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diff --git a/.gitattributes b/.gitattributes new file mode 100644 index 0000000..6833f05 --- /dev/null +++ b/.gitattributes @@ -0,0 +1,3 @@ +* text=auto +*.txt text +*.md text diff --git a/12660-0.txt b/12660-0.txt new file mode 100644 index 0000000..2c3181d --- /dev/null +++ b/12660-0.txt @@ -0,0 +1,1416 @@ +*** START OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK 12660 *** + +Soll die plattdeutsche Sprache gepflegt oder ausgerottet werden? + + +Gegen Ersteres und fuͤr Letzteres + + +beantwortet von + +Dr. Ludolf Wienbarg + + + + +Motto: _ceterum ceterumque censeo...._ + + + + +Hamburg + +bei Hoffmann und Campe + +1834 + + + + +Dem Nestor norddeutscher Patrioten + +dem Freunde veredelter Natur und Menschheit + +Herrn Baron von Voght + +gewidmet. + + + + +Verehrungswuͤrdiger Greis! + + +Ich habe nie das Gluͤck Ihrer persoͤnlichen Bekanntschaft genossen, aber +ich kenne Ihre Schoͤpfungen, die bluͤhenden Spuren Ihrer +menschenfreundlichen Hand. Bereits als Knabe besuchte ich sehr oft von +Altona aus das schoͤne Flottbeck. Hier woͤlbt sich keine Ulme, keine +Buche, die Sie nicht gepflanzt, hier steigt von hundert freundlichen +Daͤchern kein Rauch in die Luft, der nicht Weihrauch fuͤr Sie waͤre. Das +wußte ich schon als Knabe und so kam es, daß ich an Ihrem Namen zuerst +den Begriff und die Bedeutung eines Menschenfreundes, eines Patrioten +lernte. Eine gluͤcklichere Abstraktion, ein wuͤrdigeres Bild wird selten +der jugendlichen Seele geboten. + +Nehmen Sie, Verehrungswuͤrdiger, diesen Ausdruck meiner fruͤhgefaßten +und in reiferem Alter nur genaͤhrten und befestigten Achtung guͤtig auf. + +_Eutin_, am 1. December 1833. + +Ludolf Wienbarg. + + + + +Vorwort. + + +Wenn die Patrioten bisher uͤber die Kluft der Staͤnde, die Rohheit und +Unempfaͤnglichkeit Volkes in Niedersachsen mit Recht bittere Klage +fuͤhrten, oder im Großen Verbesserungsplaͤne entwarfen, so stand ihnen +die niedersaͤchsische oder plattdeutsche Volkssprache nur sehr im +Hintergrunde und kam weder im Guten, noch im Boͤsen so recht in +Betracht. Ich glaube nachzuweisen, ja mit Haͤnden greiflich zu machen, +daß sie die Wurzel alles Uebels, der Hemmschuh alles Bessern ist. + +Gehe hin, meine kleine Schrift, und spreche! Drei Dinge wuͤnsche ich +dir, Fluͤgel, Feinde und Freunde. Die Fluͤgel wuͤnsche ich dir, damit du +dich nach allen Seiten verbreitest, die Feinde und Freunde, damit du +nach alten Seiten besprochen wirst. — + + * * * * * + + + + +Bekanntlich sprechen die Bewohner Niedersachsens plattdeutsch und +hochdeutsch; ersteres als Volkssprache, letzteres als Sprache der +Bildung. Das Hochdeutsche redet man dialektlos, das heißt Aussprache und +Schreibung stimmen buchstaͤblich uͤberein[1]. Anders in Mittel- und +Suͤd-Deutschland. Goͤthe sprach das Hochdeutsche wie ein geborner +Frankfurter, Schiller wie ein Wirtemberger und noch gegenwaͤrtig hoͤrt +man's der Sprache der Gebildeten Suͤd-Deutschlands ab, in welcher +Provinz sie zu Hause gehoͤren. Daher kann man wol behaupten, daß mancher +niedersaͤchsische Handwerker _reiner_ hochdeutsch spricht, als der +Wuͤrzburger Professor, der Badische Deputirte oder der Bewohner der +Provinz Meissen selbst, dessen Aussprache doch zu seiner Zeit von +Gottsched mit dem Privilegium der Klassizitaͤt begabt worden ist. Allein +man darf nicht vergessen, daß diese Reinheit eine abstrakte und keine +lebendige ist, da der Norden fein hochdeutsch im eigentlichen Sinn des +Worts aus Buͤchern, zumal aus der lutherischen Bibeluͤbersetzung +gelernt, nicht aber wie Mittel- und Suͤd-Deutschland durch lebendig +uralte Tradition von Mund zu Mund empfangen hat. + +Ist doch die hochdeutsche Sprache selbst keine Sprache provinzieller +Beschraͤnktheit, keine bloße Mundart Alt-Meissens, sondern im hoͤheren +Sinn ein Kunstwerk des großen Reformators, der aus den beiden +Hauptdialekten des Nordens und Suͤdens, schon ohnehin im Saͤchsischen +sich beruͤhrend eine Sprache schuf, die, wenn auch mit Vorwalten des +suͤddeutschen Elements, jedem deutschen Ohr zugaͤnglich und +verstaͤndlich sein, die eine gemeinsame Sprache aller Deutschen +vorbereiten sollte. Aus den edelsten Metallen des unerschoͤpflichen +deutschen Sprachschachtes gegossen, ward sie in Luthers Haͤnden die +Glocke, welche die Reformation, den dreißigjaͤhrigen Krieg, die ganze +neue Geschichte eingelaͤutet hat. + +Mehr als den Griechen der Saͤnger der Odyssee und Ilias muß uns +Deutschen, Katholiken wie Protestanten, der Uebersetzer der Bibel +gefeiert sein. Die altionische Sprache gehoͤrte nicht dem Dichter, +sondern der Nation an. Die Sprache der Bibeluͤbersetzung aber mußte sich +erst geltend machen durch die Gewalt des Genius, sie gehoͤrte Luther an +in dem Sinn, wie man nur irgend auf diesem Gebiet das Eigentumsrecht +fuͤr eine Person in Anspruch nehmen darf. + +Denkt euch, Luthers Sprache waͤre nicht durchgedrungen. Zerrissen waͤre +das maͤchtigste Band, das Suͤd und Nord umschlingt. Der Norden wuͤrde +nichts vom Suͤden, der Suͤden nichts vom Norden wissen. + +Die theuersten Namen, die jetzt im Herzen der ganzen Nation +wiederklingen, wuͤrden hie und da in einem Winkel Deutschlands genannt +werden und etwa die Eitelkeit ihrer Landsleute aufblaͤhen, alle großen +Maͤnner, die in unserm Vaterlande die Sprache Luthers geredet, alle +Genien der ernsten und froͤhlichen Wissenschaft, auf die wir unsern +Stolz setzen, ja welche die Vorsehung selbst uns zum erhebenden +Selbstgefuͤhl erweckt zu haben scheint, wuͤrden mit vergeblicher +Sehnsucht ihre Fluͤgel uͤber Deutschland ausgebreitet haben, waͤren von +ihrer Geburt an zur Verschrumpfung und Laͤhmung bestimmt gewesen. Es ist +so viel Ungluͤck seit Luther uͤber dieses arme Land hingegangen, daß man +zweifeln koͤnnte, ob nur der Name Deutschland, Deutscher, ehre. Luthers +Schriftsprache, dieses Schwerdt, das Wunden schlug und heilte, uͤber dem +unsaͤglicher Wirrwarr sich schwebend erhalten hatte. + +Das kaiserliche Reichsschwerdt ist zerbrochen, Luthers Sprache ist +Reichsschwerdt geworden, glanzvoller, schwungreicher, maͤchtiger, +gefuͤrchteter, als je eins in der Hand eines Hohenstaufens oder +Habsburgers geblitzt hat. + +Sprache Luthers, kaiserliches Schwerdt, der Muth hat Dich gestaͤhlt, die +Freiheit Dich geschliffen, der Kampf Dich erprobt. + +Sprache Luthers, kaiserliches Schwerdt, rein bist Du von den Blutflecken +der Religionskriege, rein und gesaͤubert vom Geifer theologischer +Streithaͤhne, vom Rost des gelehrten und amtlichen Pedantismus. + +Fuͤhrt es ihr Soͤhne des Lichts, denn ihr seid unuͤberwindlich mit +dieser Waffe. + +Beruͤhrt es nicht, ihr Kinder der Nacht, denn es ist scharf und faͤhrt +zuruͤck auf eure eigenen Schaͤdel. + + * * * * * + +Man kann Werth und Wuͤrde der deutschen Schriftsprache lebhaft +anerkennen und dennoch wuͤnschen, daß die ober- und niederdeutschen +Dialekte sich im Munde des Volkes lebendig erhalten. Ich theile diesen +Wunsch nicht. Was namentlich die Frage betrift, welche den Gegenstand +dieser kleinen Schrift ausmacht: „_ist die niedersaͤchsische +Volkssprache zu pflegen oder auszurotten?_“ so antworte ich aus +innigster Ueberzeugung und aus Gruͤnden, welche ich darlegen werde: _sie +ist auszurotten, durch jedes moͤgliche Mittel auszurotten_. + +Verstaͤndigen wir uns uͤber etwas sehr Wesentliches. Daß die +plattdeutsche Sprache der Zeit verfallen und aussterben wird, ist keine +Frage mehr. + +Eine jede Sprache, die nicht Schriftsprache, Sprache der Bildung, des +gerichtlichen Fortschrittes, der politischen, religioͤsen, +wissenschaftlichen, artistischen Bewegung ist, muß bei dem Stand und +Gang unserer Kultur einer Schrift- und Bildungssprache Platz machen, muß +wie die frisische in Holland, wie die zeltische in Bretagne, die +baskische in Spanien allmaͤhlig aussterben. Auszusterben ist das +nothwendige und natuͤrliche Schicksal der plattdeutschen Sprache. Nichts +kann sie vom Untergang retten. Schreibt plattdeutsche Lustspiele, +Idyllen, Lieder, Legenden — umsonst; das Volk liest euch nicht — liest +es nur den Reineke de Vos? — ihr begruͤndet keine plattdeutsche +Literatur, ihr macht die verbluͤhende Sprachpflanze durch euren +poetischen Mist nicht bluͤhender — sie wird aussterben. Ihr preiset +diese Sprache als alt, ehrlich, treu, warm, gemuͤthlich, wohlklingend — +ihr habt Recht oder nicht — sie wird aussterben. Das ist das +unerbittliche Gesetz der Notwendigkeit. + +Allein, es ist wahr, das Nothwendige ist nicht immer das +Wuͤnschenswerthe. Gar vieles begiebt sich in Natur und Geschichte mit +Nothwendigkeit, was nicht bloß die Klage des Thoren, sondern auch den +gerechteren Schmerz des Weisen erregt. Immer ist es des denkenden +Menschen wuͤrdig, sich dessen, was geschehen wird und muß, bewußt zu +werden, immer der sittlichen Kraft und Wuͤrde desselben schaͤdlich und +unwuͤrdig, sich willen- und wunschlos vor der Nothwendigkeit zu beugen. +Nicht selten gelingt Aufschub Vertagung, wo auch nicht, der Mensch darf +sich frei sprechen von Leichtsinn, traͤger Sorglosigkeit, er hat sich +das Recht und die Beruhigung erworben, _animam salvavi_ auszurufen. + +Darum frage ich eigentlich, ist es wuͤnschenswerth, daß Niedersachsens +alte Sprache sich aus der Reihe der lebendigen verliert; wenn das, soll +man ihren Untergang der Zeit uͤberlassen oder soll man diesen +beschleunigen; wenn letzteres, welches sind die Mittel dazu? + + * * * * * + +Um die deutsche Gemuͤthlichkeit ist es ein schoͤnes Ding und was kann +namentlich dem Niedersachsen gemuͤtlicher sein, als seine angeborne +Sprache. Doch ein schoͤneres Ding ist der muthige Entschluß, die +Gemuͤthlichkeit einstweilen auszuziehn, wenn sie uns zu _enge_ wird. + +Grade das behaupte ich von der und gegen die plattdeutsche Sprache. Sie +ist dem Verstand der Zeit laͤngst zu enge geworden, ihr Wachsthum hat +bereits mit dem sechszehnten Jahrhundert aufgehoͤrt, sie kann die +geistigen und materiellen Fortschritte der Civilisation nicht fassen, +nicht wiedergeben _und daher verurtheilt sie den bei weitem groͤßten +Theil der Volksmasse in Norddeutschland, dem sie annoch taͤgliches Organ +ist, zu einem Zustande der Unmuͤndigkeit, Rohheit und Ideenlosigkeit, +der vom Zustand der Gebildeten auf die grellste und empoͤrendste Weise +absticht._ + +Habe ich Recht ober Unrecht? Steht es nicht so mit dem Volk in Hannover, +Westphalen, Meklenburg, Holstein u.s.w.? Wurzelt nicht das Hauptuͤbel im +absoluten Unvermoͤgen der taͤglichen Umgangssprache, den noͤthigsten +Ideenverkehr zu bewerkstelligen? + +Daß ich in beiden Unrecht haͤtte. Aber den Stein, den diese Anklage +gegen die plattdeutsche Sprache als eine Feindin der Volksbildung, der +geistigen Thaͤtigkeit erhebt, derselbe gewigtige Stein muß erhoben +werden von jedem Niedersachsen, jedem Deutschen, dem der materielle und +geistige Zustand von Millionen Bruͤdern, dem die Gegenwart und die +Zukunft Deutschlands nicht gleichguͤltig ist. + + * * * * * + +Halte ich einen Augenblick inne. Ob diese Schrift auch Leser findet, die +in hohe aristokratische Privilegien eben in dem geruͤgten Gebrechen, +eben in dem Umstand, daß die plattdeutsche Sprache seit drei +Jahrhunderten nichts gelernt, eine Tugend derselben entdecken? Soll ich +Ruͤcksicht auf solche Leser nehmen? Soll ich die reine Absicht, die mir +vorschwebt, durch alle Blaͤtter mir verbittern? + +Aber es giebt solche, du kennst solche! Wolan denn, mache ich es gleich +und auf einmal mit ihnen ab. + +Ja, ihr Herren, diese Sprache hat nichts gelernt seit dem sechszehnten +Jahrhundert, sie hat sich mit keiner einzigen Idee, keinem einzigen +Ausdruck der neuen Geschichte bereichert, sie hat nicht einmal ein Wort +fuͤr Bildung, nicht einmal ein Wort fuͤr Verfassung — ja, ihr Herren, +sie ist noch ganz und gar die Sprache des sechszehnten Jahrhunderts, die +Sprache der Hetzjagden, der Peitschenhiebe, der Hundeloͤcher, die +Sprache des Bauernkrieges und — spuͤrt ihr nichts vom kurzen Takt der +Dreschflegel darin, und seht ihr nicht etwas von kurzem Messer, +geschwungener Sense, geballter Faust als Titelvignette vor den Ausgaben +plattdeutscher Lexika paradiren? — Taͤuscht euch nicht, sie ist noch +immer die Sprache des sechszehnten Jahrhunderts und schleppt die +gebrochenen Ketten sichtbar mit sich umher, und pfluͤgt und ackert jeden +Fruͤhling und jeden Herbst den alten Grimm in die alten Furchen hinein. +O sie ist schrecklich treu, schrecklich dumm und gemuͤthlich; aber laßt +euch sagen, sie hat wenig Religion, nur sehr wenig und sie kennt, wenn +sie wild wird, den Teufel besser als den lieben Gott. Woruͤber ihr euch +nicht sehr zu verwundern habt; denn als sie katholisch war, da war das +Christenthum, die Messe naͤmlich, lateinisch und als sie lutherisch +wurde, wurde das Christenthum, Predigt und Katechismus hochdeutsch. +Bedenkt auch nur, betet denn gegenwaͤrtig ein einziger Bauer oder +Bauernknecht das Vaterunser und den Glauben in der Sprache, worin er +seinen Gevatter bewillkommt, im Kruge Schnaps und Bier fordert oder dem +Steuereinnehmer einen derben Fluch zwischen den Zaͤhnen +hinterherschickt? Wahr ist es also, diese Sprache hat nichts gelernt, +allein sie hat auch _nichts vergessen_, es sei denn ihre alten Lieder, +ihren froͤhlichen Gesang und eben das Vaterunser, das sie fruͤher doch, +wie ich glaube, hat beten koͤnnen. + +Nehmt euch ein Bild zu Herzen, das ich euch, — das ich Allen vorhalte. + +Eine Sprache, die stagnirt, ist zu vergleichen mit einem See, dem der +bisherige Quellenzufluß versiegt oder abgeleitet wird. Aus dem Wasser, +woruͤber der Geist Gottes schwebte, wird Sumpf und Moder, woruͤber die +unreinen Geister bruͤten. Der Wind mag wehen woher er will, er gleitet +spurlos uͤber die stuͤrmisch gruͤne Decke hin Der Himmel ist blau und +heiter oder stuͤrmisch gefaͤrbt, das ruͤhrt ihn nicht, keine Sonne keine +Wolke spiegelt sich mehr auf der truͤben Flaͤche. Bild der +Unzufriedenheit, der Gleichguͤltigkeit, der Tuͤcke, der Gefahr. Wehe dem +Mann, _der im Truͤben fischen will_ und ausgleitet — was helfen ihm +ruͤstige Arme, Schwimmkunst, er versinkt, er erstickt im tauben Schlamm. + +Die Sprache ist das Volk. + + * * * * * + +Ja wohl, die Sprache ist das Volk und es gab eine Zeit wo das +niedersaͤchsische Volk und die niedersaͤchsische Sprache poetisch waren. +Das ist sehr lange her, die Zeit war heidnisch und der Germane von +Poesie, Muth, Stolz und Freiheit durchdrungen. Die kuͤhnsten Gedichte +aus dieser „rauhen Vorzeit,“ wenn gleich schon vom Duft der +Klostermauern angewittert und durch Moͤnchsfedern auf die Nachwelt +gekommen, verraten niedersaͤchsischen Dialect. + +Ich weiß nicht ob viele meiner Leser sich Begriff und Vorstellung machen +von der wunderbaren Natur einer Sprache, die einem vermeintlich +barbarischen und rohen Sittenzustande angehoͤrt. Diese muͤssen mir, und +wenn nicht mir, Jakob Grimm, dem Linnaͤus der deutschen Sprachgeschichte +auf's Wort zu glauben, daß keine Sprache gegenwaͤrtig auf dem Erdboden +gesprochen wird, die an Bau und Kuͤnstlichkeit jener alt-plattdeutschen +Sprache das Wasser reichte. Die grammatische, innerliche Gediegenheit +hatte sie mit den aͤltesten Grundsprachen und mit ihrer oberdeutschen +Schwester gemein und uͤbertraf diese vielleicht an Klang, Kraft und +Wohllaut. Allein, das Schicksal wollte ihre Schwester erheben und sie +fallen lassen. Jene hat im Verlauf der Zeit auch unendlich viel von +ihrer leiblichen Schoͤnheit und jugendlichen Anmuth eingebuͤßt, allein +sie hat Gewandtheit, Schnelle, Feinheit des Ausdrucks, Begriffsschaͤrfe, +vermehrte Zahl der Combinationen zum Ersatz dafuͤr eingetauscht. Die +niedersaͤchsische Sprache dagegen hat ihre Jugend und staͤhlerne Kraft +verloren; ohne an Verstand und innerer Feinheit zu gewinnen. Ihre +grammatischen Formen wurden zerstoͤrt und in noch hoͤherem Grade, als +die der Schwestersprache, aber ohne daß man bemerken konnte, daß der +scharfe Gaͤrungsprozeß der antiheidnischen neueuropaͤischen +Bildungsfermente an der Aufloͤsung einigen Antheil genommen, sondern +ersichtlich und durch dumpfes truͤbes Verwittern, das auch Holz und +Stein und alles Leblose oder Absterbende allmaͤhlig abnagt und zerfrißt. + +Als die althochdeutsche Sprache in die mittelhochdeutsche uͤberging, +schaute diese als Siegerin auf dem Turnierplatze des deutschen Geistes +umher, sie war es geworden ohne Kampf. Sprache des maͤchtigsten und +kunstliebendsten Kaiserhauses, lebte sie im Munde der Fuͤrsten, Ritter, +Saͤnger mit und ohne Sporn, Saͤnger mit und ohne Krone, welche die +elegante Literatur ihres Zeitalters begruͤndeten, war sie, was mehr +sagen will, die Sprache des Nibelungenliedes und anderer deutschen +Nationalgedichte, welche mit Ausnahme jener aͤltesten Reliquien theils +nie, theils nur in spaͤterer Uebersetzung im Plattdeutschen +schriftsaͤssig wurden. + +Welcher Bann, frage ich, lag uͤber der niedersaͤchsischen Literatur? +Derselbe Bann, der uͤber dem Volk und seiner Geschichte lag. Es sollte +die maͤchtige Naturkraft, die einst diesen Stamm beseelte, stocken und +starren und als truͤber Bodensatz des germanischen Geistes +zuruͤckbleiben. + +Welche Kette von Hemmnißen, betaͤubenden und zerreißenden +Ungluͤcksschlaͤgen nur bis zum sechszehnten Jahrhundert! + +Karl des Großen Sachsenkrieg, gewaltsam blutige Ausrottung des +Wodandienstes ohne wahrhafte Anpflanzung der Christusverehrung, Sachsen +und Slaven stoßen sich hin und her und mischen sich unter einander, die +alte Sachsenfreiheit schwindet, die Leibeigenschaft nimmt furchtbar +uͤberhand, der Krumstab zu Bremen ist schwach und gewaͤhrt keinen +Schutz, das saͤchsische Kaiserhaus uͤbertreibt die Großmuth und +entaͤußert sich seiner zu Wuͤrde und Glanz so nothwendigen +Stammbesitzungen, Heinrich der Loͤwe, die welfische Macht geht unter, +deren Sieg uͤber die hohenstaufische Norddeutschland so gehoben haͤtte +wie ihre Niederlage Suͤddeutschland emporbrachte, selbst der belebende +Einfluß der Hansa zeigt sich nur im Sinnlichen, nicht im Geistigen +wohlthaͤtig, ihr Seehandel nach dem Norden macht sie nur mit Voͤlkern +und Sitten bekannt, die noch roher waren, als sie selbst; Dagegen +Suͤd-Deutschlands Handelsstaͤdte, Nuͤrnberg, Augsburg mit dem hoch +gebildeten Oberitalien in Verkehr standen. + +Und nach dem fuͤnfzehnten Jahrhundert! Muß ich nicht Luther selbst und +die Reformation voranstellen? Darf ich verschweigen, daß die +_unmittelbaren_ Wirkungen dieser auf Jahrtausende hinaus wirkenden +Begebenheit, wie fuͤr ganz Deutschland, so insbesondere auch fuͤr +Niedersachsen nicht gluͤcklich, nicht segenbringend waren? Welch ein +Gemaͤlde des Innern: rabulistische Theologen, hexenriechende +Juristen, blutduͤrstige Obrigkeiten, dumpfer Haß, aͤchzende +Kirchengesaͤnge, furchtbarer Wahnglaube an Zauberei, Bezauberung und +Teufelsbesessenheit[2]. Welch ein Gemaͤlde des Aeußeren: der +dreißigjaͤhrige Krieg, Magdeburgs Untergang, Schwedens Besitznahme +norddeutscher Staͤdte und Provinzen, Hannovers Verwandlung aus fruͤherem +Reichslehn in einen Familienbesitz englischer Koͤnige, wie schon fruͤher +und vor Luther Nordalbingien in einen Familienbesitz daͤnischer Koͤnige, +selbst Brandenburgs steigende Groͤße, die zu guter letzt die Wagschaale +der Macht und des politischen Einflusses uͤberwiegend auf jene +nordoͤstlichen Provinzen Deutschlands niedersenkte, die von slavischer +Stammbevoͤlkerung urspruͤnglich der Wurzelkraft des germanischen Lebens +entbehrten, aber durch Aussaugen und Anziehen germanischer Saͤfte und +Kraͤfte sich konsolidirt und ausgebildet hatten. + +Lasse ich die schwere Kette fallen, es fehlt ihr so mancher Ring, dessen +Ergaͤnzung ich dem Geschichtforscher uͤberlasse. + +Wie konnte, bei einer solchen Zahl und Reihe von Schicksalen der +niedersaͤchsische Stamm gedeihen, wie konnte sich eine eigentuͤmliche +Literatur unter ihm geltend machen[3], wie konnte die Volkssprache +selbst sich der Entwuͤrdigung und Verschlechterung entziehen? Auf +welcher Bildungsstufe muͤßte die neuere Zeit Volk und Sprache antreffen, +wie tief unter der noͤthigsten Fassungskraft, wie selbst ohne Ahnung +dessen, was zur Begruͤndung und Sicherung eines verbesserten +Staatslebens elementarisch vorauszusetzen? + + * * * * * + +Allein, hoͤre ich Jemand einwerfen, wenn auch die plattdeutsche Sprache +ganz dem Bilde gleicht, das du von ihr entworfen, wenn sie _selbst_ auch +unfaͤhig ist, Element der Volksbildung zu sein, so erwartet eigentlich +auch Niemand dieses Geschaͤft von ihr, das ja von der allgemein +verbreiteten und verstandenen hochdeutschen Sprache laͤngst uͤbernommen +und verwaltet wurde. + +Antwort: uͤbernommen aber nicht verwaltet. Damit behauptet man einen +Widerspruch gegen alle Vernunft und Erfahrung. _Selbst die allgemeinste +Erlernung und Verbreitung der hochdeutschen Sprache uͤbt so lange gar +keinen oder selbst nachteiligen Einfluß auf die Volksbildung, als neben +ihr Plattdeutsch die Sprache des gemeinen Lebens bleibt._ + +Allerdings wird die hochdeutsche Sprache als Organ der Volksbildung +uͤberall in Niedersachsen angewendet. Es gibt wol wenig Doͤrfer, wo die +Jugend nicht Gelegenheit findet, das Hochdeutsche ein wenig verstehen, +ein wenig sprechen, ein wenig lesen und ein wenig schreiben zu lernen. +Die Leute muͤssen wol. Amtmann, Pfarrer, Bibel, Gesangbuch, Katechismus, +Kalender sprechen hochdeutsch. Ohnehin sind die Kinder schulpflichtig +und beim Hobeln setzt es Spaͤhne ab. + +Allein, Jedermann weiß, plattdeutsch bleibt ihr Lebenselement. Das +sprechen sie unter sich, zu Hause, im Felde, vor und nach der Predigt. +Das kommt ihnen aus dem Herzen, dabei fuͤhlen sie sich wohl und +vergewissern sich, daß sie in ihrer eigenen Haut stecken, was ihnen, +sobald sie hochdeutschen, sehr problematisch wird. + +Der erste Schulgang macht in der Regel auch die erste Bekanntschaft mit +der hochdeutschen Sprache. Mit Haͤnden und Fuͤßen straͤubt sich der +Knabe dagegen. Ich bedaure ihn, er soll nicht bloß seine bisherige +Freiheit verlieren, unter die Zuchtruthe treten, buchstabiren lernen, +was auch andern Kindern Herzeleid macht; er soll uͤberdies in einer +Sprache buchstabiren und lesen lernen, die er nicht kennt, die nicht mit +ihm aufgewachsen ist, deren Toͤne er nicht beim Spiel, nicht von seiner +Mutter, seinem Vater, seinen kleinen und großen Freunden zu hoͤren +gewohnt war. Alles was er von diesem Augenblick an liest, lernt, hoͤrt +in der Schule und unter den Augen des Lehrers, klingt ihm gelehrt, +fremd, vornehm und tausend Meilen von seinem Dorf entfernt. Daß der +rothe Hahn in seiner Fibel _kraͤht_ und der lebendige in seinem Hause +_krait_, scheint ihm sehr sonderbar. In der Bibel nennen sich alle Leute +_du_, der Unterlehrer sagt zum Oberlehrer _sie_, er aber ist gewohnt, +bloß seine Kameraden zu dutzen, Vater, Mutter und andere Erwachsene mit +_he_ und _se_ anzureden. Kommt an ihn die Reihe zu lesen, laut zu lesen, +so nimmt er die Woͤrter auf die Zunge und stoͤßt sie heraus wie die +Scheiben einer Frucht, die er nicht essen mag, weil er sie nicht kennt. +Was er auswendig lernt, lernt er nicht einwendig. Was ihm allenfalls +noch Vergnuͤgen macht, ist der gemeinschaftliche Gesang am Schluß der +Schule und auf Kirchbaͤnken. Von Natur mit einer hellen durchdringenden +Stimme begabt, wetteifert er mit dem Chor um die hoͤchsten Noten, +betaͤubt seinen Kopf und findet eine Art Vergnuͤgen und Erholung darin, +dieselben Verse des Gesangbuches bloß herauszuschreien, die er zu +anderer Zeit auswendig lernen muß. + +Erreicht er das gesetzliche Alter, so wird er konfirmirt. Wer ist froher +als er. Nun tritt er voͤllig wieder in das plattdeutsche Element +zuruͤck, dem er als Kind entrissen wurde. Er hat die ersten Forderungen +des Staates und der Kirche erfuͤllt. Er hat seinen Taufschein durch +seinen Confirmationsschein eingeloͤs't. Ersteren bekam er ohne seinen +Willen zum Geschenk, um letzteren mußte er sich, auch wider seinen +Willen, redlich abplacken. + +Auf beide Scheine kann er spaͤter heiraten und Staatsbuͤrger werden. + +Was ist die Frucht dieses Unterrichts? Er hat rechnen, lesen und +schreiben gelernt. Er kann auch lesen und schreiben, aber er lies't und +schreibt nicht. (Umgekehrt der franzoͤsische Bauer, der kann nicht +lesen, aber er laͤßt sich vorlesen). Ich frage also, was ist die Frucht +dieses hochdeutschen Unterrichts? Welchen Einfluß uͤbt derselbe auf sein +Geschaͤft, auf seine Stellung als Familienvater, Staatsbuͤrger, Glied +der Kirche, der sichtbaren, wie der unsichtbaren? + +Folgen wir ihm, wenn er aus der Kirche kommt. Die Predigt ist +herabgefallen, der Gesang verrauscht wie ein Platzregen auf seinen +Sonntagsrock, zu Hause zieht er diesen aus und haͤngt ihn mit allen +Worten und himmlischen Tropfen, die er nicht nachzaͤhlt, bis zum +kuͤnftigen Sonntag wieder an den Nagel. Frage: kann er die hochdeutsche +Predigt hochdeutsch durchdenken, spricht er mit Nachbaren, mit Frau und +Kindern hochdeutsch vom Inhalt derselben, ist er gewohnt und geuͤbt, ist +er nur im Stande, den religioͤsen Gedankengang in's Plattdeutsche zu +uͤbersetzen? Antwort: schwerlich. Frage: hat ihn die Predigt das Herz +erwaͤrmt, den Verstand erleuchtet? Antwort ein Schweigen. Armer Bauer, +vor mir bist du sicher, ich lese dir daruͤber den Text nicht. Kannst du +etwas dafuͤr, daß der Kanzelton nicht die Grundsaite deines Lebens +beruͤhrt, daß jener Nerv, der von zart und jung auf gewohnt ist, die +Worte der Liebe, der Herzlichkeit, des Verstaͤndnisses in dein Inn'res +fortzupflanzen, nicht derselbe ist, der sich vom Klang der hochdeutschen +Sprache ruͤhren laͤßt. Wer auf der Gefuͤhlsleiter in deine Herzkammer +herabsteigen will, muß wollene Struͤmpfe und hoͤlzerne Schuh anziehen, +in schwarzseidenen Struͤmpfen dringt man nicht bis dahin. Wuͤßte man +nur, begriffe man nur, wie es in deinem einfaͤltigen Kopf zusteht und +daß die hochdeutschen Woͤrter und die plattdeutschen Woͤrter, die du +darin hast sich gar nicht gut mit einander vertragen, sich nicht +verstehn und sich im Grund des Herzens fremd, ja feind sind. Die +plattdeutschen Woͤrter sind deine Kinder, deine Nachbaren, dein alter +Vater, deine selige Mutter, die hochdeutschen sind der Schulmeister, der +Herr Pastor, der Herr Amtmann, vornehme Gaͤste, die dir allzuviel Ehre +erweisen, in deinem schlechten Hause vorzukehren, mit dir vorlieb zu +nehmen, Woͤrter in der Perruͤcke, in schwarzem Mantel, welche deine und +deiner plattdeutschen Wort Familie Behaglichkeit stoͤren, dich in deiner +Luft beeintraͤchtigen, dir bald von Abgaben, bald von Tod und juͤngsten +Gericht vorsprechen, Grablieder uͤber deinen Sarg singen werden, ohne +sich uͤber deine Wiege gebuͤckt und _Eia im Suse_ und andere +Wiegenlieder gesungen zu haben. Armer Bauer, ich habe dich immer in +Schutz genommen und diese Schrift, obgleich du sie nicht lesen wirst, +ist eigentlich nur fuͤr dich und zu deinem Heil und Besten geschrieben. +Viele Leute aus der Stadt klagen dich an, daß du trotz deiner Einfalt +verschmizt bist, trotz deiner Rohheit nicht weniger als Kind der Natur +bist, sie sagen, daß du dir eine und die andere Gewissenlosigkeit gar +wenig zu Herzen nimmst. Aber ich habe ihnen immer geantwortet, unser +Bauer hat nicht zu wenig Gewissen, er hat zu viel. Er hat zwei Gewissen, +ein hochdeutsches und ein plattdeutsches, und das eine ist _ihm_ zu +fein, das andere _uns_ zu grob und dickhaͤutig. Zu diesem wird ihm in +seinem eigenen Hause der Flachs gesponnen, jenes webt ihm die Moral und +die Dogmatik; in dem einen sitzt er wohl und warm und es ist sein Kleid +und Brusttuch so lange er lebt, in dem andern friert ihn und er haͤlt es +nur deswegen im Schrank, um damit einmal anstaͤndig unter die Schaar der +Engel zu treten. + +Ist ihm sein Verhaͤltniß zum Staat durch den hochdeutschen Unterricht +vielleicht klarer geworden, als sein Verhaͤltniß zur Kirche? Erwirbt er +sich durch das hochdeutsche Medium, das einzige, das ihm Aufschluͤsse +uͤber eine so wichtige Angelegenheit geben kann, Kenntnisse von seinen +Rechten und Pflichten im Staats-Verein, ist ihm dadurch ein Gefuͤhl von +Selbststaͤndigkeit, ein Bewußtsein von den Grenzen der Freiheit und des +Zwanges, von Gesetz und Willkuͤhr aufgegangen, Gemeinsinn geweckt: sein +dumpfes egoistisches Selbst zu einem Bruderkreise erweitert, der Wohl +und Weh an allen Gliedern zugleich und gemeinschaftlich spuͤrt? _Wie_ +das alles? Seine Beamte klaͤren ihn nicht auf und er selber — er liest +nicht, er nimmt keine Schrift, kein Blatt zur Hand, er laͤßt sich auch +nicht vorlesen, das ist gelehrt, hochdeutsch, geht uͤber seinen +Horizont, laͤßt sich nicht weiter besprechen, sein Verstand hat kaum +einen Begriff, seine Sprache kein analoges Wort dafuͤr. Armer Bauer. Und +wenn Wunder geschaͤhen und die tausend Stimmen der Zeit, die fuͤr dich +und an dich gesprochen, dein Ohr nicht erreichen, wenn sie sich +verwandelten und ergoͤßen in eine goͤttliche Stimme, die vom Himmel +riefe: Bauer, hebe dein Kreuz auf und wandle — du wuͤrdest liegen +bleiben und sprechen: das ist hochdeutsch. + +Wie er seine Acker vorteilhafter bestellen, seine Geraͤthe brauchbarer +einrichten, nuͤtzlicher dieses und jenes betreiben, wohlfeiler dieses +und jenes haben koͤnne, das lehren ihn Blaͤtter und Schriften, von +Gesellschaften oder Einzelnen herausgegeben, vergebens: er liest sie +nicht. Schlaͤgt man ihm sonstige Verbesserungen und Veraͤnderungen vor, +so schuͤttelt er den Kopf und bleibt starrsinnig beim Alten. _Dat geit +nich, dat wil ik nich, dat kan ik nich, ne dat do ik nich_; +ungluͤckselige, stupide Worte, wie viele beabsichtigte Wohlthaten macht +ihr taͤglich scheitern, habt ihr scheitern gemacht. Unseliger Geist der +Traͤgheit, der hier mit der Sprache Hand in Hand hinschlentert, mit +dieser vereint, durch diese gestaͤrkt allem Neuen und Bewegenden +Feindschaft erklaͤrt. Wann erlebt der Menschenfreund, daß dieses +unsaubere Paar geschieden wird. Wann erscheint die Zeit, wo diese +Eselsbruͤcke zwischen Gestern und Vorgestern abgebrochen wird, wo die +einzig; moͤgliche Verbindungsstraße zwischen der heutigen Civilisation +und dem norddeutschen Bauer, die hochdeutsche Sprache, diesem wahrhaft +zugaͤnglich gemacht wird? Aermster, ich klage dich ja nicht an, ich +bedaure dich ja nur. + +Oder muß es so sein, muß der deutsche Bauer ein Klotz, ich sage ein +Klotz bleiben. Ist es sein ewiges Schicksal nur die Plage des Lebens und +nicht deßen Wohlthaten zu genießen? Wird sich nicht einmal seine +enggefurchte Stirn menschlich erheitern, ist es unvereinbar mit seinem +Stande, seinem Loose, gebildeter Mensch zu sein, mit gebildeten Menschen +auf gleichem Fuß zu leben, sich nicht allein mit Spaten und Pflug, +sondern auch mit Kopf und Herzen zu beschaͤftigen? + + * * * * * + +Das sind sehr exotische Ideen in Niedersachsen! Ich weiß, ich weiß. Ich +will sie aber aussprechen, ich will sie vertheidigen, ich will das +Meinige dazu thun, daß _einheimische_ Ideen, Fragen und Wuͤnsche daraus +werden. Lange genug ist die Bildung ein ausschließliches Vorrecht +einiger Menschen, gewißer Staͤnde gewesen. Das muß aufhoͤren, gebildet +sollen alle Menschen sein, gelehrt wer will. Volksbildung, und nicht +bloß wie bisher Volksunterricht, soll und wird das Ideal, das +Feldgeschrei der Zeit werden. Unsere Gelehrten, unsere Beamte, unsere +guten Koͤpfe unter den Schriftstellern werden ihren Hochmuth fahren +lassen, sich des Volkes erbarmen, und sich einmal erinnern, daß sie +selber in der Mehrzahl aus dem Volke stammen. Noch im vorigen +Jahrhundert gab sich so ein Gelehrter, Philosoph, Dichter, der +vielleicht aus dem dunkelsten Stande geboren war, die laͤcherliche +Miene, als ob er unmittelbar aus dem Haupt des Gottes der Goͤtter +entsprungen sei und den Olymp besser kenne, als das Haus der armen Frau: +die ihn mit Schmerzen geboren und mit Thraͤnen, Sorgen und Entbehrungen +groß gezogen hatte. Kein Dichter stuͤrmte seinen Schmerz und Unmuth +uͤber die Erniedrigung des Volks in die Saiten, kein Gelehrter schaͤmte +und graͤmte sich, die ihm von Natur naͤchsten und liebsten Wesen von +sich getrennt zu sehn durch eine ungeheure geistige Kluft, welche nur +die Bildung der alten und neuen Welt auszufuͤllen vermogte. Lessing +schreibt den Nathan, und beweist, daß der Jude eben so viel Anspruͤche +habe auf den Himmel als der Christ, aber er schreibt nichts, worin er +beweist, daß der Bauer, sein Vetter, eben so viel Anspruͤche habe den +Nathan zu lesen, als der vornehme und gebildete Stadtmensch. Winkelmann +steht am Fuße des Vatikans und erfuͤllt die Welt mit Orakelspruͤchen +uͤber die Schoͤnheiten des Apoll von Belvedere, uͤber das goͤttliche +zornblickende Auge, die geblaͤhten Nasenfluͤgel, die veraͤchtlich +aufgeworfene Unterlippe, „eben hat er den Pfeil abgesandt nach den +Kindern der Niobe, noch ist sein Arm erhoben,“ und im selbigen +Augenblicke vielleicht, als er dieses spricht, hebt sein Vater, ein +armer Altflicker, gedruͤckt und gebuͤckt uͤber den Leisten hingebogen, +Pfriem und Nadel in die Hoͤhe, blickt mit geisttodten, stumpfen Augen +auf einen Kinderschuh und gewaͤhrt den Anblick eines Menschen, gegen den +gehalten der letzte Sclave des Praiteles, der an die Palaͤste der +altroͤmischen Großen wie ein Hund angekettete Thuͤrwaͤchter apollinische +Gestalten waren. + +Volksbildung, o das Wort hat einen griechischen Klang in meinen Ohren +und ich muß daher fast bezweifeln, ob es auch von meinen Landsleuten +gehoͤrig verstanden wird. Schulleute und Gelehrte werden schon wissen, +was ich meine, ich brauche nur die Woͤrter zu nennen: γυμναςτιχα, +_studia liberalia, id est_, wie mein alter Schuldirektor glossirend +hinzufuͤgte, _studia libero homine digna_. Fuͤr das groͤßere Publikum +muß ich mich wol zu einer etwas umstaͤndlichern Erklaͤrung anschicken +und besonders fuͤr diejenigen, welche nicht begreifen, wie das Volk +nicht bloß unterrichtet, in Lesen und Schreiben geuͤbt, sondern auch +gebildet werden solle. + +Zur Volksbildung, wie zu jeder Bildung gehoͤrt zweierlei, etwas +Negatives und etwas Positives. Sage ich aber vorher, daß ich die Saiten +nicht zu hoch spanne und daß ich so dem natuͤrlichen Muthwillen der +Knaben die ganze koͤrperliche Gymnastik, und der Gunst der Goͤtter ihren +Schoͤnheitssinn, ihre musikalische Praxis und dergleichen uͤberlasse. Im +Negativen ist die Aufgabe der Bildung, die _vis inertiae_ der rohen +Natur vertreiben und bezwingen zu helfen — das Kapitel ist weitlaͤufig — +es besteht aber die _vis inertiae_, die Erbsuͤnde des menschlichen +Geschlechts, darin, daß im Allgemeinen der ungebildete Mensch — was nun +gar der norddeutsche Bauer — Selbstdenken scheut, Vorurtheile pflegt, +fremde Meinungen herleiert, Thier der Gewohnheit, tausendstes Echo, +Sclave von Sclaven ist, besteht, wie schon die Bibel sagt, darin, daß er +Augen hat zu sehen und nicht sieht, Ohren um zu hoͤren und nicht hoͤrt, +besteht, um alles kurz zusammenzufassen, darin, daß er sich seines +eigenen Verstandes, seines eigenen Gefuͤhls, seines eigenen Willens nur +in den wenigsten Augenblicken des Lebens bewußt wird. — Der weichenden +Kraft der Traͤgheit folgt, wie eine elastisch nachdruͤckende Feder, die +allmaͤhlich hervorspringende Kraft der Thaͤtigkeit. Diese soll +beschaͤftigt werden, _angemessenen_ Stoff finden, eine _bestimmte +Richtung_ erhalten. Das ist das Geschaͤft der Bildung im Positiven, das +ist das Saͤen des Weizenkorns, wenn der Acker von Steinen gereinigt, von +unfruchtbarer traͤger Last befreit, durchbrochen, gepfluͤgt und +gefurcht. Trieb, Lust und Kraft zum Verarbeiten des Saamenkorns in sich +spuͤrte. Mensch und Acker, diese beiden uraͤltesten, natuͤrlichsten und +durch den religioͤsen Stil aller heiligen Urkunden gleichsam geweihten +Vergleichungsobjekte, sind sich hauptsaͤchlich darin aͤhnlich, daß der +Schoͤpfer uͤber beide das Wort ausgesprochen hat: erst gepfluͤgt und +dann gesaͤet — erst den starren traͤgen Zusammenhang der Oberflaͤche, +der Gemuͤthsdecke durchbrochen, dann hinein mit dem lieben Korn und — +jedem Feld das seinige nach Art des Beduͤrfnisses, nach Guͤte und +Beschaffenheit des Bodens[4]. + +Lehrer, wollt ihr mehr als Lehrer, wollt ihr Bildner des Volks sein, +lehrt denken, denken und abermals denken. Gedankenlosigkeit fuͤr eine +Suͤnde, bestraft sie wie einen Fehler, bindet meinetwegen euren +Schuͤlern ein symbolisches Brett vor den Kopf oder stellt sie mit dem +Kopf an die bretterne Wand, oder haͤngt ihnen, wie die Englaͤnder thun, +Eselsohren an, oder setzt sie, wie unsere Alten thaten, mit dem Steiß +auf hoͤlzerne Esel und vor allen Dingen, huͤtet euch, selbst die Esel zu +sein. + +Ich bin aber gar nicht gesonnen, bloß den Lehrern _ex professo_ die +Volkserziehung anheim zu stellen — ihnen dieselbe auf den Stuͤcken zu +laden, sollte ich wol sagen, bedenke ich das Loos so vieler tausend +braven Maͤnner, die bei kuͤmmerlichem Brod ihre taͤgliche Noth und Sorge +haben. Nur immer die Lehrer, nur alles auf ihre Kappe, nur alle Sorge, +allen schlechten Erfolg der Erziehung auf ihren Antheil gewaͤlzt. Das +ist bequem, bequem freilich, aber nicht patriotisch. Jeder Patriot ist +gelegentlich und er sucht die Gelegenheit — Erzieher, Bildner der +Menschen, in deren Umgebung er lebt, hier hebt er einen Stein auf, dort +ist sein Wort eine Pflugschaar, welche ein Stuͤck harter Kruste +aufreißt, dort ein Saamenkorn, das sich heimlich und zu einstiger Frucht +in die Spalten des Gemuͤths einsenkt. + +Volksbildung, Wunsch meiner Wuͤnsche, Ideal, nicht traͤumerisches, +abgoͤttisches, ruͤckwaͤrts gewandtes, aufwaͤrts in den leeren Himmel +blickendes, ich glaube an Dich; Ideal, das keinem Dichter vielleicht +Stoff zum Besingen gibt, das vielleicht unter der Wuͤrde des +Metaphysikers steht, das die scholastische Zunft Ketzerei schilt und der +Politiker belaͤchelt, Ideal meiner Seele, Ideal aller Patrioten, im +Namen aller spreche ich es aus, ich glaube doch und noch immerfort an +Dich. + +Laßt ihr gebildeten Niedersachsen die alten Feudalvorurtheile uͤber den +Stand eurer Bauern die unreifen Ansichten uͤber ihre Bildungsfaͤhigkeit +fallen und fahren; erstere sind so roh, wie leider der Bauernstand jetzt +noch selber, letztere so intellektuell hochmuͤthig, wie man nur immer +von einem Stand exklusiv Gebildeter im und uͤber'm Volk erwarten kann. +Bedenkt aber, was ich sage. Ein Leibnitz, zehn Jahr mit sich allein im +dunkeln feuchten Kerker, kann so dumm und albern werden, daß +Gaͤnsejungen und Kuhhirten ihren Witz an ihm versuchen. Nun, Monaden +sollen unsere Bauern freilich nicht erfinden, Leibnitze nicht werden, +aber doch mit denselben Atomen _ihres Hirns_ uͤber die Erscheinungen in +der Welt, uͤber Natur und Staat ihre Begriffe zusammensetzen, verbinden +und aufloͤsen, Gedanken bilden, Urtheile faͤllen und uͤberhaupt sollen +sie geistige Operationen vornehmen, welche in Leibnitzens Kopf schaͤrfer +oder abstrakt einseitiger durchgefuͤhrt die Lehre von urtheilbaren +beseelten Weltstaͤubchen zum Resultat hatten. + +Doch, das alles wird euch ein mecklenburgischer Bauer besser +auseinandersetzen — wenn ihr nach einem Hundert oder Zweihundert Jahren +zu _reveniren_ Gelegenheit finden solltet. + + * * * * * + +Im vorherigen Abschnitt habe ich besonders oder ausschließlich nur auf +die durch die herrschende plattdeutsche Sprache verhinderte und daher +auch trotz dem Unterricht im Hochdeutschen verfehlte Bildung des +Landmanns Ruͤcksicht genommen[5]. Es ist aber auch schwer, wenn von der +gewerbtreibenden Klasse, der großen Bevoͤlkerung _norddeutscher Staͤdte_ +die Rede ist, die Hemmung und Stockung zu verkennen, welche die +plattdeutsche Sprache, wo sie dem taͤglichen Umgang angehoͤrt, uͤber die +Koͤpfe verhaͤngt. Man stoͤßt sich da, wo der Block liegt, nur sind die +Pfaͤhle, welche den engen plattdeutschen Ideenkreis in der Stadt wie auf +dem Lande begrenzen und umpfloͤcken, hier mehr roh, dort mehr +spießbuͤrgerlich abgeschaͤlt und hollaͤndisch uͤberpinselt, das ist der +Unterschied. Doch giebt es besonders aus groͤßeren norddeutschen +Staͤdten, eine erfreuliche Thatsache zu berichten. Viele aus den +mittleren achtbaren Staͤnden, Handwerker u.s.w. haben in neuer und +neuester Zeit angefangen, sich und ihren Familien eine andere Stellung +zur hochdeutschen Sprache und Kultur zu geben, als von ihren Vaͤtern +und Vorfahren eingenommen wurde. Ruͤhmlich ist es, was diese fuͤr ihre +Kinder thun, mit wie viel Opfern sie oft ihren Lieblingen Gelegenheit +verschaffen, sich fuͤr ihren kuͤnftigen Stand so zu befaͤhigen, daß sie +nicht, wie jetzt noch die Meisten aus dieser Klasse, mit leeren Haͤnden +und offenen Maͤulern den Strom der Einsichten, Ideen, Kenntnisse und +Bestrebungen an sich voruͤberrauschen sehen, der Europa, Amerika, die +Welt erfuͤllt. Ruͤhmlich und verstaͤndig zugleich, denn es leitet sie +der richtige Takt in der Beobachtung, daß Besitz und Vermoͤgen in der +Welt immer mobiler werden, daß im raschen Wechsel der Dinge, außer dem +blinden Gluͤck, worauf zu rechnen Thorheit waͤre, Verstand und +Kenntnisse, die aͤchten Magnete sind, um den aus den Taschen der +Erwerbenden und Genießenden lustig hin und her wandernden Besitz +anzuziehen, zusammenzuhalten und zu vermehren. + + * * * * * + +Waͤhrend der niedersaͤchsische