+bemerken. Darauf folgte der Coeur-Bube, der die königliche Krone auf
+einem rothen Sammetkissen trug, und zuletzt in diesem großartigen Zuge
+kamen _der Herzenskönig und die Herzenskönigin_.
+
+Alice wußte nicht recht, ob sie sich nicht flach auf's Gesicht legen
+müsse, wie die drei Gärtner; aber sie konnte sich nicht erinnern, je von
+einer solchen Sitte bei Festzügen gehört zu haben. »Und außerdem, wozu
+gäbe es überhaupt Aufzüge,« dachte sie, »wenn alle Leute flach auf dem
+Gesichte liegen müßten, so daß sie sie nicht sehen könnten?« Sie blieb
+also stehen, wo sie war, und wartete.
+
+Als der Zug bei ihr angekommen war, blieben Alle stehen und sahen sie
+an, und die Königin sagte strenge: »Wer ist das?« Sie hatte den
+Coeur-Buben gefragt, der statt aller Antwort nur lächelte und Kratzfüße
+machte.
+
+»Schafskopf!« sagte die Königin, den Kopf ungeduldig zurückwerfend; und
+zu Alice gewandt fuhr sie fort: »Wie heißt du, Kind?«
+
+[Illustration]
+
+»Mein Name ist Alice, Euer Majestät zu dienen!« sagte Alice sehr
+höflich; aber sie dachte bei sich: »Ach was, es ist ja nur ein Pack
+Karten. Ich brauche mich nicht vor ihnen zu fürchten!«
+
+»Und wer sind diese drei?« fuhr die Königin fort, indem sie auf die drei
+Gärtner zeigte, die um den Rosenstrauch lagen; denn natürlich, da sie
+auf dem Gesichte lagen und das Muster auf ihrer Rückseite dasselbe war
+wie für das ganze Pack, so konnte sie nicht wissen, ob es Gärtner oder
+Soldaten oder Herren vom Hofe oder drei von ihren eigenen Kindern waren.
+
+»Woher soll ich das wissen?« sagte Alice, indem sie sich selbst über
+ihren Muth wunderte. »Es ist nicht meines Amtes.«
+
+Die Königin wurde purpurroth vor Wuth, und nachdem sie sie einen
+Augenblick wie ein wildes Thier angestarrt hatte, fing sie an zu
+brüllen: »Ihren Kopf ab! ihren Kopf --«
+
+»Unsinn!« sagte Alice sehr laut und bestimmt, und die Königin war still.
+
+Der König legte seine Hand auf ihren Arm und sagte milde: »Bedenke,
+meine Liebe, es ist nur ein Kind!«
+
+Die Königin wandte sich ärgerlich von ihm ab und sagte zu dem Buben:
+»Dreh' sie um!«
+
+Der Bube that es, sehr sorgfältig, mit einem Fuße.
+
+»Steht auf!« schrie die Königin mit durchdringender Stimme, und die drei
+Gärtner sprangen sogleich auf und fingen an sich zu verneigen vor dem
+König, der Königin, den königlichen Kindern, und Jedermann.
+
+»Laßt das sein!« eiferte die Königin. »Ihr macht mich schwindlig.« Und
+dann, sich nach dem Rosenstrauch umdrehend, fuhr sie fort: »Was habt ihr
+hier gethan?«
+
+»Euer Majestät zu dienen,« sagte Zwei in sehr demüthigem Tone und sich
+auf ein Knie niederlassend, »wir haben versucht --«
+
+»Ich sehe!« sagte die Königin, die unterdessen die Rosen untersucht
+hatte. »Ihre Köpfe ab!« und der Zug bewegte sich fort, während drei von
+den Soldaten zurückblieben um die unglücklichen Gärtner zu enthaupten,
+welche zu Alice liefen und sie um Schutz baten.
+
+»Ihr sollt nicht getödtet werden!« sagte Alice, und damit steckte sie
+sie in einen großen Blumentopf, der in der Nähe stand. Die drei Soldaten
+gingen ein Weilchen hier- und dorthin, um sie zu suchen, und dann
+schlossen sie sich ruhig wieder den Andern an.
+
+»Sind ihre Köpfe gefallen?« schrie die Königin sie an.
+
+»Ihre Köpfe sind fort, zu Euer Majestät Befehl!« schrien die Soldaten
+als Antwort.
+
+»Das ist gut!« schrie die Königin. »Kannst du Croquet spielen?«
+
+Die Soldaten waren still und sahen Alice an, da die Frage
+augenscheinlich an sie gerichtet war.
+
+»Ja!« schrie Alice.
+
+»Dann komm mit!« brüllte die Königin, und Alice schloß sich dem Zuge an,
+sehr neugierig, was nun geschehen werde.
+
+»Es ist -- es ist ein sehr schöner Tag!« sagte eine schüchterne Stimme
+neben ihr. Sie ging neben dem weißen Kaninchen, das ihr ängstlich in's
+Gesicht sah.
+
+»Sehr,« sagte Alice; -- »wo ist die Herzogin?«
+
+»Still! still!« sagte das Kaninchen in einem leisen, schnellen Tone. Es
+sah dabei ängstlich über seine Schulter, stellte sich dann auf die
+Zehen, hielt den Mund dicht an Alice's Ohr und wisperte: »Sie ist zum
+Tode verurtheilt.«
+
+»Wofür?« fragte diese.
+
+»Sagtest du: wie Schade?« fragte das Kaninchen.
+
+»Nein, das sagte ich nicht,« sagte Alice, »ich finde gar nicht, daß es
+Schade ist. Ich sagte: wofür?«
+
+»Sie hat der Königin eine Ohrfeige gegeben --« fing das Kaninchen an.
+Alice lachte hörbar. »Oh still!« flüsterte das Kaninchen in sehr
+erschreckten Tone. »Die Königin wird dich hören! Sie kam nämlich etwas
+spät, und die Königin sagte --«
+
+»Macht, daß ihr an eure Plätze kommt!« donnerte die Königin, und Alle
+fingen an in allen Richtungen durcheinander zu laufen, wobei sie Einer
+über den Andern stolperten; jedoch nach ein bis zwei Minuten waren sie
+in Ordnung, und das Spiel fing an.
+
+[Illustration]
+
+Alice dachte bei sich, ein so merkwürdiges Croquet-Feld habe sie in
+ihrem Leben nicht gesehen; es war voller Erhöhungen und Furchen, die
+Kugeln waren lebendige Igel, und die Schlägel lebendige Flamingos, und
+die Soldaten mußten sich umbiegen und auf Händen und Füßen stehen, um
+die Bogen zu bilden.
+
+Die Hauptschwierigkeit, die Alice zuerst fand, war, den Flamingo zu
+handhaben; sie konnte zwar ziemlich bequem seinen Körper unter ihrem
+Arme festhalten, so daß die Füße herunterhingen, aber wenn sie eben
+seinen Hals schön ausgestreckt hatte, und dem Igel nun einen Schlag mit
+seinem Kopf geben wollte, so richtete er sich auf und sah ihr mit einem
+so verdutzten Ausdruck in's Gesicht, daß sie sich nicht enthalten konnte
+laut zu lachen. Wenn sie nun seinen Kopf herunter gebogen hatte und eben
+wieder anfangen wollte zu spielen, so fand sie zu ihrem großen Verdruß,
+daß der Igel sich aufgerollt hatte und eben fortkroch; außerdem war
+gewöhnlich eine Erhöhung oder eine Furche gerade da im Wege, wo sie den
+Igel hinrollen wollte, und da die umgebogenen Soldaten fortwährend
+aufstanden und an eine andere Stelle des Grasplatzes gingen, so kam
+Alice bald zu der Ueberzeugung, daß es wirklich ein sehr schweres Spiel
+sei.
+
+Die Spieler spielten Alle zugleich, ohne zu warten, bis sie an der Reihe
+waren; dabei stritten sie sich immerfort und zankten um die Igel, und in
+sehr kurzer Zeit war die Königin in der heftigsten Wuth, stampfte mit
+den Füßen und schrie: »Schlagt ihr den Kopf ab!« ungefähr ein Mal jede
+Minute.
+
+Alice fing an, sich sehr unbehaglich zu fühlen, sie hatte zwar noch
+keinen Streit mit der Königin gehabt, aber sie wußte, daß sie keinen
+Augenblick sicher davor war, »und was,« dachte sie, »würde dann aus mir
+werden? die Leute hier scheinen schrecklich gern zu köpfen; es ist das
+größte Wunder, daß überhaupt noch welche am Leben geblieben sind!« Sie
+sah sich nach einem Ausgange um und überlegte, ob sie sich wohl ohne
+gesehen zu werden, fortschleichen könne, als sie eine merkwürdige
+Erscheinung in der Luft wahrnahm: sie schien ihr zuerst ganz
+räthselhaft, aber nachdem sie sie ein Paar Minuten beobachtet hatte,
+erkannte sie, daß es ein Grinsen war, und sagte bei sich: »Es ist die
+Grinse-Katze; jetzt werde ich Jemand haben, mit dem ich sprechen kann.«
+
+»Wie geht es dir?« sagte die Katze, sobald Mund genug da war, um damit
+zu sprechen.
+
+Alice wartete, bis die Augen erschienen, und nickte ihr zu. »Es nützt
+nichts mit ihr zu reden,« dachte sie, »bis ihre Ohren gekommen sind,
+oder wenigstens eins.« Den nächsten Augenblick erschien der ganze Kopf;
+da setzte Alice ihren Flamingo nieder und fing ihren Bericht von dem
+Spiele an, sehr froh, daß sie Jemand zum Zuhören hatte. Die Katze
+schien zu glauben, daß jetzt genug von ihr sichtbar sei, und es erschien
+weiter nichts.
+
+»Ich glaube, sie spielen gar nicht gerecht,« fing Alice in etwas
+klagendem Tone an, »und sie zanken sich Alle so entsetzlich, daß man
+sein eigenes Wort nicht hören kann -- und dann haben sie gar keine
+Spielregeln, wenigstens wenn sie welche haben, so beobachtet sie Niemand
+-- und du hast keine Idee, wie es Einen verwirrt, daß alle
+Croquet-Sachen lebendig sind; zum Beispiel da ist der Bogen, durch den
+ich das nächste Mal spielen muß, und geht am andern Ende des Grasplatzes
+spazieren -- und ich hätte den Igel der Königin noch eben _treffen_
+können, nur daß er fortrannte, als er meinen kommen sah!«
+
+»Wie gefällt dir die Königin?« fragte die Katze leise.
+
+»Ganz und gar nicht,« sagte Alice, »sie hat so sehr viel --« da bemerkte
+sie eben, daß die Königin dicht hinter ihr war und zuhörte, also setzte
+sie hinzu: »Aussicht zu gewinnen, daß es kaum der Mühe werth ist, das
+Spiel auszuspielen.«
+
+Die Königin lächelte und ging weiter.
+
+»Mit wem redest du da?« sagte der König, indem er an Alice herantrat
+und mit großer Neugierde den Katzenkopf ansah.
+
+»Es ist einer meiner Freunde -- ein Grinse-Kater,« sagte Alice;
+»erlauben Eure Majestät, daß ich ihn Ihnen vorstelle.«
+
+»Sein Aussehen gefällt mir gar nicht,« sagte der König; »er mag mir
+jedoch die Hand küssen, wenn er will.«
+
+»O, lieber nicht!« versetzte der Kater.
+
+»Sei nicht so impertinent,« sagte der König, »und sieh mich nicht so
+an!« Er stellte sich hinter Alice, als er dies sagte.
+
+»Der Kater sieht den König an, der König sieht den Kater an,« sagte
+Alice, »das habe ich irgendwo gelesen, ich weiß nur nicht mehr wo.«
+
+»Fort muß er,« sagte der König sehr entschieden, und rief der Königin
+zu, die gerade vorbeiging: »Meine Liebe! ich wollte, du ließest diesen
+Kater fortschaffen!«
+
+Die Königin kannte nur _eine_ Art, alle Schwierigkeiten, große und kleine,
+zu beseitigen. »Schlagt ihm den Kopf ab!« sagte sie, ohne sich einmal
+umzusehen.
+
+»Ich werde den Henker selbst holen,« sagte der König eifrig und eilte
+fort.
+
+Alice dachte, sie wollte lieber zurück gehen und sehen, wie es mit dem
+Spiele stehe, da sie in der Entfernung die Stimme der Königin hörte, die
+vor Wuth außer sich war. Sie hatte sie schon drei Spieler zum Tode
+verurtheilen hören, weil sie ihre Reihe verfehlt hatten, und der Stand
+der Dinge behagte ihr gar nicht, da das Spiel in solcher Verwirrung war,
+daß sie nie wußte, ob sie an der Reihe sei oder nicht. Sie ging also,
+sich nach ihrem Igel umzusehen.
+
+Der Igel war im Kampfe mit einem andern Igel, was Alice eine
+vortreffliche Gelegenheit schien, einen mit dem andern zu _treffen_; die
+einzige Schwierigkeit war, daß ihr Flamingo nach dem andern Ende des
+Gartens gegangen war, wo Alice eben sehen konnte, wie er höchst
+ungeschickt versuchte, auf einen Baum zu fliegen.
+
+Als sie den Flamingo gefangen und zurückgebracht hatte, war der Kampf
+vorüber und die beiden Igel nirgends zu sehen. »Aber es kommt nicht
+drauf an,« dachte Alice, »da alle Bogen auf dieser Seite des Grasplatzes
+fortgegangen sind.« Sie steckte also ihren Flamingo unter den Arm, damit
+er nicht wieder fortliefe, und ging zurück, um mit ihrem Freunde weiter
+zu schwatzen.
+
+Als sie zum Cheshire-Kater zurück kam, war sie sehr erstaunt, einen
+großen Auflauf um ihn versammelt zu sehen: es fand ein großer
+Wortwechsel statt zwischen dem Henker, dem Könige und der Königin,
+welche alle drei zugleich sprachen, während die Uebrigen ganz still
+waren und sehr ängstlich aussahen.
+
+Sobald Alice erschien, wurde sie von allen dreien aufgefordert, den
+streitigen Punkt zu entscheiden, und sie wiederholten ihr ihre
+Beweisgründe, obgleich, da alle zugleich sprachen, man kaum verstehen
+konnte, was jeder Einzelne sagte.
+
+[Illustration]
+
+Der Henker behauptete, daß man keinen Kopf abschneiden könne, wo kein
+Körper sei, von dem man ihn abschneiden könne; daß er so etwas noch nie
+gethan habe, und jetzt über die Jahre hinaus sei, wo man etwas Neues
+lerne.
+
+Der König behauptete, daß Alles, was einen Kopf habe, geköpft werden
+könne, und daß man nicht so viel Unsinn schwatzen solle.
+
+Die Königin behauptete, daß wenn nicht in weniger als keiner Frist etwas
+geschehe, sie die ganze Gesellschaft würde köpfen lassen. (Diese
+letztere Bemerkung hatte der Versammlung ein so ernstes und ängstliches
+Aussehen gegeben.)
+
+Alice wußte nichts Besseres zu sagen als: "Er gehört der Herzogin, es
+wäre am besten sie zu fragen."
+
+"Sie ist im Gefängnis," sagte die Königin zum Henker, "hole sie her."
+Und der Henker lief davon wie ein Pfeil.
+
+Da wurde der Kopf des Katers undeutlicher und undeutlicher; und gerade
+in dem Augenblicke, als der Henker mit der Herzogin zurück kam,
+verschwand er gänzlich; der König und der Henker liefen ganz wild umher,
+ihn zu suchen, während die übrige Gesellschaft zum Spiele zurückging.
+
+
+
+
+Neuntes Kapitel.
+
+Die Geschichte der falschen Schildkröte.
+
+
+»Du kannst dir gar nicht denken, wie froh ich bin, dich wieder zu sehen,
+du liebes altes Herz!« sagte die Herzogin, indem sie Alice liebevoll
+unterfaßte, und beide zusammen fortspazierten.
+
+Alice war sehr froh, sie bei so guter Laune zu finden, und dachte bei
+sich, es wäre vielleicht nur der Pfeffer, der sie so böse gemacht habe,
+als sie sich zuerst in der Küche trafen. »Wenn ich Herzogin bin,« sagte
+sie für sich (doch nicht in sehr hoffnungsvollem Tone), »will ich gar
+keinen Pfeffer in meiner Küche dulden. Suppe schmeckt sehr gut ohne --
+Am Ende ist es immer Pfeffer, der die Leute heftig macht,« sprach sie
+weiter, sehr glücklich, eine neue Art Regel erfunden zu haben, »und
+Essig, der sie sauertöpfisch macht -- und Kamillenthee, der sie bitter
+macht -- und Gerstenzucker und dergleichen, was Kinder zuckersüß macht.
+Ich wünschte nur, die großen Leute wüßten das, dann würden sie nicht so
+sparsam damit sein --«
+
+Sie hatte unterdessen die Herzogin ganz vergessen und schrak förmlich
+zusammen, als sie deren Stimme dicht an ihrem Ohre hörte. »Du denkst an
+etwas, meine Liebe, und vergißt darüber zu sprechen. Ich kann dir diesen
+Augenblick nicht sagen, was die Moral davon ist, aber es wird mir gleich
+einfallen.«
+
+»Vielleicht hat es keine,« hatte Alice den Muth zu sagen.
+
+»Still, still, Kind!« sagte die Herzogin. »Alles hat seine Moral, wenn
+man sie nur finden kann.« Dabei drängte sie sich dichter an Alice heran.
+
+Alice mochte es durchaus nicht gern, daß sie ihr so nahe kam: erstens,
+weil die Herzogin sehr häßlich war, und zweitens, weil sie gerade groß
+genug war, um ihr Kinn auf Alice's Schulter zu stützen, und es war ein
+unangenehm spitzes Kinn. Da sie aber nicht gern unhöflich sein wollte,
+so ertrug sie es, so gut sie konnte.
+
+»Das Spiel ist jetzt besser im Gange,« sagte sie, um die Unterhaltung
+fortzuführen.
+
+[Illustration]
+
+»So ist es,« sagte die Herzogin, »und die Moral davon ist -- Mit Liebe
+und Gesange hält man die Welt im Gange!«
+
+»Wer sagte denn,« flüsterte Alice, »es geschehe dadurch, daß Jeder vor
+seiner Thüre fege.«
+
+»Ah, sehr gut, das bedeutet ungefähr dasselbe,« sagte die Herzogin, und
+indem sie ihr spitzes kleines Kinn in Alice's Schulter einbohrte, fügte
+sie hinzu »und die Moral _davon_ ist -- So viel Köpfe, so viel Sinne.«
+
+»Wie gern sie die Moral von Allem findet!« dachte Alice bei sich.
+
+»Du wunderst dich wahrscheinlich, warum ich meinen Arm nicht um deinen
+Hals lege,« sagte die Herzogin nach einer Pause; »die Wahrheit zu
+gestehen, ich traue der Laune deines Flamingos nicht ganz. Soll ich es
+versuchen?«
+
+»Er könnte beißen,« erwiderte Alice weislich, da sie sich keineswegs
+danach sehnte, das Experiment zu versuchen.
+
+»Sehr wahr,« sagte die Herzogin, »Flamingos und Senf beißen beide. Und
+die Moral davon ist: Gleich und Gleich gesellt sich gern.«
+
+»Aber der Flamingo ist ja ein Vogel und Senf ist kein Vogel,« wandte
+Alice ein.
+
+»Ganz recht, wie immer,« sagte die Herzogin, »wie deutlich du Alles
+ausdrücken kannst.«
+
+»Es ist, glaube ich, ein Mineral,« sagte Alice.
+
+»Versteht sich,« sagte die Herzogin, die Allem, was Alice sagte,
+beizustimmen schien, »in dem großen Senf-Bergwerk hier in der Gegend
+sind ganz vorzüglich gute Minen. Und die Moral davon ist, daß wir gute
+Miene zum bösen Spiel machen müssen.«
+
+»O, ich weiß!« rief Alice aus, die die letzte Bemerkung ganz überhört
+hatte, »es ist eine Pflanze. Es sieht nicht so aus, aber es ist eine.«
+
+»Ich stimme dir vollkommen bei,« sagte die Herzogin, »und die Moral
+davon ist: Sei was du zu scheinen wünschest! -- oder einfacher
+ausgedrückt: Bilde dir nie ein verschieden von dem zu sein was Anderen
+erscheint daß was du warest oder gewesen sein möchtest nicht verschieden
+von dem war daß was du gewesen warest ihnen erschienen wäre als wäre es
+verschieden.«
+
+»Ich glaube, ich würde das besser verstehen,« sagte Alice sehr höflich,
+»wenn ich es aufgeschrieben hätte; ich kann nicht ganz folgen, wenn Sie
+es sagen.«
+
+»Das ist noch gar nichts dagegen, was ich sagen könnte, wenn ich
+wollte,« antwortete die Herzogin in selbstzufriedenem Tone.
+
+»Bitte, bemühen Sie sich nicht, es noch länger zu sagen!« sagte Alice.
+
+»O, sprich nicht von Mühe!« sagte die Herzogin, »ich will dir Alles, was
+ich bis jetzt gesagt habe, schenken.«
+
+»Eine wohlfeile Art Geschenke!« dachte Alice, »ich bin froh, daß man
+nicht solche Geburtstagsgeschenke macht!« Aber sie getraute sich nicht,
+es laut zu sagen.
+
+»Wieder in Gedanken?« fragte die Herzogin und grub ihr spitzes kleines
+Kinn tiefer ein.
+
+»Ich habe das Recht, in Gedanken zu sein, wenn ich will,« sagte Alice
+gereizt, denn die Unterhaltung fing an, ihr langweilig zu werden.
+
+»Gerade so viel Recht,« sagte die Herzogin, »wie Ferkel zum Fliegen, und
+die M --«
+
+Aber, zu Alice's großem Erstaunen stockte hier die Stimme der Herzogin,
+und zwar mitten in ihrem Lieblingsworte »Moral«, und der Arm, der in dem
+ihrigen ruhte, fing an zu zittern. Alice sah auf, und da stand die
+Königin vor ihnen, mit über der Brust gekreuzten Armen, schwarzblickend
+wie ein Gewitter.
+
+»Ein schöner Tag, Majestät!« fing die Herzogin mit leiser schwacher
+Stimme an.
+
+»Ich will Sie schön gewarnt haben,« schrie die Königin und stampfte
+dabei mit dem Fuße: »Fort augenblicklich, entweder mit Ihnen oder mit
+Ihrem Kopfe! Wählen Sie!«
+
+Die Herzogin wählte und verschwand eilig.
+
+»Wir wollen weiter spielen,« sagte die Königin zu Alice, und diese, viel
+zu erschrocken, ein Wort zu erwiedern, folgte ihr langsam nach dem
+Croquet-Felde.
+
+Die übrigen Gäste hatten die Abwesenheit der Königin benutzt, um im
+Schatten auszuruhen; sobald sie sie jedoch kommen sahen, eilten sie
+augenblicklich zum Spiele zurück, indem die Königin einfach bemerkte,
+daß eine Minute Verzug ihnen das Leben kosten würde.
+
+Die ganze Zeit, wo sie spielten, hörte die Königin nicht auf, mit den
+andern Spielern zu zanken und zu schreien: »Schlagt ihm den Kopf ab!«
+oder: »Schlagt ihr den Kopf ab!« Diejenigen, welche sie verurtheilt
+hatte, wurden von den Soldaten in Verwahrsam geführt, die natürlich dann
+aufhören mußten, die Bogen zu bilden, so daß nach ungefähr einer halben
+Stunde keine Bogen mehr übrig waren, und alle Spieler, außer dem Könige,
+der Königin und Alice, in Verwahrsam und zum Tode verurtheilt waren.
+
+Da hörte die Königin, ganz außer Athem, auf, und sagte zu Alice: »Hast
+du die _Falsche Schildkröte_ schon gesehen?«
+
+»Nein,« sagte Alice. »Ich weiß nicht einmal, was eine _Falsche
+Schildkröte_ ist.«
+
+»Es ist das, woraus falsche Schildkrötensuppe gemacht wird,« sagte die
+Königin.
+
+»Ich habe weder eine gesehen, noch von einer gehört,« sagte Alice.
+
+»Komm schnell,« sagte die Königin, »sie soll dir ihre Geschichte
+erzählen.«
+
+Als sie mit einander fortgingen, hörte Alice den König leise zu der
+ganzen Versammlung sagen: »Ihr seid Alle begnadigt!« »Ach, das ist ein
+Glück!« sagte sie für sich, denn sie war über die vielen Enthauptungen,
+welche die Königin angeordnet hatte, ganz außer sich gewesen.
+
+Sie kamen bald zu einem Greifen, der in der Sonne lag und schlief. (Wenn
+ihr nicht wißt, was ein Greif ist, seht euch das Bild an.) »Auf, du
+Faulpelz,« sagte die Königin, »und bringe dies kleine Fräulein zu der
+falschen Schildkröte, sie möchte gern ihre Geschichte hören. Ich muß
+zurück und nach einigen Hinrichtungen sehen, die ich angeordnet habe;«
+damit ging sie fort und ließ Alice mit dem Greifen allein. Der Anblick
+des Thieres gefiel Alice nicht recht; aber im Ganzen genommen, dachte
+sie, würde es eben so sicher sein, bei ihm zu bleiben, als dieser
+grausamen Königin zu folgen, sie wartete also.
+
+[Illustration]
+
+Der Greif richtete sich auf und rieb sich die Augen: darauf sah er der
+Königin nach, bis sie verschwunden war; dann schüttelte er sich. »Ein
+köstlicher Spaß!« sagte der Greif, halb zu sich selbst, halb zu Alice.
+
+»_Was_ ist ein Spaß?« fragte Alice.
+
+»Sie,« sagte der Greif. »Es ist Alles ihre Einbildung, das: Niemand wird
+niemals nicht hingerichtet. Komm schnell.«
+
+»Jeder sagte hier, komm schnell,« dachte Alice, indem sie ihm langsam
+nachging, »so viel bin ich in meinem Leben nicht hin und her kommandirt
+worden, nein, in meinem ganzen Leben nicht!«
+
+Sie brauchten nicht weit zu gehen, als sie schon die falsche Schildkröte
+in der Entfernung sahen, wie sie einsam und traurig auf einem
+Felsenriffe saß; und als sie näher kamen, hörte Alice sie seufzen, als
+ob ihr das Herz brechen wollte. Sie bedauerte sie herzlich. »Was für
+einen Kummer hat sie?« fragte sie den Greifen, und der Greif antwortete,
+fast in denselben Worten wie zuvor: »Es ist Alles ihre Einbildung, das;
+sie hat keinen Kummer nicht. Komm schnell.«
+
+Sie gingen also an die falsche Schildkröte heran, die sie mit
+thränenschweren Augen anblickte, aber nichts sagte.
+
+»Die kleine Mamsell hier,« sprach der Greif, »sie sagt, sie möchte gern
+deine Geschichte wissen, sagt sie.«
+
+»Ich will sie ihr erzählen,« sprach die falsche Schildkröte mit tiefer,
+hohler Stimme; »setzt euch beide her und sprecht kein Wort, bis ich
+fertig bin.«
+
+Gut, sie setzten sich hin und Keiner sprach mehre Minuten lang. Alice
+dachte bei sich: »Ich begreife nicht, wie sie je fertig werden kann,
+wenn sie nicht anfängt.« Aber sie wartete geduldig.
+
+»Einst,« sagte die falsche Schildkröte endlich mit einem tiefen Seufzer,
+»war ich eine wirkliche Schildkröte.«
+
+[Illustration]
+
+Auf diese Worte folgte ein sehr langes Schweigen, nur hin und wieder
+unterbrochen durch den Ausruf des Greifen »Hjckrrh!« und durch das
+heftige Schluchzen der falschen Schildkröte. Alice wäre beinah
+aufgestanden und hätte gesagt: »Danke sehr für die interessante
+Geschichte!« aber sie konnte nicht umhin zu denken, daß doch noch etwas
+kommen müsse; daher blieb sie sitzen und sagte nichts.
+
+»Als wir klein waren,« sprach die falsche Schildkröte endlich weiter,
+und zwar ruhiger, obgleich sie noch hin und wieder schluchzte, »gingen
+wir zur Schule in der See. Die Lehrerin war eine alte Schildkröte -- wir
+nannten sie Mamsell Schalthier --«
+
+»Warum nanntet ihr sie Mamsell Schalthier?« fragte Alice.
+
+»Sie _schalt hier_ oder sie schalt da alle Tage, darum,« sagte die falsche
+Schildkröte ärgerlich; »du bist wirklich sehr dumm.«
+
+»Du solltest dich schämen, eine so dumme Frage zu thun,« setzte der
+Greif hinzu, und dann saßen beide und sahen schweigend die arme Alice
+an, die in die Erde hätte sinken mögen. Endlich sagte der Greif zu der
+falschen Schildkröte: »Fahr' zu, alte Kutsche! Laß uns nicht den ganzen
+Tag warten!« Und sie fuhr in folgenden Worten fort:
+
+»Ja, wir gingen zur Schule, in der See, ob ihr es glaubt oder nicht --«
+
+»Ich habe nicht gesagt, daß ich es nicht glaubte,« unterbrach sie Alice.
+
+»Ja, das hast du,« sagte die falsche Schildkröte.
+
+»Halt' den Mund!« fügte der Greif hinzu, ehe Alice antworten konnte. Die
+falsche Schildkröte fuhr fort.
+
+»Wir gingen in die allerbeste Schule; wir hatten vier und zwanzig
+Stunden regelmäßig jeden Tag.«
+
+»Das haben wir auf dem Lande auch,« sagte Alice, »darauf brauchst du dir
+nicht so viel einzubilden.«
+
+»Habt ihr auch Privatstunden außerdem?« fragte die falsche Schildkröte
+etwas kleinlaut.
+
+»Ja,« sagte Alice, »Französisch und Klavier.«
+
+»Und Wäsche?« sagte die falsche Schildkröte.
+
+»Ich dächte gar!« sagte Alice entrüstet.
+
+»Ah! dann gehst du in keine wirklich gute Schule,« sagte die falsche
+Schildkröte sehr beruhigt. »In unserer Schule stand immer am Ende der
+Rechnung, »Französisch, Klavierspielen, Wäsche -- extra.«
+
+»Das könnt ihr nicht sehr nöthig gehabt haben,« sagte Alice, »wenn ihr
+auf dem Grunde des Meeres wohntet.«
+
+»Ich konnte keine Privatstunden bezahlen,« sagte die falsche
+Schildkröte mit einem Seufzer. »Ich nahm nur den regelmäßigen
+Unterricht.«
+
+»Und was war das?« fragte Alice.
+
+»Legen und Treiben, natürlich, zu allererst,« erwiederte die falsche
+Schildkröte; »und dann die vier Abtheilungen vom Rechnen: Zusehen,
+Abziehen, Vervielfraßen und Stehlen.«
+
+»Ich habe nie von Vervielfraßen gehört,« warf Alice ein. »Was ist das?«
+
+Der Greif erhob beide Klauen voller Verwunderung. »Nie von Vervielfraßen
+gehört!« rief er aus. »Du weißt, was Verhungern ist? vermuthe ich.«
+
+»Ja,« sagte Alice unsicher, »es heißt -- nichts -- essen -- und davon --
+sterben.«
+
+»Nun,« fuhr der Greif fort, »wenn du nicht verstehst, was Vervielfraßen
+ist, dann bist du ein Pinsel.«
+
+Alice hatte allen Muth verloren, sich weiter danach zu erkundigen, und
+wandte sich daher an die falsche Schildkröte mit der Frage: »Was hattet
+ihr sonst noch zu lernen?«
+
+»Nun, erstens Gewichte,« erwiederte die falsche Schildkröte, indem sie
+die Gegenstände an den Pfoten aufzählte, »Gewichte, alte und neue, mit
+Seeographie; dann Springen -- der Springelehrer war ein alter
+Stockfisch, der ein Mal wöchentlich zu kommen pflegte, er lehrte uns
+Pfoten Reiben und Unarten, meerschwimmig Springen, Schillern und
+Imponiren.«
+
+»Wie war denn das?« fragte Alice.
+
+»Ich kann es dir nicht selbst zeigen,« sagte die falsche Schildkröte,
+»ich bin zu steif. Und der Greif hat es nicht gelernt.«
+
+»Hatte keine Zeit,« sagte der Greif; »ich hatte aber Stunden bei dem
+Lehrer der alten Sprachen. Das war ein alter _Barsch_, ja, das war er.«
+
+»Bei dem bin ich nicht gewesen,« sagte die falsche Schildkröte mit einem
+Seufzer, »er lehrte Zebräisch und Greifisch, sagten sie immer.«
+
+»Das that er auch, das that er auch, und besonders Laßsein,« sagte der
+Greif, indem er ebenfalls seufzte, worauf beide Thiere sich das Gesicht
+mit den Pfoten bedeckten.
+
+»Und wie viel Schüler wart ihr denn in einer Klasse?« sagte Alice, die
+schnell auf einen andern Gegenstand kommen wollte.
+
+»Zehn den ersten Tag,« sagte die falsche Schildkröte, »neun den
+nächsten, und so fort.«
+
+»Was für eine merkwürdige Einrichtung!« rief Alice aus.
+
+»Das ist der Grund, warum man Lehrer hält, weil sie die Klasse von Tag
+zu Tag leeren.«
+
+Dies war ein ganz neuer Gedanke für Alice, welchen sie gründlich
+überlegte, ehe sie wieder eine Bemerkung machte. »Den elften Tag müssen
+dann Alle frei gehabt haben?«
+
+»Natürlich!« sagte die falsche Schildkröte.
+
+»Und wie wurde es den zwölften Tag gemacht?« fuhr Alice eifrig fort.
+
+»Das ist genug von Stunden,« unterbrach der Greif sehr bestimmt:
+»erzähle ihr jetzt etwas von den Spielen.«
+
+
+
+
+Zehntes Kapitel.
+
+Das Hummerballet.
+
+
+Die falsche Schildkröte seufzte tief auf und wischte sich mit dem Rücken
+ihrer Pfote die Augen. Sie sah Alice an und versuchte zu sprechen, aber
+ein bis zwei Minuten lang erstickte lautes Schluchzen ihre Stimme.
+»Sieht aus, als ob sie einen Knochen in der Kehle hätt',« sagte der
+Greif und machte sich daran, sie zu schütteln und auf den Rücken zu
+klopfen. Endlich erhielt die falsche Schildkröte den Gebrauch ihrer
+Stimme wieder, und während Thränen ihre Wangen herabflossen, erzählte
+sie weiter.
+
+»Vielleicht hast du nicht viel unter dem Wasser gelebt --« (»Nein,«
+sagte Alice) -- »und vielleicht hast du nie die Bekanntschaft eines
+Hummers gemacht --« (Alice wollte eben sagen: »ich kostete einmal,« aber
+sie hielt schnell ein und sagte: »Nein, niemals«) -- »du kannst dir also
+nicht vorstellen, wie reizend ein Hummerballet ist.«
+
+»Nein, in der That nicht,« sagte Alice, »was für eine Art Tanz ist es?«
+
+»Nun,« sagte der Greif, »erst stellt man sich in einer Reihe am Strand
+auf --«
+
+»In zwei Reihen!« rief die falsche Schildkröte. »Seehunde, Schildkröten,
+Lachse, und so weiter; dann, wenn alle Seesterne aus dem Wege geräumt
+sind --«
+
+»Was gewöhnlich einige Zeit dauert,« unterbrach der Greif.
+
+»-- geht man zwei Mal vorwärts --«
+
+»Jeder einen Hummer zum Tanze führend!« rief der Greif.
+
+»Natürlich,« sagte die falsche Schildkröte: »zwei Mal vorwärts, wieder
+paarweis gestellt --«
+
+»-- wechselt die Hummer, und geht in derselben Ordnung zurück,« fuhr der
+Greif fort.
+
+»Dann, mußt du wissen,« fiel die falsche Schildkröte ein, »wirft man die
+--«
+
+»Die Hummer!« schrie der Greif mit einem Luftsprunge.
+
+»-- so weit in's Meer, als man kann --«
+
+»Schwimmt ihnen nach!« kreischte der Greif.
+
+»Schlägt einen Purzelbaum im Wasser!« rief die falsche Schildkröte,
+indem sie unbändig umhersprang.
+
+[Illustration]
+
+»Wechselt die Hummer wieder!« heulte der Greif mit erhobener Stimme.
+
+»Zurück an's Land, und -- das ist die ganze erste Figur,« sagte die
+falsche Schildkröte, indem ihre Stimme plötzlich sank; und beide Thiere,
+die bis dahin wie toll umhergesprungen waren, setzten sich sehr betrübt
+und still nieder und sahen Alice an.
+
+»Es muß ein sehr hübscher Tanz sein,« sagte Alice ängstlich.
+
+»Möchtest du eine kleine Probe sehen?« fragte die falsche Schildkröte.
+
+»Sehr gern,« sagte Alice.
+
+»Komm, laß uns die erste Figur versuchen!« sagte die falsche Schildkröte
+zum Greifen. »Wir können es ohne Hummer, glaube ich. Wer soll singen?«
+
+»Oh, singe du!« sagte der Greif. »Ich habe die Worte vergessen.«
+
+So fingen sie denn an, feierlich im Kreise um Alice zu tanzen; zuweilen
+traten sie ihr auf die Füße, wenn sie ihr zu nahe kamen; die falsche
+Schildkröte sang dazu, sehr langsam und traurig, Folgendes: --
+
+ Zu der Schnecke sprach ein Weißfisch: »Kannst du denn nicht
+ schneller gehn?
+ Siehst du denn nicht die Schildkröten und die Hummer
+ alle stehn?
+ Hinter uns da kommt ein Meerschwein, und es tritt mir auf
+ den Schwanz;
+ Und sie warten an dem Strande, daß wir kommen zu
+ dem Tanz.
+ Willst du denn nicht, willst du denn nicht, willst du kommen
+ zu dem Tanz?
+ Willst du denn nicht, willst du denn nicht, willst du kommen
+ zu dem Tanz?«
+
+ »Nein, du kannst es nicht ermessen, wie so herrlich es wird sein,
+ Nehmen sie uns mit den Hummern, werfen uns in's Meer hinein!«
+ Doch die Schnecke thät nicht trauen. »Das gefällt mir doch nicht ganz!
+ Viel zu weit, zu weit! ich danke -- gehe nicht mit euch zum Tanz!
+ Nein, ich kann, ich mag, ich will nicht, kann nicht kommen zu dem Tanz!
+ Nein, ich kann, ich mag, ich will nicht, mag nicht kommen zu dem Tanz!«
+
+ Und der Weißfisch sprach dagegen: »'s kommt ja nicht drauf an, wie
+ weit!
+ Ist doch wohl ein andres Ufer, drüben auf der andern Seit'!
+ Und noch viele schöne Küsten giebt es außer Engelland's;
+ Nur nicht blöde, liebe Schnecke, komm' geschwind mit mir zum Tanz!
+ Willst du denn nicht, willst du denn nicht, willst du kommen zu dem
+ Tanz?
+ Willst du denn nicht, willst du denn nicht, willst nicht kommen zu dem
+ Tanz?«
+
+»Danke sehr, es ist sehr, sehr interessant, diesem Tanze zuzusehen,«
+sagte Alice, obgleich sie sich freute, daß er endlich vorüber war; »und
+das komische Lied von dem Weißfisch gefällt mir so!«
+
+»Oh, was die Weißfische anbelangt,« sagte die falsche Schildkröte, »die
+-- du hast sie doch gesehen?«
+
+»Ja,« sagte Alice, »ich habe sie oft gesehen, bei'm Mitt --« sie hielt
+schnell inne.
+
+»Ich weiß nicht, wer Mitt sein mag,« sagte die falsche Schildkröte,
+»aber da du sie so oft gesehen hast, so weißt du natürlich, wie sie
+aussehen?«
+
+»Ja, ich glaube,« sagte Alice nachdenklich, »sie haben den Schwanz im
+Maule, -- und sind ganz mit geriebener Semmel bestreut.«
+
+»Die geriebene Semmel ist ein Irrthum,« sagte die falsche Schildkröte;
+»sie würde in der See bald abgespült werden. Aber den Schwanz haben sie
+im Maule, und der Grund ist« -- hier gähnte die falsche Schildkröte und
+machte die Augen zu. -- »Sage ihr Alles das von dem Grunde,« sprach sie
+zum Greifen.
+
+»Der Grund ist,« sagte der Greif, »daß sie durchaus im Hummerballet
+mittanzen wollten. So wurden sie denn in die See hinein geworfen. So
+mußten sie denn sehr weit fallen. So kamen ihnen denn die Schwänze in
+die Mäuler. So konnten sie sie denn nicht wieder heraus bekommen. So ist
+es.«
+
+»Danke dir,« sagte Alice, »es ist sehr interessant. Ich habe nie so viel
+vom Weißfisch zu hören bekommen.«
+
+»Ich kann dir noch mehr über ihn sagen, wenn du willst,« sagte der
+Greif, »weißt du, warum er Weißfisch heißt?«
+
+»Ich habe darüber noch nicht nachgedacht,« sagte Alice. »Warum?«
+
+»Darum eben,« sagte der Greif mit tiefer, feierlicher Stimme, »weil man
+so wenig von ihm _weiß_. Nun aber mußt du uns auch etwas von deinen
+Abenteuern erzählen.«
+
+»Ich könnte euch meine Erlebnisse von heute früh an erzählen,« sagte
+Alice verschämt, »aber bis gestern zurück zu gehen, wäre ganz unnütz,
+weil ich da jemand Anderes war.«
+
+»Erkläre das deutlich,« sagte die falsche Schildkröte.
+
+»Nein, die Erlebnisse erst,« sagte der Greif in ungeduldigem Tone,
+»Erklärungen nehmen so schrecklich viel Zeit fort.«
+
+Alice fing also an, ihnen ihre Abenteuer von da an zu erzählen, wo sie
+das weiße Kaninchen zuerst gesehen hatte. Im Anfange war sie etwas
+ängstlich, die beiden Thiere kamen ihr so nah, eins auf jeder Seite,
+und sperrten Augen und Mund so _weit_ auf; aber nach und nach wurde sie
+dreister. Ihre Zuhörer waren ganz ruhig, bis sie an die Stelle kam, wo
+sie der Raupe 'Ihr seid alt, Vater Martin' hergesagt hatte, und wo
+lauter andere Worte gekommen waren, da holte die falsche Schildkröte
+tief Athem und sagte: »das ist sehr merkwürdig.«
+
+»Es ist Alles so merkwürdig, wie nur möglich,« sagte der Greif.
+
+»Es kam ganz verschieden!« wiederholte die falsche Schildkröte
+gedankenvoll. »Ich möchte sie wohl etwas hersagen hören. Sage ihr, daß
+sie anfangen soll.« Sie sah den Greifen an, als ob sie dächte, daß er
+einigen Einfluß auf Alice habe.
+
+»Steh' auf und sage her: 'Preisend mit viel schönen Reden',« sagte der
+Greif.
+
+»Wie die Geschöpfe alle Einen kommandiren und Gedichte aufsagen lassen!«
+dachte Alice, »dafür könnte ich auch lieber gleich in der Schule sein.«
+Sie stand jedoch auf und fing an, das Gedicht herzusagen; aber ihr Kopf
+war so voll von dem Hummerballet, daß sie kaum wußte, was sie sagte, und
+die Worte kamen sehr sonderbar: --
+
+[Illustration]
+
+ »Preisend mit viel schönen Kniffen seiner Scheeren Werth und Zahl,
+ Stand der Hummer vor dem Spiegel in der schönen rothen Schal'!
+ »Herrlich,« sprach der Fürst der Krebse, »steht mir dieser lange Bart!«
+ Rückt die Füße mit der Nase auswärts, als er dieses sagt.«
+
+»Das ist anders, als ich's als Kind gesagt habe,« sagte der Greif.
+
+»Ich habe es zwar noch niemals gehört,« sagte die falsche Schildkröte;
+»aber es klingt wie blühender Unsinn.«
+
+Alice erwiederte nichts; sie setzte sich, bedeckte das Gesicht mit
+beiden Händen und überlegte, ob wohl _je_ wieder irgend etwas natürlich
+sein würde.
+
+»Ich möchte es gern erklärt haben,« sagte die falsche Schildkröte.
+
+»Sie kann's nicht erklären,« warf der Greif schnell ein. »Sage den
+nächsten Vers.«
+
+»Aber das von den Füßen?« fragte die falsche Schildkröte wieder. »Wie
+kann er sie mit der Nase auswärts rücken?«
+
+»Es ist die erste Position bei'm Tanzen,« sagte Alice; aber sie war über
+Alles dies entsetzlich verwirrt und hätte am liebsten aufgehört.
+
+»Sage den nächsten Vers!« wiederholte der Greif ungeduldig, »er fängt
+an: 'Seht mein Land!'«
+
+Alice wagte nicht, es abzuschlagen, obgleich sie überzeugt war, es würde
+Alles falsch kommen, sie fuhr also mit zitternder Stimme fort: --
+
+ »Seht mein Land und grüne Fluten,« sprach ein fetter Lachs vom Rhein;
+ Goldne Schuppen meine Rüstung, und mit Austern trink' ich Wein.«
+
+»Wozu sollen wir das dumme Zeug mit anhören,« unterbrach sie die falsche
+Schildkröte, »wenn sie es nicht auch erklären kann? Es ist das
+verworrenste Zeug, das ich je gehört habe!«
+
+»Ja, ich glaube auch, es ist besser du hörst auf,« sagte der Greif, und
+Alice gehorchte nur zu gern.
+
+»Sollen wir noch eine Figur von dem Hummerballet versuchen?« fuhr der
+Greif fort. »Oder möchtest du lieber, daß die falsche Schildkröte dir
+ein Lied vorsingt?«
+
+»Oh, ein Lied! bitte, wenn die falsche Schildkröte so gut sein will,«
+antwortete Alice mit solchem Eifer, daß der Greif etwas beleidigt sagte:
+»Hm! der Geschmack ist verschieden! Singe ihr vor 'Schildkrötensuppe',
+hörst du, alte Tante?«
+
+Die falsche Schildkröte seufzte tief auf und fing an, mit halb von
+Schluchzen erstickter Stimme, so zu singen: --
+
+ »Schöne Suppe, so schwer und so grün,
+ Dampfend in der heißen Terrin'!
+ Wem nach einem so schönen Gericht
+ Wässerte denn der Mund wohl nicht?
+ Kön'gin der Suppen, du schönste Supp'!
+ Kön'gin der Suppen, du schönste Supp'!
+ Wu -- underschöne Su -- uppe!
+ Wu -- underschöne Su -- uppe!
+ Kö -- önigin der Su -- uppen,
+ Wunder-wunderschöne Supp'!
+
+ Schöne Suppe, wer fragt noch nach Fisch,
+ Wildpret oder was sonst auf dem Tisch?
+ Alles lassen wir stehen zu p
+ Reisen allein die wunderschöne Supp',
+ Preisen allein die wunderschöne Supp'!
+ Wu -- underschöne Su -- uppe!
+ Wu -- underschöne Su -- uppe!
+ Kö -- önigin der Su -- uppen,
+ Wunder-wunderschöne Supp'!