Bauer bis uͤber Kopf und Ohren im +Plattdeutschen steckt, der Buͤrgersmann aber schon anfaͤngt, sich +zwangloser, als bisher, des hochdeutschen Mediums zu bedienen, sollte +man vom Gebildeten _par exellence_, vom Musensohn, vom Beamten des +Staats und der Kirche u.s.w. aussagen duͤrfen, daß er sich mit voͤlliger +Freiheit und Lust in hochdeutscher Sprache und Bildung bewegte und vom +plattdeutschen Idiom nur außer und unter diesem Kreise Gebrauch machte. +Allein die Sache verhaͤlt sich anders. Ich muß in dieser Hinsicht +Gedanken aͤußern, Erfahrungen mittheilen, welche meinem Gegenstande eine +ganz eigentuͤmliche uͤberraschende Wendung geben. + +Thatsache ist naͤmlich, daß die plattdeutsche Sprache Haus- und +Familiensprache in Tausenden von Beamtenfamilien, Lieblingssprache auf +allen norddeutschen Universitaͤten ist. Diese Sprache also, die ich als +Schranke alles Strebens und Lebens, als Feindin der Bildung betrachte, +ist dieses so wenig in den Augen vieler meiner Landsleute, daß sie den +vertrautesten Umgang mit ihr pflegen, daß sie ihr, der von Kanzel und +Lehrstuhl und aus guter Gesellschaft laͤngst Vertriebenen, eine +Freistaͤte am Heerde ihres Hauses gewaͤhren. + +Hier im Schooß der Familien erscheint sie als Exponentin der innigsten +Verhaͤltnisse. In Scherz und Ernst fuͤhrt sie oft das Wort, sie ist +Vertraute der Gattenliebe, Organ der Kindererziehung, Sprache des +Herzens, Lehrmeisterin der Sitte und praktischer Lebensklugheit. Hier +hat sie auch meistens ihre Rohheiten abgelegt, kehrt die beste Seite +heraus und scheint sich, gleichsam durch ihr Ungluͤck gebessert, des +Vertrauens wuͤrdig zu machen. + +Kommt hinzu, daß ihre Schutzherrn nicht selten Maͤnner von Talent, Geist +und Namen sind. Beruͤhmte Lebende koͤnnte ich anfuͤhren, ich begnuͤge +mich den seligen Johann Heinrich Voß zu nennen, der nicht allein in +Eutin, sondern noch in Heidelberg bis an seinen Tod mit Frau, Familie +und norddeutschen Gaͤsten am liebsten und oͤftersten plattdeutsch +sprach. + +Das sind Thatsachen. Wie gleiche ich sie aus mit der Behauptung, die +plattdeutsche Sprache sei Feindin der Bildung, des Ideenwechsels, der +geistigen Lebendigkeit; jetzt, da ich selbst nicht umhin konnte, Maͤnner +von Geist und Talent, von Gelehrsamkeit, rastloser Thaͤtigkeit, Maͤnner +wie Voß als plattdeutsche zu bezeichnen? + +Freilich, ich koͤnnte den nachteiligen Einfluß der plattdeutschen +Sprache eben nur auf das Volk und die Volksbildung beschraͤnken. Ich +koͤnnte mich etwa, um dem _gebildeten Plattdeutschen_ allen Anstoß aus +dem Wege zu raͤumen, folgendermaßen daruͤber ausdruͤcken: _absolut dem +Geiste lethal_ ist das Plattdeutsche nur, wo hochdeutsch, sanskrit und +boͤhmische Doͤrfer gleich bekannt sind, wie hie und da in Pommern und +Meklenburg; was denn von den groͤßten Freunden des Plattdeutschen +zugegeben werden muͤßte, da gar nicht zu laͤugnen, daß an sich und fuͤr +sich dasselbe nichts Lebendes und Bewegendes enthalte, sondern Todt und +Stillstand selber sei; _geistig hemmend und laͤhmend_ bleibt aber das +Plattdeutsche immer noch aus der Stufe der Gesellschaft, wo ihm zwar +das Hochdeutsche verstaͤndlich naͤher getreten, aber noch als ein +Fremdes gegenuͤber steht; _ohne schaͤdlichen Einfluß und gleichsam +indifferent fuͤr Geist und Bildung_ zeigte sich die plattdeutsche +Sprache, da, wo sie der hochdeutschen nicht als Fremde gegenuͤber steht, +sondern schwesterlich zur Seite geht. + +Allein, ich fuͤrchte, _indifferent_ ist ein Ausdruck, der hier schon aus +allgemeinen psychologischen Gruͤnden unstatthaft erscheint. Zwei +Sprachen auf der Zunge sind zwei Seelen im Leibe. Ist die eine Sprache +die geliebtere, die Herzenssprache, so ist die andere, fuͤr welche +Zwecke sie auch aufgespahrt wird, um ihren schoͤnsten Anteil am Menschen +zu kurz gekommen. Sie raͤcht sich, indem sie das nicht zuruͤckgiebt, was +sie nicht empfaͤngt, sie schließt ihre innerste Weihe nicht auf und +laͤßt sich wol als aͤußeres Werkzeug mit großer Kunst und Kuͤnstelei, +aber nicht als zweites Ich mit Liebe und Freiheit gebrauchen. + +Der hochdeutschen Sprache verdankt jeder Niedersachse sein veredeltes +Selbst, ihr der aus dem Volk geborne Redner, Dichter, Schriftsteller +sein Alles und Ruf und Namen im Kauf. Kann er ihr sein Herz dafuͤr nicht +zuruͤckschenken, kann er sie nicht zur Sprache seiner haͤuslichen +Freuden und Leiden machen, muß sie verstummen, sobald er gemuͤthlich +wird, so steht sein gebildetes und veredeltes Selbst im geheimen +Kontrast zu seinem intimen Selbst und es wird sich daher auch an seiner +Bildung, an seinen Gedichten, Reden, Schriften diese Einseitigkeit, +dieser Widerspruch offenbaren und nachweisen muͤssen. + +Menzel hat's bekanntlich an Johann Heinrich Voß unternommen. Die Stelle +in Menzels Literatur, die Voß betrift, ist bitter, frivol, einseitig, +aber sie ist bedeutend und hat dieselbe nachwirkende Sensation +hervorgebracht, wie das Urtheil uͤber Goͤthe, das freilich noch +einseitiger ausgefallen ist und sich selbst _à la_ Pustkuchen +laͤcherlich machte. Als ich Menzels Worte zum erstenmal las, fuͤhlt ich +mich empoͤrt. Zeig dich nur erst als so einen _niedersaͤchsischen +Bauer_, wie du den Voß zum Spotte nennst, rief ich im Zorn aus; allein +ich mußte mir einen Augenblick darauf selbst sagen, daß diese Anmuthung +an einen Suͤddeutschen weder billig noch selbst einladend genug klang +und daß doch zugleich eben in meinem Ausrufe eine Art von halbem +Zugestaͤndnisse lag. Wirklich hatte ich schon immer eine Ansicht uͤber +Voß als Dichter und Uebersetzer gehegt, die bei aller Achtung Vor dessen +großen, zweifellosen Verdiensten, durchaus nicht nach uͤbertriebener, +philologischer Bewunderung und niedersaͤchsischem Patriotismus roch. Ich +fand, daß er dem Genius der deutschen Sprache von Jahr zu Jahr mehr +Zwang angethan, daß er zu roh und willkuͤhrlich an ihr gezimmert und +losgehaͤmmert und daß kein Deutscher, selbst Voß nicht, solche Woͤrter, +Wendungen und Redensarten in den Mund nehmen konnte, wovon seine +prosaischen und poetischen Schriften voll sind. Gegenwaͤrtig lautet mein +Urtheil vielleicht noch entschiedener. Ich sehe an Johann Heinrich Voß +bestaͤtigt, was ich eben aussprach. Die hochdeutsche Sprache hatte seine +Liebe nicht voͤllig inne, daher erschloß sie ihm nicht ihr eigenes Herz, +ihre Heimlichkeiten und Geheimnisse, ihre jungfraͤuliche Natur, die +Bluͤthe ihres Leibes und Geistes, lauter Gaben und Geschenke, die man im +zaͤrtlichen Umgang freiwillig von der Geliebten eintauscht, nicht aber +durch Willkuͤhr und Zwang ihr abgewinnen kann. + +Indem ich dieses allen Gebildeten in Niedersachsen zu bedenken gebe, bin +ich keinesweges abgeneigt, einer patriotisch-wohlmeinenden Stimme aus +ihrer Mitte Aufmerksamkeit zu schenken, welche die Ueberzeugung aͤußert, +der Gebrauch der plattdeutschen Sprache in den Familien gebildeter +Niedersachsen, welchen Einfluß er auch uͤbe auf die intellektuellen +wahren oder ertraͤumten Beduͤrfnisse, auf die verfeinerte Civilisation, +Bildung oder Verbildung der Zeit — ich schattire absichtlich diese +Ausdruͤcke mit dem bekannten Pinsel, der ohne Zweifel aus guter aber +beschraͤnkter Absicht alles was der Gegenwart und der neuesten Zeit +angehoͤrt gegen die gute alte im Schwarzen und Bedenklichen laßt — der +Gebrauch sei ein guter und treflicher in Ruͤcksicht auf den Charakter +der Hausgenossen, weil mit der Sprache der Vaͤter auch ihre alte +ehrliche und treue Sitte, ihre Herzlichkeit, Gradheit und Biederkeit +sich auf die Enkel fortpflanze. + +Aufrichtig, du mir immer liebe Stimme, wenn da aus schlichtem, +patriotischem Herzen kommst, ich weiß nicht ob unsere Urgroßvaͤter so +ganz diesem schmeichelhaften Silbe glichen. Es ist sonderbar damit, man +spricht immer von der guten alten Zeit und jedes aussterbende Geschlecht +vermacht die Sage davon an das aufbluͤhende und die gute alte Zeit +selbst laͤßt sich vor keinem sterblichen Auge sehn und ist immer um +einige Stieg Jahre aͤlter, als die aͤltesten lebenden Menschen. Ich muß +laͤcheln, wenn ich an die Verlegenheit wohlmeinender Chronisten und +Geschichtschreiber denke, wenn sie, um das moralische Maͤhrchen nicht zu +Schanden werden zu lassen, sorgenvoll spaͤhende Blicke in die +Vergangenheit werfen, um auch nur einen Zipfel, einen Saum von der +Schleppe der alten Guten oder guten Alten zu erhaschen. Man gebe nur +Acht, wie listig sie sich dabei benehmen. Sie lassen ihr nie unmittelbar +ins Gesicht sehen, sie sagen nicht, nun kommt sie, oder da ist sie; im +Gegentheil wimmeln die Blaͤtter ihrer Geschichte nicht selten eben +vorher von klaͤglichen Zustaͤnden, Schwaͤchen, Lastern und +Erbaͤrmlichkeiten der menschlichen Natur, wenn sie dem Abschluß einer +auserwaͤhlten, kleinen, glaͤnzenden Periode sich naͤhern; dann aber, +wenn der Vorhang faͤllt, die grellen Farben sich schwaͤchen, die boͤsen +Beispiele nicht mehr so lebhaft der Idee von guten Sitten +entgegenarbeiten, wenn das Bild der Zeit abzieht, dann zeigen sie auf +ihren bordirten Saum und rufen dem Zuschauer wehmuͤthig zu, da geht sie, +da geht sie hin die gute alte Zeit und nun werden die jungen Zeiten +anwachsen, ihre Kinder, die sind aber sehr ausgeartet und werden alte +Zeit schlechter. Das man die Geschichte der Sitten von einem ganz andern +Standpunkt und mehr im Großen der Welterscheinungen betrachten muß, das +ahnen die guten Leute nicht. + +Fuͤr jeden Einzelnen ist es freilich immer eine Sache der Pietaͤt und +ein wohlthuendes Gefuͤhl, sich seine Vorfahren als durchgaͤngig honette +Leute vorzustellen. Der dunkele Buͤrgerliche oder Baͤuerliche kann +dieser Vorstellung wenigstens ohne großen geschichtlichen Anstoß und +Widerspruch nachhaͤngen, er hat hierin einen Vortheil vor den +beruͤhmtesten Adelsfamilien voraus. So ist in hochdeutschen +buͤrgerlichen Familien die Vorstellung vom Großvater, Urgroßvater als +altdeutschen Degenknopf die herschende und die liebste. Schwaͤcher und +allgemeiner bezeichnet sind die _epitheta ornanti_ fuͤr baͤuerliche +Vorfahren, Degenknoͤpfe kann man sie schicklicherweise nicht nennen und +der Bauerwitz ist bis jetzt noch nicht auf den Einfall gekommen, etwa +die Ausdruͤcke von alten deutschen Piken, Sensen oder Messerscheiden auf +sie anzuwenden. Ueberhaupt ist zu bemerken, daß das Wort deutsch nur +hochdeutsch ist, und im originalen plattdeutsch des gemeinen Lebens +nicht vorkommt, eben so wenig, wie die fruͤherhin angefuͤhrten Woͤrter +Bildung und Verfassung, so daß die Redensart „das gebildete und +verfassungsmaͤßige Deutschland“ in plattdeutscher Sprache noch weniger +als eine Redensart und gar nichts ist. + +Nach dieser vorlaͤufigen Verstaͤndigung waͤre zunaͤchst der Hauptsatz +einzuraͤumen, mancherlei alte Sitte geht durch den Gebrauch der +plattdeutschen Sprache auf die Glieder der Familie uͤber, und — +_Folgesatz_ — wird ihnen zeitlebens etwas ausdruͤcken oder anhaͤngen, +was sich nicht wol mit ihrer sonstigen Bildung vereinigen, sich nicht +fuͤr die Zeit und heutige Gesellschaft schicken will — das aber — _Nach- +und Beisatz_ — den Umgang mit dem Volk, das Einwirken auf das Volk zu +erleichtern geeignet sein mag. + +Letzteres betrachte ich in der That fuͤr sein unwichtiges Moment. Man +sieht hier den Gebrauch der plattdeutschen Sprache in Prediger- und +Beamtenfamilien unter seinen natuͤrlichsten und vortheilhaftesten +Gesichtspunkt gestellt. Diese Familien, meistens selbst vom Lande und +auf dem Lande besitzen und erregen nicht selten das Vertrauen des +Landmanns und wie es andere Familien zum Beispiel in der Stadt giebt, in +deren Mitte er sich fuͤr verrathen und verkauft halten wuͤrde, so trift +er in jenen gleichsam naͤhere und entfernte Anverwandte und sieht in +deren haͤuslichem Leben wie in einen Spiegel, worin sein eigenes mit +verschoͤnerten Zuͤgen ihm vertraulich entgegentritt. + +Doch ist keiner geringen Anzahl von diesen Familien die hoͤchst +dringende Warnung zu ertheilen, vor dem allmaͤhligen herabsinken auf die +baͤuerliche Stufe der Kultur auf der Hut zu sein. Da sich im +Plattdeutschen einmal nichts Gescheutes sprechen laͤßt, so nimmt die +plattdeutsche Gemuͤtlichkeit nur zu leicht den Charakter der Traͤgheit +an. Das Beduͤrfniß bedeutenderer Conversationen, zarterer Beruͤhrungen, +die nur in einer gebildeten Sprache moͤglich sind, regt sich immer +schwaͤcher, die einfache Sitte verwandelt sich in rohe, das Herzliche +ins Laͤppische, das Gerade in's Plumpe, das Derbe in's Ungeschlachte und +es tritt nur zu oft jener traurige Ruͤckschritt der Civilisation ein, +den man Verbauerung nennt. Damit ist dem Bauer auch nicht geholfen, der +Familie, den Kindern noch weniger. + +Wer sich also in seiner Neigung und Vorliebe fuͤr das Plattdeutsche im +Haͤuslichen auf einen Heros der deutschen Literatur wie Johann Heinrich +Voß oder einen Pfarrer, wie Klaus Harms zu berufen gedenkt, der thut +wohl, sich zuvoͤrderst die Fragen vorzulegen: bist du des Umschwungs +deines geistigen Raͤderwerks auch so gewiß und sicher, wie jene, laͤufst +du keine Gefahr, dich fuͤr die Wissenschaft abzustumpfen, die Bewegung +der Zeit aus dem Auge zu verlieren; darfst du nicht befuͤrchten, dich +und deine Familie an den Bettelstab des Gedankens zu bringen, deinen +Kindern eine unersaͤtzliche Zeit zu rauben, sie unerzogen in die Welt zu +stoßen und mit deinem ganzen Hause an den untersten Fuß der Civilisation +herabzugleiten? + +Das moͤgten doch immer Fragen sein, die einer aͤngstlich gewissenhafter +Beantwortung werth sind. + + * * * * * + +Aber die plattdeutsche Sprache, ist, wie erwaͤhnt, Lieblingssprache auf +allen norddeutschen Universitaͤten und das wenigstens wird ihr waͤrmster +Freund nicht gut heißen koͤnnen. + +Hier tritt sie als gefaͤhrlichste Bundesgenossin aller jener +zahlreichen Uebel und Hemmnisse auf, die sich von Anfang an auf unsere +Universitaͤten verschworen zu haben scheinen, um die Humanitaͤt im Keim +zu ersticken. Hier legt sie die idyllische ehrbare Miene ab, wodurch sie +sich in laͤndlichem Pfarrhause Frau und Toͤchtern empfiehlt, zwanglos +grob, ungenirt gemuͤtlich wandert sie in den Auditorien aus und ein, den +Mund immer offen und nur pausirend, wenn der Professor spricht und der +Student Religionsphilosophie, Metaphysik, Naturlehre und andere +hochdeutsche _sublimia_ in sein Heft eintraͤgt. Zum Teufel ihr Herren +_favete linguis!_ wie kommt die Sprache Boͤotiens in Minervens Tempel. +Ihr koͤnnt freilich antworten, wie kommt Minervens Tempel zu unserer +Universitaͤt, die nur eine alte wankende Ruine aus dem Mittelalter ist. +Recht! aber wo euer Fuß hintritt, da soll Athen sein, geweihter Boden +sein — _soll_, sage ich, denn warum sonst haben die Goͤtter dem +jugendlichen Fuß die Sehne der Ungeduld und des heiligen Zorns +verliehen, die mit einem Tritt zerstampft, was das Alter mit beiden +Haͤnden nicht aus dem Wege schaffen kann, warum anders, als damit ihr +Schoͤneres, Besseres, Heiligeres aus dem Boden zaubern sollt. Ihr +versteht mich nicht? Ich verstehe euch auch nicht, ich verstehe die edle +norddeutsche Jugend nicht, die sich auf dem Musensitz einer Sprache +bedient, die dem Dunkel des Geistes, der Barbarei vergangener Zeiten +angehoͤrt. Macht es dieser Jugend Scherz, ihre eigenen Studien, das +akademische Leben, den duͤrren Scholastizismus und die Pedanterie des +akademischen Instituts zu parodiren, zu travestiren, so sehe ich +allerdings weder großen Uebermuth in diesem Scherze, noch verkenne ich, +wie sehr die plattdeutsche Sprache, ja schon ihr Klang, zu diesem Zweck +sich eignet[6]; allein Scherz muß Scherz, das heißt fluͤchtig und +wechselnd bleiben, und wenn derselbe Scherz und dieselbe Travestie drei +Jahre alt wird, so muß man ein sehr ernsthaftes und langweiliges Gesicht +dazu machen. + +Kann man nicht heiter, gesellig, witzig, selbst wenn Lust und Laune +danach, derb und spaßhaft im Element des Hochdeutschen sein. Ist die +Sprache unserer Bauern humoristischer als die Sprache Abrahams a Sancta +Clara, Lichtenberg, Jean Pauls. O ich kenne die niedersaͤchsischen +Witze, sie stehen alle in einem kleinen grobloͤschpapiernen Buch mit +feinen Holzschnitten, das jaͤhrlich in diesem Jahre gedruckt wird. Es +tritt darin auf „der Ruͤbezahl der Luͤneburger Haide,“ der Repraͤsentant +des niedersaͤchsischen Volkshumors, der geniale Till und ruͤlpst auf die +anmuthigste Weise lauter Witze vor sich hin, die aus einer Zeit stammen, +wo das Volk nur den groben Wanst, dagegen die Ritterschaft den Arm, die +Geistlichkeit den Kopf des Staatsungeheuers repraͤsentirte. + +Oder was zieht ihr vor an der plattdeutschen Sprache? Ich weiß die +Antwort nur zu gut, „sie macht uns Spaß[7]; sie ist uns gemuͤthlich.“ +Chorus von Goͤttingen, Rostock, Greifswalde, Kiel, sie macht uns Spaß, +sie ist uns gemuͤthlich, es wird uns wohl dabei! Auch in Jena, +Heidelberg, Berlin, Bonn, wohin wir kommen und wo unserer zwei bis drei +beisammen sind, da ist sie mitten unter uns. Sie gehoͤrt mit zum Wesen +der norddeutschen Landsmannschaft und das waͤre kein braver Holsat oder +Meklenburger, oder Oldenburger, der nicht wenigstens drei Plattituͤden +am Leibe haͤtte, plattes (Muͤtze) auf dem Kopf, plattes (Mappe) unter'm +Arm und das liebe Platt im Munde. + +O Jugend, akademische, Bluͤthe der Norddeutschen, sei nicht so duftlos. +Dufte etwas nach dem Geist der Alten — ich meine nicht deiner eigenen — +bethaue deine Bluͤthen und Blaͤtter mit etwas Naß aus der Hippokrene, +durchdringe sie mit etwas Oel aus der Lampe der Philosophie, empfinde, +fuͤhle wenigstens nur die heiße Thraͤne des Unmuts und des Schmerzes, +die der Genius deines Vaterlands auf dich herabtraͤufelt. + +O Jugend, akademische, ihm ist uͤbel, wenn dir wohl ist. Mephistopheles +freilich lacht und spoͤttelt dazu und wenn er dich in Auerbachs Keller +platt und wohlbehaglich sitzen sieht so ruft er seinem Begleiter zu: + + Da siehst du nun, wie leicht sich es leben läßt? + Dem Völkchen da wird jeder Tag zum Fest. + +Wie hat sich seit den Tagen des Faustus die Welt veraͤndert, was ist +nicht alles in den letzten 30, in den letzten 13, in den letzten 3 +Jahren geschehen und dieses Voͤlkchen ist noch immer das alte geblieben? +Wo kommt es her? Wo geht es hin? + +Es gibt Ausnahmen, wie sollte es nicht. Aber ich spreche, wie immer in +dieser Schrift, vom großen Haufen, und der ist auf unsern Universitaͤten +noch immer der alte Stamm und das Plattdeutsche seine hartnaͤckigste +Wurzel. + +Es hat fast den Anschein, als muͤßte der Bauer erst mit gutem Beispiel +vorangehn und die Sprache der Bildung gegen den Dialekt der Rohheit +eintauschen, ehe der Student sich dazu entschließt. + +Wie noͤthig thaͤte es Manchem, um auch nur den aͤußern Schein seines +Standes im Gespraͤch und Umgang mit Gebildeten zu retten. Ich schaͤme +mich's zu sagen, welche Erfahrungen ich gemacht habe. + +Wie noͤthig aber thut es Jedem, sich unablaͤssig in einer Sprache zu +bewegen, die ihm erst zu der Herrschaft uͤber sein Wissen verhelfen +soll; wie noͤthig Jedem, sich einer Sprache zu entschlagen, welche diese +Herrschaft mißgoͤnnt und streitig macht, welche wie das lichtlose dumpfe +Chaos dicht hinter seiner aufzubauenden Welt lauert. + +Ohnehin fordert die hochdeutsche Sprache Uebung, viel Uebung. Sie faͤllt +Einem nicht so in den Mund, wie dem Franzosen das franzoͤsische. Das +Talent sich fertig und gelaͤufig auszudruͤcken, ist immer noch ein +selteneres, am seltensten in Nord-Deutschland. Sprache und Gedanke, +Sprache und Gelehrsamkeit stehen haͤufig im ungeheuersten +Mißverhaͤltniß. Fern sei es von mir, den bloßen Fluß der Worte, die +Geschwaͤtzigkeit als eine Tugend zu preisen. Aber diese Wortangst, diese +Wortplage, die so viele Sprechende befaͤllt, dieses Stottern, Ringen, +Raͤdern und Braͤchen, das am Ende oft doch nur etwas Verschrobenes oder +Triviales zu Tage foͤrdert, das alles deutet bei unsern Gelehrten auf +eine klaͤgliche Unangemessenheit zwischen todtem Studiren und lebendigem +Umtausch hin. + +Von dieser Seite betrachtet zeigt sich der geruͤgte Uebelstand auf +norddeutschen Universitaͤten im haͤßlichsten Licht. Der tuͤchtigste Kopf +kann sich kaum vor der Masse des Fertigen, Vorgedachten, Positiven +erwehren, das so regelmaͤßig wie der Rinnenguß einer Wassermuͤhle Tag +fuͤr Tag auf ihn eindringt. Es gehoͤren elastische Denkfibern, +gluͤckliches Gedaͤchtniß (auch gluͤckliches Vergessen) und vor allem +Freundesgespraͤche dazu, um die ewige Nothwehr mit Erfolg fortzusetzen +und das heiligste Gut der Persoͤnlichkeit, das Stoffbeherrschende, +selbstbewußte, selbstdenkende Ich siegreich davonzutragen. Vor allem +Freundesgespraͤche, sage ich. Einsames Lernen, stilles Sammeln, +Betrachten, Denken sind nothwendig; aber wer nicht spricht, erstickt, +wird verwirrt, chaotisch und das eben ist der geistige Zustand der +meisten jener Gelehrten, deren Sprechen ich so eben als Sprachangst und +Sprachplage bezeichnet habe. + +Mit welchen Farben soll ich den barocken, laͤcherlich traurigen +Geisteszustand einer plattdeutschen Studentenmasse schildern. _Ochsen_ +nennt sie selbst die mechanische Arbeit, die sie zum Behuf des Examens +taͤglich vornimmt. Jeden Tag schiebt sie fleißig ihren Karren Pandekten, +Dogmatik u.s.w. in die Scheune ihres Gedaͤchtnisses. + +Liegt da das taͤgliche Pensum zu Hauf, so spannt sie sich aus, laͤßt's +liegen, wo es liegt und — wird gemuͤthlich, plattdeutsch. + +_Humaniora_, erfrischende, belebende, hoͤher hinantreibende Vortraͤge, +hoͤrt sie nicht, oder bekommt sie nicht zu hoͤren, da leider an vielen +Orten die _Humaniora_ nur als Antiquitaͤten gelesen werden. + +Klingt es nicht manchmal als Ironie, wenn der Bauer seinen Sohn, oder +des Amtmanns, Schulzen, einen Studeermakergesellen nennt? — O +norddeutsche, studirende Jugend, nimm das platt aus dem Munde! + + * * * * * + +Bis hierher hatte ich das Niedergeschriebene einem Freunde vorgelesen. +Ich fragte diesen um sein Urtheil. Ich bin uͤberrascht, sagte er nach +einigem Zoͤgern: Ich habe uͤber den Einfluß der plattdeutschen Sprache +bisher nicht weiter nachgedacht, und das moͤgte wohl der Fall mit den +meisten kuͤnftigen Lesern dieser Bogen sein. Nichts destoweniger habe +ich diesen Einfluß dunkel und unangenehm empfunden; er macht, besonders +wenn man aus dem Suͤden zuruͤckkehrt, einen aͤhnlichen Eindruck, wie die +veraͤnderte Athmosphaͤre, die fahle Luft und das haͤufige Regenwetter +des Nordens. Man findet sich darein, wie in ein nothwendiges Naturuͤbel. +Allein mit der Sprache ist es wol ein Anderes. Sie haben Recht, wenn Sie +einmal fruͤher aͤußerten, man muͤsse sich selbst gegen das Nothwendige, +das der physischen oder moralischen Ordnung angehoͤrt, in Position +setzen. Sie haben mir, darf ich sagen, ordentlich die Brust erleichtert, +indem Sie mich auf einen bestimmten Landesfeind aufmerksam machen, mit +dessen Vertilgung das Feld fuͤr die norddeutsche Civilisation gewonnen +scheint. Das wird und muß nach Lesung Ihrer Schrift, das Gefuͤhl aller +Patrioten sein, denen es in dieser Zeit wie Alpdruͤcken auf dem Herzen +liegt. O wohl! o wohl! Die plattdeutsche Sprache ist das absolute +Hemmniß des oͤffentlichen Lebens, der Bildung und Humanitaͤt in +Niedersachsen. So lange diese Sprache dem gemeinen Leben angehoͤrt, +werden, wie bisher, Mastochsen, Gaͤnsebruͤste und westphaͤlische +Schinken die Hauptprodukte unserer Civilisation bleiben. Gegen die +Civilisation selbst macht die plattdeutsche Sprache nicht allein +gleichguͤltig, sondern tuͤckisch und feindselig gestimmt. Warum ist das +nicht laͤngst zur Sprache gebracht, Gegenstand des allgemeinsten und +lebhaftesten Interesses geworden. + +Sie vergessen, sagte ich, daß Voß, Harms, Scheller, Baͤrmann und andere +wackere Maͤnner die Theilnahme des Publikums fuͤr diese Sprache, selbst +fuͤr eine Literatur in derselben, haben in Anspruch nehmen wollen. + +Ich weiß, erwiederte er, ich habe unter andern den „_Bloottuͤgen_,“ den +Henrik von Zuͤphten vom Pastor Harms gelesen. Damals dachte ich nichts +anderes dabei, als daß so ein plattdeutsches Buch unbequem und schwer zu +lesen und wahrscheinlich noch unbequemer zu schreiben sei. + +Was den Henrik von Zuͤphten betrift, bemerkte ich dagegen, so scheint +mir der Verfasser einen Ungeheuern Mißgriff in der Wahl des Stoffes +gethan zu haben. Ich schaͤtze die alten Dithmarsen sehr hoch. Sie waren +ein tapferer, unbezaͤhmlicher, ordentlich nach Freiheit und +Unabhaͤngigkeit duͤrstender Menschenschlag, Bauern zu Pferde mit dem +Schwerdt in der Hand, die Schweizer des Nordens oder vielmehr Wittekinds +und seiner Sachsen ungebeugte und ungebrochene Enkel bis in's +fuͤnfzehnte und sechszehnte Jahrhundert hinein. Nur weiß ich nicht, ob +ein lutherischer Pfarrer von Heute, selbst wenn er geborner Dithmarse +ist, einer so durchaus heidnischen Mannheit Gerechtigkeit widerfahren +lassen kann; denn obwol die dithmarsische Groͤße und Freiheit in +christliche Zeiten fiel und die Verehrung der Jungfrau Maria in diesem +Lande gerade hoͤher getrieben wurde, als, wie es scheint, andeswo im +Norden, so erhielt doch der hochfahrende und kampflustige Sinn der +Einwohner durch sie nur eine sehr schwache christliche Faͤrbung und wol +schwerlich hat die Brust eines mutigen Dithmarsers aus Furcht vor dem +Himmel, der Geistlichkeit oder eigener Gewissenszartheit christliche +Demuth dem Muth uͤbergeordnet, wie man solches in den Ritterbuͤchern des +Mittelalters liest. Doch mag es damit sein, wie es will; ich muß +bekennen, daß ich uͤberhaupt keinen Geistlichen zum Geschichtschreiber +wuͤnsche, speziell nicht zum Dithmarsischen. Was mir aber auffiel, war, +daß Pastor Harms sich grade einen Moment aus der dithmarsischen +Geschichte gewaͤhlt hatte zur plattdeutschen Darstellung, der auf so +schneidende Weise mit der altvaͤterischen, derben Bonhommie, die er +dieser Sprache im Eingang nachruͤhmt, im Kontrast steht: der +Maͤrtyrertod des ersten lutherischen Predigers in Dithmarsen. Diese +kalte Wuth, dieser Hohn menschlichen Gefuͤhls, diese Spurlosigkeit alles +Barmherzigen, womit hier der arme Mann einem langsamen und +schauderhaften Tode uͤberliefert wird, macht nicht nur an sich einen +boͤsen Fleck in der dithmarsischen Geschichte aus, sondern erinnert auch +sehr zur Unzeit, daß diese beste Zucht niedersaͤchsischer Maͤnner, die +Dithmarsen, von jeher neben ihrer Tapferkeit und eisernen Sitte, mit +asiatischer Barbarei an Gefuͤhllosigkeit gegen Feind und Freund +gewetteifert haben, was den allerdings wol auf eine derbe und rohe, aber +keineswegs auf so eine „alte und gemuͤthliche“ Sprache hindeutet, wie's +so etwa von einem unserer friedlichen und gutmuͤthigen Philister +heutiger Zeit verstanden wird. — Fuͤgen Sie noch hinzu, sagte hierauf +mein Freund, daß das Dithmarsen der Gegenwart, das noch ganz und gar +plattdeutsch ist, und wo auch noch wirklich das beste platt[8] +gesprochen wird, weder in moralischer noch in gesellschaftlicher +Beruͤhrung ein sehr glaͤnzendes Lob auf dasselbe zuzulassen scheint. Die +Armuth, Trunkfaͤlligkeit, die ungeheure Zahl der veruͤbten Mordbraͤnde +in Dithmarsen deuten auf einen sehr versunkenen sittlichen und +buͤrgerlichen Zustand. Eben er, der mit herrlichem Eifer fuͤr die +Verbreitung religioͤser und moralischer Lebensflammen erfuͤllte Pastor +Harms hat in patriotischen Schriften seinen Schmerz daruͤber +ausgesprochen. Was kann er aber, sage ich jetzt mit vollster +Ueberzeugung, von der Mithuͤlfe einer Sprache erwarten, welche aller +Mittheilung unbesiegliche Schranken entgegenstellt und das wahre Grab +des hoͤheren Leben ist. Es staͤnde zu wuͤnschen, daß ein dithmarsischer +Patriot den nachteiligen Einfluß der Sprache auf die Fortschritte der +Civilsation und selbst auf die schoͤnere Humanitaͤt einer +ausgezeichneten Einzelbildung aus der Allgemeinheit Ihrer Schrift +uͤbertragen moͤge auf Dithmarsen und die Dithmarsen, wie sie sind und +was sie vermoͤge ihrer Sprache sind und nur sein koͤnnen. + +Ihr Wunsch ist der meinige, ich werde ihn, wie uͤberhaupt unser +Gespraͤch, vor's Publikum bringen, und zwar als integrirenden Theil +meines Aufsatzes. Denn, glauben Sie mir, ohne Ihr Hinzukommen wuͤrde ich +mich nie zur Herausgabe desselben bestimmt haben. + +Sie scherzen, oder wollen etwas sagen, was mir nicht klar ist. + +Hoͤren Sie nur und urtheilen Sie selbst. Ich habe bisher darzustellen +gesucht, daß die plattdeutsche Sprache sowol an sich unfaͤhig sei, die +Keime der Civilisation zu fassen als auch, so lange sie taͤgliche +Umgangssprache in Niedersachsen bliebe, alles Bemuͤhen zur Civilisation +durch das Mittel der hochdeutschen Sprache vereiteln muͤsse. Ich habe +diese Wahrheit nicht allein auf die unteren Kreise beschraͤnkt, ich habe +fuͤhlbar zu machen gesucht, wie ohne unterliegende allgemeine +Volksbildung, auch die hoͤhere Bildung des Einzelnen gefaͤhrdet sei und +zum Beispiel die Extreme auf der jetzigen Leiter unserer Kultur, Bauer +und Student oder Studirter, sich in demselben rohen und bildunglosen +Medium wieder beruͤhren. Habe ich, wie ich meine und getrost der +oͤffentlichen Stimme uͤberlasse, dieses mit unabweisbarer +Handgreiflichkeit nachgewiesen, so werde ich allerdings der +Uebereinstimmung aller Patrioten in der Behauptung gewiß sein, es sei +nicht wuͤnschenswerth, daß die ohnehin aussterbende und vermodernde +plattdeutsche Sprache, gehegt und gepflegt werde, es sey im Gegentheil +wuͤnschenswerth, daß sie sich je eher je lieber aus dem Reiche der +Lebendigen verliere. Und somit waͤre denn im verhofften guten Fall hie +und da eine Meinung, eine Ansicht uͤber das Wuͤnschenswerthe und nicht +Wuͤnschenswerthe in dieser Angelegenheit oͤffentlich angeregt. Aber +sagen Sie mir, was ist eine Privat-Meinung, die einen frommen Wunsch zur +Folge hat, im Angesicht eines oͤffentlichen Gegenstandes, oder +Widerstandes, der nichts meint und wuͤnscht, der nur so eben sich seiner +breiten Fuͤße bedient, um seine plumpe und gedankenlose Existenz durch +alle Meinungen hindurch zu schieben und sich trotz aller Meinungen auf +den Beinen zu behaupten, bis er etwa von selbst umfaͤllt, Meinungen und +Ansichten haben wir im Ueberfluß, vortrefliche. Woran fehlt's? Am +Korporativen der Meinung, welches die oͤffentliche Meinung ist, welche +die That mit sich fuͤhrt. Wuͤrde ich sonst, wenn ich nicht das +fruchtlose Hin- und Hermeinen des Publikums zu gut kennte, mir die +Beantwortung der ironischen Frage aufgelegt haben, ob man den +wuͤnschenswerthen Untergang der Sprache ruhig sich selbst und der Zeit +uͤberlassen oder etwas dafuͤr thun, denselben moͤglichst beschleunigen +solle? Sie sehen aber wol, daß es mir damit nicht Ernst gewesen sein +kann; denn bringt die wahre und lebhafte Darstellung eines großen Uebels +nicht unmittelbar und fuͤr sich das Gegenstreben, den Wunsch und das +Umsehen nach Mitteln zur Abstellung desselben hervor, so ist alles +weitere Reden und Zureden rein uͤberfluͤssig, falls es nicht, wie bei +manchen Maaßregeln gegen die Cholera, mit aͤußerm Zwang und +obrigkeitlichem Befehl verbunden ist. + +Ich weiß aber nicht, was mir sagt, daß Sie im Auffassen dieser +Angelegenheit der Repraͤsentant von sehr vielen Norddeutschen sind. Die +Wahrheit hat auf Sie ihren vollen Eindruck nicht verfehlt, Sie freuen +sich, ihren allgemeinen truͤben Mißmuth einem bestimmten Feind +gegenuͤbergestellt zu sehen, Sie sinnen auf Mittel, ihn anzugreifen, Sie +halten ein allgemeines lebhaftes und daher wirksames Interesse als +durchaus in der Sache begruͤndet. + +So ist es, erwiederte mein Freund. Und ich glaube, auch darin irren Sie +nicht, wenn Sie mich nach Ihrem Ausdruck fuͤr den Repraͤsentanten einer +sehr namhaften Zahl und Klasse von Norddeutschen halten. Bedenken Sie +nur allein den Stand des Schullehrers, der Jahr aus Jahr ein an der +plattdeutschen Jugend sich fruchtlos abquaͤlt und gleichsam tagtaͤglich +Wasser ins Faß der Danaiden schoͤpft. Ihm vor allen wird ihre Schrift +neuen Muth und Anstoß geben. Das Hauptmittel, davon sind Sie ohne +Zweifel auch uͤberzeugt, liegt in den Haͤnden dieser Maͤnner. + +Aber, fuͤgte er fragend hinzu, welchen Schluß geben Sie ihrer Arbeit? +Ich denke doch, Sie lassen, wenn auch die zweite Frage billig +ausfaͤllt, die dritte nicht ganz unbeantwortet. Welche Mittel halten Sie +fuͤr die Ausrottung der plattdeutschen Sprache fuͤr die wirksamsten? Mir +und meinen Kollegen, wie gesagt, liegt vorzuͤglich daran. + +Ich trug meinem Freunde darauf den folgenden Abschnitt vor, bemerkte +aber, daß ich von ihm selbst oder von einem Genossen seines Standes +etwas Erschoͤpfenderes in dieser Hinsicht verhoffte. + + * * * * * + +Wer aber soll helfen gegen das Plattdeutsche im Volk? Wie kann dem +Hochdeutschen geholfen werden? + +Wer? Alle Welt, nur der Staat nicht. Was der Staat gegen das +plattdeutsche und fuͤr das Hochdeutsche thun konnte, hat er gethan, +indem er jene aus der Kirche verbannt und sie vom Gerichtshofe +ausschloß. + +Wer diese Schrift verbreitet, sie selbst oder ihre Ideen, wer sie +oͤffentlich angreift oder vertheidigt, wer ihr neue Gesichtspunkte +hinzufuͤgt, deren es noch so viele giebt, wer die bereits aufgestellten +modificirt, rektificirt, _der hilft, er mag wollen oder nicht_; denn er +hilft eine oͤffentliche Meinung bilden. Beleuchtet dieses gedankenlose +Monstrum, Hannoverisches Platt, Meklenburgisches Platt und wie es sich +uͤberall nennt, von hinten oder von vorne, von der besten oder von der +schlechtesten Seite, beleuchtet es nur, und glaubt mir, jedes Licht uͤbt +eine chemische Zerstoͤrung auf sein Volumen aus. Besprecht es, besprecht +es nur und seid uͤberzeugt, jedes Wort im Guten oder Boͤsen ist ein +Zauberbann, der ihm einen Fuß seines Gebietes verengt. + +Das ist das Schoͤne mit der guten Sache und der oͤffentlichen Meinung +und der neuen Zeit; wenn die drei einmal in Bewegung sind und sich auch +nicht suchen, so verfehlen sie sich doch nicht. + +Ja, ich zweifle nicht, die oͤffentliche Meinung wird sich bilden und sie +wird grollen, wie ich, mit dem Plattdeutschen und das Grollen wird uͤber +die Koͤpfe unserer Bauern hinfahren und wird — ansteckend sein. + +Die Ansteckung ist die Hauptkraft der oͤffentlichen Meinung und das +Wunderbarste an ihr. + +Die wichtigsten Exekutoren der legislativen Gewalt oͤffentlicher Meinung +sind aber in unserm Fall unstreitig die Schullehrer, insbesondere die +auf dem Lande. Auf den Grad des Anteils, der Einsicht, des guten Willens +dieser großen, nuͤtzlichen, im Stillen wirkenden Klasse von +Staatsbuͤrgern, deren Einfluß auf die Bildung der Landleute bedeutend +groͤßer ist, als der Pastoraleinfluß, kommt unendlich viel an. + +Fassen diese, wie es ihnen zukommt und wie zu erwarten, die Sache der +Civilisation mit Eifer auf, durchdringen sie sich von der Nothwendigkeit +einer ununterbrochenen Attake auf das Plattdeutsche, stehen sie, wie es +ihre Gewohnheit ist, beharrlich auf ihrem Stuͤck, so will ich sehen, +welche wundergleiche Veraͤnderung dieses schon im Ablauf von zehn Jahren +in einem Verhaͤltniß von Hoch zu Platt hervorbringen wird. + +Ihre Hauptaufgabe waͤre, dahin zu streben, das Hochdeutsche +_vertraulicher_ und _herzlicher_ zu machen — ein Weg, der nur durch die +_Fertigkeit_ und _Unbekuͤmmertheit der Zunge_ hindurchgeht. Ihre Arbeit +ist in der Schule, in den Familien, vor der Kommuͤne. Was die _Schule_ +betrift, so wuͤrde ich den Rath geben, in den ersten Schuljahren die +Kinder weder zum Schreiben noch zum Lesen anzuhalten, nur zum Sprechen. +Das Warum leuchtet ein. Auch die Aelteren muͤßten haͤufiger mit Sprech- +und Denkuͤbungen beschaͤftigt werden — welche Gelegenheit zugleich auf +den Verstand und durch diesen gegen die plattdeutsche Sprache zu wirken, +in welcher dem Knaben von Haus aus alle fruͤhere Vorurtheile und +Dummheiten eingepropft sind. Besondere Ruͤcksicht verdienen die +Maͤdchen. Ihre Gemuͤther sind weicher, empfaͤnglicher, ihr Organ, +gewoͤhnlich auch ihr Verstand leichter zu bilden und — sie sollen einmal +Muͤtter, Hausfrauen, das heißt auf dem Lande, fuͤr das juͤngste +Geschlecht im Hause alles in allem werden. Auch im _aͤlterlichen Hause_ +bleibt viel zu wirken, besonders auf Hausfrauen und aͤltere Toͤchter; +der heiterste, zwangloseste Gesellschafter ist hier der beste, er +bringt bald ein unterhaltendes Buch (kurze und erbauliche Geschichten, +keine langweilige faselnde), bald einen interessanten Gegenstand zur +Erzaͤhlung mit, eine Anekdote aus der Zeitgeschichte, oder meinentwegen +einen Fall aus der Nachbarschaft, dem Dorfe mit, der, wie er versichert, +sich im Plattdeutschen nicht ausnimmt. _Fuͤr die ganze Komuͤne_ ist er +wirksam durch Einfuͤhrung periodischer Blaͤtter, Zeitungen, auf +gemeinschaftliche Kosten zu halten und regelmaͤßig in Versammlung der +Maͤnner vorzulesen, allenfalls durch aͤltere, der Konfirmation +entgegengehende Knaben, _als beneidete und ehrenvolle Belohnung_ ihrer +Fortschritt im Lesen und Sprechen des Hochdeutschen. + +Ich deute nur an, aber ich komme mir vor, ich wuͤßte es auch +auszufuͤhren als Schullehrer auf dem Lande, und Tausende besser als ich. + +So viel ist gewiß, waͤre ich Schullehrer, so wuͤrde ich fuͤr's Erste nur +ein Ziel kennen: mein Dorf zu verhochdeutschen. + +Leeres Stroh wuͤrde ich glauben zu dreschen, so lange nicht die Garbe +der hochdeutschen Sprache und Bildung mir auf dem freien Felde waͤchst. + +Eine Buͤrgerkrone wuͤrde ich glauben verdient zu haben, wenn man mir im +Alter nachruͤhmte: er hat diesen Flecken, sein Dorf, das sonst so +dunkle, dumpfe, plattdeutsche Nest, mit der Kette der Civilisation in +Kontakt gesetzt durch Ausrottung der plattdeutschen und Einfuͤhrung der +Bildungssprache Deutschlands. + + +Fußnoten: + +[1] Doch auch mit Ausnahme gewisser oͤrtlicher und provinzieller +Variationen, wie in Hamburg, Westphalen, Dithmarsen, wo selbst die +Gebildeten, von deren Aussprache hier eigentlich die Rede ist, sich der +Lokaltinten nicht enthalten. + +[2] Die Hexenprozesse, die mit wenig zahlreichen Ausnahmen erst nach Der +Reformation und Hauptsaͤchlich im protestantischen Norddeutschland +gefuͤhrt wurden und denen ein Glaube an den Einfluß boͤser Geister zu +Grunde lag, den Luther, in melancholischen Anfaͤllen selbst oft mit dem +persoͤnlich ihm erscheinenden Teufel ringend, nur zu sehr genaͤhrt +hatte, _diese Hexenprozesse haben Deutschland im 17ten Jahrhundert +vielleicht mehr Menschen gekostet, als Spanien die Inquisition._ + +[3] Reineke de Vos ist von hollaͤndischer und franzoͤsischer Abkunft, +wenn auch die Maͤhrchen von Fuchs und andern Thieren urspruͤnglich in +Deutschland sowol, als in Frankreich in Schwang gingen. Die +plattdeutsche Uebersetzung scheint niemals Volksbuch gewesen zu sein, +obgleich sie sehr gelungen ist; man koͤnnte sie den Schwanengesang +dieser Sprache nennen. + +[4] Wollte ich zu diesem, wie gesagt, naturrohen Bilde ein mehr dem +Spiel der Phantasie angehoͤriges hinzufuͤgen, so vergliche ich den +bloßen Lese- und Schreibunterricht unserer Landkinder mit der Unvernunft +und Thorheit eines Ackermannes, der seinem Acker die Instrumente zur +Bearbeitung, Spaten und Pflug, zur Selbstbearbeitung hinwirft. + +[5] Was koͤnnte ich anfuͤhren, wollte ich von der niedrigsten Klasse +norddeutscher Staͤdte sprechen, die sich, wie der Hamburger Poͤbel in +Schnapps und unreinstem Plattdeutsch waͤlzt. + +[6] Wo willst Du hin, fragte Jemand einen Meklenburgischen Scholaren, +der gerade auf den Postwagen stieg. Die Antwort war: Na Rostock, ik will +mi op de Wissenschaften leggen. + +[7] Weniger Spaͤße. + +[8] Doch nicht rein, sondern mit friesischen Woͤrtern untermischt. + + * * * * * + +Von demselben Verfasser sind bei uns erschienen: + +_Wienbarg_, _Dr._ L., + Holland in den Jahren 1831 und 32, 2 Bde. 8, + 833-34. 2 Thlr. 16 Gr. + + ---- ---- Jason. Episches Gedicht nach Pindar. Uebersetzt, + bevorredet und erlaͤutert; mit einem + Zueignungsgedicht an Jason Sabalkansky. 8. 830. + 4 Gr. + + ---- ---- Paganini's Leben und Charakter nach Schottky. Mit + Paganini's Bildnis. gr. 8. 830. 12 Gr. + + +Unter der Presse befindet sich: + + ---- ---- aͤsthetische Feldzuͤge. Dem jungen Deutschland + gewidmet. 8. + + + + + + +End of the Project Gutenberg EBook of Soll die plattdeutsche Sprache +gepflegt oder ausgerottet werden?, by Ludolf Wienbarg + +*** END OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK 12660 *** diff --git a/LICENSE.txt b/LICENSE.txt new file mode 100644 index 0000000..6312041 --- /dev/null +++ b/LICENSE.txt @@ -0,0 +1,11 @@ +This eBook, including all associated images, markup, improvements, +metadata, and any other content or labor, has been confirmed to be +in the PUBLIC DOMAIN IN THE UNITED STATES. + +Procedures for determining public domain status are described in +the "Copyright How-To" at https://www.gutenberg.org. + +No investigation has been made concerning possible copyrights in +jurisdictions other than the United States. 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You may copy it, give it away or +re-use it under the terms of the Project Gutenberg License included +with this eBook or online at www.gutenberg.org + + +Title: Soll die plattdeutsche Sprache gepflegt oder ausgerottet werden? + Gegen Ersteres und fuͤr Letzteres + +Author: Ludolf Wienbarg + +Release Date: June 19, 2004 [EBook #12660] + +Language: german + +Character set encoding: UTF-8 + +*** START OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK SOLL DIE PLATTDEUTSCHE SPRACHE *** + + + + +Produced by Charles Franks and the DP Team + + + + +Soll die plattdeutsche Sprache gepflegt oder ausgerottet werden? + + +Gegen Ersteres und fuͤr Letzteres + + +beantwortet von + +Dr. Ludolf Wienbarg + + + + +Motto: _ceterum ceterumque censeo...._ + + + + +Hamburg + +bei Hoffmann und Campe + +1834 + + + + +Dem Nestor norddeutscher Patrioten + +dem Freunde veredelter Natur und Menschheit + +Herrn Baron von Voght + +gewidmet. + + + + +Verehrungswuͤrdiger Greis! + + +Ich habe nie das Gluͤck Ihrer persoͤnlichen Bekanntschaft genossen, aber +ich kenne Ihre Schoͤpfungen, die bluͤhenden Spuren Ihrer +menschenfreundlichen Hand. Bereits als Knabe besuchte ich sehr oft von +Altona aus das schoͤne Flottbeck. Hier woͤlbt sich keine Ulme, keine +Buche, die Sie nicht gepflanzt, hier steigt von hundert freundlichen +Daͤchern kein Rauch in die Luft, der nicht Weihrauch fuͤr Sie waͤre. Das +wußte ich schon als Knabe und so kam es, daß ich an Ihrem Namen zuerst +den Begriff und die Bedeutung eines Menschenfreundes, eines Patrioten +lernte. Eine gluͤcklichere Abstraktion, ein wuͤrdigeres Bild wird selten +der jugendlichen Seele geboten. + +Nehmen Sie, Verehrungswuͤrdiger, diesen Ausdruck meiner fruͤhgefaßten +und in reiferem Alter nur genaͤhrten und befestigten Achtung guͤtig auf. + +_Eutin_, am 1. December 1833. + +Ludolf Wienbarg. + + + + +Vorwort. + + +Wenn die Patrioten bisher uͤber die Kluft der Staͤnde, die Rohheit und +Unempfaͤnglichkeit Volkes in Niedersachsen mit Recht bittere Klage +fuͤhrten, oder im Großen Verbesserungsplaͤne entwarfen, so stand ihnen +die niedersaͤchsische oder plattdeutsche Volkssprache nur sehr im +Hintergrunde und kam weder im Guten, noch im Boͤsen so recht in +Betracht. Ich glaube nachzuweisen, ja mit Haͤnden greiflich zu machen, +daß sie die Wurzel alles Uebels, der Hemmschuh alles Bessern ist. + +Gehe hin, meine kleine Schrift, und spreche! Drei Dinge wuͤnsche ich +dir, Fluͤgel, Feinde und Freunde. Die Fluͤgel wuͤnsche ich dir, damit du +dich nach allen Seiten verbreitest, die Feinde und Freunde, damit du +nach alten Seiten besprochen wirst. — + + * * * * * + + + + +Bekanntlich sprechen die Bewohner Niedersachsens plattdeutsch und +hochdeutsch; ersteres als Volkssprache, letzteres als Sprache der +Bildung. Das Hochdeutsche redet man dialektlos, das heißt Aussprache und +Schreibung stimmen buchstaͤblich uͤberein[1]. Anders in Mittel- und +Suͤd-Deutschland. Goͤthe sprach das Hochdeutsche wie ein geborner +Frankfurter, Schiller wie ein Wirtemberger und noch gegenwaͤrtig hoͤrt +man's der Sprache der Gebildeten Suͤd-Deutschlands ab, in welcher +Provinz sie zu Hause gehoͤren. Daher kann man wol behaupten, daß mancher +niedersaͤchsische Handwerker _reiner_ hochdeutsch spricht, als der +Wuͤrzburger Professor, der Badische Deputirte oder der Bewohner der +Provinz Meissen selbst, dessen Aussprache doch zu seiner Zeit von +Gottsched mit dem Privilegium der Klassizitaͤt begabt worden ist. Allein +man darf nicht vergessen, daß diese Reinheit eine abstrakte und keine +lebendige ist, da der Norden fein hochdeutsch im eigentlichen Sinn des +Worts aus Buͤchern, zumal aus der lutherischen Bibeluͤbersetzung +gelernt, nicht aber wie Mittel- und Suͤd-Deutschland durch lebendig +uralte Tradition von Mund zu Mund empfangen hat. + +Ist doch die hochdeutsche Sprache selbst keine Sprache provinzieller +Beschraͤnktheit, keine bloße Mundart Alt-Meissens, sondern im hoͤheren +Sinn ein Kunstwerk des großen Reformators, der aus den beiden +Hauptdialekten des Nordens und Suͤdens, schon ohnehin im Saͤchsischen +sich beruͤhrend eine Sprache schuf, die, wenn auch mit Vorwalten des +suͤddeutschen Elements, jedem deutschen Ohr zugaͤnglich und +verstaͤndlich sein, die eine gemeinsame Sprache aller Deutschen +vorbereiten sollte. Aus den edelsten Metallen des unerschoͤpflichen +deutschen Sprachschachtes gegossen, ward sie in Luthers Haͤnden die +Glocke, welche die Reformation, den dreißigjaͤhrigen Krieg, die ganze +neue Geschichte eingelaͤutet hat. + +Mehr als den Griechen der Saͤnger der Odyssee und Ilias muß uns +Deutschen, Katholiken wie Protestanten, der Uebersetzer der Bibel +gefeiert sein. Die altionische Sprache gehoͤrte nicht dem Dichter, +sondern der Nation an. Die Sprache der Bibeluͤbersetzung aber mußte sich +erst geltend machen durch die Gewalt des Genius, sie gehoͤrte Luther an +in dem Sinn, wie man nur irgend auf diesem Gebiet das Eigentumsrecht +fuͤr eine Person in Anspruch nehmen darf. + +Denkt euch, Luthers Sprache waͤre nicht durchgedrungen. Zerrissen waͤre +das maͤchtigste Band, das Suͤd und Nord umschlingt. Der Norden wuͤrde +nichts vom Suͤden, der Suͤden nichts vom Norden wissen. + +Die theuersten Namen, die jetzt im Herzen der ganzen Nation +wiederklingen, wuͤrden hie und da in einem Winkel Deutschlands genannt +werden und etwa die Eitelkeit ihrer Landsleute aufblaͤhen, alle großen +Maͤnner, die in unserm Vaterlande die Sprache Luthers geredet, alle +Genien der ernsten und froͤhlichen Wissenschaft, auf die wir unsern +Stolz setzen, ja welche die Vorsehung selbst uns zum erhebenden +Selbstgefuͤhl erweckt zu haben scheint, wuͤrden mit vergeblicher +Sehnsucht ihre Fluͤgel uͤber Deutschland ausgebreitet haben, waͤren von +ihrer Geburt an zur Verschrumpfung und Laͤhmung bestimmt gewesen. Es ist +so viel Ungluͤck seit Luther uͤber dieses arme Land hingegangen, daß man +zweifeln koͤnnte, ob nur der Name Deutschland, Deutscher, ehre. Luthers +Schriftsprache, dieses Schwerdt, das Wunden schlug und heilte, uͤber dem +unsaͤglicher Wirrwarr sich schwebend erhalten hatte. + +Das kaiserliche Reichsschwerdt ist zerbrochen, Luthers Sprache ist +Reichsschwerdt geworden, glanzvoller, schwungreicher, maͤchtiger, +gefuͤrchteter, als je eins in der Hand eines Hohenstaufens oder +Habsburgers geblitzt hat. + +Sprache Luthers, kaiserliches Schwerdt, der Muth hat Dich gestaͤhlt, die +Freiheit Dich geschliffen, der Kampf Dich erprobt. + +Sprache Luthers, kaiserliches Schwerdt, rein bist Du von den Blutflecken +der Religionskriege, rein und gesaͤubert vom Geifer theologischer +Streithaͤhne, vom Rost des gelehrten und amtlichen Pedantismus. + +Fuͤhrt es ihr Soͤhne des Lichts, denn ihr seid unuͤberwindlich mit +dieser Waffe. + +Beruͤhrt es nicht, ihr Kinder der Nacht, denn es ist scharf und faͤhrt +zuruͤck auf eure eigenen Schaͤdel. + + * * * * * + +Man kann Werth und Wuͤrde der deutschen Schriftsprache lebhaft +anerkennen und dennoch wuͤnschen, daß die ober- und niederdeutschen +Dialekte sich im Munde des Volkes lebendig erhalten. Ich theile diesen +Wunsch nicht. Was namentlich die Frage betrift, welche den Gegenstand +dieser kleinen Schrift ausmacht: „_ist die niedersaͤchsische +Volkssprache zu pflegen oder auszurotten?_“ so antworte ich aus +innigster Ueberzeugung und aus Gruͤnden, welche ich darlegen werde: _sie +ist auszurotten, durch jedes moͤgliche Mittel auszurotten_. + +Verstaͤndigen wir uns uͤber etwas sehr Wesentliches. Daß die +plattdeutsche Sprache der Zeit verfallen und aussterben wird, ist keine +Frage mehr. + +Eine jede Sprache, die nicht Schriftsprache, Sprache der Bildung, des +gerichtlichen Fortschrittes, der politischen, religioͤsen, +wissenschaftlichen, artistischen Bewegung ist, muß bei dem Stand und +Gang unserer Kultur einer Schrift- und Bildungssprache Platz machen, muß +wie die frisische in Holland, wie die zeltische in Bretagne, die +baskische in Spanien allmaͤhlig aussterben. Auszusterben ist das +nothwendige und natuͤrliche Schicksal der plattdeutschen Sprache. Nichts +kann sie vom Untergang retten. Schreibt plattdeutsche Lustspiele, +Idyllen, Lieder, Legenden — umsonst; das Volk liest euch nicht — liest +es nur den Reineke de Vos? — ihr begruͤndet keine plattdeutsche +Literatur, ihr macht die verbluͤhende Sprachpflanze durch euren +poetischen Mist nicht bluͤhender — sie wird aussterben. Ihr preiset +diese Sprache als alt, ehrlich, treu, warm, gemuͤthlich, wohlklingend — +ihr habt Recht oder nicht — sie wird aussterben. Das ist das +unerbittliche Gesetz der Notwendigkeit. + +Allein, es ist wahr, das Nothwendige ist nicht immer das +Wuͤnschenswerthe. Gar vieles begiebt sich in Natur und Geschichte mit +Nothwendigkeit, was nicht bloß die Klage des Thoren, sondern auch den +gerechteren Schmerz des Weisen erregt. Immer ist es des denkenden +Menschen wuͤrdig, sich dessen, was geschehen wird und muß, bewußt zu +werden, immer der sittlichen Kraft und Wuͤrde desselben schaͤdlich und +unwuͤrdig, sich willen- und wunschlos vor der Nothwendigkeit zu beugen. +Nicht selten gelingt Aufschub Vertagung, wo auch nicht, der Mensch darf +sich frei sprechen von Leichtsinn, traͤger Sorglosigkeit, er hat sich +das Recht und die Beruhigung erworben, _animam salvavi_ auszurufen. + +Darum frage ich eigentlich, ist es wuͤnschenswerth, daß Niedersachsens +alte Sprache sich aus der Reihe der lebendigen verliert; wenn das, soll +man ihren Untergang der Zeit uͤberlassen oder soll man diesen +beschleunigen; wenn letzteres, welches sind die Mittel dazu? + + * * * * * + +Um die deutsche Gemuͤthlichkeit ist es ein schoͤnes Ding und was kann +namentlich dem Niedersachsen gemuͤtlicher sein, als seine angeborne +Sprache. Doch ein schoͤneres Ding ist der muthige Entschluß, die +Gemuͤthlichkeit einstweilen auszuziehn, wenn sie uns zu _enge_ wird. + +Grade das behaupte ich von der und gegen die plattdeutsche Sprache. Sie +ist dem Verstand der Zeit laͤngst zu enge geworden, ihr Wachsthum hat +bereits mit dem sechszehnten Jahrhundert aufgehoͤrt, sie kann die +geistigen und materiellen Fortschritte der Civilisation nicht fassen, +nicht wiedergeben _und daher verurtheilt sie den bei weitem groͤßten +Theil der Volksmasse in Norddeutschland, dem sie annoch taͤgliches Organ +ist, zu einem Zustande der Unmuͤndigkeit, Rohheit und Ideenlosigkeit, +der vom Zustand der Gebildeten auf die grellste und empoͤrendste Weise +absticht._ + +Habe ich Recht ober Unrecht? Steht es nicht so mit dem Volk in Hannover, +Westphalen, Meklenburg, Holstein u.s.w.? Wurzelt nicht das Hauptuͤbel im +absoluten Unvermoͤgen der taͤglichen Umgangssprache, den noͤthigsten +Ideenverkehr zu bewerkstelligen? + +Daß ich in beiden Unrecht haͤtte. Aber den Stein, den diese Anklage +gegen die plattdeutsche Sprache als eine Feindin der Volksbildung, der +geistigen Thaͤtigkeit erhebt, derselbe gewigtige Stein muß erhoben +werden von jedem Niedersachsen, jedem Deutschen, dem der materielle und +geistige Zustand von Millionen Bruͤdern, dem die Gegenwart und die +Zukunft Deutschlands nicht gleichguͤltig ist. + + * * * * * + +Halte ich einen Augenblick inne. Ob diese Schrift auch Leser findet, die +in hohe aristokratische Privilegien eben in dem geruͤgten Gebrechen, +eben in dem Umstand, daß die plattdeutsche Sprache seit drei +Jahrhunderten nichts gelernt, eine Tugend derselben entdecken? Soll ich +Ruͤcksicht auf solche Leser nehmen? Soll ich die reine Absicht, die mir +vorschwebt, durch alle Blaͤtter mir verbittern? + +Aber es giebt solche, du kennst solche! Wolan denn, mache ich es gleich +und auf einmal mit ihnen ab. + +Ja, ihr Herren, diese Sprache hat nichts gelernt seit dem sechszehnten +Jahrhundert, sie hat sich mit keiner einzigen Idee, keinem einzigen +Ausdruck der neuen Geschichte bereichert, sie hat nicht einmal ein Wort +fuͤr Bildung, nicht einmal ein Wort fuͤr Verfassung — ja, ihr Herren, +sie ist noch ganz und gar die Sprache des sechszehnten Jahrhunderts, die +Sprache der Hetzjagden, der Peitschenhiebe, der Hundeloͤcher, die +Sprache des Bauernkrieges und — spuͤrt ihr nichts vom kurzen Takt der +Dreschflegel darin, und seht ihr nicht etwas von kurzem Messer, +geschwungener Sense, geballter Faust als Titelvignette vor den Ausgaben +plattdeutscher Lexika paradiren? — Taͤuscht euch nicht, sie ist noch +immer die Sprache des sechszehnten Jahrhunderts und schleppt die +gebrochenen Ketten sichtbar mit sich umher, und pfluͤgt und ackert jeden +Fruͤhling und jeden Herbst den alten Grimm in die alten Furchen hinein. +O sie ist schrecklich treu, schrecklich dumm und gemuͤthlich; aber laßt +euch sagen, sie hat wenig Religion, nur sehr wenig und sie kennt, wenn +sie wild wird, den Teufel besser als den lieben Gott. Woruͤber ihr euch +nicht sehr zu verwundern habt; denn als sie katholisch war, da war das +Christenthum, die Messe naͤmlich, lateinisch und als sie lutherisch +wurde, wurde das Christenthum, Predigt und Katechismus hochdeutsch. +Bedenkt auch nur, betet denn gegenwaͤrtig ein einziger Bauer oder +Bauernknecht das Vaterunser und den Glauben in der Sprache, worin er +seinen Gevatter bewillkommt, im Kruge Schnaps und Bier fordert oder dem +Steuereinnehmer einen derben Fluch zwischen den Zaͤhnen +hinterherschickt? Wahr ist es also, diese Sprache hat nichts gelernt, +allein sie hat auch _nichts vergessen_, es sei denn ihre alten Lieder, +ihren froͤhlichen Gesang und eben das Vaterunser, das sie fruͤher doch, +wie ich glaube, hat beten koͤnnen. + +Nehmt euch ein Bild zu Herzen, das ich euch, — das ich Allen vorhalte. + +Eine Sprache, die stagnirt, ist zu vergleichen mit einem See, dem der +bisherige Quellenzufluß versiegt oder abgeleitet wird. Aus dem Wasser, +woruͤber der Geist Gottes schwebte, wird Sumpf und Moder, woruͤber die +unreinen Geister bruͤten. Der Wind mag wehen woher er will, er gleitet +spurlos uͤber die stuͤrmisch gruͤne Decke hin Der Himmel ist blau und +heiter oder stuͤrmisch gefaͤrbt, das ruͤhrt ihn nicht, keine Sonne keine +Wolke spiegelt sich mehr auf der truͤben Flaͤche. Bild der +Unzufriedenheit, der Gleichguͤltigkeit, der Tuͤcke, der Gefahr. Wehe dem +Mann, _der im Truͤben fischen will_ und ausgleitet — was helfen ihm +ruͤstige Arme, Schwimmkunst, er versinkt, er erstickt im tauben Schlamm. + +Die Sprache ist das Volk. + + * * * * * + +Ja wohl, die Sprache ist das Volk und es gab eine Zeit wo das +niedersaͤchsische Volk und die niedersaͤchsische Sprache poetisch waren. +Das ist sehr lange her, die Zeit war heidnisch und der Germane von +Poesie, Muth, Stolz und Freiheit durchdrungen. Die kuͤhnsten Gedichte +aus dieser „rauhen Vorzeit,“ wenn gleich schon vom Duft der +Klostermauern angewittert und durch Moͤnchsfedern auf die Nachwelt +gekommen, verraten niedersaͤchsischen Dialect. + +Ich weiß nicht ob viele meiner Leser sich Begriff und Vorstellung machen +von der wunderbaren Natur einer Sprache, die einem vermeintlich +barbarischen und rohen Sittenzustande angehoͤrt. Diese muͤssen mir, und +wenn nicht mir, Jakob Grimm, dem Linnaͤus der deutschen Sprachgeschichte +auf's Wort zu glauben, daß keine Sprache gegenwaͤrtig auf dem Erdboden +gesprochen wird, die an Bau und Kuͤnstlichkeit jener alt-plattdeutschen +Sprache das Wasser reichte. Die grammatische, innerliche Gediegenheit +hatte sie mit den aͤltesten Grundsprachen und mit ihrer oberdeutschen +Schwester gemein und uͤbertraf diese vielleicht an Klang, Kraft und +Wohllaut. Allein, das Schicksal wollte ihre Schwester erheben und sie +fallen lassen. Jene hat im Verlauf der Zeit auch unendlich viel von +ihrer leiblichen Schoͤnheit und jugendlichen Anmuth eingebuͤßt, allein +sie hat Gewandtheit, Schnelle, Feinheit des Ausdrucks, Begriffsschaͤrfe, +vermehrte Zahl der Combinationen zum Ersatz dafuͤr eingetauscht. Die +niedersaͤchsische Sprache dagegen hat ihre Jugend und staͤhlerne Kraft +verloren; ohne an Verstand und innerer Feinheit zu gewinnen. Ihre +grammatischen Formen wurden zerstoͤrt und in noch hoͤherem Grade, als +die der Schwestersprache, aber ohne daß man bemerken konnte, daß der +scharfe Gaͤrungsprozeß der antiheidnischen neueuropaͤischen +Bildungsfermente an der Aufloͤsung einigen Antheil genommen, sondern +ersichtlich und durch dumpfes truͤbes Verwittern, das auch Holz und +Stein und alles Leblose oder Absterbende allmaͤhlig abnagt und zerfrißt. + +Als die althochdeutsche Sprache in die mittelhochdeutsche uͤberging, +schaute diese als Siegerin auf dem Turnierplatze des deutschen Geistes +umher, sie war es geworden ohne Kampf. Sprache des maͤchtigsten und +kunstliebendsten Kaiserhauses, lebte sie im Munde der Fuͤrsten, Ritter, +Saͤnger mit und ohne Sporn, Saͤnger mit und ohne Krone, welche die +elegante Literatur ihres Zeitalters begruͤndeten, war sie, was mehr +sagen will, die Sprache des Nibelungenliedes und anderer deutschen +Nationalgedichte, welche mit Ausnahme jener aͤltesten Reliquien theils +nie, theils nur in spaͤterer Uebersetzung im Plattdeutschen +schriftsaͤssig wurden. + +Welcher Bann, frage ich, lag uͤber der niedersaͤchsischen Literatur? +Derselbe Bann, der uͤber dem Volk und seiner Geschichte lag. Es sollte +die maͤchtige Naturkraft, die einst diesen Stamm beseelte, stocken und +starren und als truͤber Bodensatz des germanischen Geistes +zuruͤckbleiben. + +Welche Kette von Hemmnißen, betaͤubenden und zerreißenden +Ungluͤcksschlaͤgen nur bis zum sechszehnten Jahrhundert! + +Karl des Großen Sachsenkrieg, gewaltsam blutige Ausrottung des +Wodandienstes ohne wahrhafte Anpflanzung der Christusverehrung, Sachsen +und Slaven stoßen sich hin und her und mischen sich unter einander, die +alte Sachsenfreiheit schwindet, die Leibeigenschaft nimmt furchtbar +uͤberhand, der Krumstab zu Bremen ist schwach und gewaͤhrt keinen +Schutz, das saͤchsische Kaiserhaus uͤbertreibt die Großmuth und +entaͤußert sich seiner zu Wuͤrde und Glanz so nothwendigen +Stammbesitzungen, Heinrich der Loͤwe, die welfische Macht geht unter, +deren Sieg uͤber die hohenstaufische Norddeutschland so gehoben haͤtte +wie ihre Niederlage Suͤddeutschland emporbrachte, selbst der belebende +Einfluß der Hansa zeigt sich nur im Sinnlichen, nicht im Geistigen +wohlthaͤtig, ihr Seehandel nach dem Norden macht sie nur mit Voͤlkern +und Sitten bekannt, die noch roher waren, als sie selbst; Dagegen +Suͤd-Deutschlands Handelsstaͤdte, Nuͤrnberg, Augsburg mit dem hoch +gebildeten Oberitalien in Verkehr standen. + +Und nach dem fuͤnfzehnten Jahrhundert! Muß ich nicht Luther selbst und +die Reformation voranstellen? Darf ich verschweigen, daß die +_unmittelbaren_ Wirkungen dieser auf Jahrtausende hinaus wirkenden +Begebenheit, wie fuͤr ganz Deutschland, so insbesondere auch fuͤr +Niedersachsen nicht gluͤcklich, nicht segenbringend waren? Welch ein +Gemaͤlde des Innern: rabulistische Theologen, hexenriechende +Juristen, blutduͤrstige Obrigkeiten, dumpfer Haß, aͤchzende +Kirchengesaͤnge, furchtbarer Wahnglaube an Zauberei, Bezauberung und +Teufelsbesessenheit[2]. Welch ein Gemaͤlde des Aeußeren: der +dreißigjaͤhrige Krieg, Magdeburgs Untergang, Schwedens Besitznahme +norddeutscher Staͤdte und Provinzen, Hannovers Verwandlung aus fruͤherem +Reichslehn in einen Familienbesitz englischer Koͤnige, wie schon fruͤher +und vor Luther Nordalbingien in einen Familienbesitz daͤnischer Koͤnige, +selbst Brandenburgs steigende Groͤße, die zu guter letzt die Wagschaale +der Macht und des politischen Einflusses uͤberwiegend auf jene +nordoͤstlichen Provinzen Deutschlands niedersenkte, die von slavischer +Stammbevoͤlkerung urspruͤnglich der Wurzelkraft des germanischen Lebens +entbehrten, aber durch Aussaugen und Anziehen germanischer Saͤfte und +Kraͤfte sich konsolidirt und ausgebildet hatten. + +Lasse ich die schwere Kette fallen, es fehlt ihr so mancher Ring, dessen +Ergaͤnzung ich dem Geschichtforscher uͤberlasse. + +Wie konnte, bei einer solchen Zahl und Reihe von Schicksalen der +niedersaͤchsische Stamm gedeihen, wie konnte sich eine eigentuͤmliche +Literatur unter ihm geltend machen[3], wie konnte die Volkssprache +selbst sich der Entwuͤrdigung und Verschlechterung entziehen? Auf +welcher Bildungsstufe muͤßte die neuere Zeit Volk und Sprache antreffen, +wie tief unter der noͤthigsten Fassungskraft, wie selbst ohne Ahnung +dessen, was zur Begruͤndung und Sicherung eines verbesserten +Staatslebens elementarisch vorauszusetzen? + + * * * * * + +Allein, hoͤre ich Jemand einwerfen, wenn auch die plattdeutsche Sprache +ganz dem Bilde gleicht, das du von ihr entworfen, wenn sie _selbst_ auch +unfaͤhig ist, Element der Volksbildung zu sein, so erwartet eigentlich +auch Niemand dieses Geschaͤft von ihr, das ja von der allgemein +verbreiteten und verstandenen hochdeutschen Sprache laͤngst uͤbernommen +und verwaltet wurde. + +Antwort: uͤbernommen aber nicht verwaltet. Damit behauptet man einen +Widerspruch gegen alle Vernunft und Erfahrung. _Selbst die allgemeinste +Erlernung und Verbreitung der hochdeutschen Sprache uͤbt so lange gar +keinen oder selbst nachteiligen Einfluß auf die Volksbildung, als neben +ihr Plattdeutsch die Sprache des gemeinen Lebens bleibt._ + +Allerdings wird die hochdeutsche Sprache als Organ der Volksbildung +uͤberall in Niedersachsen angewendet. Es gibt wol wenig Doͤrfer, wo die +Jugend nicht Gelegenheit findet, das Hochdeutsche ein wenig verstehen, +ein wenig sprechen, ein wenig lesen und ein wenig schreiben zu lernen. +Die Leute muͤssen wol. Amtmann, Pfarrer, Bibel, Gesangbuch, Katechismus, +Kalender sprechen hochdeutsch. Ohnehin sind die Kinder schulpflichtig +und beim Hobeln setzt es Spaͤhne ab. + +Allein, Jedermann weiß, plattdeutsch bleibt ihr Lebenselement. Das +sprechen sie unter sich, zu Hause, im Felde, vor und nach der Predigt. +Das kommt ihnen aus dem Herzen, dabei fuͤhlen sie sich wohl und +vergewissern sich, daß sie in ihrer eigenen Haut stecken, was ihnen, +sobald sie hochdeutschen, sehr problematisch wird. + +Der erste Schulgang macht in der Regel auch die erste Bekanntschaft mit +der hochdeutschen Sprache. Mit Haͤnden und Fuͤßen straͤubt sich der +Knabe dagegen. Ich bedaure ihn, er soll nicht bloß seine bisherige +Freiheit verlieren, unter die Zuchtruthe treten, buchstabiren lernen, +was auch andern Kindern Herzeleid macht; er soll uͤberdies in einer +Sprache buchstabiren und lesen lernen, die er nicht kennt, die nicht mit +ihm aufgewachsen ist, deren Toͤne er nicht beim Spiel, nicht von seiner +Mutter, seinem Vater, seinen kleinen und großen Freunden zu hoͤren +gewohnt war. Alles was er von diesem Augenblick an liest, lernt, hoͤrt +in der Schule und unter den Augen des Lehrers, klingt ihm gelehrt, +fremd, vornehm und tausend Meilen von seinem Dorf entfernt. Daß der +rothe Hahn in seiner Fibel _kraͤht_ und der lebendige in seinem Hause +_krait_, scheint ihm sehr sonderbar. In der Bibel nennen sich alle Leute +_du_, der Unterlehrer sagt zum Oberlehrer _sie_, er aber ist gewohnt, +bloß seine Kameraden zu dutzen, Vater, Mutter und andere Erwachsene mit +_he_ und _se_ anzureden. Kommt an ihn die Reihe zu lesen, laut zu lesen, +so nimmt er die Woͤrter auf die Zunge und stoͤßt sie heraus wie die +Scheiben einer Frucht, die er nicht essen mag, weil er sie nicht kennt. +Was er auswendig lernt, lernt er nicht einwendig. Was ihm allenfalls +noch Vergnuͤgen macht, ist der gemeinschaftliche Gesang am Schluß der +Schule und auf Kirchbaͤnken. Von Natur mit einer hellen durchdringenden +Stimme begabt, wetteifert er mit dem Chor um die hoͤchsten Noten, +betaͤubt seinen Kopf und findet eine Art Vergnuͤgen und Erholung darin, +dieselben Verse des Gesangbuches bloß herauszuschreien, die er zu +anderer Zeit auswendig lernen muß. + +Erreicht er das gesetzliche Alter, so wird er konfirmirt. Wer ist froher +als er. Nun tritt er voͤllig wieder in das plattdeutsche Element +zuruͤck, dem er als Kind entrissen wurde. Er hat die ersten Forderungen +des Staates und der Kirche erfuͤllt. Er hat seinen Taufschein durch +seinen Confirmationsschein eingeloͤs't. Ersteren bekam er ohne seinen +Willen zum Geschenk, um letzteren mußte er sich, auch wider seinen +Willen, redlich abplacken. + +Auf beide Scheine kann er spaͤter heiraten und Staatsbuͤrger werden. + +Was ist die Frucht dieses Unterrichts? Er hat rechnen, lesen und +schreiben gelernt. Er kann auch lesen und schreiben, aber er lies't und +schreibt nicht. (Umgekehrt der franzoͤsische Bauer, der kann nicht +lesen, aber er laͤßt sich vorlesen). Ich frage also, was ist die Frucht +dieses hochdeutschen Unterrichts? Welchen Einfluß uͤbt derselbe auf sein +Geschaͤft, auf seine Stellung als Familienvater, Staatsbuͤrger, Glied +der Kirche, der sichtbaren, wie der unsichtbaren? + +Folgen wir ihm, wenn er aus der Kirche kommt. Die Predigt ist +herabgefallen, der Gesang verrauscht wie ein Platzregen auf seinen +Sonntagsrock, zu Hause zieht er diesen aus und haͤngt ihn mit allen +Worten und himmlischen Tropfen, die er nicht nachzaͤhlt, bis zum +kuͤnftigen Sonntag wieder an den Nagel. Frage: kann er die hochdeutsche +Predigt hochdeutsch durchdenken, spricht er mit Nachbaren, mit Frau und +Kindern hochdeutsch vom Inhalt derselben, ist er gewohnt und geuͤbt, ist +er nur im Stande, den religioͤsen Gedankengang in's Plattdeutsche zu +uͤbersetzen? Antwort: schwerlich. Frage: hat ihn die Predigt das Herz +erwaͤrmt, den Verstand erleuchtet? Antwort ein Schweigen. Armer Bauer, +vor mir bist du sicher, ich lese dir daruͤber den Text nicht. Kannst du +etwas dafuͤr, daß der Kanzelton nicht die Grundsaite deines Lebens +beruͤhrt, daß jener Nerv, der von zart und jung auf gewohnt ist, die +Worte der Liebe, der Herzlichkeit, des Verstaͤndnisses in dein Inn'res +fortzupflanzen, nicht derselbe ist, der sich vom Klang der hochdeutschen +Sprache ruͤhren laͤßt. Wer auf der Gefuͤhlsleiter in deine Herzkammer +herabsteigen will, muß wollene Struͤmpfe und hoͤlzerne Schuh anziehen, +in schwarzseidenen Struͤmpfen dringt man nicht bis dahin. Wuͤßte man +nur, begriffe man nur, wie es in deinem einfaͤltigen Kopf zusteht und +daß die hochdeutschen Woͤrter und die plattdeutschen Woͤrter, die du +darin hast sich gar nicht gut mit einander vertragen, sich nicht +verstehn und sich im Grund des Herzens fremd, ja feind sind. Die +plattdeutschen Woͤrter sind deine Kinder, deine Nachbaren, dein alter +Vater, deine selige Mutter, die hochdeutschen sind der Schulmeister, der +Herr Pastor, der Herr Amtmann, vornehme Gaͤste, die dir allzuviel Ehre +erweisen, in deinem schlechten Hause vorzukehren, mit dir vorlieb zu +nehmen, Woͤrter in der Perruͤcke, in schwarzem Mantel, welche deine und +deiner plattdeutschen Wort Familie Behaglichkeit stoͤren, dich in deiner +Luft beeintraͤchtigen, dir bald von Abgaben, bald von Tod und juͤngsten +Gericht vorsprechen, Grablieder uͤber deinen Sarg singen werden, ohne +sich uͤber deine Wiege gebuͤckt und _Eia im Suse_ und andere +Wiegenlieder gesungen zu haben. Armer Bauer, ich habe dich immer in +Schutz genommen und diese Schrift, obgleich du sie nicht lesen wirst, +ist eigentlich nur fuͤr dich und zu deinem Heil und Besten geschrieben. +Viele Leute aus der Stadt klagen dich an, daß du trotz deiner Einfalt +verschmizt bist, trotz deiner Rohheit nicht weniger als Kind der Natur +bist, sie sagen, daß du dir eine und die andere Gewissenlosigkeit gar +wenig zu Herzen nimmst. Aber ich habe ihnen immer geantwortet, unser +Bauer hat nicht zu wenig Gewissen, er hat zu viel. Er hat zwei Gewissen, +ein hochdeutsches und ein plattdeutsches, und das eine ist _ihm_ zu +fein, das andere _uns_ zu grob und dickhaͤutig. Zu diesem wird ihm in +seinem eigenen Hause der Flachs gesponnen, jenes webt ihm die Moral und +die Dogmatik; in dem einen sitzt er wohl und warm und es ist sein Kleid +und Brusttuch so lange er lebt, in dem andern friert ihn und er haͤlt es +nur deswegen im Schrank, um damit einmal anstaͤndig unter die Schaar der +Engel zu treten. + +Ist ihm sein Verhaͤltniß zum Staat durch den hochdeutschen Unterricht +vielleicht klarer geworden, als sein Verhaͤltniß zur Kirche? Erwirbt er +sich durch das hochdeutsche Medium, das einzige, das ihm Aufschluͤsse +uͤber eine so wichtige Angelegenheit geben kann, Kenntnisse von seinen +Rechten und Pflichten im Staats-Verein, ist ihm dadurch ein Gefuͤhl von +Selbststaͤndigkeit, ein Bewußtsein von den Grenzen der Freiheit und des +Zwanges, von Gesetz und Willkuͤhr aufgegangen, Gemeinsinn geweckt: sein +dumpfes egoistisches Selbst zu einem Bruderkreise erweitert, der Wohl +und Weh an allen Gliedern zugleich und gemeinschaftlich spuͤrt? _Wie_ +das alles? Seine Beamte klaͤren ihn nicht auf und er selber — er liest +nicht, er nimmt keine Schrift, kein Blatt zur Hand, er laͤßt sich auch +nicht vorlesen, das ist gelehrt, hochdeutsch, geht uͤber seinen +Horizont, laͤßt sich nicht weiter besprechen, sein Verstand hat kaum +einen Begriff, seine Sprache kein analoges Wort dafuͤr. Armer Bauer. Und +wenn Wunder geschaͤhen und die tausend Stimmen der Zeit, die fuͤr dich +und an dich gesprochen, dein Ohr nicht erreichen, wenn sie sich +verwandelten und ergoͤßen in eine goͤttliche Stimme, die vom Himmel +riefe: Bauer, hebe dein Kreuz auf und wandle — du wuͤrdest liegen +bleiben und sprechen: das ist hochdeutsch. + +Wie er seine Acker vorteilhafter bestellen, seine Geraͤthe brauchbarer +einrichten, nuͤtzlicher dieses und jenes betreiben, wohlfeiler dieses +und jenes haben koͤnne, das lehren ihn Blaͤtter und Schriften, von +Gesellschaften oder Einzelnen herausgegeben, vergebens: er liest sie +nicht. Schlaͤgt man ihm sonstige Verbesserungen und Veraͤnderungen vor, +so schuͤttelt er den Kopf und bleibt starrsinnig beim Alten. _Dat geit +nich, dat wil ik nich, dat kan ik nich, ne dat do ik nich_; +ungluͤckselige, stupide Worte, wie viele beabsichtigte Wohlthaten macht +ihr taͤglich scheitern, habt ihr scheitern gemacht. Unseliger Geist der +Traͤgheit, der hier mit der Sprache Hand in Hand hinschlentert, mit +dieser vereint, durch diese gestaͤrkt allem Neuen und Bewegenden +Feindschaft erklaͤrt. Wann erlebt der Menschenfreund, daß dieses +unsaubere Paar geschieden wird. Wann erscheint die Zeit, wo diese +Eselsbruͤcke zwischen Gestern und Vorgestern abgebrochen wird, wo die +einzig; moͤgliche Verbindungsstraße zwischen der heutigen Civilisation +und dem norddeutschen Bauer, die hochdeutsche Sprache, diesem wahrhaft +zugaͤnglich gemacht wird? Aermster, ich klage dich ja nicht an, ich +bedaure dich ja nur. + +Oder muß es so sein, muß der deutsche Bauer ein Klotz, ich sage ein +Klotz bleiben. Ist es sein ewiges Schicksal nur die Plage des Lebens und +nicht deßen Wohlthaten zu genießen? Wird sich nicht einmal seine +enggefurchte Stirn menschlich erheitern, ist es unvereinbar mit seinem +Stande, seinem Loose, gebildeter Mensch zu sein, mit gebildeten Menschen +auf gleichem Fuß zu leben, sich nicht allein mit Spaten und Pflug, +sondern auch mit Kopf und Herzen zu beschaͤftigen? + + * * * * * + +Das sind sehr exotische Ideen in Niedersachsen! Ich weiß, ich weiß. Ich +will sie aber aussprechen, ich will sie vertheidigen, ich will das +Meinige dazu thun, daß _einheimische_ Ideen, Fragen und Wuͤnsche daraus +werden. Lange genug ist die Bildung ein ausschließliches Vorrecht +einiger Menschen, gewißer Staͤnde gewesen. Das muß aufhoͤren, gebildet +sollen alle Menschen sein, gelehrt wer will. Volksbildung, und nicht +bloß wie bisher Volksunterricht, soll und wird das Ideal, das +Feldgeschrei der Zeit werden. Unsere Gelehrten, unsere Beamte, unsere +guten Koͤpfe unter den Schriftstellern werden ihren Hochmuth fahren +lassen, sich des Volkes erbarmen, und sich einmal erinnern, daß sie +selber in der Mehrzahl aus dem Volke stammen. Noch im vorigen +Jahrhundert gab sich so ein Gelehrter, Philosoph, Dichter, der +vielleicht aus dem dunkelsten Stande geboren war, die laͤcherliche +Miene, als ob er unmittelbar aus dem Haupt des Gottes der Goͤtter +entsprungen sei und den Olymp besser kenne, als das Haus der armen Frau: +die ihn mit Schmerzen geboren und mit Thraͤnen, Sorgen und Entbehrungen +groß gezogen hatte. Kein Dichter stuͤrmte seinen Schmerz und Unmuth +uͤber die Erniedrigung des Volks in die Saiten, kein Gelehrter schaͤmte +und graͤmte sich, die ihm von Natur naͤchsten und liebsten Wesen von +sich getrennt zu sehn durch eine ungeheure geistige Kluft, welche nur +die Bildung der alten und neuen Welt auszufuͤllen vermogte. Lessing +schreibt den Nathan, und beweist, daß der Jude eben so viel Anspruͤche +habe auf den Himmel als der Christ, aber er schreibt nichts, worin er +beweist, daß der Bauer, sein Vetter, eben so viel Anspruͤche habe den +Nathan zu lesen, als der vornehme und gebildete Stadtmensch. Winkelmann +steht am Fuße des Vatikans und erfuͤllt die Welt mit Orakelspruͤchen +uͤber die Schoͤnheiten des Apoll von Belvedere, uͤber das goͤttliche +zornblickende Auge, die geblaͤhten Nasenfluͤgel, die veraͤchtlich +aufgeworfene Unterlippe, „eben hat er den Pfeil abgesandt nach den +Kindern der Niobe, noch ist sein Arm erhoben,“ und im selbigen +Augenblicke vielleicht, als er dieses spricht, hebt sein Vater, ein +armer Altflicker, gedruͤckt und gebuͤckt uͤber den Leisten hingebogen, +Pfriem und Nadel in die Hoͤhe, blickt mit geisttodten, stumpfen Augen +auf einen Kinderschuh und gewaͤhrt den Anblick eines Menschen, gegen den +gehalten der letzte Sclave des Praiteles, der an die Palaͤste der +altroͤmischen Großen wie ein Hund angekettete Thuͤrwaͤchter apollinische +Gestalten waren. + +Volksbildung, o das Wort hat einen griechischen Klang in meinen Ohren +und ich muß daher fast bezweifeln, ob es auch von meinen Landsleuten +gehoͤrig verstanden wird. Schulleute und Gelehrte werden schon wissen, +was ich meine, ich brauche nur die Woͤrter zu nennen: γυμναςτιχα, +_studia liberalia, id est_, wie mein alter Schuldirektor glossirend +hinzufuͤgte, _studia libero homine digna_. Fuͤr das groͤßere Publikum +muß ich mich wol zu einer etwas umstaͤndlichern Erklaͤrung anschicken +und besonders fuͤr diejenigen, welche nicht begreifen, wie das Volk +nicht bloß unterrichtet, in Lesen und Schreiben geuͤbt, sondern auch +gebildet werden solle. + +Zur Volksbildung, wie zu jeder Bildung gehoͤrt zweierlei, etwas +Negatives und etwas Positives. Sage ich aber vorher, daß ich die Saiten +nicht zu hoch spanne und daß ich so dem natuͤrlichen Muthwillen der +Knaben die ganze koͤrperliche Gymnastik, und der Gunst der Goͤtter ihren +Schoͤnheitssinn, ihre musikalische Praxis und dergleichen uͤberlasse. Im +Negativen ist die Aufgabe der Bildung, die _vis inertiae_ der rohen +Natur vertreiben und bezwingen zu helfen — das Kapitel ist weitlaͤufig — +es besteht aber die _vis inertiae_, die Erbsuͤnde des menschlichen +Geschlechts, darin, daß im Allgemeinen der ungebildete Mensch — was nun +gar der norddeutsche Bauer — Selbstdenken scheut, Vorurtheile pflegt, +fremde Meinungen herleiert, Thier der Gewohnheit, tausendstes Echo, +Sclave von Sclaven ist, besteht, wie schon die Bibel sagt, darin, daß er +Augen hat zu sehen und nicht sieht, Ohren um zu hoͤren und nicht hoͤrt, +besteht, um alles kurz zusammenzufassen, darin, daß er sich seines +eigenen Verstandes, seines eigenen Gefuͤhls, seines eigenen Willens nur +in den wenigsten Augenblicken des Lebens bewußt wird. — Der weichenden +Kraft der Traͤgheit folgt, wie eine elastisch nachdruͤckende Feder, die +allmaͤhlich hervorspringende Kraft der Thaͤtigkeit. Diese soll +beschaͤftigt werden, _angemessenen_ Stoff finden, eine _bestimmte +Richtung_ erhalten. Das ist das Geschaͤft der Bildung im Positiven, das +ist das Saͤen des Weizenkorns, wenn der Acker von Steinen gereinigt, von +unfruchtbarer traͤger Last befreit, durchbrochen, gepfluͤgt und +gefurcht. Trieb, Lust und Kraft zum Verarbeiten des Saamenkorns in sich +spuͤrte. Mensch und Acker, diese beiden uraͤltesten, natuͤrlichsten und +durch den religioͤsen Stil aller heiligen Urkunden gleichsam geweihten +Vergleichungsobjekte, sind sich hauptsaͤchlich darin aͤhnlich, daß der +Schoͤpfer uͤber beide das Wort ausgesprochen hat: erst gepfluͤgt und +dann gesaͤet — erst den starren traͤgen Zusammenhang der Oberflaͤche, +der Gemuͤthsdecke durchbrochen, dann hinein mit dem lieben Korn und — +jedem Feld das seinige nach Art des Beduͤrfnisses, nach Guͤte und +Beschaffenheit des Bodens[4]. + +Lehrer, wollt ihr mehr als Lehrer, wollt ihr Bildner des Volks sein, +lehrt denken, denken und abermals denken. Gedankenlosigkeit fuͤr eine +Suͤnde, bestraft sie wie einen Fehler, bindet meinetwegen euren +Schuͤlern ein symbolisches Brett vor den Kopf oder stellt sie mit dem +Kopf an die bretterne Wand, oder haͤngt ihnen, wie die Englaͤnder thun, +Eselsohren an, oder setzt sie, wie unsere Alten thaten, mit dem Steiß +auf hoͤlzerne Esel und vor allen Dingen, huͤtet euch, selbst die Esel zu +sein. + +Ich bin aber gar nicht gesonnen, bloß den Lehrern _ex professo_ die +Volkserziehung anheim zu stellen — ihnen dieselbe auf den Stuͤcken zu +laden, sollte ich wol sagen, bedenke ich das Loos so vieler tausend +braven Maͤnner, die bei kuͤmmerlichem Brod ihre taͤgliche Noth und Sorge +haben. Nur immer die Lehrer, nur alles auf ihre Kappe, nur alle Sorge, +allen schlechten Erfolg der Erziehung auf ihren Antheil gewaͤlzt. Das +ist bequem, bequem freilich, aber nicht patriotisch. Jeder Patriot ist +gelegentlich und er sucht die Gelegenheit — Erzieher, Bildner der +Menschen, in deren Umgebung er lebt, hier hebt er einen Stein auf, dort +ist sein Wort eine Pflugschaar, welche ein Stuͤck harter Kruste +aufreißt, dort ein Saamenkorn, das sich heimlich und zu einstiger Frucht +in die Spalten des Gemuͤths einsenkt. + +Volksbildung, Wunsch meiner Wuͤnsche, Ideal, nicht traͤumerisches, +abgoͤttisches, ruͤckwaͤrts gewandtes, aufwaͤrts in den leeren Himmel +blickendes, ich glaube an Dich; Ideal, das keinem Dichter vielleicht +Stoff zum Besingen gibt, das vielleicht unter der Wuͤrde des +Metaphysikers steht, das die scholastische Zunft Ketzerei schilt und der +Politiker belaͤchelt, Ideal meiner Seele, Ideal aller Patrioten, im +Namen aller spreche ich es aus, ich glaube doch und noch immerfort an +Dich. + +Laßt ihr gebildeten Niedersachsen die alten Feudalvorurtheile uͤber den +Stand eurer Bauern die unreifen Ansichten uͤber ihre Bildungsfaͤhigkeit +fallen und fahren; erstere sind so roh, wie leider der Bauernstand jetzt +noch selber, letztere so intellektuell hochmuͤthig, wie man nur immer +von einem Stand exklusiv Gebildeter im und uͤber'm Volk erwarten kann. +Bedenkt aber, was ich sage. Ein Leibnitz, zehn Jahr mit sich allein im +dunkeln feuchten Kerker, kann so dumm und albern werden, daß +Gaͤnsejungen und Kuhhirten ihren Witz an ihm versuchen. Nun, Monaden +sollen unsere Bauern freilich nicht erfinden, Leibnitze nicht werden, +aber doch mit denselben Atomen _ihres Hirns_ uͤber die Erscheinungen in +der Welt, uͤber Natur und Staat ihre Begriffe zusammensetzen, verbinden +und aufloͤsen, Gedanken bilden, Urtheile faͤllen und uͤberhaupt sollen +sie geistige Operationen vornehmen, welche in Leibnitzens Kopf schaͤrfer +oder abstrakt einseitiger durchgefuͤhrt die Lehre von urtheilbaren +beseelten Weltstaͤubchen zum Resultat hatten. + +Doch, das alles wird euch ein mecklenburgischer Bauer besser +auseinandersetzen — wenn ihr nach einem Hundert oder Zweihundert Jahren +zu _reveniren_ Gelegenheit finden solltet. + + * * * * * + +Im vorherigen Abschnitt habe ich besonders oder ausschließlich nur auf +die durch die herrschende plattdeutsche Sprache verhinderte und daher +auch trotz dem Unterricht im Hochdeutschen verfehlte Bildung des +Landmanns Ruͤcksicht genommen[5]. Es ist aber auch schwer, wenn von der +gewerbtreibenden Klasse, der großen Bevoͤlkerung _norddeutscher Staͤdte_ +die Rede ist, die Hemmung und Stockung zu verkennen, welche die +plattdeutsche Sprache, wo sie dem taͤglichen Umgang angehoͤrt, uͤber die +Koͤpfe verhaͤngt. Man stoͤßt sich da, wo der Block liegt, nur sind die +Pfaͤhle, welche den engen plattdeutschen Ideenkreis in der Stadt wie auf +dem Lande begrenzen und umpfloͤcken, hier mehr roh, dort mehr +spießbuͤrgerlich abgeschaͤlt und hollaͤndisch uͤberpinselt, das ist der +Unterschied. Doch giebt es besonders aus groͤßeren norddeutschen +Staͤdten, eine erfreuliche Thatsache zu berichten. Viele aus den +mittleren achtbaren Staͤnden, Handwerker u.s.w. haben in neuer und +neuester Zeit angefangen, sich und ihren Familien eine andere Stellung +zur hochdeutschen Sprache und Kultur zu geben, als von ihren Vaͤtern +und Vorfahren eingenommen wurde. Ruͤhmlich ist es, was diese fuͤr ihre +Kinder thun, mit wie viel Opfern sie oft ihren Lieblingen Gelegenheit +verschaffen, sich fuͤr ihren kuͤnftigen Stand so zu befaͤhigen, daß sie +nicht, wie jetzt noch die Meisten aus dieser Klasse, mit leeren Haͤnden +und offenen Maͤulern den Strom der Einsichten, Ideen, Kenntnisse und +Bestrebungen an sich voruͤberrauschen sehen, der Europa, Amerika, die +Welt erfuͤllt. Ruͤhmlich und verstaͤndig zugleich, denn es leitet sie +der richtige Takt in der Beobachtung, daß Besitz und Vermoͤgen in der +Welt immer mobiler werden, daß im raschen Wechsel der Dinge, außer dem +blinden Gluͤck, worauf zu rechnen Thorheit waͤre, Verstand und +Kenntnisse, die aͤchten Magnete sind, um den aus den Taschen der +Erwerbenden und Genießenden lustig hin und her wandernden Besitz +anzuziehen, zusammenzuhalten und zu vermehren. + + * * * * * + +Waͤhrend der niedersaͤchsische Bauer bis uͤber Kopf und Ohren im +Plattdeutschen steckt, der Buͤrgersmann aber schon anfaͤngt, sich +zwangloser, als bisher, des hochdeutschen Mediums zu bedienen, sollte +man vom Gebildeten _par exellence_, vom