+
+»Den Chor noch einmal!« rief der Greif, und die falsche Schildkröte
+hatte ihn eben wieder angefangen, als ein Ruf: »Das Verhör fängt an!« in
+der Ferne erscholl.
+
+»Komm schnell!« rief der Greif, und Alice bei der Hand nehmend lief er
+fort, ohne auf das Ende des Gesanges zu warten.
+
+»Was für ein Verhör?« keuchte Alice bei'm Rennen; aber der Greif
+antwortete nichts als: »Komm schnell!« und rannte weiter, während
+schwächer und schwächer, vom Winde getragen, die Worte ihnen folgten: --
+
+ »Kö -- önigin der Su -- uppen,
+ Wunder-wunderschöne Supp'!«
+
+
+
+
+Elftes Kapitel.
+
+Wer hat die Kuchen gestohlen?
+
+
+Der König und die Königin der Herzen saßen auf ihrem Throne, als sie
+ankamen, und eine große Menge war um sie versammelt -- allerlei kleine
+Vögel und Thiere, außerdem das ganze Pack Karten: der Bube stand vor
+ihnen, in Ketten, einen Soldaten an jeder Seite, um ihn zu bewachen;
+dicht bei dem Könige befand sich das weiße Kaninchen, eine Trompete in
+einer Hand, in der andern eine Pergamentrolle. Im Mittelpunkte des
+Gerichtshofes stand ein Tisch mit einer Schüssel voll Torten: sie sahen
+so appetitlich aus, daß der bloße Anblick Alice ganz hungrig darauf
+machte. -- »Ich wünschte, sie machten schnell mit dem Verhör und
+reichten die Erfrischungen herum.« Aber dazu schien wenig Aussicht zu
+sein, so daß sie anfing, Alles genau in Augenschein zu nehmen, um sich
+die Zeit zu vertreiben.
+
+Alice war noch nie in einem Gerichtshofe gewesen, aber sie hatte in
+ihren Büchern davon gelesen und bildete sich etwas Rechtes darauf ein,
+daß sie Alles, was sie dort sah, bei Namen zu nennen wußte. »Das ist der
+Richter,« sagte sie für sich, »wegen seiner großen Perrücke.«
+
+Der Richter war übrigens der König, und er trug die Krone über der
+Perücke (seht euch das Titelbild an, wenn ihr wissen wollt, wie), es sah
+nicht aus, als sei es ihm bequem, und sicherlich stand es ihm nicht gut.
+
+»Und jene zwölf kleinen Thiere da sind vermuthlich die Geschwornen,«
+dachte Alice. Sie wiederholte sich selbst dies Wort zwei bis drei Mal,
+weil sie so stolz darauf war; denn sie glaubte, und das mit Recht, daß
+wenig kleine Mädchen ihres Alters überhaupt etwas von diesen Sachen
+wissen würden.
+
+Die zwölf Geschwornen schrieben alle sehr eifrig auf Schiefertafeln.
+»Was thun sie?« fragte Alice den Greifen in's Ohr. »Sie können ja noch
+nichts aufzuschreiben haben, ehe das Verhör beginnt.«
+
+»Sie schreiben ihre Namen auf,« sagte ihr der Greif in's Ohr, »weil sie
+bange sind, sie zu vergessen, ehe das Verhör zu Ende ist.«
+
+»Dumme Dinger!« fing Alice entrüstet ganz laut an; aber sie hielt
+augenblicklich inne, denn das weiße Kaninchen rief aus: »Ruhe im Saal!«
+und der König setzte seine Brille auf und blickte spähend umher, um zu
+sehen, wer da gesprochen habe.
+
+Alice konnte ganz deutlich sehen, daß alle Geschworne »dumme Dinger!«
+auf ihre Tafeln schrieben, und sie merkte auch, daß Einer von ihnen
+nicht wußte, wie es geschrieben wird, und seinen Nachbar fragen mußte.
+»_Die_ Tafeln werden in einem schönen Zustande sein, wenn das Verhör
+vorüber ist!« dachte Alice.
+
+Einer der Geschwornen hatte einen Tafelstein, der quiekste. Das konnte
+Alice natürlich nicht aushalten, sie ging auf die andere Seite des
+Saales, gelangte dicht hinter ihn und fand sehr bald eine Gelegenheit,
+den Tafelstein fortzunehmen. Sie hatte es so schnell gethan, daß der
+arme kleine Geschworne (es war Wabbel), durchaus nicht begreifen konnte,
+wo sein Griffel hingekommen war; nachdem er ihn also überall gesucht
+hatte, mußte er sich endlich entschließen, mit einem Finger zu
+schreiben, und das war von sehr geringem Nutzen, da es keine Spuren auf
+der Tafel zurückließ.
+
+[Illustration]
+
+»Herold, verlies die Anklage!« sagte der König.
+
+Da blies das weiße Kaninchen drei Mal in die Trompete, entfaltete darauf
+die Pergamentrolle und las wie folgt: --
+
+ »Coeur-Königin, sie buk Kuchen,
+ Juchheisasah, juchhe!
+ Coeur-Bube kam, die Kuchen nahm.
+ Wo sind sie nun? O weh!«
+
+»Gebt euer Urtheil ab!« sprach der König zu den Geschwornen.
+
+»Noch nicht, noch nicht!« unterbrach ihn das Kaninchen schnell. »Da
+kommt noch Vielerlei erst.«
+
+»Laßt den ersten Zeugen eintreten!« sagte der König, worauf das
+Kaninchen drei Mal in die Trompete blies und ausrief: »Erster Zeuge!«
+
+Der erste Zeuge war der Hutmacher. Er kam herein, eine Tasse in einer
+Hand und in der andern ein Stück Butterbrot haltend. »Ich bitte um
+Verzeihung, Eure Majestät, daß ich das mitbringe; aber ich war nicht
+ganz fertig mit meinem Thee, als nach mir geschickt wurde.«
+
+»Du hättest aber damit fertig sein sollen,« sagte der König. »Wann hast
+du damit angefangen?«
+
+Der Hutmacher sah den Faselhasen an, der ihm in den Gerichtssaal gefolgt
+war, Arm in Arm mit dem Murmelthier. »Vierzehnten März, glaube ich war
+es,« sagte er.
+
+»Funfzehnten,« sagte der Faselhase.
+
+»Sechzehnten,« fügte das Murmelthier hinzu.
+
+»Nehmt das zu Protokoll,« sagte der König zu den Geschwornen, und die
+Geschwornen schrieben eifrig die drei Daten auf ihre Tafeln, addirten
+sie dann und machten die Summe zu Groschen und Pfennigen.
+
+»Nimm deinen Hut ab,« sagte der König zum Hutmacher.
+
+»Es ist nicht meiner,« sagte der Hutmacher.
+
+»Gestohlen!« rief der König zu den Geschwornen gewendet aus, welche
+sogleich die Thatsache notirten.
+
+»Ich halte sie zum Verkauf,« fügte der Hutmacher als Erklärung hinzu,
+»ich habe keinen eigenen. Ich bin ein Hutmacher.«
+
+Da setzte sich die Königin die Brille auf und fing an, den Hutmacher
+scharf zu beobachten, was ihn sehr blaß und unruhig machte.
+
+»Gieb du deine Aussage,« sprach der König, »und sei nicht ängstlich,
+oder ich lasse dich auf der Stelle hängen.«
+
+Dies beruhigte den Zeugen augenscheinlich nicht; er stand abwechselnd
+auf dem linken und rechten Fuße, sah die Königin mit großem Unbehagen
+an, und in seiner Befangenheit biß er ein großes Stück aus seiner
+Theetasse statt aus seinem Butterbrot.
+
+Gerade in diesem Augenblick spürte Alice eine seltsame Empfindung, die
+sie sich durchaus nicht erklären konnte, bis sie endlich merkte, was es
+war: sie fing wieder an zu wachsen, und sie wollte sogleich aufstehen
+und den Gerichtshof verlassen; aber nach weiterer Ueberlegung beschloß
+sie zu bleiben, wo sie war, so lange sie Platz genug hatte.
+
+»Du brauchtest mich wirklich nicht so zu drängen,« sagte das
+Murmelthier, welches neben ihr saß. »Ich kann kaum athmen.«
+
+»Ich kann nicht dafür,« sagte Alice bescheiden, »ich wachse.«
+
+»Du hast kein Recht dazu, hier zu wachsen,« sagte das Murmelthier.
+
+»Rede nicht solchen Unsinn,« sagte Alice dreister; »du weißt recht gut,
+daß du auch wächst.«
+
+»Ja, aber ich wachse in vernünftigem Maßstabe,« sagte das Murmelthier,
+»nicht auf so lächerliche Art.« Dabei stand es verdrießlich auf und ging
+an die andere Seite des Saales.
+
+Die ganze Zeit über hatte die Königin unablässig den Hutmacher
+angestarrt, und gerade als das Murmelthier durch den Saal ging, sprach
+sie zu einem der Gerichtsbeamten: »Bringe mir die Liste der Sänger im
+letzten Concerte!« worauf der unglückliche Hutmacher so zitterte, daß
+ihm beide Schuhe abflogen.
+
+[Illustration]
+
+»Gieb deine Aussage,« wiederholte der König ärgerlich, »oder ich werde
+dich hinrichten lassen, ob du dich ängstigst oder nicht.«
+
+»Ich bin ein armer Mann, Eure Majestät,« begann der Hutmacher mit
+zitternder Stimme, »und ich hatte eben erst meinen Thee angefangen --
+nicht länger als eine Woche ungefähr -- und da die Butterbrote so dünn
+wurden -- und es Teller und Töpfe in den Thee schneite.«
+
+»Teller und Töpfe -- was?« fragte der König.
+
+»Es fing mit dem Thee an,« erwiederte der Hutmacher.
+
+»Natürlich fangen Teller und Töpfe mit einem T an. Hältst du mich für
+einen Esel? Rede weiter!«
+
+»Ich bin ein armer Mann,« fuhr der Hutmacher fort, »und seitdem schneite
+Alles -- der Faselhase sagte nur --«
+
+»Nein, ich hab's nicht gesagt!« unterbrach ihn der Faselhase schnell.
+
+»Du hast's wohl gesagt!« rief der Hutmacher.
+
+»Ich läugne es!« sagte der Faselhase.
+
+»Er läugnet es!« sagte der König: »laßt den Theil der Aussage fort.«
+
+»Gut, auf jeden Fall hat's das Murmelthier gesagt --« fuhr der Hutmacher
+fort, indem er sich ängstlich umsah, ob es auch läugnen würde; aber das
+Murmelthier läugnete nichts, denn es war fest eingeschlafen. »Dann,«
+sprach der Hutmacher weiter, »schnitt ich noch etwas Butterbrot --«
+
+»Aber _was_ hat das Murmelthier gesagt?« fragte einer der Geschwornen.
+
+»Das ist mir ganz entfallen,« sagte der Hutmacher.
+
+»Aber es _muß_ dir wieder einfallen,« sagte der König, »sonst lasse ich
+dich köpfen.«
+
+Der unglückliche Hutmacher ließ Tasse und Butterbrot fallen und ließ
+sich auf ein Knie nieder. »Ich bin ein armseliger Mann, Eure Majestät,«
+fing er an.
+
+»Du bist ein _sehr_ armseliger Redner,« sagte der König.
+
+Hier klatschte eins der Meerschweinchen Beifall, was sofort von den
+Gerichtsdienern unterdrückt wurde. (Da dies ein etwas schweres Wort ist,
+so will ich beschreiben, wie es gemacht wurde. Es war ein großer
+Leinwandsack bei der Hand, mit Schnüren zum Zusammenziehen: da hinein
+wurde das Meerschweinchen gesteckt, den Kopf nach unten, und dann saßen
+sie darauf.)
+
+»Es ist mir lieb, daß ich das gesehen habe,« dachte Alice, »ich habe so
+oft in der Zeitung am Ende eines Verhörs gelesen: 'Das Publikum fing an,
+Beifall zu klatschen, was aber sofort von den Gerichtsdienern
+unterdrückt wurde,' und ich konnte bis jetzt nie verstehen, was es
+bedeutete.«
+
+»Wenn dies Alles ist, was du zu sagen weißt, so kannst du abtreten,«
+fuhr der König fort.
+
+»Ich kann nichts mehr abtreten,« sagte der Hutmacher: »ich stehe so
+schon auf den Strümpfen.«
+
+»Dann kannst du _abwarten_, bis du wieder gefragt wirst,« erwiederte der
+König.
+
+Hier klatschte das zweite Meerschweinchen und wurde unterdrückt.
+
+»Ha, nun sind die Meerschweinchen besorgt,« dachte Alice, »nun wird es
+besser vorwärts gehen.«
+
+[Illustration]
+
+»Ich möchte lieber zu meinem Thee zurückgehen,« sagte der Hutmacher mit
+einem ängstlichen Blicke auf die Königin, welche die Liste der Sänger
+durchlas.
+
+»Du kannst gehen,« sagte der König, worauf der Hutmacher eilig den
+Gerichtssaal verließ, ohne sich einmal Zeit zu nehmen, seine Schuhe
+anzuziehen.
+
+»-- und draußen schneidet ihm doch den Kopf ab,« fügte die Königin zu
+einem der Beamten gewandt hinzu; aber der Hutmacher war nicht mehr zu
+sehen, als der Beamte die Thür erreichte.
+
+»Ruft den nächsten Zeugen!« sagte der König.
+
+Der nächste Zeuge war die Köchin der Herzogin. Sie trug die
+Pfefferbüchse in der Hand, und Alice errieth, schon ehe sie in den Saal
+trat, wer es sei, weil alle Leute in der Nähe der Thür mit einem Male
+anfingen zu niesen.
+
+»Gieb deine Aussage,« sagte der König.
+
+»Ne!« antwortete die Köchin.
+
+Der König sah ängstlich das weiße Kaninchen an, welches leise sprach:
+»Eure Majestät müssen diesen Zeugen einem Kreuzverhör unterwerfen.«
+
+»Wohl, wenn ich muß, muß ich,« sagte der König trübsinnig, und nachdem
+er die Arme gekreuzt und die Augenbraunen so fest zusammengezogen hatte,
+daß seine Augen kaum mehr zu sehen waren, sagte er mit tiefer Stimme:
+»Wovon macht man kleine Kuchen?«
+
+»Pfeffer, hauptsächlich,« sagte die Köchin.
+
+»Syrup,« sagte eine schläfrige Stimme hinter ihr.
+
+»Nehmt dieses Murmelthier fest!« heulte die Königin. »Köpft dieses
+Murmelthier! Schafft dieses Murmelthier aus dem Saale! Unterdrückt es!
+Kneift es! Brennt ihm den Bart ab!«
+
+Einige Minuten lang war das ganze Gericht in Bewegung, um das
+Murmelthier fortzuschaffen; und als endlich Alles wieder zur Ruhe
+gekommen war, war die Köchin verschwunden.
+
+»Schadet nichts!« sagte der König und sah aus, als falle ihm ein Stein
+vom Herzen. »Ruft den nächsten Zeugen.« Und zu der Königin gewandt,
+fügte er leise hinzu: »Wirklich, meine Liebe, du mußt das nächste
+Kreuzverhör übernehmen, meine Arme sind schon ganz lahm.«
+
+Alice beobachtete das weiße Kaninchen, das die Liste durchsuchte, da sie
+sehr neugierig war, wer wohl der nächste Zeuge sein möchte, -- »denn sie
+haben noch nicht viel Beweise,« sagte sie für sich. Denkt euch ihre
+Ueberraschung, als das weiße Kaninchen mit seiner höchsten Kopfstimme
+vorlas: »Alice!«
+
+
+
+
+Zwölftes Kapitel.
+
+Alice ist die Klügste.
+
+
+»Hier!« rief Alice, in der augenblicklichen Erregung ganz vergessend,
+wie sehr sie die letzten Minuten gewachsen war; sie sprang in solcher
+Eile auf, daß sie mit ihrem Rock das Pult vor sich umstieß, so daß alle
+Geschworne auf die Köpfe der darunter sitzenden Versammlung fielen. Da
+lagen sie unbehülflich umher und erinnerten sie sehr an ein Glas mit
+Goldfischen, das sie die Woche vorher aus Versehen umgestoßen hatte.
+
+»Oh, ich _bitte_ um Verzeihung,« rief sie mit sehr bestürztem Tone, und
+fing an, sie so schnell wie möglich aufzunehmen; denn der Unfall mit den
+Goldfischen lag ihr noch im Sinne, und sie hatte eine unbestimmte Art
+Vorstellung, als ob sie gleich gesammelt und wieder in ihr Pult gethan
+werden müßten, sonst würden sie sterben.
+
+[Illustration]
+
+»Das Verhör kann nicht fortgesetzt werden,« sagte der König sehr ernst,
+»bis alle Geschworne wieder an ihrem rechten Platze sind -- _alle_,«
+wiederholte er mit großem Nachdrucke, und sah dabei Alice fest an.
+
+Alice sah sich nach dem Pulte um und bemerkte, daß sie in der Eile die
+Eidechse kopfunten hineingestellt hatte, und das arme kleine Ding
+bewegte den Schwanz trübselig hin und her, da es sich übrigens nicht
+rühren konnte. Sie zog es schnell wieder heraus und stellte es richtig
+hinein. »Es hat zwar nichts zu bedeuten,« sagte sie für sich, »ich
+glaube, es würde für das Verhör ganz eben so nützlich sein kopfoben wie
+kopfunten.«
+
+Sobald sich die Geschwornen etwas von dem Schreck erholt hatten,
+umgeworfen worden zu sein, und nachdem ihre Tafeln und Tafelsteine
+gefunden und ihnen zurückgegeben worden waren, machten sie sich eifrig
+daran, die Geschichte ihres Unfalles aufzuschreiben, alle außer der
+Eidechse, welche zu angegriffen war, um etwas zu thun; sie saß nur mit
+offnem Maule da und starrte die Saaldecke an.
+
+»Was weißt du von dieser Angelegenheit?« fragte der König Alice.
+
+»Nichts!« sagte Alice.
+
+»Durchaus nichts?« drang der König in sie.
+
+»Durchaus nichts!« sagte Alice.
+
+»Daß ist sehr wichtig,« sagte der König, indem er sich an die
+Geschwornen wandte. Sie wollten dies eben auf ihre Tafeln schreiben,
+als das weiße Kaninchen ihn unterbrach. »Unwichtig, meinten Eure
+Majestät natürlich!« sagte es in sehr ehrfurchtsvollem Tone, wobei es
+ihn aber mit Stirnrunzeln und verdrießlichem Gesichte ansah.
+
+»_Un_wichtig, natürlich, meinte ich,« bestätigte der König eilig, und fuhr
+mit halblauter Stimme für sich fort: »wichtig -- unwichtig -- unwichtig
+-- wichtig --« als ob er versuchte, welches Wort am besten klänge.
+
+Einige der Geschwornen schrieben auf »wichtig«, und einige »unwichtig.«
+Alice konnte dies sehen, da sie nahe genug war, um ihre Tafeln zu
+überblicken; »aber es kommt nicht das Geringste darauf an,« dachte sie
+bei sich.
+
+In diesem Augenblick rief der König, der eifrig in seinem Notizbuch
+geschrieben hatte, plötzlich aus: »Still!« und las dann aus seinem Buche
+vor: »Zweiundvierzigstes Gesetz. _Alle Personen, die mehr als eine Meile
+hoch sind, haben den Gerichtshof zu verlassen_.
+
+Alle sahen Alice an.
+
+»Ich _bin_ keine Meile groß,« sagte Alice.
+
+»Das bist du wohl,« sagte der König.
+
+»Beinahe zwei Meilen groß,« fügte die Königin hinzu.
+
+»Auf jeden Fall werde ich nicht fortgehen,« sagte Alice, »übrigens ist
+das kein regelmäßiges Gesetz; Sie haben es sich eben erst ausgedacht.«
+
+»Es ist das älteste Gesetz in dem Buche,« sagte der König.
+
+»Dann müßte es Nummer Eins sein,« sagte Alice.
+
+Der König erbleichte und machte sein Notizbuch schnell zu. »Gebt euer
+Urtheil ab!« sagte er leise und mit zitternder Stimme zu den
+Geschwornen.
+
+»Majestät halten zu Gnaden, es sind noch mehr Beweise aufzunehmen,«
+sagte das weiße Kaninchen, indem es eilig aufsprang; »dieses Papier ist
+soeben gefunden worden.«
+
+»Was enthält es?« fragte die Königin.
+
+»Ich habe es noch nicht geöffnet,« sagte das weiße Kaninchen, »aber es
+scheint ein Brief von dem Gefangenen an -- an Jemand zu sein.«
+
+»Ja, das wird es wohl sein,« sagte der König, »wenn es nicht an Niemand
+ist, was, wie bekannt nicht oft vorkommt.«
+
+»An wen ist es adressirt?« fragte einer der Geschwornen.
+
+»Es ist gar nicht adressirt,« sagte das weiße Kaninchen; »überhaupt
+steht auf der _Außenseite_ gar nichts.« Es faltete bei diesen Worten das
+Papier auseinander und sprach weiter: »Es ist übrigens gar kein Brief,
+es sind Verse.«
+
+»Sind sie in der Handschrift des Gefangenen?« fragte ein anderer
+Geschworner.
+
+»Nein, das sind sie nicht,« sagte das weiße Kaninchen, »und das ist das
+Merkwürdigste dabei.« (Die Geschwornen sahen alle ganz verdutzt aus.)
+
+»Er muß eines Andern Handschrift nachgeahmt haben,« sagte der König.
+(Die Gesichter der Geschwornen klärten sich auf.)
+
+»Eure Majestät halten zu Gnaden,« sagte der Bube, »ich habe es nicht
+geschrieben, und Niemand kann beweisen, daß ich es geschrieben haben, es
+ist keine Unterschrift darunter.«
+
+»Wenn du es nicht unterschrieben hast,« sagte der König, »so macht das
+die Sache nur schlimmer. Du mußt schlechte Absichten dabei gehabt haben,
+sonst hättest du wie ein ehrlicher Mann deinen Namen darunter gesetzt.«
+
+Hierauf folgte allgemeines Beifallklatschen; es war der erste wirklich
+kluge Ausspruch, den der König an dem Tage gethan hatte.
+
+»Das _beweist_ seine Schuld,« sagte die Königin.
+
+»Es beweist durchaus gar nichts!« sagte Alice, »Ihr wißt ja noch nicht
+einmal, worüber die Verse sind!«
+
+»Lies sie!« sagte der König.
+
+Das weiße Kaninchen setzte seine Brille auf. »Wo befehlen Eure Majestät,
+daß ich anfangen soll?« fragte es.
+
+»Fange beim Anfang an,« sagte der König ernsthaft, »und lies bis du an's
+Ende kommst, dann halte an.«
+
+Dies waren die Verse, welche das weiße Kaninchen vorlas: --
+
+ »Ich höre ja du warst bei ihr,
+ Und daß er mir es gönnt;
+ Sie sprach, sie hielte viel von mir,
+ Wenn ich nur schwimmen könnt'!
+
+ Er schrieb an sie, ich ginge nicht
+ (Nur wußten wir es gleich):
+ Wenn ihr viel an der Sache liegt,
+ Was würde dann aus euch?
+
+ Ich gab ihr eins, sie gab ihm zwei,
+ Ihr gabt uns drei Mal vier;
+ Jetzt sind sie hier, er steht dabei;
+ Doch alle gehörten erst mir.
+
+ Würd' ich und sie vielleicht darein
+ Verwickelt und verfahren,
+ Vertraut er dir, sie zu befrei'n,
+ Gerade wie wir waren.
+
+ Ich dachte schon in meinem Sinn,
+ Eh' sie den Anfall hätt',
+ Ihr wär't derjenige, der ihn,
+ Es und uns hindertet.
+
+ Sag' ihm um keinen Preis, daß ihr
+ Die Andern lieber war'n;
+ Denn keine Seele außer dir
+ Und mir darf dies erfahr'n.«
+
+»Das ist das wichtigste Beweisstück, das wir bis jetzt gehört haben,«
+sagte der König, indem er sich die Hände rieb; »laßt also die
+Geschwornen --«
+
+»Wenn es Einer von ihnen erklären kann,« sagte Alice (sie war die
+letzten Paar Minuten so sehr gewachsen, daß sie sich gar nicht
+fürchtete, ihn zu unterbrechen), »so will ich ihm sechs Dreier schenken.
+Ich finde, daß auch keine Spur von Sinn darin ist.«
+
+Die Geschwornen schrieben Alle auf ihre Tafeln: »Sie findet, daß auch
+keine Spur von Sinn darin ist;« aber keiner von ihnen versuchte, das
+Schriftstück zu erklären.
+
+»Wenn kein Sinn darin ist,« sagte der König, »das spart uns ja ungeheuer
+viel Arbeit; dann haben wir nicht nöthig, ihn zu suchen. Und dennoch
+weiß ich nicht,« fuhr er fort, indem er das Papier auf dem Knie
+ausbreitete und es prüfend beäugelte, »es kommt mir vor, als könnte ich
+etwas Sinn darin finden. '-- wenn ich nur schwimmen könnt'!' du kannst
+nicht schwimmen, nicht wahr?« wandte er sich an den Buben.
+
+Der Bube schüttelte traurig das Haupt. »Seh' ich etwa danach aus?« (was
+freilich nicht der Fall war, da er gänzlich aus Papier bestand.)
+
+»Das trifft zu, so weit,« sagte der König und fuhr fort, die Verse leise
+durchzulesen. »'Nur wußten wir es gleich' -- das sind die Geschwornen,
+natürlich -- 'Ich gab ihr eins, sie gab ihm zwei --' ja wohl, so hat
+er's mit den Kuchen gemacht, versteht sich --«
+
+»Aber es geht weiter: 'Jetzt sind sie hier,'« sagte Alice.
+
+»Freilich, da sind sie ja! er steht dabei!« sagte der König triumphirend
+und wies dabei nach den Kuchen auf dem Tische und nach dem Buben;
+»nichts kann klarer sein. Dann wieder -- 'Eh sie den Anfall hätt'' -- du
+hast nie einen Anfall gehabt, Liebe, glaube ich,« sagte er zu der
+Königin.
+
+[Illustration]
+
+»Niemals,« rief die Königin wüthend und warf dabei der Eidechse ein
+Tintenfaß an den Kopf. (Der unglückliche kleine Wabbel hatte aufgehört,
+mit dem Finger auf seiner Tafel zu schreiben, da er merkte, daß es keine
+Spuren hinterließ; doch nun fing er eilig wieder an, indem er die Tinte
+benutzte, die von seinem Gesichte herabträufelte, so lange dies
+vorhielt.)
+
+»Dann ist dies nicht dein _Fall_,« sagte der König und blickte lächelnd in
+dem ganzen Saale herum. Alles blieb todtenstill.
+
+»-- 's ist ja 'n Witz!« fügte der König in ärgerlichem Tone hinzu --
+sogleich lachte Jedermann. »Die Geschwornen sollen ihren Ausspruch
+thun,« sagte der König wohl zum zwanzigsten Male.
+
+»Nein, nein!« sagte die Königin. »Erst das Urtheil, der Ausspruch der
+Geschwornen nachher.«
+
+»Dummer Unsinn!« sagte Alice laut. »Was für ein Einfall, erst das
+Urtheil haben zu wollen!«
+
+»Halt den Mund!« sagte die Königin, indem sie purpurroth wurde.
+
+»Ich will nicht!« sagte Alice.
+
+»Schlagt ihr den Kopf ab!« brüllte die Königin so laut sie konnte.
+Niemand rührte sich.
+
+»Wer fragt nach euch?« sagte Alice (unterdessen hatte sie ihre volle
+Größe erreicht). »Ihr seid nichts weiter als ein Spiel Karten!«
+
+[Illustration]
+
+Bei diesen Worten erhob sich das ganze Spiel in die Luft und flog auf
+sie herab; sie schrie auf, halb vor Furcht, halb vor Aerger, versuchte
+sie sich abzuwehren und merkte, daß sie am Ufer lag, den Kopf auf dem
+Schoße ihrer Schwester, welche leise einige welke Blätter fortnahm, die
+ihr von den Bäumen herunter auf's Gesicht gefallen waren.
+
+»Wach auf, liebe Alice!« sagte ihre Schwester; »du hast mal lange
+geschlafen!«
+
+»O, und ich habe einen so merkwürdigen Traum gehabt!« sagte Alice, und
+sie erzählte ihrer Schwester, so gut sie sich errinnern konnte, alle die
+seltsamen Abenteuer, welche ihr eben gelesen habt. Als sie fertig war,
+gab ihre Schwester ihr einen Kuß und sagte: »Es _war_ ein sonderbarer
+Traum, das ist gewiß; aber nun lauf hinein zum Thee, es wird spät.« Da
+stand Alice auf und rannte fort, und dachte dabei, und zwar mit Recht,
+daß es doch ein wunderschöner Traum gewesen sei.
+
+ * * * * *
+
+Aber ihre Schwester blieb sitzen, wie sie sie verlassen hatte, den Kopf
+auf die Hand gestützt, blickte in die untergehende Sonne und dachte an
+die kleine Alice und ihre wunderbaren Abenteuer, bis auch sie auf ihre
+Weise zu träumen anfing, und dies war ihr Traum:
+
+Zuerst träumte sie von der kleinen Alice selbst: wieder sah sie die
+kleinen Händchen zusammengefaltet auf ihrem Knie, und die klaren
+sprechenden Augen, die zu ihr aufblickten -- sie konnte selbst den Ton
+ihrer Stimme hören und das komische Zurückwerfen des kleinen Köpfchens
+sehen, womit sie die einzelnen Haare abschüttelte, die ihr immer wieder
+in die Augen kamen -- und jemehr sie zuhörte oder zuzuhören meinte, desto
+mehr belebte sich der ganze Platz um sie herum mit den seltsamen
+Geschöpfen aus ihrer kleinen Schwester Traum.
+
+Das lange Gras zu ihren Füßen rauschte, da das weiße Kaninchen
+vorbeihuschte -- die erschrockene Maus plätscherte durch den nahen Teich
+-- sie konnte das Klappern der Theetassen hören, wo der Faselhase und
+seine Freunde ihre immerwährende Mahlzeit hielten, und die gellende
+Stimme der Königin, die ihre unglücklichen Gäste zur Hinrichtung
+abschickte -- wieder nieste das Ferkel-Kind auf dem Schoße der Herzogin,
+während Pfannen und Schüsseln rund herum in Scherben brachen -- wieder
+erfüllten der Schrei des Greifen, das Quieken von dem Tafelstein der
+Eidechse und das Stöhnen des unterdrückten Meerschweinchens die Luft und
+vermischten sich mit dem Schluchzen der unglücklichen falschen
+Schildkröte in der Entfernung.
+
+So saß sie da, mit geschlossenen Augen, und glaubte fast, sie sei im
+Wunderlande, obgleich sie ja wußte, daß sobald sie die Augen öffnete,
+Alles wieder zur alltäglichen Wirklichkeit werden würde; das Gras würde
+dann nur im Winde rauschen, der Teich mit seinem Rieseln das Wogen des
+Rohres begleiten; das Klappern der Theetassen würde sich in klingende
+Heerdenglocken verwandeln und die gellende Stimme der Königin in die
+Rufe des Hirtenknaben -- und das Niesen des Kindes, das Geschrei des
+Greifen und all die andern außerordentlichen Töne würden sich (das wußte
+sie) in das verworrene Getöse des geschäftigen Gutshofes verwandeln --
+während sie statt des schwermüthigen Schluchzens der falschen
+Schildkröte in der Ferne das wohlbekannte Brüllen des Rindviehes hören
+würde.
+
+Endlich malte sie sich aus, wie ihre kleine Schwester Alice in späterer
+Zeit selbst erwachsen sein werde; und wie sie durch alle reiferen Jahre
+hindurch das einfache liebevolle Herz ihrer Kindheit bewahren, und wie
+sie andere kleine Kinder um sich versammeln und _deren_ Blicke neugierig
+und gespannt machen werde mit manch einer wunderbaren Erzählung,
+vielleicht sogar mit dem Traume vom Wunderlande aus alten Zeiten; und
+wie sie alle ihre kleinen Sorgen nachfühlen, sich über alle ihre kleinen
+Freuden mitfreuen werde in der Erinnerung an ihr eigenes Kindesleben und
+die glücklichen Sommertage.
+
+
+
+
+
+End of Project Gutenberg's Alice's Abenteuer im Wunderland, by Lewis Carroll
+
+*** END OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK ALICE'S ABENTEUER IM WUNDERLAND ***
+
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+Produced by Ralph Janke, David Starner, Marilynda
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+works. See paragraph 1.E below.
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+Gutenberg-tm electronic works. Nearly all the individual works in the
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+because of the efforts of hundreds of volunteers and donations from
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+Volunteers and financial support to provide volunteers with the
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+Gutenberg Literary Archive Foundation was created to provide a secure
+and permanent future for Project Gutenberg-tm and future generations.
+To learn more about the Project Gutenberg Literary Archive Foundation
+and how your efforts and donations can help, see Sections 3 and 4
+and the Foundation web page at http://www.pglaf.org.
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+
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+Foundation
+
+The Project Gutenberg Literary Archive Foundation is a non profit
+501(c)(3) educational corporation organized under the laws of the
+state of Mississippi and granted tax exempt status by the Internal
+Revenue Service. The Foundation's EIN or federal tax identification
+number is 64-6221541. Its 501(c)(3) letter is posted at
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+Literary Archive Foundation are tax deductible to the full extent
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+ The Project Gutenberg eBook of Alice's Abenteur im Wunderland, Lewis Carroll.
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+<pre>
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+Project Gutenberg's Alice's Abenteuer im Wunderland, by Lewis Carroll
+
+This eBook is for the use of anyone anywhere at no cost and with
+almost no restrictions whatsoever. You may copy it, give it away or
+re-use it under the terms of the Project Gutenberg License included
+with this eBook or online at www.gutenberg.org
+
+
+Title: Alice's Abenteuer im Wunderland
+
+Author: Lewis Carroll
+
+Illustrator: John Tenniel
+
+Translator: Antonie Zimmermann
+
+Release Date: February 28, 2007 [EBook #19778]
+[This file was first posted on November 13, 2006]
+[Last updated: June 22, 2011]
+
+Language: German
+
+Character set encoding: ISO-8859-1
+
+*** START OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK ALICE'S ABENTEUER IM WUNDERLAND ***
+
+
+
+
+Produced by Ralph Janke, David Starner, Marilynda
+Fraser-Cunliffe and the Online Distributed Proofreading
+Team at http://www.pgdp.net
+
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+
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+
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+<div class="figcenter" style="width: 345px;">
+<a href="images/frontipiece.jpg"><img src="images/frontipiece.jpg" width="345" height="500" alt="" title="" /></a>
+</div>
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+
+
+
+<hr style="width: 65%;" />
+<h2><a name="Alices_Abenteuer" id="Alices_Abenteuer"></a>Alice's Abenteuer</h2>
+
+<h3>im Wunderland</h3>
+
+<p class="center">von</p>
+
+<h3>Lewis Carroll.</h3>
+
+<h4>Aus dem Englischen von Antonie Zimmermann.</h4>
+
+<hr style="width: 15%;" />
+
+<p class="center">Mit zweiundvierzig Illustrationen</p>
+
+<p class="center">von</p>
+
+<h5>John Tenniel.</h5>
+
+<p class="center">Autorisirte Ausgabe.</p>
+
+<hr style="width: 45%;" />
+
+<h4>Leipzig</h4>
+
+<p class="center">Johann Friedrich Hartknoch.</p>
+
+<hr style="width: 50%;" />
+
+<p class="center">
+Originally published in 1869.
+</p>
+
+<hr style="width: 65%;" />
+
+<div class="poem"><div class="stanza">
+<span class="i0">O sch&ouml;ner, goldner Nachmittag,<br /></span>
+<span class="i0">Wo Flut und Himmel lacht!<br /></span>
+<span class="i0">Von schwacher Kindeshand bewegt,<br /></span>
+<span class="i0">Die Ruder pl&auml;tschern sacht &mdash;<br /></span>
+<span class="i0">Das Steuer h&auml;lt ein Kindesarm<br /></span>
+<span class="i0">Und lenket unsre Fahrt.<br /></span>
+</div><div class="stanza">
+<span class="i0">So fuhren wir gem&auml;chlich hin<br /></span>
+<span class="i0">Auf tr&auml;umerischen Wellen &mdash;<br /></span>
+<span class="i0">Doch ach! die drei vereinten sich,<br /></span>
+<span class="i0">Den m&uuml;den Freund zu qu&auml;len &mdash;<br /></span>
+<span class="i0">Sie trieben ihn, sie dr&auml;ngten ihn,<br /></span>
+<span class="i0">Ein M&auml;hrchen zu erz&auml;hlen.<br /></span>
+</div><div class="stanza">
+<span class="i0">Die erste gab's Commandowort;<br /></span>
+<span class="i0">O schnell, o fange an!<br /></span>
+<span class="i0">Und mach' es so, die Zweite bat,<br /></span>
+<span class="i0">Da&szlig; man recht lachen kann!<br /></span>
+<span class="i0">Die Dritte lie&szlig; ihm keine Ruh<br /></span>
+<span class="i0">Mit wie? und wo? und wann?<br /></span>
+</div><div class="stanza">
+<span class="i0">Jetzt lauschen sie vom Zauberland<br /></span>
+<span class="i0">Der wunderbaren M&auml;hr';<br /></span>
+<span class="i0">Mit Thier und Vogel sind sie bald<br /></span>
+<span class="i0">In freundlichem Verkehr,<br /></span>
+<span class="i0">Und f&uuml;hlen sich so heimisch dort,<br /></span>
+<span class="i0">Als ob es Wahrheit w&auml;r'. &mdash;<br /></span>
+</div><div class="stanza">
+<span class="i0">Und jedes Mal, wenn Fantasie<br /></span>
+<span class="i0">Dem Freunde ganz versiegt: &mdash;<br /></span>
+<span class="i0">&raquo;Das Uebrige ein ander Mal!&laquo;<br /></span>
+<span class="i0">O nein, sie leiden's nicht.<br /></span>
+<span class="i0">&raquo;&raquo;Es ist ja schon ein ander Mal!&laquo;&laquo; &mdash;<br /></span>
+<span class="i0">So rufen sie vergn&uuml;gt.<br /></span>
+</div><div class="stanza">
+<span class="i0">So ward vom sch&ouml;nen Wunderland<br /></span>
+<span class="i0">Das M&auml;rchen ausgedacht,<br /></span>
+<span class="i0">So langsam St&uuml;ck f&uuml;r St&uuml;ck erz&auml;hlt,<br /></span>
+<span class="i0">Beplaudert und belacht,<br /></span>
+<span class="i0">Und froh, als es zu Ende war,<br /></span>
+<span class="i0">Der Weg nach Haus gemacht.<br /></span>
+</div><div class="stanza">
+<span class="i0">Alice! o nimm es freundlich an!<br /></span>
+<span class="i0">Leg' es mit g&uuml;t'ger Hand<br /></span>
+<span class="i0">Zum Strau&szlig;e, den Erinnerung<br /></span>
+<span class="i0">Aus Kindheitstr&auml;umen band,<br /></span>
+<span class="i0">Gleich welken Bl&uuml;then, mitgebracht<br /></span>
+<span class="i0">Aus liebem, fernen Land.<br /></span>
+</div></div>
+
+
+
+<hr style="width: 45%;" />
+<p>[Der Verfasser w&uuml;nscht hiermit seine Anerkennung gegen die Uebersetzerin
+auszusprechen, die einige eingestreute Parodien englischer Kinderlieder,
+welche der deutschen Jugend unverst&auml;ndlich gewesen w&auml;ren, durch
+dergleichen von bekannten deutschen Gedichten ersetzt hat. Ebenso sind
+f&uuml;r die oft un&uuml;bersetzbaren englischen Wortspiele passende deutsche
+eingeschoben worden, welche das Buch allein der Gewandtheit der
+Uebersetzerin verdankt.]</p>
+
+
+
+<hr style="width: 65%;" />
+<h2><a name="Inhalt" id="Inhalt"></a>Inhalt.</h2>
+
+
+<div class='center'>
+<table border="0" cellpadding="4" cellspacing="0" summary="">
+<tr valign="top"><td align='right'>1.</td><td align='left'><a href="#Erstes_Kapitel">Hinunter in den Kaninchenbau</a></td><td style="width: 20%;">&nbsp;</td><td align='right'><a href="#Page_1">1</a></td></tr>
+<tr valign="top"><td align='right'>2.</td><td align='left'><a href="#Zweites_Kapitel">Der Thr&auml;nenpfuhl</a></td><td>&nbsp;</td><td align='right'><a href="#Page_14">14</a></td></tr>
+<tr valign="top"><td align='right'>3.</td><td align='left'><a href="#Drittes_Kapitel">Caucus-Rennen, und was daraus wird</a></td><td>&nbsp;</td><td align='right'><a href="#Page_27">27</a></td></tr>
+<tr valign="top"><td align='right'>4.</td><td align='left'><a href="#Viertes_Kapitel">Die Wohnung des Kaninchens</a></td><td>&nbsp;</td><td align='right'><a href="#Page_39">39</a></td></tr>
+<tr valign="top"><td align='right'>5.</td><td align='left'><a href="#Funftes_Kapitel">Guter Rath von einer Raupe</a></td><td>&nbsp;</td><td align='right'><a href="#Page_55">55</a></td></tr>
+<tr valign="top"><td align='right'>6.</td><td align='left'><a href="#Sechstes_Kapitel">Ferkel und Pfeffer</a></td><td>&nbsp;</td><td align='right'><a href="#Page_71">71</a></td></tr>
+<tr valign="top"><td align='right'>7.</td><td align='left'><a href="#Siebentes_Kapitel">Die tolle Theegesellschaft</a></td><td>&nbsp;</td><td align='right'><a href="#Page_88">88</a></td></tr>
+<tr valign="top"><td align='right'>8.</td><td align='left'><a href="#Achtes_Kapitel">Das Croquetfeld der K&ouml;nigin</a></td><td>&nbsp;</td><td align='right'><a href="#Page_104">104</a></td></tr>
+<tr valign="top"><td align='right'>9.</td><td align='left'><a href="#Neuntes_Kapitel">Die Geschichte der falschen Schildkr&ouml;te</a></td><td>&nbsp;</td><td align='right'><a href="#Page_121">121</a></td></tr>
+<tr valign="top"><td align='right'>10.</td><td align='left'><a href="#Zehntes_Kapitel">Das Hummerballet</a></td><td>&nbsp;</td><td align='right'><a href="#Page_137">137</a></td></tr>
+<tr valign="top"><td align='right'>11.</td><td align='left'><a href="#Elftes_Kapitel">Wer hat die Kuchen gestohlen?</a></td><td>&nbsp;</td><td align='right'><a href="#Page_150">150</a></td></tr>
+<tr valign="top"><td align='right'>12.</td><td align='left'><a href="#Zwolftes_Kapitel">Alice ist die Kl&uuml;gste</a></td><td>&nbsp;</td><td align='right'><a href="#Page_163">163</a></td></tr>
+</table></div>
+
+
+<hr style="width: 65%;" />
+<p><a class="page" name="Page_1" id ="Page_1" title="1"></a></p>
+<div class="figcenter" style="width: 330px;">
+<img src="images/p001.png" width="330" height="454" alt="" title="" />
+</div>
+
+
+
+<h2><a name="Erstes_Kapitel" id="Erstes_Kapitel"></a><a href="#Inhalt">Erstes Kapitel.</a></h2>
+
+<h2>Hinunter in den Kaninchenbau.</h2>
+
+
+<p>Alice fing an sich zu langweilen; sie sa&szlig; schon lange bei ihrer
+Schwester am Ufer und hatte nichts zu thun. Das Buch, das ihre Schwester
+las, gefiel ihr nicht; denn es waren weder Bilder noch<a class="page" name="Page_2" id ="Page_2" title="2"></a> Gespr&auml;che darin.
+&raquo;Und was n&uuml;tzen B&uuml;cher,&laquo; dachte Alice, &raquo;ohne Bilder und Gespr&auml;che?&laquo;</p>
+
+<p>Sie &uuml;berlegte sich eben, (so gut es ging, denn sie war schl&auml;frig und
+dumm von der Hitze,) ob es der M&uuml;he werth sei aufzustehen und
+G&auml;nsebl&uuml;mchen zu pfl&uuml;cken, um eine Kette damit zu machen, als pl&ouml;tzlich
+ein wei&szlig;es Kaninchen mit rothen Augen dicht an ihr vorbeirannte.</p>
+
+<p>Dies war grade nicht <em class="gesperrt">sehr</em> merkw&uuml;rdig; Alice fand es auch nicht <em class="gesperrt">sehr</em>
+au&szlig;erordentlich, da&szlig; sie das Kaninchen sagen h&ouml;rte: &raquo;O weh, o weh! Ich
+werde zu sp&auml;t kommen!&laquo; (Als sie es sp&auml;ter wieder &uuml;berlegte, fiel ihr
+ein, da&szlig; sie sich dar&uuml;ber h&auml;tte wundern sollen, doch zur Zeit kam es ihr
+Alles ganz nat&uuml;rlich vor.) Aber als das Kaninchen <em class="gesperrt">seine Uhr aus der
+Westentasche zog</em>, nach der Zeit sah und eilig fortlief, sprang Alice
+auf; denn es war ihr doch noch nie vorgekommen, ein Kaninchen mit einer
+Westentasche und eine Uhr darin zu sehen. Vor Neugierde brennend, rannte
+sie ihm nach, &uuml;ber den Grasplatz, und kam noch zur rechten Zeit, um es
+in ein gro&szlig;es Loch unter der Hecke schl&uuml;pfen zu sehen.</p>
+
+<p>Den n&auml;chsten Augenblick war sie ihm nach in das<a class="page" name="Page_3" id ="Page_3" title="3"></a> Loch hineingesprungen,
+ohne zu bedenken, wie in aller Welt sie wieder herauskommen k&ouml;nnte.</p>
+
+<p>Der Eingang zum Kaninchenbau lief erst geradeaus, wie ein Tunnel und
+ging dann pl&ouml;tzlich abw&auml;rts; ehe Alice noch den Gedanken fassen konnte
+sich schnell festzuhalten, f&uuml;hlte sie schon, da&szlig; sie fiel, wie es
+schien, in einen tiefen, tiefen Brunnen.</p>
+
+<p>Entweder mu&szlig;te der Brunnen sehr tief sein, oder sie fiel sehr langsam;
+denn sie hatte Zeit genug, sich beim Fallen umzusehen und sich zu
+wundern, was nun wohl geschehen w&uuml;rde. Zuerst versuchte sie hinunter zu
+sehen, um zu wissen wohin sie k&auml;me, aber es war zu dunkel etwas zu
+erkennen. Da besah sie die W&auml;nde des Brunnens und bemerkte, da&szlig; sie mit
+K&uuml;chenschr&auml;nken und B&uuml;cherbrettern bedeckt waren; hier und da erblickte
+sie Landkarten und Bilder, an Haken aufgeh&auml;ngt. Sie nahm im Vorbeifallen
+von einem der Bretter ein T&ouml;pfchen mit der Aufschrift: &raquo;<em class="gesperrt">Eingemachte
+Apfelsinen</em>&laquo;, aber zu ihrem gro&szlig;en Verdru&szlig; war es leer. Sie wollte es
+nicht fallen lassen, aus Furcht Jemand unter sich zu t&ouml;dten; und es
+gelang ihr, es in einen andern Schrank, an dem sie vorbeikam, zu
+schieben.</p>
+
+<p>&raquo;Nun!&laquo; dachte Alice bei sich, &raquo;nach einem solchen<a class="page" name="Page_4" id ="Page_4" title="4"></a> Fall werde ich mir
+nichts daraus machen, wenn ich die Treppe hinunter stolpere. Wie muthig
+sie mich zu Haus finden werden! Ich w&uuml;rde nicht viel Redens machen, wenn
+ich selbst von der Dachspitze hinunter fiele!&laquo; (Was sehr wahrscheinlich
+war.)</p>
+
+<p>Hinunter, hinunter, hinunter! Wollte denn der Fall nie endigen? &raquo;Wie
+viele Meilen ich wohl jetzt gefallen bin!&laquo; sagte sie laut. &raquo;Ich mu&szlig;
+ungef&auml;hr am Mittelpunkt der Erde sein. La&szlig; sehen: das w&auml;ren achthundert
+und funfzig Meilen, glaube ich &mdash;&laquo; (denn ihr m&uuml;&szlig;t wissen, Alice hatte
+dergleichen in der Schule gelernt, und obgleich dies keine <em class="gesperrt">sehr</em> gute
+Gelegenheit war, ihre Kenntnisse zu zeigen, da Niemand zum Zuh&ouml;ren da
+war, so &uuml;bte sie es sich doch dabei ein) &mdash; &raquo;ja, das ist ungef&auml;hr die
+Entfernung; aber zu welchem L&auml;nge- und Breitegrade ich wohl gekommen
+sein mag?&laquo; (Alice hatte nicht den geringsten Begriff, was weder
+L&auml;ngegrad noch Breitegrad war; doch klangen ihr die Worte gro&szlig;artig und
+nett zu sagen.)</p>
+
+<p>Bald fing sie wieder an. &raquo;Ob ich wohl ganz durch die Erde fallen werde!