Musensohn, vom Beamten des +Staats und der Kirche u.s.w. aussagen duͤrfen, daß er sich mit voͤlliger +Freiheit und Lust in hochdeutscher Sprache und Bildung bewegte und vom +plattdeutschen Idiom nur außer und unter diesem Kreise Gebrauch machte. +Allein die Sache verhaͤlt sich anders. Ich muß in dieser Hinsicht +Gedanken aͤußern, Erfahrungen mittheilen, welche meinem Gegenstande eine +ganz eigentuͤmliche uͤberraschende Wendung geben. + +Thatsache ist naͤmlich, daß die plattdeutsche Sprache Haus- und +Familiensprache in Tausenden von Beamtenfamilien, Lieblingssprache auf +allen norddeutschen Universitaͤten ist. Diese Sprache also, die ich als +Schranke alles Strebens und Lebens, als Feindin der Bildung betrachte, +ist dieses so wenig in den Augen vieler meiner Landsleute, daß sie den +vertrautesten Umgang mit ihr pflegen, daß sie ihr, der von Kanzel und +Lehrstuhl und aus guter Gesellschaft laͤngst Vertriebenen, eine +Freistaͤte am Heerde ihres Hauses gewaͤhren. + +Hier im Schooß der Familien erscheint sie als Exponentin der innigsten +Verhaͤltnisse. In Scherz und Ernst fuͤhrt sie oft das Wort, sie ist +Vertraute der Gattenliebe, Organ der Kindererziehung, Sprache des +Herzens, Lehrmeisterin der Sitte und praktischer Lebensklugheit. Hier +hat sie auch meistens ihre Rohheiten abgelegt, kehrt die beste Seite +heraus und scheint sich, gleichsam durch ihr Ungluͤck gebessert, des +Vertrauens wuͤrdig zu machen. + +Kommt hinzu, daß ihre Schutzherrn nicht selten Maͤnner von Talent, Geist +und Namen sind. Beruͤhmte Lebende koͤnnte ich anfuͤhren, ich begnuͤge +mich den seligen Johann Heinrich Voß zu nennen, der nicht allein in +Eutin, sondern noch in Heidelberg bis an seinen Tod mit Frau, Familie +und norddeutschen Gaͤsten am liebsten und oͤftersten plattdeutsch +sprach. + +Das sind Thatsachen. Wie gleiche ich sie aus mit der Behauptung, die +plattdeutsche Sprache sei Feindin der Bildung, des Ideenwechsels, der +geistigen Lebendigkeit; jetzt, da ich selbst nicht umhin konnte, Maͤnner +von Geist und Talent, von Gelehrsamkeit, rastloser Thaͤtigkeit, Maͤnner +wie Voß als plattdeutsche zu bezeichnen? + +Freilich, ich koͤnnte den nachteiligen Einfluß der plattdeutschen +Sprache eben nur auf das Volk und die Volksbildung beschraͤnken. Ich +koͤnnte mich etwa, um dem _gebildeten Plattdeutschen_ allen Anstoß aus +dem Wege zu raͤumen, folgendermaßen daruͤber ausdruͤcken: _absolut dem +Geiste lethal_ ist das Plattdeutsche nur, wo hochdeutsch, sanskrit und +boͤhmische Doͤrfer gleich bekannt sind, wie hie und da in Pommern und +Meklenburg; was denn von den groͤßten Freunden des Plattdeutschen +zugegeben werden muͤßte, da gar nicht zu laͤugnen, daß an sich und fuͤr +sich dasselbe nichts Lebendes und Bewegendes enthalte, sondern Todt und +Stillstand selber sei; _geistig hemmend und laͤhmend_ bleibt aber das +Plattdeutsche immer noch aus der Stufe der Gesellschaft, wo ihm zwar +das Hochdeutsche verstaͤndlich naͤher getreten, aber noch als ein +Fremdes gegenuͤber steht; _ohne schaͤdlichen Einfluß und gleichsam +indifferent fuͤr Geist und Bildung_ zeigte sich die plattdeutsche +Sprache, da, wo sie der hochdeutschen nicht als Fremde gegenuͤber steht, +sondern schwesterlich zur Seite geht. + +Allein, ich fuͤrchte, _indifferent_ ist ein Ausdruck, der hier schon aus +allgemeinen psychologischen Gruͤnden unstatthaft erscheint. Zwei +Sprachen auf der Zunge sind zwei Seelen im Leibe. Ist die eine Sprache +die geliebtere, die Herzenssprache, so ist die andere, fuͤr welche +Zwecke sie auch aufgespahrt wird, um ihren schoͤnsten Anteil am Menschen +zu kurz gekommen. Sie raͤcht sich, indem sie das nicht zuruͤckgiebt, was +sie nicht empfaͤngt, sie schließt ihre innerste Weihe nicht auf und +laͤßt sich wol als aͤußeres Werkzeug mit großer Kunst und Kuͤnstelei, +aber nicht als zweites Ich mit Liebe und Freiheit gebrauchen. + +Der hochdeutschen Sprache verdankt jeder Niedersachse sein veredeltes +Selbst, ihr der aus dem Volk geborne Redner, Dichter, Schriftsteller +sein Alles und Ruf und Namen im Kauf. Kann er ihr sein Herz dafuͤr nicht +zuruͤckschenken, kann er sie nicht zur Sprache seiner haͤuslichen +Freuden und Leiden machen, muß sie verstummen, sobald er gemuͤthlich +wird, so steht sein gebildetes und veredeltes Selbst im geheimen +Kontrast zu seinem intimen Selbst und es wird sich daher auch an seiner +Bildung, an seinen Gedichten, Reden, Schriften diese Einseitigkeit, +dieser Widerspruch offenbaren und nachweisen muͤssen. + +Menzel hat's bekanntlich an Johann Heinrich Voß unternommen. Die Stelle +in Menzels Literatur, die Voß betrift, ist bitter, frivol, einseitig, +aber sie ist bedeutend und hat dieselbe nachwirkende Sensation +hervorgebracht, wie das Urtheil uͤber Goͤthe, das freilich noch +einseitiger ausgefallen ist und sich selbst _à la_ Pustkuchen +laͤcherlich machte. Als ich Menzels Worte zum erstenmal las, fuͤhlt ich +mich empoͤrt. Zeig dich nur erst als so einen _niedersaͤchsischen +Bauer_, wie du den Voß zum Spotte nennst, rief ich im Zorn aus; allein +ich mußte mir einen Augenblick darauf selbst sagen, daß diese Anmuthung +an einen Suͤddeutschen weder billig noch selbst einladend genug klang +und daß doch zugleich eben in meinem Ausrufe eine Art von halbem +Zugestaͤndnisse lag. Wirklich hatte ich schon immer eine Ansicht uͤber +Voß als Dichter und Uebersetzer gehegt, die bei aller Achtung Vor dessen +großen, zweifellosen Verdiensten, durchaus nicht nach uͤbertriebener, +philologischer Bewunderung und niedersaͤchsischem Patriotismus roch. Ich +fand, daß er dem Genius der deutschen Sprache von Jahr zu Jahr mehr +Zwang angethan, daß er zu roh und willkuͤhrlich an ihr gezimmert und +losgehaͤmmert und daß kein Deutscher, selbst Voß nicht, solche Woͤrter, +Wendungen und Redensarten in den Mund nehmen konnte, wovon seine +prosaischen und poetischen Schriften voll sind. Gegenwaͤrtig lautet mein +Urtheil vielleicht noch entschiedener. Ich sehe an Johann Heinrich Voß +bestaͤtigt, was ich eben aussprach. Die hochdeutsche Sprache hatte seine +Liebe nicht voͤllig inne, daher erschloß sie ihm nicht ihr eigenes Herz, +ihre Heimlichkeiten und Geheimnisse, ihre jungfraͤuliche Natur, die +Bluͤthe ihres Leibes und Geistes, lauter Gaben und Geschenke, die man im +zaͤrtlichen Umgang freiwillig von der Geliebten eintauscht, nicht aber +durch Willkuͤhr und Zwang ihr abgewinnen kann. + +Indem ich dieses allen Gebildeten in Niedersachsen zu bedenken gebe, bin +ich keinesweges abgeneigt, einer patriotisch-wohlmeinenden Stimme aus +ihrer Mitte Aufmerksamkeit zu schenken, welche die Ueberzeugung aͤußert, +der Gebrauch der plattdeutschen Sprache in den Familien gebildeter +Niedersachsen, welchen Einfluß er auch uͤbe auf die intellektuellen +wahren oder ertraͤumten Beduͤrfnisse, auf die verfeinerte Civilisation, +Bildung oder Verbildung der Zeit — ich schattire absichtlich diese +Ausdruͤcke mit dem bekannten Pinsel, der ohne Zweifel aus guter aber +beschraͤnkter Absicht alles was der Gegenwart und der neuesten Zeit +angehoͤrt gegen die gute alte im Schwarzen und Bedenklichen laßt — der +Gebrauch sei ein guter und treflicher in Ruͤcksicht auf den Charakter +der Hausgenossen, weil mit der Sprache der Vaͤter auch ihre alte +ehrliche und treue Sitte, ihre Herzlichkeit, Gradheit und Biederkeit +sich auf die Enkel fortpflanze. + +Aufrichtig, du mir immer liebe Stimme, wenn da aus schlichtem, +patriotischem Herzen kommst, ich weiß nicht ob unsere Urgroßvaͤter so +ganz diesem schmeichelhaften Silbe glichen. Es ist sonderbar damit, man +spricht immer von der guten alten Zeit und jedes aussterbende Geschlecht +vermacht die Sage davon an das aufbluͤhende und die gute alte Zeit +selbst laͤßt sich vor keinem sterblichen Auge sehn und ist immer um +einige Stieg Jahre aͤlter, als die aͤltesten lebenden Menschen. Ich muß +laͤcheln, wenn ich an die Verlegenheit wohlmeinender Chronisten und +Geschichtschreiber denke, wenn sie, um das moralische Maͤhrchen nicht zu +Schanden werden zu lassen, sorgenvoll spaͤhende Blicke in die +Vergangenheit werfen, um auch nur einen Zipfel, einen Saum von der +Schleppe der alten Guten oder guten Alten zu erhaschen. Man gebe nur +Acht, wie listig sie sich dabei benehmen. Sie lassen ihr nie unmittelbar +ins Gesicht sehen, sie sagen nicht, nun kommt sie, oder da ist sie; im +Gegentheil wimmeln die Blaͤtter ihrer Geschichte nicht selten eben +vorher von klaͤglichen Zustaͤnden, Schwaͤchen, Lastern und +Erbaͤrmlichkeiten der menschlichen Natur, wenn sie dem Abschluß einer +auserwaͤhlten, kleinen, glaͤnzenden Periode sich naͤhern; dann aber, +wenn der Vorhang faͤllt, die grellen Farben sich schwaͤchen, die boͤsen +Beispiele nicht mehr so lebhaft der Idee von guten Sitten +entgegenarbeiten, wenn das Bild der Zeit abzieht, dann zeigen sie auf +ihren bordirten Saum und rufen dem Zuschauer wehmuͤthig zu, da geht sie, +da geht sie hin die gute alte Zeit und nun werden die jungen Zeiten +anwachsen, ihre Kinder, die sind aber sehr ausgeartet und werden alte +Zeit schlechter. Das man die Geschichte der Sitten von einem ganz andern +Standpunkt und mehr im Großen der Welterscheinungen betrachten muß, das +ahnen die guten Leute nicht. + +Fuͤr jeden Einzelnen ist es freilich immer eine Sache der Pietaͤt und +ein wohlthuendes Gefuͤhl, sich seine Vorfahren als durchgaͤngig honette +Leute vorzustellen. Der dunkele Buͤrgerliche oder Baͤuerliche kann +dieser Vorstellung wenigstens ohne großen geschichtlichen Anstoß und +Widerspruch nachhaͤngen, er hat hierin einen Vortheil vor den +beruͤhmtesten Adelsfamilien voraus. So ist in hochdeutschen +buͤrgerlichen Familien die Vorstellung vom Großvater, Urgroßvater als +altdeutschen Degenknopf die herschende und die liebste. Schwaͤcher und +allgemeiner bezeichnet sind die _epitheta ornanti_ fuͤr baͤuerliche +Vorfahren, Degenknoͤpfe kann man sie schicklicherweise nicht nennen und +der Bauerwitz ist bis jetzt noch nicht auf den Einfall gekommen, etwa +die Ausdruͤcke von alten deutschen Piken, Sensen oder Messerscheiden auf +sie anzuwenden. Ueberhaupt ist zu bemerken, daß das Wort deutsch nur +hochdeutsch ist, und im originalen plattdeutsch des gemeinen Lebens +nicht vorkommt, eben so wenig, wie die fruͤherhin angefuͤhrten Woͤrter +Bildung und Verfassung, so daß die Redensart „das gebildete und +verfassungsmaͤßige Deutschland“ in plattdeutscher Sprache noch weniger +als eine Redensart und gar nichts ist. + +Nach dieser vorlaͤufigen Verstaͤndigung waͤre zunaͤchst der Hauptsatz +einzuraͤumen, mancherlei alte Sitte geht durch den Gebrauch der +plattdeutschen Sprache auf die Glieder der Familie uͤber, und — +_Folgesatz_ — wird ihnen zeitlebens etwas ausdruͤcken oder anhaͤngen, +was sich nicht wol mit ihrer sonstigen Bildung vereinigen, sich nicht +fuͤr die Zeit und heutige Gesellschaft schicken will — das aber — _Nach- +und Beisatz_ — den Umgang mit dem Volk, das Einwirken auf das Volk zu +erleichtern geeignet sein mag. + +Letzteres betrachte ich in der That fuͤr sein unwichtiges Moment. Man +sieht hier den Gebrauch der plattdeutschen Sprache in Prediger- und +Beamtenfamilien unter seinen natuͤrlichsten und vortheilhaftesten +Gesichtspunkt gestellt. Diese Familien, meistens selbst vom Lande und +auf dem Lande besitzen und erregen nicht selten das Vertrauen des +Landmanns und wie es andere Familien zum Beispiel in der Stadt giebt, in +deren Mitte er sich fuͤr verrathen und verkauft halten wuͤrde, so trift +er in jenen gleichsam naͤhere und entfernte Anverwandte und sieht in +deren haͤuslichem Leben wie in einen Spiegel, worin sein eigenes mit +verschoͤnerten Zuͤgen ihm vertraulich entgegentritt. + +Doch ist keiner geringen Anzahl von diesen Familien die hoͤchst +dringende Warnung zu ertheilen, vor dem allmaͤhligen herabsinken auf die +baͤuerliche Stufe der Kultur auf der Hut zu sein. Da sich im +Plattdeutschen einmal nichts Gescheutes sprechen laͤßt, so nimmt die +plattdeutsche Gemuͤtlichkeit nur zu leicht den Charakter der Traͤgheit +an. Das Beduͤrfniß bedeutenderer Conversationen, zarterer Beruͤhrungen, +die nur in einer gebildeten Sprache moͤglich sind, regt sich immer +schwaͤcher, die einfache Sitte verwandelt sich in rohe, das Herzliche +ins Laͤppische, das Gerade in's Plumpe, das Derbe in's Ungeschlachte und +es tritt nur zu oft jener traurige Ruͤckschritt der Civilisation ein, +den man Verbauerung nennt. Damit ist dem Bauer auch nicht geholfen, der +Familie, den Kindern noch weniger. + +Wer sich also in seiner Neigung und Vorliebe fuͤr das Plattdeutsche im +Haͤuslichen auf einen Heros der deutschen Literatur wie Johann Heinrich +Voß oder einen Pfarrer, wie Klaus Harms zu berufen gedenkt, der thut +wohl, sich zuvoͤrderst die Fragen vorzulegen: bist du des Umschwungs +deines geistigen Raͤderwerks auch so gewiß und sicher, wie jene, laͤufst +du keine Gefahr, dich fuͤr die Wissenschaft abzustumpfen, die Bewegung +der Zeit aus dem Auge zu verlieren; darfst du nicht befuͤrchten, dich +und deine Familie an den Bettelstab des Gedankens zu bringen, deinen +Kindern eine unersaͤtzliche Zeit zu rauben, sie unerzogen in die Welt zu +stoßen und mit deinem ganzen Hause an den untersten Fuß der Civilisation +herabzugleiten? + +Das moͤgten doch immer Fragen sein, die einer aͤngstlich gewissenhafter +Beantwortung werth sind. + + * * * * * + +Aber die plattdeutsche Sprache, ist, wie erwaͤhnt, Lieblingssprache auf +allen norddeutschen Universitaͤten und das wenigstens wird ihr waͤrmster +Freund nicht gut heißen koͤnnen. + +Hier tritt sie als gefaͤhrlichste Bundesgenossin aller jener +zahlreichen Uebel und Hemmnisse auf, die sich von Anfang an auf unsere +Universitaͤten verschworen zu haben scheinen, um die Humanitaͤt im Keim +zu ersticken. Hier legt sie die idyllische ehrbare Miene ab, wodurch sie +sich in laͤndlichem Pfarrhause Frau und Toͤchtern empfiehlt, zwanglos +grob, ungenirt gemuͤtlich wandert sie in den Auditorien aus und ein, den +Mund immer offen und nur pausirend, wenn der Professor spricht und der +Student Religionsphilosophie, Metaphysik, Naturlehre und andere +hochdeutsche _sublimia_ in sein Heft eintraͤgt. Zum Teufel ihr Herren +_favete linguis!_ wie kommt die Sprache Boͤotiens in Minervens Tempel. +Ihr koͤnnt freilich antworten, wie kommt Minervens Tempel zu unserer +Universitaͤt, die nur eine alte wankende Ruine aus dem Mittelalter ist. +Recht! aber wo euer Fuß hintritt, da soll Athen sein, geweihter Boden +sein — _soll_, sage ich, denn warum sonst haben die Goͤtter dem +jugendlichen Fuß die Sehne der Ungeduld und des heiligen Zorns +verliehen, die mit einem Tritt zerstampft, was das Alter mit beiden +Haͤnden nicht aus dem Wege schaffen kann, warum anders, als damit ihr +Schoͤneres, Besseres, Heiligeres aus dem Boden zaubern sollt. Ihr +versteht mich nicht? Ich verstehe euch auch nicht, ich verstehe die edle +norddeutsche Jugend nicht, die sich auf dem Musensitz einer Sprache +bedient, die dem Dunkel des Geistes, der Barbarei vergangener Zeiten +angehoͤrt. Macht es dieser Jugend Scherz, ihre eigenen Studien, das +akademische Leben, den duͤrren Scholastizismus und die Pedanterie des +akademischen Instituts zu parodiren, zu travestiren, so sehe ich +allerdings weder großen Uebermuth in diesem Scherze, noch verkenne ich, +wie sehr die plattdeutsche Sprache, ja schon ihr Klang, zu diesem Zweck +sich eignet[6]; allein Scherz muß Scherz, das heißt fluͤchtig und +wechselnd bleiben, und wenn derselbe Scherz und dieselbe Travestie drei +Jahre alt wird, so muß man ein sehr ernsthaftes und langweiliges Gesicht +dazu machen. + +Kann man nicht heiter, gesellig, witzig, selbst wenn Lust und Laune +danach, derb und spaßhaft im Element des Hochdeutschen sein. Ist die +Sprache unserer Bauern humoristischer als die Sprache Abrahams a Sancta +Clara, Lichtenberg, Jean Pauls. O ich kenne die niedersaͤchsischen +Witze, sie stehen alle in einem kleinen grobloͤschpapiernen Buch mit +feinen Holzschnitten, das jaͤhrlich in diesem Jahre gedruckt wird. Es +tritt darin auf „der Ruͤbezahl der Luͤneburger Haide,“ der Repraͤsentant +des niedersaͤchsischen Volkshumors, der geniale Till und ruͤlpst auf die +anmuthigste Weise lauter Witze vor sich hin, die aus einer Zeit stammen, +wo das Volk nur den groben Wanst, dagegen die Ritterschaft den Arm, die +Geistlichkeit den Kopf des Staatsungeheuers repraͤsentirte. + +Oder was zieht ihr vor an der plattdeutschen Sprache? Ich weiß die +Antwort nur zu gut, „sie macht uns Spaß[7]; sie ist uns gemuͤthlich.“ +Chorus von Goͤttingen, Rostock, Greifswalde, Kiel, sie macht uns Spaß, +sie ist uns gemuͤthlich, es wird uns wohl dabei! Auch in Jena, +Heidelberg, Berlin, Bonn, wohin wir kommen und wo unserer zwei bis drei +beisammen sind, da ist sie mitten unter uns. Sie gehoͤrt mit zum Wesen +der norddeutschen Landsmannschaft und das waͤre kein braver Holsat oder +Meklenburger, oder Oldenburger, der nicht wenigstens drei Plattituͤden +am Leibe haͤtte, plattes (Muͤtze) auf dem Kopf, plattes (Mappe) unter'm +Arm und das liebe Platt im Munde. + +O Jugend, akademische, Bluͤthe der Norddeutschen, sei nicht so duftlos. +Dufte etwas nach dem Geist der Alten — ich meine nicht deiner eigenen — +bethaue deine Bluͤthen und Blaͤtter mit etwas Naß aus der Hippokrene, +durchdringe sie mit etwas Oel aus der Lampe der Philosophie, empfinde, +fuͤhle wenigstens nur die heiße Thraͤne des Unmuts und des Schmerzes, +die der Genius deines Vaterlands auf dich herabtraͤufelt. + +O Jugend, akademische, ihm ist uͤbel, wenn dir wohl ist. Mephistopheles +freilich lacht und spoͤttelt dazu und wenn er dich in Auerbachs Keller +platt und wohlbehaglich sitzen sieht so ruft er seinem Begleiter zu: + + Da siehst du nun, wie leicht sich es leben läßt? + Dem Völkchen da wird jeder Tag zum Fest. + +Wie hat sich seit den Tagen des Faustus die Welt veraͤndert, was ist +nicht alles in den letzten 30, in den letzten 13, in den letzten 3 +Jahren geschehen und dieses Voͤlkchen ist noch immer das alte geblieben? +Wo kommt es her? Wo geht es hin? + +Es gibt Ausnahmen, wie sollte es nicht. Aber ich spreche, wie immer in +dieser Schrift, vom großen Haufen, und der ist auf unsern Universitaͤten +noch immer der alte Stamm und das Plattdeutsche seine hartnaͤckigste +Wurzel. + +Es hat fast den Anschein, als muͤßte der Bauer erst mit gutem Beispiel +vorangehn und die Sprache der Bildung gegen den Dialekt der Rohheit +eintauschen, ehe der Student sich dazu entschließt. + +Wie noͤthig thaͤte es Manchem, um auch nur den aͤußern Schein seines +Standes im Gespraͤch und Umgang mit Gebildeten zu retten. Ich schaͤme +mich's zu sagen, welche Erfahrungen ich gemacht habe. + +Wie noͤthig aber thut es Jedem, sich unablaͤssig in einer Sprache zu +bewegen, die ihm erst zu der Herrschaft uͤber sein Wissen verhelfen +soll; wie noͤthig Jedem, sich einer Sprache zu entschlagen, welche diese +Herrschaft mißgoͤnnt und streitig macht, welche wie das lichtlose dumpfe +Chaos dicht hinter seiner aufzubauenden Welt lauert. + +Ohnehin fordert die hochdeutsche Sprache Uebung, viel Uebung. Sie faͤllt +Einem nicht so in den Mund, wie dem Franzosen das franzoͤsische. Das +Talent sich fertig und gelaͤufig auszudruͤcken, ist immer noch ein +selteneres, am seltensten in Nord-Deutschland. Sprache und Gedanke, +Sprache und Gelehrsamkeit stehen haͤufig im ungeheuersten +Mißverhaͤltniß. Fern sei es von mir, den bloßen Fluß der Worte, die +Geschwaͤtzigkeit als eine Tugend zu preisen. Aber diese Wortangst, diese +Wortplage, die so viele Sprechende befaͤllt, dieses Stottern, Ringen, +Raͤdern und Braͤchen, das am Ende oft doch nur etwas Verschrobenes oder +Triviales zu Tage foͤrdert, das alles deutet bei unsern Gelehrten auf +eine klaͤgliche Unangemessenheit zwischen todtem Studiren und lebendigem +Umtausch hin. + +Von dieser Seite betrachtet zeigt sich der geruͤgte Uebelstand auf +norddeutschen Universitaͤten im haͤßlichsten Licht. Der tuͤchtigste Kopf +kann sich kaum vor der Masse des Fertigen, Vorgedachten, Positiven +erwehren, das so regelmaͤßig wie der Rinnenguß einer Wassermuͤhle Tag +fuͤr Tag auf ihn eindringt. Es gehoͤren elastische Denkfibern, +gluͤckliches Gedaͤchtniß (auch gluͤckliches Vergessen) und vor allem +Freundesgespraͤche dazu, um die ewige Nothwehr mit Erfolg fortzusetzen +und das heiligste Gut der Persoͤnlichkeit, das Stoffbeherrschende, +selbstbewußte, selbstdenkende Ich siegreich davonzutragen. Vor allem +Freundesgespraͤche, sage ich. Einsames Lernen, stilles Sammeln, +Betrachten, Denken sind nothwendig; aber wer nicht spricht, erstickt, +wird verwirrt, chaotisch und das eben ist der geistige Zustand der +meisten jener Gelehrten, deren Sprechen ich so eben als Sprachangst und +Sprachplage bezeichnet habe. + +Mit welchen Farben soll ich den barocken, laͤcherlich traurigen +Geisteszustand einer plattdeutschen Studentenmasse schildern. _Ochsen_ +nennt sie selbst die mechanische Arbeit, die sie zum Behuf des Examens +taͤglich vornimmt. Jeden Tag schiebt sie fleißig ihren Karren Pandekten, +Dogmatik u.s.w. in die Scheune ihres Gedaͤchtnisses. + +Liegt da das taͤgliche Pensum zu Hauf, so spannt sie sich aus, laͤßt's +liegen, wo es liegt und — wird gemuͤthlich, plattdeutsch. + +_Humaniora_, erfrischende, belebende, hoͤher hinantreibende Vortraͤge, +hoͤrt sie nicht, oder bekommt sie nicht zu hoͤren, da leider an vielen +Orten die _Humaniora_ nur als Antiquitaͤten gelesen werden. + +Klingt es nicht manchmal als Ironie, wenn der Bauer seinen Sohn, oder +des Amtmanns, Schulzen, einen Studeermakergesellen nennt? — O +norddeutsche, studirende Jugend, nimm das platt aus dem Munde! + + * * * * * + +Bis hierher hatte ich das Niedergeschriebene einem Freunde vorgelesen. +Ich fragte diesen um sein Urtheil. Ich bin uͤberrascht, sagte er nach +einigem Zoͤgern: Ich habe uͤber den Einfluß der plattdeutschen Sprache +bisher nicht weiter nachgedacht, und das moͤgte wohl der Fall mit den +meisten kuͤnftigen Lesern dieser Bogen sein. Nichts destoweniger habe +ich diesen Einfluß dunkel und unangenehm empfunden; er macht, besonders +wenn man aus dem Suͤden zuruͤckkehrt, einen aͤhnlichen Eindruck, wie die +veraͤnderte Athmosphaͤre, die fahle Luft und das haͤufige Regenwetter +des Nordens. Man findet sich darein, wie in ein nothwendiges Naturuͤbel. +Allein mit der Sprache ist es wol ein Anderes. Sie haben Recht, wenn Sie +einmal fruͤher aͤußerten, man muͤsse sich selbst gegen das Nothwendige, +das der physischen oder moralischen Ordnung angehoͤrt, in Position +setzen. Sie haben mir, darf ich sagen, ordentlich die Brust erleichtert, +indem Sie mich auf einen bestimmten Landesfeind aufmerksam machen, mit +dessen Vertilgung das Feld fuͤr die norddeutsche Civilisation gewonnen +scheint. Das wird und muß nach Lesung Ihrer Schrift, das Gefuͤhl aller +Patrioten sein, denen es in dieser Zeit wie Alpdruͤcken auf dem Herzen +liegt. O wohl! o wohl! Die plattdeutsche Sprache ist das absolute +Hemmniß des oͤffentlichen Lebens, der Bildung und Humanitaͤt in +Niedersachsen. So lange diese Sprache dem gemeinen Leben angehoͤrt, +werden, wie bisher, Mastochsen, Gaͤnsebruͤste und westphaͤlische +Schinken die Hauptprodukte unserer Civilisation bleiben. Gegen die +Civilisation selbst macht die plattdeutsche Sprache nicht allein +gleichguͤltig, sondern tuͤckisch und feindselig gestimmt. Warum ist das +nicht laͤngst zur Sprache gebracht, Gegenstand des allgemeinsten und +lebhaftesten Interesses geworden. + +Sie vergessen, sagte ich, daß Voß, Harms, Scheller, Baͤrmann und andere +wackere Maͤnner die Theilnahme des Publikums fuͤr diese Sprache, selbst +fuͤr eine Literatur in derselben, haben in Anspruch nehmen wollen. + +Ich weiß, erwiederte er, ich habe unter andern den „_Bloottuͤgen_,“ den +Henrik von Zuͤphten vom Pastor Harms gelesen. Damals dachte ich nichts +anderes dabei, als daß so ein plattdeutsches Buch unbequem und schwer zu +lesen und wahrscheinlich noch unbequemer zu schreiben sei. + +Was den Henrik von Zuͤphten betrift, bemerkte ich dagegen, so scheint +mir der Verfasser einen Ungeheuern Mißgriff in der Wahl des Stoffes +gethan zu haben. Ich schaͤtze die alten Dithmarsen sehr hoch. Sie waren +ein tapferer, unbezaͤhmlicher, ordentlich nach Freiheit und +Unabhaͤngigkeit duͤrstender Menschenschlag, Bauern zu Pferde mit dem +Schwerdt in der Hand, die Schweizer des Nordens oder vielmehr Wittekinds +und seiner Sachsen ungebeugte und ungebrochene Enkel bis in's +fuͤnfzehnte und sechszehnte Jahrhundert hinein. Nur weiß ich nicht, ob +ein lutherischer Pfarrer von Heute, selbst wenn er geborner Dithmarse +ist, einer so durchaus heidnischen Mannheit Gerechtigkeit widerfahren +lassen kann; denn obwol die dithmarsische Groͤße und Freiheit in +christliche Zeiten fiel und die Verehrung der Jungfrau Maria in diesem +Lande gerade hoͤher getrieben wurde, als, wie es scheint, andeswo im +Norden, so erhielt doch der hochfahrende und kampflustige Sinn der +Einwohner durch sie nur eine sehr schwache christliche Faͤrbung und wol +schwerlich hat die Brust eines mutigen Dithmarsers aus Furcht vor dem +Himmel, der Geistlichkeit oder eigener Gewissenszartheit christliche +Demuth dem Muth uͤbergeordnet, wie man solches in den Ritterbuͤchern des +Mittelalters liest. Doch mag es damit sein, wie es will; ich muß +bekennen, daß ich uͤberhaupt keinen Geistlichen zum Geschichtschreiber +wuͤnsche, speziell nicht zum Dithmarsischen. Was mir aber auffiel, war, +daß Pastor Harms sich grade einen Moment aus der dithmarsischen +Geschichte gewaͤhlt hatte zur plattdeutschen Darstellung, der auf so +schneidende Weise mit der altvaͤterischen, derben Bonhommie, die er +dieser Sprache im Eingang nachruͤhmt, im Kontrast steht: der +Maͤrtyrertod des ersten lutherischen Predigers in Dithmarsen. Diese +kalte Wuth, dieser Hohn menschlichen Gefuͤhls, diese Spurlosigkeit alles +Barmherzigen, womit hier der arme Mann einem langsamen und +schauderhaften Tode uͤberliefert wird, macht nicht nur an sich einen +boͤsen Fleck in der dithmarsischen Geschichte aus, sondern erinnert auch +sehr zur Unzeit, daß diese beste Zucht niedersaͤchsischer Maͤnner, die +Dithmarsen, von jeher neben ihrer Tapferkeit und eisernen Sitte, mit +asiatischer Barbarei an Gefuͤhllosigkeit gegen Feind und Freund +gewetteifert haben, was den allerdings wol auf eine derbe und rohe, aber +keineswegs auf so eine „alte und gemuͤthliche“ Sprache hindeutet, wie's +so etwa von einem unserer friedlichen und gutmuͤthigen Philister +heutiger Zeit verstanden wird. — Fuͤgen Sie noch hinzu, sagte hierauf +mein Freund, daß das Dithmarsen der Gegenwart, das noch ganz und gar +plattdeutsch ist, und wo auch noch wirklich das beste platt[8] +gesprochen wird, weder in moralischer noch in gesellschaftlicher +Beruͤhrung ein sehr glaͤnzendes Lob auf dasselbe zuzulassen scheint. Die +Armuth, Trunkfaͤlligkeit, die ungeheure Zahl der veruͤbten Mordbraͤnde +in Dithmarsen deuten auf einen sehr versunkenen sittlichen und +buͤrgerlichen Zustand. Eben er, der mit herrlichem Eifer fuͤr die +Verbreitung religioͤser und moralischer Lebensflammen erfuͤllte Pastor +Harms hat in patriotischen Schriften seinen Schmerz daruͤber +ausgesprochen. Was kann er aber, sage ich jetzt mit vollster +Ueberzeugung, von der Mithuͤlfe einer Sprache erwarten, welche aller +Mittheilung unbesiegliche Schranken entgegenstellt und das wahre Grab +des hoͤheren Leben ist. Es staͤnde zu wuͤnschen, daß ein dithmarsischer +Patriot den nachteiligen Einfluß der Sprache auf die Fortschritte der +Civilsation und selbst auf die schoͤnere Humanitaͤt einer +ausgezeichneten Einzelbildung aus der Allgemeinheit Ihrer Schrift +uͤbertragen moͤge auf Dithmarsen und die Dithmarsen, wie sie sind und +was sie vermoͤge ihrer Sprache sind und nur sein koͤnnen. + +Ihr Wunsch ist der meinige, ich werde ihn, wie uͤberhaupt unser +Gespraͤch, vor's Publikum bringen, und zwar als integrirenden Theil +meines Aufsatzes. Denn, glauben Sie mir, ohne Ihr Hinzukommen wuͤrde ich +mich nie zur Herausgabe desselben bestimmt haben. + +Sie scherzen, oder wollen etwas sagen, was mir nicht klar ist. + +Hoͤren Sie nur und urtheilen Sie selbst. Ich habe bisher darzustellen +gesucht, daß die plattdeutsche Sprache sowol an sich unfaͤhig sei, die +Keime der Civilisation zu fassen als auch, so lange sie taͤgliche +Umgangssprache in Niedersachsen bliebe, alles Bemuͤhen zur Civilisation +durch das Mittel der hochdeutschen Sprache vereiteln muͤsse. Ich habe +diese Wahrheit nicht allein auf die unteren Kreise beschraͤnkt, ich habe +fuͤhlbar zu machen gesucht, wie ohne unterliegende allgemeine +Volksbildung, auch die hoͤhere Bildung des Einzelnen gefaͤhrdet sei und +zum Beispiel die Extreme auf der jetzigen Leiter unserer Kultur, Bauer +und Student oder Studirter, sich in demselben rohen und bildunglosen +Medium wieder beruͤhren. Habe ich, wie ich meine und getrost der +oͤffentlichen Stimme uͤberlasse, dieses mit unabweisbarer +Handgreiflichkeit nachgewiesen, so werde ich allerdings der +Uebereinstimmung aller Patrioten in der Behauptung gewiß sein, es sei +nicht wuͤnschenswerth, daß die ohnehin aussterbende und vermodernde +plattdeutsche Sprache, gehegt und gepflegt werde, es sey im Gegentheil +wuͤnschenswerth, daß sie sich je eher je lieber aus dem Reiche der +Lebendigen verliere. Und somit waͤre denn im verhofften guten Fall hie +und da eine Meinung, eine Ansicht uͤber das Wuͤnschenswerthe und nicht +Wuͤnschenswerthe in dieser Angelegenheit oͤffentlich angeregt. Aber +sagen Sie mir, was ist eine Privat-Meinung, die einen frommen Wunsch zur +Folge hat, im Angesicht eines oͤffentlichen Gegenstandes, oder +Widerstandes, der nichts meint und wuͤnscht, der nur so eben sich seiner +breiten Fuͤße bedient, um seine plumpe und gedankenlose Existenz durch +alle Meinungen hindurch zu schieben und sich trotz aller Meinungen auf +den Beinen zu behaupten, bis er etwa von selbst umfaͤllt, Meinungen und +Ansichten haben wir im Ueberfluß, vortrefliche. Woran fehlt's? Am +Korporativen der Meinung, welches die oͤffentliche Meinung ist, welche +die That mit sich fuͤhrt. Wuͤrde ich sonst, wenn ich nicht das +fruchtlose Hin- und Hermeinen des Publikums zu gut kennte, mir die +Beantwortung der ironischen Frage aufgelegt haben, ob man den +wuͤnschenswerthen Untergang der Sprache ruhig sich selbst und der Zeit +uͤberlassen oder etwas dafuͤr thun, denselben moͤglichst beschleunigen +solle? Sie sehen aber wol, daß es mir damit nicht Ernst gewesen sein +kann; denn bringt die wahre und lebhafte Darstellung eines großen Uebels +nicht unmittelbar und fuͤr sich das Gegenstreben, den Wunsch und das +Umsehen nach Mitteln zur Abstellung desselben hervor, so ist alles +weitere Reden und Zureden rein uͤberfluͤssig, falls es nicht, wie bei +manchen Maaßregeln gegen die Cholera, mit aͤußerm Zwang und +obrigkeitlichem Befehl verbunden ist. + +Ich weiß aber nicht, was mir sagt, daß Sie im Auffassen dieser +Angelegenheit der Repraͤsentant von sehr vielen Norddeutschen sind. Die +Wahrheit hat auf Sie ihren vollen Eindruck nicht verfehlt, Sie freuen +sich, ihren allgemeinen truͤben Mißmuth einem bestimmten Feind +gegenuͤbergestellt zu sehen, Sie sinnen auf Mittel, ihn anzugreifen, Sie +halten ein allgemeines lebhaftes und daher wirksames Interesse als +durchaus in der Sache begruͤndet. + +So ist es, erwiederte mein Freund. Und ich glaube, auch darin irren Sie +nicht, wenn Sie mich nach Ihrem Ausdruck fuͤr den Repraͤsentanten einer +sehr namhaften Zahl und Klasse von Norddeutschen halten. Bedenken Sie +nur allein den Stand des Schullehrers, der Jahr aus Jahr ein an der +plattdeutschen Jugend sich fruchtlos abquaͤlt und gleichsam tagtaͤglich +Wasser ins Faß der Danaiden schoͤpft. Ihm vor allen wird ihre Schrift +neuen Muth und Anstoß geben. Das Hauptmittel, davon sind Sie ohne +Zweifel auch uͤberzeugt, liegt in den Haͤnden dieser Maͤnner. + +Aber, fuͤgte er fragend hinzu, welchen Schluß geben Sie ihrer Arbeit? +Ich denke doch, Sie lassen, wenn auch die zweite Frage billig +ausfaͤllt, die dritte nicht ganz unbeantwortet. Welche Mittel halten Sie +fuͤr die Ausrottung der plattdeutschen Sprache fuͤr die wirksamsten? Mir +und meinen Kollegen, wie gesagt, liegt vorzuͤglich daran. + +Ich trug meinem Freunde darauf den folgenden Abschnitt vor, bemerkte +aber, daß ich von ihm selbst oder von einem Genossen seines Standes +etwas Erschoͤpfenderes in dieser Hinsicht verhoffte. + + * * * * * + +Wer aber soll helfen gegen das Plattdeutsche im Volk? Wie kann dem +Hochdeutschen geholfen werden? + +Wer? Alle Welt, nur der Staat nicht. Was der Staat gegen das +plattdeutsche und fuͤr das Hochdeutsche thun konnte, hat er gethan, +indem er jene aus der Kirche verbannt und sie vom Gerichtshofe +ausschloß. + +Wer diese Schrift verbreitet, sie selbst oder ihre Ideen, wer sie +oͤffentlich angreift oder vertheidigt, wer ihr neue Gesichtspunkte +hinzufuͤgt, deren es noch so viele giebt, wer die bereits aufgestellten +modificirt, rektificirt, _der hilft, er mag wollen oder nicht_; denn er +hilft eine oͤffentliche Meinung bilden. Beleuchtet dieses gedankenlose +Monstrum, Hannoverisches Platt, Meklenburgisches Platt und wie es sich +uͤberall nennt, von hinten oder von vorne, von der besten oder von der +schlechtesten Seite, beleuchtet es nur, und glaubt mir, jedes Licht uͤbt +eine chemische Zerstoͤrung auf sein Volumen aus. Besprecht es, besprecht +es nur und seid uͤberzeugt, jedes Wort im Guten oder Boͤsen ist ein +Zauberbann, der ihm einen Fuß seines Gebietes verengt. + +Das ist das Schoͤne mit der guten Sache und der oͤffentlichen Meinung +und der neuen Zeit; wenn die drei einmal in Bewegung sind und sich auch +nicht suchen, so verfehlen sie sich doch nicht. + +Ja, ich zweifle nicht, die oͤffentliche Meinung wird sich bilden und sie +wird grollen, wie ich, mit dem Plattdeutschen und das Grollen wird uͤber +die Koͤpfe unserer Bauern hinfahren und wird — ansteckend sein. + +Die Ansteckung ist die Hauptkraft der oͤffentlichen Meinung und das +Wunderbarste an ihr. + +Die wichtigsten Exekutoren der legislativen Gewalt oͤffentlicher Meinung +sind aber in unserm Fall unstreitig die Schullehrer, insbesondere die +auf dem Lande. Auf den Grad des Anteils, der Einsicht, des guten Willens +dieser großen, nuͤtzlichen, im Stillen wirkenden Klasse von +Staatsbuͤrgern, deren Einfluß auf die Bildung der Landleute bedeutend +groͤßer ist, als der Pastoraleinfluß, kommt unendlich viel an. + +Fassen diese, wie es ihnen zukommt und wie zu erwarten, die Sache der +Civilisation mit Eifer auf, durchdringen sie sich von der Nothwendigkeit +einer ununterbrochenen Attake auf das Plattdeutsche, stehen sie, wie es +ihre Gewohnheit ist, beharrlich auf ihrem Stuͤck, so will ich sehen, +welche wundergleiche Veraͤnderung dieses schon im Ablauf von zehn Jahren +in einem Verhaͤltniß von Hoch zu Platt hervorbringen wird. + +Ihre Hauptaufgabe waͤre, dahin zu streben, das Hochdeutsche +_vertraulicher_ und _herzlicher_ zu machen — ein Weg, der nur durch die +_Fertigkeit_ und _Unbekuͤmmertheit der Zunge_ hindurchgeht. Ihre Arbeit +ist in der Schule, in den Familien, vor der Kommuͤne. Was die _Schule_ +betrift, so wuͤrde ich den Rath geben, in den ersten Schuljahren die +Kinder weder zum Schreiben noch zum Lesen anzuhalten, nur zum Sprechen. +Das Warum leuchtet ein. Auch die Aelteren muͤßten haͤufiger mit Sprech- +und Denkuͤbungen beschaͤftigt werden — welche Gelegenheit zugleich auf +den Verstand und durch diesen gegen die plattdeutsche Sprache zu wirken, +in welcher dem Knaben von Haus aus alle fruͤhere Vorurtheile und +Dummheiten eingepropft sind. Besondere Ruͤcksicht verdienen die +Maͤdchen. Ihre Gemuͤther sind weicher, empfaͤnglicher, ihr Organ, +gewoͤhnlich auch ihr Verstand leichter zu bilden und — sie sollen einmal +Muͤtter, Hausfrauen, das heißt auf dem Lande, fuͤr das juͤngste +Geschlecht im Hause alles in allem werden. Auch im _aͤlterlichen Hause_ +bleibt viel zu wirken, besonders auf Hausfrauen und aͤltere Toͤchter; +der heiterste, zwangloseste Gesellschafter ist hier der beste, er +bringt bald ein unterhaltendes Buch (kurze und erbauliche Geschichten, +keine langweilige faselnde), bald einen interessanten Gegenstand zur +Erzaͤhlung mit, eine Anekdote aus der Zeitgeschichte, oder meinentwegen +einen Fall aus der Nachbarschaft, dem Dorfe mit, der, wie er versichert, +sich im Plattdeutschen nicht ausnimmt. _Fuͤr die ganze Komuͤne_ ist er +wirksam durch Einfuͤhrung periodischer Blaͤtter, Zeitungen, auf +gemeinschaftliche Kosten zu halten und regelmaͤßig in Versammlung der +Maͤnner vorzulesen, allenfalls durch aͤltere, der Konfirmation +entgegengehende Knaben, _als beneidete und ehrenvolle Belohnung_ ihrer +Fortschritt im Lesen und Sprechen des Hochdeutschen. + +Ich deute nur an, aber ich komme mir vor, ich wuͤßte es auch +auszufuͤhren als Schullehrer auf dem Lande, und Tausende besser als ich. + +So viel ist gewiß, waͤre ich Schullehrer, so wuͤrde ich fuͤr's Erste nur +ein Ziel kennen: mein Dorf zu verhochdeutschen. + +Leeres Stroh wuͤrde ich glauben zu dreschen, so lange nicht die Garbe +der hochdeutschen Sprache und Bildung mir auf dem freien Felde waͤchst. + +Eine Buͤrgerkrone wuͤrde ich glauben verdient zu haben, wenn man mir im +Alter nachruͤhmte: er hat diesen Flecken, sein Dorf, das sonst so +dunkle, dumpfe, plattdeutsche Nest, mit der Kette der Civilisation in +Kontakt gesetzt durch Ausrottung der plattdeutschen und Einfuͤhrung der +Bildungssprache Deutschlands. + + +Fußnoten: + +[1] Doch auch mit Ausnahme gewisser oͤrtlicher und provinzieller +Variationen, wie in Hamburg, Westphalen, Dithmarsen, wo selbst die +Gebildeten, von deren Aussprache hier eigentlich die Rede ist, sich der +Lokaltinten nicht enthalten. + +[2] Die Hexenprozesse, die mit wenig zahlreichen Ausnahmen erst nach Der +Reformation und Hauptsaͤchlich im protestantischen Norddeutschland +gefuͤhrt wurden und denen ein Glaube an den Einfluß boͤser Geister zu +Grunde lag, den Luther, in melancholischen Anfaͤllen selbst oft mit dem +persoͤnlich ihm erscheinenden Teufel ringend, nur zu sehr genaͤhrt +hatte, _diese Hexenprozesse haben Deutschland im 17ten Jahrhundert +vielleicht mehr Menschen gekostet, als Spanien die Inquisition._ + +[3] Reineke de Vos ist von hollaͤndischer und franzoͤsischer Abkunft, +wenn auch die Maͤhrchen von Fuchs und andern Thieren urspruͤnglich in +Deutschland sowol, als in Frankreich in Schwang gingen. Die +plattdeutsche Uebersetzung scheint niemals Volksbuch gewesen zu sein, +obgleich sie sehr gelungen ist; man koͤnnte sie den Schwanengesang +dieser Sprache nennen. + +[4] Wollte ich zu diesem, wie gesagt, naturrohen Bilde ein mehr dem +Spiel der Phantasie angehoͤriges hinzufuͤgen, so vergliche ich den +bloßen Lese- und Schreibunterricht unserer Landkinder mit der Unvernunft +und Thorheit eines Ackermannes, der seinem Acker die Instrumente zur +Bearbeitung, Spaten und Pflug, zur Selbstbearbeitung hinwirft. + +[5] Was koͤnnte ich anfuͤhren, wollte ich von der niedrigsten Klasse +norddeutscher Staͤdte sprechen, die sich, wie der Hamburger Poͤbel in +Schnapps und unreinstem Plattdeutsch waͤlzt. + +[6] Wo willst Du hin, fragte Jemand einen Meklenburgischen Scholaren, +der gerade auf den Postwagen stieg. Die Antwort war: Na Rostock, ik will +mi op de Wissenschaften leggen. + +[7] Weniger Spaͤße. + +[8] Doch nicht rein, sondern mit friesischen Woͤrtern untermischt. + + * * * * * + +Von demselben Verfasser sind bei uns erschienen: + +_Wienbarg_, _Dr._ L., + Holland in den Jahren 1831 und 32, 2 Bde. 8, + 833-34. 2 Thlr. 16 Gr. + + ---- ---- Jason. Episches Gedicht nach Pindar. Uebersetzt, + bevorredet und erlaͤutert; mit einem + Zueignungsgedicht an Jason Sabalkansky. 8. 830. + 4 Gr. + + ---- ---- Paganini's Leben und Charakter nach Schottky. Mit + Paganini's Bildnis. gr. 8. 830. 12 Gr. + + +Unter der Presse befindet sich: + + ---- ---- aͤsthetische Feldzuͤge. Dem jungen Deutschland + gewidmet. 8. + + + + + + +End of the Project Gutenberg EBook of Soll die plattdeutsche Sprache +gepflegt oder ausgerottet werden?, by Ludolf Wienbarg + +*** END OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK SOLL DIE PLATTDEUTSCHE SPRACHE *** + +***** This file should be named 12660-0.txt or 12660-0.zip ***** +This and all associated files of various formats will be found in: + https://www.gutenberg.org/1/2/6/6/12660/ + +Produced by Charles Franks and the DP Team + +Updated editions will replace the previous one--the old editions +will be renamed. + +Creating the works from public domain print editions means that no +one owns a United States copyright in these works, so the Foundation +(and you!) can copy and distribute it in the United States without +permission and without paying copyright royalties. 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You may copy it, give it away or +re-use it under the terms of the Project Gutenberg License included +with this eBook or online at www.gutenberg.org + + +Title: Soll die plattdeutsche Sprache gepflegt oder ausgerottet werden? + Gegen Ersteres und für Letzteres + +Author: Ludolf Wienbarg + +Release Date: June 19, 2004 [EBook #12660] + +Language: german + +Character set encoding: ISO-8859-1 + +*** START OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK SOLL DIE PLATTDEUTSCHE SPRACHE *** + + + + +Produced by Charles Franks and the DP Team + + + + +Soll die plattdeutsche Sprache gepflegt oder ausgerottet werden? + + +Gegen Ersteres und für Letzteres + + +beantwortet von + +Dr. Ludolf Wienbarg + + + + +Motto: _ceterum ceterumque censeo...._ + + + + +Hamburg + +bei Hoffmann und Campe + +1834 + + + + +Dem Nestor norddeutscher Patrioten + +dem Freunde veredelter Natur und Menschheit + +Herrn Baron von Voght + +gewidmet. + + + + +Verehrungswürdiger Greis! + + +Ich habe nie das Glück Ihrer persönlichen Bekanntschaft genossen, +aber ich kenne Ihre Schöpfungen, die blühenden Spuren Ihrer +menschenfreundlichen Hand. Bereits als Knabe besuchte ich sehr oft von +Altona aus das schöne Flottbeck. Hier wölbt sich keine Ulme, keine +Buche, die Sie nicht gepflanzt, hier steigt von hundert freundlichen +Dächern kein Rauch in die Luft, der nicht Weihrauch für Sie wäre. Das +wußte ich schon als Knabe und so kam es, daß ich an Ihrem Namen zuerst +den Begriff und die Bedeutung eines Menschenfreundes, eines Patrioten +lernte. Eine glücklichere Abstraktion, ein würdigeres Bild wird selten +der jugendlichen Seele geboten. + +Nehmen Sie, Verehrungswürdiger, diesen Ausdruck meiner frühgefaßten und +in reiferem Alter nur genährten und befestigten Achtung gütig auf. + +_Eutin_, am 1. December 1833. + +Ludolf Wienbarg. + + + + +Vorwort. + + +Wenn die Patrioten bisher über die Kluft der Stände, die Rohheit und +Unempfänglichkeit Volkes in Niedersachsen mit Recht bittere Klage +führten, oder im Großen Verbesserungspläne entwarfen, so stand ihnen die +niedersächsische oder plattdeutsche Volkssprache nur sehr im +Hintergrunde und kam weder im Guten, noch im Bösen so recht in Betracht. +Ich glaube nachzuweisen, ja mit Händen greiflich zu machen, daß sie die +Wurzel alles Uebels, der Hemmschuh alles Bessern ist. + +Gehe hin, meine kleine Schrift, und spreche! Drei Dinge wünsche ich +dir, Flügel, Feinde und Freunde. Die Flügel wünsche ich dir, damit du +dich nach allen Seiten verbreitest, die Feinde und Freunde, damit du +nach alten Seiten besprochen wirst.-- + + * * * * * + + + + +Bekanntlich sprechen die Bewohner Niedersachsens plattdeutsch und +hochdeutsch; ersteres als Volkssprache, letzteres als Sprache der +Bildung. Das Hochdeutsche redet man dialektlos, das heißt Aussprache und +Schreibung stimmen buchstäblich überein[1]. Anders in Mittel- und +Süd-Deutschland. Göthe sprach das Hochdeutsche wie ein geborner +Frankfurter, Schiller wie ein Wirtemberger und noch gegenwärtig hört +man's der Sprache der Gebildeten Süd-Deutschlands ab, in welcher Provinz +sie zu Hause gehören. Daher kann man wol behaupten, daß mancher +niedersächsische Handwerker _reiner_ hochdeutsch spricht, als der +Würzburger Professor, der Badische Deputirte oder der Bewohner der +Provinz Meissen selbst, dessen Aussprache doch zu seiner Zeit von +Gottsched mit dem Privilegium der Klassizität begabt worden ist. Allein +man darf nicht vergessen, daß diese Reinheit eine abstrakte und keine +lebendige ist, da der Norden fein hochdeutsch im eigentlichen Sinn des +Worts aus Büchern, zumal aus der lutherischen Bibelübersetzung gelernt, +nicht aber wie Mittel- und Süd-Deutschland durch lebendig uralte +Tradition von Mund zu Mund empfangen hat. + +Ist doch die hochdeutsche Sprache selbst keine Sprache provinzieller +Beschränktheit, keine bloße Mundart Alt-Meissens, sondern im höheren +Sinn ein Kunstwerk des großen Reformators, der aus den beiden +Hauptdialekten des Nordens und Südens, schon ohnehin im Sächsischen sich +berührend eine Sprache schuf, die, wenn auch mit Vorwalten des +süddeutschen Elements, jedem deutschen Ohr zugänglich und verständlich +sein, die eine gemeinsame Sprache aller Deutschen vorbereiten sollte. +Aus den edelsten Metallen des unerschöpflichen deutschen Sprachschachtes +gegossen, ward sie in Luthers Händen die Glocke, welche die Reformation, +den dreißigjährigen Krieg, die ganze neue Geschichte eingeläutet hat. + +Mehr als den Griechen der Sänger der Odyssee und Ilias muß uns +Deutschen, Katholiken wie Protestanten, der Uebersetzer der Bibel +gefeiert sein. Die altionische Sprache gehörte nicht dem Dichter, +sondern der Nation an. Die Sprache der Bibelübersetzung aber mußte sich +erst geltend machen durch die Gewalt des Genius, sie gehörte Luther an +in dem Sinn, wie man nur irgend auf diesem Gebiet das Eigentumsrecht für +eine Person in Anspruch nehmen darf. + +Denkt euch, Luthers Sprache wäre nicht durchgedrungen. Zerrissen wäre +das mächtigste Band, das Süd und Nord umschlingt. Der Norden würde +nichts vom Süden, der Süden nichts vom Norden wissen. + +Die theuersten Namen, die jetzt im Herzen der ganzen Nation +wiederklingen, würden hie und da in einem Winkel Deutschlands genannt +werden und etwa die Eitelkeit ihrer Landsleute aufblähen, alle großen +Männer, die in unserm Vaterlande die Sprache Luthers geredet, alle +Genien der ernsten und fröhlichen Wissenschaft, auf die wir unsern Stolz +setzen, ja welche die Vorsehung selbst uns zum erhebenden Selbstgefühl +erweckt zu haben scheint, würden mit vergeblicher Sehnsucht ihre Flügel +über Deutschland ausgebreitet haben, wären von ihrer Geburt an zur +Verschrumpfung und Lähmung bestimmt gewesen. Es ist so viel Unglück seit +Luther über dieses arme Land hingegangen, daß man zweifeln könnte, ob +nur der Name Deutschland, Deutscher, ehre. Luthers Schriftsprache, +dieses Schwerdt, das Wunden schlug und heilte, über dem unsäglicher +Wirrwarr sich schwebend erhalten hatte. + +Das kaiserliche Reichsschwerdt ist zerbrochen, Luthers Sprache ist +Reichsschwerdt geworden, glanzvoller, schwungreicher, mächtiger, +gefürchteter, als je eins in der Hand eines Hohenstaufens oder +Habsburgers geblitzt hat. + +Sprache Luthers, kaiserliches Schwerdt, der Muth hat Dich gestählt, die +Freiheit Dich geschliffen, der Kampf Dich erprobt. + +Sprache Luthers, kaiserliches Schwerdt, rein bist Du von den Blutflecken +der Religionskriege, rein und gesäubert vom Geifer theologischer +Streithähne, vom Rost des gelehrten und amtlichen Pedantismus. + +Führt es ihr Söhne des Lichts, denn ihr seid unüberwindlich mit dieser +Waffe. + +Berührt es nicht, ihr Kinder der Nacht, denn es ist scharf und fährt +zurück auf eure eigenen Schädel. + + * * * * * + +Man kann Werth und Würde der deutschen Schriftsprache lebhaft anerkennen +und dennoch wünschen, daß die ober- und niederdeutschen Dialekte sich im +Munde des Volkes lebendig erhalten. Ich theile diesen Wunsch nicht. Was +namentlich die Frage betrift, welche den Gegenstand dieser kleinen +Schrift ausmacht: "_ist die niedersächsische Volkssprache zu pflegen +oder auszurotten?_" so antworte ich aus innigster Ueberzeugung und aus +Gründen, welche ich darlegen werde: _sie ist auszurotten, durch jedes +mögliche Mittel auszurotten_. + +Verständigen wir uns über etwas sehr Wesentliches. Daß die plattdeutsche +Sprache der Zeit verfallen und aussterben wird, ist keine Frage mehr. + +Eine jede Sprache, die nicht Schriftsprache, Sprache der Bildung, des +gerichtlichen Fortschrittes, der politischen, religiösen, +wissenschaftlichen, artistischen Bewegung ist, muß bei dem Stand und +Gang unserer Kultur einer Schrift- und Bildungssprache Platz machen, muß +wie die frisische in Holland, wie die zeltische in Bretagne, die +baskische in Spanien allmählig aussterben. Auszusterben ist das +nothwendige und natürliche Schicksal der plattdeutschen Sprache. Nichts +kann sie vom Untergang retten. Schreibt plattdeutsche Lustspiele, +Idyllen, Lieder, Legenden--umsonst; das Volk liest euch nicht--liest es +nur den Reineke de Vos?--ihr begründet keine plattdeutsche Literatur, +ihr macht die verblühende Sprachpflanze durch euren poetischen Mist +nicht blühender--sie wird aussterben. Ihr preiset diese Sprache als alt, +ehrlich, treu, warm, gemüthlich, wohlklingend--ihr habt Recht oder +nicht--sie wird aussterben. Das ist das unerbittliche Gesetz der +Notwendigkeit. + +Allein, es ist wahr, das Nothwendige ist nicht immer das +Wünschenswerthe. Gar vieles begiebt sich in Natur und Geschichte mit +Nothwendigkeit, was nicht bloß die Klage des Thoren, sondern auch den +gerechteren Schmerz des Weisen erregt. Immer ist es des denkenden +Menschen würdig, sich dessen, was geschehen wird und muß, bewußt zu +werden, immer der sittlichen Kraft und Würde desselben schädlich und +unwürdig, sich willen- und wunschlos vor der Nothwendigkeit zu beugen. +Nicht selten gelingt Aufschub Vertagung, wo auch nicht, der Mensch darf +sich frei sprechen von Leichtsinn, träger Sorglosigkeit, er hat sich das +Recht und die Beruhigung erworben, _animam salvavi_ auszurufen. + +Darum frage ich eigentlich, ist es wünschenswerth, daß Niedersachsens +alte Sprache sich aus der Reihe der lebendigen verliert; wenn das, soll +man ihren Untergang der Zeit überlassen oder soll man diesen +beschleunigen; wenn letzteres, welches sind die Mittel dazu? + + * * * * * + +Um die deutsche Gemüthlichkeit ist es ein schönes Ding und was kann +namentlich dem Niedersachsen gemütlicher sein, als seine angeborne +Sprache. Doch ein schöneres Ding ist der muthige Entschluß, die +Gemüthlichkeit einstweilen auszuziehn, wenn sie uns zu _enge_ wird. + +Grade das behaupte ich von der und gegen die plattdeutsche Sprache. Sie +ist dem Verstand der Zeit längst zu enge geworden, ihr Wachsthum hat +bereits mit dem sechszehnten Jahrhundert aufgehört, sie kann die +geistigen und materiellen Fortschritte der Civilisation nicht fassen, +nicht wiedergeben _und daher verurtheilt sie den bei weitem größten +Theil der Volksmasse in Norddeutschland, dem sie annoch tägliches Organ +ist, zu einem Zustande der Unmündigkeit, Rohheit und Ideenlosigkeit, der +vom Zustand der Gebildeten auf die grellste und empörendste Weise +absticht._ + +Habe ich Recht ober Unrecht? Steht es nicht so mit dem Volk in Hannover, +Westphalen, Meklenburg, Holstein u.s.w.? Wurzelt nicht das Hauptübel im +absoluten Unvermögen der täglichen Umgangssprache, den nöthigsten +Ideenverkehr zu bewerkstelligen? + +Daß ich in beiden Unrecht hätte. Aber den Stein, den diese Anklage gegen +die plattdeutsche Sprache als eine Feindin der Volksbildung, der +geistigen Thätigkeit erhebt, derselbe gewigtige Stein muß erhoben werden +von jedem Niedersachsen, jedem Deutschen, dem der materielle und +geistige Zustand von Millionen Brüdern, dem die Gegenwart und die +Zukunft Deutschlands nicht gleichgültig ist. + + * * * * * + +Halte ich einen Augenblick inne. Ob diese Schrift auch Leser findet, die +in hohe aristokratische Privilegien eben in dem gerügten Gebrechen, eben +in dem Umstand, daß die plattdeutsche Sprache seit drei Jahrhunderten +nichts gelernt, eine Tugend derselben entdecken? Soll ich Rücksicht auf +solche Leser nehmen? Soll ich die reine Absicht, die mir vorschwebt, +durch alle Blätter mir verbittern? + +Aber es giebt solche, du kennst solche! Wolan denn, mache ich es gleich +und auf einmal mit ihnen ab. + +Ja, ihr Herren, diese Sprache hat nichts gelernt seit dem sechszehnten +Jahrhundert, sie hat sich mit keiner einzigen Idee, keinem einzigen +Ausdruck der neuen Geschichte bereichert, sie hat nicht einmal ein Wort +für Bildung, nicht einmal ein Wort für Verfassung--ja, ihr Herren, sie +ist noch ganz und gar die Sprache des sechszehnten Jahrhunderts, die +Sprache der Hetzjagden, der Peitschenhiebe, der Hundelöcher, die Sprache +des Bauernkrieges und--spürt ihr nichts vom kurzen Takt der +Dreschflegel darin, und seht ihr nicht etwas von kurzem Messer, +geschwungener Sense, geballter Faust als Titelvignette vor den Ausgaben +plattdeutscher Lexika paradiren?--Täuscht euch nicht, sie ist noch immer +die Sprache des sechszehnten Jahrhunderts und schleppt die gebrochenen +Ketten sichtbar mit sich umher, und pflügt und ackert jeden Frühling und +jeden Herbst den alten Grimm in die alten Furchen hinein. O sie ist +schrecklich treu, schrecklich dumm und gemüthlich; aber laßt euch sagen, +sie hat wenig Religion, nur sehr wenig und sie kennt, wenn sie wild +wird, den Teufel besser als den lieben Gott. Worüber ihr euch nicht sehr +zu verwundern habt; denn als sie katholisch war, da war das +Christenthum, die Messe nämlich, lateinisch und als sie lutherisch +wurde, wurde das Christenthum, Predigt und Katechismus hochdeutsch. +Bedenkt auch nur, betet denn gegenwärtig ein einziger Bauer oder +Bauernknecht das Vaterunser und den Glauben in der Sprache, worin er +seinen Gevatter bewillkommt, im Kruge Schnaps und Bier fordert oder dem +Steuereinnehmer einen derben Fluch zwischen den Zähnen hinterherschickt? +Wahr ist es also, diese Sprache hat nichts gelernt, allein sie hat auch +_nichts vergessen_, es sei denn ihre alten Lieder, ihren fröhlichen +Gesang und eben das Vaterunser, das sie früher doch, wie ich glaube, hat +beten können. + +Nehmt euch ein Bild zu Herzen, das ich euch,--das ich Allen vorhalte. + +Eine Sprache, die stagnirt, ist zu vergleichen mit einem See, dem der +bisherige Quellenzufluß versiegt oder abgeleitet wird. Aus dem Wasser, +worüber der Geist Gottes schwebte, wird Sumpf und Moder, worüber die +unreinen Geister brüten. Der Wind mag wehen woher er will, er gleitet +spurlos über die stürmisch grüne Decke hin Der Himmel ist blau und +heiter oder stürmisch gefärbt, das rührt ihn nicht, keine Sonne keine +Wolke spiegelt sich mehr auf der trüben Fläche. Bild der +Unzufriedenheit, der Gleichgültigkeit, der Tücke, der Gefahr. Wehe dem +Mann, _der im Trüben fischen will_ und ausgleitet--was helfen ihm +rüstige Arme, Schwimmkunst, er versinkt, er erstickt im tauben Schlamm. + +Die Sprache ist das Volk. + + * * * * * + +Ja wohl, die Sprache ist das Volk und es gab eine Zeit wo das +niedersächsische Volk und die niedersächsische Sprache poetisch waren. +Das ist sehr lange her, die Zeit war heidnisch und der Germane von +Poesie, Muth, Stolz und Freiheit durchdrungen. Die kühnsten Gedichte aus +dieser "rauhen Vorzeit," wenn gleich schon vom Duft der Klostermauern +angewittert und durch Mönchsfedern auf die Nachwelt gekommen, verraten +niedersächsischen Dialect. + +Ich weiß nicht ob viele meiner Leser sich Begriff und Vorstellung machen +von der wunderbaren Natur einer Sprache, die einem vermeintlich +barbarischen und rohen Sittenzustande angehört. Diese müssen mir, und +wenn nicht mir, Jakob Grimm, dem Linnäus der deutschen Sprachgeschichte +auf's Wort zu glauben, daß keine Sprache gegenwärtig auf dem Erdboden +gesprochen wird, die an Bau und Künstlichkeit jener alt-plattdeutschen +Sprache das Wasser reichte. Die grammatische, innerliche Gediegenheit +hatte sie mit den ältesten Grundsprachen und mit ihrer oberdeutschen +Schwester gemein und übertraf diese vielleicht an Klang, Kraft und +Wohllaut. Allein, das Schicksal wollte ihre Schwester erheben und sie +fallen lassen. Jene hat im Verlauf der Zeit auch unendlich viel von +ihrer leiblichen Schönheit und jugendlichen Anmuth eingebüßt, allein sie +hat Gewandtheit, Schnelle, Feinheit des Ausdrucks, Begriffsschärfe, +vermehrte Zahl der Combinationen zum Ersatz dafür eingetauscht. Die +niedersächsische Sprache dagegen hat ihre Jugend und stählerne Kraft +verloren; ohne an Verstand und innerer Feinheit zu gewinnen. Ihre +grammatischen Formen wurden zerstört und in noch höherem Grade, als die +der Schwestersprache, aber ohne daß man bemerken konnte, daß der scharfe +Gärungsprozeß der antiheidnischen neueuropäischen Bildungsfermente an +der Auflösung einigen Antheil genommen, sondern ersichtlich und durch +dumpfes trübes Verwittern, das auch Holz und Stein und alles Leblose +oder Absterbende allmählig abnagt und zerfrißt. + +Als die althochdeutsche Sprache in die mittelhochdeutsche überging, +schaute diese als Siegerin auf dem Turnierplatze des deutschen Geistes +umher, sie war es geworden ohne Kampf. Sprache des mächtigsten und +kunstliebendsten Kaiserhauses, lebte sie im Munde der Fürsten, Ritter, +Sänger mit und ohne Sporn, Sänger mit und ohne Krone, welche die +elegante Literatur ihres Zeitalters begründeten, war sie, was mehr sagen +will, die Sprache des Nibelungenliedes und anderer deutschen +Nationalgedichte, welche mit Ausnahme jener ältesten Reliquien theils +nie, theils nur in späterer Uebersetzung im Plattdeutschen schriftsässig +wurden. + +Welcher Bann, frage ich, lag über der niedersächsischen Literatur? +Derselbe Bann, der über dem Volk und seiner Geschichte lag. Es sollte +die mächtige Naturkraft, die einst diesen Stamm beseelte, stocken und +starren und als trüber Bodensatz des germanischen Geistes zurückbleiben. + +Welche Kette von Hemmnißen, betäubenden und zerreißenden +Unglücksschlägen nur bis zum sechszehnten Jahrhundert! + +Karl des Großen Sachsenkrieg, gewaltsam blutige Ausrottung des +Wodandienstes ohne wahrhafte Anpflanzung der Christusverehrung, Sachsen +und Slaven stoßen sich hin und her und mischen sich unter einander, die +alte Sachsenfreiheit schwindet, die Leibeigenschaft nimmt furchtbar +überhand, der Krumstab zu Bremen ist schwach und gewährt keinen Schutz, +das sächsische Kaiserhaus übertreibt die Großmuth und entäußert sich +seiner zu Würde und Glanz so nothwendigen Stammbesitzungen, Heinrich der +Löwe, die welfische Macht geht unter, deren Sieg über die +hohenstaufische Norddeutschland so gehoben hätte wie ihre Niederlage +Süddeutschland emporbrachte, selbst der belebende Einfluß der Hansa +zeigt sich nur im Sinnlichen, nicht im Geistigen wohlthätig, ihr +Seehandel nach dem Norden macht sie nur mit Völkern und Sitten bekannt, +die noch roher waren, als sie selbst; Dagegen Süd-Deutschlands +Handelsstädte, Nürnberg, Augsburg mit dem hoch gebildeten Oberitalien +in Verkehr standen. + +Und nach dem fünfzehnten Jahrhundert! Muß ich nicht Luther selbst und +die Reformation voranstellen? Darf ich verschweigen, daß die +_unmittelbaren_ Wirkungen dieser auf Jahrtausende hinaus wirkenden +Begebenheit, wie für ganz Deutschland, so insbesondere auch für +Niedersachsen nicht glücklich, nicht segenbringend waren? Welch ein +Gemälde des Innern: rabulistische Theologen, hexenriechende +Juristen, blutdürstige Obrigkeiten, dumpfer Haß, ächzende +Kirchengesänge, furchtbarer Wahnglaube an Zauberei, Bezauberung und +Teufelsbesessenheit[2]. Welch ein Gemälde des Aeußeren: der +dreißigjährige Krieg, Magdeburgs Untergang, Schwedens Besitznahme +norddeutscher Städte und Provinzen, Hannovers Verwandlung aus früherem +Reichslehn in einen Familienbesitz englischer Könige, wie schon früher +und vor Luther Nordalbingien in einen Familienbesitz dänischer Könige, +selbst Brandenburgs steigende Größe, die zu guter letzt die Wagschaale +der Macht und des politischen Einflusses überwiegend auf jene +nordöstlichen Provinzen Deutschlands niedersenkte, die von slavischer +Stammbevölkerung ursprünglich der Wurzelkraft des germanischen Lebens +entbehrten, aber durch Aussaugen und Anziehen germanischer Säfte und +Kräfte sich konsolidirt und ausgebildet hatten. + +Lasse ich die schwere Kette fallen, es fehlt ihr so mancher Ring, dessen +Ergänzung ich dem Geschichtforscher überlasse. + +Wie konnte, bei einer solchen Zahl und Reihe von Schicksalen der +niedersächsische Stamm gedeihen, wie konnte sich eine eigentümliche +Literatur unter ihm geltend machen[3], wie konnte die Volkssprache +selbst sich der Entwürdigung und Verschlechterung entziehen? Auf welcher +Bildungsstufe müßte die neuere Zeit Volk und Sprache antreffen, wie tief +unter der nöthigsten Fassungskraft, wie selbst ohne Ahnung dessen, was +zur Begründung und Sicherung eines verbesserten Staatslebens +elementarisch vorauszusetzen? + + * * * * * + +Allein, höre ich Jemand einwerfen, wenn auch die plattdeutsche Sprache +ganz dem Bilde gleicht, das du von ihr entworfen, wenn sie _selbst_ auch +unfähig ist, Element der Volksbildung zu sein, so erwartet eigentlich +auch Niemand dieses Geschäft von ihr, das ja von der allgemein +verbreiteten und verstandenen hochdeutschen Sprache längst übernommen +und verwaltet wurde. + +Antwort: übernommen aber nicht verwaltet. Damit behauptet man einen +Widerspruch gegen alle Vernunft und Erfahrung. _Selbst die allgemeinste +Erlernung und Verbreitung der hochdeutschen Sprache übt so lange gar +keinen oder selbst nachteiligen Einfluß auf die Volksbildung, als neben +ihr Plattdeutsch die Sprache des gemeinen Lebens bleibt._ + +Allerdings wird die hochdeutsche Sprache als Organ der Volksbildung +überall in Niedersachsen angewendet. Es gibt wol wenig Dörfer, wo die +Jugend nicht Gelegenheit findet, das Hochdeutsche ein wenig verstehen, +ein wenig sprechen, ein wenig lesen und ein wenig schreiben zu lernen. +Die Leute müssen wol. Amtmann, Pfarrer, Bibel, Gesangbuch, Katechismus, +Kalender sprechen hochdeutsch. Ohnehin sind die Kinder schulpflichtig +und beim Hobeln setzt es Spähne ab. + +Allein, Jedermann weiß, plattdeutsch bleibt ihr Lebenselement. Das +sprechen sie unter sich, zu Hause, im Felde, vor und nach der Predigt. +Das kommt ihnen aus dem Herzen, dabei fühlen sie sich wohl und +vergewissern sich, daß sie in ihrer eigenen Haut stecken, was ihnen, +sobald sie hochdeutschen, sehr problematisch wird. + +Der erste Schulgang macht in der Regel auch die erste Bekanntschaft mit +der hochdeutschen Sprache. Mit Händen und Füßen sträubt sich der Knabe +dagegen. Ich bedaure ihn, er soll nicht bloß seine bisherige Freiheit +verlieren, unter die Zuchtruthe treten, buchstabiren lernen, was auch +andern Kindern Herzeleid macht; er soll überdies in einer Sprache +buchstabiren und lesen lernen, die er nicht kennt, die nicht mit ihm +aufgewachsen ist, deren Töne er nicht beim Spiel, nicht von seiner +Mutter, seinem Vater, seinen kleinen und großen Freunden zu hören +gewohnt war. Alles was er von diesem Augenblick an liest, lernt, hört in +der Schule und unter den Augen des Lehrers, klingt ihm gelehrt, fremd, +vornehm und tausend Meilen von seinem Dorf entfernt. Daß der rothe Hahn +in seiner Fibel _kräht_ und der lebendige in seinem Hause _krait_, +scheint ihm sehr sonderbar. In der Bibel nennen sich alle Leute _du_, +der Unterlehrer sagt zum Oberlehrer _sie_, er aber ist gewohnt, bloß +seine Kameraden zu dutzen, Vater, Mutter und andere Erwachsene mit _he_ +und _se_ anzureden. Kommt an ihn die Reihe zu lesen, laut zu lesen, so +nimmt er die Wörter auf die Zunge und stößt sie heraus wie die Scheiben +einer Frucht, die er nicht essen mag, weil er sie nicht kennt. Was er +auswendig lernt, lernt er nicht einwendig. Was ihm allenfalls noch +Vergnügen macht, ist der gemeinschaftliche Gesang am Schluß der Schule +und auf Kirchbänken. Von Natur mit einer hellen durchdringenden Stimme +begabt, wetteifert er mit dem Chor um die höchsten Noten, betäubt seinen +Kopf und findet eine Art Vergnügen und Erholung darin, dieselben Verse +des Gesangbuches bloß herauszuschreien, die er zu anderer Zeit auswendig +lernen muß. + +Erreicht er das gesetzliche Alter, so wird er konfirmirt. Wer ist froher +als er. Nun tritt er völlig wieder in das plattdeutsche Element zurück, +dem er als Kind entrissen wurde. Er hat die ersten Forderungen des +Staates und der Kirche erfüllt. Er hat seinen Taufschein durch seinen +Confirmationsschein eingelös't. Ersteren bekam er ohne seinen Willen zum +Geschenk, um letzteren mußte er sich, auch wider seinen Willen, redlich +abplacken. + +Auf beide Scheine kann er später heiraten und Staatsbürger werden. + +Was ist die Frucht dieses Unterrichts? Er hat rechnen, lesen und +schreiben gelernt. Er kann auch lesen und schreiben, aber er lies't und +schreibt nicht. (Umgekehrt der französische Bauer, der kann nicht lesen, +aber er läßt sich vorlesen). Ich frage also, was ist die Frucht dieses +hochdeutschen Unterrichts? Welchen Einfluß übt derselbe auf sein +Geschäft, auf seine Stellung als Familienvater, Staatsbürger, Glied der +Kirche, der sichtbaren, wie der unsichtbaren? + +Folgen wir ihm, wenn er aus der Kirche kommt. Die Predigt ist +herabgefallen, der Gesang verrauscht wie ein Platzregen auf seinen +Sonntagsrock, zu Hause zieht er diesen aus und hängt ihn mit allen +Worten und himmlischen Tropfen, die er nicht nachzählt, bis zum +künftigen Sonntag wieder an den Nagel. Frage: kann er die hochdeutsche +Predigt hochdeutsch durchdenken, spricht er mit Nachbaren, mit Frau und +Kindern hochdeutsch vom Inhalt derselben, ist er gewohnt und geübt, ist +er nur im Stande, den religiösen Gedankengang in's Plattdeutsche zu +übersetzen? Antwort: schwerlich. Frage: hat ihn die Predigt das Herz +erwärmt, den Verstand erleuchtet? Antwort ein Schweigen. Armer Bauer, +vor mir bist du sicher, ich lese dir darüber den Text nicht. Kannst du +etwas dafür, daß der Kanzelton nicht die Grundsaite deines Lebens +berührt, daß jener Nerv, der von zart und jung auf gewohnt ist, die +Worte der Liebe, der Herzlichkeit, des Verständnisses in dein Inn'res +fortzupflanzen, nicht derselbe ist, der sich vom Klang der hochdeutschen +Sprache rühren läßt. Wer auf der Gefühlsleiter in deine Herzkammer +herabsteigen will, muß wollene Strümpfe und hölzerne Schuh anziehen, in +schwarzseidenen Strümpfen dringt man nicht bis dahin. Wüßte man nur, +begriffe man nur, wie es in deinem einfältigen Kopf zusteht und daß die +hochdeutschen Wörter und die plattdeutschen Wörter, die du darin hast +sich gar nicht gut mit einander vertragen, sich nicht verstehn und sich +im Grund des Herzens fremd, ja feind sind. Die plattdeutschen Wörter +sind deine Kinder, deine Nachbaren, dein alter Vater, deine selige +Mutter, die hochdeutschen sind der Schulmeister, der Herr Pastor, der +Herr Amtmann, vornehme Gäste, die dir allzuviel Ehre erweisen, in deinem +schlechten Hause vorzukehren, mit dir vorlieb zu nehmen, Wörter in der +Perrücke, in schwarzem Mantel, welche deine und deiner plattdeutschen +Wort Familie Behaglichkeit stören, dich in deiner Luft beeinträchtigen, +dir bald von Abgaben, bald von Tod und jüngsten Gericht vorsprechen, +Grablieder über deinen Sarg singen werden, ohne sich über deine Wiege +gebückt und _Eia im Suse_ und andere Wiegenlieder gesungen zu haben. +Armer Bauer, ich habe dich immer in Schutz genommen und diese Schrift, +obgleich du sie nicht lesen wirst, ist eigentlich nur für dich und zu +deinem Heil und Besten geschrieben. Viele Leute aus der Stadt klagen +dich an, daß du trotz deiner Einfalt verschmizt bist, trotz deiner +Rohheit nicht weniger als Kind der Natur bist, sie sagen, daß du dir +eine und die andere Gewissenlosigkeit gar wenig zu Herzen nimmst. Aber +ich habe ihnen immer geantwortet, unser Bauer hat nicht zu wenig +Gewissen, er hat zu viel. Er hat zwei Gewissen, ein hochdeutsches und +ein plattdeutsches, und das eine ist _ihm_ zu fein, das andere _uns_ zu +grob und dickhäutig. Zu diesem wird ihm in seinem eigenen Hause der +Flachs gesponnen, jenes webt ihm die Moral und die Dogmatik; in dem +einen sitzt er wohl und warm und es ist sein Kleid und Brusttuch so +lange er lebt, in dem andern friert ihn und er hält es nur deswegen im +Schrank, um damit einmal anständig unter die Schaar der Engel zu treten. + +Ist ihm sein Verhältniß zum Staat durch den hochdeutschen Unterricht +vielleicht klarer geworden, als sein Verhältniß zur Kirche? Erwirbt er +sich durch das hochdeutsche Medium, das einzige, das ihm Aufschlüsse +über eine so wichtige Angelegenheit geben kann, Kenntnisse von seinen +Rechten und Pflichten im Staats-Verein, ist ihm dadurch ein Gefühl von +Selbstständigkeit, ein Bewußtsein von den Grenzen der Freiheit und des +Zwanges, von Gesetz und Willkühr aufgegangen, Gemeinsinn geweckt: sein +dumpfes egoistisches Selbst zu einem Bruderkreise erweitert, der Wohl +und Weh an allen Gliedern zugleich und gemeinschaftlich spürt? _Wie_ das +alles? Seine Beamte klären ihn nicht auf und er selber--er liest nicht, +er nimmt keine Schrift, kein Blatt zur Hand, er läßt sich auch nicht +vorlesen, das ist gelehrt, hochdeutsch, geht über seinen Horizont, läßt +sich nicht weiter besprechen, sein Verstand hat kaum einen Begriff, +seine Sprache kein analoges Wort dafür. Armer Bauer. Und wenn Wunder +geschähen und die tausend Stimmen der Zeit, die für dich und an dich +gesprochen, dein Ohr nicht erreichen, wenn sie sich verwandelten und +ergößen in eine göttliche Stimme, die vom Himmel riefe: Bauer, hebe dein +Kreuz auf und wandle--du würdest liegen bleiben und sprechen: das ist +hochdeutsch. + +Wie er seine Acker vorteilhafter bestellen, seine Geräthe brauchbarer +einrichten, nützlicher dieses und jenes betreiben, wohlfeiler dieses und +jenes haben könne, das lehren ihn Blätter und Schriften, von +Gesellschaften oder Einzelnen herausgegeben, vergebens: er liest sie +nicht. Schlägt man ihm sonstige Verbesserungen und Veränderungen vor, so +schüttelt er den Kopf und bleibt starrsinnig beim Alten. _Dat geit nich, +dat wil ik nich, dat kan ik nich, ne dat do ik nich_; unglückselige, +stupide Worte, wie viele beabsichtigte Wohlthaten macht ihr täglich +scheitern, habt ihr scheitern gemacht. Unseliger Geist der Trägheit, der +hier mit der Sprache Hand in Hand hinschlentert, mit dieser vereint, +durch diese gestärkt allem Neuen und Bewegenden Feindschaft erklärt. +Wann erlebt der Menschenfreund, daß dieses unsaubere Paar geschieden +wird. Wann erscheint die Zeit, wo diese Eselsbrücke zwischen Gestern und +Vorgestern abgebrochen wird, wo die einzig; mögliche Verbindungsstraße +zwischen der heutigen Civilisation und dem norddeutschen Bauer, die +hochdeutsche Sprache, diesem wahrhaft zugänglich gemacht wird? Aermster, +ich klage dich ja nicht an, ich bedaure dich ja nur. + +Oder muß es so sein, muß der deutsche Bauer ein Klotz, ich sage ein +Klotz bleiben. Ist es sein ewiges Schicksal nur die Plage des Lebens und +nicht deßen Wohlthaten zu genießen? Wird sich nicht einmal seine +enggefurchte Stirn menschlich erheitern, ist es unvereinbar mit seinem +Stande, seinem Loose, gebildeter Mensch zu sein, mit gebildeten Menschen +auf gleichem Fuß zu leben, sich nicht allein mit Spaten und Pflug, +sondern auch mit Kopf und Herzen zu beschäftigen? + + * * * * * + +Das sind sehr exotische Ideen in Niedersachsen! Ich weiß, ich weiß. Ich +will sie aber aussprechen, ich will sie vertheidigen, ich will das +Meinige dazu thun, daß _einheimische_ Ideen, Fragen und Wünsche daraus +werden. Lange genug ist die Bildung ein ausschließliches Vorrecht +einiger Menschen, gewißer Stände gewesen. Das muß aufhören, gebildet +sollen alle Menschen sein, gelehrt wer will. Volksbildung, und nicht +bloß wie bisher Volksunterricht, soll und wird das Ideal, das +Feldgeschrei der Zeit werden. Unsere Gelehrten, unsere Beamte, unsere +guten Köpfe unter den Schriftstellern werden ihren Hochmuth fahren +lassen, sich des Volkes erbarmen, und sich einmal erinnern, daß sie +selber in der Mehrzahl aus dem Volke stammen. Noch im vorigen +Jahrhundert gab sich so ein Gelehrter, Philosoph, Dichter, der +vielleicht aus dem dunkelsten Stande geboren war, die lächerliche Miene, +als ob er unmittelbar aus dem Haupt des Gottes der Götter entsprungen +sei und den Olymp besser kenne, als das Haus der armen Frau: die ihn mit +Schmerzen geboren und mit Thränen, Sorgen und Entbehrungen groß gezogen +hatte. Kein Dichter stürmte seinen Schmerz und Unmuth über die +Erniedrigung des Volks in die Saiten, kein Gelehrter schämte und grämte +sich, die ihm von Natur nächsten und liebsten Wesen von sich getrennt zu +sehn durch eine ungeheure geistige Kluft, welche nur die Bildung der +alten und neuen Welt auszufüllen vermogte. Lessing schreibt den Nathan, +und beweist, daß der Jude eben so viel Ansprüche habe auf den Himmel als +der Christ, aber er schreibt nichts, worin er beweist, daß der Bauer, +sein Vetter, eben so viel Ansprüche habe den Nathan zu lesen, als der +vornehme und gebildete Stadtmensch. Winkelmann steht am Fuße des +Vatikans und erfüllt die Welt mit Orakelsprüchen über die Schönheiten +des Apoll von Belvedere, über das göttliche zornblickende Auge, die +geblähten Nasenflügel, die verächtlich aufgeworfene Unterlippe, "eben +hat er den Pfeil abgesandt nach den Kindern der Niobe, noch ist sein Arm +erhoben," und im selbigen Augenblicke vielleicht, als er dieses spricht, +hebt sein Vater, ein armer Altflicker, gedrückt und gebückt über den +Leisten hingebogen, Pfriem und Nadel in die Höhe, blickt mit +geisttodten, stumpfen Augen auf einen Kinderschuh und gewährt den +Anblick eines Menschen, gegen den gehalten der letzte Sclave des +Praiteles, der an die Paläste der altrömischen Großen wie ein Hund +angekettete Thürwächter apollinische Gestalten waren. + +Volksbildung, o das Wort hat einen griechischen Klang in meinen Ohren +und ich muß daher fast bezweifeln, ob es auch von meinen Landsleuten +gehörig verstanden wird. Schulleute und Gelehrte werden schon wissen, +was ich meine, ich brauche nur die Wörter zu nennen: [Griechisch: +gymnasticha], _studia liberalia, id est_, wie mein alter Schuldirektor +glossirend hinzufügte, _studia libero homine digna_. Für das größere +Publikum muß ich mich wol zu einer etwas umständlichern Erklärung +anschicken und besonders für diejenigen, welche nicht begreifen, wie das +Volk nicht bloß unterrichtet, in Lesen und Schreiben geübt, sondern auch +gebildet werden solle. + +Zur Volksbildung, wie zu jeder Bildung gehört zweierlei, etwas Negatives +und etwas Positives. Sage ich aber vorher, daß ich die Saiten nicht zu +hoch spanne und daß ich so dem natürlichen Muthwillen der Knaben die +ganze körperliche Gymnastik, und der Gunst der Götter ihren +Schönheitssinn, ihre musikalische Praxis und dergleichen überlasse. Im +Negativen ist die Aufgabe der Bildung, die _vis inertiae_ der rohen +Natur vertreiben und bezwingen zu helfen--das Kapitel ist weitläufig--es +besteht aber die _vis inertiae_, die Erbsünde des menschlichen +Geschlechts, darin, daß im Allgemeinen der ungebildete Mensch--was nun +gar der norddeutsche Bauer--Selbstdenken scheut, Vorurtheile pflegt, +fremde Meinungen herleiert, Thier der Gewohnheit, tausendstes Echo, +Sclave von Sclaven ist, besteht, wie schon die Bibel sagt, darin, daß er +Augen hat zu sehen und nicht sieht, Ohren um zu hören und nicht hört, +besteht, um alles kurz zusammenzufassen, darin, daß er sich seines +eigenen Verstandes, seines eigenen Gefühls, seines eigenen Willens nur +in den wenigsten Augenblicken des Lebens bewußt wird.--Der weichenden +Kraft der Trägheit folgt, wie eine elastisch nachdrückende Feder, die +allmählich hervorspringende Kraft der Thätigkeit. Diese soll beschäftigt +werden, _angemessenen_ Stoff finden, eine _bestimmte Richtung_ erhalten. +Das ist das Geschäft der Bildung im Positiven, das ist das Säen des +Weizenkorns, wenn der Acker von Steinen gereinigt, von unfruchtbarer +träger Last befreit, durchbrochen, gepflügt und gefurcht. Trieb, Lust +und Kraft zum Verarbeiten des Saamenkorns in sich spürte. Mensch und +Acker, diese beiden urältesten, natürlichsten und durch den religiösen +Stil aller heiligen Urkunden gleichsam geweihten Vergleichungsobjekte, +sind sich hauptsächlich darin ähnlich, daß der Schöpfer über beide das +Wort ausgesprochen hat: erst gepflügt und dann gesäet--erst den starren +trägen Zusammenhang der Oberfläche, der Gemüthsdecke durchbrochen, dann +hinein mit dem lieben Korn und--jedem Feld das seinige nach Art des +Bedürfnisses, nach Güte und Beschaffenheit des Bodens[4]. + +Lehrer, wollt ihr mehr als Lehrer, wollt ihr Bildner des Volks sein, +lehrt denken, denken und abermals denken. Gedankenlosigkeit für eine +Sünde, bestraft sie wie einen Fehler, bindet meinetwegen euren Schülern +ein symbolisches Brett vor den Kopf oder stellt sie mit dem Kopf an die +bretterne Wand, oder hängt ihnen, wie die Engländer thun, Eselsohren an, +oder setzt sie, wie unsere Alten thaten, mit dem Steiß auf hölzerne Esel +und vor allen Dingen, hütet euch, selbst die Esel zu sein. + +Ich bin aber gar nicht gesonnen, bloß den Lehrern _ex professo_ die +Volkserziehung anheim zu stellen--ihnen dieselbe auf den Stücken zu +laden, sollte ich wol sagen, bedenke ich das Loos so vieler tausend +braven Männer, die bei kümmerlichem Brod ihre tägliche Noth und Sorge +haben. Nur immer die Lehrer, nur alles auf ihre Kappe, nur alle Sorge, +allen schlechten Erfolg der Erziehung auf ihren Antheil gewälzt. Das ist +bequem, bequem freilich, aber nicht patriotisch. Jeder Patriot ist +gelegentlich und er sucht die Gelegenheit--Erzieher, Bildner der +Menschen, in deren Umgebung er lebt, hier hebt er einen Stein auf, dort +ist sein Wort eine Pflugschaar, welche ein Stück harter Kruste aufreißt, +dort ein Saamenkorn, das sich heimlich und zu einstiger Frucht in die +Spalten des Gemüths einsenkt. + +Volksbildung, Wunsch meiner Wünsche, Ideal, nicht träumerisches, +abgöttisches, rückwärts gewandtes, aufwärts in den leeren Himmel +blickendes, ich glaube an Dich; Ideal, das keinem Dichter vielleicht +Stoff zum Besingen gibt, das vielleicht unter der Würde des +Metaphysikers steht, das die scholastische Zunft Ketzerei schilt und der +Politiker belächelt, Ideal meiner Seele, Ideal aller Patrioten, im Namen +aller spreche ich es aus, ich glaube doch und noch immerfort an Dich. + +Laßt ihr gebildeten Niedersachsen die alten Feudalvorurtheile über den +Stand eurer Bauern die unreifen Ansichten über ihre Bildungsfähigkeit +fallen und fahren; erstere sind so roh, wie leider der Bauernstand jetzt +noch selber, letztere so intellektuell hochmüthig, wie man nur immer von +einem Stand exklusiv Gebildeter im und über'm Volk erwarten kann. +Bedenkt aber, was ich sage. Ein Leibnitz, zehn Jahr mit sich allein im +dunkeln feuchten Kerker, kann so dumm und albern werden, daß +Gänsejungen und Kuhhirten ihren Witz an ihm versuchen. Nun, Monaden +sollen unsere Bauern freilich nicht erfinden, Leibnitze nicht werden, +aber doch mit denselben Atomen _ihres Hirns_ über die Erscheinungen in +der Welt, über Natur und Staat ihre Begriffe zusammensetzen, verbinden +und auflösen, Gedanken bilden, Urtheile fällen und überhaupt sollen sie +geistige Operationen vornehmen, welche in Leibnitzens Kopf schärfer oder +abstrakt einseitiger durchgeführt die Lehre von urtheilbaren beseelten +Weltstäubchen zum Resultat hatten. + +Doch, das alles wird euch ein mecklenburgischer Bauer besser +auseinandersetzen--wenn ihr nach einem Hundert oder Zweihundert Jahren +zu _reveniren_ Gelegenheit finden solltet. + + * * * * * + +Im vorherigen Abschnitt habe ich besonders oder ausschließlich nur auf +die durch die herrschende plattdeutsche Sprache verhinderte und daher +auch trotz dem Unterricht im Hochdeutschen verfehlte Bildung des +Landmanns Rücksicht genommen[5]. Es ist aber auch schwer, wenn von der +gewerbtreibenden Klasse, der großen Bevölkerung _norddeutscher Städte_ +die Rede ist, die Hemmung und Stockung zu verkennen, welche die +plattdeutsche Sprache, wo sie dem täglichen Umgang angehört, über die +Köpfe verhängt. Man stößt sich da, wo der Block liegt, nur sind die +Pfähle, welche den engen plattdeutschen Ideenkreis in der Stadt wie auf +dem Lande begrenzen und umpflöcken, hier mehr roh, dort mehr +spießbürgerlich abgeschält und holländisch überpinselt, das ist der +Unterschied. Doch giebt es besonders aus größeren norddeutschen Städten, +eine erfreuliche Thatsache zu berichten. Viele aus den mittleren +achtbaren Ständen, Handwerker u.s.w. haben in neuer und neuester Zeit +angefangen, sich und ihren Familien eine andere Stellung zur +hochdeutschen Sprache und Kultur zu geben, als von ihren Vätern und +Vorfahren eingenommen wurde. Rühmlich ist es, was diese für ihre Kinder +thun, mit wie viel Opfern sie oft ihren Lieblingen Gelegenheit +verschaffen, sich für ihren künftigen Stand so zu befähigen, daß sie +nicht, wie jetzt noch die Meisten aus dieser Klasse, mit leeren Händen +und offenen Mäulern den Strom der Einsichten, Ideen, Kenntnisse und +Bestrebungen an sich vorüberrauschen sehen, der Europa, Amerika, die +Welt erfüllt. Rühmlich und verständig zugleich, denn es leitet sie der +richtige Takt in der Beobachtung, daß Besitz und Vermögen in der Welt +immer mobiler werden, daß im raschen Wechsel der Dinge, außer dem +blinden Glück, worauf zu rechnen Thorheit wäre, Verstand und Kenntnisse, +die ächten Magnete sind, um den aus den Taschen der Erwerbenden und +Genießenden lustig hin und her wandernden Besitz anzuziehen, +zusammenzuhalten und zu vermehren. + + * * * * * + +Während der niedersächsische Bauer bis über Kopf und Ohren im +Plattdeutschen steckt, der Bürgersmann aber schon anfängt, sich +zwangloser, als bisher, des hochdeutschen Mediums zu bedienen, sollte +man vom Gebildeten _par exellence_, vom Musensohn, vom Beamten des +Staats und der Kirche u.s.w. aussagen dürfen, daß er sich mit völliger +Freiheit und Lust in hochdeutscher Sprache und Bildung bewegte und vom +plattdeutschen Idiom nur außer und unter diesem Kreise Gebrauch machte. +Allein die Sache verhält sich anders. Ich muß in dieser Hinsicht +Gedanken äußern, Erfahrungen mittheilen, welche meinem Gegenstande eine +ganz eigentümliche überraschende Wendung geben. + +Thatsache ist nämlich, daß die plattdeutsche Sprache Haus- und +Familiensprache in Tausenden von Beamtenfamilien, Lieblingssprache auf +allen norddeutschen Universitäten ist. Diese Sprache also, die ich als +Schranke alles Strebens und Lebens, als Feindin der Bildung