+Wie komisch das sein wird, bei den Leuten heraus zu kommen, die auf dem
+Kopfe gehen! die Antipathien, glaube ich.&laquo; (Diesmal war es ihr ganz<a class="page" name="Page_5" id ="Page_5" title="5"></a>
+lieb, da&szlig; Niemand zuh&ouml;rte, denn das Wort klang ihr gar nicht recht.)
+&raquo;Aber nat&uuml;rlich werde ich sie fragen m&uuml;ssen, wie das Land hei&szlig;t. Bitte,
+liebe Dame, ist dies Neu-Seeland oder Australien?&laquo; (Und sie versuchte
+dabei zu knixen, &mdash; denkt doch, knixen, wenn man durch die Luft f&auml;llt!
+K&ouml;nntet ihr das fertig kriegen?) &raquo;Aber sie werden mich f&uuml;r ein
+unwissendes kleines M&auml;dchen halten, wenn ich frage! Nein, es geht nicht
+an zu fragen; vielleicht sehe ich es irgendwo angeschrieben.&laquo;</p>
+
+<p>Hinunter, hinunter, hinunter! Sie konnte nichts weiter thun, also fing
+<em class="gesperrt">Alice</em> bald wieder zu sprechen an. &raquo;<em class="gesperrt">Dinah</em> wird mich gewi&szlig; heut Abend
+recht suchen!&laquo; (<em class="gesperrt">Dinah</em> war die Katze.) &raquo;Ich hoffe, sie werden ihren Napf
+Milch zur Theestunde nicht vergessen. <em class="gesperrt">Dinah!</em> Mies! ich wollte, du w&auml;rest
+hier unten bei mir. Mir ist nur bange, es giebt keine M&auml;use in der Luft;
+aber du k&ouml;nntest einen Spatzen fangen; die wird es hier in der Luft wohl
+geben, glaubst du nicht? Und Katzen fressen doch Spatzen?&laquo; Hier wurde
+Alice etwas schl&auml;frig und redete halb im Traum fort. &raquo;Fressen Katzen
+gern Spatzen? Fressen Katzen gern Spatzen? Fressen Spatzen gern Katzen?&laquo;
+Und da ihr Niemand zu antworten brauchte,<a class="page" name="Page_6" id ="Page_6" title="6"></a> so kam es gar nicht darauf
+an, wie sie die Frage stellte. Sie f&uuml;hlte, da&szlig; sie einschlief und hatte
+eben angefangen zu tr&auml;umen, sie gehe Hand in Hand mit <em class="gesperrt">Dinah</em> spazieren,
+und frage sie ganz ernsthaft: &raquo;Nun, <em class="gesperrt">Dinah</em>, sage die Wahrheit, hast du je
+einen Spatzen gefressen?&laquo; da mit einem Male, plump! plump! kam sie auf
+einen Haufen trocknes Laub und Reisig zu liegen, &mdash; und der Fall war aus.</p>
+
+<p>Alice hatte sich gar nicht weh gethan. Sie sprang sogleich auf und sah
+in die H&ouml;he; aber es war dunkel &uuml;ber ihr. Vor ihr lag ein zweiter langer
+Gang, und sie konnte noch eben das wei&szlig;e Kaninchen darin entlang laufen
+sehen. Es war kein Augenblick zu verlieren: fort rannte Alice wie der
+Wind, und h&ouml;rte es gerade noch sagen, als es um eine Ecke bog: &raquo;O, Ohren
+und Schnurrbart, wie sp&auml;t es ist!&laquo; Sie war dicht hinter ihm, aber als
+sie um die Ecke bog, da war das Kaninchen nicht mehr zu sehen. Sie
+befand sich in einem langen, niedrigen Corridor, der durch eine Reihe
+Lampen erleuchtet war, die von der Decke herabhingen.</p>
+
+<p>Zu beiden Seiten des Corridors waren Th&uuml;ren; aber sie waren alle
+verschlossen. Alice versuchte jede Th&uuml;r erst auf einer Seite, dann auf
+der andern; end<a class="page" name="Page_7" id ="Page_7" title="7"></a>lich ging sie traurig in der Mitte entlang, &uuml;berlegend,
+wie sie je heraus kommen k&ouml;nnte.</p>
+
+<p>Pl&ouml;tzlich stand sie vor einem kleinen dreibeinigen Tische, <em class="gesperrt">ganz von
+dickem Glas</em>. Es war nichts darauf als ein winziges goldenes
+Schl&uuml;sselchen, und <em class="gesperrt">Alice's</em> erster Gedanke war, dies m&ouml;chte zu einer der
+Th&uuml;ren des Corridors geh&ouml;ren. Aber ach! entweder waren die Schl&ouml;sser zu
+gro&szlig;, oder der Schl&uuml;ssel war zu klein; kurz, er pa&szlig;te zu keiner
+einzigen. Jedoch, als sie das zweite Mal herum ging, kam sie an einen
+niedrigen Vorhang, den sie vorher nicht bemerkt hatte, und dahinter war
+eine Th&uuml;r, ungef&auml;hr funfzehn Zoll hoch. Sie steckte das goldene
+Schl&uuml;sselchen in's Schl&uuml;sselloch, und zu ihrer gro&szlig;en Freude pa&szlig;te es.</p>
+
+<p>Alice schlo&szlig; die Th&uuml;r auf und fand, da&szlig; sie zu einem kleinen Gange
+f&uuml;hrte, nicht viel gr&ouml;&szlig;er als ein M&auml;useloch. Sie kniete nieder und sah
+durch den Gang in den reizendsten Garten, den man sich denken kann. Wie
+w&uuml;nschte sie, aus dem dunkeln Corridor zu gelangen, und unter den bunten
+Blumenbeeten und k&uuml;hlen Springbrunnen umher zu wandern; aber sie konnte
+kaum den Kopf durch den Eingang stecken. &raquo;Und wenn auch mein Kopf
+hindurch ginge,&laquo; dachte die arme Alice,<a class="page" name="Page_8" id ="Page_8" title="8"></a> &raquo;was w&uuml;rde es n&uuml;tzen ohne die
+Schultern. O, ich m&ouml;chte mich zusammenschieben k&ouml;nnen wie ein Teleskop!
+Das geht gewi&szlig;, wenn ich nur w&uuml;&szlig;te, wie man es anf&auml;ngt.&laquo; Denn es war
+k&uuml;rzlich so viel Merkw&uuml;rdiges mit ihr vorgegangen, da&szlig; Alice anfing zu
+glauben, es sei fast nichts unm&ouml;glich.</p>
+
+<div class="figcenter" style="width: 395px;">
+<img src="images/p008.png" width="395" height="400" alt="" title="" />
+</div>
+
+<p>Es schien ihr ganz unn&uuml;tz, l&auml;nger bei der kleinen Th&uuml;r zu warten. Daher
+ging sie zum Tisch zur&uuml;ck, halb und halb hoffend, sie w&uuml;rde noch einen
+Schl&uuml;ssel darauf finden, oder jedenfalls ein Buch mit Anweisungen, wie
+man sich als Teleskop zusammenschieben k&ouml;nne. Diesmal<a class="page" name="Page_9" id ="Page_9" title="9"></a> fand sie ein
+Fl&auml;schchen darauf. &raquo;Das gewi&szlig; vorhin nicht hier stand,&laquo; sagte Alice; und
+um den Hals des Fl&auml;schchens war ein Zettel gebunden, mit den Worten
+&raquo;<em class="gesperrt">Trinke mich!</em>&laquo; wundersch&ouml;n in gro&szlig;en Buchstaben drauf gedruckt.</p>
+
+<div class="figright" style="width: 279px;">
+<img src="images/p009.png" width="279" height="400" alt="" title="" />
+</div>
+
+<p>Es war bald gesagt, &raquo;Trinke mich&laquo;, aber die altkluge kleine Alice wollte
+sich damit nicht &uuml;bereilen. &raquo;Nein, ich werde erst nachsehen,&laquo; sprach
+sie, &raquo;ob ein Todtenkopf darauf ist oder nicht.&laquo; Denn sie hatte mehre
+h&uuml;bsche Geschichten gelesen von Kindern, die sich verbrannt hatten oder
+sich von wilden Thieren hatten fressen lassen, und in andere unangenehme
+Lagen gerathen waren, nur weil sie nicht an die Warnungen dachten, die
+ihre Freunde ihnen gegeben hatten; zum Beispiel, da&szlig; ein rothgl&uuml;hendes
+Eisen brennt, wenn man es anfa&szlig;t; und da&szlig;<a class="page" name="Page_10" id ="Page_10" title="10"></a> wenn man sich mit einem
+Messer tief in den Finger schneidet, es gew&ouml;hnlich blutet. Und sie hatte
+nicht vergessen, da&szlig; wenn man viel aus einer Flasche mit einem
+Todtenkopf darauf trinkt, es einem unfehlbar schlecht bekommt.</p>
+
+<p>Diese Flasche jedoch hatte keinen Todtenkopf. Daher wagte Alice zu
+kosten; und da es ihr gut schmeckte (es war eigentlich wie ein Gemisch
+von Kirschkuchen, Sahnensauce, Ananas, Putenbraten, Naute und Armen
+Rittern), so trank sie die Flasche aus.</p>
+
+<hr style='width: 45%;' />
+
+<p>&raquo;Was f&uuml;r ein komisches Gef&uuml;hl!&laquo; sagte Alice. &raquo;Ich gehe gewi&szlig; zu wie ein
+Teleskop.&laquo;</p>
+
+<p>Und so war es in der That: jetzt war sie nur noch zehn Zoll hoch, und
+ihr Gesicht leuchtete bei dem Gedanken, da&szlig; sie nun die rechte H&ouml;he
+habe, um durch die kleine Th&uuml;r in den sch&ouml;nen Garten zu gehen. Doch<a class="page" name="Page_11" id ="Page_11" title="11"></a>
+erst wartete sie einige Minuten, ob sie noch mehr einschrumpfen werde.
+Sie war einigerma&szlig;en &auml;ngstlich; &raquo;denn es k&ouml;nnte damit aufh&ouml;ren,&laquo; sagte
+Alice zu sich selbst, &raquo;da&szlig; ich ganz ausginge, wie ein Licht. Mich
+wundert, wie ich dann auss&auml;he?&laquo; Und sie versuchte sich vorzustellen, wie
+die Flamme von einem Lichte aussieht, wenn das Licht ausgeblasen ist;
+aber sie konnte sich nicht erinnern, dies je gesehen zu haben.</p>
+
+<p>Nach einer Weile, als sie merkte da&szlig; weiter nichts geschah, beschlo&szlig;
+sie, gleich in den Garten zu gehen. Aber, arme Alice! als sie an die
+Th&uuml;r kam, hatte sie das goldene Schl&uuml;sselchen vergessen. Sie ging nach
+dem Tische zur&uuml;ck, es zu holen, fand aber, da&szlig; sie es unm&ouml;glich
+erreichen konnte. Sie sah es ganz deutlich durch das Glas, und sie gab
+sich alle M&uuml;he an einem der Tischf&uuml;&szlig;e hinauf zu klettern, aber er war zu
+glatt; und als sie sich ganz m&uuml;de gearbeitet hatte, setzte sich das
+arme, kleine Ding hin und weinte.</p>
+
+<p>&raquo;Still, was n&uuml;tzt es so zu weinen!&laquo; sagte Alice ganz b&ouml;se zu sich
+selbst; &raquo;ich rathe dir, den Augenblick aufzuh&ouml;ren!&laquo; Sie gab sich oft
+sehr guten Rath (obgleich sie ihn selten befolgte), und manchmal schalt
+sie sich selbst so strenge, da&szlig; sie sich zum Weinen brachte;<a class="page" name="Page_12" id ="Page_12" title="12"></a> und
+einmal, erinnerte sie sich, hatte sie versucht sich eine Ohrfeige zu
+geben, weil sie im Croquet betrogen hatte, als sie gegen sich selbst
+spielte; denn dieses eigenth&uuml;mliche Kind stellte sehr gern zwei Personen
+vor. &raquo;Aber jetzt hilft es zu nichts,&laquo; dachte die arme Alice, &raquo;zu thun
+als ob ich zwei verschiedene Personen w&auml;re. Ach! es ist ja kaum genug
+von mir &uuml;brig zu <em class="gesperrt">einer</em> anst&auml;ndigen Person!&laquo;</p>
+
+<p>Bald fiel ihr Auge auf eine kleine Glasb&uuml;chse, die unter dem Tische lag;
+sie &ouml;ffnete sie und fand einen sehr kleinen Kuchen darin, auf welchem
+die Worte &raquo;<em class="gesperrt">I&szlig; mich!</em>&laquo; sch&ouml;n in kleinen Rosinen geschrieben standen. &raquo;Gut,
+ich will ihn essen,&laquo; sagte Alice, &raquo;und wenn ich davon gr&ouml;&szlig;er werde, so
+kann ich den Schl&uuml;ssel erreichen; wenn ich aber kleiner davon werde, so
+kann ich unter der Th&uuml;r durchkriechen. So, auf jeden Fall, gelange ich
+in den Garten, &mdash; es ist mir einerlei wie.&laquo;</p>
+
+<p>Sie a&szlig; ein Bi&szlig;chen, und sagte neugierig zu sich selbst: &raquo;Aufw&auml;rts oder
+abw&auml;rts?&laquo; Dabei hielt sie die Hand pr&uuml;fend auf ihren Kopf und war ganz
+erstaunt zu bemerken, da&szlig; sie dieselbe Gr&ouml;&szlig;e behielt. Freilich geschieht
+dies gew&ouml;hnlich, wenn man Kuchen i&szlig;t; aber Alice war schon so an
+wunderbare Dinge gew&ouml;hnt, da&szlig;<a class="page" name="Page_13" id ="Page_13" title="13"></a> es ihr ganz langweilig schien, wenn das
+Leben so nat&uuml;rlich fortging.</p>
+
+<p>Sie machte sich also daran, und verzehrte den Kuchen v&ouml;llig.</p>
+
+
+
+<hr style="width: 65%;" />
+<h2><a class="page" name="Page_14" id ="Page_14" title="14"></a><a name="Zweites_Kapitel" id="Zweites_Kapitel"></a><a href="#Inhalt">Zweites Kapitel.</a></h2>
+
+<h2>Der Thr&auml;nenpfuhl.</h2>
+
+
+<div class="figleft" style="width: 160px;">
+<img src="images/p014.png" width="160" height="400" alt="" title="" />
+</div>
+
+<p>&raquo;Verquerer und verquerer!&laquo; rief Alice. (Sie war so &uuml;berrascht, da&szlig; sie
+im Augenblick ihre eigene <em class="gesperrt">Sprache ganz verga&szlig;</em>.) &raquo;Jetzt werde ich
+auseinander geschoben wie das l&auml;ngste Teleskop das es je gab! Lebt wohl,
+F&uuml;&szlig;e!&laquo; (Denn als sie auf ihre F&uuml;&szlig;e hinabsah, konnte sie sie kaum mehr zu
+Gesicht bekommen, so weit fort waren sie schon.) &raquo;O meine armen F&uuml;&szlig;chen!
+wer<a class="page" name="Page_15" id ="Page_15" title="15"></a> euch wohl nun Schuhe und Str&uuml;mpfe anziehen wird, meine Besten? denn
+ich kann es unm&ouml;glich thun! Ich bin viel zu weit ab, um mich mit euch
+abzugeben! ihr m&uuml;&szlig;t sehen, wie ihr fertig werdet. Aber gut mu&szlig; ich zu
+ihnen sein,&laquo; dachte Alice, &raquo;sonst gehen sie vielleicht nicht, wohin ich
+gehen m&ouml;chte. La&szlig; mal sehen: ich will ihnen jeden Weihnachten ein Paar
+neue Stiefel schenken.&laquo;</p>
+
+<p>Und sie dachte sich aus, wie sie das anfangen w&uuml;rde. &raquo;Sie m&uuml;ssen per
+Fracht gehen,&laquo; dachte sie; &raquo;wie drollig es sein wird, seinen eignen
+F&uuml;&szlig;en ein Geschenk zu schicken! und wie komisch die Adresse aussehen
+wird!&nbsp;&mdash;</p>
+
+<div class="poem"><div class="stanza">
+<span class="i8"><em class="gesperrt">An</em><br /></span>
+<span class="i10"><em class="gesperrt">Alice's rechten Fu&szlig;, Wohlgeboren,</em><br /></span>
+<span class="i12"><em class="gesperrt">Fu&szlig;teppich,</em><br /></span>
+<span class="i14"><em class="gesperrt">nicht weit vom Kamin,</em><br /></span>
+<span class="i16"><em class="gesperrt">mit Alice's Gr&uuml;&szlig;en</em>.<br /></span>
+</div></div>
+
+<p>&raquo;Oh, was f&uuml;r Unsinn ich schwatze!&laquo;</p>
+
+<p>Gerade in dem Augenblick stie&szlig; sie mit dem Kopf an die Decke: sie war in
+der That &uuml;ber neun Fu&szlig; gro&szlig;. Und sie nahm sogleich den kleinen goldenen
+Schl&uuml;ssel auf und rannte nach der Gartenth&uuml;r.</p>
+
+<p><a class="page" name="Page_16" id ="Page_16" title="16"></a>Arme Alice! das H&ouml;chste was sie thun konnte war, auf der Seite liegend,
+mit einem Auge nach dem Garten hinunterzusehen; aber an Durchgehen war
+weniger als je zu denken. Sie setzte sich hin und fing wieder an zu
+weinen.</p>
+
+<p>&raquo;Du solltest dich sch&auml;men,&laquo; sagte Alice, &raquo;solch gro&szlig;es M&auml;dchen&laquo; (da
+hatte sie wohl recht) &raquo;noch so zu weinen! H&ouml;re gleich auf, sage ich
+dir!&laquo; Aber sie weinte trotzdem fort, und vergo&szlig; Thr&auml;nen eimerweise, bis
+sich zuletzt ein gro&szlig;er Pfuhl um sie bildete, ungef&auml;hr vier Zoll tief
+und den halben Corridor lang.</p>
+
+<p>Nach einem Weilchen h&ouml;rte sie Schritte in der Entfernung und trocknete
+schnell ihre Thr&auml;nen, um zu sehen wer es sei. Es war das wei&szlig;e
+Kaninchen, das prachtvoll geputzt zur&uuml;ckkam, mit einem Paar wei&szlig;en
+Handschuhen in einer Hand und einen F&auml;cher in der andern. Es trippelte
+in gro&szlig;er Eile entlang vor sich hin redend: &raquo;Oh! die Herzogin, die
+Herzogin! die wird mal au&szlig;er sich sein, wenn ich sie warten lasse!&laquo;
+Alice war so rathlos, da&szlig; sie Jeden um H&uuml;lfe angerufen h&auml;tte. Als das
+Kaninchen daher in ihre N&auml;he kam, fing sie mit leiser, sch&uuml;chterner
+Stimme an: &raquo;Bitte, lieber Herr. &mdash;&laquo; Das Kaninchen fuhr zusammen, lie&szlig;
+die wei&szlig;en<a class="page" name="Page_17" id ="Page_17" title="17"></a> Handschuhe und den F&auml;cher fallen und lief davon in die Nacht
+hinein, so schnell es konnte.</p>
+
+<div class="figcenter" style="width: 400px;">
+<img src="images/p017.png" width="400" height="493" alt="" title="" />
+</div>
+
+<p>Alice nahm den F&auml;cher und die Handschuhe auf, und da der Gang sehr hei&szlig;
+war, f&auml;chelte sie sich, w&auml;hrend sie so zu sich selbst sprach:
+&raquo;Wunderbar! &mdash; wie seltsam<a class="page" name="Page_18" id ="Page_18" title="18"></a> heute Alles ist! Und gestern war es ganz wie
+gew&ouml;hnlich. Ob ich wohl in der Nacht umgewechselt worden bin? La&szlig; mal
+sehen: war ich dieselbe, als ich heute fr&uuml;h aufstand? Es kommt mir fast
+vor, als h&auml;tte ich wie eine Ver&auml;nderung in mir gef&uuml;hlt. Aber wenn ich
+nicht dieselbe bin, dann ist die Frage: wer in aller Welt bin ich? Ja,
+das ist das R&auml;thsel!&laquo; So ging sie in Gedanken alle Kinder ihres Alters
+durch, die sie kannte, um zu sehen, ob sie in eins davon verwandelt
+w&auml;re.</p>
+
+<p>&raquo;Ich bin sicherlich nicht Ida,&laquo; sagte sie, &raquo;denn die tr&auml;gt lange Locken,
+und mein Haar ist gar nicht lockig; und bestimmt kann ich nicht Clara
+sein, denn ich wei&szlig; eine ganze Menge, und sie, oh! sie wei&szlig; so sehr
+wenig! Au&szlig;erdem, sie ist sie selbst, und ich bin ich, und, o wie confus
+es Alles ist! Ich will versuchen, ob ich noch Alles wei&szlig;, was ich sonst
+wu&szlig;te. La&szlig; sehen: vier mal f&uuml;nf ist zw&ouml;lf, und vier mal sechs ist
+dreizehn, und vier mal sieben ist &mdash; o weh! auf die Art komme ich nie
+bis zwanzig! Aber, das Einmaleins hat nicht so viel zu sagen; ich will
+Geographie nehmen. London ist die Hauptstadt von Paris, und Paris ist
+die Hauptstadt von Rom, und Rom &mdash; nein, ich wette, das ist<a class="page" name="Page_19" id ="Page_19" title="19"></a> Alles
+falsch! Ich mu&szlig; in Clara verwandelt sein! Ich will doch einmal sehen, ob
+ich sagen kann: &raquo;Bei einem Wirthe &mdash;&laquo; und sie faltete sie H&auml;nde, als ob
+sie ihrer Lehrerin hersagte, und fing an; aber ihre Stimme klang rauh
+und ungewohnt, und die Worte kamen nicht wie sonst: &mdash;</p>
+
+<div class="poem"><div class="stanza">
+<span class="i0">&raquo;Bei einem Wirthe, wunderwild,<br /></span>
+<span class="i0">Da war ich j&uuml;ngst zu Gaste,<br /></span>
+<span class="i0">Ein Bienennest das war sein Schild<br /></span>
+<span class="i0">In einer braunen Tatze.<br /></span>
+</div><div class="stanza">
+<span class="i0">Es war der grimme Zottelb&auml;r,<br /></span>
+<span class="i0">Bei dem ich eingekehret;<br /></span>
+<span class="i0">Mit s&uuml;&szlig;em Honigseim hat er<br /></span>
+<span class="i0">Sich selber wohl gen&auml;hret!&laquo;<br /></span>
+</div></div>
+
+<p>&raquo;Das kommt mir gar nicht richtig vor,&laquo; sagte die arme Alice, und Thr&auml;nen
+kamen ihr in die Augen, als sie weiter sprach: &raquo;Ich mu&szlig; doch Clara sein,
+und ich werde in dem alten kleinen Hause wohnen m&uuml;ssen, und beinah keine
+Spielsachen zum Spielen haben, und ach! so viel zu lernen! Nein, das
+habe ich mir vorgenommen: wenn ich Clara bin, will ich hier unten
+bleiben!<a class="page" name="Page_20" id ="Page_20" title="20"></a> Es soll ihnen nichts helfen, wenn sie die K&ouml;pfe
+zusammenstecken und herunter rufen: &raquo;Komm wieder herauf, Herzchen!&laquo; Ich
+will nur hinauf sehen und sprechen: wer bin ich denn? Sagt mir das erst,
+und dann, wenn ich die Person gern bin, will ich kommen; wo nicht, so
+will ich hier unten bleiben, bis ich jemand Anderes bin. &mdash; Aber o weh!&laquo;
+schluchzte Alice pl&ouml;tzlich auf, &raquo;ich w&uuml;nschte, sie s&auml;hen herunter! Es
+ist mir so langweilig, hier ganz allein zu sein!&laquo;</p>
+
+<p>Als sie so sprach, sah sie auf ihre H&auml;nde hinab und bemerkte mit
+Erstaunen, da&szlig; sie beim Reden einen von den wei&szlig;en Glacee-Handschuhen
+des Kaninchens angezogen hatte. &raquo;Wie habe ich das nur angefangen?&laquo;
+dachte sie. &raquo;Ich mu&szlig; wieder klein geworden sein.&laquo; Sie stand auf, ging
+nach dem Tische, um sich daran zu messen, und fand, da&szlig; sie noch
+ungef&auml;hr zwei Fu&szlig; hoch sei, dabei schrumpfte sie noch zusehends ein: sie
+merkte bald, da&szlig; die Ursache davon der F&auml;cher war, den sie hielt; sie
+warf ihn schnell hin, noch zur rechten Zeit, sich vor g&auml;nzlichem
+Verschwinden zu retten.</p>
+
+<p>&raquo;Das war gl&uuml;cklich davon gekommen!&laquo; sagte Alice, sehr erschrocken &uuml;ber
+die pl&ouml;tzliche Ver&auml;nderung, aber froh, da&szlig; sie noch existirte; &raquo;und nun
+in den Garten!&laquo;<a class="page" name="Page_21" id ="Page_21" title="21"></a> und sie lief eilig nach der kleinen Th&uuml;r: aber ach! die
+kleine Th&uuml;r war wieder verschlossen und das goldene Schl&uuml;sselchen lag
+auf dem Glastische wie vorher. &raquo;Und es ist schlimmer als je,&laquo; dachte das
+arme Kind, &raquo;denn so klein bin ich noch nie gewesen, nein, nie! Und ich
+sage, es ist zu schlecht, ist es!&laquo;</p>
+
+<div class="figcenter" style="width: 400px;">
+<img src="images/p021.png" width="400" height="315" alt="" title="" />
+</div>
+
+<p>Wie sie diese Worte sprach, glitt sie aus, und den n&auml;chsten Augenblick,
+platsch! fiel sie bis an's Kinn in Salzwasser. Ihr erster Gedanke war,
+sie sei in die See gefallen, &raquo;und in dem Fall kann ich mit der Eisenbahn
+zur&uuml;ckreisen,&laquo; sprach sie bei sich. (Alice war einmal in ihrem Leben an
+der See gewesen und war zu dem allgemeinen Schlu&szlig; gelangt, da&szlig; wo man
+auch an's<a class="page" name="Page_22" id ="Page_22" title="22"></a> Seeufer kommt, man eine Anzahl Bademaschinen im Wasser
+findet, Kinder, die den Sand mit h&ouml;lzernen Spaten aufgraben, dann eine
+Reihe Wohnh&auml;user und dahinter eine Eisenbahn-Station); doch merkte sie
+bald, da&szlig; sie sich in dem Thr&auml;nenpfuhl befand, den sie geweint hatte,
+als sie neun Fu&szlig; hoch war.</p>
+
+<p>&raquo;Ich w&uuml;nschte, ich h&auml;tte nicht so sehr geweint!&laquo; sagte Alice, als sie
+umherschwamm und sich herauszuhelfen suchte; &raquo;jetzt werde ich wohl daf&uuml;r
+bestraft werden und in meinen eigenen Thr&auml;nen ertrinken! Das <em class="gesperrt">wird</em>
+sonderbar sein, das! Aber Alles ist heut so sonderbar.&laquo;</p>
+
+<p>In dem Augenblicke h&ouml;rte sie nicht weit davon etwas in dem Pfuhle
+pl&auml;tschern, und sie schwamm danach, zu sehen was es sei: erst glaubte
+sie, es m&uuml;sse ein Wallro&szlig; oder ein Nilpferd sein; dann aber besann sie
+sich, wie klein sie jetzt war, und merkte bald, da&szlig; es nur eine Maus
+sei, die wie sie hineingefallen war.</p>
+
+<p>&raquo;W&uuml;rde es wohl etwas n&uuml;tzen,&laquo; dachte Alice, &raquo;diese Maus anzureden? Alles
+ist so wunderlich hier unten, da&szlig; ich glauben m&ouml;chte, sie kann sprechen;
+auf jeden Fall habe ich das Fragen umsonst.&laquo; Demnach fing sie an: &raquo;O
+Maus, wei&szlig;t du, wie man aus diesem Pfuhle<a class="page" name="Page_23" id ="Page_23" title="23"></a> gelangt, ich bin von dem
+Herumschwimmen ganz m&uuml;de, o Maus!&laquo; (Alice dachte, so w&uuml;rde eine Maus
+richtig angeredet; sie hatte es zwar noch nie gethan, aber sie erinnerte
+sich ganz gut, in ihres Bruders lateinischer Grammatik gelesen zu haben
+&raquo;Eine Maus &mdash; einer Maus &mdash; einer Maus &mdash; eine Maus &mdash; o Maus!&laquo;) Die
+Maus sah sie etwas neugierig an und schien ihr mit dem einen Auge zu
+blinzeln, aber sie sagte nichts.</p>
+
+<p>&raquo;Vielleicht versteht sie nicht Englisch,&laquo; dachte Alice, &raquo;es ist
+vielleicht eine franz&ouml;sische Maus, die mit Wilhelm dem Eroberer her&uuml;ber
+gekommen ist&laquo; (denn, trotz ihrer Geschichtskennti&szlig; hatte Alice keinen
+ganz klaren Begriff, wie lange irgend ein Ereigni&szlig; her sei). Sie fing
+also wieder an: &raquo;<em class="antigua">O&ugrave; est ma chatte?</em>&laquo; was der erste Satz in ihrem
+franz&ouml;sischen Conversationsbuche war. Die Maus sprang hoch auf aus dem
+Wasser, und schien vor Angst am ganzen Leibe zu beben. &raquo;O, ich bitte um
+Verzeihung!&laquo; rief Alice schnell, erschrocken, da&szlig; sie das arme Thier
+verletzt habe. &raquo;Ich hatte ganz vergessen, da&szlig; Sie Katzen nicht m&ouml;gen.&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Katzen nicht m&ouml;gen!&laquo; schrie die Maus mit kreischender, w&uuml;thender
+Stimme. &raquo;W&uuml;rdest du Katzen m&ouml;gen, wenn du an meiner Stelle w&auml;rest?&laquo;</p>
+
+<div class="figcenter" style="width: 500px;"><a class="page" name="Page_24" id ="Page_24" title="24"></a>
+<img src="images/p024.png" width="500" height="328" alt="" title="" />
+</div>
+
+<p>&raquo;Nein, wohl kaum,&laquo; sagte Alice in zuredendem Tone: &raquo;sei nicht mehr b&ouml;se
+dar&uuml;ber. Und doch m&ouml;chte ich dir unsere Katze Dinah zeigen k&ouml;nnen. Ich
+glaube, du w&uuml;rdest Geschmack f&uuml;r Katzen bekommen, wenn du sie nur sehen
+k&ouml;nntest. Sie ist ein so liebes ruhiges Thier,&laquo; sprach Alice fort, halb
+zu sich selbst, wie sie gem&uuml;thlich im Pfuhle daherschwamm; &raquo;sie sitzt
+und spinnt so nett beim Feuer, leckt sich die Pfoten und w&auml;scht sich das
+Schn&auml;uzchen &mdash; und sie ist so h&uuml;bsch weich auf dem Scho&szlig; zu haben &mdash; und sie
+ist solch famoser M&auml;usef&auml;nger &mdash; oh, ich bitte um Verzeihung!&laquo; sagte Alice
+wieder, denn diesmal str&auml;ubte sich das ganze Fell der<a class="page" name="Page_25" id ="Page_25" title="25"></a> armen Maus, und
+Alice dachte, sie m&uuml;&szlig;te sicherlich sehr beleidigt sein. &raquo;Wir wollen
+nicht mehr davon reden, wenn du es nicht gern hast.&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Wir, wirklich!&laquo; entgegnete die Maus, die bis zur Schwanzspitze
+zitterte. &raquo;Als ob ich je &uuml;ber solchen Gegenstand spr&auml;che! Unsere Familie
+hat von jeher Katzen verabscheut: h&auml;&szlig;liche, niedrige, gemeine Dinger!
+La&szlig; mich ihren Namen nicht wieder h&ouml;ren!&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Nein, gewi&szlig; nicht!&laquo; sagte Alice, eifrig bem&uuml;ht, einen andern Gegenstand
+der Unterhaltung zu suchen. &raquo;Magst du &mdash; magst du gern Hunde?&laquo; Die Maus
+antwortete nicht, daher fuhr Alice eifrig fort: &raquo;Es wohnt ein so
+reizender kleiner Hund nicht weit von unserm Hause. Den m&ouml;chte ich dir
+zeigen k&ouml;nnen! Ein kleiner klar&auml;ugiger Wachtelhund, wei&szlig;t du, ach, mit
+solch krausem braunen Fell! Und er apportirt Alles, was man ihm
+hinwirft, und er kann aufrecht stehen und um sein Essen betteln, und so
+viel Kunstst&uuml;cke &mdash; ich kann mich kaum auf die H&auml;lfte besinnen &mdash; und er
+geh&ouml;rt einem Amtmann, wei&szlig;t du, und er sagt, er ist so n&uuml;tzlich, er ist
+ihm hundert Pfund werth! Er sagt, er vertilgt alle Ratten und &mdash; oh wie
+dumm!&laquo; sagte Alice in reum&uuml;thigem Tone. &raquo;Ich f&uuml;rchte, ich habe ihr
+wieder weh gethan!&laquo;<a class="page" name="Page_26" id ="Page_26" title="26"></a> Denn die Maus schwamm so schnell sie konnte von ihr
+fort und brachte den Pfuhl dadurch in f&ouml;rmliche Bewegung.</p>
+
+<p>Sie rief ihr daher z&auml;rtlich nach: &raquo;Liebes M&auml;uschen! Komm wieder zur&uuml;ck,
+und wir wollen weder von Katzen noch von Hunden reden, wenn du sie nicht
+gern hast!&laquo; Als die Maus das h&ouml;rte, wandte sie sich um und schwamm
+langsam zu ihr zur&uuml;ck; ihr Gesicht war ganz bla&szlig; (vor Aerger, dachte
+Alice), und sie sagte mit leiser, zitternder Stimme: &raquo;Komm mit mir an's
+Ufer, da will ich dir meine Geschichte erz&auml;hlen; dann wirst du
+begreifen, warum ich Katzen und Hunde nicht leiden kann.&laquo;</p>
+
+<p>Es war hohe Zeit sich fortzumachen; denn der Pfuhl begann von allerlei
+V&ouml;geln und Gethier zu wimmeln, die hinein gefallen waren: da war eine
+Ente und ein Dodo, ein rother Papagei und ein junger Adler, und mehre
+andere merkw&uuml;rdige Gesch&ouml;pfe. Alice f&uuml;hrte sie an, und die ganze
+Gesellschaft schwamm an's Ufer.</p>
+
+
+
+<hr style="width: 65%;" />
+<div class="figcenter" style="width: 500px;"><a class="page" name="Page_27" id ="Page_27" title="27"></a>
+<img src="images/p027.png" width="500" height="382" alt="" title="" />
+</div>
+
+
+
+<h2><a name="Drittes_Kapitel" id="Drittes_Kapitel"></a><a href="#Inhalt">Drittes Kapitel.</a></h2>
+
+<h2>Caucus-Rennen und was daraus wird.</h2>
+
+
+<p>Es war in der That eine wunderliche Gesellschaft, die sich am Strande
+versammelte &mdash; die V&ouml;gel mit triefenden Federn, die &uuml;brigen Thiere mit
+fest anliegendem Fell, Alle durch und durch na&szlig;, verstimmt und
+unbehaglich. &mdash;</p>
+
+<p><a class="page" name="Page_28" id ="Page_28" title="28"></a>Die erste Frage war, wie sie sich trocknen k&ouml;nnten: es wurde eine
+Berathung dar&uuml;ber gehalten, und nach wenigen Minuten kam es Alice ganz
+nat&uuml;rlich vor, vertraulich mit ihnen zu schwatzen, als ob sie sie ihr
+ganzes Leben gekannt h&auml;tte. Sie hatte sogar eine lange
+Auseinandersetzung mit dem Papagei, der zuletzt brummig wurde und nur
+noch sagte: &raquo;ich bin &auml;lter als du und mu&szlig; es besser wissen;&laquo; dies wollte
+Alice nicht zugeben und fragte nach seinem Alter, und da der Papagei es
+durchaus nicht sagen wollte, so blieb die Sache unentschieden.</p>
+
+<p>Endlich rief die Maus, welche eine Person von Gewicht unter ihnen zu
+sein schien: &raquo;Setzt euch, ihr Alle, und h&ouml;rt mir zu! ich will euch bald
+genug trocken machen!&laquo; Alle setzten sich sogleich in einen gro&szlig;en Kreis
+nieder, die Maus in der Mitte. Alice hatte die Augen erwartungsvoll auf
+sie gerichtet, denn sie war &uuml;berzeugt, sie werde sich entsetzlich
+erk&auml;lten, wenn sie nicht sehr bald trocken w&uuml;rde.</p>
+
+<p>&raquo;Hm!&laquo; sagte die Maus mit wichtiger Miene, &raquo;seid ihr Alle so weit? Es ist
+das Trockenste, worauf ich mich besinnen kann. Alle still, wenn ich
+bitten darf! &mdash; Wilhelm der Eroberer, dessen Anspr&uuml;che vom Papste<a class="page" name="Page_29" id ="Page_29" title="29"></a>
+beg&uuml;nstigt wurden, fand bald Anhang unter den Engl&auml;ndern, die einen
+Anf&uuml;hrer brauchten, und die in jener Zeit sehr an Usurpation und
+Eroberungen gew&ouml;hnt waren. Edwin und Morcar, Grafen von Mercia und
+Northumbria &mdash;&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;<em class="gesperrt">Oooh</em>!&laquo; g&auml;hnte der Papagei und sch&uuml;ttelte sich.</p>
+
+<p>&raquo;Bitte um Verzeihung!&laquo; sprach die Maus mit gerunzelter Stirne, aber sehr
+h&ouml;flich; &raquo;bemerkten Sie etwas?&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Ich nicht!&laquo; erwiederte schnell der Papagei.</p>
+
+<p>&raquo;Es kam mir so vor,&laquo; sagte die Maus. &mdash;&raquo;Ich fahre fort: Edwin und
+Morcar, Grafen von Mercia und Northumbria, erkl&auml;rten sich f&uuml;r ihn; und
+selbst Stigand, der patriotische Erzbischof von Canterbury fand es
+rathsam &mdash;&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Fand <em class="gesperrt">was</em>?&laquo; unterbrach die Ente.</p>
+
+<p>&raquo;Fand <em class="gesperrt">es</em>,&laquo; antwortete die Maus ziemlich aufgebracht: &raquo;du wirst doch wohl
+wissen, was <em class="gesperrt">es</em> bedeutet.&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Ich wei&szlig; sehr wohl, was <em class="gesperrt">es</em> bedeutet, wenn <em class="gesperrt">ich</em> etwas finde&laquo;, sagte die
+Ente: &raquo;<em class="gesperrt">es</em> ist gew&ouml;hnlich ein Frosch oder ein Wurm. Die Frage ist, was
+fand der Erzbischof?&laquo;</p>
+
+<p><a class="page" name="Page_30" id ="Page_30" title="30"></a>Die Maus beachtete die Frage nicht, sondern fuhr hastig fort: &mdash; &raquo;fand
+es rathsam, von Edgar Atheling begleitet, Wilhelm entgegen zu gehen und
+ihm die Krone anzubieten. Wilhelms Benehmen war zuerst gem&auml;&szlig;igt, aber
+die Unversch&auml;mtheit der Normannen &mdash; wie steht's jetzt, Liebe?&laquo; fuhr sie
+fort, sich an Alice wendend.</p>
+
+<p>&raquo;Noch ganz eben so na&szlig;,&laquo; sagte Alice schwerm&uuml;thig; &raquo;es scheint mich gar
+nicht trocken zu machen.&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;In dem Fall,&laquo; sagte der Dodo feierlich, indem er sich erhob, &raquo;stelle
+ich den Antrag, da&szlig; die Versammlung sich vertage und zur unmittelbaren
+Anwendung von wirksameren Mitteln schreite.&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Sprich deutlich!&laquo; sagte der Adler. &raquo;Ich verstehe den Sinn von deinen
+langen W&ouml;rtern nicht, und ich wette, du auch nicht!&laquo; Und der Adler
+b&uuml;ckte sich, um ein L&auml;cheln zu verbergen; einige der andern V&ouml;gel
+kicherten h&ouml;rbar.</p>
+
+<p>&raquo;Was sich sagen wollte,&laquo; sprach der Dodo in gereiztem Tone, &raquo;war, da&szlig;
+das beste Mittel uns zu trocknen ein Caucus-Rennen w&auml;re.&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Was ist ein Caucus-Rennen?&laquo; sagte Alice, nicht da&szlig; ihr viel daran lag
+es zu wissen; aber der Dodo<a class="page" name="Page_31" id ="Page_31" title="31"></a> hatte angehalten, als ob er eine Frage
+erwarte, und Niemand anders schien aufgelegt zu reden.</p>
+
+<p>&raquo;Nun,&laquo; meinte der Dodo, &raquo;die beste Art, es zu erkl&auml;ren, ist, es zu
+spielen.&laquo; (Und da ihr vielleicht das Spiel selbst einen
+Winter-Nachmittag versuchen m&ouml;chtet, so will ich erz&auml;hlen, wie der Dodo
+es anfing.)</p>
+
+<p>Erst bezeichnete er die Bahn, eine Art Kreis (&raquo;es kommt nicht genau auf
+die Form an,&laquo; sagte er), und dann wurde die ganze Gesellschaft hier und
+da auf der Bahn aufgestellt. Es wurde kein &raquo;eins, zwei drei, fort!&laquo;
+gez&auml;hlt, sondern sie fingen an zu laufen wenn es ihnen einfiel, h&ouml;rten
+auf wie es ihnen einfiel, so da&szlig; es nicht leicht zu entscheiden war,
+wann das Rennen zu Ende war. Als sie jedoch ungef&auml;hr eine halbe Stunde
+gerannt und vollst&auml;ndig getrocknet waren, rief der Dodo pl&ouml;tzlich: &raquo;Das
+Rennen ist aus!&laquo; und sie dr&auml;ngten sich um ihn, au&szlig;er Athem, mit der
+Frage: &raquo;Aber wer hat gewonnen?&laquo;</p>
+
+<p>Diese Frage konnte der Dodo nicht ohne tiefes Nachdenken beantworten,
+und er sa&szlig; lange mit einem Finger an die Stirn gelegt (die Stellung, in
+der ihr meistens Shakespeare in seinen Bildern seht), w&auml;hrend die
+Uebrigen schweigend auf ihn warteten. Endlich sprach<a class="page" name="Page_32" id ="Page_32" title="32"></a> der Dodo: &raquo;Jeder
+hat gewonnen, und Alle sollen Preise haben.&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Aber wer soll die Preise geben?&laquo; fragte ein ganzer Chor von Stimmen.</p>
+
+<p>&raquo;Versteht sich, sie!&laquo; sagte der Dodo, mit dem Finger auf Alice zeigend,
+und sogleich umgab sie die ganze Gesellschaft, Alle durch einander
+rufend: &raquo;Preise Preise!&laquo;</p>
+
+<p>Alice wu&szlig;te nicht im Geringsten, was da zu thun sei; in ihrer
+Verzweiflung fuhr sie mit der Hand in die Tasche und zog eine Schachtel
+Zuckerpl&auml;tzchen hervor (gl&uuml;cklicherweise war das Salzwasser nicht hinein
+gedrungen); die vertheilte sie als Preise. Sie reichten gerade herum,
+eins f&uuml;r Jeden.</p>
+
+<p>&raquo;Aber sie selbst mu&szlig; auch einen Preis bekommen, wi&szlig;t ihr,&laquo; sagte die
+Maus.</p>
+
+<p>&raquo;Versteht sich,&laquo; entgegnete der Dodo ernst. &raquo;Was hast du noch in der
+Tasche?&laquo; fuhr er zu Alice gewandt fort.</p>
+
+<p>&raquo;Nur einen Fingerhut,&laquo; sagte Alice traurig.</p>
+
+<p>&raquo;Reiche ihn mir her&uuml;ber,&laquo; versetzte der Dodo. Darauf versammelten sich
+wieder Alle um sie, w&auml;hrend der Dodo ihr den Fingerhut feierlich
+&uuml;berreichte, mit den Worten: &raquo;Wir bitten, Sie wollen uns g&uuml;tigst mit der
+Annahme dieses eleganten Fingerhutes beehren;&laquo;<a class="page" name="Page_33" id ="Page_33" title="33"></a> und als er diese kurze
+Rede beendigt hatte, folgte allgemeines Beifallklatschen.</p>
+
+<div class="figcenter" style="width: 500px;">
+<img src="images/p033.png" width="500" height="525" alt="" title="" />
+</div>
+
+<p>Alice fand dies Alles h&ouml;chst albern; aber die ganze Gesellschaft sah so
+ernst aus, da&szlig; sie sich nicht zu lachen getraute, und da ihr keine
+passende Antwort<a class="page" name="Page_34" id ="Page_34" title="34"></a> einfiel, verbeugte sie sich einfach und nahm den
+Fingerhut ganz ehrbar in Empfang.</p>
+
+<p>Nun mu&szlig;ten zun&auml;chst die Zuckerpl&auml;tzchen verzehrt werden, was nicht wenig
+L&auml;rm und Verwirrung hervorrief; die gro&szlig;en V&ouml;gel n&auml;mlich beklagten sich,
+da&szlig; sie nichts schmecken konnten, die kleinen aber verschluckten sich
+und mu&szlig;ten auf den R&uuml;cken geklopft werden. Endlich war auch dies
+vollbracht, und Alle setzten sich im Kreis herum und drangen in das
+M&auml;uslein, noch etwas zu erz&auml;hlen.</p>
+
+<p>&raquo;Du hast mir deine Geschichte versprochen,&laquo; sagte Alice &mdash; &raquo;und woher es
+kommt, da&szlig; du K. und H. nicht leiden kannst,&laquo; f&uuml;gte sie leise hinzu, um
+nur das niedliche Thierchen nicht wieder b&ouml;se zu machen.</p>
+
+<p>&raquo;Ach,&laquo; seufzte das M&auml;uslein, &raquo;ihr macht euch ja aus meinem Erz&auml;hlen doch
+nichts; ich bin euch mit meiner Geschichte zu langschw&auml;nzig und zu
+tragisch.&laquo; Dabei sah sie Alice fragend an.</p>
+
+<p>&raquo;Langschw&auml;nzig! das mu&szlig; wahr sein!&laquo; rief Alice und sah nun erst mit
+rechter Verwunderung auf den geringelten Schwanz der Maus hinab; &raquo;aber
+wie so tragisch? was tr&auml;gst du denn?&laquo; W&auml;hrend sie noch dar&uuml;ber nachsann,
+fing die langschw&auml;nzige Erz&auml;hlung schon an, folgendergestalt:</p>
+
+<p><a class="page" name="Page_35" id ="Page_35" title="35"></a>
+<span style="margin-left: 12em;">Filax sprach zu</span><br />
+<span style="margin-left: 14em;">der Maus, die</span><br />
+<span style="margin-left: 18em;">er traf</span><br />
+<span style="margin-left: 19em;">in dem</span><br />
+<span style="margin-left: 20em;">Haus:</span><br />
+<span style="margin-left: 18.5em;">&raquo;Geh' mit</span><br />
+<span style="margin-left: 18em;">mir vor</span><br />
+<span style="margin-left: 17.5em;">Gericht,</span><br />
+<span style="margin-left: 16.5em;">da&szlig; ich</span><br />
+<span style="margin-left: 15.5em;">dich</span><br />
+<span style="margin-left: 15em;">verklage.</span><br />
+<span style="margin-left: 15em;">Komm und</span><br />
+<span style="margin-left: 15.5em;">wehr' dich</span><br />
+<span style="margin-left: 16.5em;">nicht mehr;</span><br />
+<span style="margin-left: 17em;">ich mu&szlig;</span><br />
+<span style="margin-left: 17.5em;">haben ein</span><br />
+<span style="margin-left: 19em;">Verh&ouml;r,</span><br />
+<span style="margin-left: 18.5em;">denn ich</span><br />
+<span style="margin-left: 19.5em;">habe</span><br />
+<span style="margin-left: 18em;">nichts</span><br />
+<span style="margin-left: 17.5em;">zu thun</span><br />
+<span style="margin-left: 17em;">schon</span><br />
+<span style="margin-left: 16.5em;">zwei</span><br />
+<span style="margin-left: 16em;">Tage.&laquo;</span><br />
+<span style="margin-left: 15em;">Sprach die</span><br />
+<span style="margin-left: 14.5em;">Maus zum</span><br />
+<span style="margin-left: 14em;">K&ouml;ter:</span><br />
+<span style="margin-left: 13.5em;">&raquo;Solch</span><br />
+<span style="margin-left: 14.5em;">Verh&ouml;r,</span><br />
+<span style="margin-left: 15em;">lieber Herr,</span><br />
+<span style="margin-left: 16.5em;">ohne</span><br />
+<span style="margin-left: 16em;">Richter,</span><br />
+<span style="margin-left: 15em;">ohne</span><br />
+<span style="margin-left: 14em;">Zeugen</span><br />
+<span style="margin-left: 14.5em;">thut nicht</span><br />
+<span style="margin-left: 17em;">Noth.&laquo;</span><br />
+<span style="margin-left: 16.5em;">&raquo;Ich bin</span><br />
+<span style="margin-left: 16em;">Zeuge,</span><br />
+<span style="margin-left: 15em;">ich bin</span><br />
+<span style="margin-left: 14.5em;">Richter,&laquo;</span><br />
+<span style="margin-left: 14em;">sprach</span><br />
+<span style="margin-left: 14.5em;">er schlau</span><br />
+<span style="margin-left: 15.5em;">und schnitt</span><br />
+<span style="margin-left: 16em;">Gesichter,</span><br />
+<span style="margin-left: 16em;">&raquo;das Verh&ouml;r</span><br />
+<span style="margin-left: 16.5em;">leite ich</span><br />
+<span style="margin-left: 19em;">und</span><br />
+<span style="margin-left: 16.5em;">verdamme</span><br />
+<span style="margin-left: 16em;">dich</span><br />
+<span style="margin-left: 15em;">zum</span><br />
+<span style="margin-left: 16em;">Tod!&laquo;</span><br />
+</p>
+
+<p><a class="page" name="Page_36" id ="Page_36" title="36"></a>&raquo;Du pa&szlig;t nicht auf!&laquo; sagte die Maus strenge zu Alice. &raquo;Woran denkst du?&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Ich bitte um Verzeihung,&laquo; sagte Alice sehr bescheiden: &raquo;du warst bis
+zur f&uuml;nften Biegung gekommen, glaube ich?&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Mit nichten!&laquo; sagte die Maus entschieden und sehr &auml;rgerlich.</p>
+
+<p>&raquo;Nichten!&laquo; rief Alice, die gern neue Bekanntschaften machte, und sah
+sich neugierig &uuml;berall um. &raquo;O, wo sind sie, deine Nichten? La&szlig; mich
+gehen und sie her holen!&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Das werde ich sch&ouml;n bleiben lassen,&laquo; sagte die Maus, indem sie aufstand
+und fortging. &raquo;Deinen Unsinn kann ich nicht mehr mit anh&ouml;ren!&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Ich meinte es nicht b&ouml;se!&laquo; entschuldigte sich die arme Alice. &raquo;Aber du
+bist so sehr empfindlich, du!&laquo;</p>
+
+<p>Das M&auml;uslein brummte nur als Antwort.</p>
+
+<p>&raquo;Bitte, komm wieder, und erz&auml;hle deine Geschichte aus!&laquo; rief Alice ihr
+nach; und die Andern wiederholten im Chor: &raquo;ja bitte!&laquo; aber das M&auml;uschen
+sch&uuml;ttelte unwillig mit dem Kopfe und ging schnell fort.</p>
+
+<p>&raquo;Wie schade, da&szlig; es nicht bleiben wollte!&laquo; seufzte der Papagei, sobald
+es nicht mehr zu sehen war; und eine<a class="page" name="Page_37" id ="Page_37" title="37"></a> alte Unke nahm die Gelegenheit
+wahr, zu ihrer Tochter zu sagen, &raquo;Ja, mein Kind! la&szlig; dir dies eine Lehre
+sein, niemals <em class="gesperrt">&uuml;bler</em> Laune zu sein!&laquo; &raquo;Halt den Mund, Mama!&laquo; sagte die
+junge Unke, etwas naseweis.</p>
+
+<p>&raquo;Wahrhaftig, du w&uuml;rdest die Geduld einer Auster ersch&ouml;pfen!&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Ich w&uuml;nschte, ich h&auml;tte unsere Dinah hier, das w&uuml;nschte ich!&laquo; sagte
+Alice laut, ohne Jemand insbesondere anzureden. &raquo;Sie w&uuml;rde sie bald
+zur&uuml;ckholen!&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Und wer ist Dinah, wenn ich fragen darf?&laquo; sagte der Papagei.</p>
+
+<p>Alice antwortete eifrig, denn sie sprach gar zu gern von ihrem Liebling:
+&raquo;Dinah ist unsere Katze, und sie ist euch so geschickt im M&auml;usefangen,
+ihr k&ouml;nnt's euch gar nicht denken! Und ach, h&auml;ttet ihr sie nur V&ouml;gel
+jagen sehen. Ich sage euch, sie fri&szlig;t einen kleinen Vogel, so wie sie
+ihn zu Gesicht bekommt.&laquo;</p>
+
+<p>Diese Mittheilung verursachte gro&szlig;e Aufregung in der Gesellschaft.
+Einige der V&ouml;gel machten sich augenblicklich davon; eine alte Elster
+fing an, sich sorgf&auml;ltig einzuwickeln, indem sie bemerkte: &raquo;Ich mu&szlig;
+wirklich nach Hause gehen; die Nachtluft ist nicht gut f&uuml;r meinen Hals!&laquo;
+und ein Canarienvogel piepte zitternd zu seinen<a class="page" name="Page_38" id ="Page_38" title="38"></a> Kleinen, &raquo;Kommt fort,
+Kinder! es ist die h&ouml;chste Zeit f&uuml;r euch, zu Bett zu gehen!&laquo; Unter
+verschiedenen Entschuldigungen entfernten sie sich Alle, und Alice war
+bald ganz allein.</p>
+
+<p>&raquo;H&auml;tte ich nur Dinah nicht erw&auml;hnt!&laquo; sprach sie bei sich mit betr&uuml;btem
+Tone. &raquo;Niemand scheint sie gern zu haben, hier unten, und dabei ist sie
+doch die beste Katze von der Welt! Oh, meine liebe Dinah! ob ich dich
+wohl je wieder sehen werde!&laquo; dabei fing die arme Alice von Neuem zu
+weinen an, denn sie f&uuml;hlte sich gar zu einsam und muthlos. Nach einem
+Weilchen jedoch h&ouml;rte sie wieder ein Trappeln von Schritten in der
+Entfernung und blickte aufmerksam hin, halb in der Hoffnung, da&szlig; die
+Maus sich besonnen habe und zur&uuml;ckkomme, ihre Geschichte auszuerz&auml;hlen.</p>
+
+
+
+<hr style="width: 65%;" />
+<h2><a class="page" name="Page_39" id ="Page_39" title="39"></a><a name="Viertes_Kapitel" id="Viertes_Kapitel"></a><a href="#Inhalt">Viertes Kapitel.</a></h2>
+
+<h2>Die Wohnung des Kaninchens.</h2>
+
+
+<p>Es war das wei&szlig;e Kaninchen, das langsam zur&uuml;ckgewandert kam, indem es
+sorgf&auml;ltig beim Gehen umhersah, als ob es etwas verloren h&auml;tte, und sie
+h&ouml;rte wie es f&uuml;r sich murmelte: &raquo;die Herzogin! die Herzogin! Oh, meine
+weichen Pfoten! o mein Fell und Knebelbart! Sie wird mich h&auml;ngen lassen,
+so gewi&szlig; Frettchen Frettchen sind! Wo ich sie kann haben fallen lassen,
+begreife ich nicht!&laquo; Alice errieth augenblicklich, da&szlig; es den F&auml;cher und
+die wei&szlig;en Glaceehandschuhe meinte, und gutm&uuml;thig genug fing sie an,
+danach umher zu suchen, aber sie waren nirgends zu sehen &mdash; Alles schien
+seit ihrem Bade in dem Pfuhl verwandelt zu sein, und der gro&szlig;e Corridor
+mit dem Glastische und der kleinen Th&uuml;r war g&auml;nzlich verschwunden.</p>
+
+<p><a class="page" name="Page_40" id ="Page_40" title="40"></a>Das Kaninchen erblickte Alice bald, und wie sie &uuml;berall suchte, rief es
+ihr &auml;rgerlich zu: &raquo;Was, Marianne, was hast du hier zu schaffen? Renne
+augenblicklich nach Hause, und hole mir ein Paar Handschuhe und einen
+F&auml;cher! Schnell, vorw&auml;rts!&laquo; Alice war so erschrocken, da&szlig; sie schnell in
+der angedeuteten Richtung fortlief, ohne ihm zu erkl&auml;ren, da&szlig; es sich
+versehen habe.</p>
+
+<p>&raquo;Es h&auml;lt mich f&uuml;r sein Hausm&auml;dchen,&laquo; sprach sie bei sich selbst und lief
+weiter. &raquo;Wie es sich wundern wird, wenn es erf&auml;hrt, wer ich bin! Aber
+ich will ihm lieber seinen F&auml;cher und seine Handschuhe bringen
+&mdash; n&auml;mlich, wenn ich sie finden kann.&laquo; Wie sie so sprach, kam sie an ein
+nettes kleines Haus, an dessen Th&uuml;r ein gl&auml;nzendes Messingschild war mit
+dem Namen &raquo;W. <em class="gesperrt">Kaninchen</em>&laquo; darauf. Sie ging hinein ohne anzuklopfen, lief
+die Treppe hinauf, in gro&szlig;er Angst, der wirklichen Marianne zu begegnen
+und zum Hause hinausgewiesen zu werden, ehe sie den F&auml;cher und die
+Handschuhe gefunden h&auml;tte.</p>
+
+<p>&raquo;Wie komisch es ist,&laquo; sagte Alice bei sich, &raquo;Besorgungen f&uuml;r ein
+Kaninchen zu machen! Vermuthlich wird mir Dinah n&auml;chstens Auftr&auml;ge
+geben!&laquo; Und sie dachte sich schon aus, wie es Alles kommen w&uuml;rde:</p>
+
+<p><a class="page" name="Page_41" id ="Page_41" title="41"></a>&raquo;Fr&auml;ulein Alice! Kommen Sie gleich, es ist Zeit zum Ausgehen f&uuml;r Sie!&laquo;
+&raquo;Gleich Kinderfrau! aber ich mu&szlig; dieses M&auml;useloch hier bewachen bis
+Dinah wiederkommt, und aufpassen, da&szlig; die Maus nicht herauskommt.&laquo; &raquo;Nur
+w&uuml;rde Dinah,&laquo; dachte Alice weiter, &raquo;gewi&szlig; nicht im Hause bleiben d&uuml;rfen,
+wenn sie anfinge, die Leute so zu commandiren.&laquo;</p>
+
+<p>Mittlerweile war sie in ein sauberes kleines Zimmer gelangt, mit einem
+Tisch vor dem Fenster und darauf (wie sie gehofft hatte) ein F&auml;cher und
+zwei oder drei Paar winziger wei&szlig;er Glaceehandschuhe; sie nahm den
+F&auml;cher und ein Paar Handschuhe und wollte eben das Zimmer verlassen, als
+ihr Blick auf ein Fl&auml;schchen fiel, das bei dem Spiegel stand. Diesmal
+war kein Zettel mit den Worten: &raquo;<em class="gesperrt">Trink mich</em>&laquo; darauf, aber trotzdem zog
+sie den Pfropfen heraus und setzte es an die Lippen. &raquo;Ich wei&szlig;, <em class="gesperrt">etwas</em>
+Merkw&uuml;rdiges mu&szlig; geschehen, sobald ich esse oder trinke; drum will ich
+versuchen, was dies Fl&auml;schchen thut. Ich hoffe, es wird mich wieder
+gr&ouml;&szlig;er machen; denn es ist mir sehr langweilig, solch winzig kleines
+Ding zu sein!&laquo;</p>
+
+<p>Richtig, und zwar schneller, als sie erwartete: ehe sie das Fl&auml;schchen
+halb ausgetrunken hatte f&uuml;hlte sie,<a class="page" name="Page_42" id ="Page_42" title="42"></a> wie ihr Kopf an die Decke stie&szlig;,
+und mu&szlig;te sich rasch b&uuml;cken, um sich nicht den Hals zu brechen. Sie
+stellte die Flasche hin, indem sie zu sich sagte: &raquo;Das ist ganz genug &mdash;
+ich hoffe, ich werde nicht weiter wachsen &mdash; ich kann so schon nicht zur
+Th&uuml;re hinaus &mdash; h&auml;tte ich nur nicht so viel getrunken!&laquo;</p>
+
+<div class="figcenter" style="width: 500px;">
+<img src="images/p042.png" width="500" height="355" alt="" title="" />
+</div>
+
+<p>O weh! es war zu sp&auml;t, dies zu w&uuml;nschen. Sie wuchs und wuchs, und mu&szlig;te
+sehr bald auf den Fu&szlig;boden niederknien; den n&auml;chsten Augenblick war
+selbst dazu nicht Platz genug, sie legte sich nun hin, mit einem
+Ellbogen gegen die Th&uuml;r gestemmt und den<a class="page" name="Page_43" id ="Page_43" title="43"></a> andern Arm unter dem Kopfe.
+Immer noch wuchs sie, und als letzte H&uuml;lfsquelle streckte sie einen Arm
+zum Fenster hinaus und einen Fu&szlig; in den Kamin hinauf, und sprach zu sich
+selbst: &raquo;Nun kann ich nicht mehr thun, was auch geschehen mag. Was <em class="gesperrt">wird</em>
+nur aus mir werden?&laquo;</p>
+
+<p>Zum Gl&uuml;ck f&uuml;r Alice hatte das Zauberfl&auml;schchen nun seine volle Wirkung
+gehabt, und sie wuchs nicht weiter. Aber es war sehr unbequem, und da
+durchaus keine Aussicht war, da&szlig; sie je wieder aus dem Zimmer hinaus
+komme, so war sie nat&uuml;rlich sehr ungl&uuml;cklich.</p>
+
+<p>&raquo;Es war viel besser zu Hause,&laquo; dachte die arme Alice, &raquo;wo man nicht
+fortw&auml;hrend gr&ouml;&szlig;er und kleiner wurde, und sich nicht von M&auml;usen und
+Kaninchen commandiren zu lassen brauchte. Ich w&uuml;nschte fast, ich w&auml;re
+nicht in den Kaninchenbau hineingelaufen &mdash; aber &mdash; aber, es ist doch
+komisch, diese Art Leben! Ich m&ouml;chte wohl wissen, <em class="gesperrt">was</em> eigentlich mit mir
+vorgegangen ist! Wenn ich M&auml;rchen gelesen habe, habe ich immer gedacht,
+so etwas k&auml;me nie vor, nun bin ich mitten drin in einem! Es sollte ein
+Buch von mir geschrieben werden, und wenn ich gro&szlig; bin, will ich eins
+schreiben &mdash; aber ich bin ja jetzt gro&szlig;,&laquo; sprach sie betr&uuml;bt weiter,<a class="page" name="Page_44" id ="Page_44" title="44"></a>
+&raquo;wenigstens <em class="gesperrt">hier</em> habe ich keinen Platz &uuml;brig, noch gr&ouml;&szlig;er zu werden.&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Aber,&laquo; dachte Alice, &raquo;werde ich denn nie &auml;lter werden, als ich jetzt
+bin? das ist ein Trost &mdash; nie eine alte Frau zu sein &mdash; aber dann &mdash;
+immer Aufgaben zu lernen zu haben! Oh, <em class="gesperrt">das</em> m&ouml;chte ich nicht gern!&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;O, du einf&auml;ltige Alice,&laquo; schalt sie sich selbst. &raquo;Wie kannst du hier
+Aufgaben lernen? Sieh doch, es ist kaum Platz genug f&uuml;r dich, viel
+weniger f&uuml;r irgend ein Schulbuch!&laquo;</p>
+
+<p>Und so redete sie fort; erst als eine Person, dann die andere, und hatte
+so eine lange Unterhaltung mit sich selbst; aber nach einigen Minuten
+h&ouml;rte sie drau&szlig;en eine Stimme und schwieg still, um zu horchen.</p>
+
+<p>&raquo;Marianne! Marianne!&laquo; sagte die Stimme, &raquo;hole mir gleich meine
+Handschuhe!&laquo; dann kam ein Trappeln von kleinen F&uuml;&szlig;en die Treppe herauf.
+Alice wu&szlig;te, da&szlig; es das Kaninchen war, das sie suchte, und sie zitterte
+so sehr, da&szlig; sie das ganze Haus ersch&uuml;tterte; sie hatte ganz vergessen,
+da&szlig; sie jetzt wohl tausend Mal so gro&szlig; wie das Kaninchen war und keine
+Ursache hatte, sich vor ihm zu f&uuml;rchten.</p>
+
+<p><a class="page" name="Page_45" id ="Page_45" title="45"></a>Jetzt kam das Kaninchen an die Th&uuml;r und wollte sie aufmachen; da aber
+die Th&uuml;r nach innen aufging und Alice's Ellbogen fest dagegen gestemmt
+war, so war es ein vergeblicher Versuch. Alice h&ouml;rte, wie es zu sich
+selbst sprach: &raquo;dann werde ich herum gehen und zum Fenster
+hineinsteigen.&laquo;</p>
+
+<div class="figright" style="width: 339px;">
+<img src="images/p045.png" width="339" height="500" alt="" title="" />
+</div>
+
+<p>&raquo;Das wirst du nicht thun,&laquo; dachte Alice, und nachdem sie gewartet hatte,
+bis sie das Kaninchen dicht unter dem Fenster zu h&ouml;ren glaubte, streckte
+sie mit einem Male ihre Hand aus und griff in die Luft. Sie fa&szlig;te zwar
+nichts, h&ouml;rte aber einen schwachen Schrei und einen Fall, dann das
+Geklirr von zerbrochenem Glase, woraus sie schlo&szlig;, da&szlig; es wahrscheinlich
+in ein Gurkenbeet gefallen sei, oder etwas dergleichen.</p>
+
+<p>Demn&auml;chst kam eine &auml;rgerliche Stimme &mdash; die des Kaninchens &mdash; &raquo;Pat! Pat!
+wo bist du?&laquo; und dann<a class="page" name="Page_46" id ="Page_46" title="46"></a> eine Stimme, die sie noch nicht geh&ouml;rt hatte: &raquo;Wo
+soll ich sind? ich bin hier! grabe Aepfel aus, Euer Jnaden!&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Aepfel ausgraben? so!&laquo; sagte das Kaninchen &auml;rgerlich. &raquo;Hier! komm und
+hilf mir heraus!&laquo; (Noch mehr Geklirr von Glasscherben.)</p>
+
+<p>&raquo;Nun sage mir, Pat, was ist das da oben im Fenster?&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Wat soll's sind? 's is en Arm, Euer Jnaden!&laquo; (Er sprach es &raquo;Arrum&laquo;
+aus.)</p>
+
+<p>&raquo;Ein Arm, du Esel! Wer hat je einen so gro&szlig;en Arm gesehen? er nimmt ja
+das ganze Fenster ein!&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Zu dienen, des thut er, Euer Jnaden; aber en Arm is es, und en Arm
+bleebt es.&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Jedenfalls hat er da nichts zu suchen: geh' und schaffe ihn fort!&laquo;</p>
+
+<p>Darauf folgte eine lange Pause, w&auml;hrend welcher Alice sie nur einzelne
+Worte fl&uuml;stern h&ouml;rte, wie: &raquo;Zu dienen, des scheint mer nich, Euer
+Jnaden, jar nich, jar nich!&laquo; &raquo;Thu', was ich dir sage, feige Memme!&laquo;
+zuletzt streckte sie die Hand wieder aus und that einen Griff in die
+Luft. Diesmal h&ouml;rte sie ein leises Wimmern und noch mehr Geklirr von
+Glasscherben. &raquo;Wie viel Gurkenbeete da sein m&uuml;ssen!&laquo; dachte Alice. &raquo;Mich
+soll<a class="page" name="Page_47" id ="Page_47" title="47"></a> doch wundern, was sie nun thun werden! Mich zum Fenster hinaus
+ziehen? ja, wenn sie das nur k&ouml;nnten! Ich bliebe wahrlich nicht gern
+l&auml;nger hier!&laquo;</p>
+
+<p>Sie wartete eine Zeit lang, ohne etwas zu h&ouml;ren; endlich kam ein Rollen
+von kleinen Leiterwagen, und ein L&auml;rm von einer Menge Stimmen, alle
+durcheinander; sie verstand die Worte: &raquo;Wo ist die andere Leiter? &mdash; Ich
+sollte ja nur eine bringen; Wabbel hat die andere &mdash; Wabbel, bringe sie
+her, Junge! &mdash; Lehnt sie hier gegen diese Ecke &mdash; Nein, sie m&uuml;ssen erst
+zusammengebunden werden &mdash; sie reichen nicht halb hinauf &mdash; Ach, was
+werden sie nicht reichen: seid nicht so umst&auml;ndlich &mdash; Hier, Wabbel!
+fange den Strick &mdash; Wird das Dach auch tragen? &mdash; Nimm dich mit dem losen
+Schiefer in Acht &mdash; oh, da f&auml;llt er! K&ouml;pfe weg!&laquo; (ein lautes Krachen) &mdash;
+&raquo;Wessen Schuld war das? &mdash; Wabbel's, glaube ich &mdash; Wer soll in den
+Schornstein steigen? &mdash; Ich nicht, so viel wei&szlig; ich! Ihr aber doch,
+nicht wahr? &mdash; Nicht ich, meiner Treu! &mdash; Wabbel kann hineinsteigen &mdash;
+Hier, Wabbel! der Herr sagt, du sollst in den Schornstein steigen!&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;So, also Wabbel soll durch den Schornstein hereinkommen, wirklich?&laquo;
+sagte Alice zu sich selbst. &raquo;Sie<a class="page" name="Page_48" id ="Page_48" title="48"></a> scheinen mir Alles auf Wabbel zu
+schieben: ich m&ouml;chte um Alles nicht an Wabbel's Stelle sein; der Kamin
+ist freilich eng, aber etwas werde ich doch wohl mit dem Fu&szlig;e
+ausschlagen k&ouml;nnen!&laquo;</p>
+
+<div class="figleft" style="width: 182px;">
+<img src="images/p048.png" width="182" height="500" alt="" title="" />
+</div>
+
+<p>Sie zog ihren Fu&szlig; so weit herunter, wie sie konnte, und wartete, bis sie
+ein kleines Thier (sie konnte nicht rathen, was f&uuml;r eine Art es sei) in
+dem Schornstein kratzen und klettern h&ouml;rte; als es dicht &uuml;ber ihr war,
+sprach sie bei sich: &raquo;Dies ist Wabbel,&laquo; gab einen kr&auml;ftigen Sto&szlig; in die
+H&ouml;he, und wartete dann der Dinge, die da kommen w&uuml;rden.</p>
+
+<p>Zuerst h&ouml;rte sie einen<a class="page" name="Page_49" id ="Page_49" title="49"></a> allgemeinen Chor: &raquo;Da fliegt Wabbel!&laquo; dann die
+Stimme des Kaninchens allein: &mdash; &raquo;Fangt ihn auf, ihr da bei der Hecke!&laquo;
+darauf Stillschweigen, dann wieder verworrene Stimmen: &mdash; &raquo;Haltet ihm
+den Kopf &mdash; etwas Branntwein &mdash; Ersticke ihn doch nicht &mdash; Wie geht's,
+alter Kerl? Was ist dir denn geschehen? erz&auml;hle uns Alles!&laquo;</p>
+
+<p>Zuletzt kam eine kleine schwache, quiekende Stimme (&raquo;das ist Wabbel,&laquo;
+dachte Alice): &raquo;Ich wei&szlig; es ja selbst nicht &mdash; Keinen mehr, danke! Ich
+bin schon viel besser &mdash; aber ich bin viel zu aufgeregt, um euch zu
+erz&auml;hlen &mdash; Ich wei&szlig; nur, da kommt ein Ding in die H&ouml;he, wie'n
+Dosen-Stehauf, und auf fliege ich wie 'ne Rackete!&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Ja, das hast du gethan, alter Kerl!&laquo; sagten die Andern.</p>
+
+<p>&raquo;Wir m&uuml;ssen das Haus niederbrennen!&laquo; rief das Kaninchen; da schrie Alice
+so laut sie konnte: &raquo;Wenn ihr das thut, werde ich Dinah &uuml;ber euch
+schicken!&laquo;</p>
+
+<p>Sogleich entstand tiefes Schweigen, und Alice dachte bei sich: &raquo;<em class="gesperrt">Was</em> sie
+wohl jetzt thun werden? Wenn sie Menschenverstand h&auml;tten, w&uuml;rden sie das
+Dach abrei&szlig;en.&laquo; Nach einer oder zwei Minuten fingen sie wieder<a class="page" name="Page_50" id ="Page_50" title="50"></a> an sich
+zu r&uuml;hren, und Alice h&ouml;rte das Kaninchen sagen: &raquo;Eine Karre voll ist vor
+der Hand genug.&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Eine Karre voll was?&laquo; dachte Alice; doch blieb sie nicht lange im
+Zweifel, denn den n&auml;chsten Augenblick kam ein Schauer von kleinen
+Kieseln zum Fenster herein geflogen, von denen ein Paar sie gerade in's
+Gesicht trafen. &raquo;Dem will ich ein Ende machen,&laquo; sagte sie bei sich und
+schrie hinaus: &raquo;Das la&szlig;t mir gef&auml;lligst bleiben!&laquo; worauf wieder tiefe
+Stille erfolgte.</p>
+
+<p>Alice bemerkte mit einigem Erstaunen, da&szlig; die Kiesel sich alle in kleine
+Kuchen verwandelten, als sie auf dem Boden lagen, und dies brachte sie
+auf einen gl&auml;nzenden Gedanken. &raquo;Wenn ich einen von diesen Kuchen esse,&laquo;
+dachte sie, &raquo;wird es gewi&szlig; meine Gr&ouml;&szlig;e ver&auml;ndern; und da ich unm&ouml;glich
+noch mehr wachsen kann, so wird es mich wohl kleiner machen, vermuthe
+ich.&laquo;</p>
+
+<p>Sie schluckte demnach einen kleinen Kuchen herunter, und merkte zu ihrem
+Entz&uuml;cken, da&szlig; sie sogleich abnahm. Sobald sie klein genug war, um durch
+die Th&uuml;r zu gehen, rannte sie zum Hause hinaus, und fand einen
+f&ouml;rmlichen Auflauf von kleinen Thieren und V&ouml;geln davor. Die arme kleine
+Eidechse, Wabbel, war in der Mitte, von zwei Meerschweinchen
+unterst&uuml;tzt, die ihm etwas aus einer<a class="page" name="Page_51" id ="Page_51" title="51"></a> Flasche gaben. Es war ein
+allgemeiner Sturm auf Alice, sobald sie sich zeigte; sie lief aber so
+schnell sie konnte davon, und kam sicher in ein dichtes Geb&uuml;sch.</p>
+
+<p>&raquo;Das N&ouml;thigste, was ich nun zu thun habe,&laquo; sprach Alice bei sich, wie
+sie in dem W&auml;ldchen umher wanderte, &raquo;ist, meine richtige Gr&ouml;&szlig;e zu
+erlangen; und das Zweite, den Weg zu dem wunderh&uuml;bschen Garten zu
+finden. Ja, das wird der beste Plan sein.&laquo;</p>
+
+<p>Es klang freilich wie ein vortrefflicher Plan, und recht nett und
+einfach ausgedacht; die einzige Schwierigkeit war, da&szlig; sie nicht den
+geringsten Begriff hatte, wie sie ihn ausf&uuml;hren sollte; und w&auml;hrend sie
+so &auml;ngstlich zwischen den B&auml;umen umherguckte, h&ouml;rte sie pl&ouml;tzlich ein
+scharfes feines Bellen gerade &uuml;ber ihrem Kopfe und sah eilig auf.</p>
+
+<p>Ein ungeheuer gro&szlig;er junger Hund sah mit seinen hervorstehenden runden
+Augen auf sie herab und machte einen schwachen Versuch, eine Pfote
+auszustrecken und sie zu ber&uuml;hren. &raquo;Armes kleines Ding!&laquo; sagte Alice in
+liebkosendem Tone, und sie gab sich alle M&uuml;he, ihm zu pfeifen; dabei
+hatte sie aber gro&szlig;e Angst, ob er auch nicht hungrig w&auml;re, denn dann
+w&uuml;rde er sie wahrscheinlich auffressen trotz allen Liebkosungen.</p>
+
+<div class="figcenter" style="width: 418px;"><a class="page" name="Page_52" id ="Page_52" title="52"></a>
+<img src="images/p052.png" width="418" height="500" alt="" title="" />
+</div>
+
+<p>Ohne recht zu wissen was sie that, nahm sie ein St&auml;bchen auf und hielt
+es ihm hin; worauf das ungeschickte Thierchen mit allen vier F&uuml;&szlig;en
+zugleich in die H&ouml;he sprang, vor Entz&uuml;cken laut aufbellte, auf das<a class="page" name="Page_53" id ="Page_53" title="53"></a>
+St&auml;bchen losrannte und that, als wolle es es zerrei&szlig;en; da wich Alice
+ihm aus hinter eine gro&szlig;e Distel, um nicht zertreten zu werden; und so
+wie sie auf der andern Seite hervorkam, lief der junge Hund wieder auf
+das St&auml;bchen los und fiel kopf&uuml;ber in seiner Eile, es zu fangen. Alice,
+der es vorkam, als wenn Jemand mit einem Fuhrmannspferde Zeck spielt,
+und die jeden Augenblick f&uuml;rchtete, unter seine F&uuml;&szlig;e zu gerathen, lief
+wieder hinter die Distel; da machte der junge Hund eine Reihe von kurzen
+Anl&auml;ufen auf das St&auml;bchen, wobei er jedes Mal ein klein wenig vorw&auml;rts
+und ein gutes St&uuml;ck zur&uuml;ck rannte und sich heiser bellte, bis er sich
+zuletzt mit zum Munde heraush&auml;ngender Zunge und halb geschlossenen
+Augen, ganz au&szlig;er Athem hinsetzte.</p>
+
+<p>Dies schien Alice eine gute Gelegenheit zu sein, fortzukommen; sie
+machte sich also gleich davon, und rannte bis sie ganz m&uuml;de war und
+keine Luft mehr hatte, und bis das Bellen nur noch ganz schwach in der
+Ferne zu h&ouml;ren war.</p>
+
+<p>&raquo;Und doch war es ein lieber kleiner Hund!&laquo; sagte Alice, indem sie sich
+an eine Butterblume lehnte um auszuruhen, und sich mit einem der Bl&auml;tter
+f&auml;chelte. &raquo;Ich h&auml;tte ihn gern Kunstst&uuml;cke gelehrt, wenn &mdash; wenn<a class="page" name="Page_54" id ="Page_54" title="54"></a> ich nur
+gro&szlig; genug dazu gewesen w&auml;re! O ja! das h&auml;tte ich beinah vergessen, ich
+mu&szlig; ja machen, da&szlig; ich wieder wachse! La&szlig; sehen &mdash; wie f&auml;ngt man es doch
+an? Ich d&auml;chte, ich sollte irgend etwas essen oder trinken; aber die
+Frage ist, was?&laquo;</p>
+
+<p>Das war in der That die Frage. Alice blickte um sich nach allen Blumen
+und Grashalmen; aber gar nichts sah aus, als ob es das Rechte sei, das
+sie unter den Umst&auml;nden essen oder trinken m&uuml;sse. In der N&auml;he wuchs ein
+gro&szlig;er Pilz, ungef&auml;hr so hoch wie sie; nachdem sie ihn sich von unten,
+von beiden Seiten, r&uuml;ckw&auml;rts und vorw&auml;rts betrachtet hatte, kam es ihr
+in den Sinn zu sehen, was oben darauf sei. Sie stellte sich also auf die
+Fu&szlig;spitzen und guckte &uuml;ber den Rand des Pilzes, und sogleich begegnete
+ihr Blick dem einer gro&szlig;en blauen Raupe, die mit kreuzweise gelegten
+Armen da sa&szlig; und ruhig aus einer gro&szlig;en Huhka rauchte, ohne die
+geringste Notiz von ihr noch sonst irgend Etwas zu nehmen.</p>
+
+
+
+<hr style="width: 65%;" />
+<div class="figcenter" style="width: 370px;"><a class="page" name="Page_55" id ="Page_55" title="55"></a>
+<img src="images/p055.png" width="370" height="500" alt="" title="" />
+</div>
+
+
+
+<h2><a name="Funftes_Kapitel" id="Funftes_Kapitel"></a><a href="#Inhalt">F&uuml;nftes Kapitel.</a></h2>
+
+<h2>Guter Rath von einer Raupe.</h2>
+
+
+<p>Die Raupe und Alice sahen sich eine Zeit lang schweigend an; endlich
+nahm die Raupe die Huhka aus dem Munde und redete sie mit schmachtender,
+langsamer Stimme an. &raquo;Wer bist du?&laquo; fragte die Raupe.</p>
+
+<p><a class="page" name="Page_56" id ="Page_56" title="56"></a>Das war kein sehr ermuthigender Anfang einer Unterhaltung. Alice
+antwortete, etwas befangen: &raquo;Ich &mdash; ich wei&szlig; nicht recht, diesen
+Augenblick &mdash; vielmehr ich wei&szlig;, wer ich heut fr&uuml;h war, als ich
+aufstand; aber ich glaube, ich mu&szlig; seitdem ein paar Mal verwechselt
+worden sein.&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Was meinst du damit?&laquo; sagte die Raupe strenge. &raquo;Erkl&auml;re dich
+deutlicher!&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Ich kann mich nicht deutlicher erkl&auml;ren, f&uuml;rchte ich, Raupe,&laquo; sagte
+Alice, &raquo;weil ich nicht ich bin, sehen Sie wohl?&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Ich sehe nicht wohl,&laquo; sagte die Raupe.</p>
+
+<p>&raquo;Ich kann es wirklich nicht besser ausdr&uuml;cken,&laquo; erwiederte Alice sehr
+h&ouml;flich, &raquo;denn ich kann es selbst nicht begreifen; und wenn man an einem
+Tage so oft klein und gro&szlig; wird, wird man ganz verwirrt.&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Nein, das wird man nicht,&laquo; sagte die Raupe.</p>
+
+<p>&raquo;Vielleicht haben Sie es noch nicht versucht,&laquo; sagte Alice, &raquo;aber wenn
+Sie sich in eine Puppe verwandeln werden, das m&uuml;ssen Sie &uuml;ber kurz oder
+lang wie Sie wissen &mdash; und dann in einen Schmetterling, das wird sich
+doch komisch anf&uuml;hlen, nicht wahr?&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Durchaus nicht,&laquo; sagte die Raupe.</p>
+
+<p><a class="page" name="Page_57" id ="Page_57" title="57"></a>&raquo;Sie f&uuml;hlen wahrscheinlich anders darin,&laquo; sagte Alice; &raquo;so viel wei&szlig;
+ich, da&szlig; es mir sehr komisch sein w&uuml;rde.&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Dir!&laquo; sagte die Raupe ver&auml;chtlich. &raquo;Wer bist <em class="gesperrt">du</em> denn?&laquo;</p>
+
+<p>Was sie wieder auf den Anfang der Unterhaltung zur&uuml;ckbrachte. Alice war
+etwas &auml;rgerlich, da&szlig; die Raupe so sehr kurz angebunden war; sie warf den
+Kopf in die H&ouml;he und sprach sehr ernst: &raquo;Ich d&auml;chte, Sie sollten mir
+erst sagen, wer <em class="gesperrt">Sie</em> sind?&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Weshalb?&laquo; fragte die Raupe.</p>
+
+<p>Das war wieder eine schwierige Frage; und da sich Alice auf keinen guten
+Grund besinnen konnte und die Raupe <em class="gesperrt">sehr</em> schlechter Laune zu sein
+schien, so ging sie ihrer Wege.</p>
+
+<p>&raquo;Komm zur&uuml;ck!&laquo; rief ihr die Raupe nach, &raquo;ich habe dir etwas Wichtiges zu
+sagen!&laquo;</p>
+
+<p>Das klang sehr einladend; Alice kehrte wieder um und kam zu ihr zur&uuml;ck.</p>
+
+<p>&raquo;Sei nicht empfindlich,&laquo; sagte die Raupe.</p>
+
+<p>&raquo;Ist das Alles?&laquo; fragte Alice, ihren Aerger so gut sie konnte
+verbergend.</p>
+
+<p>&raquo;Nein,&laquo; sagte die Raupe.</p>
+
+<p><a class="page" name="Page_58" id ="Page_58" title="58"></a>Alice dachte, sie wollte doch warten, da sie sonst nichts zu thun habe,
+und vielleicht w&uuml;rde sie ihr etwas sagen, das der M&uuml;he werth sei. Einige
+Minuten lang rauchte die Raupe fort ohne zu reden; aber zuletzt nahm sie
+die Huhka wieder aus dem Munde und sprach: &raquo;Du glaubst also, du bist
+verwandelt?&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Ich f&uuml;rchte es fast, Raupe,&laquo; sagte Alice, &raquo;ich kann Sachen nicht
+behalten wie sonst, und ich werde alle zehn Minuten gr&ouml;&szlig;er oder
+kleiner!&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Kannst <em class="gesperrt">welche</em> Sachen nicht behalten?&laquo; fragte die Raupe.</p>
+
+<p>&raquo;Ach, ich habe versucht zu sagen: Bei einem Wirthe &amp;c.; aber es kam ganz
+anders!&laquo; antwortete Alice in niedergeschlagenem Tone.</p>
+
+<p>&raquo;Sage her: Ihr seid alt, Vater Martin,&laquo; sagte die Raupe.</p>
+
+<p>Alice faltete die H&auml;nde und fing an: <a class="page" name="Page_59" id ="Page_59" title="59"></a>&mdash;</p>
+
+<div class="figcenter" style="width: 500px;">
+<img src="images/p059.png" width="500" height="370" alt="" title="" />
+</div>
+
+<div class="poem"><div class="stanza">
+<span class="i0">&raquo;Ihr seid alt, Vater Martin,&laquo; so sprach Junker Tropf,<br /></span>
+<span class="i0">&raquo;Euer Haar ist schon lange ganz wei&szlig;;<br /></span>
+<span class="i0">Doch steht ihr so gerne noch auf dem Kopf.<br /></span>
+<span class="i0">Macht Euch denn das nicht zu hei&szlig;?&laquo;<br /></span>
+</div><div class="stanza">
+<span class="i0">&raquo;Als ich jung war,&laquo; der Vater zur Antwort gab,<br /></span>
+<span class="i0">&raquo;Da glaubt' ich, f&uuml;r's Hirn sei's nicht gut;<br /></span>
+<span class="i0">Doch seit ich entdeckt, da&szlig; ich gar keines hab'<br /></span>
+<span class="i0">So thu' ich's mit fr&ouml;hlichem Muth.&laquo;<br /></span>
+<a class="page" name="Page_60" id ="Page_60" title="60"></a></div></div>
+
+<div class="figcenter" style="width: 500px;">
+<img src="images/p060.png" width="500" height="377" alt="" title="" />
+</div>
+
+<div class="poem"><div class="stanza">
+<span class="i0">&raquo;Ihr seid alt,&laquo; sprach der Sohn, &raquo;wie vorhin schon gesagt,<br /></span>
+<span class="i0">Und geworden ein gar dicker Mann;<br /></span>
+<span class="i0">Drum sprecht, wie ihr r&uuml;cklings den Purzelbaum schlagt.<br /></span>
+<span class="i0">Potz tausend! wie fangt ihr's nur an?&laquo;<br /></span>
+</div><div class="stanza">
+<span class="i0">&raquo;Als ich jung war,&laquo; der Alte mit Kopfsch&uuml;tteln sagt',<br /></span>
+<span class="i0">&raquo;Da rieb ich die Glieder mir ein<br /></span>
+<span class="i0">Mit der Salbe hier, die sie geschmeidig macht.<br /></span>
+<span class="i0">F&uuml;r zwei Groschen Courant ist sie dein.&laquo;<br /></span>
+<a class="page" name="Page_61" id ="Page_61" title="61"></a></div></div>
+
+<div class="figcenter" style="width: 500px;">
+<img src="images/p061.png" width="500" height="373" alt="" title="" />
+</div>
+
+<div class="poem"><div class="stanza">
+<span class="i0">&raquo;Ihr seid alt,&laquo; sprach der Bub', &raquo;und k&ouml;nnt nicht recht kau'n,<br /></span>
+<span class="i0">Und solltet euch nehmen in Acht;<br /></span>
+<span class="i0">Doch a&szlig;t ihr die Ganz mit Schnabel und Klau'n;<br /></span>
+<span class="i0">Wie habt ihr das nur gemacht?&laquo;<br /></span>
+</div><div class="stanza">
+<span class="i0">&raquo;Ich war fr&uuml;her Jurist und hab' viel disputirt,<br /></span>
+<span class="i0">Besonders mit meiner Frau;<br /></span>
+<span class="i0">Das hat so mir die Kinnbacken einexercirt,<br /></span>
+<span class="i0">Da&szlig; ich jetzt noch mit Leichtigkeit kau!&laquo;<br /></span>
+<a class="page" name="Page_62" id ="Page_62" title="62"></a></div></div>
+
+<div class="figcenter" style="width: 500px;">
+<img src="images/p062.png" width="500" height="373" alt="" title="" />
+</div>
+
+<div class="poem"><div class="stanza">
+<span class="i0">&raquo;Ihr seid alt,&laquo; sagte der Sohn, &raquo;und habt nicht viel Witz,<br /></span>
+<span class="i0">Und doch seid ihr so geschickt;<br /></span>
+<span class="i0">Balancirt einen Aal auf der Nasenspitz'!<br /></span>
+<span class="i0">Wie ist euch das nur gegl&uuml;ckt?&laquo;<br /></span>
+</div><div class="stanza">
+<span class="i0">&raquo;Drei Antworten hast du, und damit genug,<br /></span>
+<span class="i0">Nun la&szlig; mich kein Wort mehr h&ouml;ren;<br /></span>
+<span class="i0">Du Guck in die Welt thust so &uuml;berklug,<br /></span>
+<span class="i0">Ich werde dich Mores lehren!&laquo;<br /></span>
+<a class="page" name="Page_63" id ="Page_63" title="63"></a></div></div>
+
+<p>&raquo;Das ist nicht richtig,&laquo; sagte die Raupe.</p>
+
+<p>&raquo;Nicht ganz richtig, glaube ich,&laquo; sagte Alice sch&uuml;chtern; &raquo;manche W&ouml;rter
+sind anders gekommen.&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Es ist von Anfang bis zu Ende falsch,&laquo; sagte die Raupe mit
+Entschiedenheit, worauf eine Pause von einigen Minuten eintrat.</p>
+
+<p>Die Raupe sprach zuerst wieder.</p>
+
+<p>&raquo;Wie gro&szlig; m&ouml;chtest du gern sein?&laquo; fragte sie.</p>
+
+<p>&raquo;Oh, es kommt nicht so genau darauf an,&laquo; erwiederte Alice schnell; &raquo;nur
+das viele Wechseln ist nicht angenehm, nicht wahr?&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Nein, es ist nicht wahr!&laquo; sagte die Raupe.</p>
+
+<p>Alice antwortete nichts; es war ihr im Leben nicht so viel widersprochen
+worden, und sie f&uuml;hlte, da&szlig; sie wieder anfing, empfindlich zu werden.</p>
+
+<p>&raquo;Bist du jetzt zufrieden?&laquo; sagte die Raupe.</p>
+
+<p>&raquo;Etwas gr&ouml;&szlig;er, Frau Raupe, w&auml;re ich gern, wenn ich bitten darf,&laquo; sagte
+Alice; &raquo;drei und einen halben Zoll ist gar zu winzig.&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Es ist eine sehr angenehme Gr&ouml;&szlig;e, finde ich,&laquo; sagte die Raupe zornig
+und richtete sich dabei in die H&ouml;he (sie war gerade drei Zoll hoch).</p>
+
+<p><a class="page" name="Page_64" id ="Page_64" title="64"></a>&raquo;Aber ich bin nicht daran gew&ouml;hnt!&laquo; vertheidigte sich die arme Alice in
+weinerlichem Tone. Bei sich dachte sie: &raquo;Ich w&uuml;nschte, alle diese
+Gesch&ouml;pfe n&auml;hmen nicht Alles gleich &uuml;bel.&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Dur wirst es mit der Zeit gewohnt werden,&laquo; sagte die Raupe, steckte
+ihre Huhka in den Mund und fing wieder an zu rauchen.</p>
+
+<p>Diesmal wartete Alice geduldig, bis es ihr gef&auml;llig w&auml;re zu reden. Nach
+zwei oder drei Minuten nahm die Raupe die Huhka aus dem Munde, g&auml;hnte
+ein bis zwei Mal und sch&uuml;ttelte sich. Dann kam sie von dem Pilze
+herunter, kroch in's Gras hinein und bemerkte blos bei'm Weggehen: &raquo;Die
+eine Seite macht dich gr&ouml;&szlig;er, die andere Seite macht dich kleiner.&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Eine Seite wovon? die andere Seite wovon?&laquo; dachte Alice bei sich.</p>
+
+<p>&raquo;Von dem Pilz,&laquo; sagte die Raupe, gerade als wenn sie laut gefragt h&auml;tte;
+und den n&auml;chsten Augenblick war sie nicht mehr zu sehen.</p>
+
+<p>Alice blieb ein Weilchen gedankenvoll vor dem Pilze stehen, um ausfindig
+zu machen, welches seine beiden Seiten seien; und da er vollkommen rund
+war, so fand sie die Frage schwierig zu beantworten. Zuletzt aber<a class="page" name="Page_65" id ="Page_65" title="65"></a>
+reichte sie mit beiden Armen, so weit sie herum konnte, und brach mit
+jeder Hand etwas vom Rande ab.</p>
+
+<p>&raquo;Nun aber, welches ist das rechte?&laquo; sprach sie zu sich, und bi&szlig; ein
+wenig von dem St&uuml;ck in ihrer rechten Hand ab, um die Wirkung
+auszuprobiren; den n&auml;chsten Augenblick f&uuml;hlte sie einen heftigen Schmerz
+am Kinn, es hatte an ihren Fu&szlig; angesto&szlig;en!</p>
+
+<p>Ueber diese pl&ouml;tzliche Verwandlung war sie sehr erschrocken, aber da war
+keine Zeit zu verlieren, da sie sehr schnell kleiner wurde; sie machte
+sich also gleich daran, etwas von dem andern St&uuml;ck zu essen. Ihr Kinn
+war so dicht an ihren Fu&szlig; gedr&uuml;ckt, da&szlig; ihr kaum Platz genug blieb, den
+Mund aufzumachen; endlich aber gelang es ihr, ein wenig von dem St&uuml;ck in
+ihrer linken Hand herunter zu schlucken.</p>
+
+<hr style='width: 45%;' />
+
+<p>&raquo;Ah! endlich ist mein Kopf frei!&laquo; rief Alice mit Entz&uuml;cken, das sich
+jedoch den n&auml;chsten Augenblick in Angst verwandelte, da sie merkte, da&szlig;
+ihre Schultern nirgends zu finden waren: als sie hinunter sah, konnte
+sie weiter<a class="page" name="Page_66" id ="Page_66" title="66"></a> nichts erblicken, als einen ungeheuer langen Hals, der sich
+wie eine Stange aus einem Meer von gr&uuml;nen Bl&auml;ttern erhob, das unter ihr
+lag.</p>
+
+<p>&raquo;Was mag all das gr&uuml;ne Zeug sein?&laquo; sagte Alice. &raquo;Und wo sind meine
+Schultern nur hingekommen? Und ach, meine armen H&auml;nde, wie geht es zu,
+da&szlig; ich euch nicht sehen kann?&laquo; Sie griff bei diesen Worten um sich,
+aber es erfolgte weiter nichts, als eine kleine Bewegung in den
+entfernten gr&uuml;nen Bl&auml;ttern.</p>
+
+<p>Da es ihr nicht gelang, die H&auml;nde zu ihrem Kopfe zu erheben, so
+versuchte sie, den Kopf zu ihnen hinunter zu b&uuml;cken, und fand zu ihrem
+Entz&uuml;cken, da&szlig; sie ihren Hals in allen Richtungen biegen und wenden
+konnte, wie eine Schlange. Sie hatte ihn gerade in ein malerisches
+Zickzack gewunden und wollte eben in das Bl&auml;ttermeer hinunter tauchen,
+das, wie sie sah, durch die Gipfel der B&auml;ume gebildet wurde, unter denen
+sie noch eben herumgewandert war, als ein lautes Rauschen sie pl&ouml;tzlich
+zur&uuml;ckschreckte: eine gro&szlig;e Taube kam ihr in's Gesicht geflogen und
+schlug sie heftig mit den Fl&uuml;geln.</p>
+
+<p>&raquo;Schlange!&laquo; kreischte die Taube.</p>
+
+<p>&raquo;Ich bin <em class="gesperrt">keine</em> Schlange!&laquo; sagte Alice mit Entr&uuml;stung. &raquo;La&szlig; mich in
+Ruhe!&laquo;</p>
+
+<p><a class="page" name="Page_67" id ="Page_67" title="67"></a>&raquo;Schlange sage ich!&laquo; wiederholte die Taube, aber mit ged&auml;mpfter Stimme,
+und fuhr schluchzend fort: &raquo;Alles habe ich versucht, und nichts ist
+ihnen genehm!&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Ich wei&szlig; gar nicht, wovon du redest,&laquo; sagte Alice.</p>
+
+<p>&raquo;Baumwurzeln habe ich versucht, Flu&szlig;ufer habe ich versucht, Hecken habe
+ich versucht,&laquo; sprach die Taube weiter, ohne auf sie zu achten; &raquo;aber
+diese Schlangen! Nichts ist ihnen recht!&laquo;</p>
+
+<p>Alice verstand immer weniger; aber sie dachte, es sei unn&uuml;tz etwas zu
+sagen, bis die Taube fertig w&auml;re.</p>
+
+<p>&raquo;Als ob es nicht M&uuml;he genug w&auml;re, die Eier auszubr&uuml;ten,&laquo; sagte die
+Taube, &raquo;da mu&szlig; ich noch Tag und Nacht den Schlangen aufpassen! Kein Auge
+habe ich die letzten drei Wochen zugethan!&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Es thut mir sehr leid, da&szlig; du so viel Verdru&szlig; gehabt hast,&laquo; sagte
+Alice, die zu verstehen anfing, was sie meinte.</p>
+
+<p>&raquo;Und gerade da ich mir den h&ouml;chsten Baum im Walde ausgesucht habe,&laquo; fuhr
+die Taube mit erhobener Stimme fort, &raquo;und gerade da ich dachte, ich w&auml;re
+sie endlich los, m&uuml;ssen sie sich sogar noch vom Himmel herunterwinden!