betrachte, +ist dieses so wenig in den Augen vieler meiner Landsleute, daß sie den +vertrautesten Umgang mit ihr pflegen, daß sie ihr, der von Kanzel und +Lehrstuhl und aus guter Gesellschaft längst Vertriebenen, eine +Freistäte am Heerde ihres Hauses gewähren. + +Hier im Schooß der Familien erscheint sie als Exponentin der innigsten +Verhältnisse. In Scherz und Ernst führt sie oft das Wort, sie ist +Vertraute der Gattenliebe, Organ der Kindererziehung, Sprache des +Herzens, Lehrmeisterin der Sitte und praktischer Lebensklugheit. Hier +hat sie auch meistens ihre Rohheiten abgelegt, kehrt die beste Seite +heraus und scheint sich, gleichsam durch ihr Unglück gebessert, des +Vertrauens würdig zu machen. + +Kommt hinzu, daß ihre Schutzherrn nicht selten Männer von Talent, Geist +und Namen sind. Berühmte Lebende könnte ich anführen, ich begnüge mich +den seligen Johann Heinrich Voß zu nennen, der nicht allein in Eutin, +sondern noch in Heidelberg bis an seinen Tod mit Frau, Familie und +norddeutschen Gästen am liebsten und öftersten plattdeutsch sprach. + +Das sind Thatsachen. Wie gleiche ich sie aus mit der Behauptung, die +plattdeutsche Sprache sei Feindin der Bildung, des Ideenwechsels, der +geistigen Lebendigkeit; jetzt, da ich selbst nicht umhin konnte, Männer +von Geist und Talent, von Gelehrsamkeit, rastloser Thätigkeit, Männer +wie Voß als plattdeutsche zu bezeichnen? + +Freilich, ich könnte den nachteiligen Einfluß der plattdeutschen Sprache +eben nur auf das Volk und die Volksbildung beschränken. Ich könnte mich +etwa, um dem _gebildeten Plattdeutschen_ allen Anstoß aus dem Wege zu +räumen, folgendermaßen darüber ausdrücken: _absolut dem Geiste lethal_ +ist das Plattdeutsche nur, wo hochdeutsch, sanskrit und böhmische Dörfer +gleich bekannt sind, wie hie und da in Pommern und Meklenburg; was denn +von den größten Freunden des Plattdeutschen zugegeben werden müßte, da +gar nicht zu läugnen, daß an sich und für sich dasselbe nichts Lebendes +und Bewegendes enthalte, sondern Todt und Stillstand selber sei; +_geistig hemmend und lähmend_ bleibt aber das Plattdeutsche immer noch +aus der Stufe der Gesellschaft, wo ihm zwar das Hochdeutsche +verständlich näher getreten, aber noch als ein Fremdes gegenüber steht; +_ohne schädlichen Einfluß und gleichsam indifferent für Geist und +Bildung_ zeigte sich die plattdeutsche Sprache, da, wo sie der +hochdeutschen nicht als Fremde gegenüber steht, sondern schwesterlich +zur Seite geht. + +Allein, ich fürchte, _indifferent_ ist ein Ausdruck, der hier schon aus +allgemeinen psychologischen Gründen unstatthaft erscheint. Zwei Sprachen +auf der Zunge sind zwei Seelen im Leibe. Ist die eine Sprache die +geliebtere, die Herzenssprache, so ist die andere, für welche Zwecke sie +auch aufgespahrt wird, um ihren schönsten Anteil am Menschen zu kurz +gekommen. Sie rächt sich, indem sie das nicht zurückgiebt, was sie nicht +empfängt, sie schließt ihre innerste Weihe nicht auf und läßt sich wol +als äußeres Werkzeug mit großer Kunst und Künstelei, aber nicht als +zweites Ich mit Liebe und Freiheit gebrauchen. + +Der hochdeutschen Sprache verdankt jeder Niedersachse sein veredeltes +Selbst, ihr der aus dem Volk geborne Redner, Dichter, Schriftsteller +sein Alles und Ruf und Namen im Kauf. Kann er ihr sein Herz dafür nicht +zurückschenken, kann er sie nicht zur Sprache seiner häuslichen Freuden +und Leiden machen, muß sie verstummen, sobald er gemüthlich wird, so +steht sein gebildetes und veredeltes Selbst im geheimen Kontrast zu +seinem intimen Selbst und es wird sich daher auch an seiner Bildung, an +seinen Gedichten, Reden, Schriften diese Einseitigkeit, dieser +Widerspruch offenbaren und nachweisen müssen. + +Menzel hat's bekanntlich an Johann Heinrich Voß unternommen. Die Stelle +in Menzels Literatur, die Voß betrift, ist bitter, frivol, einseitig, +aber sie ist bedeutend und hat dieselbe nachwirkende Sensation +hervorgebracht, wie das Urtheil über Göthe, das freilich noch +einseitiger ausgefallen ist und sich selbst _à la_ Pustkuchen lächerlich +machte. Als ich Menzels Worte zum erstenmal las, fühlt ich mich empört. +Zeig dich nur erst als so einen _niedersächsischen Bauer_, wie du den +Voß zum Spotte nennst, rief ich im Zorn aus; allein ich mußte mir einen +Augenblick darauf selbst sagen, daß diese Anmuthung an einen +Süddeutschen weder billig noch selbst einladend genug klang und daß doch +zugleich eben in meinem Ausrufe eine Art von halbem Zugeständnisse lag. +Wirklich hatte ich schon immer eine Ansicht über Voß als Dichter und +Uebersetzer gehegt, die bei aller Achtung Vor dessen großen, +zweifellosen Verdiensten, durchaus nicht nach übertriebener, +philologischer Bewunderung und niedersächsischem Patriotismus roch. Ich +fand, daß er dem Genius der deutschen Sprache von Jahr zu Jahr mehr +Zwang angethan, daß er zu roh und willkührlich an ihr gezimmert und +losgehämmert und daß kein Deutscher, selbst Voß nicht, solche Wörter, +Wendungen und Redensarten in den Mund nehmen konnte, wovon seine +prosaischen und poetischen Schriften voll sind. Gegenwärtig lautet mein +Urtheil vielleicht noch entschiedener. Ich sehe an Johann Heinrich Voß +bestätigt, was ich eben aussprach. Die hochdeutsche Sprache hatte seine +Liebe nicht völlig inne, daher erschloß sie ihm nicht ihr eigenes Herz, +ihre Heimlichkeiten und Geheimnisse, ihre jungfräuliche Natur, die +Blüthe ihres Leibes und Geistes, lauter Gaben und Geschenke, die man im +zärtlichen Umgang freiwillig von der Geliebten eintauscht, nicht aber +durch Willkühr und Zwang ihr abgewinnen kann. + +Indem ich dieses allen Gebildeten in Niedersachsen zu bedenken gebe, bin +ich keinesweges abgeneigt, einer patriotisch-wohlmeinenden Stimme aus +ihrer Mitte Aufmerksamkeit zu schenken, welche die Ueberzeugung äußert, +der Gebrauch der plattdeutschen Sprache in den Familien gebildeter +Niedersachsen, welchen Einfluß er auch übe auf die intellektuellen +wahren oder erträumten Bedürfnisse, auf die verfeinerte Civilisation, +Bildung oder Verbildung der Zeit--ich schattire absichtlich diese +Ausdrücke mit dem bekannten Pinsel, der ohne Zweifel aus guter aber +beschränkter Absicht alles was der Gegenwart und der neuesten Zeit +angehört gegen die gute alte im Schwarzen und Bedenklichen laßt--der +Gebrauch sei ein guter und treflicher in Rücksicht auf den Charakter +der Hausgenossen, weil mit der Sprache der Väter auch ihre alte +ehrliche und treue Sitte, ihre Herzlichkeit, Gradheit und Biederkeit +sich auf die Enkel fortpflanze. + +Aufrichtig, du mir immer liebe Stimme, wenn da aus schlichtem, +patriotischem Herzen kommst, ich weiß nicht ob unsere Urgroßväter so +ganz diesem schmeichelhaften Silbe glichen. Es ist sonderbar damit, man +spricht immer von der guten alten Zeit und jedes aussterbende Geschlecht +vermacht die Sage davon an das aufblühende und die gute alte Zeit selbst +läßt sich vor keinem sterblichen Auge sehn und ist immer um einige Stieg +Jahre älter, als die ältesten lebenden Menschen. Ich muß lächeln, wenn +ich an die Verlegenheit wohlmeinender Chronisten und Geschichtschreiber +denke, wenn sie, um das moralische Mährchen nicht zu Schanden werden zu +lassen, sorgenvoll spähende Blicke in die Vergangenheit werfen, um auch +nur einen Zipfel, einen Saum von der Schleppe der alten Guten oder guten +Alten zu erhaschen. Man gebe nur Acht, wie listig sie sich dabei +benehmen. Sie lassen ihr nie unmittelbar ins Gesicht sehen, sie sagen +nicht, nun kommt sie, oder da ist sie; im Gegentheil wimmeln die Blätter +ihrer Geschichte nicht selten eben vorher von kläglichen Zuständen, +Schwächen, Lastern und Erbärmlichkeiten der menschlichen Natur, wenn sie +dem Abschluß einer auserwählten, kleinen, glänzenden Periode sich +nähern; dann aber, wenn der Vorhang fällt, die grellen Farben sich +schwächen, die bösen Beispiele nicht mehr so lebhaft der Idee von guten +Sitten entgegenarbeiten, wenn das Bild der Zeit abzieht, dann zeigen sie +auf ihren bordirten Saum und rufen dem Zuschauer wehmüthig zu, da geht +sie, da geht sie hin die gute alte Zeit und nun werden die jungen Zeiten +anwachsen, ihre Kinder, die sind aber sehr ausgeartet und werden alte +Zeit schlechter. Das man die Geschichte der Sitten von einem ganz andern +Standpunkt und mehr im Großen der Welterscheinungen betrachten muß, das +ahnen die guten Leute nicht. + +Für jeden Einzelnen ist es freilich immer eine Sache der Pietät und ein +wohlthuendes Gefühl, sich seine Vorfahren als durchgängig honette Leute +vorzustellen. Der dunkele Bürgerliche oder Bäuerliche kann dieser +Vorstellung wenigstens ohne großen geschichtlichen Anstoß und +Widerspruch nachhängen, er hat hierin einen Vortheil vor den +berühmtesten Adelsfamilien voraus. So ist in hochdeutschen bürgerlichen +Familien die Vorstellung vom Großvater, Urgroßvater als altdeutschen +Degenknopf die herschende und die liebste. Schwächer und allgemeiner +bezeichnet sind die _epitheta ornanti_ für bäuerliche Vorfahren, +Degenknöpfe kann man sie schicklicherweise nicht nennen und der +Bauerwitz ist bis jetzt noch nicht auf den Einfall gekommen, etwa die +Ausdrücke von alten deutschen Piken, Sensen oder Messerscheiden auf sie +anzuwenden. Ueberhaupt ist zu bemerken, daß das Wort deutsch nur +hochdeutsch ist, und im originalen plattdeutsch des gemeinen Lebens +nicht vorkommt, eben so wenig, wie die früherhin angeführten Wörter +Bildung und Verfassung, so daß die Redensart "das gebildete und +verfassungsmäßige Deutschland" in plattdeutscher Sprache noch weniger +als eine Redensart und gar nichts ist. + +Nach dieser vorläufigen Verständigung wäre zunächst der Hauptsatz +einzuräumen, mancherlei alte Sitte geht durch den Gebrauch der +plattdeutschen Sprache auf die Glieder der Familie über, +und--_Folgesatz_--wird ihnen zeitlebens etwas ausdrücken oder anhängen, +was sich nicht wol mit ihrer sonstigen Bildung vereinigen, sich nicht +für die Zeit und heutige Gesellschaft schicken will--das aber--_Nach- +und Beisatz_--den Umgang mit dem Volk, das Einwirken auf das Volk zu +erleichtern geeignet sein mag. + +Letzteres betrachte ich in der That für sein unwichtiges Moment. Man +sieht hier den Gebrauch der plattdeutschen Sprache in Prediger- und +Beamtenfamilien unter seinen natürlichsten und vortheilhaftesten +Gesichtspunkt gestellt. Diese Familien, meistens selbst vom Lande und +auf dem Lande besitzen und erregen nicht selten das Vertrauen des +Landmanns und wie es andere Familien zum Beispiel in der Stadt giebt, in +deren Mitte er sich für verrathen und verkauft halten würde, so trift er +in jenen gleichsam nähere und entfernte Anverwandte und sieht in deren +häuslichem Leben wie in einen Spiegel, worin sein eigenes mit +verschönerten Zügen ihm vertraulich entgegentritt. + +Doch ist keiner geringen Anzahl von diesen Familien die höchst dringende +Warnung zu ertheilen, vor dem allmähligen herabsinken auf die bäuerliche +Stufe der Kultur auf der Hut zu sein. Da sich im Plattdeutschen einmal +nichts Gescheutes sprechen läßt, so nimmt die plattdeutsche +Gemütlichkeit nur zu leicht den Charakter der Trägheit an. Das Bedürfniß +bedeutenderer Conversationen, zarterer Berührungen, die nur in einer +gebildeten Sprache möglich sind, regt sich immer schwächer, die einfache +Sitte verwandelt sich in rohe, das Herzliche ins Läppische, das Gerade +in's Plumpe, das Derbe in's Ungeschlachte und es tritt nur zu oft jener +traurige Rückschritt der Civilisation ein, den man Verbauerung nennt. +Damit ist dem Bauer auch nicht geholfen, der Familie, den Kindern noch +weniger. + +Wer sich also in seiner Neigung und Vorliebe für das Plattdeutsche im +Häuslichen auf einen Heros der deutschen Literatur wie Johann Heinrich +Voß oder einen Pfarrer, wie Klaus Harms zu berufen gedenkt, der thut +wohl, sich zuvörderst die Fragen vorzulegen: bist du des Umschwungs +deines geistigen Räderwerks auch so gewiß und sicher, wie jene, läufst +du keine Gefahr, dich für die Wissenschaft abzustumpfen, die Bewegung +der Zeit aus dem Auge zu verlieren; darfst du nicht befürchten, dich und +deine Familie an den Bettelstab des Gedankens zu bringen, deinen Kindern +eine unersätzliche Zeit zu rauben, sie unerzogen in die Welt zu stoßen +und mit deinem ganzen Hause an den untersten Fuß der Civilisation +herabzugleiten? + +Das mögten doch immer Fragen sein, die einer ängstlich gewissenhafter +Beantwortung werth sind. + + * * * * * + +Aber die plattdeutsche Sprache, ist, wie erwähnt, Lieblingssprache auf +allen norddeutschen Universitäten und das wenigstens wird ihr wärmster +Freund nicht gut heißen können. + +Hier tritt sie als gefährlichste Bundesgenossin aller jener zahlreichen +Uebel und Hemmnisse auf, die sich von Anfang an auf unsere Universitäten +verschworen zu haben scheinen, um die Humanität im Keim zu ersticken. +Hier legt sie die idyllische ehrbare Miene ab, wodurch sie sich in +ländlichem Pfarrhause Frau und Töchtern empfiehlt, zwanglos grob, +ungenirt gemütlich wandert sie in den Auditorien aus und ein, den Mund +immer offen und nur pausirend, wenn der Professor spricht und der +Student Religionsphilosophie, Metaphysik, Naturlehre und andere +hochdeutsche _sublimia_ in sein Heft einträgt. Zum Teufel ihr Herren +_favete linguis!_ wie kommt die Sprache Böotiens in Minervens Tempel. +Ihr könnt freilich antworten, wie kommt Minervens Tempel zu unserer +Universität, die nur eine alte wankende Ruine aus dem Mittelalter ist. +Recht! aber wo euer Fuß hintritt, da soll Athen sein, geweihter Boden +sein--_soll_, sage ich, denn warum sonst haben die Götter dem +jugendlichen Fuß die Sehne der Ungeduld und des heiligen Zorns +verliehen, die mit einem Tritt zerstampft, was das Alter mit beiden +Händen nicht aus dem Wege schaffen kann, warum anders, als damit ihr +Schöneres, Besseres, Heiligeres aus dem Boden zaubern sollt. Ihr +versteht mich nicht? Ich verstehe euch auch nicht, ich verstehe die edle +norddeutsche Jugend nicht, die sich auf dem Musensitz einer Sprache +bedient, die dem Dunkel des Geistes, der Barbarei vergangener Zeiten +angehört. Macht es dieser Jugend Scherz, ihre eigenen Studien, das +akademische Leben, den dürren Scholastizismus und die Pedanterie des +akademischen Instituts zu parodiren, zu travestiren, so sehe ich +allerdings weder großen Uebermuth in diesem Scherze, noch verkenne ich, +wie sehr die plattdeutsche Sprache, ja schon ihr Klang, zu diesem Zweck +sich eignet[6]; allein Scherz muß Scherz, das heißt flüchtig und +wechselnd bleiben, und wenn derselbe Scherz und dieselbe Travestie drei +Jahre alt wird, so muß man ein sehr ernsthaftes und langweiliges Gesicht +dazu machen. + +Kann man nicht heiter, gesellig, witzig, selbst wenn Lust und Laune +danach, derb und spaßhaft im Element des Hochdeutschen sein. Ist die +Sprache unserer Bauern humoristischer als die Sprache Abrahams a Sancta +Clara, Lichtenberg, Jean Pauls. O ich kenne die niedersächsischen Witze, +sie stehen alle in einem kleinen groblöschpapiernen Buch mit feinen +Holzschnitten, das jährlich in diesem Jahre gedruckt wird. Es tritt +darin auf "der Rübezahl der Lüneburger Haide," der Repräsentant des +niedersächsischen Volkshumors, der geniale Till und rülpst auf die +anmuthigste Weise lauter Witze vor sich hin, die aus einer Zeit stammen, +wo das Volk nur den groben Wanst, dagegen die Ritterschaft den Arm, die +Geistlichkeit den Kopf des Staatsungeheuers repräsentirte. + +Oder was zieht ihr vor an der plattdeutschen Sprache? Ich weiß die +Antwort nur zu gut, "sie macht uns Spaß[7]; sie ist uns gemüthlich." +Chorus von Göttingen, Rostock, Greifswalde, Kiel, sie macht uns Spaß, +sie ist uns gemüthlich, es wird uns wohl dabei! Auch in Jena, +Heidelberg, Berlin, Bonn, wohin wir kommen und wo unserer zwei bis drei +beisammen sind, da ist sie mitten unter uns. Sie gehört mit zum Wesen +der norddeutschen Landsmannschaft und das wäre kein braver Holsat oder +Meklenburger, oder Oldenburger, der nicht wenigstens drei Plattitüden am +Leibe hätte, plattes (Mütze) auf dem Kopf, plattes (Mappe) unter'm Arm +und das liebe Platt im Munde. + +O Jugend, akademische, Blüthe der Norddeutschen, sei nicht so duftlos. +Dufte etwas nach dem Geist der Alten--ich meine nicht deiner +eigenen--bethaue deine Blüthen und Blätter mit etwas Naß aus der +Hippokrene, durchdringe sie mit etwas Oel aus der Lampe der Philosophie, +empfinde, fühle wenigstens nur die heiße Thräne des Unmuts und des +Schmerzes, die der Genius deines Vaterlands auf dich herabträufelt. + +O Jugend, akademische, ihm ist übel, wenn dir wohl ist. Mephistopheles +freilich lacht und spöttelt dazu und wenn er dich in Auerbachs Keller +platt und wohlbehaglich sitzen sieht so ruft er seinem Begleiter zu: + + Da siehst du nun, wie leicht sich es leben läßt? + Dem Völkchen da wird jeder Tag zum Fest. + +Wie hat sich seit den Tagen des Faustus die Welt verändert, was ist +nicht alles in den letzten 30, in den letzten 13, in den letzten 3 +Jahren geschehen und dieses Völkchen ist noch immer das alte geblieben? +Wo kommt es her? Wo geht es hin? + +Es gibt Ausnahmen, wie sollte es nicht. Aber ich spreche, wie immer in +dieser Schrift, vom großen Haufen, und der ist auf unsern Universitäten +noch immer der alte Stamm und das Plattdeutsche seine hartnäckigste +Wurzel. + +Es hat fast den Anschein, als müßte der Bauer erst mit gutem Beispiel +vorangehn und die Sprache der Bildung gegen den Dialekt der Rohheit +eintauschen, ehe der Student sich dazu entschließt. + +Wie nöthig thäte es Manchem, um auch nur den äußern Schein seines +Standes im Gespräch und Umgang mit Gebildeten zu retten. Ich schäme +mich's zu sagen, welche Erfahrungen ich gemacht habe. + +Wie nöthig aber thut es Jedem, sich unablässig in einer Sprache zu +bewegen, die ihm erst zu der Herrschaft über sein Wissen verhelfen soll; +wie nöthig Jedem, sich einer Sprache zu entschlagen, welche diese +Herrschaft mißgönnt und streitig macht, welche wie das lichtlose dumpfe +Chaos dicht hinter seiner aufzubauenden Welt lauert. + +Ohnehin fordert die hochdeutsche Sprache Uebung, viel Uebung. Sie fällt +Einem nicht so in den Mund, wie dem Franzosen das französische. Das +Talent sich fertig und geläufig auszudrücken, ist immer noch ein +selteneres, am seltensten in Nord-Deutschland. Sprache und Gedanke, +Sprache und Gelehrsamkeit stehen häufig im ungeheuersten Mißverhältniß. +Fern sei es von mir, den bloßen Fluß der Worte, die Geschwätzigkeit als +eine Tugend zu preisen. Aber diese Wortangst, diese Wortplage, die so +viele Sprechende befällt, dieses Stottern, Ringen, Rädern und Brächen, +das am Ende oft doch nur etwas Verschrobenes oder Triviales zu Tage +fördert, das alles deutet bei unsern Gelehrten auf eine klägliche +Unangemessenheit zwischen todtem Studiren und lebendigem Umtausch hin. + +Von dieser Seite betrachtet zeigt sich der gerügte Uebelstand auf +norddeutschen Universitäten im häßlichsten Licht. Der tüchtigste Kopf +kann sich kaum vor der Masse des Fertigen, Vorgedachten, Positiven +erwehren, das so regelmäßig wie der Rinnenguß einer Wassermühle Tag für +Tag auf ihn eindringt. Es gehören elastische Denkfibern, glückliches +Gedächtniß (auch glückliches Vergessen) und vor allem Freundesgespräche +dazu, um die ewige Nothwehr mit Erfolg fortzusetzen und das heiligste +Gut der Persönlichkeit, das Stoffbeherrschende, selbstbewußte, +selbstdenkende Ich siegreich davonzutragen. Vor allem Freundesgespräche, +sage ich. Einsames Lernen, stilles Sammeln, Betrachten, Denken sind +nothwendig; aber wer nicht spricht, erstickt, wird verwirrt, chaotisch +und das eben ist der geistige Zustand der meisten jener Gelehrten, deren +Sprechen ich so eben als Sprachangst und Sprachplage bezeichnet habe. + +Mit welchen Farben soll ich den barocken, lächerlich traurigen +Geisteszustand einer plattdeutschen Studentenmasse schildern. _Ochsen_ +nennt sie selbst die mechanische Arbeit, die sie zum Behuf des Examens +täglich vornimmt. Jeden Tag schiebt sie fleißig ihren Karren Pandekten, +Dogmatik u.s.w. in die Scheune ihres Gedächtnisses. + +Liegt da das tägliche Pensum zu Hauf, so spannt sie sich aus, läßt's +liegen, wo es liegt und--wird gemüthlich, plattdeutsch. + +_Humaniora_, erfrischende, belebende, höher hinantreibende Vorträge, +hört sie nicht, oder bekommt sie nicht zu hören, da leider an vielen +Orten die _Humaniora_ nur als Antiquitäten gelesen werden. + +Klingt es nicht manchmal als Ironie, wenn der Bauer seinen Sohn, oder +des Amtmanns, Schulzen, einen Studeermakergesellen nennt?--O +norddeutsche, studirende Jugend, nimm das platt aus dem Munde! + + * * * * * + +Bis hierher hatte ich das Niedergeschriebene einem Freunde vorgelesen. +Ich fragte diesen um sein Urtheil. Ich bin überrascht, sagte er nach +einigem Zögern: Ich habe über den Einfluß der plattdeutschen Sprache +bisher nicht weiter nachgedacht, und das mögte wohl der Fall mit den +meisten künftigen Lesern dieser Bogen sein. Nichts destoweniger habe ich +diesen Einfluß dunkel und unangenehm empfunden; er macht, besonders wenn +man aus dem Süden zurückkehrt, einen ähnlichen Eindruck, wie die +veränderte Athmosphäre, die fahle Luft und das häufige Regenwetter des +Nordens. Man findet sich darein, wie in ein nothwendiges Naturübel. +Allein mit der Sprache ist es wol ein Anderes. Sie haben Recht, wenn Sie +einmal früher äußerten, man müsse sich selbst gegen das Nothwendige, das +der physischen oder moralischen Ordnung angehört, in Position setzen. +Sie haben mir, darf ich sagen, ordentlich die Brust erleichtert, indem +Sie mich auf einen bestimmten Landesfeind aufmerksam machen, mit dessen +Vertilgung das Feld für die norddeutsche Civilisation gewonnen scheint. +Das wird und muß nach Lesung Ihrer Schrift, das Gefühl aller Patrioten +sein, denen es in dieser Zeit wie Alpdrücken auf dem Herzen liegt. O +wohl! o wohl! Die plattdeutsche Sprache ist das absolute Hemmniß des +öffentlichen Lebens, der Bildung und Humanität in Niedersachsen. So +lange diese Sprache dem gemeinen Leben angehört, werden, wie bisher, +Mastochsen, Gänsebrüste und westphälische Schinken die Hauptprodukte +unserer Civilisation bleiben. Gegen die Civilisation selbst macht die +plattdeutsche Sprache nicht allein gleichgültig, sondern tückisch und +feindselig gestimmt. Warum ist das nicht längst zur Sprache gebracht, +Gegenstand des allgemeinsten und lebhaftesten Interesses geworden. + +Sie vergessen, sagte ich, daß Voß, Harms, Scheller, Bärmann und andere +wackere Männer die Theilnahme des Publikums für diese Sprache, selbst +für eine Literatur in derselben, haben in Anspruch nehmen wollen. + +Ich weiß, erwiederte er, ich habe unter andern den "_Bloottügen_," den +Henrik von Züphten vom Pastor Harms gelesen. Damals dachte ich nichts +anderes dabei, als daß so ein plattdeutsches Buch unbequem und schwer zu +lesen und wahrscheinlich noch unbequemer zu schreiben sei. + +Was den Henrik von Züphten betrift, bemerkte ich dagegen, so scheint mir +der Verfasser einen Ungeheuern Mißgriff in der Wahl des Stoffes gethan +zu haben. Ich schätze die alten Dithmarsen sehr hoch. Sie waren ein +tapferer, unbezähmlicher, ordentlich nach Freiheit und Unabhängigkeit +dürstender Menschenschlag, Bauern zu Pferde mit dem Schwerdt in der +Hand, die Schweizer des Nordens oder vielmehr Wittekinds und seiner +Sachsen ungebeugte und ungebrochene Enkel bis in's fünfzehnte und +sechszehnte Jahrhundert hinein. Nur weiß ich nicht, ob ein lutherischer +Pfarrer von Heute, selbst wenn er geborner Dithmarse ist, einer so +durchaus heidnischen Mannheit Gerechtigkeit widerfahren lassen kann; +denn obwol die dithmarsische Größe und Freiheit in christliche Zeiten +fiel und die Verehrung der Jungfrau Maria in diesem Lande gerade höher +getrieben wurde, als, wie es scheint, andeswo im Norden, so erhielt doch +der hochfahrende und kampflustige Sinn der Einwohner durch sie nur eine +sehr schwache christliche Färbung und wol schwerlich hat die Brust eines +mutigen Dithmarsers aus Furcht vor dem Himmel, der Geistlichkeit oder +eigener Gewissenszartheit christliche Demuth dem Muth übergeordnet, wie +man solches in den Ritterbüchern des Mittelalters liest. Doch mag es +damit sein, wie es will; ich muß bekennen, daß ich überhaupt keinen +Geistlichen zum Geschichtschreiber wünsche, speziell nicht zum +Dithmarsischen. Was mir aber auffiel, war, daß Pastor Harms sich grade +einen Moment aus der dithmarsischen Geschichte gewählt hatte zur +plattdeutschen Darstellung, der auf so schneidende Weise mit der +altväterischen, derben Bonhommie, die er dieser Sprache im Eingang +nachrühmt, im Kontrast steht: der Märtyrertod des ersten lutherischen +Predigers in Dithmarsen. Diese kalte Wuth, dieser Hohn menschlichen +Gefühls, diese Spurlosigkeit alles Barmherzigen, womit hier der arme +Mann einem langsamen und schauderhaften Tode überliefert wird, macht +nicht nur an sich einen bösen Fleck in der dithmarsischen Geschichte +aus, sondern erinnert auch sehr zur Unzeit, daß diese beste Zucht +niedersächsischer Männer, die Dithmarsen, von jeher neben ihrer +Tapferkeit und eisernen Sitte, mit asiatischer Barbarei an +Gefühllosigkeit gegen Feind und Freund gewetteifert haben, was den +allerdings wol auf eine derbe und rohe, aber keineswegs auf so eine +"alte und gemüthliche" Sprache hindeutet, wie's so etwa von einem +unserer friedlichen und gutmüthigen Philister heutiger Zeit verstanden +wird.--Fügen Sie noch hinzu, sagte hierauf mein Freund, daß das +Dithmarsen der Gegenwart, das noch ganz und gar plattdeutsch ist, und wo +auch noch wirklich das beste platt[8] gesprochen wird, weder in +moralischer noch in gesellschaftlicher Berührung ein sehr glänzendes Lob +auf dasselbe zuzulassen scheint. Die Armuth, Trunkfälligkeit, die +ungeheure Zahl der verübten Mordbrände in Dithmarsen deuten auf einen +sehr versunkenen sittlichen und bürgerlichen Zustand. Eben er, der mit +herrlichem Eifer für die Verbreitung religiöser und moralischer +Lebensflammen erfüllte Pastor Harms hat in patriotischen Schriften +seinen Schmerz darüber ausgesprochen. Was kann er aber, sage ich jetzt +mit vollster Ueberzeugung, von der Mithülfe einer Sprache erwarten, +welche aller Mittheilung unbesiegliche Schranken entgegenstellt und das +wahre Grab des höheren Leben ist. Es stände zu wünschen, daß ein +dithmarsischer Patriot den nachteiligen Einfluß der Sprache auf die +Fortschritte der Civilsation und selbst auf die schönere Humanität einer +ausgezeichneten Einzelbildung aus der Allgemeinheit Ihrer Schrift +übertragen möge auf Dithmarsen und die Dithmarsen, wie sie sind und was +sie vermöge ihrer Sprache sind und nur sein können. + +Ihr Wunsch ist der meinige, ich werde ihn, wie überhaupt unser +Gespräch, vor's Publikum bringen, und zwar als integrirenden Theil +meines Aufsatzes. Denn, glauben Sie mir, ohne Ihr Hinzukommen würde ich +mich nie zur Herausgabe desselben bestimmt haben. + +Sie scherzen, oder wollen etwas sagen, was mir nicht klar ist. + +Hören Sie nur und urtheilen Sie selbst. Ich habe bisher darzustellen +gesucht, daß die plattdeutsche Sprache sowol an sich unfähig sei, die +Keime der Civilisation zu fassen als auch, so lange sie tägliche +Umgangssprache in Niedersachsen bliebe, alles Bemühen zur Civilisation +durch das Mittel der hochdeutschen Sprache vereiteln müsse. Ich habe +diese Wahrheit nicht allein auf die unteren Kreise beschränkt, ich habe +fühlbar zu machen gesucht, wie ohne unterliegende allgemeine +Volksbildung, auch die höhere Bildung des Einzelnen gefährdet sei und +zum Beispiel die Extreme auf der jetzigen Leiter unserer Kultur, Bauer +und Student oder Studirter, sich in demselben rohen und bildunglosen +Medium wieder berühren. Habe ich, wie ich meine und getrost der +öffentlichen Stimme überlasse, dieses mit unabweisbarer +Handgreiflichkeit nachgewiesen, so werde ich allerdings der +Uebereinstimmung aller Patrioten in der Behauptung gewiß sein, es sei +nicht wünschenswerth, daß die ohnehin aussterbende und vermodernde +plattdeutsche Sprache, gehegt und gepflegt werde, es sey im Gegentheil +wünschenswerth, daß sie sich je eher je lieber aus dem Reiche der +Lebendigen verliere. Und somit wäre denn im verhofften guten Fall hie +und da eine Meinung, eine Ansicht über das Wünschenswerthe und nicht +Wünschenswerthe in dieser Angelegenheit öffentlich angeregt. Aber sagen +Sie mir, was ist eine Privat-Meinung, die einen frommen Wunsch zur Folge +hat, im Angesicht eines öffentlichen Gegenstandes, oder Widerstandes, +der nichts meint und wünscht, der nur so eben sich seiner breiten Füße +bedient, um seine plumpe und gedankenlose Existenz durch alle Meinungen +hindurch zu schieben und sich trotz aller Meinungen auf den Beinen zu +behaupten, bis er etwa von selbst umfällt, Meinungen und Ansichten haben +wir im Ueberfluß, vortrefliche. Woran fehlt's? Am Korporativen der +Meinung, welches die öffentliche Meinung ist, welche die That mit sich +führt. Würde ich sonst, wenn ich nicht das fruchtlose Hin- und Hermeinen +des Publikums zu gut kennte, mir die Beantwortung der ironischen Frage +aufgelegt haben, ob man den wünschenswerthen Untergang der Sprache ruhig +sich selbst und der Zeit überlassen oder etwas dafür thun, denselben +möglichst beschleunigen solle? Sie sehen aber wol, daß es mir damit +nicht Ernst gewesen sein kann; denn bringt die wahre und lebhafte +Darstellung eines großen Uebels nicht unmittelbar und für sich das +Gegenstreben, den Wunsch und das Umsehen nach Mitteln zur Abstellung +desselben hervor, so ist alles weitere Reden und Zureden rein +überflüssig, falls es nicht, wie bei manchen Maaßregeln gegen die +Cholera, mit äußerm Zwang und obrigkeitlichem Befehl verbunden ist. + +Ich weiß aber nicht, was mir sagt, daß Sie im Auffassen dieser +Angelegenheit der Repräsentant von sehr vielen Norddeutschen sind. Die +Wahrheit hat auf Sie ihren vollen Eindruck nicht verfehlt, Sie freuen +sich, ihren allgemeinen trüben Mißmuth einem bestimmten Feind +gegenübergestellt zu sehen, Sie sinnen auf Mittel, ihn anzugreifen, Sie +halten ein allgemeines lebhaftes und daher wirksames Interesse als +durchaus in der Sache begründet. + +So ist es, erwiederte mein Freund. Und ich glaube, auch darin irren Sie +nicht, wenn Sie mich nach Ihrem Ausdruck für den Repräsentanten einer +sehr namhaften Zahl und Klasse von Norddeutschen halten. Bedenken Sie +nur allein den Stand des Schullehrers, der Jahr aus Jahr ein an der +plattdeutschen Jugend sich fruchtlos abquält und gleichsam tagtäglich +Wasser ins Faß der Danaiden schöpft. Ihm vor allen wird ihre Schrift +neuen Muth und Anstoß geben. Das Hauptmittel, davon sind Sie ohne +Zweifel auch überzeugt, liegt in den Händen dieser Männer. + +Aber, fügte er fragend hinzu, welchen Schluß geben Sie ihrer Arbeit? Ich +denke doch, Sie lassen, wenn auch die zweite Frage billig ausfällt, die +dritte nicht ganz unbeantwortet. Welche Mittel halten Sie für die +Ausrottung der plattdeutschen Sprache für die wirksamsten? Mir und +meinen Kollegen, wie gesagt, liegt vorzüglich daran. + +Ich trug meinem Freunde darauf den folgenden Abschnitt vor, bemerkte +aber, daß ich von ihm selbst oder von einem Genossen seines Standes +etwas Erschöpfenderes in dieser Hinsicht verhoffte. + + * * * * * + +Wer aber soll helfen gegen das Plattdeutsche im Volk? Wie kann dem +Hochdeutschen geholfen werden? + +Wer? Alle Welt, nur der Staat nicht. Was der Staat gegen das +plattdeutsche und für das Hochdeutsche thun konnte, hat er gethan, indem +er jene aus der Kirche verbannt und sie vom Gerichtshofe ausschloß. + +Wer diese Schrift verbreitet, sie selbst oder ihre Ideen, wer sie +öffentlich angreift oder vertheidigt, wer ihr neue Gesichtspunkte +hinzufügt, deren es noch so viele giebt, wer die bereits aufgestellten +modificirt, rektificirt, _der hilft, er mag wollen oder nicht_; denn er +hilft eine öffentliche Meinung bilden. Beleuchtet dieses gedankenlose +Monstrum, Hannoverisches Platt, Meklenburgisches Platt und wie es sich +überall nennt, von hinten oder von vorne, von der besten oder von der +schlechtesten Seite, beleuchtet es nur, und glaubt mir, jedes Licht übt +eine chemische Zerstörung auf sein Volumen aus. Besprecht es, besprecht +es nur und seid überzeugt, jedes Wort im Guten oder Bösen ist ein +Zauberbann, der ihm einen Fuß seines Gebietes verengt. + +Das ist das Schöne mit der guten Sache und der öffentlichen Meinung und +der neuen Zeit; wenn die drei einmal in Bewegung sind und sich auch +nicht suchen, so verfehlen sie sich doch nicht. + +Ja, ich zweifle nicht, die öffentliche Meinung wird sich bilden und sie +wird grollen, wie ich, mit dem Plattdeutschen und das Grollen wird über +die Köpfe unserer Bauern hinfahren und wird--ansteckend sein. + +Die Ansteckung ist die Hauptkraft der öffentlichen Meinung und das +Wunderbarste an ihr. + +Die wichtigsten Exekutoren der legislativen Gewalt öffentlicher Meinung +sind aber in unserm Fall unstreitig die Schullehrer, insbesondere die +auf dem Lande. Auf den Grad des Anteils, der Einsicht, des guten Willens +dieser großen, nützlichen, im Stillen wirkenden Klasse von +Staatsbürgern, deren Einfluß auf die Bildung der Landleute bedeutend +größer ist, als der Pastoraleinfluß, kommt unendlich viel an. + +Fassen diese, wie es ihnen zukommt und wie zu erwarten, die Sache der +Civilisation mit Eifer auf, durchdringen sie sich von der Nothwendigkeit +einer ununterbrochenen Attake auf das Plattdeutsche, stehen sie, wie es +ihre Gewohnheit ist, beharrlich auf ihrem Stück, so will ich sehen, +welche wundergleiche Veränderung dieses schon im Ablauf von zehn Jahren +in einem Verhältniß von Hoch zu Platt hervorbringen wird. + +Ihre Hauptaufgabe wäre, dahin zu streben, das Hochdeutsche +_vertraulicher_ und _herzlicher_ zu machen--ein Weg, der nur durch die +_Fertigkeit_ und _Unbekümmertheit der Zunge_ hindurchgeht. Ihre Arbeit +ist in der Schule, in den Familien, vor der Kommüne. Was die _Schule_ +betrift, so würde ich den Rath geben, in den ersten Schuljahren die +Kinder weder zum Schreiben noch zum Lesen anzuhalten, nur zum Sprechen. +Das Warum leuchtet ein. Auch die Aelteren müßten häufiger mit Sprech- +und Denkübungen beschäftigt werden--welche Gelegenheit zugleich auf den +Verstand und durch diesen gegen die plattdeutsche Sprache zu wirken, in +welcher dem Knaben von Haus aus alle frühere Vorurtheile und Dummheiten +eingepropft sind. Besondere Rücksicht verdienen die Mädchen. Ihre +Gemüther sind weicher, empfänglicher, ihr Organ, gewöhnlich auch ihr +Verstand leichter zu bilden und--sie sollen einmal Mütter, Hausfrauen, +das heißt auf dem Lande, für das jüngste Geschlecht im Hause alles in +allem werden. Auch im _älterlichen Hause_ bleibt viel zu wirken, +besonders auf Hausfrauen und ältere Töchter; der heiterste, zwangloseste +Gesellschafter ist hier der beste, er bringt bald ein unterhaltendes +Buch (kurze und erbauliche Geschichten, keine langweilige faselnde), +bald einen interessanten Gegenstand zur Erzählung mit, eine Anekdote aus +der Zeitgeschichte, oder meinentwegen einen Fall aus der Nachbarschaft, +dem Dorfe mit, der, wie er versichert, sich im Plattdeutschen nicht +ausnimmt. _Für die ganze Komüne_ ist er wirksam durch Einführung +periodischer Blätter, Zeitungen, auf gemeinschaftliche Kosten zu halten +und regelmäßig in Versammlung der Männer vorzulesen, allenfalls durch +ältere, der Konfirmation entgegengehende Knaben, _als beneidete und +ehrenvolle Belohnung_ ihrer Fortschritt im Lesen und Sprechen des +Hochdeutschen. + +Ich deute nur an, aber ich komme mir vor, ich wüßte es auch auszuführen +als Schullehrer auf dem Lande, und Tausende besser als ich. + +So viel ist gewiß, wäre ich Schullehrer, so würde ich für's Erste nur +ein Ziel kennen: mein Dorf zu verhochdeutschen. + +Leeres Stroh würde ich glauben zu dreschen, so lange nicht die Garbe der +hochdeutschen Sprache und Bildung mir auf dem freien Felde wächst. + +Eine Bürgerkrone würde ich glauben verdient zu haben, wenn man mir im +Alter nachrühmte: er hat diesen Flecken, sein Dorf, das sonst so dunkle, +dumpfe, plattdeutsche Nest, mit der Kette der Civilisation in Kontakt +gesetzt durch Ausrottung der plattdeutschen und Einführung der +Bildungssprache Deutschlands. + + +Fußnoten: + +[1] Doch auch mit Ausnahme gewisser örtlicher und provinzieller +Variationen, wie in Hamburg, Westphalen, Dithmarsen, wo selbst die +Gebildeten, von deren Aussprache hier eigentlich die Rede ist, sich der +Lokaltinten nicht enthalten. + +[2] Die Hexenprozesse, die mit wenig zahlreichen Ausnahmen erst nach Der +Reformation und Hauptsächlich im protestantischen Norddeutschland +geführt wurden und denen ein Glaube an den Einfluß böser Geister zu +Grunde lag, den Luther, in melancholischen Anfällen selbst oft mit dem +persönlich ihm erscheinenden Teufel ringend, nur zu sehr genährt hatte, +_diese Hexenprozesse haben Deutschland im 17ten Jahrhundert vielleicht +mehr Menschen gekostet, als Spanien die Inquisition._ + +[3] Reineke de Vos ist von holländischer und französischer Abkunft, wenn +auch die Mährchen von Fuchs und andern Thieren ursprünglich in +Deutschland sowol, als in Frankreich in Schwang gingen. Die +plattdeutsche Uebersetzung scheint niemals Volksbuch gewesen zu sein, +obgleich sie sehr gelungen ist; man könnte sie den Schwanengesang dieser +Sprache nennen. + +[4] Wollte ich zu diesem, wie gesagt, naturrohen Bilde ein mehr dem +Spiel der Phantasie angehöriges hinzufügen, so vergliche ich den bloßen +Lese- und Schreibunterricht unserer Landkinder mit der Unvernunft und +Thorheit eines Ackermannes, der seinem Acker die Instrumente zur +Bearbeitung, Spaten und Pflug, zur Selbstbearbeitung hinwirft. + +[5] Was könnte ich anführen, wollte ich von der niedrigsten Klasse +norddeutscher Städte sprechen, die sich, wie der Hamburger Pöbel in +Schnapps und unreinstem Plattdeutsch wälzt. + +[6] Wo willst Du hin, fragte Jemand einen Meklenburgischen Scholaren, +der gerade auf den Postwagen stieg. Die Antwort war: Na Rostock, ik will +mi op de Wissenschaften leggen. + +[7] Weniger Späße. + +[8] Doch nicht rein, sondern mit friesischen Wörtern untermischt. + + * * * * * + +Von demselben Verfasser sind bei uns erschienen: + +_Wienbarg_, _Dr._ L., + Holland in den Jahren 1831 und 32, 2 Bde. 8, + 833-34. 2 Thlr. 16 Gr. + + ---- ---- Jason. Episches Gedicht nach Pindar. Uebersetzt, + bevorredet und erläutert; mit einem + Zueignungsgedicht an Jason Sabalkansky. 8. 830. + 4 Gr. + + ---- ---- Paganini's Leben und Charakter nach Schottky. Mit + Paganini's Bildnis. gr. 8. 830. 12 Gr. + + +Unter der Presse befindet sich: + + ---- ---- ästhetische Feldzüge. Dem jungen Deutschland + gewidmet. 8. + + + + + + + +End of the Project Gutenberg EBook of Soll die plattdeutsche Sprache +gepflegt oder ausgerottet werden?, by Ludolf Wienbarg + +*** END OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK SOLL DIE PLATTDEUTSCHE SPRACHE *** + +***** This file should be named 12660-8.txt or 12660-8.zip ***** +This and all associated files of various formats will be found in: + https://www.gutenberg.org/1/2/6/6/12660/ + +Produced by Charles Franks and the DP Team + +Updated editions will replace the previous one--the old editions +will be renamed. + +Creating the works from public domain print editions means that no +one owns a United States copyright in these works, so the Foundation +(and you!) can copy and distribute it in the United States without +permission and without paying copyright royalties. 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You may copy it, give it away or +re-use it under the terms of the Project Gutenberg License included +with this eBook or online at www.gutenberg.org + + +Title: Soll die plattdeutsche Sprache gepflegt oder ausgerottet werden? + Gegen Ersteres und fuer Letzteres + +Author: Ludolf Wienbarg + +Release Date: June 19, 2004 [EBook #12660] + +Language: german + +Character set encoding: ASCII + +*** START OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK SOLL DIE PLATTDEUTSCHE SPRACHE *** + + + + +Produced by Charles Franks and the DP Team + + + + +Soll die plattdeutsche Sprache gepflegt oder ausgerottet werden? + + +Gegen Ersteres und fuer Letzteres + + +beantwortet von + +Dr. Ludolf Wienbarg + + + + +Motto: _ceterum ceterumque censeo...._ + + + + +Hamburg + +bei Hoffmann und Campe + +1834 + + + + +Dem Nestor norddeutscher Patrioten + +dem Freunde veredelter Natur und Menschheit + +Herrn Baron von Voght + +gewidmet. + + + + +Verehrungswuerdiger Greis! + + +Ich habe nie das Glueck Ihrer persoenlichen Bekanntschaft genossen, +aber ich kenne Ihre Schoepfungen, die bluehenden Spuren Ihrer +menschenfreundlichen Hand. Bereits als Knabe besuchte ich sehr oft von +Altona aus das schoene Flottbeck. Hier woelbt sich keine Ulme, keine +Buche, die Sie nicht gepflanzt, hier steigt von hundert freundlichen +Daechern kein Rauch in die Luft, der nicht Weihrauch fuer Sie waere. Das +wusste ich schon als Knabe und so kam es, dass ich an Ihrem Namen zuerst +den Begriff und die Bedeutung eines Menschenfreundes, eines Patrioten +lernte. Eine gluecklichere Abstraktion, ein wuerdigeres Bild wird selten +der jugendlichen Seele geboten. + +Nehmen Sie, Verehrungswuerdiger, diesen Ausdruck meiner fruehgefassten und +in reiferem Alter nur genaehrten und befestigten Achtung guetig auf. + +_Eutin_, am 1. December 1833. + +Ludolf Wienbarg. + + + + +Vorwort. + + +Wenn die Patrioten bisher ueber die Kluft der Staende, die Rohheit und +Unempfaenglichkeit Volkes in Niedersachsen mit Recht bittere Klage +fuehrten, oder im Grossen Verbesserungsplaene entwarfen, so stand ihnen die +niedersaechsische oder plattdeutsche Volkssprache nur sehr im +Hintergrunde und kam weder im Guten, noch im Boesen so recht in Betracht. +Ich glaube nachzuweisen, ja mit Haenden greiflich zu machen, dass sie die +Wurzel alles Uebels, der Hemmschuh alles Bessern ist. + +Gehe hin, meine kleine Schrift, und spreche! Drei Dinge wuensche ich +dir, Fluegel, Feinde und Freunde. Die Fluegel wuensche ich dir, damit du +dich nach allen Seiten verbreitest, die Feinde und Freunde, damit du +nach alten Seiten besprochen wirst.