+Pfui! Schlange!&laquo;</p>
+
+<p><a class="page" name="Page_68" id ="Page_68" title="68"></a>&raquo;Aber ich bin <em class="gesperrt">keine</em> Schlange, sage ich dir!&laquo; rief Alice, &raquo;ich bin ein &mdash;
+ich bin ein &mdash;&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Nun, was bist du denn?&laquo; fragte die Taube. &raquo;Ich merke wohl, da&szlig; du dir
+etwas ausdenken willst!&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Ich &mdash; ich bin ein kleines M&auml;dchen,&laquo; sagte Alice etwas unsicher, da sie
+an die vielfachen Verwandlungen dachte, die sie den Tag &uuml;ber schon
+durchgemacht hatte.</p>
+
+<p>&raquo;Eine sch&ouml;ne Ausrede, wahrhaftig!&laquo; sagte die Taube im Tone tiefster
+Verachtung. &raquo;Ich habe mein Lebtag genug kleine M&auml;dchen gesehen, aber nie
+eine mit solch einem Hals! Nein, nein! du bist eine Schlange! das kannst
+du nicht abl&auml;ugnen. Du wirst am Ende noch behaupten, da&szlig; du nie ein Ei
+gegessen hast.&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Ich <em class="gesperrt">habe</em> Eier gegessen, freilich,&laquo; sagte Alice, die ein sehr
+wahrheitsliebendes Kind war; &raquo;aber kleine M&auml;dchen essen Eier eben so gut
+wie Schlangen.&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Das glaube ich nicht,&laquo; sagte die Taube; &raquo;wenn sie es aber thun, nun
+dann sind sie eine Art Schlangen, so viel wei&szlig; ich.&laquo;</p>
+
+<p>Das war etwas so Neues f&uuml;r Alice, da&szlig; sie ein Paar Minuten ganz still
+schwieg; die Taube benutzte die Gelegenheit und fuhr fort: &raquo;Du suchst
+Eier, das wei&szlig; ich<a class="page" name="Page_69" id ="Page_69" title="69"></a> nur zu gut, und was k&uuml;mmert es mich, ob du ein
+kleines M&auml;dchen oder eine Schlange bist?&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Aber <em class="gesperrt">mich</em> k&uuml;mmert es sehr,&laquo; sagte Alice schnell; &raquo;&uuml;brigens suche ich
+zuf&auml;llig nicht Eier, und wenn ich es th&auml;te, so w&uuml;rde ich deine nicht
+brauchen k&ouml;nnen; ich esse sie nicht gern roh.&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Dann mach', da&szlig; du fortkommst!&laquo; sagte die Taube verdrie&szlig;lich, indem sie
+sich in ihrem Nest wieder zurecht setzte. Alice duckte sich unter die
+B&auml;ume so gut sie konnte; denn ihr Hals verwickelte sich fortw&auml;hrend in
+die Zweige, und mehre Male mu&szlig;te sie anhalten und ihn losmachen. Nach
+einer Weile fiel es ihr wieder ein, da&szlig; sie noch die St&uuml;ckchen Pilz in
+den H&auml;nden hatte, und sie machte sich sorgf&auml;ltig daran, knabberte bald
+an dem einen, bald an dem andern, und wurde abwechselnd gr&ouml;&szlig;er und
+kleiner, bis es ihr zuletzt gelang, ihre gew&ouml;hnliche Gr&ouml;&szlig;e zu bekommen.</p>
+
+<p>Es war so lange her, da&szlig; sie auch nur ungef&auml;hr ihre richtige H&ouml;he gehabt
+hatte, da&szlig; es ihr erst ganz komisch vorkam; aber nach einigen Minuten
+hatte sie sich daran gew&ouml;hnt und sprach mit sich selbst wie gew&ouml;hnlich.
+&raquo;Sch&ouml;n, nun ist mein Plan halb ausgef&uuml;hrt! Wie verwirrt man von dem
+vielen Wechseln wird! Ich<a class="page" name="Page_70" id ="Page_70" title="70"></a> wei&szlig; nie, wie ich den n&auml;chsten Augenblick
+sein werde! Doch jetzt habe ich meine richtige Gr&ouml;&szlig;e: nun kommt es
+darauf an, in den sch&ouml;nen Garten zu gelangen &mdash; wie <em class="gesperrt">kann</em> ich das
+anstellen? das m&ouml;chte ich wissen!&laquo; Wie sie dies sagte, kam sie in eine
+Lichtung mit einem H&auml;uschen in der Mitte, ungef&auml;hr vier Fu&szlig; hoch. &raquo;Wer
+auch darin wohnen mag, es geht nicht an, da&szlig; ich so gro&szlig; wie ich jetzt
+bin hineingehe: sie w&uuml;rden vor Angst nicht wissen wohin!&laquo; Also knabberte
+sie wieder an dem St&uuml;ckchen in der rechten Hand, und wagte sich nicht an
+das H&auml;uschen heran, bis sie sich auf neun Zoll herunter gebracht hatte.</p>
+
+
+
+<hr style="width: 65%;" />
+<h2><a class="page" name="Page_71" id ="Page_71" title="71"></a><a name="Sechstes_Kapitel" id="Sechstes_Kapitel"></a><a href="#Inhalt">Sechstes Kapitel.</a></h2>
+
+<h2>Ferkel und Pfeffer.</h2>
+
+
+<p>Noch ein bis zwei Augenblicke stand sie und sah das H&auml;uschen an, ohne
+recht zu wissen was sie nun thun solle, als pl&ouml;tzlich ein Lackei in
+Livree vom Walde her gelaufen kam &mdash; (sie hielt ihn f&uuml;r einen Lackeien,
+weil er Livree trug, sonst, nach seinem Gesichte zu urtheilen, w&uuml;rde sie
+ihn f&uuml;r einen Fisch angesehen haben) &mdash; und mit den Kn&ouml;cheln laut an die
+Th&uuml;r klopfte. Sie wurde von einem andern Lackeien in Livree ge&ouml;ffnet,
+der ein rundes Gesicht und gro&szlig;e Augen wie ein Frosch hatte, und beide
+Lackeien hatten, wie Alice bemerkte, gepuderte Lockenper&uuml;cken &uuml;ber den
+ganzen Kopf. Sie war sehr neugierig, was nun geschehen w&uuml;rde, und
+schlich sich etwas n&auml;her, um zuzuh&ouml;ren.</p>
+
+<div class="figcenter" style="width: 406px;"><a class="page" name="Page_72" id ="Page_72" title="72"></a>
+<img src="images/p072.png" width="406" height="500" alt="" title="" />
+</div>
+
+<p>Der Fisch-Lackei fing damit an, einen ungeheuren Brief, beinah so gro&szlig;
+wie er selbst, unter dem Arme hervorzuziehen; diesen &uuml;berreichte er dem
+anderen, in feierlichem Tone sprechend: &raquo;F&uuml;r die Herzogin. Eine
+Einladung von der K&ouml;nigin, Croquet zu spielen.&laquo; Der Frosch-Lackei
+erwiederte in demselben feierlichen Tone,<a class="page" name="Page_73" id ="Page_73" title="73"></a> indem er nur die
+Aufeinanderfolge der W&ouml;rter etwas ver&auml;nderte: &raquo;Von der K&ouml;nigin. Eine
+Einladung f&uuml;r die Herzogin, Croquet zu spielen.&laquo;</p>
+
+<p>Dann verbeugten sich Beide tief, und ihre Locken verwickelten sich in
+einander.</p>
+
+<p>Dar&uuml;ber lachte Alice so laut, da&szlig; sie in das Geb&uuml;sch zur&uuml;cklaufen mu&szlig;te,
+aus Furcht, sie m&ouml;chten sie h&ouml;ren, und als sie wieder herausguckte, war
+der Fisch-Lackei fort, und der andere sa&szlig; auf dem Boden bei der Th&uuml;r und
+sah dumm in den Himmel hinauf.</p>
+
+<p>Alice ging furchtsam auf die Th&uuml;r zu und klopfte.</p>
+
+<p>&raquo;Es ist durchaus unn&uuml;tz, zu klopfen,&laquo; sagte der Lackei, &raquo;und das wegen
+zweier Gr&uuml;nde. Erstens weil ich an derselben Seite von der Th&uuml;r bin wie
+du, zweitens, weil sie drinnen einen solchen L&auml;rm machen, da&szlig; man dich
+unm&ouml;glich h&ouml;ren kann.&laquo; Und wirklich war ein ganz merkw&uuml;rdiger L&auml;rm
+drinnen, ein fortw&auml;hrendes Heulen und Niesen, und von Zeit zu Zeit ein
+lautes Krachen, als ob eine Sch&uuml;ssel oder ein Kessel zerbrochen w&auml;re.</p>
+
+<p>&raquo;Bitte,&laquo; sagte Alice, &raquo;wie soll ich denn hineinkommen?&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Es w&auml;re etwas Sinn und Verstand darin, anzuklopfen,&laquo; fuhr der Lackei
+fort, ohne auf sie zu h&ouml;ren, &raquo;wenn wir die Th&uuml;r zwischen uns h&auml;tten. Zum
+Beispiel,<a class="page" name="Page_74" id ="Page_74" title="74"></a> wenn du drinnen w&auml;rest, k&ouml;nntest du klopfen, und ich k&ouml;nnte
+dich herauslassen, nicht wahr?&laquo; Er sah die ganze Zeit &uuml;ber, w&auml;hrend er
+sprach, in den Himmel hinauf, was Alice entschieden sehr unh&ouml;flich fand.
+&raquo;Aber vielleicht kann er nicht daf&uuml;r,&laquo; sagte sie bei sich; &raquo;seine Augen
+sind so hoch oben auf seiner Stirn. Aber jedenfalls k&ouml;nnte er mir
+antworten. &mdash; Wie soll ich denn hineinkommen?&laquo; wiederholte sie laut.</p>
+
+<p>&raquo;Ich werde hier sitzen,&laquo; sagte der Lackei, &raquo;bis morgen &mdash;&laquo;</p>
+
+<p>In diesem Augenblicke ging die Th&uuml;r auf, und ein gro&szlig;er Teller kam
+heraus geflogen, gerade auf den Kopf des Lackeien los; er strich aber
+&uuml;ber seine Nase hin und brach an einem der dahinterstehenden B&auml;ume in
+St&uuml;cke.</p>
+
+<p>&raquo;&mdash; oder &uuml;bermorgen, vielleicht,&laquo; sprach der Lackei in demselben Tone
+fort, als ob nichts vorgefallen w&auml;re.</p>
+
+<p>&raquo;Wie soll ich denn hineinkommen?&laquo; fragte Alice wieder, lauter als
+vorher.</p>
+
+<p>&raquo;Sollst du &uuml;berhaupt hineinkommen?&laquo; sagte der Lackei. &raquo;Das ist die erste
+Frage, nicht wahr?&laquo;</p>
+
+<p>Das war es allerdings; nur lie&szlig; sich Alice das nicht gern sagen. &raquo;Es ist
+wirklich schrecklich,&laquo; murmelte sie vor<a class="page" name="Page_75" id ="Page_75" title="75"></a> sich hin, &raquo;wie naseweis alle
+diese Gesch&ouml;pfe sind. Es k&ouml;nnte Einen ganz verdreht machen!&laquo;</p>
+
+<p>Der Lackei schien dies f&uuml;r eine gute Gelegenheit anzusehen, seine
+Bemerkung zu wiederholen, und zwar mit Variationen. &raquo;Ich werde hier
+sitzen,&laquo; sagte er, &raquo;ab und an, Tage und Tage lang.&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Was soll <em class="gesperrt">ich</em> aber thun?&laquo; fragte Alice.</p>
+
+<p>&raquo;Was dir gef&auml;llig ist,&laquo; sagte der Lackei, und fing an zu pfeifen.</p>
+
+<p>&raquo;Es hilft zu nichts, mit ihm zu reden,&laquo; sagte Alice au&szlig;er sich, &raquo;er ist
+vollkommen bl&ouml;dsinnig!&laquo; Sie klinkte die Th&uuml;r auf und ging hinein.</p>
+
+<p>Die Th&uuml;r f&uuml;hrte geradewegs in eine gro&szlig;e K&uuml;che, welche von einem Ende
+bis zum andern voller Rauch war; in der Mitte sa&szlig; auf einem dreibeinigen
+Schemel die Herzogin, mit einem Wickelkinde auf dem Scho&szlig;e; die K&ouml;chin
+stand &uuml;ber das Feuer geb&uuml;ckt und r&uuml;hrte in einer gro&szlig;en Kasserole, die
+voll Suppe zu sein schien.</p>
+
+<p>&raquo;In der Suppe ist gewi&szlig; zu viel Pfeffer!&laquo; sprach Alice f&uuml;r sich, so gut
+sie vor Niesen konnte.</p>
+
+<p>Es war wenigstens zu viel in der Luft. Sogar die Herzogin nieste hin und
+wieder; was das Wickelkind anbelangt, so nieste und schrie es
+abwechselnd ohne die<a class="page" name="Page_76" id ="Page_76" title="76"></a> geringste Unterbrechung. Die beiden einzigen Wesen
+in der K&uuml;che, die nicht niesten, waren die K&ouml;chin und eine gro&szlig;e Katze,
+die vor dem Herde sa&szlig; und grinste, soda&szlig; die Mundwinkel bis an die Ohren
+reichten.</p>
+
+<div class="figcenter" style="width: 500px;">
+<img src="images/p076.png" width="500" height="413" alt="" title="" />
+</div>
+
+<p>&raquo;Wollen Sie mir g&uuml;tigst sagen,&laquo; fragte Alice etwas furchtsam, denn sie
+wu&szlig;te nicht recht, ob es sich f&uuml;r sie schicke zuerst zu sprechen, &raquo;warum
+Ihre Katze so grinst?&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Es ist eine Grinse-Katze,&laquo; sagte die Herzogin, &raquo;darum! Ferkel!&laquo;</p>
+
+<p><a class="page" name="Page_77" id ="Page_77" title="77"></a>Das letzte Wort sagte sie mit solcher Heftigkeit, da&szlig; Alice auffuhr;
+aber den n&auml;chsten Augenblick sah sie, da&szlig; es dem Wickelkinde galt, nicht
+ihr; sie fa&szlig;te also Muth und redete weiter: &mdash;</p>
+
+<p>&raquo;Ich wu&szlig;te nicht, da&szlig; Katzen manchmal grinsen; ja ich wu&szlig;te nicht, da&szlig;
+Katzen &uuml;berhaupt grinsen <em class="gesperrt">k&ouml;nnen</em>.&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Sie k&ouml;nnen es alle,&laquo; sagte die Herzogin, &raquo;und die meisten thun es.&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Ich kenne keine, die es thut,&laquo; sagte Alice sehr h&ouml;flich, da sie ganz
+froh war, eine Unterhaltung angekn&uuml;pft haben.</p>
+
+<p>&raquo;Du kennst noch nicht viel,&laquo; sagte die Herzogin, &raquo;und das ist die
+Wahrheit.&laquo;</p>
+
+<p>Alice gefiel diese Bemerkung gar nicht, und sie dachte daran, welchen
+andern Gegenstand der Unterhaltung sie einf&uuml;hren k&ouml;nnte. W&auml;hrend sie
+sich auf etwas Passendes besann, nahm die K&ouml;chin die Kasserole mit Suppe
+vom Feuer und fing sogleich an, Alles was sie erreichen konnte nach der
+Herzogin und dem Kinde zu werfen &mdash; die Feuerzange kam zuerst, dann
+folgte ein Hagel von Pfannen, Tellern und Sch&uuml;sseln. Die Herzogin
+beachtete sie gar nicht, auch wenn sie sie trafen; und das Kind<a class="page" name="Page_78" id ="Page_78" title="78"></a> heulte
+schon so laut, da&szlig; es unm&ouml;glich war zu wissen, ob die St&ouml;&szlig;e ihm weh
+thaten oder nicht.</p>
+
+<p>&raquo;Oh, bitte, nehmen Sie sich in Acht, was Sie thun!&laquo; rief Alice, die in
+wahrer Herzensangst hin und her sprang. &raquo;Oh, seine liebe kleine Nase!&laquo;
+als eine besonders gro&szlig;e Pfanne dicht daran vorbeifuhr und sie beinah
+abstie&szlig;.</p>
+
+<p>&raquo;Wenn Jeder nur vor seiner Th&uuml;r fegen wollte,&laquo; brummte die Herzogin mit
+heiserer Stimme, &raquo;w&uuml;rde die Welt sich bedeutend schneller drehen, als
+jetzt.&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Was kein Vortheil w&auml;re,&laquo; sprach Alice, die sich &uuml;ber die Gelegenheit
+freute, ihre Kenntnisse zu zeigen. &raquo;Denken Sie nur, wie es Tag und Nacht
+in Unordnung bringen w&uuml;rde! Die Erde braucht doch jetzt vier und zwanzig
+Stunden, sich um ihre Achse zu drehen &mdash;&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Was, du redest von Axt?&laquo; sagte die Herzogin, &raquo;Hau' ihr den Kopf ab!&laquo;</p>
+
+<p>Alice sah sich sehr erschrocken nach der K&ouml;chin um, ob sie den Wink
+verstehen w&uuml;rde; aber die K&ouml;chin r&uuml;hrte die Suppe unverwandt und schien
+nicht zuzuh&ouml;ren, daher fuhr sie fort: &raquo;Vier und zwanzig Stunden, glaube
+ich; oder sind es zw&ouml;lf? Ich &mdash;&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Ach, la&szlig; mich in Frieden,&laquo; sagte die Herzogin, &raquo;ich<a class="page" name="Page_79" id ="Page_79" title="79"></a> habe Zahlen nie
+ausstehen k&ouml;nnen!&laquo; Und damit fing sie an, ihr Kind zu warten und eine
+Art Wiegenlied dazu zu singen, wovon jede Reihe mit einem derben Puffe
+f&uuml;r das Kind endigte: &mdash;</p>
+
+<div class="poem"><div class="stanza">
+<span class="i0">&raquo;Schilt deinen kleinen Jungen aus,<br /></span>
+<span class="i0">Und schlag' ihn, wenn er niest;<br /></span>
+<span class="i0">Er macht es gar so bunt und kraus,<br /></span>
+<span class="i0">Nur weil es uns verdrie&szlig;t.&laquo;<br /></span>
+</div></div>
+
+<p><em class="gesperrt">Chor</em></p>
+
+<p>(in welchen die K&ouml;chin und das Wickelkind einfielen).</p>
+
+<div class="poem"><div class="stanza">
+<span class="i0">&raquo;Wau! wau! wau!&laquo;<br /></span>
+</div></div>
+
+<p>W&auml;hrend die Herzogin den zweiten Vers des Liedes sang, schaukelte sie
+das Kind so heftig auf und nieder, und das arme kleine Ding schrie so,
+da&szlig; Alice kaum die Worte verstehen konnte: &mdash;</p>
+
+<div class="poem"><div class="stanza">
+<span class="i0">&raquo;Ich schelte meinen kleinen Wicht,<br /></span>
+<span class="i0">Und schlag' ihn, wenn er niest;<br /></span>
+<span class="i0">Ich wei&szlig;, wie gern er Pfeffer riecht,<br /></span>
+<span class="i0">Wenn's ihm gef&auml;llig ist.&laquo;<br /></span>
+</div></div>
+
+<p><em class="gesperrt">Chor.</em></p>
+
+<div class="poem"><div class="stanza">
+<span class="i0">&raquo;Wau! wau! wau!&laquo;<br /></span>
+<a class="page" name="Page_80" id ="Page_80" title="80"></a></div></div>
+
+<p>&raquo;Hier! du kannst ihn ein Weilchen warten, wenn du willst!&laquo; sagte die
+Herzogin zu Alice, indem sie ihr das Kind zuwarf. &raquo;Ich mu&szlig; mich zurecht
+machen, um mit der K&ouml;nigin Croquet zu spielen,&laquo; damit rannte sie aus dem
+Zimmer. Die K&ouml;chin warf ihr eine Bratpfanne nach; aber sie verfehlte sie
+noch eben.</p>
+
+<p>Alice hatte das Kind mit M&uuml;he und Noth aufgefangen, da es ein kleines
+unf&ouml;rmliches Wesen war, das seine Arme und Beinchen nach allen Seiten
+ausstreckte, &raquo;gerade wie ein Seestern,&laquo; dachte Alice. Das arme kleine
+Ding st&ouml;hnte wie eine Locomotive, als sie es fing, und zog sich zusammen
+und streckte sich wieder aus, so da&szlig; sie es die ersten Paar Minuten nur
+eben halten konnte.</p>
+
+<p>Sobald sie aber die rechte Art entdeckt hatte, wie man es tragen mu&szlig;te
+(die darin bestand, es zu einer Art Knoten zu drehen, und es dann fest
+beim rechten Ohr und linken Fu&szlig; zu fassen, damit es sich nicht wieder
+aufwickeln konnte), brachte sie es in's Freie. &raquo;Wenn ich dies Kind nicht
+mit mir nehme,&laquo; dachte Alice, &raquo;so werden sie es in wenigen Tagen
+umgebracht haben; w&auml;re es nicht Mord, es da zu lassen?&laquo; Sie sprach die
+letzten Worte laut, und das kleine Gesch&ouml;pf grunzte zur Antwort (es
+hatte mittlerweile aufgeh&ouml;rt zu niesen). &raquo;Grunze nicht,&laquo;<a class="page" name="Page_81" id ="Page_81" title="81"></a> sagte Alice;
+&raquo;es pa&szlig;t sich gar nicht f&uuml;r dich, dich so auszudr&uuml;cken.&laquo;</p>
+
+<p>Der Junge grunzte wieder, so da&szlig; Alice ihm ganz &auml;ngstlich in's Gesicht
+sah, was ihm eigentlich fehle. Er hatte ohne Zweifel eine <em class="gesperrt">sehr</em>
+hervorstehende Nase, eher eine Schnauze als eine wirkliche Nase; auch
+seine Augen wurden entsetzlich klein f&uuml;r einen kleinen Jungen: Alles
+zusammen genommen, gefiel Alice das Aussehen des Kindes gar nicht. &raquo;Aber
+vielleicht hat es nur geweint,&laquo; dachte sie und sah ihm wieder in die
+Augen, ob Thr&auml;nen da seien.</p>
+
+<p>Nein, es waren keine Thr&auml;nen da. &raquo;Wenn du ein kleines Ferkel wirst, h&ouml;re
+mal,&laquo; sagte Alice sehr ernst, &raquo;so will ich nichts mehr mit dir zu
+schaffen haben, das merke dir!&laquo; Das arme kleine Ding schluchzte (oder
+grunzte, es war unm&ouml;glich, es zu unterscheiden), und dann gingen sie
+eine Weile stillschweigend weiter.</p>
+
+<p>Alice fing eben an, sich zu &uuml;berlegen: &raquo;Nun, was soll ich mit diesem
+Gesch&ouml;pf anfangen, wenn ich es mit nach Hause bringe?&laquo; als es wieder
+grunzte, so laut, da&szlig; Alice erschrocken nach ihm hinsah. Diesmal konnte
+sie sich nicht mehr irren: es war nichts mehr oder weniger als ein
+Ferkel, und sie sah, da&szlig; es h&ouml;chst l&auml;cherlich f&uuml;r sie w&auml;re, es noch
+weiter zu tragen.</p>
+
+<p><a class="page" name="Page_82" id ="Page_82" title="82"></a>Sie setzte also das kleine Ding hin und war ganz froh, als sie es ruhig
+in den Wald traben sah. &raquo;Das w&auml;re in einigen Jahren ein furchtbar
+h&auml;&szlig;liches Kind geworden; aber als Ferkel macht es sich recht nett, finde
+ich.&laquo; Und so dachte sie alle Kinder durch, die sie kannte, die gute
+kleine Ferkel abgeben w&uuml;rden, und sagte gerade f&uuml;r sich: &raquo;wenn man nur
+die rechten Mittel w&uuml;&szlig;te, sie zu verwandeln &mdash;&laquo; als sie einen Schreck
+bekam; die Grinse-Katze sa&szlig; n&auml;mlich wenige Fu&szlig; von ihr auf einem
+Baumzweige.</p>
+
+<div class="figleft" style="width: 323px;">
+<img src="images/p082.png" width="323" height="500" alt="" title="" />
+</div>
+
+<p>Die Katze grinste nur, als sie Alice sah. &raquo;Sie sieht gutm&uuml;thig aus,&laquo;
+dachte diese; aber doch hatte sie <em class="gesperrt">sehr</em> lange Krallen und eine Menge
+Z&auml;hne. Alice f&uuml;hlte wohl, da&szlig; sie sie r&uuml;cksichtsvoll behandeln m&uuml;sse.</p>
+
+<p>&raquo;Grinse-Mies,&laquo; fing sie etwas &auml;ngstlich an, da sie<a class="page" name="Page_83" id ="Page_83" title="83"></a> nicht wu&szlig;te, ob ihr
+der Name gefallen w&uuml;rde: jedoch grinste sie noch etwas breiter. &raquo;Sch&ouml;n,
+so weit gef&auml;llt es ihr,&laquo; dachte Alice und sprach weiter: &raquo;willst du mir
+wohl sagen, wenn ich bitten darf, welchen Weg ich hier nehmen mu&szlig;?&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Das h&auml;ngt zum guten Theil davon ab, wohin du gehen willst,&laquo; sagte die
+Katze.</p>
+
+<p>&raquo;Es kommt mir nicht darauf an, wohin &mdash;&laquo; sagte Alice.</p>
+
+<p>&raquo;Dann kommt es auch nicht darauf an, welchen Weg du nimmst,&laquo; sagte die
+Katze.</p>
+
+<p>&raquo;&mdash; wenn ich nur <em class="gesperrt">irgendwo</em> hinkomme,&laquo; f&uuml;gte Alice als Erkl&auml;rung hinzu.</p>
+
+<p>&raquo;O, das wirst du ganz gewi&szlig;,&laquo; sagte die Katze, &raquo;wenn du nur lange genug
+gehest.&laquo;</p>
+
+<p>Alice sah, da&szlig; sie nichts dagegen einwenden konnte; sie versuchte daher
+eine andere Frage. &raquo;Was f&uuml;r Art Leute wohnen hier in der N&auml;he?&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;In <em class="gesperrt">der</em> Richtung,&laquo; sagte die Katze, die rechte Pfote schwenkend, &raquo;wohnt
+ein Hutmacher, und in jener Richtung,&laquo; die andere Pfote schwenkend,
+&raquo;wohnt ein Faselhase. Besuche welchen du willst: sie sind beide toll.&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Aber ich mag nicht zu tollen Leuten gehen,&laquo; bemerkte Alice.</p>
+
+<div class="figleft" style="width: 341px;"><a class="page" name="Page_84" id ="Page_84" title="84"></a>
+<img src="images/p084.png" width="341" height="500" alt="" title="" />
+</div>
+
+<p>&raquo;Oh, das kannst du nicht &auml;ndern,&laquo; sagte die Katze: &raquo;wir sind alle toll
+hier. Ich bin toll. Du bist toll.&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Woher wei&szlig;t du, da&szlig; ich toll bin?&laquo; fragte Alice.</p>
+
+<p>&raquo;Du mu&szlig;t es sein,&laquo; sagte die Katze, &raquo;sonst w&auml;rest du nicht hergekommen.&laquo;</p>
+
+<p>Alice fand durchaus nicht, da&szlig; das ein Beweis sei; sie fragte jedoch
+weiter: &raquo;Und woher wei&szlig;t du, da&szlig; du toll bist?&laquo;</p>
+
+<p><a class="page" name="Page_85" id ="Page_85" title="85"></a>&raquo;Zu allererst,&laquo; sagte die Katze, &raquo;ein Hund ist nicht toll. Das giebst du
+zu?&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Zugestanden!&laquo; sagte Alice.</p>
+
+<p>&raquo;Nun, gut,&laquo; fuhr die Katze fort, &raquo;nicht wahr ein Hund knurrt, wenn er
+b&ouml;se ist, und wedelt mit dem Schwanze, wenn er sich freut. Ich hingegen
+knurre, wenn ich mich freue, und wedle mit dem Schwanze, wenn ich
+&auml;rgerlich bin. Daher bin ich toll.&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Ich nenne es spinnen, nicht knurren,&laquo; sagte Alice.</p>
+
+<p>&raquo;Nenne es, wie du willst,&laquo; sagte die Katze. &raquo;Spielst du heut Croquet mit
+der K&ouml;nigin?&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Ich m&ouml;chte es sehr gern,&laquo; sagte Alice, &raquo;aber ich bin noch nicht
+eingeladen worden.&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Du wirst mich dort sehen,&laquo; sagte die Katze und verschwand.</p>
+
+<p>Alice wunderte sich nicht sehr dar&uuml;ber; sie war so daran gew&ouml;hnt, da&szlig;
+sonderbare Dinge geschahen. W&auml;hrend sie noch nach der Stelle hinsah, wo
+die Katze gesessen hatte, erschien sie pl&ouml;tzlich wieder.</p>
+
+<p>&raquo;Uebrigens, was ist aus dem Jungen geworden?&laquo; sagte die Katze. &raquo;Ich
+h&auml;tte beinah vergessen zu fragen.&laquo;</p>
+
+<div class="figcenter" style="width: 500px;"><a class="page" name="Page_86" id ="Page_86" title="86"></a>
+<img src="images/p086.png" width="500" height="340" alt="" title="" />
+</div>
+
+<p>&raquo;Er ist ein Ferkel geworden,&laquo; antwortete Alice sehr ruhig, gerade wie
+wenn die Katze auf gew&ouml;hnliche Weise zur&uuml;ckgekommen w&auml;re.</p>
+
+<p>&raquo;Das dachte ich wohl,&laquo; sagte die Katze und verschwand wieder.</p>
+
+<p>Alice wartete noch etwas, halb und halb erwartend, sie wieder erscheinen
+zu sehen; aber sie kam nicht, und ein Paar Minuten nachher ging sie in
+der Richtung fort, wo der Faselhase wohnen sollte. &raquo;Hutmacher habe ich
+schon gesehen,&laquo; sprach sie zu sich, &raquo;der Faselhase wird viel
+interessanter sein.&laquo; Wie sie so sprach, blickte sie auf, und da sa&szlig; die
+Katze wieder auf einem Baumzweige.<a class="page" name="Page_87" id ="Page_87" title="87"></a> &raquo;Sagtest du Ferkel oder F&auml;cher?&laquo;
+fragte sie. &raquo;Ich sagte Ferkel,&laquo; antwortete Alice, &raquo;und es w&auml;re mir sehr
+lieb, wenn du nicht immer so schnell erscheinen und verschwinden
+wolltest: du machst Einen ganz schwindlig.&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Schon gut,&laquo; sagte die Katze, und diesmal verschwand sie ganz langsam,
+wobei sie mit der Schwanzspitze anfing und mit dem Grinsen aufh&ouml;rte, das
+noch einige Zeit sichtbar blieb, nachdem das Uebrige verschwunden war.</p>
+
+<p>&raquo;Oho, ich habe oft eine Katze ohne Grinsen gesehen,&laquo; dachte Alice, &raquo;aber
+ein Grinsen ohne Katze! so etwas Merkw&uuml;rdiges habe ich in meinem Leben
+noch nicht gesehen!&laquo;</p>
+
+<p>Sie brauchte nicht weit zu gehen, so erblickte sie das Haus des
+Faselhasen; sie dachte, es m&uuml;sse das rechte Haus sein, weil die
+Schornsteine wie Ohren geformt waren, und das Dach war mit Pelz gedeckt.
+Es war ein so gro&szlig;es Haus, da&szlig;, ehe sie sich n&auml;her heran wagte, sie ein
+wenig von dem St&uuml;ck Pilz in ihrer linken Hand abknabberte, und sich bis
+auf zwei Fu&szlig; hoch brachte: trotzdem n&auml;herte sie sich etwas furchtsam,
+f&uuml;r sich sprechend: &raquo;Wenn er nur nicht ganz rasend ist! W&auml;re ich doch
+lieber zu dem Hutmacher gegangen!&laquo;</p>
+
+
+
+<hr style="width: 65%;" />
+<h2><a class="page" name="Page_88" id ="Page_88" title="88"></a><a name="Siebentes_Kapitel" id="Siebentes_Kapitel"></a><a href="#Inhalt">Siebentes Kapitel.</a></h2>
+
+<h2>Die tolle Theegesellschaft.</h2>
+
+
+<p>Vor dem Hause stand ein gedeckter Theetisch, an welchem der Faselhase
+und der Hutmacher sa&szlig;en; ein Murmelthier sa&szlig; zwischen ihnen, fest
+eingeschlafen, und die beiden Andern benutzten es als Kissen, um ihre
+Ellbogen darauf zu st&uuml;tzen, und redeten &uuml;ber seinem Kopfe mit einander.
+&raquo;Sehr unbequem f&uuml;r das Murmelthier,&laquo; dachte Alice; &raquo;nun, da es schl&auml;ft,
+wird es sich wohl nichts daraus machen.&laquo;</p>
+
+<p>Der Tisch war gro&szlig;, aber die Drei sa&szlig;en dicht zusammengedr&auml;ngt an einer
+Ecke: &raquo;Kein Platz! Kein Platz!&laquo; riefen sie aus, sobald sie Alice kommen
+sahen. &raquo;Ueber und &uuml;ber genug Platz!&laquo; sagte Alice unwillig und setzte
+sich in einen gro&szlig;en Armstuhl am Ende des Tisches.</p>
+
+<p><a class="page" name="Page_89" id ="Page_89" title="89"></a>&raquo;Ist dir etwas Wein gef&auml;llig?&laquo; n&ouml;thigte sie der Faselhase.</p>
+
+<p>Alice sah sich auf dem ganzen Tische um, aber es war nichts als Thee
+darauf. &raquo;Ich sehe keinen Wein,&laquo; bemerkte sie.</p>
+
+<p>&raquo;Es ist keiner hier,&laquo; sagte der Faselhase.</p>
+
+<p>&raquo;Dann war es gar nicht h&ouml;flich von dir, mir welchen anzubieten,&laquo; sagte
+Alice &auml;rgerlich.</p>
+
+<p>&raquo;Es war gar nicht h&ouml;flich von dir, dich ungebeten herzusetzen,&laquo; sagte
+der Faselhase.</p>
+
+<p>&raquo;Ich wu&szlig;te nicht, das es <em class="gesperrt">dein</em> Tisch ist; er ist f&uuml;r viel mehr als drei
+gedeckt.&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Dein Haar mu&szlig; verschnitten werden,&laquo; sagte der Hutmacher. Er hatte Alice
+eine Zeit lang mit gro&szlig;er Neugierde angesehen, und dies waren seine
+ersten Worte.</p>
+
+<p>&raquo;Du solltest keine pers&ouml;nlichen Bemerkungen machen,&laquo; sagte Alice mit
+einer gewissen Strenge, &raquo;es ist sehr grob.&laquo;</p>
+
+<p>Der Hutmacher ri&szlig; die Augen weit auf, als er dies h&ouml;rte; aber er sagte
+weiter nichts als: &raquo;Warum ist ein Rabe wie ein Reitersmann?&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Ei, jetzt wird es Spa&szlig; geben,&laquo; dachte Alice. &raquo;Ich bin so froh, da&szlig; sie
+anfangen R&auml;thsel aufzugeben &mdash; Ich glaube, das kann ich rathen,&laquo; fuhr sie
+laut fort.</p>
+
+<div class="figcenter" style="width: 500px;"><a class="page" name="Page_90" id ="Page_90" title="90"></a>
+<img src="images/p090.png" width="500" height="377" alt="" title="" />
+</div>
+
+<p>&raquo;Meinst du, da&szlig; du die Antwort dazu finden kannst?&laquo; fragte der
+Faselhase.</p>
+
+<p>&raquo;Ja, nat&uuml;rlich,&laquo; sagte Alice.</p>
+
+<p>&raquo;Dann solltest du sagen, was du meinst,&laquo; sprach der Hase weiter.</p>
+
+<p>&raquo;Das thue ich ja,&laquo; warf Alice schnell ein, &raquo;wenigstens &mdash; wenigstens
+meine ich, was ich sage &mdash; und das ist dasselbe.&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Nicht im Geringsten dasselbe!&laquo; sagte der Hutmacher. &raquo;Wie, du k&ouml;nntest
+eben so gut behaupten, da&szlig;<a class="page" name="Page_91" id ="Page_91" title="91"></a> &raquo;ich sehe, was ich esse&laquo; dasselbe ist wie
+&raquo;ich esse, was ich sehe.&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Du k&ouml;nntest auch behaupten,&laquo; f&uuml;gte der Faselhase hinzu, &raquo;ich mag, was
+ich kriege&laquo; sei dasselbe wie &raquo;ich kriege, was ich mag!&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Du k&ouml;nntest eben so gut behaupten,&laquo; fiel das Murmelthier ein, das im
+Schlafe zu sprechen schien, &raquo;ich athme, wenn ich schlafe&laquo; sei dasselbe
+wie &raquo;ich schlafe, wenn ich athme!&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Es <em class="gesperrt">ist</em> dasselbe bei dir,&laquo; sagte der Hutmacher, und damit endigte die
+Unterhaltung, und die Gesellschaft sa&szlig; einige Minuten schweigend,
+w&auml;hrend Alice Alles durchdachte, was sie je von Raben und Reitersm&auml;nnern
+geh&ouml;rt hatte, und das war nicht viel.</p>
+
+<p>Der Hutmacher brach das Schweigen zuerst. &raquo;Den wievielsten haben wir
+heute?&laquo; sagte er, sich an Alice wendend; er hatte seine Uhr aus der
+Tasche genommen, sah sie unruhig an, sch&uuml;ttelte sie hin und her und
+hielt sie an's Ohr.</p>
+
+<p>Alice besann sich ein wenig und sagte: &raquo;Den vierten.&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Zwei Tage falsch!&laquo; seufzte der Hutmacher. &raquo;Ich sagte dir ja, da&szlig; Butter
+das Werk verderben w&uuml;rde,&laquo; setzte er hinzu, indem er den Hasen &auml;rgerlich
+ansah.</p>
+
+<p><a class="page" name="Page_92" id ="Page_92" title="92"></a>&raquo;Es war die beste Butter,&laquo; sagte der Faselhase dem&uuml;thig.</p>
+
+<p>&raquo;Ja, aber es mu&szlig; etwas Krume mit hinein gerathen sein,&laquo; brummte der
+Hutmacher; &raquo;du h&auml;ttest sie nicht mit dem Brodmesser hinein thun sollen.&laquo;</p>
+
+<p>Der Faselhase nahm die Uhr und betrachtete sie tr&uuml;bselig; dann tunkte er
+sie in seine Tasse Thee und betrachtete sie wieder, aber es fiel ihm
+nichts Besseres ein, als seine erste Bemerkung: &raquo;Es war wirklich die
+beste Butter.&laquo;</p>
+
+<p>Alice hatte ihm neugierig &uuml;ber die Schulter gesehen. &raquo;Was f&uuml;r eine
+komische Uhr!&laquo; sagte sie. &raquo;Sie zeigt das Datum, und nicht wie viel Uhr
+es ist!&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Warum sollte sie?&laquo; brummte der Hase; &raquo;zeigt deine Uhr, welches Jahr es
+ist?&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Nat&uuml;rlich nicht,&laquo; antwortete Alice schnell, &raquo;weil es so lange
+hintereinander dasselbe Jahr bleibt.&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Und so ist es gerade mit meiner,&laquo; sagte der Hutmacher.</p>
+
+<p>Alice war ganz verwirrt. Die Erkl&auml;rung des Hutmachers schien ihr gar
+keinen Sinn zu haben, und doch waren es deutlich gesprochne Worte. &raquo;Ich
+verstehe dich nicht ganz,&laquo; sagte sie, so h&ouml;flich sie konnte.</p>
+
+<p><a class="page" name="Page_93" id ="Page_93" title="93"></a>&raquo;Das Murmelthier schl&auml;ft schon wieder,&laquo; sagte der Hutmacher, und go&szlig; ihm
+etwas hei&szlig;en Thee auf die Nase.</p>
+
+<p>Das Murmelthier sch&uuml;ttelte ungeduldig den Kopf und sagte, ohne die Augen
+aufzuthun: &raquo;Freilich, freilich, das wollte ich eben auch bemerken.&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Hast du das R&auml;thsel schon gerathen?&laquo; wandte sich der Hutmacher an
+Alice.</p>
+
+<p>&raquo;Nein, ich gebe es auf,&laquo; antwortete Alice; &raquo;was ist die Antwort?&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Davon habe ich nicht die leiseste Ahnung,&laquo; sagte der Hutmacher.</p>
+
+<p>&raquo;Ich auch nicht,&laquo; sagte der Faselhase.</p>
+
+<p>Alice seufzte verstimmt. &raquo;Ich d&auml;chte, ihr k&ouml;nntet die Zeit besser
+anwenden,&laquo; sagte sie, &raquo;als mit R&auml;thseln, die keine Aufl&ouml;sung haben.&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Wenn du die Zeit so gut kenntest wie ich,&laquo; sagte der Hutmacher,
+&raquo;w&uuml;rdest du nicht davon reden, wie wir sie anwenden, sondern wie sie uns
+anwendet.&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Ich wei&szlig; nicht, was du meinst,&laquo; sagte Alice.</p>
+
+<p>&raquo;Nat&uuml;rlich kannst du das nicht wissen!&laquo; sagte der Hutmacher, indem er
+den Kopf ver&auml;chtlich in die H&ouml;he warf. &raquo;Du hast wahrscheinlich nie mit
+der Zeit gesprochen.&laquo;</p>
+
+<p><a class="page" name="Page_94" id ="Page_94" title="94"></a>&raquo;Ich glaube kaum,&laquo; erwiederte Alice vorsichtig; &raquo;aber Mama sagte
+gestern, ich sollte zu meiner kleinen Schwester gehen und ihr die Zeit
+vertreiben.&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;So? das wird sie dir sch&ouml;n &uuml;bel genommen haben; sie l&auml;&szlig;t sich nicht
+gern vertreiben. Aber wenn man gut mit ihr steht, so thut sie Einem
+beinah Alles zu Gefallen mit der Uhr. Zum Beispiel, nimm den Fall, es
+w&auml;re 9 Uhr Morgens, gerade Zeit, deine Stunden anzufangen, du brauchtest
+der Zeit nur den kleinsten Wink zu geben, schnurr! geht die Uhr herum,
+ehe du dich's versiehst! halb Zwei, Essenszeit!&laquo;</p>
+
+<p>(&raquo;Ich w&uuml;nschte, das w&auml;re es!&laquo; sagte der Faselhase leise f&uuml;r sich.)</p>
+
+<p>&raquo;Das w&auml;re wirklich famos,&laquo; sagte Alice gedankenvoll, &raquo;aber dann w&uuml;rde
+ich nicht hungrig genug sein, nicht wahr?&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Zuerst vielleicht nicht,&laquo; antwortete der Hutmacher, &raquo;aber es w&uuml;rde so
+lange halb Zwei bleiben, wie du wolltest.&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;So macht ihr es wohl hier?&laquo; fragte Alice.</p>
+
+<p>Der Hutmacher sch&uuml;ttelte traurig den Kopf. &raquo;Ich nicht!&laquo; sprach er. &raquo;Wir
+haben uns vorige Ostern entzweit &mdash; kurz ehe er toll wurde, du wei&szlig;t
+doch <a class="page" name="Page_95" id ="Page_95" title="95"></a>(mit seinem Theel&ouml;ffel auf den Faselhasen zeigend) &mdash; es war in dem
+gro&szlig;en Concert, das die Coeur-K&ouml;nigin gab; ich mu&szlig;te singen:</p>
+
+<div class="figcenter" style="width: 427px;">
+<img src="images/p095.png" width="427" height="500" alt="" title="" />
+</div>
+
+<div class="poem"><div class="stanza">
+<span class="i0">&raquo;O Papagei, o Papagei!<br /></span>
+<span class="i0">Wie gr&uuml;n sind deine Federn!&laquo;<br /></span>
+</div></div>
+
+<p>Vielleicht kennst du das Lied?&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Ich habe etwas dergleichen geh&ouml;rt,&laquo; sage Alice.</p>
+
+<p>&raquo;Es geht weiter,&laquo; fuhr der Hutmacher fort:</p>
+
+<div class="poem"><div class="stanza">
+<span class="i0">&raquo;Du gr&uuml;nst nicht nur zur Friedenszeit,<br /></span>
+<span class="i0">Auch wenn es Teller und T&ouml;pfe schneit.<br /></span>
+<span class="i0">O Papagei, o Papagei &mdash;&laquo;<br /></span>
+<a class="page" name="Page_96" id ="Page_96" title="96"></a></div></div>
+
+<p>Hier sch&uuml;ttelte sich das Murmelthier und fing an im Schlaf zu singen: &raquo;O
+Papagei, o Mamagei, o Papagei, o Mamagei &mdash;&laquo; in einem fort, so da&szlig; sie
+es zuletzt kneifen mu&szlig;ten, damit es nur aufh&ouml;re.</p>
+
+<p>&raquo;Denke dir, ich hatte kaum den ersten Vers fertig,&laquo; sagte der Hutmacher,
+&raquo;als die K&ouml;nigin ausrief: Abscheulich! der Mensch schl&auml;gt geradezu die
+Zeit todt mit seinem Gepl&auml;rre. Aufgeh&auml;ngt soll er werden!&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Wie furchtbar grausam!&laquo; rief Alice.</p>
+
+<p>&raquo;Und seitdem,&laquo; sprach der Hutmacher traurig weiter, &raquo;hat sie mir nie
+etwas zu Gefallen thun wollen, die Zeit! Es ist nun immer sechs Uhr!&laquo;</p>
+
+<p>Dies brachte Alice auf einen klugen Gedanken. &raquo;Darum sind wohl so viele
+Tassen hier herumgestellt?&laquo; fragte sie.</p>
+
+<p>&raquo;Ja, darum,&laquo; sagte der Hutmacher mit einem Seufzer, &raquo;es ist immer
+Theestunde, und wir haben keine Zeit, die Tassen dazwischen
+aufzuwaschen.&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Dann r&uuml;ckt ihr wohl herum?&laquo; sagte Alice.</p>
+
+<p>&raquo;So ist es,&laquo; sagte der Hutmacher, &raquo;wenn die Tassen genug gebraucht
+sind.&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Aber wenn ihr wieder an den Anfang kommt?&laquo; unterstand sich Alice zu
+fragen.</p>
+
+<p><a class="page" name="Page_97" id ="Page_97" title="97"></a>&raquo;Wir wollen jetzt von etwas Anderem reden,&laquo; unterbrach sie der Faselhase
+g&auml;hnend, &raquo;dieser Gegenstand ist mir nachgerade langweilig. Ich schlage
+vor, die junge Dame erz&auml;hlt eine Geschichte.&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;O, ich wei&szlig; leider keine,&laquo; rief Alice, ganz best&uuml;rzt &uuml;ber diese
+Zumuthung.</p>
+
+<p>&raquo;Dann soll das Murmelthier erz&auml;hlen!&laquo; riefen beide; &raquo;wache auf,
+Murmelthier!&laquo; dabei kniffen sie es von beiden Seiten zugleich.</p>
+
+<p>Das Murmelthier machte langsam die Augen auf. &raquo;Ich habe nicht
+geschlafen,&laquo; sagte es mit heiserer, schwacher Stimme, &raquo;ich habe jedes
+Wort geh&ouml;rt, das ihr Jungen gesagt habt.&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Erz&auml;hle uns eine Geschichte!&laquo; sagte der Faselhase.</p>
+
+<p>&raquo;Ach ja, sei so gut!&laquo; bat Alice.</p>
+
+<p>&raquo;Und mach schnell,&laquo; f&uuml;gte der Hutmacher hinzu, &raquo;sonst schl&auml;fst du ein,
+ehe sie zu Ende ist.&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Es waren einmal drei kleine Schwestern,&laquo; fing das Murmelthier eilig an,
+&raquo;die hie&szlig;en Else, Lacie und Tillie, und sie lebten tief unten in einem
+Brunnen &mdash;&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Wovon lebten sie?&laquo; fragte Alice, die sich immer f&uuml;r Essen und Trinken
+sehr interessirte.</p>
+
+<p><a class="page" name="Page_98" id ="Page_98" title="98"></a>&raquo;Sie lebten von Syrup,&laquo; versetzte das Murmelthier, nachdem es sich eine
+Minute besonnen hatte.</p>
+
+<p>&raquo;Das konnten sie ja aber nicht,&laquo; bemerkte Alice sch&uuml;chtern, &raquo;da w&auml;ren
+sie ja krank geworden.&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Das wurden sie auch,&laquo; sagte das Murmelthier, &raquo;sehr krank.&laquo;</p>
+
+<p>Alice versuchte es sich vorzustellen, wie eine so au&szlig;ergew&ouml;hnliche Art
+zu leben wohl sein m&ouml;chte; aber es kam ihr zu kurios vor, sie mu&szlig;te
+wieder fragen: &raquo;Aber warum lebten sie unten in dem Brunnen?&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Willst du nicht ein wenig mehr Thee?&laquo; sagte der Faselhase sehr
+ernsthaft zu Alice.</p>
+
+<p>&raquo;Ein wenig mehr? ich habe noch keinen gehabt,&laquo; antwortete Alice etwas
+empfindlich, &raquo;also kann ich nicht noch <em class="gesperrt">mehr</em> trinken.&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Du meinst, du kannst nicht <em class="gesperrt">weniger</em> trinken,&laquo; sagte der Hutmacher: &raquo;es
+ist sehr leicht, <em class="gesperrt">mehr</em> als keinen zu trinken.&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Niemand hat dich um deine Meinung gefragt,&laquo; sagte Alice.</p>
+
+<p>&raquo;Wer macht denn nun pers&ouml;nliche Bemerkungen?&laquo; rief der Hutmacher
+triumphirend.</p>
+
+<p>Alice wu&szlig;te nicht recht, was sie darauf antworten<a class="page" name="Page_99" id ="Page_99" title="99"></a> sollte; sie nahm sich
+daher etwas Thee und Butterbrot, und dann wandte sie sich an das
+Murmelthier und wiederholte ihre Frage: &raquo;Warum lebten sie in einem
+Brunnen?&laquo;</p>
+
+<p>Das Murmelthier besann sich einen Augenblick und sagte dann: &raquo;Es war ein
+Syrup-Brunnen.&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Den giebt es nicht!&laquo; fing Alice sehr &auml;rgerlich an; aber der Hutmacher
+und Faselhase machten beide: &raquo;Sch, sch!&laquo; und das Murmelthier bemerkte
+brummend: &raquo;Wenn du nicht h&ouml;flich sein kannst, kannst du die Geschichte
+selber auserz&auml;hlen.&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Nein, bitte, erz&auml;hle weiter!&laquo; sagte Alice ganz bescheiden; &raquo;ich will
+dich nicht wieder unterbrechen. Es wird wohl <em class="gesperrt">einen</em> geben.&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;<em class="gesperrt">Einen</em>, wirklich!&laquo; sagte das Murmelthier entr&uuml;stet. Doch lie&szlig; es sich
+zum Weitererz&auml;hlen bewegen. &raquo;Also die drei kleinen Schwestern &mdash; sie
+lernten zeichnen, m&uuml;&szlig;t ihr wissen &mdash;&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Was zeichneten sie?&laquo; sagte Alice, ihr Versprechen ganz vergessend.</p>
+
+<p>&raquo;Syrup,&laquo; sagte das Murmelthier, diesmal ganz ohne zu &uuml;berlegen.</p>
+
+<p><a class="page" name="Page_100" id ="Page_100" title="100"></a>&raquo;Ich brauche eine reine Tasse,&laquo; unterbrach der Hutmacher, &raquo;wir wollen
+Alle einen Platz r&uuml;cken.&laquo;</p>
+
+<p>Er r&uuml;ckte, wie er das sagte, und das Murmelthier folgte ihm; der
+Faselhase r&uuml;ckte an den Platz des Murmelthiers, und Alice nahm, obgleich
+etwas ungern, den Platz des Faselhasen ein. Der Hutmacher war der
+Einzige, der Vortheil von diesem Wechsel hatte, und Alice hatte es viel
+schlimmer als zuvor, da der Faselhase eben den Milchtopf &uuml;ber seinen
+Teller umgesto&szlig;en hatte.</p>
+
+<p>Alice wollte das Murmelthier nicht wieder beleidigen und fing daher sehr
+vorsichtig an: &raquo;Aber ich verstehe nicht. Wie konnten sie den Syrup
+zeichnen?&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Als ob nicht aller Syrup gezeichnet w&auml;re, den man vom Kaufmann holt,&laquo;
+sagte der Hutmacher; &raquo;hast du nicht immer darauf gesehen: feinste
+Qualit&auml;t, allerfeinste Qualit&auml;t, superfeine Qualit&auml;t &mdash; oh, du kleiner
+Dummkopf?&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Wie gesagt,&laquo; fuhr das Murmelthier fort, &raquo;lernten sie zeichnen;&laquo; hier
+g&auml;hnte es und rieb sich die Augen, denn es fing an, sehr schl&auml;frig zu
+werden; &raquo;und sie zeichneten Allerlei &mdash; Alles was mit M. anf&auml;ngt &mdash;&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Warum mit M?&laquo; fragte Alice.</p>
+
+<p><a class="page" name="Page_101" id ="Page_101" title="101"></a>&raquo;Warum nicht?&laquo; sagte der Faselhase.</p>
+
+<p>Alice war still.</p>
+
+<p>Das Murmelthier hatte mittlerweile die Augen zugemacht, und war halb
+eingeschlafen; da aber der Hutmacher es zwickte, wachte es mit einem
+leisen Schrei auf und sprach weiter: &mdash; &raquo;was mit M anf&auml;ngt, wie
+Mausefallen, den Mond, Mangel und manches Mal &mdash; ihr wi&szlig;t, man sagt: ich
+habe das <em class="gesperrt">manches liebe</em> Mal gethan &mdash; hast du je manches liebe <em class="gesperrt">Mal</em>
+gezeichnet gesehen?&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Wirklich, da du mich selbst fragst,&laquo; sagte Alice ganz verwirrt, &raquo;ich
+denke kaum &mdash;&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Dann solltest du auch nicht reden,&laquo; sagte der Hutmacher.</p>
+
+<p>Dies war nachgerade zu grob f&uuml;r Alice: sie stand ganz beleidigt auf und
+ging fort; das Murmelthier schlief augenblicklich wieder ein, und die
+beiden Andern beachteten ihr Fortgehen nicht, obgleich sie sich ein paar
+Mal umsah, halb in der Hoffnung, da&szlig; sie sie zur&uuml;ckrufen w&uuml;rden. Als sie
+sie zuletzt sah, versuchten sie das Murmelthier in die Theekanne zu
+stecken.</p>
+
+<p>&raquo;Auf keinen Fall will ich <em class="gesperrt">da</em> je wieder hingehen!&laquo; sagte Alice, w&auml;hrend
+sie sich einen Weg durch den Wald<a class="page" name="Page_102" id ="Page_102" title="102"></a>
+suchte. &raquo;Es ist die d&uuml;mmste Theegesellschaft, in der ich in meinem
+ganzen Leben war!&laquo;</p>
+
+<div class="figcenter" style="width: 500px;">
+<img src="images/p102.png" width="500" height="446" alt="" title="" />
+</div>
+
+<p>Gerade wie sie so sprach, bemerkte sie, da&szlig; einer der B&auml;ume eine kleine
+Th&uuml;r hatte. &raquo;Das ist h&ouml;chst komisch!&laquo; dachte sie. &raquo;Aber Alles ist heute
+komisch! Ich will lieber gleich hinein gehen.&laquo;</p>
+
+<p>Wie gesagt, so gethan: und sie befand sich wieder in dem langen
+Corridor, und dicht bei dem kleinen Glastische. &raquo;Diesmal will ich es
+gescheidter anfangen,&laquo; sagte sie zu sich selbst, nahm das goldne
+Schl&uuml;sselchen und schlo&szlig; die Th&uuml;r auf, die in den Garten f&uuml;hrte.<a class="page" name="Page_103" id ="Page_103" title="103"></a> Sie
+machte sich daran, an dem Pilz zu knabbern (sie hatte ein St&uuml;ckchen in
+ihrer Tasche behalten), bis sie ungef&auml;hr einen Fu&szlig; hoch war, dann ging
+sie den kleinen Gang hinunter; und dann &mdash; war sie endlich in dem
+sch&ouml;nen Garten, unter den prunkenden Blumenbeeten und k&uuml;hlen
+Springbrunnen.</p>
+
+
+
+<hr style="width: 65%;" />
+<h2><a class="page" name="Page_104" id ="Page_104" title="104"></a><a name="Achtes_Kapitel" id="Achtes_Kapitel"></a><a href="#Inhalt">Achtes Kapitel.</a></h2>
+
+<h2>Das Croquetfeld der K&ouml;nigin.</h2>
+
+
+<p>Ein gro&szlig;er hochst&auml;mmiger Rosenstrauch stand nahe bei'm Eingang; die
+Rosen, die darauf wuchsen, waren wei&szlig;, aber drei G&auml;rtner waren damit
+besch&auml;ftigt, sie roth zu malen. Alice kam dies wunderbar vor, und da sie
+n&auml;her hinzutrat, um ihnen zuzusehen, h&ouml;rte sie einen von ihnen sagen:
+&raquo;Nimm dich in Acht, F&uuml;nf! Bespritze mich nicht so mit Farbe!&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Ich konnte nicht daf&uuml;r,&laquo; sagte F&uuml;nf in verdrie&szlig;lichem Tone; &raquo;Sieben hat
+mich an den Ellbogen gesto&szlig;en.&laquo;</p>
+
+<p>Worauf Sieben aufsah und sagte: &raquo;Recht so, F&uuml;nf! Schiebe immer die
+Schuld auf andre Leute!&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Du sei nur ganz still!&laquo; sagte F&uuml;nf. &raquo;Gestern erst h&ouml;rte ich die K&ouml;nigin
+sagen, du verdientest gek&ouml;pft zu werden!&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Wof&uuml;r?&laquo; fragte der, welcher zuerst gesprochen hatte.</p>
+
+<p>&raquo;Das geht <em class="gesperrt">dich</em> nichts an, Zwei!&laquo; sagte Sieben.</p>
+
+<p><a class="page" name="Page_105" id ="Page_105" title="105"></a>&raquo;Ja, es <em class="gesperrt">geht</em> ihn an!&laquo; sagte F&uuml;nf, &raquo;und ich werde es ihm sagen &mdash; daf&uuml;r,
+da&szlig; er dem Koch Tulpenzwiebeln statt K&uuml;chenzwiebeln gebracht hat.&laquo;</p>
+
+<div class="figcenter" style="width: 360px;">
+<img src="images/p105.png" width="360" height="500" alt="" title="" />
+</div>
+
+<p>Sieben warf seinen Pinsel hin und hatte eben angefangen: &raquo;Ist je eine
+ungerechtere Anschuldigung &mdash;&laquo; als sein Auge zuf&auml;llig auf Alice fiel,
+die ihnen zuh&ouml;rte; er hielt pl&ouml;tzlich inne, die andern sahen sich auch
+um, und sie verbeugten sich Alle tief.</p>
+
+<p><a class="page" name="Page_106" id ="Page_106" title="106"></a>&raquo;Wollen Sie so gut sein, mir zu sagen,&laquo; sprach Alice etwas furchtsam,
+&raquo;warum Sie diese Rosen malen?&laquo;</p>
+
+<p>F&uuml;nf und Sieben antworteten nichts, sahen aber Zwei an. Zwei fing mit
+leiser Stimme an: &raquo;Die Wahrheit zu gestehen, Fr&auml;ulein, dies h&auml;tte hier
+ein <em class="gesperrt">rother</em> Rosenstrauch sein sollen, und wir haben aus Versehen einen
+wei&szlig;en gepflanzt, und wenn die K&ouml;nigin es gewahr w&uuml;rde, w&uuml;rden wir Alle
+gek&ouml;pft werden, m&uuml;ssen Sie wissen. So, sehen Sie Fr&auml;ulein, versuchen
+wir, so gut es geht, ehe sie kommt &mdash;&laquo; In dem Augenblick rief F&uuml;nf, der
+&auml;ngstlich tiefer in den Garten hinein gesehen hatte: &raquo;Die K&ouml;nigin! die
+K&ouml;nigin!&laquo; und die drei G&auml;rtner warfen sich sogleich flach auf's Gesicht.
+Es entstand ein Ger&auml;usch von vielen Schritten, und Alice blickte
+neugierig hin, die K&ouml;nigin zu sehen.</p>
+
+<p>Zuerst kamen zehn Soldaten, mit Keulen bewaffnet, sie hatten alle
+dieselbe Gestalt wie die G&auml;rtner, rechteckig und flach, und an den vier
+Ecken die H&auml;nde und F&uuml;&szlig;e; danach kamen zehn Herren vom Hofe, sie waren
+&uuml;ber und &uuml;ber mit Diamanten bedeckt und gingen paarweise, wie die
+Soldaten. Nach diesen kamen die k&ouml;niglichen Kinder, es waren ihrer zehn,
+und die lieben Kleinen kamen lustig gesprungen Hand in Hand,<a class="page" name="Page_107" id ="Page_107" title="107"></a> paarweise,
+sie waren ganz mit Herzen geschm&uuml;ckt. Darauf kamen die G&auml;ste, meist
+K&ouml;nige und K&ouml;niginnen, und unter ihnen erkannte Alice das wei&szlig;e
+Kaninchen; es unterhielt sich in etwas eiliger und aufgeregter Weise,
+l&auml;chelte bei Allem, was gesagt wurde und ging vorbei, ohne sie zu
+bemerken. Darauf folgte der Coeur-Bube, der die k&ouml;nigliche Krone auf
+einem rothen Sammetkissen trug, und zuletzt in diesem gro&szlig;artigen Zuge
+kamen <em class="gesperrt">der Herzensk&ouml;nig und die Herzensk&ouml;nigin</em>.</p>
+
+<p>Alice wu&szlig;te nicht recht, ob sie sich nicht flach auf's Gesicht legen
+m&uuml;sse, wie die drei G&auml;rtner; aber sie konnte sich nicht erinnern, je von
+einer solchen Sitte bei Festz&uuml;gen geh&ouml;rt zu haben. &raquo;Und au&szlig;erdem, wozu
+g&auml;be es &uuml;berhaupt Aufz&uuml;ge,&laquo; dachte sie, &raquo;wenn alle Leute flach auf dem
+Gesichte liegen m&uuml;&szlig;ten, so da&szlig; sie sie nicht sehen k&ouml;nnten?&laquo; Sie blieb
+also stehen, wo sie war, und wartete.</p>
+
+<p>Als der Zug bei ihr angekommen war, blieben Alle stehen und sahen sie
+an, und die K&ouml;nigin sagte strenge: &raquo;Wer ist das?&laquo; Sie hatte den
+Coeur-Buben gefragt, der statt aller Antwort nur l&auml;chelte und Kratzf&uuml;&szlig;e
+machte.</p>
+
+<p>&raquo;Schafskopf!&laquo; sagte die K&ouml;nigin, den Kopf unge<a class="page" name="Page_108" id ="Page_108" title="108"></a>duldig
+zur&uuml;ckwerfend; und zu Alice gewandt fuhr sie fort: &raquo;Wie hei&szlig;t
+du, Kind?&laquo;</p>
+
+<div class="figcenter" style="width: 417px;">
+<img src="images/p108.png" width="417" height="500" alt="" title="" />
+</div>
+
+<p>&raquo;Mein Name ist Alice, Euer Majest&auml;t zu dienen!&laquo; sagte Alice sehr
+h&ouml;flich; aber sie dachte bei sich: &raquo;Ach<a class="page" name="Page_109" id ="Page_109" title="109"></a> was, es ist ja nur ein Pack
+Karten. Ich brauche mich nicht vor ihnen zu f&uuml;rchten!&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Und wer sind diese drei?&laquo; fuhr die K&ouml;nigin fort, indem sie auf die drei
+G&auml;rtner zeigte, die um den Rosenstrauch lagen; denn nat&uuml;rlich, da sie
+auf dem Gesichte lagen und das Muster auf ihrer R&uuml;ckseite dasselbe war
+wie f&uuml;r das ganze Pack, so konnte sie nicht wissen, ob es G&auml;rtner oder
+Soldaten oder Herren vom Hofe oder drei von ihren eigenen Kindern waren.</p>
+
+<p>&raquo;Woher soll ich das wissen?&laquo; sagte Alice, indem sie sich selbst &uuml;ber
+ihren Muth wunderte. &raquo;Es ist nicht meines Amtes.&laquo;</p>
+
+<p>Die K&ouml;nigin wurde purpurroth vor Wuth, und nachdem sie sie einen
+Augenblick wie ein wildes Thier angestarrt hatte, fing sie an zu
+br&uuml;llen: &raquo;Ihren Kopf ab! ihren Kopf &mdash;&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Unsinn!&laquo; sagte Alice sehr laut und bestimmt, und die K&ouml;nigin war still.</p>
+
+<p>Der K&ouml;nig legte seine Hand auf ihren Arm und sagte milde: &raquo;Bedenke,
+meine Liebe, es ist nur ein Kind!&laquo;</p>
+
+<p>Die K&ouml;nigin wandte sich &auml;rgerlich von ihm ab und sagte zu dem Buben:
+&raquo;Dreh' sie um!&laquo;</p>
+
+<p>Der Bube that es, sehr sorgf&auml;ltig, mit einem Fu&szlig;e.</p>
+
+<p><a class="page" name="Page_110" id ="Page_110" title="110"></a>&raquo;Steht auf!&laquo; schrie die K&ouml;nigin mit durchdringender Stimme, und die drei
+G&auml;rtner sprangen sogleich auf und fingen an sich zu verneigen vor dem
+K&ouml;nig, der K&ouml;nigin, den k&ouml;niglichen Kindern, und Jedermann.</p>
+
+<p>&raquo;La&szlig;t das sein!&laquo; eiferte die K&ouml;nigin. &raquo;Ihr macht mich schwindlig.&laquo; Und
+dann, sich nach dem Rosenstrauch umdrehend, fuhr sie fort: &raquo;Was habt ihr
+hier gethan?&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Euer Majest&auml;t zu dienen,&laquo; sagte Zwei in sehr dem&uuml;thigem Tone und sich
+auf ein Knie niederlassend, &raquo;wir haben versucht &mdash;&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Ich sehe!&laquo; sagte die K&ouml;nigin, die unterdessen die Rosen untersucht
+hatte. &raquo;Ihre K&ouml;pfe ab!&laquo; und der Zug bewegte sich fort, w&auml;hrend drei von
+den Soldaten zur&uuml;ckblieben um die ungl&uuml;cklichen G&auml;rtner zu enthaupten,
+welche zu Alice liefen und sie um Schutz baten.</p>
+
+<p>&raquo;Ihr sollt nicht get&ouml;dtet werden!&laquo; sagte Alice, und damit steckte sie
+sie in einen gro&szlig;en Blumentopf, der in der N&auml;he stand. Die drei Soldaten
+gingen ein Weilchen hier- und dorthin, um sie zu suchen, und dann
+schlossen sie sich ruhig wieder den Andern an.</p>
+
+<p>&raquo;Sind ihre K&ouml;pfe gefallen?&laquo; schrie die K&ouml;nigin sie an.</p>
+
+<p>&raquo;Ihre K&ouml;pfe sind fort, zu Euer Majest&auml;t Befehl!&laquo; schrien die Soldaten
+als Antwort.</p>
+
+<p><a class="page" name="Page_111" id ="Page_111" title="111"></a>&raquo;Das ist gut!&laquo; schrie die K&ouml;nigin. &raquo;Kannst du Croquet spielen?&laquo;</p>
+
+<p>Die Soldaten waren still und sahen Alice an, da die Frage
+augenscheinlich an sie gerichtet war.</p>
+
+<p>&raquo;Ja!&laquo; schrie Alice.</p>
+
+<p>&raquo;Dann komm mit!&laquo; br&uuml;llte die K&ouml;nigin, und Alice schlo&szlig; sich dem Zuge an,
+sehr neugierig, was nun geschehen werde.</p>
+
+<p>&raquo;Es ist &mdash; es ist ein sehr sch&ouml;ner Tag!&laquo; sagte eine sch&uuml;chterne Stimme
+neben ihr. Sie ging neben dem wei&szlig;en Kaninchen, das ihr &auml;ngstlich in's
+Gesicht sah.</p>
+
+<p>&raquo;Sehr,&laquo; sagte Alice; &mdash; &raquo;wo ist die Herzogin?&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Still! still!&laquo; sagte das Kaninchen in einem leisen, schnellen Tone. Es
+sah dabei &auml;ngstlich &uuml;ber seine Schulter, stellte sich dann auf die
+Zehen, hielt den Mund dicht an Alice's Ohr und wisperte: &raquo;Sie ist zum
+Tode verurtheilt.&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Wof&uuml;r?&laquo; fragte diese.</p>
+
+<p>&raquo;Sagtest du: wie Schade?&laquo; fragte das Kaninchen.</p>
+
+<p>&raquo;Nein, das sagte ich nicht,&laquo; sagte Alice, &raquo;ich finde gar nicht, da&szlig; es
+Schade ist. Ich sagte: wof&uuml;r?&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Sie hat der K&ouml;nigin eine Ohrfeige gegeben &mdash;&laquo; fing das Kaninchen an.
+Alice lachte h&ouml;rbar. &raquo;Oh still!&laquo;<a class="page" name="Page_112" id ="Page_112" title="112"></a> fl&uuml;sterte das Kaninchen in sehr
+erschreckten Tone. &raquo;Die K&ouml;nigin wird dich h&ouml;ren! Sie kam n&auml;mlich etwas
+sp&auml;t, und die K&ouml;nigin sagte &mdash;&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Macht, da&szlig; ihr an eure Pl&auml;tze kommt!&laquo; donnerte die K&ouml;nigin, und Alle
+fingen an in allen Richtungen durcheinander zu laufen, wobei sie Einer
+&uuml;ber den Andern stolperten; jedoch nach ein bis zwei Minuten waren sie
+in Ordnung, und das Spiel fing an.</p>
+
+<div class="figleft" style="width: 337px;">
+<img src="images/p112.png" width="337" height="500" alt="" title="" />
+</div>
+
+<p>Alice dachte bei sich, ein so merkw&uuml;rdiges Croquet-Feld habe sie in
+ihrem Leben nicht gesehen; es war voller Erh&ouml;hungen und Furchen, die
+Kugeln waren lebendige Igel, und die Schl&auml;gel lebendige Flamingos, und
+die Soldaten mu&szlig;ten sich umbiegen und auf H&auml;nden und F&uuml;&szlig;en stehen, um
+die Bogen zu bilden.</p>
+
+<p>Die Hauptschwierigkeit, die Alice zuerst fand, war,<a class="page" name="Page_113" id ="Page_113" title="113"></a> den Flamingo zu
+handhaben; sie konnte zwar ziemlich bequem seinen K&ouml;rper unter ihrem
+Arme festhalten, so da&szlig; die F&uuml;&szlig;e herunterhingen, aber wenn sie eben
+seinen Hals sch&ouml;n ausgestreckt hatte, und dem Igel nun einen Schlag mit
+seinem Kopf geben wollte, so richtete er sich auf und sah ihr mit einem
+so verdutzten Ausdruck in's Gesicht, da&szlig; sie sich nicht enthalten konnte
+laut zu lachen. Wenn sie nun seinen Kopf herunter gebogen hatte und eben
+wieder anfangen wollte zu spielen, so fand sie zu ihrem gro&szlig;en Verdru&szlig;,
+da&szlig; der Igel sich aufgerollt hatte und eben fortkroch; au&szlig;erdem war
+gew&ouml;hnlich eine Erh&ouml;hung oder eine Furche gerade da im Wege, wo sie den
+Igel hinrollen wollte, und da die umgebogenen Soldaten fortw&auml;hrend
+aufstanden und an eine andere Stelle des Grasplatzes gingen, so kam
+Alice bald zu der Ueberzeugung, da&szlig; es wirklich ein sehr schweres Spiel
+sei.</p>
+
+<p>Die Spieler spielten Alle zugleich, ohne zu warten, bis sie an der Reihe
+waren; dabei stritten sie sich immerfort und zankten um die Igel, und in
+sehr kurzer Zeit war die K&ouml;nigin in der heftigsten Wuth, stampfte mit
+den F&uuml;&szlig;en und schrie: &raquo;Schlagt ihr den Kopf ab!&laquo; ungef&auml;hr ein Mal jede
+Minute.</p>
+
+<p><a class="page" name="Page_114" id ="Page_114" title="114"></a>Alice fing an, sich sehr unbehaglich zu f&uuml;hlen, sie hatte zwar noch
+keinen Streit mit der K&ouml;nigin gehabt, aber sie wu&szlig;te, da&szlig; sie keinen
+Augenblick sicher davor war, &raquo;und was,&laquo; dachte sie, &raquo;w&uuml;rde dann aus mir
+werden? die Leute hier scheinen schrecklich gern zu k&ouml;pfen; es ist das
+gr&ouml;&szlig;te Wunder, da&szlig; &uuml;berhaupt noch welche am Leben geblieben sind!&laquo; Sie
+sah sich nach einem Ausgange um und &uuml;berlegte, ob sie sich wohl ohne
+gesehen zu werden, fortschleichen k&ouml;nne, als sie eine merkw&uuml;rdige
+Erscheinung in der Luft wahrnahm: sie schien ihr zuerst ganz
+r&auml;thselhaft, aber nachdem sie sie ein Paar Minuten beobachtet hatte,
+erkannte sie, da&szlig; es ein Grinsen war, und sagte bei sich: &raquo;Es ist die
+Grinse-Katze; jetzt werde ich Jemand haben, mit dem ich sprechen kann.&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Wie geht es dir?&laquo; sagte die Katze, sobald Mund genug da war, um damit
+zu sprechen.</p>
+
+<p>Alice wartete, bis die Augen erschienen, und nickte ihr zu. &raquo;Es n&uuml;tzt
+nichts mit ihr zu reden,&laquo; dachte sie, &raquo;bis ihre Ohren gekommen sind,
+oder wenigstens eins.&laquo; Den n&auml;chsten Augenblick erschien der ganze Kopf;
+da setzte Alice ihren Flamingo nieder und fing ihren Bericht von dem
+Spiele an, sehr froh, da&szlig; sie Jemand zum<a class="page" name="Page_115" id ="Page_115" title="115"></a> Zuh&ouml;ren hatte. Die Katze
+schien zu glauben, da&szlig; jetzt genug von ihr sichtbar sei, und es erschien
+weiter nichts.</p>
+
+<p>&raquo;Ich glaube, sie spielen gar nicht gerecht,&laquo; fing Alice in etwas
+klagendem Tone an, &raquo;und sie zanken sich Alle so entsetzlich, da&szlig; man
+sein eigenes Wort nicht h&ouml;ren kann &mdash; und dann haben sie gar keine
+Spielregeln, wenigstens wenn sie welche haben, so beobachtet sie Niemand
+&mdash; und du hast keine Idee, wie es Einen verwirrt, da&szlig; alle
+Croquet-Sachen lebendig sind; zum Beispiel da ist der Bogen, durch den
+ich das n&auml;chste Mal spielen mu&szlig;, und geht am andern Ende des Grasplatzes
+spazieren &mdash; und ich h&auml;tte den Igel der K&ouml;nigin noch eben <em class="gesperrt">treffen</em>
+k&ouml;nnen, nur da&szlig; er fortrannte, als er meinen kommen sah!&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Wie gef&auml;llt dir die K&ouml;nigin?&laquo; fragte die Katze leise.</p>
+
+<p>&raquo;Ganz und gar nicht,&laquo; sagte Alice, &raquo;sie hat so sehr viel &mdash;&laquo; da bemerkte
+sie eben, da&szlig; die K&ouml;nigin dicht hinter ihr war und zuh&ouml;rte, also setzte
+sie hinzu: &raquo;Aussicht zu gewinnen, da&szlig; es kaum der M&uuml;he werth ist, das
+Spiel auszuspielen.&laquo;</p>
+
+<p>Die K&ouml;nigin l&auml;chelte und ging weiter.</p>
+
+<p>&raquo;Mit wem redest du da?&laquo; sagte der K&ouml;nig, indem<a class="page" name="Page_116" id ="Page_116" title="116"></a> er an Alice herantrat
+und mit gro&szlig;er Neugierde den Katzenkopf ansah.</p>
+
+<p>&raquo;Es ist einer meiner Freunde &mdash; ein Grinse-Kater,&laquo; sagte Alice;
+&raquo;erlauben Eure Majest&auml;t, da&szlig; ich ihn Ihnen vorstelle.&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Sein Aussehen gef&auml;llt mir gar nicht,&laquo; sagte der K&ouml;nig; &raquo;er mag mir
+jedoch die Hand k&uuml;ssen, wenn er will.&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;O, lieber nicht!&laquo; versetzte der Kater.</p>
+
+<p>&raquo;Sei nicht so impertinent,&laquo; sagte der K&ouml;nig, &raquo;und sieh mich nicht so
+an!&laquo; Er stellte sich hinter Alice, als er dies sagte.</p>
+
+<p>&raquo;Der Kater sieht den K&ouml;nig an, der K&ouml;nig sieht den Kater an,&laquo; sagte
+Alice, &raquo;das habe ich irgendwo gelesen, ich wei&szlig; nur nicht mehr wo.&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Fort mu&szlig; er,&laquo; sagte der K&ouml;nig sehr entschieden, und rief der K&ouml;nigin
+zu, die gerade vorbeiging: &raquo;Meine Liebe! ich wollte, du lie&szlig;est diesen
+Kater fortschaffen!&laquo;</p>
+
+<p>Die K&ouml;nigin kannte nur <em class="gesperrt">eine</em> Art, alle Schwierigkeiten, gro&szlig;e und kleine,
+zu beseitigen. &raquo;Schlagt ihm den Kopf ab!&laquo; sagte sie, ohne sich einmal
+umzusehen.</p>
+
+<p>&raquo;Ich werde den Henker selbst holen,&laquo; sagte der K&ouml;nig eifrig und eilte
+fort.</p>
+
+<p><a class="page" name="Page_117" id ="Page_117" title="117"></a>Alice dachte, sie wollte lieber zur&uuml;ck gehen und sehen, wie es mit dem
+Spiele stehe, da sie in der Entfernung die Stimme der K&ouml;nigin h&ouml;rte, die
+vor Wuth au&szlig;er sich war. Sie hatte sie schon drei Spieler zum Tode
+verurtheilen h&ouml;ren, weil sie ihre Reihe verfehlt hatten, und der Stand
+der Dinge behagte ihr gar nicht, da das Spiel in solcher Verwirrung war,
+da&szlig; sie nie wu&szlig;te, ob sie an der Reihe sei oder nicht. Sie ging also,
+sich nach ihrem Igel umzusehen.</p>
+
+<p>Der Igel war im Kampfe mit einem andern Igel, was Alice eine
+vortreffliche Gelegenheit schien, einen mit dem andern zu <em class="gesperrt">treffen</em>; die
+einzige Schwierigkeit war, da&szlig; ihr Flamingo nach dem andern Ende des
+Gartens gegangen war, wo Alice eben sehen konnte, wie er h&ouml;chst
+ungeschickt versuchte, auf einen Baum zu fliegen.</p>
+
+<p>Als sie den Flamingo gefangen und zur&uuml;ckgebracht hatte, war der Kampf
+vor&uuml;ber und die beiden Igel nirgends zu sehen. &raquo;Aber es kommt nicht
+drauf an,&laquo; dachte Alice, &raquo;da alle Bogen auf dieser Seite des Grasplatzes
+fortgegangen sind.&laquo; Sie steckte also ihren Flamingo unter den Arm, damit
+er nicht wieder fortliefe, und ging zur&uuml;ck, um mit ihrem Freunde weiter
+zu schwatzen.</p>
+
+<p><a class="page" name="Page_118" id ="Page_118" title="118"></a>Als sie zum Cheshire-Kater zur&uuml;ck kam, war sie sehr erstaunt, einen
+gro&szlig;en Auflauf um ihn versammelt zu sehen: es fand ein gro&szlig;er
+Wortwechsel statt zwischen dem Henker, dem K&ouml;nige und der K&ouml;nigin,
+welche alle drei zugleich sprachen, w&auml;hrend die Uebrigen ganz still
+waren und sehr &auml;ngstlich aussahen.</p>
+
+<p>Sobald Alice erschien, wurde sie von allen dreien aufgefordert, den
+streitigen Punkt zu entscheiden, und sie wiederholten ihr ihre
+Beweisgr&uuml;nde, obgleich, da alle zugleich sprachen, man kaum verstehen
+konnte, was jeder Einzelne sagte.</p>
+
+<div class="figright" style="width: 363px;">
+<img src="images/p118.png" width="363" height="467" alt="" title="" />
+</div>
+
+<p><a class="page" name="Page_119" id ="Page_119" title="119"></a>Der Henker behauptete, da&szlig; man keinen Kopf abschneiden k&ouml;nne, wo kein
+K&ouml;rper sei, von dem man ihn abschneiden k&ouml;nne; da&szlig; er so etwas noch nie
+gethan habe, und jetzt &uuml;ber die Jahre hinaus sei, wo man etwas Neues
+lerne.</p>
+
+<p>Der K&ouml;nig behauptete, da&szlig; Alles, was einen Kopf habe, gek&ouml;pft werden
+k&ouml;nne, und da&szlig; man nicht so viel Unsinn schwatzen solle.</p>
+
+<p>Die K&ouml;nigin behauptete, da&szlig; wenn nicht in weniger als keiner Frist etwas
+geschehe, sie die ganze Gesellschaft w&uuml;rde k&ouml;pfen lassen. (Diese
+letztere Bemerkung hatte der Versammlung ein so ernstes und &auml;ngstliches
+Aussehen gegeben.)</p>
+
+<p>Alice wu&szlig;te nichts Besseres zu sagen als: "Er geh&ouml;rt der Herzogin, es
+w&auml;re am besten sie zu fragen."</p>
+
+<p>"Sie ist im Gef&auml;ngnis," sagte die K&ouml;nigin zum Henker, "hole sie her."
+Und der Henker lief davon wie ein Pfeil.</p>
+
+<p><a class="page" name="Page_120" id ="Page_120" title="120"></a>Da wurde der Kopf des Katers undeutlicher und undeutlicher; und gerade
+in dem Augenblicke, als der Henker mit der Herzogin zur&uuml;ck kam,
+verschwand er g&auml;nzlich; der K&ouml;nig und der Henker liefen ganz wild umher,
+ihn zu suchen, w&auml;hrend die &uuml;brige Gesellschaft zum Spiele zur&uuml;ckging.</p>
+
+
+
+<hr style="width: 65%;" />
+<h2><a class="page" name="Page_121" id ="Page_121" title="121"></a><a name="Neuntes_Kapitel" id="Neuntes_Kapitel"></a><a href="#Inhalt">Neuntes Kapitel.</a></h2>
+
+<h2>Die Geschichte der falschen Schildkr&ouml;te.</h2>
+
+
+<p>&raquo;Du kannst dir gar nicht denken, wie froh ich bin, dich wieder zu sehen,
+du liebes altes Herz!&laquo; sagte die Herzogin, indem sie Alice liebevoll
+unterfa&szlig;te, und beide zusammen fortspazierten.</p>
+
+<p>Alice war sehr froh, sie bei so guter Laune zu finden, und dachte bei
+sich, es w&auml;re vielleicht nur der Pfeffer, der sie so b&ouml;se gemacht habe,
+als sie sich zuerst in der K&uuml;che trafen. &raquo;Wenn ich Herzogin bin,&laquo; sagte
+sie f&uuml;r sich (doch nicht in sehr hoffnungsvollem Tone), &raquo;will ich gar
+keinen Pfeffer in meiner K&uuml;che dulden. Suppe schmeckt sehr gut ohne &mdash;
+Am Ende ist es immer Pfeffer, der die Leute heftig macht,&laquo; sprach sie
+weiter, sehr gl&uuml;cklich, eine neue Art Regel erfunden zu haben, &raquo;und
+Essig, der sie sauert&ouml;pfisch macht &mdash; und<a class="page" name="Page_122" id ="Page_122" title="122"></a> Kamillenthee, der sie bitter
+macht &mdash; und Gerstenzucker und dergleichen, was Kinder zuckers&uuml;&szlig; macht.