-- + + * * * * * + + + + +Bekanntlich sprechen die Bewohner Niedersachsens plattdeutsch und +hochdeutsch; ersteres als Volkssprache, letzteres als Sprache der +Bildung. Das Hochdeutsche redet man dialektlos, das heisst Aussprache und +Schreibung stimmen buchstaeblich ueberein[1]. Anders in Mittel- und +Sued-Deutschland. Goethe sprach das Hochdeutsche wie ein geborner +Frankfurter, Schiller wie ein Wirtemberger und noch gegenwaertig hoert +man's der Sprache der Gebildeten Sued-Deutschlands ab, in welcher Provinz +sie zu Hause gehoeren. Daher kann man wol behaupten, dass mancher +niedersaechsische Handwerker _reiner_ hochdeutsch spricht, als der +Wuerzburger Professor, der Badische Deputirte oder der Bewohner der +Provinz Meissen selbst, dessen Aussprache doch zu seiner Zeit von +Gottsched mit dem Privilegium der Klassizitaet begabt worden ist. Allein +man darf nicht vergessen, dass diese Reinheit eine abstrakte und keine +lebendige ist, da der Norden fein hochdeutsch im eigentlichen Sinn des +Worts aus Buechern, zumal aus der lutherischen Bibeluebersetzung gelernt, +nicht aber wie Mittel- und Sued-Deutschland durch lebendig uralte +Tradition von Mund zu Mund empfangen hat. + +Ist doch die hochdeutsche Sprache selbst keine Sprache provinzieller +Beschraenktheit, keine blosse Mundart Alt-Meissens, sondern im hoeheren +Sinn ein Kunstwerk des grossen Reformators, der aus den beiden +Hauptdialekten des Nordens und Suedens, schon ohnehin im Saechsischen sich +beruehrend eine Sprache schuf, die, wenn auch mit Vorwalten des +sueddeutschen Elements, jedem deutschen Ohr zugaenglich und verstaendlich +sein, die eine gemeinsame Sprache aller Deutschen vorbereiten sollte. +Aus den edelsten Metallen des unerschoepflichen deutschen Sprachschachtes +gegossen, ward sie in Luthers Haenden die Glocke, welche die Reformation, +den dreissigjaehrigen Krieg, die ganze neue Geschichte eingelaeutet hat. + +Mehr als den Griechen der Saenger der Odyssee und Ilias muss uns +Deutschen, Katholiken wie Protestanten, der Uebersetzer der Bibel +gefeiert sein. Die altionische Sprache gehoerte nicht dem Dichter, +sondern der Nation an. Die Sprache der Bibeluebersetzung aber musste sich +erst geltend machen durch die Gewalt des Genius, sie gehoerte Luther an +in dem Sinn, wie man nur irgend auf diesem Gebiet das Eigentumsrecht fuer +eine Person in Anspruch nehmen darf. + +Denkt euch, Luthers Sprache waere nicht durchgedrungen. Zerrissen waere +das maechtigste Band, das Sued und Nord umschlingt. Der Norden wuerde +nichts vom Sueden, der Sueden nichts vom Norden wissen. + +Die theuersten Namen, die jetzt im Herzen der ganzen Nation +wiederklingen, wuerden hie und da in einem Winkel Deutschlands genannt +werden und etwa die Eitelkeit ihrer Landsleute aufblaehen, alle grossen +Maenner, die in unserm Vaterlande die Sprache Luthers geredet, alle +Genien der ernsten und froehlichen Wissenschaft, auf die wir unsern Stolz +setzen, ja welche die Vorsehung selbst uns zum erhebenden Selbstgefuehl +erweckt zu haben scheint, wuerden mit vergeblicher Sehnsucht ihre Fluegel +ueber Deutschland ausgebreitet haben, waeren von ihrer Geburt an zur +Verschrumpfung und Laehmung bestimmt gewesen. Es ist so viel Unglueck seit +Luther ueber dieses arme Land hingegangen, dass man zweifeln koennte, ob +nur der Name Deutschland, Deutscher, ehre. Luthers Schriftsprache, +dieses Schwerdt, das Wunden schlug und heilte, ueber dem unsaeglicher +Wirrwarr sich schwebend erhalten hatte. + +Das kaiserliche Reichsschwerdt ist zerbrochen, Luthers Sprache ist +Reichsschwerdt geworden, glanzvoller, schwungreicher, maechtiger, +gefuerchteter, als je eins in der Hand eines Hohenstaufens oder +Habsburgers geblitzt hat. + +Sprache Luthers, kaiserliches Schwerdt, der Muth hat Dich gestaehlt, die +Freiheit Dich geschliffen, der Kampf Dich erprobt. + +Sprache Luthers, kaiserliches Schwerdt, rein bist Du von den Blutflecken +der Religionskriege, rein und gesaeubert vom Geifer theologischer +Streithaehne, vom Rost des gelehrten und amtlichen Pedantismus. + +Fuehrt es ihr Soehne des Lichts, denn ihr seid unueberwindlich mit dieser +Waffe. + +Beruehrt es nicht, ihr Kinder der Nacht, denn es ist scharf und faehrt +zurueck auf eure eigenen Schaedel. + + * * * * * + +Man kann Werth und Wuerde der deutschen Schriftsprache lebhaft anerkennen +und dennoch wuenschen, dass die ober- und niederdeutschen Dialekte sich im +Munde des Volkes lebendig erhalten. Ich theile diesen Wunsch nicht. Was +namentlich die Frage betrift, welche den Gegenstand dieser kleinen +Schrift ausmacht: "_ist die niedersaechsische Volkssprache zu pflegen +oder auszurotten?_" so antworte ich aus innigster Ueberzeugung und aus +Gruenden, welche ich darlegen werde: _sie ist auszurotten, durch jedes +moegliche Mittel auszurotten_. + +Verstaendigen wir uns ueber etwas sehr Wesentliches. Dass die plattdeutsche +Sprache der Zeit verfallen und aussterben wird, ist keine Frage mehr. + +Eine jede Sprache, die nicht Schriftsprache, Sprache der Bildung, des +gerichtlichen Fortschrittes, der politischen, religioesen, +wissenschaftlichen, artistischen Bewegung ist, muss bei dem Stand und +Gang unserer Kultur einer Schrift- und Bildungssprache Platz machen, muss +wie die frisische in Holland, wie die zeltische in Bretagne, die +baskische in Spanien allmaehlig aussterben. Auszusterben ist das +nothwendige und natuerliche Schicksal der plattdeutschen Sprache. Nichts +kann sie vom Untergang retten. Schreibt plattdeutsche Lustspiele, +Idyllen, Lieder, Legenden--umsonst; das Volk liest euch nicht--liest es +nur den Reineke de Vos?--ihr begruendet keine plattdeutsche Literatur, +ihr macht die verbluehende Sprachpflanze durch euren poetischen Mist +nicht bluehender--sie wird aussterben. Ihr preiset diese Sprache als alt, +ehrlich, treu, warm, gemuethlich, wohlklingend--ihr habt Recht oder +nicht--sie wird aussterben. Das ist das unerbittliche Gesetz der +Notwendigkeit. + +Allein, es ist wahr, das Nothwendige ist nicht immer das +Wuenschenswerthe. Gar vieles begiebt sich in Natur und Geschichte mit +Nothwendigkeit, was nicht bloss die Klage des Thoren, sondern auch den +gerechteren Schmerz des Weisen erregt. Immer ist es des denkenden +Menschen wuerdig, sich dessen, was geschehen wird und muss, bewusst zu +werden, immer der sittlichen Kraft und Wuerde desselben schaedlich und +unwuerdig, sich willen- und wunschlos vor der Nothwendigkeit zu beugen. +Nicht selten gelingt Aufschub Vertagung, wo auch nicht, der Mensch darf +sich frei sprechen von Leichtsinn, traeger Sorglosigkeit, er hat sich das +Recht und die Beruhigung erworben, _animam salvavi_ auszurufen. + +Darum frage ich eigentlich, ist es wuenschenswerth, dass Niedersachsens +alte Sprache sich aus der Reihe der lebendigen verliert; wenn das, soll +man ihren Untergang der Zeit ueberlassen oder soll man diesen +beschleunigen; wenn letzteres, welches sind die Mittel dazu? + + * * * * * + +Um die deutsche Gemuethlichkeit ist es ein schoenes Ding und was kann +namentlich dem Niedersachsen gemuetlicher sein, als seine angeborne +Sprache. Doch ein schoeneres Ding ist der muthige Entschluss, die +Gemuethlichkeit einstweilen auszuziehn, wenn sie uns zu _enge_ wird. + +Grade das behaupte ich von der und gegen die plattdeutsche Sprache. Sie +ist dem Verstand der Zeit laengst zu enge geworden, ihr Wachsthum hat +bereits mit dem sechszehnten Jahrhundert aufgehoert, sie kann die +geistigen und materiellen Fortschritte der Civilisation nicht fassen, +nicht wiedergeben _und daher verurtheilt sie den bei weitem groessten +Theil der Volksmasse in Norddeutschland, dem sie annoch taegliches Organ +ist, zu einem Zustande der Unmuendigkeit, Rohheit und Ideenlosigkeit, der +vom Zustand der Gebildeten auf die grellste und empoerendste Weise +absticht._ + +Habe ich Recht ober Unrecht? Steht es nicht so mit dem Volk in Hannover, +Westphalen, Meklenburg, Holstein u.s.w.? Wurzelt nicht das Hauptuebel im +absoluten Unvermoegen der taeglichen Umgangssprache, den noethigsten +Ideenverkehr zu bewerkstelligen? + +Dass ich in beiden Unrecht haette. Aber den Stein, den diese Anklage gegen +die plattdeutsche Sprache als eine Feindin der Volksbildung, der +geistigen Thaetigkeit erhebt, derselbe gewigtige Stein muss erhoben werden +von jedem Niedersachsen, jedem Deutschen, dem der materielle und +geistige Zustand von Millionen Bruedern, dem die Gegenwart und die +Zukunft Deutschlands nicht gleichgueltig ist. + + * * * * * + +Halte ich einen Augenblick inne. Ob diese Schrift auch Leser findet, die +in hohe aristokratische Privilegien eben in dem geruegten Gebrechen, eben +in dem Umstand, dass die plattdeutsche Sprache seit drei Jahrhunderten +nichts gelernt, eine Tugend derselben entdecken? Soll ich Ruecksicht auf +solche Leser nehmen? Soll ich die reine Absicht, die mir vorschwebt, +durch alle Blaetter mir verbittern? + +Aber es giebt solche, du kennst solche! Wolan denn, mache ich es gleich +und auf einmal mit ihnen ab. + +Ja, ihr Herren, diese Sprache hat nichts gelernt seit dem sechszehnten +Jahrhundert, sie hat sich mit keiner einzigen Idee, keinem einzigen +Ausdruck der neuen Geschichte bereichert, sie hat nicht einmal ein Wort +fuer Bildung, nicht einmal ein Wort fuer Verfassung--ja, ihr Herren, sie +ist noch ganz und gar die Sprache des sechszehnten Jahrhunderts, die +Sprache der Hetzjagden, der Peitschenhiebe, der Hundeloecher, die Sprache +des Bauernkrieges und--spuert ihr nichts vom kurzen Takt der +Dreschflegel darin, und seht ihr nicht etwas von kurzem Messer, +geschwungener Sense, geballter Faust als Titelvignette vor den Ausgaben +plattdeutscher Lexika paradiren?--Taeuscht euch nicht, sie ist noch immer +die Sprache des sechszehnten Jahrhunderts und schleppt die gebrochenen +Ketten sichtbar mit sich umher, und pfluegt und ackert jeden Fruehling und +jeden Herbst den alten Grimm in die alten Furchen hinein. O sie ist +schrecklich treu, schrecklich dumm und gemuethlich; aber lasst euch sagen, +sie hat wenig Religion, nur sehr wenig und sie kennt, wenn sie wild +wird, den Teufel besser als den lieben Gott. Worueber ihr euch nicht sehr +zu verwundern habt; denn als sie katholisch war, da war das +Christenthum, die Messe naemlich, lateinisch und als sie lutherisch +wurde, wurde das Christenthum, Predigt und Katechismus hochdeutsch. +Bedenkt auch nur, betet denn gegenwaertig ein einziger Bauer oder +Bauernknecht das Vaterunser und den Glauben in der Sprache, worin er +seinen Gevatter bewillkommt, im Kruge Schnaps und Bier fordert oder dem +Steuereinnehmer einen derben Fluch zwischen den Zaehnen hinterherschickt? +Wahr ist es also, diese Sprache hat nichts gelernt, allein sie hat auch +_nichts vergessen_, es sei denn ihre alten Lieder, ihren froehlichen +Gesang und eben das Vaterunser, das sie frueher doch, wie ich glaube, hat +beten koennen. + +Nehmt euch ein Bild zu Herzen, das ich euch,--das ich Allen vorhalte. + +Eine Sprache, die stagnirt, ist zu vergleichen mit einem See, dem der +bisherige Quellenzufluss versiegt oder abgeleitet wird. Aus dem Wasser, +worueber der Geist Gottes schwebte, wird Sumpf und Moder, worueber die +unreinen Geister brueten. Der Wind mag wehen woher er will, er gleitet +spurlos ueber die stuermisch gruene Decke hin Der Himmel ist blau und +heiter oder stuermisch gefaerbt, das ruehrt ihn nicht, keine Sonne keine +Wolke spiegelt sich mehr auf der trueben Flaeche. Bild der +Unzufriedenheit, der Gleichgueltigkeit, der Tuecke, der Gefahr. Wehe dem +Mann, _der im Trueben fischen will_ und ausgleitet--was helfen ihm +ruestige Arme, Schwimmkunst, er versinkt, er erstickt im tauben Schlamm. + +Die Sprache ist das Volk. + + * * * * * + +Ja wohl, die Sprache ist das Volk und es gab eine Zeit wo das +niedersaechsische Volk und die niedersaechsische Sprache poetisch waren. +Das ist sehr lange her, die Zeit war heidnisch und der Germane von +Poesie, Muth, Stolz und Freiheit durchdrungen. Die kuehnsten Gedichte aus +dieser "rauhen Vorzeit," wenn gleich schon vom Duft der Klostermauern +angewittert und durch Moenchsfedern auf die Nachwelt gekommen, verraten +niedersaechsischen Dialect. + +Ich weiss nicht ob viele meiner Leser sich Begriff und Vorstellung machen +von der wunderbaren Natur einer Sprache, die einem vermeintlich +barbarischen und rohen Sittenzustande angehoert. Diese muessen mir, und +wenn nicht mir, Jakob Grimm, dem Linnaeus der deutschen Sprachgeschichte +auf's Wort zu glauben, dass keine Sprache gegenwaertig auf dem Erdboden +gesprochen wird, die an Bau und Kuenstlichkeit jener alt-plattdeutschen +Sprache das Wasser reichte. Die grammatische, innerliche Gediegenheit +hatte sie mit den aeltesten Grundsprachen und mit ihrer oberdeutschen +Schwester gemein und uebertraf diese vielleicht an Klang, Kraft und +Wohllaut. Allein, das Schicksal wollte ihre Schwester erheben und sie +fallen lassen. Jene hat im Verlauf der Zeit auch unendlich viel von +ihrer leiblichen Schoenheit und jugendlichen Anmuth eingebuesst, allein sie +hat Gewandtheit, Schnelle, Feinheit des Ausdrucks, Begriffsschaerfe, +vermehrte Zahl der Combinationen zum Ersatz dafuer eingetauscht. Die +niedersaechsische Sprache dagegen hat ihre Jugend und staehlerne Kraft +verloren; ohne an Verstand und innerer Feinheit zu gewinnen. Ihre +grammatischen Formen wurden zerstoert und in noch hoeherem Grade, als die +der Schwestersprache, aber ohne dass man bemerken konnte, dass der scharfe +Gaerungsprozess der antiheidnischen neueuropaeischen Bildungsfermente an +der Aufloesung einigen Antheil genommen, sondern ersichtlich und durch +dumpfes truebes Verwittern, das auch Holz und Stein und alles Leblose +oder Absterbende allmaehlig abnagt und zerfrisst. + +Als die althochdeutsche Sprache in die mittelhochdeutsche ueberging, +schaute diese als Siegerin auf dem Turnierplatze des deutschen Geistes +umher, sie war es geworden ohne Kampf. Sprache des maechtigsten und +kunstliebendsten Kaiserhauses, lebte sie im Munde der Fuersten, Ritter, +Saenger mit und ohne Sporn, Saenger mit und ohne Krone, welche die +elegante Literatur ihres Zeitalters begruendeten, war sie, was mehr sagen +will, die Sprache des Nibelungenliedes und anderer deutschen +Nationalgedichte, welche mit Ausnahme jener aeltesten Reliquien theils +nie, theils nur in spaeterer Uebersetzung im Plattdeutschen schriftsaessig +wurden. + +Welcher Bann, frage ich, lag ueber der niedersaechsischen Literatur? +Derselbe Bann, der ueber dem Volk und seiner Geschichte lag. Es sollte +die maechtige Naturkraft, die einst diesen Stamm beseelte, stocken und +starren und als trueber Bodensatz des germanischen Geistes zurueckbleiben. + +Welche Kette von Hemmnissen, betaeubenden und zerreissenden +Ungluecksschlaegen nur bis zum sechszehnten Jahrhundert! + +Karl des Grossen Sachsenkrieg, gewaltsam blutige Ausrottung des +Wodandienstes ohne wahrhafte Anpflanzung der Christusverehrung, Sachsen +und Slaven stossen sich hin und her und mischen sich unter einander, die +alte Sachsenfreiheit schwindet, die Leibeigenschaft nimmt furchtbar +ueberhand, der Krumstab zu Bremen ist schwach und gewaehrt keinen Schutz, +das saechsische Kaiserhaus uebertreibt die Grossmuth und entaeussert sich +seiner zu Wuerde und Glanz so nothwendigen Stammbesitzungen, Heinrich der +Loewe, die welfische Macht geht unter, deren Sieg ueber die +hohenstaufische Norddeutschland so gehoben haette wie ihre Niederlage +Sueddeutschland emporbrachte, selbst der belebende Einfluss der Hansa +zeigt sich nur im Sinnlichen, nicht im Geistigen wohlthaetig, ihr +Seehandel nach dem Norden macht sie nur mit Voelkern und Sitten bekannt, +die noch roher waren, als sie selbst; Dagegen Sued-Deutschlands +Handelsstaedte, Nuernberg, Augsburg mit dem hoch gebildeten Oberitalien +in Verkehr standen. + +Und nach dem fuenfzehnten Jahrhundert! Muss ich nicht Luther selbst und +die Reformation voranstellen? Darf ich verschweigen, dass die +_unmittelbaren_ Wirkungen dieser auf Jahrtausende hinaus wirkenden +Begebenheit, wie fuer ganz Deutschland, so insbesondere auch fuer +Niedersachsen nicht gluecklich, nicht segenbringend waren? Welch ein +Gemaelde des Innern: rabulistische Theologen, hexenriechende +Juristen, blutduerstige Obrigkeiten, dumpfer Hass, aechzende +Kirchengesaenge, furchtbarer Wahnglaube an Zauberei, Bezauberung und +Teufelsbesessenheit[2]. Welch ein Gemaelde des Aeusseren: der +dreissigjaehrige Krieg, Magdeburgs Untergang, Schwedens Besitznahme +norddeutscher Staedte und Provinzen, Hannovers Verwandlung aus frueherem +Reichslehn in einen Familienbesitz englischer Koenige, wie schon frueher +und vor Luther Nordalbingien in einen Familienbesitz daenischer Koenige, +selbst Brandenburgs steigende Groesse, die zu guter letzt die Wagschaale +der Macht und des politischen Einflusses ueberwiegend auf jene +nordoestlichen Provinzen Deutschlands niedersenkte, die von slavischer +Stammbevoelkerung urspruenglich der Wurzelkraft des germanischen Lebens +entbehrten, aber durch Aussaugen und Anziehen germanischer Saefte und +Kraefte sich konsolidirt und ausgebildet hatten. + +Lasse ich die schwere Kette fallen, es fehlt ihr so mancher Ring, dessen +Ergaenzung ich dem Geschichtforscher ueberlasse. + +Wie konnte, bei einer solchen Zahl und Reihe von Schicksalen der +niedersaechsische Stamm gedeihen, wie konnte sich eine eigentuemliche +Literatur unter ihm geltend machen[3], wie konnte die Volkssprache +selbst sich der Entwuerdigung und Verschlechterung entziehen? Auf welcher +Bildungsstufe muesste die neuere Zeit Volk und Sprache antreffen, wie tief +unter der noethigsten Fassungskraft, wie selbst ohne Ahnung dessen, was +zur Begruendung und Sicherung eines verbesserten Staatslebens +elementarisch vorauszusetzen? + + * * * * * + +Allein, hoere ich Jemand einwerfen, wenn auch die plattdeutsche Sprache +ganz dem Bilde gleicht, das du von ihr entworfen, wenn sie _selbst_ auch +unfaehig ist, Element der Volksbildung zu sein, so erwartet eigentlich +auch Niemand dieses Geschaeft von ihr, das ja von der allgemein +verbreiteten und verstandenen hochdeutschen Sprache laengst uebernommen +und verwaltet wurde. + +Antwort: uebernommen aber nicht verwaltet. Damit behauptet man einen +Widerspruch gegen alle Vernunft und Erfahrung. _Selbst die allgemeinste +Erlernung und Verbreitung der hochdeutschen Sprache uebt so lange gar +keinen oder selbst nachteiligen Einfluss auf die Volksbildung, als neben +ihr Plattdeutsch die Sprache des gemeinen Lebens bleibt._ + +Allerdings wird die hochdeutsche Sprache als Organ der Volksbildung +ueberall in Niedersachsen angewendet. Es gibt wol wenig Doerfer, wo die +Jugend nicht Gelegenheit findet, das Hochdeutsche ein wenig verstehen, +ein wenig sprechen, ein wenig lesen und ein wenig schreiben zu lernen. +Die Leute muessen wol. Amtmann, Pfarrer, Bibel, Gesangbuch, Katechismus, +Kalender sprechen hochdeutsch. Ohnehin sind die Kinder schulpflichtig +und beim Hobeln setzt es Spaehne ab. + +Allein, Jedermann weiss, plattdeutsch bleibt ihr Lebenselement. Das +sprechen sie unter sich, zu Hause, im Felde, vor und nach der Predigt. +Das kommt ihnen aus dem Herzen, dabei fuehlen sie sich wohl und +vergewissern sich, dass sie in ihrer eigenen Haut stecken, was ihnen, +sobald sie hochdeutschen, sehr problematisch wird. + +Der erste Schulgang macht in der Regel auch die erste Bekanntschaft mit +der hochdeutschen Sprache. Mit Haenden und Fuessen straeubt sich der Knabe +dagegen. Ich bedaure ihn, er soll nicht bloss seine bisherige Freiheit +verlieren, unter die Zuchtruthe treten, buchstabiren lernen, was auch +andern Kindern Herzeleid macht; er soll ueberdies in einer Sprache +buchstabiren und lesen lernen, die er nicht kennt, die nicht mit ihm +aufgewachsen ist, deren Toene er nicht beim Spiel, nicht von seiner +Mutter, seinem Vater, seinen kleinen und grossen Freunden zu hoeren +gewohnt war. Alles was er von diesem Augenblick an liest, lernt, hoert in +der Schule und unter den Augen des Lehrers, klingt ihm gelehrt, fremd, +vornehm und tausend Meilen von seinem Dorf entfernt. Dass der rothe Hahn +in seiner Fibel _kraeht_ und der lebendige in seinem Hause _krait_, +scheint ihm sehr sonderbar. In der Bibel nennen sich alle Leute _du_, +der Unterlehrer sagt zum Oberlehrer _sie_, er aber ist gewohnt, bloss +seine Kameraden zu dutzen, Vater, Mutter und andere Erwachsene mit _he_ +und _se_ anzureden. Kommt an ihn die Reihe zu lesen, laut zu lesen, so +nimmt er die Woerter auf die Zunge und stoesst sie heraus wie die Scheiben +einer Frucht, die er nicht essen mag, weil er sie nicht kennt. Was er +auswendig lernt, lernt er nicht einwendig. Was ihm allenfalls noch +Vergnuegen macht, ist der gemeinschaftliche Gesang am Schluss der Schule +und auf Kirchbaenken. Von Natur mit einer hellen durchdringenden Stimme +begabt, wetteifert er mit dem Chor um die hoechsten Noten, betaeubt seinen +Kopf und findet eine Art Vergnuegen und Erholung darin, dieselben Verse +des Gesangbuches bloss herauszuschreien, die er zu anderer Zeit auswendig +lernen muss. + +Erreicht er das gesetzliche Alter, so wird er konfirmirt. Wer ist froher +als er. Nun tritt er voellig wieder in das plattdeutsche Element zurueck, +dem er als Kind entrissen wurde. Er hat die ersten Forderungen des +Staates und der Kirche erfuellt. Er hat seinen Taufschein durch seinen +Confirmationsschein eingeloes't. Ersteren bekam er ohne seinen Willen zum +Geschenk, um letzteren musste er sich, auch wider seinen Willen, redlich +abplacken. + +Auf beide Scheine kann er spaeter heiraten und Staatsbuerger werden. + +Was ist die Frucht dieses Unterrichts? Er hat rechnen, lesen und +schreiben gelernt. Er kann auch lesen und schreiben, aber er lies't und +schreibt nicht. (Umgekehrt der franzoesische Bauer, der kann nicht lesen, +aber er laesst sich vorlesen). Ich frage also, was ist die Frucht dieses +hochdeutschen Unterrichts? Welchen Einfluss uebt derselbe auf sein +Geschaeft, auf seine Stellung als Familienvater, Staatsbuerger, Glied der +Kirche, der sichtbaren, wie der unsichtbaren? + +Folgen wir ihm, wenn er aus der Kirche kommt. Die Predigt ist +herabgefallen, der Gesang verrauscht wie ein Platzregen auf seinen +Sonntagsrock, zu Hause zieht er diesen aus und haengt ihn mit allen +Worten und himmlischen Tropfen, die er nicht nachzaehlt, bis zum +kuenftigen Sonntag wieder an den Nagel. Frage: kann er die hochdeutsche +Predigt hochdeutsch durchdenken, spricht er mit Nachbaren, mit Frau und +Kindern hochdeutsch vom Inhalt derselben, ist er gewohnt und geuebt, ist +er nur im Stande, den religioesen Gedankengang in's Plattdeutsche zu +uebersetzen? Antwort: schwerlich. Frage: hat ihn die Predigt das Herz +erwaermt, den Verstand erleuchtet? Antwort ein Schweigen. Armer Bauer, +vor mir bist du sicher, ich lese dir darueber den Text nicht. Kannst du +etwas dafuer, dass der Kanzelton nicht die Grundsaite deines Lebens +beruehrt, dass jener Nerv, der von zart und jung auf gewohnt ist, die +Worte der Liebe, der Herzlichkeit, des Verstaendnisses in dein Inn'res +fortzupflanzen, nicht derselbe ist, der sich vom Klang der hochdeutschen +Sprache ruehren laesst. Wer auf der Gefuehlsleiter in deine Herzkammer +herabsteigen will, muss wollene Struempfe und hoelzerne Schuh anziehen, in +schwarzseidenen Struempfen dringt man nicht bis dahin. Wuesste man nur, +begriffe man nur, wie es in deinem einfaeltigen Kopf zusteht und dass die +hochdeutschen Woerter und die plattdeutschen Woerter, die du darin hast +sich gar nicht gut mit einander vertragen, sich nicht verstehn und sich +im Grund des Herzens fremd, ja feind sind. Die plattdeutschen Woerter +sind deine Kinder, deine Nachbaren, dein alter Vater, deine selige +Mutter, die hochdeutschen sind der Schulmeister, der Herr Pastor, der +Herr Amtmann, vornehme Gaeste, die dir allzuviel Ehre erweisen, in deinem +schlechten Hause vorzukehren, mit dir vorlieb zu nehmen, Woerter in der +Perruecke, in schwarzem Mantel, welche deine und deiner plattdeutschen +Wort Familie Behaglichkeit stoeren, dich in deiner Luft beeintraechtigen, +dir bald von Abgaben, bald von Tod und juengsten Gericht vorsprechen, +Grablieder ueber deinen Sarg singen werden, ohne sich ueber deine Wiege +gebueckt und _Eia im Suse_ und andere Wiegenlieder gesungen zu haben. +Armer Bauer, ich habe dich immer in Schutz genommen und diese Schrift, +obgleich du sie nicht lesen wirst, ist eigentlich nur fuer dich und zu +deinem Heil und Besten geschrieben. Viele Leute aus der Stadt klagen +dich an, dass du trotz deiner Einfalt verschmizt bist, trotz deiner +Rohheit nicht weniger als Kind der Natur bist, sie sagen, dass du dir +eine und die andere Gewissenlosigkeit gar wenig zu Herzen nimmst. Aber +ich habe ihnen immer geantwortet, unser Bauer hat nicht zu wenig +Gewissen, er hat zu viel. Er hat zwei Gewissen, ein hochdeutsches und +ein plattdeutsches, und das eine ist _ihm_ zu fein, das andere _uns_ zu +grob und dickhaeutig. Zu diesem wird ihm in seinem eigenen Hause der +Flachs gesponnen, jenes webt ihm die Moral und die Dogmatik; in dem +einen sitzt er wohl und warm und es ist sein Kleid und Brusttuch so +lange er lebt, in dem andern friert ihn und er haelt es nur deswegen im +Schrank, um damit einmal anstaendig unter die Schaar der Engel zu treten. + +Ist ihm sein Verhaeltniss zum Staat durch den hochdeutschen Unterricht +vielleicht klarer geworden, als sein Verhaeltniss zur Kirche? Erwirbt er +sich durch das hochdeutsche Medium, das einzige, das ihm Aufschluesse +ueber eine so wichtige Angelegenheit geben kann, Kenntnisse von seinen +Rechten und Pflichten im Staats-Verein, ist ihm dadurch ein Gefuehl von +Selbststaendigkeit, ein Bewusstsein von den Grenzen der Freiheit und des +Zwanges, von Gesetz und Willkuehr aufgegangen, Gemeinsinn geweckt: sein +dumpfes egoistisches Selbst zu einem Bruderkreise erweitert, der Wohl +und Weh an allen Gliedern zugleich und gemeinschaftlich spuert? _Wie_ das +alles? Seine Beamte klaeren ihn nicht auf und er selber--er liest nicht, +er nimmt keine Schrift, kein Blatt zur Hand, er laesst sich auch nicht +vorlesen, das ist gelehrt, hochdeutsch, geht ueber seinen Horizont, laesst +sich nicht weiter besprechen, sein Verstand hat kaum einen Begriff, +seine Sprache kein analoges Wort dafuer. Armer Bauer. Und wenn Wunder +geschaehen und die tausend Stimmen der Zeit, die fuer dich und an dich +gesprochen, dein Ohr nicht erreichen, wenn sie sich verwandelten und +ergoessen in eine goettliche Stimme, die vom Himmel riefe: Bauer, hebe dein +Kreuz auf und wandle--du wuerdest liegen bleiben und sprechen: das ist +hochdeutsch. + +Wie er seine Acker vorteilhafter bestellen, seine Geraethe brauchbarer +einrichten, nuetzlicher dieses und jenes betreiben, wohlfeiler dieses und +jenes haben koenne, das lehren ihn Blaetter und Schriften, von +Gesellschaften oder Einzelnen herausgegeben, vergebens: er liest sie +nicht. Schlaegt man ihm sonstige Verbesserungen und Veraenderungen vor, so +schuettelt er den Kopf und bleibt starrsinnig beim Alten. _Dat geit nich, +dat wil ik nich, dat kan ik nich, ne dat do ik nich_; unglueckselige, +stupide Worte, wie viele beabsichtigte Wohlthaten macht ihr taeglich +scheitern, habt ihr scheitern gemacht. Unseliger Geist der Traegheit, der +hier mit der Sprache Hand in Hand hinschlentert, mit dieser vereint, +durch diese gestaerkt allem Neuen und Bewegenden Feindschaft erklaert. +Wann erlebt der Menschenfreund, dass dieses unsaubere Paar geschieden +wird. Wann erscheint die Zeit, wo diese Eselsbruecke zwischen Gestern und +Vorgestern abgebrochen wird, wo die einzig; moegliche Verbindungsstrasse +zwischen der heutigen Civilisation und dem norddeutschen Bauer, die +hochdeutsche Sprache, diesem wahrhaft zugaenglich gemacht wird? Aermster, +ich klage dich ja nicht an, ich bedaure dich ja nur. + +Oder muss es so sein, muss der deutsche Bauer ein Klotz, ich sage ein +Klotz bleiben. Ist es sein ewiges Schicksal nur die Plage des Lebens und +nicht dessen Wohlthaten zu geniessen? Wird sich nicht einmal seine +enggefurchte Stirn menschlich erheitern, ist es unvereinbar mit seinem +Stande, seinem Loose, gebildeter Mensch zu sein, mit gebildeten Menschen +auf gleichem Fuss zu leben, sich nicht allein mit Spaten und Pflug, +sondern auch mit Kopf und Herzen zu beschaeftigen? + + * * * * * + +Das sind sehr exotische Ideen in Niedersachsen! Ich weiss, ich weiss. Ich +will sie aber aussprechen, ich will sie vertheidigen, ich will das +Meinige dazu thun, dass _einheimische_ Ideen, Fragen und Wuensche daraus +werden. Lange genug ist die Bildung ein ausschliessliches Vorrecht +einiger Menschen, gewisser Staende gewesen. Das muss aufhoeren, gebildet +sollen alle Menschen sein, gelehrt wer will. Volksbildung, und nicht +bloss wie bisher Volksunterricht, soll und wird das Ideal, das +Feldgeschrei der Zeit werden. Unsere Gelehrten, unsere Beamte, unsere +guten Koepfe unter den Schriftstellern werden ihren Hochmuth fahren +lassen, sich des Volkes erbarmen, und sich einmal erinnern, dass sie +selber in der Mehrzahl aus dem Volke stammen. Noch im vorigen +Jahrhundert gab sich so ein Gelehrter, Philosoph, Dichter, der +vielleicht aus dem dunkelsten Stande geboren war, die laecherliche Miene, +als ob er unmittelbar aus dem Haupt des Gottes der Goetter entsprungen +sei und den Olymp besser kenne, als das Haus der armen Frau: die ihn mit +Schmerzen geboren und mit Thraenen, Sorgen und Entbehrungen gross gezogen +hatte. Kein Dichter stuermte seinen Schmerz und Unmuth ueber die +Erniedrigung des Volks in die Saiten, kein Gelehrter schaemte und graemte +sich, die ihm von Natur naechsten und liebsten Wesen von sich getrennt zu +sehn durch eine ungeheure geistige Kluft, welche nur die Bildung der +alten und neuen Welt auszufuellen vermogte. Lessing schreibt den Nathan, +und beweist, dass der Jude eben so viel Ansprueche habe auf den Himmel als +der Christ, aber er schreibt nichts, worin er beweist, dass der Bauer, +sein Vetter, eben so viel Ansprueche habe den Nathan zu lesen, als der +vornehme und gebildete Stadtmensch. Winkelmann steht am Fusse des +Vatikans und erfuellt die Welt mit Orakelspruechen ueber die Schoenheiten +des Apoll von Belvedere, ueber das goettliche zornblickende Auge, die +geblaehten Nasenfluegel, die veraechtlich aufgeworfene Unterlippe, "eben +hat er den Pfeil abgesandt nach den Kindern der Niobe, noch ist sein Arm +erhoben," und im selbigen Augenblicke vielleicht, als er dieses spricht, +hebt sein Vater, ein armer Altflicker, gedrueckt und gebueckt ueber den +Leisten hingebogen, Pfriem und Nadel in die Hoehe, blickt mit +geisttodten, stumpfen Augen auf einen Kinderschuh und gewaehrt den +Anblick eines Menschen, gegen den gehalten der letzte Sclave des +Praiteles, der an die Palaeste der altroemischen Grossen wie ein Hund +angekettete Thuerwaechter apollinische Gestalten waren. + +Volksbildung, o das Wort hat einen griechischen Klang in meinen Ohren +und ich muss daher fast bezweifeln, ob es auch von meinen Landsleuten +gehoerig verstanden wird. Schulleute und Gelehrte werden schon wissen, +was ich meine, ich brauche nur die Woerter zu nennen: [Griechisch: +gymnasticha], _studia liberalia, id est_, wie mein alter Schuldirektor +glossirend hinzufuegte, _studia libero homine digna_. Fuer das groessere +Publikum muss ich mich wol zu einer etwas umstaendlichern Erklaerung +anschicken und besonders fuer diejenigen, welche nicht begreifen, wie das +Volk nicht bloss unterrichtet, in Lesen und Schreiben geuebt, sondern auch +gebildet werden solle. + +Zur Volksbildung, wie zu jeder Bildung gehoert zweierlei, etwas Negatives +und etwas Positives. Sage ich aber vorher, dass ich die Saiten nicht zu +hoch spanne und dass ich so dem natuerlichen Muthwillen der Knaben die +ganze koerperliche Gymnastik, und der Gunst der Goetter ihren +Schoenheitssinn, ihre musikalische Praxis und dergleichen ueberlasse. Im +Negativen ist die Aufgabe der Bildung, die _vis inertiae_ der rohen +Natur vertreiben und bezwingen zu helfen--das Kapitel ist weitlaeufig--es +besteht aber die _vis inertiae_, die Erbsuende des menschlichen +Geschlechts, darin, dass im Allgemeinen der ungebildete Mensch--was nun +gar der norddeutsche Bauer--Selbstdenken scheut, Vorurtheile pflegt, +fremde Meinungen herleiert, Thier der Gewohnheit, tausendstes Echo, +Sclave von Sclaven ist, besteht, wie schon die Bibel sagt, darin, dass er +Augen hat zu sehen und nicht sieht, Ohren um zu hoeren und nicht hoert, +besteht, um alles kurz zusammenzufassen, darin, dass er sich seines +eigenen Verstandes, seines eigenen Gefuehls, seines eigenen Willens nur +in den wenigsten Augenblicken des Lebens bewusst wird.--Der weichenden +Kraft der Traegheit folgt, wie eine elastisch nachdrueckende Feder, die +allmaehlich hervorspringende Kraft der Thaetigkeit. Diese soll beschaeftigt +werden, _angemessenen_ Stoff finden, eine _bestimmte Richtung_ erhalten. +Das ist das Geschaeft der Bildung im Positiven, das ist das Saeen des +Weizenkorns, wenn der Acker von Steinen gereinigt, von unfruchtbarer +traeger Last befreit, durchbrochen, gepfluegt und gefurcht. Trieb, Lust +und Kraft zum Verarbeiten des Saamenkorns in sich spuerte. Mensch und +Acker, diese beiden uraeltesten, natuerlichsten und durch den religioesen +Stil aller heiligen Urkunden gleichsam geweihten Vergleichungsobjekte, +sind sich hauptsaechlich darin aehnlich, dass der Schoepfer ueber beide das +Wort ausgesprochen hat: erst gepfluegt und dann gesaeet--erst den starren +traegen Zusammenhang der Oberflaeche, der Gemuethsdecke durchbrochen, dann +hinein mit dem lieben Korn und--jedem Feld das seinige nach Art des +Beduerfnisses, nach Guete und Beschaffenheit des Bodens[4]. + +Lehrer, wollt ihr mehr als Lehrer, wollt ihr Bildner des Volks sein, +lehrt denken, denken und abermals denken. Gedankenlosigkeit fuer eine +Suende, bestraft sie wie einen Fehler, bindet meinetwegen euren Schuelern +ein symbolisches Brett vor den Kopf oder stellt sie mit dem Kopf an die +bretterne Wand, oder haengt ihnen, wie die Englaender thun, Eselsohren an, +oder setzt sie, wie unsere Alten thaten, mit dem Steiss auf hoelzerne Esel +und vor allen Dingen, huetet euch, selbst die Esel zu sein. + +Ich bin aber gar nicht gesonnen, bloss den Lehrern _ex professo_ die +Volkserziehung anheim zu stellen--ihnen dieselbe auf den Stuecken zu +laden, sollte ich wol sagen, bedenke ich das Loos so vieler tausend +braven Maenner, die bei kuemmerlichem Brod ihre taegliche Noth und Sorge +haben. Nur immer die Lehrer, nur alles auf ihre Kappe, nur alle Sorge, +allen schlechten Erfolg der Erziehung auf ihren Antheil gewaelzt. Das ist +bequem, bequem freilich, aber nicht patriotisch. Jeder Patriot ist +gelegentlich und er sucht die Gelegenheit--Erzieher, Bildner der +Menschen, in deren Umgebung er lebt, hier hebt er einen Stein auf, dort +ist sein Wort eine Pflugschaar, welche ein Stueck harter Kruste aufreisst, +dort ein Saamenkorn, das sich heimlich und zu einstiger Frucht in die +Spalten des Gemueths einsenkt. + +Volksbildung, Wunsch meiner Wuensche, Ideal, nicht traeumerisches, +abgoettisches, rueckwaerts gewandtes, aufwaerts in den leeren Himmel +blickendes, ich glaube an Dich; Ideal, das keinem Dichter vielleicht +Stoff zum Besingen gibt, das vielleicht unter der Wuerde des +Metaphysikers steht, das die scholastische Zunft Ketzerei schilt und der +Politiker belaechelt, Ideal meiner Seele, Ideal aller Patrioten, im Namen +aller spreche ich es aus, ich glaube doch und noch immerfort an Dich. + +Lasst ihr gebildeten Niedersachsen die alten Feudalvorurtheile ueber den +Stand eurer Bauern die unreifen Ansichten ueber ihre Bildungsfaehigkeit +fallen und fahren; erstere sind so roh, wie leider der Bauernstand jetzt +noch selber, letztere so intellektuell hochmuethig, wie man nur immer von +einem Stand exklusiv Gebildeter im und ueber'm Volk erwarten kann. +Bedenkt aber, was ich sage. Ein Leibnitz, zehn Jahr mit sich allein im +dunkeln feuchten Kerker, kann so dumm und albern werden, dass +Gaensejungen und Kuhhirten ihren Witz an ihm versuchen. Nun, Monaden +sollen unsere Bauern freilich nicht erfinden, Leibnitze nicht werden, +aber doch mit denselben Atomen _ihres Hirns_ ueber die Erscheinungen in +der Welt, ueber Natur und Staat ihre Begriffe zusammensetzen, verbinden +und aufloesen, Gedanken bilden, Urtheile faellen und ueberhaupt sollen sie +geistige Operationen vornehmen, welche in Leibnitzens Kopf schaerfer oder +abstrakt einseitiger durchgefuehrt die Lehre von urtheilbaren beseelten +Weltstaeubchen zum Resultat hatten. + +Doch, das alles wird euch ein mecklenburgischer Bauer besser +auseinandersetzen--wenn ihr nach einem Hundert oder Zweihundert Jahren +zu _reveniren_ Gelegenheit finden solltet. + + * * * * * + +Im vorherigen Abschnitt habe ich besonders oder ausschliesslich nur auf +die durch die herrschende plattdeutsche Sprache verhinderte und daher +auch trotz dem Unterricht im Hochdeutschen verfehlte Bildung des +Landmanns Ruecksicht genommen[5]. Es ist aber auch schwer, wenn von der +gewerbtreibenden Klasse, der grossen Bevoelkerung _norddeutscher Staedte_ +die Rede ist, die Hemmung und Stockung zu verkennen, welche die +plattdeutsche Sprache, wo sie dem taeglichen Umgang angehoert, ueber die +Koepfe verhaengt. Man stoesst sich da, wo der Block liegt, nur sind die +Pfaehle, welche den engen plattdeutschen Ideenkreis in der Stadt wie auf +dem Lande begrenzen und umpfloecken, hier mehr roh, dort mehr +spiessbuergerlich abgeschaelt und hollaendisch ueberpinselt, das ist der +Unterschied. Doch giebt es besonders aus groesseren norddeutschen Staedten, +eine erfreuliche Thatsache zu berichten. Viele aus den mittleren +achtbaren Staenden, Handwerker u.s.w. haben in neuer und neuester Zeit +angefangen, sich und ihren Familien eine andere Stellung zur +hochdeutschen Sprache und Kultur zu geben, als von ihren Vaetern und +Vorfahren eingenommen wurde. Ruehmlich ist es, was diese fuer ihre Kinder +thun, mit wie viel Opfern sie oft ihren Lieblingen Gelegenheit +verschaffen, sich fuer ihren kuenftigen Stand so zu befaehigen, dass sie +nicht, wie jetzt noch die Meisten aus dieser Klasse, mit leeren Haenden +und offenen Maeulern den Strom der Einsichten, Ideen, Kenntnisse und +Bestrebungen an sich vorueberrauschen sehen, der Europa, Amerika, die +Welt erfuellt. Ruehmlich und verstaendig zugleich, denn es leitet sie der +richtige Takt in der Beobachtung, dass Besitz und Vermoegen in der Welt +immer mobiler werden, dass im raschen Wechsel der Dinge, ausser dem +blinden Glueck, worauf zu rechnen Thorheit waere, Verstand und Kenntnisse, +die aechten Magnete sind, um den aus den Taschen der Erwerbenden und +Geniessenden lustig hin und her wandernden Besitz anzuziehen, +zusammenzuhalten und zu vermehren. + + * * * * * + +Waehrend der niedersaechsische Bauer bis ueber Kopf und Ohren im +Plattdeutschen steckt, der Buergersmann aber schon anfaengt, sich +zwangloser, als bisher, des hochdeutschen Mediums zu bedienen, sollte +man vom Gebildeten _par exellence_, vom Musensohn, vom Beamten des +Staats und der Kirche u.s.w. aussagen duerfen, dass er sich mit voelliger +Freiheit und Lust in hochdeutscher Sprache und Bildung bewegte und vom +plattdeutschen Idiom nur ausser und unter diesem Kreise Gebrauch machte. +Allein die Sache verhaelt sich anders. Ich muss in dieser Hinsicht +Gedanken aeussern, Erfahrungen mittheilen, welche meinem Gegenstande eine +ganz eigentuemliche ueberraschende Wendung geben. + +Thatsache ist naemlich, dass die plattdeutsche Sprache Haus- und +Familiensprache in Tausenden von Beamtenfamilien, Lieblingssprache auf +allen norddeutschen Universitaeten ist. Diese Sprache also, die ich als +Schranke alles Strebens und Lebens, als Feindin der Bildung betrachte, +ist dieses so wenig in den Augen vieler meiner Landsleute, dass sie den +vertrautesten Umgang mit ihr pflegen, dass sie ihr, der von Kanzel und +Lehrstuhl und aus guter Gesellschaft laengst Vertriebenen, eine +Freistaete am Heerde ihres Hauses gewaehren. + +Hier im Schooss der Familien erscheint sie als Exponentin der innigsten +Verhaeltnisse. In Scherz und Ernst fuehrt sie oft das Wort, sie ist +Vertraute der Gattenliebe, Organ der Kindererziehung, Sprache des +Herzens, Lehrmeisterin der Sitte und praktischer Lebensklugheit. Hier +hat sie auch meistens