+Ich w&uuml;nschte nur, die gro&szlig;en Leute w&uuml;&szlig;ten das, dann w&uuml;rden sie nicht so
+sparsam damit sein &mdash;&laquo;</p>
+
+<p>Sie hatte unterdessen die Herzogin ganz vergessen und schrak f&ouml;rmlich
+zusammen, als sie deren Stimme dicht an ihrem Ohre h&ouml;rte. &raquo;Du denkst an
+etwas, meine Liebe, und vergi&szlig;t dar&uuml;ber zu sprechen. Ich kann dir diesen
+Augenblick nicht sagen, was die Moral davon ist, aber es wird mir gleich
+einfallen.&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Vielleicht hat es keine,&laquo; hatte Alice den Muth zu sagen.</p>
+
+<p>&raquo;Still, still, Kind!&laquo; sagte die Herzogin. &raquo;Alles hat seine Moral, wenn
+man sie nur finden kann.&laquo; Dabei dr&auml;ngte sie sich dichter an Alice heran.</p>
+
+<p>Alice mochte es durchaus nicht gern, da&szlig; sie ihr so nahe kam: erstens,
+weil die Herzogin sehr h&auml;&szlig;lich war, und zweitens, weil sie gerade gro&szlig;
+genug war, um ihr Kinn auf Alice's Schulter zu st&uuml;tzen, und es war ein
+unangenehm spitzes Kinn. Da sie aber nicht gern unh&ouml;flich sein wollte,
+so ertrug sie es, so gut sie konnte.</p>
+
+<p>&raquo;Das Spiel ist jetzt besser im Gange,&laquo; sagte sie, um die Unterhaltung
+fortzuf&uuml;hren.</p>
+
+<div class="figcenter" style="width: 337px;"><a class="page" name="Page_123" id ="Page_123" title="123"></a>
+<img src="images/p123.png" width="337" height="500" alt="" title="" />
+</div>
+
+<p>&raquo;So ist es,&laquo; sagte die Herzogin, &raquo;und die Moral davon ist &mdash; Mit Liebe
+und Gesange h&auml;lt man die Welt im Gange!&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Wer sagte denn,&laquo; fl&uuml;sterte Alice, &raquo;es geschehe dadurch, da&szlig; Jeder vor
+seiner Th&uuml;re fege.&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Ah, sehr gut, das bedeutet ungef&auml;hr dasselbe,&laquo; sagte die Herzogin, und
+indem sie ihr spitzes kleines Kinn in Alice's Schulter einbohrte, f&uuml;gte
+sie hinzu<a class="page" name="Page_124" id ="Page_124" title="124"></a> &raquo;und die Moral <em class="gesperrt">davon</em> ist &mdash; So viel K&ouml;pfe, so viel Sinne.&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Wie gern sie die Moral von Allem findet!&laquo; dachte Alice bei sich.</p>
+
+<p>&raquo;Du wunderst dich wahrscheinlich, warum ich meinen Arm nicht um deinen
+Hals lege,&laquo; sagte die Herzogin nach einer Pause; &raquo;die Wahrheit zu
+gestehen, ich traue der Laune deines Flamingos nicht ganz. Soll ich es
+versuchen?&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Er k&ouml;nnte bei&szlig;en,&laquo; erwiderte Alice weislich, da sie sich keineswegs
+danach sehnte, das Experiment zu versuchen.</p>
+
+<p>&raquo;Sehr wahr,&laquo; sagte die Herzogin, &raquo;Flamingos und Senf bei&szlig;en beide. Und
+die Moral davon ist: Gleich und Gleich gesellt sich gern.&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Aber der Flamingo ist ja ein Vogel und Senf ist kein Vogel,&laquo; wandte
+Alice ein.</p>
+
+<p>&raquo;Ganz recht, wie immer,&laquo; sagte die Herzogin, &raquo;wie deutlich du Alles
+ausdr&uuml;cken kannst.&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Es ist, glaube ich, ein Mineral,&laquo; sagte Alice.</p>
+
+<p>&raquo;Versteht sich,&laquo; sagte die Herzogin, die Allem, was Alice sagte,
+beizustimmen schien, &raquo;in dem gro&szlig;en Senf-Bergwerk hier in der Gegend
+sind ganz vorz&uuml;glich gute<a class="page" name="Page_125" id ="Page_125" title="125"></a> Minen. Und die Moral davon ist, da&szlig; wir gute
+Miene zum b&ouml;sen Spiel machen m&uuml;ssen.&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;O, ich wei&szlig;!&laquo; rief Alice aus, die die letzte Bemerkung ganz &uuml;berh&ouml;rt
+hatte, &raquo;es ist eine Pflanze. Es sieht nicht so aus, aber es ist eine.&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Ich stimme dir vollkommen bei,&laquo; sagte die Herzogin, &raquo;und die Moral
+davon ist: Sei was du zu scheinen w&uuml;nschest! &mdash; oder einfacher
+ausgedr&uuml;ckt: Bilde dir nie ein verschieden von dem zu sein was Anderen
+erscheint da&szlig; was du warest oder gewesen sein m&ouml;chtest nicht verschieden
+von dem war da&szlig; was du gewesen warest ihnen erschienen w&auml;re als w&auml;re es
+verschieden.&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Ich glaube, ich w&uuml;rde das besser verstehen,&laquo; sagte Alice sehr h&ouml;flich,
+&raquo;wenn ich es aufgeschrieben h&auml;tte; ich kann nicht ganz folgen, wenn Sie
+es sagen.&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Das ist noch gar nichts dagegen, was ich sagen k&ouml;nnte, wenn ich
+wollte,&laquo; antwortete die Herzogin in selbstzufriedenem Tone.</p>
+
+<p>&raquo;Bitte, bem&uuml;hen Sie sich nicht, es noch l&auml;nger zu sagen!&laquo; sagte Alice.</p>
+
+<p>&raquo;O, sprich nicht von M&uuml;he!&laquo; sagte die Herzogin, &raquo;ich will dir Alles, was
+ich bis jetzt gesagt habe, schenken.&laquo;</p>
+
+<p><a class="page" name="Page_126" id ="Page_126" title="126"></a>&raquo;Eine wohlfeile Art Geschenke!&laquo; dachte Alice, &raquo;ich bin froh, da&szlig; man
+nicht solche Geburtstagsgeschenke macht!&laquo; Aber sie getraute sich nicht,
+es laut zu sagen.</p>
+
+<p>&raquo;Wieder in Gedanken?&laquo; fragte die Herzogin und grub ihr spitzes kleines
+Kinn tiefer ein.</p>
+
+<p>&raquo;Ich habe das Recht, in Gedanken zu sein, wenn ich will,&laquo; sagte Alice
+gereizt, denn die Unterhaltung fing an, ihr langweilig zu werden.</p>
+
+<p>&raquo;Gerade so viel Recht,&laquo; sagte die Herzogin, &raquo;wie Ferkel zum Fliegen, und
+die M &mdash;&laquo;</p>
+
+<p>Aber, zu Alice's gro&szlig;em Erstaunen stockte hier die Stimme der Herzogin,
+und zwar mitten in ihrem Lieblingsworte &raquo;Moral&laquo;, und der Arm, der in dem
+ihrigen ruhte, fing an zu zittern. Alice sah auf, und da stand die
+K&ouml;nigin vor ihnen, mit &uuml;ber der Brust gekreuzten Armen, schwarzblickend
+wie ein Gewitter.</p>
+
+<p>&raquo;Ein sch&ouml;ner Tag, Majest&auml;t!&laquo; fing die Herzogin mit leiser schwacher
+Stimme an.</p>
+
+<p>&raquo;Ich will Sie sch&ouml;n gewarnt haben,&laquo; schrie die K&ouml;nigin und stampfte
+dabei mit dem Fu&szlig;e: &raquo;Fort augenblicklich, entweder mit Ihnen oder mit
+Ihrem Kopfe! W&auml;hlen Sie!&laquo;</p>
+
+<p>Die Herzogin w&auml;hlte und verschwand eilig.</p>
+
+<p><a class="page" name="Page_127" id ="Page_127" title="127"></a>&raquo;Wir wollen weiter spielen,&laquo; sagte die K&ouml;nigin zu Alice, und diese, viel
+zu erschrocken, ein Wort zu erwiedern, folgte ihr langsam nach dem
+Croquet-Felde.</p>
+
+<p>Die &uuml;brigen G&auml;ste hatten die Abwesenheit der K&ouml;nigin benutzt, um im
+Schatten auszuruhen; sobald sie sie jedoch kommen sahen, eilten sie
+augenblicklich zum Spiele zur&uuml;ck, indem die K&ouml;nigin einfach bemerkte,
+da&szlig; eine Minute Verzug ihnen das Leben kosten w&uuml;rde.</p>
+
+<p>Die ganze Zeit, wo sie spielten, h&ouml;rte die K&ouml;nigin nicht auf, mit den
+andern Spielern zu zanken und zu schreien: &raquo;Schlagt ihm den Kopf ab!&laquo;
+oder: &raquo;Schlagt ihr den Kopf ab!&laquo; Diejenigen, welche sie verurtheilt
+hatte, wurden von den Soldaten in Verwahrsam gef&uuml;hrt, die nat&uuml;rlich dann
+aufh&ouml;ren mu&szlig;ten, die Bogen zu bilden, so da&szlig; nach ungef&auml;hr einer halben
+Stunde keine Bogen mehr &uuml;brig waren, und alle Spieler, au&szlig;er dem K&ouml;nige,
+der K&ouml;nigin und Alice, in Verwahrsam und zum Tode verurtheilt waren.</p>
+
+<p>Da h&ouml;rte die K&ouml;nigin, ganz au&szlig;er Athem, auf, und sagte zu Alice: &raquo;Hast
+du die <em class="gesperrt">Falsche Schildkr&ouml;te</em> schon gesehen?&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Nein,&laquo; sagte Alice. &raquo;Ich wei&szlig; nicht einmal, was eine <em class="gesperrt">Falsche
+Schildkr&ouml;te</em> ist.&laquo;</p>
+
+<p><a class="page" name="Page_128" id ="Page_128" title="128"></a>&raquo;Es ist das, woraus falsche Schildkr&ouml;tensuppe gemacht wird,&laquo; sagte die
+K&ouml;nigin.</p>
+
+<p>&raquo;Ich habe weder eine gesehen, noch von einer geh&ouml;rt,&laquo; sagte Alice.</p>
+
+<p>&raquo;Komm schnell,&laquo; sagte die K&ouml;nigin, &raquo;sie soll dir ihre Geschichte
+erz&auml;hlen.&laquo;</p>
+
+<p>Als sie mit einander fortgingen, h&ouml;rte Alice den K&ouml;nig leise zu der
+ganzen Versammlung sagen: &raquo;Ihr seid Alle begnadigt!&laquo; &raquo;Ach, das ist ein
+Gl&uuml;ck!&laquo; sagte sie f&uuml;r sich, denn sie war &uuml;ber die vielen Enthauptungen,
+welche die K&ouml;nigin angeordnet hatte, ganz au&szlig;er sich gewesen.</p>
+
+<p>Sie kamen bald zu einem Greifen, der in der Sonne lag und schlief. (Wenn
+ihr nicht wi&szlig;t, was ein Greif ist, seht euch das Bild an.) &raquo;Auf, du
+Faulpelz,&laquo; sagte die K&ouml;nigin, &raquo;und bringe dies kleine Fr&auml;ulein zu der
+falschen Schildkr&ouml;te, sie m&ouml;chte gern ihre Geschichte h&ouml;ren. Ich mu&szlig;
+zur&uuml;ck und nach einigen Hinrichtungen sehen, die ich angeordnet habe;&laquo;
+damit ging sie fort und lie&szlig; Alice mit dem Greifen allein. Der Anblick
+des Thieres gefiel Alice nicht recht; aber im Ganzen genommen, dachte
+sie, w&uuml;rde es eben so sicher sein, bei ihm zu bleiben, als dieser
+grausamen K&ouml;nigin zu folgen, sie wartete also.</p>
+
+<div class="figcenter" style="width: 500px;"><a class="page" name="Page_129" id ="Page_129" title="129"></a>
+<img src="images/p129.png" width="500" height="330" alt="" title="" />
+</div>
+
+<p>Der Greif richtete sich auf und rieb sich die Augen: darauf sah er der
+K&ouml;nigin nach, bis sie verschwunden war; dann sch&uuml;ttelte er sich. &raquo;Ein
+k&ouml;stlicher Spa&szlig;!&laquo; sagte der Greif, halb zu sich selbst, halb zu Alice.</p>
+
+<p>&raquo;<em class="gesperrt">Was</em> ist ein Spa&szlig;?&laquo; fragte Alice.</p>
+
+<p>&raquo;Sie,&laquo; sagte der Greif. &raquo;Es ist Alles ihre Einbildung, das: Niemand wird
+niemals nicht hingerichtet. Komm schnell.&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Jeder sagte hier, komm schnell,&laquo; dachte Alice, indem sie ihm langsam
+nachging, &raquo;so viel bin ich in meinem Leben nicht hin und her kommandirt
+worden, nein, in meinem ganzen Leben nicht!&laquo;</p>
+
+<p><a class="page" name="Page_130" id ="Page_130" title="130"></a>Sie brauchten nicht weit zu gehen, als sie schon die falsche Schildkr&ouml;te
+in der Entfernung sahen, wie sie einsam und traurig auf einem
+Felsenriffe sa&szlig;; und als sie n&auml;her kamen, h&ouml;rte Alice sie seufzen, als
+ob ihr das Herz brechen wollte. Sie bedauerte sie herzlich. &raquo;Was f&uuml;r
+einen Kummer hat sie?&laquo; fragte sie den Greifen, und der Greif antwortete,
+fast in denselben Worten wie zuvor: &raquo;Es ist Alles ihre Einbildung, das;
+sie hat keinen Kummer nicht. Komm schnell.&laquo;</p>
+
+<p>Sie gingen also an die falsche Schildkr&ouml;te heran, die sie mit
+thr&auml;nenschweren Augen anblickte, aber nichts sagte.</p>
+
+<p>&raquo;Die kleine Mamsell hier,&laquo; sprach der Greif, &raquo;sie sagt, sie m&ouml;chte gern
+deine Geschichte wissen, sagt sie.&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Ich will sie ihr erz&auml;hlen,&laquo; sprach die falsche Schildkr&ouml;te mit tiefer,
+hohler Stimme; &raquo;setzt euch beide her und sprecht kein Wort, bis ich
+fertig bin.&laquo;</p>
+
+<p>Gut, sie setzten sich hin und Keiner sprach mehre Minuten lang. Alice
+dachte bei sich: &raquo;Ich begreife nicht, wie sie je fertig werden kann,
+wenn sie nicht anf&auml;ngt.&laquo; Aber sie wartete geduldig.</p>
+
+<p>&raquo;Einst,&laquo; sagte die falsche Schildkr&ouml;te endlich mit einem tiefen Seufzer,
+&raquo;war ich eine wirkliche Schildkr&ouml;te.&laquo;</p>
+
+<div class="figcenter" style="width: 418px;"><a class="page" name="Page_131" id ="Page_131" title="131"></a>
+<img src="images/p131.png" width="418" height="500" alt="" title="" />
+</div>
+
+<p>Auf diese Worte folgte ein sehr langes Schweigen, nur hin und wieder
+unterbrochen durch den Ausruf des Greifen &raquo;Hjckrrh!&laquo; und durch das
+heftige Schluchzen der falschen Schildkr&ouml;te. Alice w&auml;re beinah
+aufgestanden<a class="page" name="Page_132" id ="Page_132" title="132"></a> und h&auml;tte gesagt: &raquo;Danke sehr f&uuml;r die interessante
+Geschichte!&laquo; aber sie konnte nicht umhin zu denken, da&szlig; doch noch etwas
+kommen m&uuml;sse; daher blieb sie sitzen und sagte nichts.</p>
+
+<p>&raquo;Als wir klein waren,&laquo; sprach die falsche Schildkr&ouml;te endlich weiter,
+und zwar ruhiger, obgleich sie noch hin und wieder schluchzte, &raquo;gingen
+wir zur Schule in der See. Die Lehrerin war eine alte Schildkr&ouml;te &mdash; wir
+nannten sie Mamsell Schalthier &mdash;&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Warum nanntet ihr sie Mamsell Schalthier?&laquo; fragte Alice.</p>
+
+<p>&raquo;Sie <em class="gesperrt">schalt hier</em> oder sie schalt da alle Tage, darum,&laquo; sagte die falsche
+Schildkr&ouml;te &auml;rgerlich; &raquo;du bist wirklich sehr dumm.&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Du solltest dich sch&auml;men, eine so dumme Frage zu thun,&laquo; setzte der
+Greif hinzu, und dann sa&szlig;en beide und sahen schweigend die arme Alice
+an, die in die Erde h&auml;tte sinken m&ouml;gen. Endlich sagte der Greif zu der
+falschen Schildkr&ouml;te: &raquo;Fahr' zu, alte Kutsche! La&szlig; uns nicht den ganzen
+Tag warten!&laquo; Und sie fuhr in folgenden Worten fort:</p>
+
+<p>&raquo;Ja, wir gingen zur Schule, in der See, ob ihr es glaubt oder nicht &mdash;&laquo;</p>
+
+<p><a class="page" name="Page_133" id ="Page_133" title="133"></a>&raquo;Ich habe nicht gesagt, da&szlig; ich es nicht glaubte,&laquo; unterbrach sie Alice.</p>
+
+<p>&raquo;Ja, das hast du,&laquo; sagte die falsche Schildkr&ouml;te.</p>
+
+<p>&raquo;Halt' den Mund!&laquo; f&uuml;gte der Greif hinzu, ehe Alice antworten konnte. Die
+falsche Schildkr&ouml;te fuhr fort.</p>
+
+<p>&raquo;Wir gingen in die allerbeste Schule; wir hatten vier und zwanzig
+Stunden regelm&auml;&szlig;ig jeden Tag.&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Das haben wir auf dem Lande auch,&laquo; sagte Alice, &raquo;darauf brauchst du dir
+nicht so viel einzubilden.&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Habt ihr auch Privatstunden au&szlig;erdem?&laquo; fragte die falsche Schildkr&ouml;te
+etwas kleinlaut.</p>
+
+<p>&raquo;Ja,&laquo; sagte Alice, &raquo;Franz&ouml;sisch und Klavier.&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Und W&auml;sche?&laquo; sagte die falsche Schildkr&ouml;te.</p>
+
+<p>&raquo;Ich d&auml;chte gar!&laquo; sagte Alice entr&uuml;stet.</p>
+
+<p>&raquo;Ah! dann gehst du in keine wirklich gute Schule,&laquo; sagte die falsche
+Schildkr&ouml;te sehr beruhigt. &raquo;In unserer Schule stand immer am Ende der
+Rechnung, &raquo;Franz&ouml;sisch, Klavierspielen, W&auml;sche &mdash; extra.&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Das k&ouml;nnt ihr nicht sehr n&ouml;thig gehabt haben,&laquo; sagte Alice, &raquo;wenn ihr
+auf dem Grunde des Meeres wohntet.&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Ich konnte keine Privatstunden bezahlen,&laquo; sagte die<a class="page" name="Page_134" id ="Page_134" title="134"></a> falsche
+Schildkr&ouml;te mit einem Seufzer. &raquo;Ich nahm nur den regelm&auml;&szlig;igen
+Unterricht.&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Und was war das?&laquo; fragte Alice.</p>
+
+<p>&raquo;Legen und Treiben, nat&uuml;rlich, zu allererst,&laquo; erwiederte die falsche
+Schildkr&ouml;te; &raquo;und dann die vier Abtheilungen vom Rechnen: Zusehen,
+Abziehen, Vervielfra&szlig;en und Stehlen.&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Ich habe nie von Vervielfra&szlig;en geh&ouml;rt,&laquo; warf Alice ein. &raquo;Was ist das?&laquo;</p>
+
+<p>Der Greif erhob beide Klauen voller Verwunderung. &raquo;Nie von Vervielfra&szlig;en
+geh&ouml;rt!&laquo; rief er aus. &raquo;Du wei&szlig;t, was Verhungern ist? vermuthe ich.&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Ja,&laquo; sagte Alice unsicher, &raquo;es hei&szlig;t &mdash; nichts &mdash; essen &mdash; und davon &mdash;
+sterben.&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Nun,&laquo; fuhr der Greif fort, &raquo;wenn du nicht verstehst, was Vervielfra&szlig;en
+ist, dann bist du ein Pinsel.&laquo;</p>
+
+<p>Alice hatte allen Muth verloren, sich weiter danach zu erkundigen, und
+wandte sich daher an die falsche Schildkr&ouml;te mit der Frage: &raquo;Was hattet
+ihr sonst noch zu lernen?&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Nun, erstens Gewichte,&laquo; erwiederte die falsche Schildkr&ouml;te, indem sie
+die Gegenst&auml;nde an den Pfoten aufz&auml;hlte,<a class="page" name="Page_135" id ="Page_135" title="135"></a> &raquo;Gewichte, alte und neue, mit
+Seeographie; dann Springen &mdash; der Springelehrer war ein alter
+Stockfisch, der ein Mal w&ouml;chentlich zu kommen pflegte, er lehrte uns
+Pfoten Reiben und Unarten, meerschwimmig Springen, Schillern und
+Imponiren.&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Wie war denn das?&laquo; fragte Alice.</p>
+
+<p>&raquo;Ich kann es dir nicht selbst zeigen,&laquo; sagte die falsche Schildkr&ouml;te,
+&raquo;ich bin zu steif. Und der Greif hat es nicht gelernt.&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Hatte keine Zeit,&laquo; sagte der Greif; &raquo;ich hatte aber Stunden bei dem
+Lehrer der alten Sprachen. Das war ein alter <em class="gesperrt">Barsch</em>, ja, das war er.&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Bei dem bin ich nicht gewesen,&laquo; sagte die falsche Schildkr&ouml;te mit einem
+Seufzer, &raquo;er lehrte Zebr&auml;isch und Greifisch, sagten sie immer.&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Das that er auch, das that er auch, und besonders La&szlig;sein,&laquo; sagte der
+Greif, indem er ebenfalls seufzte, worauf beide Thiere sich das Gesicht
+mit den Pfoten bedeckten.</p>
+
+<p>&raquo;Und wie viel Sch&uuml;ler wart ihr denn in einer Klasse?&laquo; sagte Alice, die
+schnell auf einen andern Gegenstand kommen wollte.</p>
+
+<p><a class="page" name="Page_136" id ="Page_136" title="136"></a>&raquo;Zehn den ersten Tag,&laquo; sagte die falsche Schildkr&ouml;te, &raquo;neun den
+n&auml;chsten, und so fort.&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Was f&uuml;r eine merkw&uuml;rdige Einrichtung!&laquo; rief Alice aus.</p>
+
+<p>&raquo;Das ist der Grund, warum man Lehrer h&auml;lt, weil sie die Klasse von Tag
+zu Tag leeren.&laquo;</p>
+
+<p>Dies war ein ganz neuer Gedanke f&uuml;r Alice, welchen sie gr&uuml;ndlich
+&uuml;berlegte, ehe sie wieder eine Bemerkung machte. &raquo;Den elften Tag m&uuml;ssen
+dann Alle frei gehabt haben?&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Nat&uuml;rlich!&laquo; sagte die falsche Schildkr&ouml;te.</p>
+
+<p>&raquo;Und wie wurde es den zw&ouml;lften Tag gemacht?&laquo; fuhr Alice eifrig fort.</p>
+
+<p>&raquo;Das ist genug von Stunden,&laquo; unterbrach der Greif sehr bestimmt:
+&raquo;erz&auml;hle ihr jetzt etwas von den Spielen.&laquo;</p>
+
+
+
+<hr style="width: 65%;" />
+<h2><a class="page" name="Page_137" id ="Page_137" title="137"></a><a name="Zehntes_Kapitel" id="Zehntes_Kapitel"></a><a href="#Inhalt">Zehntes Kapitel.</a></h2>
+
+<h2>Das Hummerballet.</h2>
+
+
+<p>Die falsche Schildkr&ouml;te seufzte tief auf und wischte sich mit dem R&uuml;cken
+ihrer Pfote die Augen. Sie sah Alice an und versuchte zu sprechen, aber
+ein bis zwei Minuten lang erstickte lautes Schluchzen ihre Stimme.
+&raquo;Sieht aus, als ob sie einen Knochen in der Kehle h&auml;tt',&laquo; sagte der
+Greif und machte sich daran, sie zu sch&uuml;tteln und auf den R&uuml;cken zu
+klopfen. Endlich erhielt die falsche Schildkr&ouml;te den Gebrauch ihrer
+Stimme wieder, und w&auml;hrend Thr&auml;nen ihre Wangen herabflossen, erz&auml;hlte
+sie weiter.</p>
+
+<p>&raquo;Vielleicht hast du nicht viel unter dem Wasser gelebt &mdash;&laquo; (&raquo;Nein,&laquo;
+sagte Alice) &mdash; &raquo;und vielleicht hast du nie die Bekanntschaft eines
+Hummers gemacht &mdash;&laquo; (Alice wollte eben sagen: &raquo;ich kostete einmal,&laquo; aber
+sie hielt schnell ein und sagte: &raquo;Nein, niemals&laquo;) &mdash; &raquo;du kannst dir also
+nicht vorstellen, wie reizend ein Hummerballet ist.&laquo;</p>
+
+<p><a class="page" name="Page_138" id ="Page_138" title="138"></a>&raquo;Nein, in der That nicht,&laquo; sagte Alice, &raquo;was f&uuml;r eine Art Tanz ist es?&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Nun,&laquo; sagte der Greif, &raquo;erst stellt man sich in einer Reihe am Strand
+auf &mdash;&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;In zwei Reihen!&laquo; rief die falsche Schildkr&ouml;te. &raquo;Seehunde, Schildkr&ouml;ten,
+Lachse, und so weiter; dann, wenn alle Seesterne aus dem Wege ger&auml;umt
+sind &mdash;&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Was gew&ouml;hnlich einige Zeit dauert,&laquo; unterbrach der Greif.</p>
+
+<p>&raquo;&mdash; geht man zwei Mal vorw&auml;rts &mdash;&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Jeder einen Hummer zum Tanze f&uuml;hrend!&laquo; rief der Greif.</p>
+
+<p>&raquo;Nat&uuml;rlich,&laquo; sagte die falsche Schildkr&ouml;te: &raquo;zwei Mal vorw&auml;rts, wieder
+paarweis gestellt &mdash;&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;&mdash; wechselt die Hummer, und geht in derselben Ordnung zur&uuml;ck,&laquo; fuhr der
+Greif fort.</p>
+
+<p>&raquo;Dann, mu&szlig;t du wissen,&laquo; fiel die falsche Schildkr&ouml;te ein, &raquo;wirft man die
+&mdash;&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Die Hummer!&laquo; schrie der Greif mit einem Luftsprunge.</p>
+
+<p>&raquo;&mdash; so weit in's Meer, als man kann &mdash;&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Schwimmt ihnen nach!&laquo; kreischte der Greif.</p>
+
+<p>&raquo;Schl&auml;gt einen Purzelbaum im Wasser!&laquo; rief die falsche Schildkr&ouml;te,
+indem sie unb&auml;ndig umhersprang.</p>
+
+<div class="figcenter" style="width: 416px;"><a class="page" name="Page_139" id ="Page_139" title="139"></a>
+<img src="images/p139.png" width="416" height="500" alt="" title="" />
+</div>
+
+<p>&raquo;Wechselt die Hummer wieder!&laquo; heulte der Greif mit erhobener Stimme.</p>
+
+<p>&raquo;Zur&uuml;ck an's Land, und &mdash; das ist die ganze erste Figur,&laquo; sagte die
+falsche Schildkr&ouml;te, indem ihre Stimme pl&ouml;tzlich sank; und beide Thiere,
+die bis dahin wie toll umhergesprungen waren, setzten sich sehr betr&uuml;bt
+und still nieder und sahen Alice an.</p>
+
+<p><a class="page" name="Page_140" id ="Page_140" title="140"></a>&raquo;Es mu&szlig; ein sehr h&uuml;bscher Tanz sein,&laquo; sagte Alice &auml;ngstlich.</p>
+
+<p>&raquo;M&ouml;chtest du eine kleine Probe sehen?&laquo; fragte die falsche Schildkr&ouml;te.</p>
+
+<p>&raquo;Sehr gern,&laquo; sagte Alice.</p>
+
+<p>&raquo;Komm, la&szlig; uns die erste Figur versuchen!&laquo; sagte die falsche Schildkr&ouml;te
+zum Greifen. &raquo;Wir k&ouml;nnen es ohne Hummer, glaube ich. Wer soll singen?&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Oh, singe du!&laquo; sagte der Greif. &raquo;Ich habe die Worte vergessen.&laquo;</p>
+
+<p>So fingen sie denn an, feierlich im Kreise um Alice zu tanzen; zuweilen
+traten sie ihr auf die F&uuml;&szlig;e, wenn sie ihr zu nahe kamen; die falsche
+Schildkr&ouml;te sang dazu, sehr langsam und traurig, Folgendes: &mdash;</p>
+
+<div class="poem"><div class="stanza">
+<span class="i0">Zu der Schnecke sprach ein Wei&szlig;fisch: &raquo;Kannst du denn nicht schneller gehn?<br /></span>
+<span class="i0">Siehst du denn nicht die Schildkr&ouml;ten und die Hummer alle stehn?<br /></span>
+<span class="i0">Hinter uns da kommt ein Meerschwein, und es tritt mir auf den Schwanz;<br /></span>
+<span class="i0">Und sie warten an dem Strande, da&szlig; wir kommen zu dem Tanz.<br /></span>
+<span class="i0">Willst du denn nicht, willst du denn nicht, willst du kommen zu dem Tanz?<br /></span>
+<span class="i0">Willst du denn nicht, willst du denn nicht, willst du kommen zu dem Tanz?&laquo;<br /></span>
+<a class="page" name="Page_141" id ="Page_141" title="141"></a></div><div class="stanza">
+<span class="i0">&raquo;Nein, du kannst es nicht ermessen, wie so herrlich es wird sein,<br /></span>
+<span class="i0">Nehmen sie uns mit den Hummern, werfen uns in's Meer hinein!&laquo;<br /></span>
+<span class="i0">Doch die Schnecke th&auml;t nicht trauen. &raquo;Das gef&auml;llt mir doch nicht ganz!<br /></span>
+<span class="i0">Viel zu weit, zu weit! ich danke &mdash; gehe nicht mit euch zum Tanz!<br /></span>
+<span class="i0">Nein, ich kann, ich mag, ich will nicht, kann nicht kommen zu dem Tanz!<br /></span>
+<span class="i0">Nein, ich kann, ich mag, ich will nicht, mag nicht kommen zu dem Tanz!&laquo;<br /></span>
+</div><div class="stanza">
+<span class="i0">Und der Wei&szlig;fisch sprach dagegen: &raquo;'s kommt ja nicht drauf an, wie weit!<br /></span>
+<span class="i0">Ist doch wohl ein andres Ufer, dr&uuml;ben auf der andern Seit'!<br /></span>
+<span class="i0">Und noch viele sch&ouml;ne K&uuml;sten giebt es au&szlig;er Engelland's;<br /></span>
+<span class="i0">Nur nicht bl&ouml;de, liebe Schnecke, komm' geschwind mit mir zum Tanz!<br /></span>
+<span class="i0">Willst du denn nicht, willst du denn nicht, willst du kommen zu dem Tanz?<br /></span>
+<span class="i0">Willst du denn nicht, willst du denn nicht, willst nicht kommen zu dem Tanz?&laquo;<br /></span>
+</div></div>
+
+<p>&raquo;Danke sehr, es ist sehr, sehr interessant, diesem Tanze zuzusehen,&laquo;
+sagte Alice, obgleich sie sich freute,<a class="page" name="Page_142" id ="Page_142" title="142"></a> da&szlig; er endlich vor&uuml;ber war; &raquo;und
+das komische Lied von dem Wei&szlig;fisch gef&auml;llt mir so!&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Oh, was die Wei&szlig;fische anbelangt,&laquo; sagte die falsche Schildkr&ouml;te, &raquo;die
+&mdash; du hast sie doch gesehen?&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Ja,&laquo; sagte Alice, &raquo;ich habe sie oft gesehen, bei'm Mitt &mdash;&laquo; sie hielt
+schnell inne.</p>
+
+<p>&raquo;Ich wei&szlig; nicht, wer Mitt sein mag,&laquo; sagte die falsche Schildkr&ouml;te,
+&raquo;aber da du sie so oft gesehen hast, so wei&szlig;t du nat&uuml;rlich, wie sie
+aussehen?&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Ja, ich glaube,&laquo; sagte Alice nachdenklich, &raquo;sie haben den Schwanz im
+Maule, &mdash; und sind ganz mit geriebener Semmel bestreut.&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Die geriebene Semmel ist ein Irrthum,&laquo; sagte die falsche Schildkr&ouml;te;
+&raquo;sie w&uuml;rde in der See bald abgesp&uuml;lt werden. Aber den Schwanz haben sie
+im Maule, und der Grund ist&laquo; &mdash; hier g&auml;hnte die falsche Schildkr&ouml;te und
+machte die Augen zu. &mdash; &raquo;Sage ihr Alles das von dem Grunde,&laquo; sprach sie
+zum Greifen.</p>
+
+<p>&raquo;Der Grund ist,&laquo; sagte der Greif, &raquo;da&szlig; sie durchaus im Hummerballet
+mittanzen wollten. So wurden sie denn in die See hinein geworfen. So
+mu&szlig;ten sie denn sehr weit fallen. So kamen ihnen denn die Schw&auml;nze in<a class="page" name="Page_143" id ="Page_143" title="143"></a>
+die M&auml;uler. So konnten sie sie denn nicht wieder heraus bekommen. So ist
+es.&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Danke dir,&laquo; sagte Alice, &raquo;es ist sehr interessant. Ich habe nie so viel
+vom Wei&szlig;fisch zu h&ouml;ren bekommen.&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Ich kann dir noch mehr &uuml;ber ihn sagen, wenn du willst,&laquo; sagte der
+Greif, &raquo;wei&szlig;t du, warum er Wei&szlig;fisch hei&szlig;t?&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Ich habe dar&uuml;ber noch nicht nachgedacht,&laquo; sagte Alice. &raquo;Warum?&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Darum eben,&laquo; sagte der Greif mit tiefer, feierlicher Stimme, &raquo;weil man
+so wenig von ihm <em class="gesperrt">wei&szlig;</em>. Nun aber mu&szlig;t du uns auch etwas von deinen
+Abenteuern erz&auml;hlen.&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Ich k&ouml;nnte euch meine Erlebnisse von heute fr&uuml;h an erz&auml;hlen,&laquo; sagte
+Alice versch&auml;mt, &raquo;aber bis gestern zur&uuml;ck zu gehen, w&auml;re ganz unn&uuml;tz,
+weil ich da jemand Anderes war.&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Erkl&auml;re das deutlich,&laquo; sagte die falsche Schildkr&ouml;te.</p>
+
+<p>&raquo;Nein, die Erlebnisse erst,&laquo; sagte der Greif in ungeduldigem Tone,
+&raquo;Erkl&auml;rungen nehmen so schrecklich viel Zeit fort.&laquo;</p>
+
+<p>Alice fing also an, ihnen ihre Abenteuer von da an zu erz&auml;hlen, wo sie
+das wei&szlig;e Kaninchen zuerst gesehen hatte. Im Anfange war sie etwas
+&auml;ngstlich,<a class="page" name="Page_144" id ="Page_144" title="144"></a> die beiden Thiere kamen ihr so nah, eins auf jeder Seite,
+und sperrten Augen und Mund so <em class="gesperrt">weit</em> auf; aber nach und nach wurde sie
+dreister. Ihre Zuh&ouml;rer waren ganz ruhig, bis sie an die Stelle kam, wo
+sie der Raupe 'Ihr seid alt, Vater Martin' hergesagt hatte, und wo
+lauter andere Worte gekommen waren, da holte die falsche Schildkr&ouml;te
+tief Athem und sagte: &raquo;das ist sehr merkw&uuml;rdig.&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Es ist Alles so merkw&uuml;rdig, wie nur m&ouml;glich,&laquo; sagte der Greif.</p>
+
+<p>&raquo;Es kam ganz verschieden!&laquo; wiederholte die falsche Schildkr&ouml;te
+gedankenvoll. &raquo;Ich m&ouml;chte sie wohl etwas hersagen h&ouml;ren. Sage ihr, da&szlig;
+sie anfangen soll.&laquo; Sie sah den Greifen an, als ob sie d&auml;chte, da&szlig; er
+einigen Einflu&szlig; auf Alice habe.</p>
+
+<p>&raquo;Steh' auf und sage her: 'Preisend mit viel sch&ouml;nen Reden',&laquo; sagte der
+Greif.</p>
+
+<p>&raquo;Wie die Gesch&ouml;pfe alle Einen kommandiren und Gedichte aufsagen lassen!&laquo;
+dachte Alice, &raquo;daf&uuml;r k&ouml;nnte ich auch lieber gleich in der Schule sein.&laquo;
+Sie stand jedoch auf und fing an, das Gedicht herzusagen; aber ihr Kopf
+war so voll von dem Hummerballet, da&szlig; sie kaum wu&szlig;te, was sie sagte, und
+die Worte kamen sehr sonderbar: &mdash;</p>
+
+<div class="figcenter" style="width: 311px;"><a class="page" name="Page_145" id ="Page_145" title="145"></a>
+<img src="images/p145.png" width="311" height="500" alt="" title="" />
+</div>
+
+<div class="poem"><div class="stanza">
+<span class="i0">&raquo;Preisend mit viel sch&ouml;nen Kniffen seiner Scheeren Werth und Zahl,<br /></span>
+<span class="i0">Stand der Hummer vor dem Spiegel in der sch&ouml;nen rothen Schal'!<br /></span>
+<span class="i0">&raquo;Herrlich,&laquo; sprach der F&uuml;rst der Krebse, &raquo;steht mir dieser lange Bart!&laquo;<br /></span>
+<span class="i0">R&uuml;ckt die F&uuml;&szlig;e mit der Nase ausw&auml;rts, als er dieses sagt.&laquo;<br /></span>
+<a class="page" name="Page_146" id ="Page_146" title="146"></a></div></div>
+
+<p>&raquo;Das ist anders, als ich's als Kind gesagt habe,&laquo; sagte der Greif.</p>
+
+<p>&raquo;Ich habe es zwar noch niemals geh&ouml;rt,&laquo; sagte die falsche Schildkr&ouml;te;
+&raquo;aber es klingt wie bl&uuml;hender Unsinn.&laquo;</p>
+
+<p>Alice erwiederte nichts; sie setzte sich, bedeckte das Gesicht mit
+beiden H&auml;nden und &uuml;berlegte, ob wohl <em class="gesperrt">je</em> wieder irgend etwas nat&uuml;rlich
+sein w&uuml;rde.</p>
+
+<p>&raquo;Ich m&ouml;chte es gern erkl&auml;rt haben,&laquo; sagte die falsche Schildkr&ouml;te.</p>
+
+<p>&raquo;Sie kann's nicht erkl&auml;ren,&laquo; warf der Greif schnell ein. &raquo;Sage den
+n&auml;chsten Vers.&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Aber das von den F&uuml;&szlig;en?&laquo; fragte die falsche Schildkr&ouml;te wieder. &raquo;Wie
+kann er sie mit der Nase ausw&auml;rts r&uuml;cken?&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Es ist die erste Position bei'm Tanzen,&laquo; sagte Alice; aber sie war &uuml;ber
+Alles dies entsetzlich verwirrt und h&auml;tte am liebsten aufgeh&ouml;rt.</p>
+
+<p>&raquo;Sage den n&auml;chsten Vers!&laquo; wiederholte der Greif ungeduldig, &raquo;er f&auml;ngt
+an: 'Seht mein Land!'&laquo;</p>
+
+<p>Alice wagte nicht, es abzuschlagen, obgleich sie &uuml;berzeugt war, es w&uuml;rde
+Alles falsch kommen, sie fuhr also mit zitternder Stimme fort: &mdash;</p>
+
+<div class="poem"><div class="stanza"><a class="page" name="Page_147" id ="Page_147" title="147"></a>
+<span class="i0">&raquo;Seht mein Land und gr&uuml;ne Fluten,&laquo; sprach ein fetter Lachs vom Rhein;<br /></span>
+<span class="i0">Goldne Schuppen meine R&uuml;stung, und mit Austern trink' ich Wein.&laquo;<br /></span>
+</div></div>
+
+<p>&raquo;Wozu sollen wir das dumme Zeug mit anh&ouml;ren,&laquo; unterbrach sie die falsche
+Schildkr&ouml;te, &raquo;wenn sie es nicht auch erkl&auml;ren kann? Es ist das
+verworrenste Zeug, das ich je geh&ouml;rt habe!&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Ja, ich glaube auch, es ist besser du h&ouml;rst auf,&laquo; sagte der Greif, und
+Alice gehorchte nur zu gern.</p>
+
+<p>&raquo;Sollen wir noch eine Figur von dem Hummerballet versuchen?&laquo; fuhr der
+Greif fort. &raquo;Oder m&ouml;chtest du lieber, da&szlig; die falsche Schildkr&ouml;te dir
+ein Lied vorsingt?&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Oh, ein Lied! bitte, wenn die falsche Schildkr&ouml;te so gut sein will,&laquo;
+antwortete Alice mit solchem Eifer, da&szlig; der Greif etwas beleidigt sagte:
+&raquo;Hm! der Geschmack ist verschieden! Singe ihr vor 'Schildkr&ouml;tensuppe',
+h&ouml;rst du, alte Tante?&laquo;</p>
+
+<p>Die falsche Schildkr&ouml;te seufzte tief auf und fing an, mit halb von
+Schluchzen erstickter Stimme, so zu singen: <a class="page" name="Page_148" id ="Page_148" title="148"></a>&mdash;</p>
+
+<div class="poem"><div class="stanza">
+<span class="i0">&raquo;Sch&ouml;ne Suppe, so schwer und so gr&uuml;n,<br /></span>
+<span class="i0">Dampfend in der hei&szlig;en Terrin'!<br /></span>
+<span class="i0">Wem nach einem so sch&ouml;nen Gericht<br /></span>
+<span class="i0">W&auml;sserte denn der Mund wohl nicht?<br /></span>
+<span class="i0">K&ouml;n'gin der Suppen, du sch&ouml;nste Supp'!<br /></span>
+<span class="i0">K&ouml;n'gin der Suppen, du sch&ouml;nste Supp'!<br /></span>
+<span class="i2">Wu &mdash; undersch&ouml;ne Su &mdash; uppe!<br /></span>
+<span class="i2">Wu &mdash; undersch&ouml;ne Su &mdash; uppe!<br /></span>
+<span class="i2">K&ouml; &mdash; &ouml;nigin der Su &mdash; uppen,<br /></span>
+<span class="i2">Wunder-wundersch&ouml;ne Supp'!<br /></span>
+</div><div class="stanza">
+<span class="i0">Sch&ouml;ne Suppe, wer fragt noch nach Fisch,<br /></span>
+<span class="i0">Wildpret oder was sonst auf dem Tisch?<br /></span>
+<span class="i0">Alles lassen wir stehen zu p<br /></span>
+<span class="i0">Reisen allein die wundersch&ouml;ne Supp',<br /></span>
+<span class="i0">Preisen allein die wundersch&ouml;ne Supp'!<br /></span>
+<span class="i2">Wu &mdash; undersch&ouml;ne Su &mdash; uppe!<br /></span>
+<span class="i2">Wu &mdash; undersch&ouml;ne Su &mdash; uppe!<br /></span>
+<span class="i2">K&ouml; &mdash; &ouml;nigin der Su &mdash; uppen,<br /></span>
+<span class="i2">Wunder-wundersch&ouml;ne Supp'!<br /></span>
+</div></div>
+
+<p>&raquo;Den Chor noch einmal!&laquo; rief der Greif, und die falsche Schildkr&ouml;te
+hatte ihn eben wieder angefangen, als ein Ruf: &raquo;Das Verh&ouml;r f&auml;ngt an!&laquo; in
+der Ferne erscholl.</p>
+
+<p><a class="page" name="Page_149" id ="Page_149" title="149"></a>&raquo;Komm schnell!&laquo; rief der Greif, und Alice bei der Hand nehmend lief er
+fort, ohne auf das Ende des Gesanges zu warten.</p>
+
+<p>&raquo;Was f&uuml;r ein Verh&ouml;r?&laquo; keuchte Alice bei'm Rennen; aber der Greif
+antwortete nichts als: &raquo;Komm schnell!&laquo; und rannte weiter, w&auml;hrend
+schw&auml;cher und schw&auml;cher, vom Winde getragen, die Worte ihnen folgten: &mdash;</p>
+
+<div class="poem"><div class="stanza">
+<span class="i0">&raquo;K&ouml; &mdash; &ouml;nigin der Su &mdash; uppen,<br /></span>
+<span class="i0">Wunder-wundersch&ouml;ne Supp'!&laquo;<br /></span>
+</div></div>
+
+
+
+<hr style="width: 65%;" />
+<h2><a class="page" name="Page_150" id ="Page_150" title="150"></a><a name="Elftes_Kapitel" id="Elftes_Kapitel"></a><a href="#Inhalt">Elftes Kapitel.</a></h2>
+
+<h2>Wer hat die Kuchen gestohlen?</h2>
+
+
+<p>Der K&ouml;nig und die K&ouml;nigin der Herzen sa&szlig;en auf ihrem Throne, als sie
+ankamen, und eine gro&szlig;e Menge war um sie versammelt &mdash; allerlei kleine
+V&ouml;gel und Thiere, au&szlig;erdem das ganze Pack Karten: der Bube stand vor
+ihnen, in Ketten, einen Soldaten an jeder Seite, um ihn zu bewachen;
+dicht bei dem K&ouml;nige befand sich das wei&szlig;e Kaninchen, eine Trompete in
+einer Hand, in der andern eine Pergamentrolle. Im Mittelpunkte des
+Gerichtshofes stand ein Tisch mit einer Sch&uuml;ssel voll Torten: sie sahen
+so appetitlich aus, da&szlig; der blo&szlig;e Anblick Alice ganz hungrig darauf
+machte. &mdash; &raquo;Ich w&uuml;nschte, sie machten schnell mit dem Verh&ouml;r und
+reichten die Erfrischungen herum.&laquo; Aber dazu schien wenig Aus<a class="page" name="Page_151" id ="Page_151" title="151"></a>sicht zu
+sein, so da&szlig; sie anfing, Alles genau in Augenschein zu nehmen, um sich
+die Zeit zu vertreiben.</p>
+
+<p>Alice war noch nie in einem Gerichtshofe gewesen, aber sie hatte in
+ihren B&uuml;chern davon gelesen und bildete sich etwas Rechtes darauf ein,
+da&szlig; sie Alles, was sie dort sah, bei Namen zu nennen wu&szlig;te. &raquo;Das ist der
+Richter,&laquo; sagte sie f&uuml;r sich, &raquo;wegen seiner gro&szlig;en Perr&uuml;cke.&laquo;</p>
+
+<p>Der Richter war &uuml;brigens der K&ouml;nig, und er trug die Krone &uuml;ber der
+Per&uuml;cke (seht euch das Titelbild an, wenn ihr wissen wollt, wie), es sah
+nicht aus, als sei es ihm bequem, und sicherlich stand es ihm nicht gut.</p>
+
+<p>&raquo;Und jene zw&ouml;lf kleinen Thiere da sind vermuthlich die Geschwornen,&laquo;
+dachte Alice. Sie wiederholte sich selbst dies Wort zwei bis drei Mal,
+weil sie so stolz darauf war; denn sie glaubte, und das mit Recht, da&szlig;
+wenig kleine M&auml;dchen ihres Alters &uuml;berhaupt etwas von diesen Sachen
+wissen w&uuml;rden.</p>
+
+<p>Die zw&ouml;lf Geschwornen schrieben alle sehr eifrig auf Schiefertafeln.
+&raquo;Was thun sie?&laquo; fragte Alice den Greifen in's Ohr. &raquo;Sie k&ouml;nnen ja noch
+nichts aufzuschreiben haben, ehe das Verh&ouml;r beginnt.&laquo;</p>
+
+<p><a class="page" name="Page_152" id ="Page_152" title="152"></a>&raquo;Sie schreiben ihre Namen auf,&laquo; sagte ihr der Greif in's Ohr, &raquo;weil sie
+bange sind, sie zu vergessen, ehe das Verh&ouml;r zu Ende ist.&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Dumme Dinger!&laquo; fing Alice entr&uuml;stet ganz laut an; aber sie hielt
+augenblicklich inne, denn das wei&szlig;e Kaninchen rief aus: &raquo;Ruhe im Saal!&laquo;
+und der K&ouml;nig setzte seine Brille auf und blickte sp&auml;hend umher, um zu
+sehen, wer da gesprochen habe.</p>
+
+<p>Alice konnte ganz deutlich sehen, da&szlig; alle Geschworne &raquo;dumme Dinger!&laquo;
+auf ihre Tafeln schrieben, und sie merkte auch, da&szlig; Einer von ihnen
+nicht wu&szlig;te, wie es geschrieben wird, und seinen Nachbar fragen mu&szlig;te.
+&raquo;<em class="gesperrt">Die</em> Tafeln werden in einem sch&ouml;nen Zustande sein, wenn das Verh&ouml;r
+vor&uuml;ber ist!&laquo; dachte Alice.</p>
+
+<p>Einer der Geschwornen hatte einen Tafelstein, der quiekste. Das konnte
+Alice nat&uuml;rlich nicht aushalten, sie ging auf die andere Seite des
+Saales, gelangte dicht hinter ihn und fand sehr bald eine Gelegenheit,
+den Tafelstein fortzunehmen. Sie hatte es so schnell gethan, da&szlig; der
+arme kleine Geschworne (es war Wabbel), durchaus nicht begreifen konnte,
+wo sein Griffel hingekommen war; nachdem er ihn also &uuml;berall gesucht
+hatte, mu&szlig;te er sich endlich entschlie&szlig;en, mit einem<a class="page" name="Page_153" id ="Page_153" title="153"></a> Finger zu
+schreiben, und das war von sehr geringem Nutzen, da es keine Spuren auf
+der Tafel zur&uuml;cklie&szlig;.</p>
+
+<div class="figcenter" style="width: 350px;">
+<img src="images/p153.png" width="350" height="500" alt="" title="" />
+</div>
+
+<p>&raquo;Herold, verlies die Anklage!&laquo; sagte der K&ouml;nig.</p>
+
+<p>Da blies das wei&szlig;e Kaninchen drei Mal in die Trompete, entfaltete darauf
+die Pergamentrolle und las wie folgt: &mdash;</p>
+
+<div class="poem"><div class="stanza">
+<span class="i0">&raquo;Coeur-K&ouml;nigin, sie buk Kuchen,<br /></span>
+<span class="i0">Juchheisasah, juchhe!<br /></span>
+<span class="i0">Coeur-Bube kam, die Kuchen nahm.<br /></span>
+<span class="i0">Wo sind sie nun? O weh!&laquo;<br /></span>
+<a class="page" name="Page_154" id ="Page_154" title="154"></a></div></div>
+
+<p>&raquo;Gebt euer Urtheil ab!&laquo; sprach der K&ouml;nig zu den Geschwornen.</p>
+
+<p>&raquo;Noch nicht, noch nicht!&laquo; unterbrach ihn das Kaninchen schnell. &raquo;Da
+kommt noch Vielerlei erst.&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;La&szlig;t den ersten Zeugen eintreten!&laquo; sagte der K&ouml;nig, worauf das
+Kaninchen drei Mal in die Trompete blies und ausrief: &raquo;Erster Zeuge!&laquo;</p>
+
+<p>Der erste Zeuge war der Hutmacher. Er kam herein, eine Tasse in einer
+Hand und in der andern ein St&uuml;ck Butterbrot haltend. &raquo;Ich bitte um
+Verzeihung, Eure Majest&auml;t, da&szlig; ich das mitbringe; aber ich war nicht
+ganz fertig mit meinem Thee, als nach mir geschickt wurde.&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Du h&auml;ttest aber damit fertig sein sollen,&laquo; sagte der K&ouml;nig. &raquo;Wann hast
+du damit angefangen?&laquo;</p>
+
+<p>Der Hutmacher sah den Faselhasen an, der ihm in den Gerichtssaal gefolgt
+war, Arm in Arm mit dem Murmelthier. &raquo;Vierzehnten M&auml;rz, glaube ich war
+es,&laquo; sagte er.</p>
+
+<p>&raquo;Funfzehnten,&laquo; sagte der Faselhase.</p>
+
+<p>&raquo;Sechzehnten,&laquo; f&uuml;gte das Murmelthier hinzu.</p>
+
+<p>&raquo;Nehmt das zu Protokoll,&laquo; sagte der K&ouml;nig zu den Geschwornen, und die
+Geschwornen schrieben eifrig die<a class="page" name="Page_155" id ="Page_155" title="155"></a> drei Daten auf ihre Tafeln, addirten
+sie dann und machten die Summe zu Groschen und Pfennigen.</p>
+
+<p>&raquo;Nimm deinen Hut ab,&laquo; sagte der K&ouml;nig zum Hutmacher.</p>
+
+<p>&raquo;Es ist nicht meiner,&laquo; sagte der Hutmacher.</p>
+
+<p>&raquo;Gestohlen!&laquo; rief der K&ouml;nig zu den Geschwornen gewendet aus, welche
+sogleich die Thatsache notirten.</p>
+
+<p>&raquo;Ich halte sie zum Verkauf,&laquo; f&uuml;gte der Hutmacher als Erkl&auml;rung hinzu,
+&raquo;ich habe keinen eigenen. Ich bin ein Hutmacher.&laquo;</p>
+
+<p>Da setzte sich die K&ouml;nigin die Brille auf und fing an, den Hutmacher
+scharf zu beobachten, was ihn sehr bla&szlig; und unruhig machte.</p>
+
+<p>&raquo;Gieb du deine Aussage,&laquo; sprach der K&ouml;nig, &raquo;und sei nicht &auml;ngstlich,
+oder ich lasse dich auf der Stelle h&auml;ngen.&laquo;</p>
+
+<p>Dies beruhigte den Zeugen augenscheinlich nicht; er stand abwechselnd
+auf dem linken und rechten Fu&szlig;e, sah die K&ouml;nigin mit gro&szlig;em Unbehagen
+an, und in seiner Befangenheit bi&szlig; er ein gro&szlig;es St&uuml;ck aus seiner
+Theetasse statt aus seinem Butterbrot.</p>
+
+<p>Gerade in diesem Augenblick sp&uuml;rte Alice eine seltsame Empfindung, die
+sie sich durchaus nicht erkl&auml;ren<a class="page" name="Page_156" id ="Page_156" title="156"></a> konnte, bis sie endlich merkte, was es
+war: sie fing wieder an zu wachsen, und sie wollte sogleich aufstehen
+und den Gerichtshof verlassen; aber nach weiterer Ueberlegung beschlo&szlig;
+sie zu bleiben, wo sie war, so lange sie Platz genug hatte.</p>
+
+<p>&raquo;Du brauchtest mich wirklich nicht so zu dr&auml;ngen,&laquo; sagte das
+Murmelthier, welches neben ihr sa&szlig;. &raquo;Ich kann kaum athmen.&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Ich kann nicht daf&uuml;r,&laquo; sagte Alice bescheiden, &raquo;ich wachse.&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Du hast kein Recht dazu, hier zu wachsen,&laquo; sagte das Murmelthier.</p>
+
+<p>&raquo;Rede nicht solchen Unsinn,&laquo; sagte Alice dreister; &raquo;du wei&szlig;t recht gut,
+da&szlig; du auch w&auml;chst.&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Ja, aber ich wachse in vern&uuml;nftigem Ma&szlig;stabe,&laquo; sagte das Murmelthier,
+&raquo;nicht auf so l&auml;cherliche Art.&laquo; Dabei stand es verdrie&szlig;lich auf und ging
+an die andere Seite des Saales.</p>
+
+<p>Die ganze Zeit &uuml;ber hatte die K&ouml;nigin unabl&auml;ssig den Hutmacher
+angestarrt, und gerade als das Murmelthier durch den Saal ging, sprach
+sie zu einem der Gerichtsbeamten: &raquo;Bringe mir die Liste der S&auml;nger im<a class="page" name="Page_157" id ="Page_157" title="157"></a>
+letzten Concerte!&laquo; worauf der ungl&uuml;ckliche Hutmacher so zitterte, da&szlig;
+ihm beide Schuhe abflogen.</p>
+
+<div class="figcenter" style="width: 353px;">
+<img src="images/p157.png" width="353" height="500" alt="" title="" />
+</div>
+
+<p>&raquo;Gieb deine Aussage,&laquo; wiederholte der K&ouml;nig &auml;rgerlich, &raquo;oder ich werde
+dich hinrichten lassen, ob du dich &auml;ngstigst oder nicht.&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Ich bin ein armer Mann, Eure Majest&auml;t,&laquo; begann der Hutmacher mit
+zitternder Stimme, &raquo;und ich hatte eben erst meinen Thee angefangen &mdash;
+nicht l&auml;nger als eine Woche ungef&auml;hr &mdash; und da die Butterbrote so d&uuml;nn
+wurden &mdash; und es Teller und T&ouml;pfe in den Thee schneite.&laquo;</p>
+
+<p><a class="page" name="Page_158" id ="Page_158" title="158"></a>&raquo;Teller und T&ouml;pfe &mdash; was?&laquo; fragte der K&ouml;nig.</p>
+
+<p>&raquo;Es fing mit dem Thee an,&laquo; erwiederte der Hutmacher.</p>
+
+<p>&raquo;Nat&uuml;rlich fangen Teller und T&ouml;pfe mit einem T an. H&auml;ltst du mich f&uuml;r
+einen Esel? Rede weiter!&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Ich bin ein armer Mann,&laquo; fuhr der Hutmacher fort, &raquo;und seitdem schneite
+Alles &mdash; der Faselhase sagte nur &mdash;&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Nein, ich hab's nicht gesagt!&laquo; unterbrach ihn der Faselhase schnell.</p>
+
+<p>&raquo;Du hast's wohl gesagt!&laquo; rief der Hutmacher.</p>
+
+<p>&raquo;Ich l&auml;ugne es!&laquo; sagte der Faselhase.</p>
+
+<p>&raquo;Er l&auml;ugnet es!&laquo; sagte der K&ouml;nig: &raquo;la&szlig;t den Theil der Aussage fort.&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Gut, auf jeden Fall hat's das Murmelthier gesagt &mdash;&laquo; fuhr der Hutmacher
+fort, indem er sich &auml;ngstlich umsah, ob es auch l&auml;ugnen w&uuml;rde; aber das
+Murmelthier l&auml;ugnete nichts, denn es war fest eingeschlafen. &raquo;Dann,&laquo;
+sprach der Hutmacher weiter, &raquo;schnitt ich noch etwas Butterbrot &mdash;&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Aber <em class="gesperrt">was</em> hat das Murmelthier gesagt?&laquo; fragte einer der Geschwornen.</p>
+
+<p>&raquo;Das ist mir ganz entfallen,&laquo; sagte der Hutmacher.</p>
+
+<p><a class="page" name="Page_159" id ="Page_159" title="159"></a>&raquo;Aber es <em class="gesperrt">mu&szlig;</em> dir wieder einfallen,&laquo; sagte der K&ouml;nig, &raquo;sonst lasse ich
+dich k&ouml;pfen.&laquo;</p>
+
+<p>Der ungl&uuml;ckliche Hutmacher lie&szlig; Tasse und Butterbrot fallen und lie&szlig;
+sich auf ein Knie nieder. &raquo;Ich bin ein armseliger Mann, Eure Majest&auml;t,&laquo;
+fing er an.</p>
+
+<p>&raquo;Du bist ein <em class="gesperrt">sehr</em> armseliger Redner,&laquo; sagte der K&ouml;nig.</p>
+
+<p>Hier klatschte eins der Meerschweinchen Beifall, was sofort von den
+Gerichtsdienern unterdr&uuml;ckt wurde. (Da dies ein etwas schweres Wort ist,
+so will ich beschreiben, wie es gemacht wurde. Es war ein gro&szlig;er
+Leinwandsack bei der Hand, mit Schn&uuml;ren zum Zusammenziehen: da hinein
+wurde das Meerschweinchen gesteckt, den Kopf nach unten, und dann sa&szlig;en
+sie darauf.)</p>
+
+<p>&raquo;Es ist mir lieb, da&szlig; ich das gesehen habe,&laquo; dachte Alice, &raquo;ich habe so
+oft in der Zeitung am Ende eines Verh&ouml;rs gelesen: 'Das Publikum fing an,
+Beifall zu klatschen, was aber sofort von den Gerichtsdienern
+unterdr&uuml;ckt wurde,' und ich konnte bis jetzt nie verstehen, was es
+bedeutete.&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Wenn dies Alles ist, was du zu sagen wei&szlig;t, so kannst du abtreten,&laquo;
+fuhr der K&ouml;nig fort.</p>
+
+<p>&raquo;Ich kann nichts mehr abtreten,&laquo; sagte der Hutmacher: &raquo;ich stehe so
+schon auf den Str&uuml;mpfen.&laquo;</p>
+
+<p><a class="page" name="Page_160" id ="Page_160" title="160"></a>&raquo;Dann kannst du <em class="gesperrt">abwarten</em>, bis du wieder gefragt wirst,&laquo; erwiederte der
+K&ouml;nig.</p>
+
+<p>Hier klatschte das zweite Meerschweinchen und wurde unterdr&uuml;ckt.</p>
+
+<p>&raquo;Ha, nun sind die Meerschweinchen besorgt,&laquo; dachte Alice, &raquo;nun wird es
+besser vorw&auml;rts gehen.&laquo;</p>
+
+<div class="figcenter" style="width: 500px;">
+<img src="images/p160.png" width="500" height="407" alt="" title="" />
+</div>
+
+<p>&raquo;Ich m&ouml;chte lieber zu meinem Thee zur&uuml;ckgehen,&laquo; sagte der Hutmacher mit
+einem &auml;ngstlichen Blicke auf die K&ouml;nigin, welche die Liste der S&auml;nger
+durchlas.</p>
+
+<p>&raquo;Du kannst gehen,&laquo; sagte der K&ouml;nig, worauf der Hutmacher eilig den
+Gerichtssaal verlie&szlig;, ohne sich einmal Zeit zu nehmen, seine Schuhe
+anzuziehen.</p>
+
+<p><a class="page" name="Page_161" id ="Page_161" title="161"></a>&raquo;&mdash; und drau&szlig;en schneidet ihm doch den Kopf ab,&laquo; f&uuml;gte die K&ouml;nigin zu
+einem der Beamten gewandt hinzu; aber der Hutmacher war nicht mehr zu
+sehen, als der Beamte die Th&uuml;r erreichte.</p>
+
+<p>&raquo;Ruft den n&auml;chsten Zeugen!&laquo; sagte der K&ouml;nig.</p>
+
+<p>Der n&auml;chste Zeuge war die K&ouml;chin der Herzogin. Sie trug die
+Pfefferb&uuml;chse in der Hand, und Alice errieth, schon ehe sie in den Saal
+trat, wer es sei, weil alle Leute in der N&auml;he der Th&uuml;r mit einem Male
+anfingen zu niesen.</p>
+
+<p>&raquo;Gieb deine Aussage,&laquo; sagte der K&ouml;nig.</p>
+
+<p>&raquo;Ne!&laquo; antwortete die K&ouml;chin.</p>
+
+<p>Der K&ouml;nig sah &auml;ngstlich das wei&szlig;e Kaninchen an, welches leise sprach:
+&raquo;Eure Majest&auml;t m&uuml;ssen diesen Zeugen einem Kreuzverh&ouml;r unterwerfen.&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Wohl, wenn ich mu&szlig;, mu&szlig; ich,&laquo; sagte der K&ouml;nig tr&uuml;bsinnig, und nachdem
+er die Arme gekreuzt und die Augenbraunen so fest zusammengezogen hatte,
+da&szlig; seine Augen kaum mehr zu sehen waren, sagte er mit tiefer Stimme:
+&raquo;Wovon macht man kleine Kuchen?&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Pfeffer, haupts&auml;chlich,&laquo; sagte die K&ouml;chin.</p>
+
+<p>&raquo;Syrup,&laquo; sagte eine schl&auml;frige Stimme hinter ihr.</p>
+
+<p>&raquo;Nehmt dieses Murmelthier fest!&laquo; heulte die K&ouml;nigin.<a class="page" name="Page_162" id ="Page_162" title="162"></a> &raquo;K&ouml;pft dieses
+Murmelthier! Schafft dieses Murmelthier aus dem Saale! Unterdr&uuml;ckt es!
+Kneift es! Brennt ihm den Bart ab!&laquo;</p>
+
+<p>Einige Minuten lang war das ganze Gericht in Bewegung, um das
+Murmelthier fortzuschaffen; und als endlich Alles wieder zur Ruhe
+gekommen war, war die K&ouml;chin verschwunden.</p>
+
+<p>&raquo;Schadet nichts!&laquo; sagte der K&ouml;nig und sah aus, als falle ihm ein Stein
+vom Herzen. &raquo;Ruft den n&auml;chsten Zeugen.&laquo; Und zu der K&ouml;nigin gewandt,
+f&uuml;gte er leise hinzu: &raquo;Wirklich, meine Liebe, du mu&szlig;t das n&auml;chste
+Kreuzverh&ouml;r &uuml;bernehmen, meine Arme sind schon ganz lahm.&laquo;</p>
+
+<p>Alice beobachtete das wei&szlig;e Kaninchen, das die Liste durchsuchte, da sie
+sehr neugierig war, wer wohl der n&auml;chste Zeuge sein m&ouml;chte, &mdash; &raquo;denn sie
+haben noch nicht viel Beweise,&laquo; sagte sie f&uuml;r sich. Denkt euch ihre
+Ueberraschung, als das wei&szlig;e Kaninchen mit seiner h&ouml;chsten Kopfstimme
+vorlas: &raquo;Alice!&laquo;</p>
+
+
+
+<hr style="width: 65%;" />
+<h2><a class="page" name="Page_163" id ="Page_163" title="163"></a><a name="Zwolftes_Kapitel" id="Zwolftes_Kapitel"></a><a href="#Inhalt">Zw&ouml;lftes Kapitel.</a></h2>
+
+<h2>Alice ist die Kl&uuml;gste.</h2>
+
+
+<p>&raquo;Hier!&laquo; rief Alice, in der augenblicklichen Erregung ganz vergessend,
+wie sehr sie die letzten Minuten gewachsen war; sie sprang in solcher
+Eile auf, da&szlig; sie mit ihrem Rock das Pult vor sich umstie&szlig;, so da&szlig; alle
+Geschworne auf die K&ouml;pfe der darunter sitzenden Versammlung fielen. Da
+lagen sie unbeh&uuml;lflich umher und erinnerten sie sehr an ein Glas mit
+Goldfischen, das sie die Woche vorher aus Versehen umgesto&szlig;en hatte.</p>
+
+<p>&raquo;Oh, ich <em class="gesperrt">bitte</em> um Verzeihung,&laquo; rief sie mit sehr best&uuml;rztem Tone, und
+fing an, sie so schnell wie m&ouml;glich aufzunehmen; denn der Unfall mit den
+Goldfischen lag ihr noch im Sinne, und sie hatte eine unbestimmte Art
+Vorstellung, als ob sie gleich gesammelt und wieder in ihr Pult gethan
+werden m&uuml;&szlig;ten, sonst w&uuml;rden sie sterben.</p>
+
+<div class="figcenter" style="width: 405px;"><a class="page" name="Page_164" id ="Page_164" title="164"></a>
+<img src="images/p164.png" width="405" height="500" alt="" title="" />
+</div>
+
+<p>&raquo;Das Verh&ouml;r kann nicht fortgesetzt werden,&laquo; sagte der K&ouml;nig sehr ernst,
+&raquo;bis alle Geschworne wieder an ihrem rechten Platze sind &mdash; <em class="gesperrt">alle</em>,&laquo;
+wiederholte er mit gro&szlig;em Nachdrucke, und sah dabei Alice fest an.</p>
+
+<p><a class="page" name="Page_165" id ="Page_165" title="165"></a>Alice sah sich nach dem Pulte um und bemerkte, da&szlig; sie in der Eile die
+Eidechse kopfunten hineingestellt hatte, und das arme kleine Ding
+bewegte den Schwanz tr&uuml;bselig hin und her, da es sich &uuml;brigens nicht
+r&uuml;hren konnte. Sie zog es schnell wieder heraus und stellte es richtig
+hinein. &raquo;Es hat zwar nichts zu bedeuten,&laquo; sagte sie f&uuml;r sich, &raquo;ich
+glaube, es w&uuml;rde f&uuml;r das Verh&ouml;r ganz eben so n&uuml;tzlich sein kopfoben wie
+kopfunten.&laquo;</p>
+
+<p>Sobald sich die Geschwornen etwas von dem Schreck erholt hatten,
+umgeworfen worden zu sein, und nachdem ihre Tafeln und Tafelsteine
+gefunden und ihnen zur&uuml;ckgegeben worden waren, machten sie sich eifrig
+daran, die Geschichte ihres Unfalles aufzuschreiben, alle au&szlig;er der
+Eidechse, welche zu angegriffen war, um etwas zu thun; sie sa&szlig; nur mit
+offnem Maule da und starrte die Saaldecke an.</p>
+
+<p>&raquo;Was wei&szlig;t du von dieser Angelegenheit?&laquo; fragte der K&ouml;nig Alice.</p>
+
+<p>&raquo;Nichts!&laquo; sagte Alice.</p>
+
+<p>&raquo;Durchaus nichts?&laquo; drang der K&ouml;nig in sie.</p>
+
+<p>&raquo;Durchaus nichts!&laquo; sagte Alice.</p>
+
+<p>&raquo;Da&szlig; ist sehr wichtig,&laquo; sagte der K&ouml;nig, indem er sich an die
+Geschwornen wandte. Sie wollten dies eben<a class="page" name="Page_166" id ="Page_166" title="166"></a> auf ihre Tafeln schreiben,
+als das wei&szlig;e Kaninchen ihn unterbrach. &raquo;Unwichtig, meinten Eure
+Majest&auml;t nat&uuml;rlich!&laquo; sagte es in sehr ehrfurchtsvollem Tone, wobei es
+ihn aber mit Stirnrunzeln und verdrie&szlig;lichem Gesichte ansah.</p>
+
+<p>&raquo;<em class="gesperrt">Un</em>wichtig, nat&uuml;rlich, meinte ich,&laquo; best&auml;tigte der K&ouml;nig eilig, und fuhr
+mit halblauter Stimme f&uuml;r sich fort: &raquo;wichtig &mdash; unwichtig &mdash; unwichtig
+&mdash; wichtig &mdash;&laquo; als ob er versuchte, welches Wort am besten kl&auml;nge.</p>
+
+<p>Einige der Geschwornen schrieben auf &raquo;wichtig&laquo;, und einige &raquo;unwichtig.&laquo;
+Alice konnte dies sehen, da sie nahe genug war, um ihre Tafeln zu
+&uuml;berblicken; &raquo;aber es kommt nicht das Geringste darauf an,&laquo; dachte sie
+bei sich.</p>
+
+<p>In diesem Augenblick rief der K&ouml;nig, der eifrig in seinem Notizbuch
+geschrieben hatte, pl&ouml;tzlich aus: &raquo;Still!&laquo; und las dann aus seinem Buche
+vor: &raquo;Zweiundvierzigstes Gesetz. <em class="gesperrt">Alle Personen, die mehr als eine Meile
+hoch sind, haben den Gerichtshof zu verlassen</em>.</p>
+
+<p>Alle sahen Alice an.</p>
+
+<p>&raquo;Ich <em class="gesperrt">bin</em> keine Meile gro&szlig;,&laquo; sagte Alice.</p>
+
+<p>&raquo;Das bist du wohl,&laquo; sagte der K&ouml;nig.</p>
+
+<p>&raquo;Beinahe zwei Meilen gro&szlig;,&laquo; f&uuml;gte die K&ouml;nigin hinzu.</p>
+
+<p><a class="page" name="Page_167" id ="Page_167" title="167"></a>&raquo;Auf jeden Fall werde ich nicht fortgehen,&laquo; sagte Alice, &raquo;&uuml;brigens ist
+das kein regelm&auml;&szlig;iges Gesetz; Sie haben es sich eben erst ausgedacht.&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Es ist das &auml;lteste Gesetz in dem Buche,&laquo; sagte der K&ouml;nig.</p>
+
+<p>&raquo;Dann m&uuml;&szlig;te es Nummer Eins sein,&laquo; sagte Alice.</p>
+
+<p>Der K&ouml;nig erbleichte und machte sein Notizbuch schnell zu. &raquo;Gebt euer
+Urtheil ab!&laquo; sagte er leise und mit zitternder Stimme zu den
+Geschwornen.</p>
+
+<p>&raquo;Majest&auml;t halten zu Gnaden, es sind noch mehr Beweise aufzunehmen,&laquo;
+sagte das wei&szlig;e Kaninchen, indem es eilig aufsprang; &raquo;dieses Papier ist
+soeben gefunden worden.&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Was enth&auml;lt es?&laquo; fragte die K&ouml;nigin.</p>
+
+<p>&raquo;Ich habe es noch nicht ge&ouml;ffnet,&laquo; sagte das wei&szlig;e Kaninchen, &raquo;aber es
+scheint ein Brief von dem Gefangenen an &mdash; an Jemand zu sein.&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Ja, das wird es wohl sein,&laquo; sagte der K&ouml;nig, &raquo;wenn es nicht an Niemand
+ist, was, wie bekannt nicht oft vorkommt.&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;An wen ist es adressirt?&laquo; fragte einer der Geschwornen.</p>
+
+<p>&raquo;Es ist gar nicht adressirt,&laquo; sagte das wei&szlig;e Kaninchen;<a class="page" name="Page_168" id ="Page_168" title="168"></a> &raquo;&uuml;berhaupt
+steht auf der <em class="gesperrt">Au&szlig;enseite</em> gar nichts.&laquo; Es faltete bei diesen Worten das
+Papier auseinander und sprach weiter: &raquo;Es ist &uuml;brigens gar kein Brief,
+es sind Verse.&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Sind sie in der Handschrift des Gefangenen?&laquo; fragte ein anderer
+Geschworner.</p>
+
+<p>&raquo;Nein, das sind sie nicht,&laquo; sagte das wei&szlig;e Kaninchen, &raquo;und das ist das
+Merkw&uuml;rdigste dabei.&laquo; (Die Geschwornen sahen alle ganz verdutzt aus.)</p>
+
+<p>&raquo;Er mu&szlig; eines Andern Handschrift nachgeahmt haben,&laquo; sagte der K&ouml;nig.
+(Die Gesichter der Geschwornen kl&auml;rten sich auf.)</p>
+
+<p>&raquo;Eure Majest&auml;t halten zu Gnaden,&laquo; sagte der Bube, &raquo;ich habe es nicht
+geschrieben, und Niemand kann beweisen, da&szlig; ich es geschrieben haben, es
+ist keine Unterschrift darunter.&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Wenn du es nicht unterschrieben hast,&laquo; sagte der K&ouml;nig, &raquo;so macht das
+die Sache nur schlimmer. Du mu&szlig;t schlechte Absichten dabei gehabt haben,
+sonst h&auml;ttest du wie ein ehrlicher Mann deinen Namen darunter gesetzt.&laquo;</p>
+
+<p>Hierauf folgte allgemeines Beifallklatschen; es war der erste wirklich
+kluge Ausspruch, den der K&ouml;nig an dem Tage gethan hatte.</p>
+
+<p><a class="page" name="Page_169" id ="Page_169" title="169"></a>&raquo;Das <em class="gesperrt">beweist</em> seine Schuld,&laquo; sagte die K&ouml;nigin.</p>
+
+<p>&raquo;Es beweist durchaus gar nichts!&laquo; sagte Alice, &raquo;Ihr wi&szlig;t ja noch nicht
+einmal, wor&uuml;ber die Verse sind!&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Lies sie!&laquo; sagte der K&ouml;nig.</p>
+
+<p>Das wei&szlig;e Kaninchen setzte seine Brille auf. &raquo;Wo befehlen Eure Majest&auml;t,
+da&szlig; ich anfangen soll?&laquo; fragte es.</p>
+
+<p>&raquo;Fange beim Anfang an,&laquo; sagte der K&ouml;nig ernsthaft, &raquo;und lies bis du an's
+Ende kommst, dann halte an.&laquo;</p>
+
+<p>Dies waren die Verse, welche das wei&szlig;e Kaninchen vorlas: &mdash;</p>
+
+<div class="poem"><div class="stanza">
+<span class="i0">&raquo;Ich h&ouml;re ja du warst bei ihr,<br /></span>
+<span class="i0">Und da&szlig; er mir es g&ouml;nnt;<br /></span>
+<span class="i0">Sie sprach, sie hielte viel von mir,<br /></span>
+<span class="i0">Wenn ich nur schwimmen k&ouml;nnt'!<br /></span>
+</div><div class="stanza">
+<span class="i0">Er schrieb an sie, ich ginge nicht<br /></span>
+<span class="i0">(Nur wu&szlig;ten wir es gleich):<br /></span>
+<span class="i0">Wenn ihr viel an der Sache liegt,<br /></span>
+<span class="i0">Was w&uuml;rde dann aus euch?<br /></span>
+</div><div class="stanza">
+<span class="i0">Ich gab ihr eins, sie gab ihm zwei,<br /></span>
+<span class="i0">Ihr gabt uns drei Mal vier;<br /></span>
+<span class="i0">Jetzt sind sie hier, er steht dabei;<br /></span>
+<span class="i0">Doch alle geh&ouml;rten erst mir.<a class="page" name="Page_170" id ="Page_170" title="170"></a><br /></span>
+</div><div class="stanza">
+<span class="i0">W&uuml;rd' ich und sie vielleicht darein<br /></span>
+<span class="i0">Verwickelt und verfahren,<br /></span>
+<span class="i0">Vertraut er dir, sie zu befrei'n,<br /></span>
+<span class="i0">Gerade wie wir waren.<br /></span>
+</div><div class="stanza">
+<span class="i0">Ich dachte schon in meinem Sinn,<br /></span>
+<span class="i0">Eh' sie den Anfall h&auml;tt',<br /></span>
+<span class="i0">Ihr w&auml;r't derjenige, der ihn,<br /></span>
+<span class="i0">Es und uns hindertet.<br /></span>
+</div><div class="stanza">
+<span class="i0">Sag' ihm um keinen Preis, da&szlig; ihr<br /></span>
+<span class="i0">Die Andern lieber war'n;<br /></span>
+<span class="i0">Denn keine Seele au&szlig;er dir<br /></span>
+<span class="i0">Und mir darf dies erfahr'n.&laquo;<br /></span>
+</div></div>
+
+<p>&raquo;Das ist das wichtigste Beweisst&uuml;ck, das wir bis jetzt geh&ouml;rt haben,&laquo;
+sagte der K&ouml;nig, indem er sich die H&auml;nde rieb; &raquo;la&szlig;t also die
+Geschwornen &mdash;&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Wenn es Einer von ihnen erkl&auml;ren kann,&laquo; sagte Alice (sie war die
+letzten Paar Minuten so sehr gewachsen, da&szlig; sie sich gar nicht
+f&uuml;rchtete, ihn zu unterbrechen), &raquo;so will ich ihm sechs Dreier schenken.
+Ich finde, da&szlig; auch keine Spur von Sinn darin ist.&laquo;</p>
+
+<p>Die Geschwornen schrieben Alle auf ihre Tafeln:<a class="page" name="Page_171" id ="Page_171" title="171"></a> &raquo;Sie findet, da&szlig; auch
+keine Spur von Sinn darin ist;&laquo; aber keiner von ihnen versuchte, das
+Schriftst&uuml;ck zu erkl&auml;ren.</p>
+
+<p>&raquo;Wenn kein Sinn darin ist,&laquo; sagte der K&ouml;nig, &raquo;das spart uns ja ungeheuer
+viel Arbeit; dann haben wir nicht n&ouml;thig, ihn zu suchen. Und dennoch
+wei&szlig; ich nicht,&laquo; fuhr er fort, indem er das Papier auf dem Knie
+ausbreitete und es pr&uuml;fend be&auml;ugelte, &raquo;es kommt mir vor, als k&ouml;nnte ich
+etwas Sinn darin finden. '&mdash; wenn ich nur schwimmen k&ouml;nnt'!' du kannst
+nicht schwimmen, nicht wahr?&laquo; wandte er sich an den Buben.</p>
+
+<p>Der Bube sch&uuml;ttelte traurig das Haupt. &raquo;Seh' ich etwa danach aus?&laquo; (was
+freilich nicht der Fall war, da er g&auml;nzlich aus Papier bestand.)</p>
+
+<p>&raquo;Das trifft zu, so weit,&laquo; sagte der K&ouml;nig und fuhr fort, die Verse leise
+durchzulesen. &raquo;'Nur wu&szlig;ten wir es gleich' &mdash; das sind die Geschwornen,
+nat&uuml;rlich &mdash; 'Ich gab ihr eins, sie gab ihm zwei &mdash;' ja wohl, so hat
+er's mit den Kuchen gemacht, versteht sich &mdash;&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Aber es geht weiter: 'Jetzt sind sie hier,'&laquo; sagte Alice.</p>
+
+<p>&raquo;Freilich, da sind sie ja! er steht dabei!&laquo; sagte der K&ouml;nig triumphirend
+und wies dabei nach den Kuchen<a class="page" name="Page_172" id ="Page_172" title="172"></a> auf dem Tische und nach dem Buben;
+&raquo;nichts kann klarer sein. Dann wieder &mdash; 'Eh sie den Anfall h&auml;tt'' &mdash; du
+hast nie einen Anfall gehabt, Liebe, glaube ich,&laquo; sagte er zu der
+K&ouml;nigin.</p>
+
+<div class="figcenter" style="width: 396px;">
+<img src="images/p172.png" width="396" height="500" alt="" title="" />
+</div>
+
+<p>&raquo;Niemals,&laquo; rief die K&ouml;nigin w&uuml;thend und warf dabei der Eidechse ein
+Tintenfa&szlig; an den Kopf. (Der ungl&uuml;ckliche kleine Wabbel hatte aufgeh&ouml;rt,
+mit dem Finger auf seiner Tafel zu schreiben, da er merkte, da&szlig; es keine
+Spuren hinterlie&szlig;; doch nun fing er eilig wieder an, indem er die Tinte<a class="page" name="Page_173" id ="Page_173" title="173"></a>
+benutzte, die von seinem Gesichte herabtr&auml;ufelte, so lange dies
+vorhielt.)</p>
+
+<p>&raquo;Dann ist dies nicht dein <em class="gesperrt">Fall</em>,&laquo; sagte der K&ouml;nig und blickte l&auml;chelnd in
+dem ganzen Saale herum. Alles blieb todtenstill.</p>
+
+<p>&raquo;&mdash; 's ist ja 'n Witz!&laquo; f&uuml;gte der K&ouml;nig in &auml;rgerlichem Tone hinzu &mdash;
+sogleich lachte Jedermann. &raquo;Die Geschwornen sollen ihren Ausspruch
+thun,&laquo; sagte der K&ouml;nig wohl zum zwanzigsten Male.</p>
+
+<p>&raquo;Nein, nein!&laquo; sagte die K&ouml;nigin. &raquo;Erst das Urtheil, der Ausspruch der
+Geschwornen nachher.&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Dummer Unsinn!&laquo; sagte Alice laut. &raquo;Was f&uuml;r ein Einfall, erst das
+Urtheil haben zu wollen!&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Halt den Mund!&laquo; sagte die K&ouml;nigin, indem sie purpurroth wurde.</p>
+
+<p>&raquo;Ich will nicht!&laquo; sagte Alice.</p>
+
+<p>&raquo;Schlagt ihr den Kopf ab!&laquo; br&uuml;llte die K&ouml;nigin so laut sie konnte.
+Niemand r&uuml;hrte sich.</p>
+
+<p>&raquo;Wer fragt nach euch?&laquo; sagte Alice (unterdessen hatte sie ihre volle
+Gr&ouml;&szlig;e erreicht). &raquo;Ihr seid nichts weiter als ein Spiel Karten!&laquo;</p>
+
+<div class="figcenter" style="width: 364px;"><a class="page" name="Page_174" id ="Page_174" title="174"></a>
+<img src="images/p174.png" width="364" height="500" alt="" title="" />
+</div>
+
+<p>Bei diesen Worten erhob sich das ganze Spiel in die Luft und flog auf
+sie herab; sie schrie auf, halb vor Furcht, halb vor Aerger, versuchte
+sie sich abzuwehren und merkte, da&szlig; sie am Ufer lag, den Kopf auf dem
+Scho&szlig;e ihrer Schwester, welche leise einige welke<a class="page" name="Page_175" id ="Page_175" title="175"></a> Bl&auml;tter fortnahm, die
+ihr von den B&auml;umen herunter auf's Gesicht gefallen waren.</p>
+
+<p>&raquo;Wach auf, liebe Alice!&laquo; sagte ihre Schwester; &raquo;du hast mal lange
+geschlafen!&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;O, und ich habe einen so merkw&uuml;rdigen Traum gehabt!&laquo; sagte Alice, und
+sie erz&auml;hlte ihrer Schwester, so gut sie sich errinnern konnte, alle die
+seltsamen Abenteuer, welche ihr eben gelesen habt. Als sie fertig war,
+gab ihre Schwester ihr einen Ku&szlig; und sagte: &raquo;Es <em class="gesperrt">war</em> ein sonderbarer
+Traum, das ist gewi&szlig;; aber nun lauf hinein zum Thee, es wird sp&auml;t.&laquo; Da
+stand Alice auf und rannte fort, und dachte dabei, und zwar mit Recht,
+da&szlig; es doch ein wundersch&ouml;ner Traum gewesen sei.</p>
+
+
+
+<hr style="width: 65%;" />
+<p><a class="page" name="Page_176" id ="Page_176" title="176"></a>Aber ihre Schwester blieb sitzen, wie sie sie verlassen hatte, den Kopf
+auf die Hand gest&uuml;tzt, blickte in die untergehende Sonne und dachte an
+die kleine Alice und ihre wunderbaren Abenteuer, bis auch sie auf ihre
+Weise zu tr&auml;umen anfing, und dies war ihr Traum:</p>
+
+<p>Zuerst tr&auml;umte sie von der kleinen Alice selbst: wieder sah sie die
+kleinen H&auml;ndchen zusammengefaltet auf ihrem Knie, und die klaren
+sprechenden Augen, die zu ihr aufblickten &mdash; sie konnte selbst den Ton
+ihrer Stimme h&ouml;ren und das komische Zur&uuml;ckwerfen des kleinen K&ouml;pfchens
+sehen, womit sie die einzelnen Haare absch&uuml;ttelte, die ihr immer wieder
+in die Augen kamen &mdash; und jemehr sie zuh&ouml;rte oder zuzuh&ouml;ren meinte, desto
+mehr belebte sich der ganze Platz um sie herum mit den seltsamen
+Gesch&ouml;pfen aus ihrer kleinen Schwester Traum.</p>
+
+<p>Das lange Gras zu ihren F&uuml;&szlig;en rauschte, da das wei&szlig;e Kaninchen
+vorbeihuschte &mdash; die erschrockene Maus pl&auml;tscherte durch den nahen Teich
+&mdash; sie konnte das<a class="page" name="Page_177" id ="Page_177" title="177"></a> Klappern der Theetassen h&ouml;ren, wo der Faselhase und
+seine Freunde ihre immerw&auml;hrende Mahlzeit hielten, und die gellende
+Stimme der K&ouml;nigin, die ihre ungl&uuml;cklichen G&auml;ste zur Hinrichtung
+abschickte &mdash; wieder nieste das Ferkel-Kind auf dem Scho&szlig;e der Herzogin,
+w&auml;hrend Pfannen und Sch&uuml;sseln rund herum in Scherben brachen &mdash; wieder
+erf&uuml;llten der Schrei des Greifen, das Quieken von dem Tafelstein der
+Eidechse und das St&ouml;hnen des unterdr&uuml;ckten Meerschweinchens die Luft und
+vermischten sich mit dem Schluchzen der ungl&uuml;cklichen falschen
+Schildkr&ouml;te in der Entfernung.</p>
+
+<p>So sa&szlig; sie da, mit geschlossenen Augen, und glaubte fast, sie sei im
+Wunderlande, obgleich sie ja wu&szlig;te, da&szlig; sobald sie die Augen &ouml;ffnete,
+Alles wieder zur allt&auml;glichen Wirklichkeit werden w&uuml;rde; das Gras w&uuml;rde
+dann nur im Winde rauschen, der Teich mit seinem Rieseln das Wogen des
+Rohres begleiten; das Klappern der Theetassen w&uuml;rde sich in klingende
+Heerdenglocken verwandeln und die gellende Stimme der K&ouml;nigin in die
+Rufe des Hirtenknaben &mdash; und das Niesen des Kindes, das Geschrei des
+Greifen und all die andern au&szlig;erordentlichen T&ouml;ne w&uuml;rden sich (das wu&szlig;te
+sie) in das verworrene Get&ouml;se des gesch&auml;ftigen Gutshofes verwan<a class="page" name="Page_178" id ="Page_178" title="178"></a>deln &mdash;
+w&auml;hrend sie statt des schwerm&uuml;thigen Schluchzens der falschen
+Schildkr&ouml;te in der Ferne das wohlbekannte Br&uuml;llen des Rindviehes h&ouml;ren
+w&uuml;rde.</p>
+
+<p>Endlich malte sie sich aus, wie ihre kleine Schwester Alice in sp&auml;terer
+Zeit selbst erwachsen sein werde; und wie sie durch alle reiferen Jahre
+hindurch das einfache liebevolle Herz ihrer Kindheit bewahren, und wie
+sie andere kleine Kinder um sich versammeln und <em class="gesperrt">deren</em> Blicke neugierig
+und gespannt machen werde mit manch einer wunderbaren Erz&auml;hlung,
+vielleicht sogar mit dem Traume vom Wunderlande aus alten Zeiten; und
+wie sie alle ihre kleinen Sorgen nachf&uuml;hlen, sich &uuml;ber alle ihre kleinen
+Freuden mitfreuen werde in der Erinnerung an ihr eigenes Kindesleben und
+die gl&uuml;cklichen Sommertage.</p>
+
+
+
+
+
+
+
+
+
+<pre>
+
+
+
+
+
+End of Project Gutenberg's Alice's Abenteuer im Wunderland, by Lewis Carroll
+
+*** END OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK ALICE'S ABENTEUER IM WUNDERLAND ***
+
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+Gutenberg is a registered trademark, and may not be used if you
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+such as creation of derivative works, reports, performances and
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+Gutenberg-tm electronic works if you follow the terms of this agreement
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+works. See paragraph 1.E below.
+
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+or PGLAF), owns a compilation copyright in the collection of Project
+Gutenberg-tm electronic works. Nearly all the individual works in the
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+individual work is in the public domain in the United States and you are
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+in paragraph 1.F.3, this work is provided to you 'AS-IS' WITH NO OTHER
+WARRANTIES OF ANY KIND, EXPRESS OR IMPLIED, INCLUDING BUT NOT LIMITED TO
+WARRANTIES OF MERCHANTIBILITY OR FITNESS FOR ANY PURPOSE.
+
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+If any disclaimer or limitation set forth in this agreement violates the
+law of the state applicable to this agreement, the agreement shall be
+interpreted to make the maximum disclaimer or limitation permitted by
+the applicable state law. The invalidity or unenforceability of any
+provision of this agreement shall not void the remaining provisions.
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+trademark owner, any agent or employee of the Foundation, anyone
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+or cause to occur: (a) distribution of this or any Project Gutenberg-tm
+work, (b) alteration, modification, or additions or deletions to any
+Project Gutenberg-tm work, and (c) any Defect you cause.
+
+
+Section 2. Information about the Mission of Project Gutenberg-tm
+
+Project Gutenberg-tm is synonymous with the free distribution of
+electronic works in formats readable by the widest variety of computers
+including obsolete, old, middle-aged and new computers. It exists
+because of the efforts of hundreds of volunteers and donations from
+people in all walks of life.
+
+Volunteers and financial support to provide volunteers with the
+assistance they need, is critical to reaching Project Gutenberg-tm's
+goals and ensuring that the Project Gutenberg-tm collection will
+remain freely available for generations to come. In 2001, the Project
+Gutenberg Literary Archive Foundation was created to provide a secure
+and permanent future for Project Gutenberg-tm and future generations.
+To learn more about the Project Gutenberg Literary Archive Foundation
+and how your efforts and donations can help, see Sections 3 and 4
+and the Foundation web page at http://www.pglaf.org.
+
+
+Section 3. Information about the Project Gutenberg Literary Archive
+Foundation
+
+The Project Gutenberg Literary Archive Foundation is a non profit
+501(c)(3) educational corporation organized under the laws of the
+state of Mississippi and granted tax exempt status by the Internal
+Revenue Service. The Foundation's EIN or federal tax identification
+number is 64-6221541. Its 501(c)(3) letter is posted at
+http://pglaf.org/fundraising. Contributions to the Project Gutenberg
+Literary Archive Foundation are tax deductible to the full extent
+permitted by U.S. federal laws and your state's laws.
+
+The Foundation's principal office is located at 4557 Melan Dr. S.
+Fairbanks, AK, 99712., but its volunteers and employees are scattered
+throughout numerous locations. Its business office is located at
+809 North 1500 West, Salt Lake City, UT 84116, (801) 596-1887, email
+business@pglaf.org. Email contact links and up to date contact
+information can be found at the Foundation's web site and official
+page at http://pglaf.org
+
+For additional contact information:
+ Dr. Gregory B. Newby
+ Chief Executive and Director
+ gbnewby@pglaf.org
+
+
+Section 4. Information about Donations to the Project Gutenberg
+Literary Archive Foundation
+
+Project Gutenberg-tm depends upon and cannot survive without wide
+spread public support and donations to carry out its mission of
+increasing the number of public domain and licensed works that can be
+freely distributed in machine readable form accessible by the widest
+array of equipment including outdated equipment. Many small donations
+($1 to $5,000) are particularly important to maintaining tax exempt
+status with the IRS.
+
+The Foundation is committed to complying with the laws regulating
+charities and charitable donations in all 50 states of the United
+States. Compliance requirements are not uniform and it takes a
+considerable effort, much paperwork and many fees to meet and keep up
+with these requirements. We do not solicit donations in locations
+where we have not received written confirmation of compliance. To
+SEND DONATIONS or determine the status of compliance for any
+particular state visit http://pglaf.org
+
+While we cannot and do not solicit contributions from states where we
+have not met the solicitation requirements, we know of no prohibition
+against accepting unsolicited donations from donors in such states who
+approach us with offers to donate.
+
+International donations are gratefully accepted, but we cannot make
+any statements concerning tax treatment of donations received from
+outside the United States. U.S. laws alone swamp our small staff.
+
+Please check the Project Gutenberg Web pages for current donation
+methods and addresses. Donations are accepted in a number of other
+ways including checks, online payments and credit card donations.
+To donate, please visit: http://pglaf.org/donate
+
+
+Section 5. General Information About Project Gutenberg-tm electronic
+works.
+
+Professor Michael S. Hart is the originator of the Project Gutenberg-tm
+concept of a library of electronic works that could be freely shared
+with anyone. For thirty years, he produced and distributed Project
+Gutenberg-tm eBooks with only a loose network of volunteer support.
+
+
+Project Gutenberg-tm eBooks are often created from several printed
+editions, all of which are confirmed as Public Domain in the U.S.
+unless a copyright notice is included. Thus, we do not necessarily
+keep eBooks in compliance with any particular paper edition.
+
+
+Most people start at our Web site which has the main PG search facility:
+
+ http://www.gutenberg.org
+
+This Web site includes information about Project Gutenberg-tm,
+including how to make donations to the Project Gutenberg Literary
+Archive Foundation, how to help produce our new eBooks, and how to
+subscribe to our email newsletter to hear about new eBooks.
+
+
+</pre>
+
+</body>
+</html>
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Binary files differ
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Binary files differ
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Binary files differ
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Binary files differ
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Binary files differ
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Binary files differ
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Binary files differ
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