ihre Rohheiten abgelegt, kehrt die beste Seite +heraus und scheint sich, gleichsam durch ihr Unglueck gebessert, des +Vertrauens wuerdig zu machen. + +Kommt hinzu, dass ihre Schutzherrn nicht selten Maenner von Talent, Geist +und Namen sind. Beruehmte Lebende koennte ich anfuehren, ich begnuege mich +den seligen Johann Heinrich Voss zu nennen, der nicht allein in Eutin, +sondern noch in Heidelberg bis an seinen Tod mit Frau, Familie und +norddeutschen Gaesten am liebsten und oeftersten plattdeutsch sprach. + +Das sind Thatsachen. Wie gleiche ich sie aus mit der Behauptung, die +plattdeutsche Sprache sei Feindin der Bildung, des Ideenwechsels, der +geistigen Lebendigkeit; jetzt, da ich selbst nicht umhin konnte, Maenner +von Geist und Talent, von Gelehrsamkeit, rastloser Thaetigkeit, Maenner +wie Voss als plattdeutsche zu bezeichnen? + +Freilich, ich koennte den nachteiligen Einfluss der plattdeutschen Sprache +eben nur auf das Volk und die Volksbildung beschraenken. Ich koennte mich +etwa, um dem _gebildeten Plattdeutschen_ allen Anstoss aus dem Wege zu +raeumen, folgendermassen darueber ausdruecken: _absolut dem Geiste lethal_ +ist das Plattdeutsche nur, wo hochdeutsch, sanskrit und boehmische Doerfer +gleich bekannt sind, wie hie und da in Pommern und Meklenburg; was denn +von den groessten Freunden des Plattdeutschen zugegeben werden muesste, da +gar nicht zu laeugnen, dass an sich und fuer sich dasselbe nichts Lebendes +und Bewegendes enthalte, sondern Todt und Stillstand selber sei; +_geistig hemmend und laehmend_ bleibt aber das Plattdeutsche immer noch +aus der Stufe der Gesellschaft, wo ihm zwar das Hochdeutsche +verstaendlich naeher getreten, aber noch als ein Fremdes gegenueber steht; +_ohne schaedlichen Einfluss und gleichsam indifferent fuer Geist und +Bildung_ zeigte sich die plattdeutsche Sprache, da, wo sie der +hochdeutschen nicht als Fremde gegenueber steht, sondern schwesterlich +zur Seite geht. + +Allein, ich fuerchte, _indifferent_ ist ein Ausdruck, der hier schon aus +allgemeinen psychologischen Gruenden unstatthaft erscheint. Zwei Sprachen +auf der Zunge sind zwei Seelen im Leibe. Ist die eine Sprache die +geliebtere, die Herzenssprache, so ist die andere, fuer welche Zwecke sie +auch aufgespahrt wird, um ihren schoensten Anteil am Menschen zu kurz +gekommen. Sie raecht sich, indem sie das nicht zurueckgiebt, was sie nicht +empfaengt, sie schliesst ihre innerste Weihe nicht auf und laesst sich wol +als aeusseres Werkzeug mit grosser Kunst und Kuenstelei, aber nicht als +zweites Ich mit Liebe und Freiheit gebrauchen. + +Der hochdeutschen Sprache verdankt jeder Niedersachse sein veredeltes +Selbst, ihr der aus dem Volk geborne Redner, Dichter, Schriftsteller +sein Alles und Ruf und Namen im Kauf. Kann er ihr sein Herz dafuer nicht +zurueckschenken, kann er sie nicht zur Sprache seiner haeuslichen Freuden +und Leiden machen, muss sie verstummen, sobald er gemuethlich wird, so +steht sein gebildetes und veredeltes Selbst im geheimen Kontrast zu +seinem intimen Selbst und es wird sich daher auch an seiner Bildung, an +seinen Gedichten, Reden, Schriften diese Einseitigkeit, dieser +Widerspruch offenbaren und nachweisen muessen. + +Menzel hat's bekanntlich an Johann Heinrich Voss unternommen. Die Stelle +in Menzels Literatur, die Voss betrift, ist bitter, frivol, einseitig, +aber sie ist bedeutend und hat dieselbe nachwirkende Sensation +hervorgebracht, wie das Urtheil ueber Goethe, das freilich noch +einseitiger ausgefallen ist und sich selbst _a la_ Pustkuchen laecherlich +machte. Als ich Menzels Worte zum erstenmal las, fuehlt ich mich empoert. +Zeig dich nur erst als so einen _niedersaechsischen Bauer_, wie du den +Voss zum Spotte nennst, rief ich im Zorn aus; allein ich musste mir einen +Augenblick darauf selbst sagen, dass diese Anmuthung an einen +Sueddeutschen weder billig noch selbst einladend genug klang und dass doch +zugleich eben in meinem Ausrufe eine Art von halbem Zugestaendnisse lag. +Wirklich hatte ich schon immer eine Ansicht ueber Voss als Dichter und +Uebersetzer gehegt, die bei aller Achtung Vor dessen grossen, +zweifellosen Verdiensten, durchaus nicht nach uebertriebener, +philologischer Bewunderung und niedersaechsischem Patriotismus roch. Ich +fand, dass er dem Genius der deutschen Sprache von Jahr zu Jahr mehr +Zwang angethan, dass er zu roh und willkuehrlich an ihr gezimmert und +losgehaemmert und dass kein Deutscher, selbst Voss nicht, solche Woerter, +Wendungen und Redensarten in den Mund nehmen konnte, wovon seine +prosaischen und poetischen Schriften voll sind. Gegenwaertig lautet mein +Urtheil vielleicht noch entschiedener. Ich sehe an Johann Heinrich Voss +bestaetigt, was ich eben aussprach. Die hochdeutsche Sprache hatte seine +Liebe nicht voellig inne, daher erschloss sie ihm nicht ihr eigenes Herz, +ihre Heimlichkeiten und Geheimnisse, ihre jungfraeuliche Natur, die +Bluethe ihres Leibes und Geistes, lauter Gaben und Geschenke, die man im +zaertlichen Umgang freiwillig von der Geliebten eintauscht, nicht aber +durch Willkuehr und Zwang ihr abgewinnen kann. + +Indem ich dieses allen Gebildeten in Niedersachsen zu bedenken gebe, bin +ich keinesweges abgeneigt, einer patriotisch-wohlmeinenden Stimme aus +ihrer Mitte Aufmerksamkeit zu schenken, welche die Ueberzeugung aeussert, +der Gebrauch der plattdeutschen Sprache in den Familien gebildeter +Niedersachsen, welchen Einfluss er auch uebe auf die intellektuellen +wahren oder ertraeumten Beduerfnisse, auf die verfeinerte Civilisation, +Bildung oder Verbildung der Zeit--ich schattire absichtlich diese +Ausdruecke mit dem bekannten Pinsel, der ohne Zweifel aus guter aber +beschraenkter Absicht alles was der Gegenwart und der neuesten Zeit +angehoert gegen die gute alte im Schwarzen und Bedenklichen lasst--der +Gebrauch sei ein guter und treflicher in Ruecksicht auf den Charakter +der Hausgenossen, weil mit der Sprache der Vaeter auch ihre alte +ehrliche und treue Sitte, ihre Herzlichkeit, Gradheit und Biederkeit +sich auf die Enkel fortpflanze. + +Aufrichtig, du mir immer liebe Stimme, wenn da aus schlichtem, +patriotischem Herzen kommst, ich weiss nicht ob unsere Urgrossvaeter so +ganz diesem schmeichelhaften Silbe glichen. Es ist sonderbar damit, man +spricht immer von der guten alten Zeit und jedes aussterbende Geschlecht +vermacht die Sage davon an das aufbluehende und die gute alte Zeit selbst +laesst sich vor keinem sterblichen Auge sehn und ist immer um einige Stieg +Jahre aelter, als die aeltesten lebenden Menschen. Ich muss laecheln, wenn +ich an die Verlegenheit wohlmeinender Chronisten und Geschichtschreiber +denke, wenn sie, um das moralische Maehrchen nicht zu Schanden werden zu +lassen, sorgenvoll spaehende Blicke in die Vergangenheit werfen, um auch +nur einen Zipfel, einen Saum von der Schleppe der alten Guten oder guten +Alten zu erhaschen. Man gebe nur Acht, wie listig sie sich dabei +benehmen. Sie lassen ihr nie unmittelbar ins Gesicht sehen, sie sagen +nicht, nun kommt sie, oder da ist sie; im Gegentheil wimmeln die Blaetter +ihrer Geschichte nicht selten eben vorher von klaeglichen Zustaenden, +Schwaechen, Lastern und Erbaermlichkeiten der menschlichen Natur, wenn sie +dem Abschluss einer auserwaehlten, kleinen, glaenzenden Periode sich +naehern; dann aber, wenn der Vorhang faellt, die grellen Farben sich +schwaechen, die boesen Beispiele nicht mehr so lebhaft der Idee von guten +Sitten entgegenarbeiten, wenn das Bild der Zeit abzieht, dann zeigen sie +auf ihren bordirten Saum und rufen dem Zuschauer wehmuethig zu, da geht +sie, da geht sie hin die gute alte Zeit und nun werden die jungen Zeiten +anwachsen, ihre Kinder, die sind aber sehr ausgeartet und werden alte +Zeit schlechter. Das man die Geschichte der Sitten von einem ganz andern +Standpunkt und mehr im Grossen der Welterscheinungen betrachten muss, das +ahnen die guten Leute nicht. + +Fuer jeden Einzelnen ist es freilich immer eine Sache der Pietaet und ein +wohlthuendes Gefuehl, sich seine Vorfahren als durchgaengig honette Leute +vorzustellen. Der dunkele Buergerliche oder Baeuerliche kann dieser +Vorstellung wenigstens ohne grossen geschichtlichen Anstoss und +Widerspruch nachhaengen, er hat hierin einen Vortheil vor den +beruehmtesten Adelsfamilien voraus. So ist in hochdeutschen buergerlichen +Familien die Vorstellung vom Grossvater, Urgrossvater als altdeutschen +Degenknopf die herschende und die liebste. Schwaecher und allgemeiner +bezeichnet sind die _epitheta ornanti_ fuer baeuerliche Vorfahren, +Degenknoepfe kann man sie schicklicherweise nicht nennen und der +Bauerwitz ist bis jetzt noch nicht auf den Einfall gekommen, etwa die +Ausdruecke von alten deutschen Piken, Sensen oder Messerscheiden auf sie +anzuwenden. Ueberhaupt ist zu bemerken, dass das Wort deutsch nur +hochdeutsch ist, und im originalen plattdeutsch des gemeinen Lebens +nicht vorkommt, eben so wenig, wie die frueherhin angefuehrten Woerter +Bildung und Verfassung, so dass die Redensart "das gebildete und +verfassungsmaessige Deutschland" in plattdeutscher Sprache noch weniger +als eine Redensart und gar nichts ist. + +Nach dieser vorlaeufigen Verstaendigung waere zunaechst der Hauptsatz +einzuraeumen, mancherlei alte Sitte geht durch den Gebrauch der +plattdeutschen Sprache auf die Glieder der Familie ueber, +und--_Folgesatz_--wird ihnen zeitlebens etwas ausdruecken oder anhaengen, +was sich nicht wol mit ihrer sonstigen Bildung vereinigen, sich nicht +fuer die Zeit und heutige Gesellschaft schicken will--das aber--_Nach- +und Beisatz_--den Umgang mit dem Volk, das Einwirken auf das Volk zu +erleichtern geeignet sein mag. + +Letzteres betrachte ich in der That fuer sein unwichtiges Moment. Man +sieht hier den Gebrauch der plattdeutschen Sprache in Prediger- und +Beamtenfamilien unter seinen natuerlichsten und vortheilhaftesten +Gesichtspunkt gestellt. Diese Familien, meistens selbst vom Lande und +auf dem Lande besitzen und erregen nicht selten das Vertrauen des +Landmanns und wie es andere Familien zum Beispiel in der Stadt giebt, in +deren Mitte er sich fuer verrathen und verkauft halten wuerde, so trift er +in jenen gleichsam naehere und entfernte Anverwandte und sieht in deren +haeuslichem Leben wie in einen Spiegel, worin sein eigenes mit +verschoenerten Zuegen ihm vertraulich entgegentritt. + +Doch ist keiner geringen Anzahl von diesen Familien die hoechst dringende +Warnung zu ertheilen, vor dem allmaehligen herabsinken auf die baeuerliche +Stufe der Kultur auf der Hut zu sein. Da sich im Plattdeutschen einmal +nichts Gescheutes sprechen laesst, so nimmt die plattdeutsche +Gemuetlichkeit nur zu leicht den Charakter der Traegheit an. Das Beduerfniss +bedeutenderer Conversationen, zarterer Beruehrungen, die nur in einer +gebildeten Sprache moeglich sind, regt sich immer schwaecher, die einfache +Sitte verwandelt sich in rohe, das Herzliche ins Laeppische, das Gerade +in's Plumpe, das Derbe in's Ungeschlachte und es tritt nur zu oft jener +traurige Rueckschritt der Civilisation ein, den man Verbauerung nennt. +Damit ist dem Bauer auch nicht geholfen, der Familie, den Kindern noch +weniger. + +Wer sich also in seiner Neigung und Vorliebe fuer das Plattdeutsche im +Haeuslichen auf einen Heros der deutschen Literatur wie Johann Heinrich +Voss oder einen Pfarrer, wie Klaus Harms zu berufen gedenkt, der thut +wohl, sich zuvoerderst die Fragen vorzulegen: bist du des Umschwungs +deines geistigen Raederwerks auch so gewiss und sicher, wie jene, laeufst +du keine Gefahr, dich fuer die Wissenschaft abzustumpfen, die Bewegung +der Zeit aus dem Auge zu verlieren; darfst du nicht befuerchten, dich und +deine Familie an den Bettelstab des Gedankens zu bringen, deinen Kindern +eine unersaetzliche Zeit zu rauben, sie unerzogen in die Welt zu stossen +und mit deinem ganzen Hause an den untersten Fuss der Civilisation +herabzugleiten? + +Das moegten doch immer Fragen sein, die einer aengstlich gewissenhafter +Beantwortung werth sind. + + * * * * * + +Aber die plattdeutsche Sprache, ist, wie erwaehnt, Lieblingssprache auf +allen norddeutschen Universitaeten und das wenigstens wird ihr waermster +Freund nicht gut heissen koennen. + +Hier tritt sie als gefaehrlichste Bundesgenossin aller jener zahlreichen +Uebel und Hemmnisse auf, die sich von Anfang an auf unsere Universitaeten +verschworen zu haben scheinen, um die Humanitaet im Keim zu ersticken. +Hier legt sie die idyllische ehrbare Miene ab, wodurch sie sich in +laendlichem Pfarrhause Frau und Toechtern empfiehlt, zwanglos grob, +ungenirt gemuetlich wandert sie in den Auditorien aus und ein, den Mund +immer offen und nur pausirend, wenn der Professor spricht und der +Student Religionsphilosophie, Metaphysik, Naturlehre und andere +hochdeutsche _sublimia_ in sein Heft eintraegt. Zum Teufel ihr Herren +_favete linguis!_ wie kommt die Sprache Boeotiens in Minervens Tempel. +Ihr koennt freilich antworten, wie kommt Minervens Tempel zu unserer +Universitaet, die nur eine alte wankende Ruine aus dem Mittelalter ist. +Recht! aber wo euer Fuss hintritt, da soll Athen sein, geweihter Boden +sein--_soll_, sage ich, denn warum sonst haben die Goetter dem +jugendlichen Fuss die Sehne der Ungeduld und des heiligen Zorns +verliehen, die mit einem Tritt zerstampft, was das Alter mit beiden +Haenden nicht aus dem Wege schaffen kann, warum anders, als damit ihr +Schoeneres, Besseres, Heiligeres aus dem Boden zaubern sollt. Ihr +versteht mich nicht? Ich verstehe euch auch nicht, ich verstehe die edle +norddeutsche Jugend nicht, die sich auf dem Musensitz einer Sprache +bedient, die dem Dunkel des Geistes, der Barbarei vergangener Zeiten +angehoert. Macht es dieser Jugend Scherz, ihre eigenen Studien, das +akademische Leben, den duerren Scholastizismus und die Pedanterie des +akademischen Instituts zu parodiren, zu travestiren, so sehe ich +allerdings weder grossen Uebermuth in diesem Scherze, noch verkenne ich, +wie sehr die plattdeutsche Sprache, ja schon ihr Klang, zu diesem Zweck +sich eignet[6]; allein Scherz muss Scherz, das heisst fluechtig und +wechselnd bleiben, und wenn derselbe Scherz und dieselbe Travestie drei +Jahre alt wird, so muss man ein sehr ernsthaftes und langweiliges Gesicht +dazu machen. + +Kann man nicht heiter, gesellig, witzig, selbst wenn Lust und Laune +danach, derb und spasshaft im Element des Hochdeutschen sein. Ist die +Sprache unserer Bauern humoristischer als die Sprache Abrahams a Sancta +Clara, Lichtenberg, Jean Pauls. O ich kenne die niedersaechsischen Witze, +sie stehen alle in einem kleinen grobloeschpapiernen Buch mit feinen +Holzschnitten, das jaehrlich in diesem Jahre gedruckt wird. Es tritt +darin auf "der Ruebezahl der Lueneburger Haide," der Repraesentant des +niedersaechsischen Volkshumors, der geniale Till und ruelpst auf die +anmuthigste Weise lauter Witze vor sich hin, die aus einer Zeit stammen, +wo das Volk nur den groben Wanst, dagegen die Ritterschaft den Arm, die +Geistlichkeit den Kopf des Staatsungeheuers repraesentirte. + +Oder was zieht ihr vor an der plattdeutschen Sprache? Ich weiss die +Antwort nur zu gut, "sie macht uns Spass[7]; sie ist uns gemuethlich." +Chorus von Goettingen, Rostock, Greifswalde, Kiel, sie macht uns Spass, +sie ist uns gemuethlich, es wird uns wohl dabei! Auch in Jena, +Heidelberg, Berlin, Bonn, wohin wir kommen und wo unserer zwei bis drei +beisammen sind, da ist sie mitten unter uns. Sie gehoert mit zum Wesen +der norddeutschen Landsmannschaft und das waere kein braver Holsat oder +Meklenburger, oder Oldenburger, der nicht wenigstens drei Plattitueden am +Leibe haette, plattes (Muetze) auf dem Kopf, plattes (Mappe) unter'm Arm +und das liebe Platt im Munde. + +O Jugend, akademische, Bluethe der Norddeutschen, sei nicht so duftlos. +Dufte etwas nach dem Geist der Alten--ich meine nicht deiner +eigenen--bethaue deine Bluethen und Blaetter mit etwas Nass aus der +Hippokrene, durchdringe sie mit etwas Oel aus der Lampe der Philosophie, +empfinde, fuehle wenigstens nur die heisse Thraene des Unmuts und des +Schmerzes, die der Genius deines Vaterlands auf dich herabtraeufelt. + +O Jugend, akademische, ihm ist uebel, wenn dir wohl ist. Mephistopheles +freilich lacht und spoettelt dazu und wenn er dich in Auerbachs Keller +platt und wohlbehaglich sitzen sieht so ruft er seinem Begleiter zu: + + Da siehst du nun, wie leicht sich es leben laesst? + Dem Voelkchen da wird jeder Tag zum Fest. + +Wie hat sich seit den Tagen des Faustus die Welt veraendert, was ist +nicht alles in den letzten 30, in den letzten 13, in den letzten 3 +Jahren geschehen und dieses Voelkchen ist noch immer das alte geblieben? +Wo kommt es her? Wo geht es hin? + +Es gibt Ausnahmen, wie sollte es nicht. Aber ich spreche, wie immer in +dieser Schrift, vom grossen Haufen, und der ist auf unsern Universitaeten +noch immer der alte Stamm und das Plattdeutsche seine hartnaeckigste +Wurzel. + +Es hat fast den Anschein, als muesste der Bauer erst mit gutem Beispiel +vorangehn und die Sprache der Bildung gegen den Dialekt der Rohheit +eintauschen, ehe der Student sich dazu entschliesst. + +Wie noethig thaete es Manchem, um auch nur den aeussern Schein seines +Standes im Gespraech und Umgang mit Gebildeten zu retten. Ich schaeme +mich's zu sagen, welche Erfahrungen ich gemacht habe. + +Wie noethig aber thut es Jedem, sich unablaessig in einer Sprache zu +bewegen, die ihm erst zu der Herrschaft ueber sein Wissen verhelfen soll; +wie noethig Jedem, sich einer Sprache zu entschlagen, welche diese +Herrschaft missgoennt und streitig macht, welche wie das lichtlose dumpfe +Chaos dicht hinter seiner aufzubauenden Welt lauert. + +Ohnehin fordert die hochdeutsche Sprache Uebung, viel Uebung. Sie faellt +Einem nicht so in den Mund, wie dem Franzosen das franzoesische. Das +Talent sich fertig und gelaeufig auszudruecken, ist immer noch ein +selteneres, am seltensten in Nord-Deutschland. Sprache und Gedanke, +Sprache und Gelehrsamkeit stehen haeufig im ungeheuersten Missverhaeltniss. +Fern sei es von mir, den blossen Fluss der Worte, die Geschwaetzigkeit als +eine Tugend zu preisen. Aber diese Wortangst, diese Wortplage, die so +viele Sprechende befaellt, dieses Stottern, Ringen, Raedern und Braechen, +das am Ende oft doch nur etwas Verschrobenes oder Triviales zu Tage +foerdert, das alles deutet bei unsern Gelehrten auf eine klaegliche +Unangemessenheit zwischen todtem Studiren und lebendigem Umtausch hin. + +Von dieser Seite betrachtet zeigt sich der geruegte Uebelstand auf +norddeutschen Universitaeten im haesslichsten Licht. Der tuechtigste Kopf +kann sich kaum vor der Masse des Fertigen, Vorgedachten, Positiven +erwehren, das so regelmaessig wie der Rinnenguss einer Wassermuehle Tag fuer +Tag auf ihn eindringt. Es gehoeren elastische Denkfibern, glueckliches +Gedaechtniss (auch glueckliches Vergessen) und vor allem Freundesgespraeche +dazu, um die ewige Nothwehr mit Erfolg fortzusetzen und das heiligste +Gut der Persoenlichkeit, das Stoffbeherrschende, selbstbewusste, +selbstdenkende Ich siegreich davonzutragen. Vor allem Freundesgespraeche, +sage ich. Einsames Lernen, stilles Sammeln, Betrachten, Denken sind +nothwendig; aber wer nicht spricht, erstickt, wird verwirrt, chaotisch +und das eben ist der geistige Zustand der meisten jener Gelehrten, deren +Sprechen ich so eben als Sprachangst und Sprachplage bezeichnet habe. + +Mit welchen Farben soll ich den barocken, laecherlich traurigen +Geisteszustand einer plattdeutschen Studentenmasse schildern. _Ochsen_ +nennt sie selbst die mechanische Arbeit, die sie zum Behuf des Examens +taeglich vornimmt. Jeden Tag schiebt sie fleissig ihren Karren Pandekten, +Dogmatik u.s.w. in die Scheune ihres Gedaechtnisses. + +Liegt da das taegliche Pensum zu Hauf, so spannt sie sich aus, laesst's +liegen, wo es liegt und--wird gemuethlich, plattdeutsch. + +_Humaniora_, erfrischende, belebende, hoeher hinantreibende Vortraege, +hoert sie nicht, oder bekommt sie nicht zu hoeren, da leider an vielen +Orten die _Humaniora_ nur als Antiquitaeten gelesen werden. + +Klingt es nicht manchmal als Ironie, wenn der Bauer seinen Sohn, oder +des Amtmanns, Schulzen, einen Studeermakergesellen nennt?--O +norddeutsche, studirende Jugend, nimm das platt aus dem Munde! + + * * * * * + +Bis hierher hatte ich das Niedergeschriebene einem Freunde vorgelesen. +Ich fragte diesen um sein Urtheil. Ich bin ueberrascht, sagte er nach +einigem Zoegern: Ich habe ueber den Einfluss der plattdeutschen Sprache +bisher nicht weiter nachgedacht, und das moegte wohl der Fall mit den +meisten kuenftigen Lesern dieser Bogen sein. Nichts destoweniger habe ich +diesen Einfluss dunkel und unangenehm empfunden; er macht, besonders wenn +man aus dem Sueden zurueckkehrt, einen aehnlichen Eindruck, wie die +veraenderte Athmosphaere, die fahle Luft und das haeufige Regenwetter des +Nordens. Man findet sich darein, wie in ein nothwendiges Naturuebel. +Allein mit der Sprache ist es wol ein Anderes. Sie haben Recht, wenn Sie +einmal frueher aeusserten, man muesse sich selbst gegen das Nothwendige, das +der physischen oder moralischen Ordnung angehoert, in Position setzen. +Sie haben mir, darf ich sagen, ordentlich die Brust erleichtert, indem +Sie mich auf einen bestimmten Landesfeind aufmerksam machen, mit dessen +Vertilgung das Feld fuer die norddeutsche Civilisation gewonnen scheint. +Das wird und muss nach Lesung Ihrer Schrift, das Gefuehl aller Patrioten +sein, denen es in dieser Zeit wie Alpdruecken auf dem Herzen liegt. O +wohl! o wohl! Die plattdeutsche Sprache ist das absolute Hemmniss des +oeffentlichen Lebens, der Bildung und Humanitaet in Niedersachsen. So +lange diese Sprache dem gemeinen Leben angehoert, werden, wie bisher, +Mastochsen, Gaensebrueste und westphaelische Schinken die Hauptprodukte +unserer Civilisation bleiben. Gegen die Civilisation selbst macht die +plattdeutsche Sprache nicht allein gleichgueltig, sondern tueckisch und +feindselig gestimmt. Warum ist das nicht laengst zur Sprache gebracht, +Gegenstand des allgemeinsten und lebhaftesten Interesses geworden. + +Sie vergessen, sagte ich, dass Voss, Harms, Scheller, Baermann und andere +wackere Maenner die Theilnahme des Publikums fuer diese Sprache, selbst +fuer eine Literatur in derselben, haben in Anspruch nehmen wollen. + +Ich weiss, erwiederte er, ich habe unter andern den "_Bloottuegen_," den +Henrik von Zuephten vom Pastor Harms gelesen. Damals dachte ich nichts +anderes dabei, als dass so ein plattdeutsches Buch unbequem und schwer zu +lesen und wahrscheinlich noch unbequemer zu schreiben sei. + +Was den Henrik von Zuephten betrift, bemerkte ich dagegen, so scheint mir +der Verfasser einen Ungeheuern Missgriff in der Wahl des Stoffes gethan +zu haben. Ich schaetze die alten Dithmarsen sehr hoch. Sie waren ein +tapferer, unbezaehmlicher, ordentlich nach Freiheit und Unabhaengigkeit +duerstender Menschenschlag, Bauern zu Pferde mit dem Schwerdt in der +Hand, die Schweizer des Nordens oder vielmehr Wittekinds und seiner +Sachsen ungebeugte und ungebrochene Enkel bis in's fuenfzehnte und +sechszehnte Jahrhundert hinein. Nur weiss ich nicht, ob ein lutherischer +Pfarrer von Heute, selbst wenn er geborner Dithmarse ist, einer so +durchaus heidnischen Mannheit Gerechtigkeit widerfahren lassen kann; +denn obwol die dithmarsische Groesse und Freiheit in christliche Zeiten +fiel und die Verehrung der Jungfrau Maria in diesem Lande gerade hoeher +getrieben wurde, als, wie es scheint, andeswo im Norden, so erhielt doch +der hochfahrende und kampflustige Sinn der Einwohner durch sie nur eine +sehr schwache christliche Faerbung und wol schwerlich hat die Brust eines +mutigen Dithmarsers aus Furcht vor dem Himmel, der Geistlichkeit oder +eigener Gewissenszartheit christliche Demuth dem Muth uebergeordnet, wie +man solches in den Ritterbuechern des Mittelalters liest. Doch mag es +damit sein, wie es will; ich muss bekennen, dass ich ueberhaupt keinen +Geistlichen zum Geschichtschreiber wuensche, speziell nicht zum +Dithmarsischen. Was mir aber auffiel, war, dass Pastor Harms sich grade +einen Moment aus der dithmarsischen Geschichte gewaehlt hatte zur +plattdeutschen Darstellung, der auf so schneidende Weise mit der +altvaeterischen, derben Bonhommie, die er dieser Sprache im Eingang +nachruehmt, im Kontrast steht: der Maertyrertod des ersten lutherischen +Predigers in Dithmarsen. Diese kalte Wuth, dieser Hohn menschlichen +Gefuehls, diese Spurlosigkeit alles Barmherzigen, womit hier der arme +Mann einem langsamen und schauderhaften Tode ueberliefert wird, macht +nicht nur an sich einen boesen Fleck in der dithmarsischen Geschichte +aus, sondern erinnert auch sehr zur Unzeit, dass diese beste Zucht +niedersaechsischer Maenner, die Dithmarsen, von jeher neben ihrer +Tapferkeit und eisernen Sitte, mit asiatischer Barbarei an +Gefuehllosigkeit gegen Feind und Freund gewetteifert haben, was den +allerdings wol auf eine derbe und rohe, aber keineswegs auf so eine +"alte und gemuethliche" Sprache hindeutet, wie's so etwa von einem +unserer friedlichen und gutmuethigen Philister heutiger Zeit verstanden +wird.--Fuegen Sie noch hinzu, sagte hierauf mein Freund, dass das +Dithmarsen der Gegenwart, das noch ganz und gar plattdeutsch ist, und wo +auch noch wirklich das beste platt[8] gesprochen wird, weder in +moralischer noch in gesellschaftlicher Beruehrung ein sehr glaenzendes Lob +auf dasselbe zuzulassen scheint. Die Armuth, Trunkfaelligkeit, die +ungeheure Zahl der veruebten Mordbraende in Dithmarsen deuten auf einen +sehr versunkenen sittlichen und buergerlichen Zustand. Eben er, der mit +herrlichem Eifer fuer die Verbreitung religioeser und moralischer +Lebensflammen erfuellte Pastor Harms hat in patriotischen Schriften +seinen Schmerz darueber ausgesprochen. Was kann er aber, sage ich jetzt +mit vollster Ueberzeugung, von der Mithuelfe einer Sprache erwarten, +welche aller Mittheilung unbesiegliche Schranken entgegenstellt und das +wahre Grab des hoeheren Leben ist. Es staende zu wuenschen, dass ein +dithmarsischer Patriot den nachteiligen Einfluss der Sprache auf die +Fortschritte der Civilsation und selbst auf die schoenere Humanitaet einer +ausgezeichneten Einzelbildung aus der Allgemeinheit Ihrer Schrift +uebertragen moege auf Dithmarsen und die Dithmarsen, wie sie sind und was +sie vermoege ihrer Sprache sind und nur sein koennen. + +Ihr Wunsch ist der meinige, ich werde ihn, wie ueberhaupt unser +Gespraech, vor's Publikum bringen, und zwar als integrirenden Theil +meines Aufsatzes. Denn, glauben Sie mir, ohne Ihr Hinzukommen wuerde ich +mich nie zur Herausgabe desselben bestimmt haben. + +Sie scherzen, oder wollen etwas sagen, was mir nicht klar ist. + +Hoeren Sie nur und urtheilen Sie selbst. Ich habe bisher darzustellen +gesucht, dass die plattdeutsche Sprache sowol an sich unfaehig sei, die +Keime der Civilisation zu fassen als auch, so lange sie taegliche +Umgangssprache in Niedersachsen bliebe, alles Bemuehen zur Civilisation +durch das Mittel der hochdeutschen Sprache vereiteln muesse. Ich habe +diese Wahrheit nicht allein auf die unteren Kreise beschraenkt, ich habe +fuehlbar zu machen gesucht, wie ohne unterliegende allgemeine +Volksbildung, auch die hoehere Bildung des Einzelnen gefaehrdet sei und +zum Beispiel die Extreme auf der jetzigen Leiter unserer Kultur, Bauer +und Student oder Studirter, sich in demselben rohen und bildunglosen +Medium wieder beruehren. Habe ich, wie ich meine und getrost der +oeffentlichen Stimme ueberlasse, dieses mit unabweisbarer +Handgreiflichkeit nachgewiesen, so werde ich allerdings der +Uebereinstimmung aller Patrioten in der Behauptung gewiss sein, es sei +nicht wuenschenswerth, dass die ohnehin aussterbende und vermodernde +plattdeutsche Sprache, gehegt und gepflegt werde, es sey im Gegentheil +wuenschenswerth, dass sie sich je eher je lieber aus dem Reiche der +Lebendigen verliere. Und somit waere denn im verhofften guten Fall hie +und da eine Meinung, eine Ansicht ueber das Wuenschenswerthe und nicht +Wuenschenswerthe in dieser Angelegenheit oeffentlich angeregt. Aber sagen +Sie mir, was ist eine Privat-Meinung, die einen frommen Wunsch zur Folge +hat, im Angesicht eines oeffentlichen Gegenstandes, oder Widerstandes, +der nichts meint und wuenscht, der nur so eben sich seiner breiten Fuesse +bedient, um seine plumpe und gedankenlose Existenz durch alle Meinungen +hindurch zu schieben und sich trotz aller Meinungen auf den Beinen zu +behaupten, bis er etwa von selbst umfaellt, Meinungen und Ansichten haben +wir im Ueberfluss, vortrefliche. Woran fehlt's? Am Korporativen der +Meinung, welches die oeffentliche Meinung ist, welche die That mit sich +fuehrt. Wuerde ich sonst, wenn ich nicht das fruchtlose Hin- und Hermeinen +des Publikums zu gut kennte, mir die Beantwortung der ironischen Frage +aufgelegt haben, ob man den wuenschenswerthen Untergang der Sprache ruhig +sich selbst und der Zeit ueberlassen oder etwas dafuer thun, denselben +moeglichst beschleunigen solle? Sie sehen aber wol, dass es mir damit +nicht Ernst gewesen sein kann; denn bringt die wahre und lebhafte +Darstellung eines grossen Uebels nicht unmittelbar und fuer sich das +Gegenstreben, den Wunsch und das Umsehen nach Mitteln zur Abstellung +desselben hervor, so ist alles weitere Reden und Zureden rein +ueberfluessig, falls es nicht, wie bei manchen Maassregeln gegen die +Cholera, mit aeusserm Zwang und obrigkeitlichem Befehl verbunden ist. + +Ich weiss aber nicht, was mir sagt, dass Sie im Auffassen dieser +Angelegenheit der Repraesentant von sehr vielen Norddeutschen sind. Die +Wahrheit hat auf Sie ihren vollen Eindruck nicht verfehlt, Sie freuen +sich, ihren allgemeinen trueben Missmuth einem bestimmten Feind +gegenuebergestellt zu sehen, Sie sinnen auf Mittel, ihn anzugreifen, Sie +halten ein allgemeines lebhaftes und daher wirksames Interesse als +durchaus in der Sache begruendet. + +So ist es, erwiederte mein Freund. Und ich glaube, auch darin irren Sie +nicht, wenn Sie mich nach Ihrem Ausdruck fuer den Repraesentanten einer +sehr namhaften Zahl und Klasse von Norddeutschen halten. Bedenken Sie +nur allein den Stand des Schullehrers, der Jahr aus Jahr ein an der +plattdeutschen Jugend sich fruchtlos abquaelt und gleichsam tagtaeglich +Wasser ins Fass der Danaiden schoepft. Ihm vor allen wird ihre Schrift +neuen Muth und Anstoss geben. Das Hauptmittel, davon sind Sie ohne +Zweifel auch ueberzeugt, liegt in den Haenden dieser Maenner. + +Aber, fuegte er fragend hinzu, welchen Schluss geben Sie ihrer Arbeit? Ich +denke doch, Sie lassen, wenn auch die zweite Frage billig ausfaellt, die +dritte nicht ganz unbeantwortet. Welche Mittel halten Sie fuer die +Ausrottung der plattdeutschen Sprache fuer die wirksamsten? Mir und +meinen Kollegen, wie gesagt, liegt vorzueglich daran. + +Ich trug meinem Freunde darauf den folgenden Abschnitt vor, bemerkte +aber, dass ich von ihm selbst oder von einem Genossen seines Standes +etwas Erschoepfenderes in dieser Hinsicht verhoffte. + + * * * * * + +Wer aber soll helfen gegen das Plattdeutsche im Volk? Wie kann dem +Hochdeutschen geholfen werden? + +Wer? Alle Welt, nur der Staat nicht. Was der Staat gegen das +plattdeutsche und fuer das Hochdeutsche thun konnte, hat er gethan, indem +er jene aus der Kirche verbannt und sie vom Gerichtshofe ausschloss. + +Wer diese Schrift verbreitet, sie selbst oder ihre Ideen, wer sie +oeffentlich angreift oder vertheidigt, wer ihr neue Gesichtspunkte +hinzufuegt, deren es noch so viele giebt, wer die bereits aufgestellten +modificirt, rektificirt, _der hilft, er mag wollen oder nicht_; denn er +hilft eine oeffentliche Meinung bilden. Beleuchtet dieses gedankenlose +Monstrum, Hannoverisches Platt, Meklenburgisches Platt und wie es sich +ueberall nennt, von hinten oder von vorne, von der besten oder von der +schlechtesten Seite, beleuchtet es nur, und glaubt mir, jedes Licht uebt +eine chemische Zerstoerung auf sein Volumen aus. Besprecht es, besprecht +es nur und seid ueberzeugt, jedes Wort im Guten oder Boesen ist ein +Zauberbann, der ihm einen Fuss seines Gebietes verengt. + +Das ist das Schoene mit der guten Sache und der oeffentlichen Meinung und +der neuen Zeit; wenn die drei einmal in Bewegung sind und sich auch +nicht suchen, so verfehlen sie sich doch nicht. + +Ja, ich zweifle nicht, die oeffentliche Meinung wird sich bilden und sie +wird grollen, wie ich, mit dem Plattdeutschen und das Grollen wird ueber +die Koepfe unserer Bauern hinfahren und wird--ansteckend sein. + +Die Ansteckung ist die Hauptkraft der oeffentlichen Meinung und das +Wunderbarste an ihr. + +Die wichtigsten Exekutoren der legislativen Gewalt oeffentlicher Meinung +sind aber in unserm Fall unstreitig die Schullehrer, insbesondere die +auf dem Lande. Auf den Grad des Anteils, der Einsicht, des guten Willens +dieser grossen, nuetzlichen, im Stillen wirkenden Klasse von +Staatsbuergern, deren Einfluss auf die Bildung der Landleute bedeutend +groesser ist, als der Pastoraleinfluss, kommt unendlich viel an. + +Fassen diese, wie es ihnen zukommt und wie zu erwarten, die Sache der +Civilisation mit Eifer auf, durchdringen sie sich von der Nothwendigkeit +einer ununterbrochenen Attake auf das Plattdeutsche, stehen sie, wie es +ihre Gewohnheit ist, beharrlich auf ihrem Stueck, so will ich sehen, +welche wundergleiche Veraenderung dieses schon im Ablauf von zehn Jahren +in einem Verhaeltniss von Hoch zu Platt hervorbringen wird. + +Ihre Hauptaufgabe waere, dahin zu streben, das Hochdeutsche +_vertraulicher_ und _herzlicher_ zu machen--ein Weg, der nur durch die +_Fertigkeit_ und _Unbekuemmertheit der Zunge_ hindurchgeht. Ihre Arbeit +ist in der Schule, in den Familien, vor der Kommuene. Was die _Schule_ +betrift, so wuerde ich den Rath geben, in den ersten Schuljahren die +Kinder weder zum Schreiben noch zum Lesen anzuhalten, nur zum Sprechen. +Das Warum leuchtet ein. Auch die Aelteren muessten haeufiger mit Sprech- +und Denkuebungen beschaeftigt werden--welche Gelegenheit zugleich auf den +Verstand und durch diesen gegen die plattdeutsche Sprache zu wirken, in +welcher dem Knaben von Haus aus alle fruehere Vorurtheile und Dummheiten +eingepropft sind. Besondere Ruecksicht verdienen die Maedchen. Ihre +Gemuether sind weicher, empfaenglicher, ihr Organ, gewoehnlich auch ihr +Verstand leichter zu bilden und--sie sollen einmal Muetter, Hausfrauen, +das heisst auf dem Lande, fuer das juengste Geschlecht im Hause alles in +allem werden. Auch im _aelterlichen Hause_ bleibt viel zu wirken, +besonders auf Hausfrauen und aeltere Toechter; der heiterste, zwangloseste +Gesellschafter ist hier der beste, er bringt bald ein unterhaltendes +Buch (kurze und erbauliche Geschichten, keine langweilige faselnde), +bald einen interessanten Gegenstand zur Erzaehlung mit, eine Anekdote aus +der Zeitgeschichte, oder meinentwegen einen Fall aus der Nachbarschaft, +dem Dorfe mit, der, wie er versichert, sich im Plattdeutschen nicht +ausnimmt. _Fuer die ganze Komuene_ ist er wirksam durch Einfuehrung +periodischer Blaetter, Zeitungen, auf gemeinschaftliche Kosten zu halten +und regelmaessig in Versammlung der Maenner vorzulesen, allenfalls durch +aeltere, der Konfirmation entgegengehende Knaben, _als beneidete und +ehrenvolle Belohnung_ ihrer Fortschritt im Lesen und Sprechen des +Hochdeutschen. + +Ich deute nur an, aber ich komme mir vor, ich wuesste es auch auszufuehren +als Schullehrer auf dem Lande, und Tausende besser als ich. + +So viel ist gewiss, waere ich Schullehrer, so wuerde ich fuer's Erste nur +ein Ziel kennen: mein Dorf zu verhochdeutschen. + +Leeres Stroh wuerde ich glauben zu dreschen, so lange nicht die Garbe der +hochdeutschen Sprache und Bildung mir auf dem freien Felde waechst. + +Eine Buergerkrone wuerde ich glauben verdient zu haben, wenn man mir im +Alter nachruehmte: er hat diesen Flecken, sein Dorf, das sonst so dunkle, +dumpfe, plattdeutsche Nest, mit der Kette der Civilisation in Kontakt +gesetzt durch Ausrottung der plattdeutschen und Einfuehrung der +Bildungssprache Deutschlands. + + +Fussnoten: + +[1] Doch auch mit Ausnahme gewisser oertlicher und provinzieller +Variationen, wie in Hamburg, Westphalen, Dithmarsen, wo selbst die +Gebildeten, von deren Aussprache hier eigentlich die Rede ist, sich der +Lokaltinten nicht enthalten. + +[2] Die Hexenprozesse, die mit wenig zahlreichen Ausnahmen erst nach Der +Reformation und Hauptsaechlich im protestantischen Norddeutschland +gefuehrt wurden und denen ein Glaube an den Einfluss boeser Geister zu +Grunde lag, den Luther, in melancholischen Anfaellen selbst oft mit dem +persoenlich ihm erscheinenden Teufel ringend, nur zu sehr genaehrt hatte, +_diese Hexenprozesse haben Deutschland im 17ten Jahrhundert vielleicht +mehr Menschen gekostet, als Spanien die Inquisition._ + +[3] Reineke de Vos ist von hollaendischer und franzoesischer Abkunft, wenn +auch die Maehrchen von Fuchs und andern Thieren urspruenglich in +Deutschland sowol, als in Frankreich in Schwang gingen. Die +plattdeutsche Uebersetzung scheint niemals Volksbuch gewesen zu sein, +obgleich sie sehr gelungen ist; man koennte sie den Schwanengesang dieser +Sprache nennen. + +[4] Wollte ich zu diesem, wie gesagt, naturrohen Bilde ein mehr dem +Spiel der Phantasie angehoeriges hinzufuegen, so vergliche ich den blossen +Lese- und Schreibunterricht unserer Landkinder mit der Unvernunft und +Thorheit eines Ackermannes, der seinem Acker die Instrumente zur +Bearbeitung, Spaten und Pflug, zur Selbstbearbeitung hinwirft. + +[5] Was koennte ich anfuehren, wollte ich von der niedrigsten Klasse +norddeutscher Staedte sprechen, die sich, wie der Hamburger Poebel in +Schnapps und unreinstem Plattdeutsch waelzt. + +[6] Wo willst Du hin, fragte Jemand einen Meklenburgischen Scholaren, +der gerade auf den Postwagen stieg. Die Antwort war: Na Rostock, ik will +mi op de Wissenschaften leggen. + +[7] Weniger Spaesse. + +[8] Doch nicht rein, sondern mit friesischen Woertern untermischt. + + * * * * * + +Von demselben Verfasser sind bei uns erschienen: + +_Wienbarg_, _Dr._ L., + Holland in den Jahren 1831 und 32, 2 Bde. 8, + 833-34. 2 Thlr. 16 Gr. + + ---- ---- Jason. Episches Gedicht nach Pindar. Uebersetzt, + bevorredet und erlaeutert; mit einem + Zueignungsgedicht an Jason Sabalkansky. 8. 830. + 4 Gr. + + ---- ---- Paganini's Leben und Charakter nach Schottky. Mit + Paganini's Bildnis. gr. 8. 830. 12 Gr. + + +Unter der Presse befindet sich: + + ---- ---- aesthetische Feldzuege. Dem jungen Deutschland + gewidmet. 8. + + + + + + + +End of the Project Gutenberg EBook of Soll die plattdeutsche Sprache +gepflegt oder ausgerottet werden?, by Ludolf Wienbarg + +*** END OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK SOLL DIE PLATTDEUTSCHE SPRACHE *** + +***** This file should be named 12660.txt or 12660.zip ***** +This and all associated files of various formats will be found in: + https://www.gutenberg.org/1/2/6/6/12660/ + +Produced by Charles Franks and the DP Team + +Updated editions will replace the previous one--the old editions +will be renamed. + +Creating the works from public domain print editions means that no +one owns a United States copyright in these works, so the Foundation +(and you!) can copy and distribute it in the United States without +permission and without paying copyright royalties. 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It exists +because of the efforts of hundreds of volunteers and donations from +people in all walks of life. + +Volunteers and financial support to provide volunteers with the +assistance they need, is critical to reaching Project Gutenberg-tm's +goals and ensuring that the Project Gutenberg-tm collection will +remain freely available for generations to come. In 2001, the Project +Gutenberg Literary Archive Foundation was created to provide a secure +and permanent future for Project Gutenberg-tm and future generations. +To learn more about the Project Gutenberg Literary Archive Foundation +and how your efforts and donations can help, see Sections 3 and 4 +and the Foundation web page at https://www.pglaf.org. + + +Section 3. Information about the Project Gutenberg Literary Archive +Foundation + +The Project Gutenberg Literary Archive Foundation is a non profit +501(c)(3) educational corporation organized under the laws of the +state of Mississippi and granted tax exempt status by the Internal +Revenue Service. The Foundation's EIN or federal tax identification +number is 64-6221541. Its 501(c)(3) letter is posted at +https://pglaf.org/fundraising. Contributions to the Project Gutenberg +Literary Archive Foundation are tax deductible to the full extent +permitted by U.S. federal laws and your state's laws. + +The Foundation's principal office is located at 4557 Melan Dr. S. +Fairbanks, AK, 99712., but its volunteers and employees are scattered +throughout numerous locations. Its business office is located at +809 North 1500 West, Salt Lake City, UT 84116, (801) 596-1887, email +business@pglaf.org. 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